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lsgbw-2006-03-15-l-5-ka-399504
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 KA 3995/04
2006-03-15
2019-01-07 12:04:08
2019-01-17 11:57:04
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts\nKarlsruhe vom 23. Juni 2004 aufgehoben und die Klage mit der Maßgabe\nabgewiesen, dass die Behandlung von bereits an behandelten Patienten\nabgeschlossen werden kann.\n\nDie Kosten beider Rechtszuge - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen zu 2) bis 8), die diese selbst tragen - tragt die Klagerin.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob der Klagerin die Zulassung zur\nTeilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Tatigkeit zu Recht entzogen\nwurde. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die 1951 geborene Klagerin ist Diplom-Psychologin und psychologische\nPsychotherapeutin. Sie wurde durch Beschluss des Zulassungsausschusses vom\n22.11.2000, ausgefertigt am 02.01.2001 und zugestellt am 05.01.2001, zur\nAusubung vertragspsychotherapeutischer Tatigkeit in K. zugelassen. In dem\nBescheid war u.a. unter Verweis auf § 19 Abs. 2 der Zulassungsverordnung fur\nVertragsarzte (Ärzte-ZV) ausgefuhrt, dass die vertragspsychotherapeutische\nTatigkeit spatestens drei Monate nach Zustellung des Beschlusses aufzunehmen\nsei. Die Klagerin beabsichtigte, ihre Tatigkeit an der Praxisadresse ihres\nEhemannes am 01.04.2001 aufzunehmen, was nicht geschah. Auf Nachfrage teilte\ndie Klagerin mit Schreiben vom 19.09.2001 mit, sie sei erkrankt und konne ihre\nberufliche Tatigkeit deswegen zur Zeit nicht ausuben. Der Erkrankungszeitraum\nsei augenblicklich nicht absehbar. Eine gegebenenfalls erforderliche\nVertretung werde im Rahmen der Praxisgemeinschaft von ihrem Ehemann\nwahrgenommen. In einem Telefonat vom 27.09.2001 erklarte ihr Ehemann, die\nKlagerin wolle das Ruhen ihrer Zulassung nicht beantragen, da sie ihre\nTatigkeit voraussichtlich binnen drei Monaten wieder werde aufnehmen konnen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben des Zulassungsausschusses vom 28.08.2002 wurde die Klagerin\ndarauf hingewiesen, dass dieser beabsichtige, das Ende der Zulassung der\nKlagerin zur vertragspsychotherapeutischen Tatigkeit festzustellen, weil sie\nihre Tatigkeit nicht aufgenommen habe. Daraufhin stellte die Klagerin mit\nSchreiben vom 28.09.2002 den Antrag auf das Ruhen ihrer Kassenzulassung bis\nzum 31.12.2002. Zur Begrundung verwies sie auf eine beigefugte arztliche\nBescheinigung von Prof. Dr. L. und erklarte, zum Zeitpunkt der Antragstellung\nder Kassenzulassung sei ihre gesundheitliche Verfassung und die damit\nverbundene Unmoglichkeit der Aufnahme einer beruflichen Tatigkeit nicht\nabsehbar gewesen. Auch habe sie mit der Krankmeldung vom 19.09.2001 einen\nkonkludenten Antrag auf Ruhen der Zulassung gestellt. Damals habe Aussicht auf\nbaldige Genesung bestanden. Ein Antrag auf Ruhen der Zulassung sei aus\nUnkenntnis und auf Grund ihrer gesundheitlichen Beeintrachtigung versaumt\nworden. Sie habe ihre vertragspsychotherapeutischen Pflichten weder groblich\nnoch schuldhaft verletzt und bitte daher, von der Entziehung der Zulassung\nabzusehen. Die Beigeladene zu 1) teilte am 08.11.2002 mit, dass die Klagerin\nkeine einzige Abrechnung eingereicht habe. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 20.11.2002, ausgefertigt am\n13.01.2003, wurde der Antrag der Klagerin auf Ruhen der Zulassung abgelehnt.\nGleichzeitig wurde ihr die Zulassung zur Teilnahme an der\nvertragspsychotherapeutischen Tatigkeit gemaß § 95 Abs. 6 Funftes Buch\nSozialgesetzbuch (SGB V) entzogen. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, die\nKlagerin habe keinen rechtzeitigen Antrag auf Ruhen ihrer Zulassung oder\nAntrag auf Fristverlangerung zur Aufnahme der vertragsarztlichen Tatigkeit\ngestellt. Es sei nicht glaubhaft, dass in ihrem Schreiben vom 19.09.2001 ein\nkonkludenter Antrag auf Ruhen der Zulassung enthalten sein solle. Denn der\nEhemann der Klagerin habe erklart, dass diese ihre Tatigkeit alsbald wieder\naufnehmen werde. Die Klagerin sei bereits im Zulassungsbescheid darauf\nhingewiesen worden, dass eine Fristverlangerung nicht gewahrt werden konne.\nDer Zeitraum von fast zwei Jahren fur die erstmalige Aufnahme der Tatigkeit\nsei nicht vertretbar; es genuge nicht, nur eine Praxisadresse anzugeben, aber\nnie zu praktizieren. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin legte am 10.02.2003 Widerspruch ein und erlauterte, sie und ihr\nMann hatten geeignete Praxisraume fur eine gemeinschaftliche\nvertragspsychotherapeutische Tatigkeit angemietet. Sie selbst habe sich aktiv\nan den Tatigkeiten beteiligt, welche der Eroffnung der Praxis vorausgegangen\nseien, woraus sich ableiten ließe, dass sie zur Aufnahme der Praxistatigkeit\nbereit gewesen sei. Nur durch die sich wahrend dieses Zeitraums schleichend\nentwickelnde Erkrankung sei es zu einer Verschiebung direkter Kontaktaufnahme\nmit Patienten gekommen. Das konne ihr nicht zur Last gelegt werden, weil sie\ndie Praxisgrundung und Bereitstellung eines Behandlungsangebots nicht groblich\noder schuldhaft verletzt habe. Mittlerweile sei sie genesen und daher wieder\nin der Lage, angemessene Versorgungsaufgaben wahrzunehmen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Widerspruch wurde durch Beschluss des Beklagten vom 22.10.2003,\nausgefertigt am 09.12.2003, zuruckgewiesen. Der Beklagte argumentierte, dass\ngerade im Bereich eines gesperrten Gebietes wie K. Anlass bestehe, auf den\nGebrauch der vorhandenen Zulassungen zu achten. Werde die Zulassung aus\nGrunden, die in der Person des Zugelassenen liege, nicht ausgefullt, musse ein\nRuhensantrag gestellt werden, denn sonst werde der Zugang fur andere\nversperrt. Die Klagerin habe hinreichend Gelegenheit gehabt, ihre Tatigkeit\naufzunehmen. Daher sei der Beschluss des Zulassungsausschusses zu bestatigen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Gegen den am 10.12.2003 zugestellten Beschluss hat die Klagerin am\n05.01.2004 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und wiederholend\nvorgetragen, sie habe am 19.09.2001 einen konkludenten Antrag auf Ruhen der\nKassenzulassung gestellt. Die telefonischen Gesprache, welche ihr Ehemann mit\nder Beigeladenen zu 1) gefuhrt habe, hatten lediglich zur Information gedient\nund seien ohne ihren Auftrag durchgefuhrt worden. Ihre volle Praxistatigkeit\nhabe sie erst wieder seit Dezember 2003 entfalten konnen, weil sich die\nAusgangskrankheit verzogert habe und ein stationarer Aufenthalt wegen einer\nOperation hinzugekommen sei. Eine Leistungsabrechnung fur das Quartal 1/2004\nwerde eingereicht. Ein arztliches Attest der Internistin Dr. M. bestatigt eine\nVerzogerung wegen einer Choleczystektomie am 16.09.03. Im Termin zur\nmundlichen Verhandlung hat die Klagerin ihre Gesundheitsstorungen (Kopftremor,\nArmlahmung und Gallenblasenoperation) aufgelistet und dargelegt, sie habe\nstets gehofft, dass sich ihre Erkrankung kurzfristig beheben lasse. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das SG hat der Klage mit Urteil vom 23.06.2004 stattgegeben und den\nBeschluss des Beklagten vom 22.10.2003, ausgefertigt am 09.12.2003,\naufgehoben. Zur Begrundung hat das SG dargelegt, der Beklagte habe den\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit verletzt, denn er habe das mildere Mittel\ndes Ruhens der Zulassung nach § 26 Ärzte-ZV anstelle einer Entziehung nicht\nhinreichend in seine Erwagungen einbezogen. Es sei fur die Klagerin aufgrund\nvon Neuerkrankungen nicht absehbar gewesen, dass sich die Erkrankung so lange\nhinziehen werde. Der Begriff der angemessenen Frist des § 95 Abs. 5 SGB V\nlasse sich nicht starr festlegen, er konne unter Berucksichtigung der Umstande\neines Einzelfalls wie dem vorliegenden auch zwei Jahre oder langer dauern.\nSicherstellungsgrunde seien schon deswegen nicht gegeben, weil das Gebiet\nuberversorgt sei. \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen das ihr am 16.08.2004 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 1) am\n14.09.2004 Berufung eingelegt. Sie meint, § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV gehe als\nspezielleres Gesetz § 95 Abs. 6 SGB V vor. Daher habe die Zulassung mangels\nAufnahme der Tatigkeit am 05.04.2001 geendet, denn der Planungsbereich K.\nStadt sei ein von Zulassungsbeschrankungen betroffenes Gebiet, so dass § 19\nAbs. 3 Ärzte-ZV unmittelbar greife. Die vom SG aufgeworfene Frage des Ruhens\nder Zulassung stelle sich nicht mehr, wenn die Zulassung per Gesetz ende. Auch\nhabe die Klagerin entgegen ihrer Darstellung ihre Tatigkeit nicht aufgenommen,\nwas sich aus der Stellungnahme des Internisten Dr. H. vom 04.12.2002 ergebe.\nDie Klagerin habe in einem gesperrten Gebiet den Praxissitz fur andere\nKollegen blockiert. Aus den abgerechneten Fallzahlen ab dem Quartal 1/2004 bis\n1/2005 ergebe sich zudem, dass die Klagerin lediglich 13,5 % der Patientenzahl\nihrer Fachgruppe behandele. Anzahlstatistiken wurden beigefugt. Aus diesen\nergibt sich, dass die Klagerin seit Anfang 2004 durchschnittlich 3,8 Patienten\npro Quartal behandelt hat, wahrend die Fachgruppe auf durchschnittlich 28,6\nund inzwischen sogar auf 41 Patienten kommt. Die Klagerin stehe der\nvertragsarztlichen Versorgung daher nach wie vor nicht in ausreichendem Ausmaß\nzur Verfugung. Insgesamt habe die Klagerin bis Ende 2004 nur 9 Patienten der\ngesetzlichen Krankenversicherung behandelt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beigeladene zu 1) beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2004 aufzuheben und die\nKlage abzuweisen mit der Maßgabe, dass die Behandlung von bereits behandelten\nPatienten abgeschlossen werden kann. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin beantragt schriftsatzlich, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen, \n--- \n| 14 \n--- \n| hilfsweise, \n--- \n| 15 \n--- \n| die Revision zuzulassen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Sie halt das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe fur zutreffend. Ihr\nBevollmachtigter tragt vor, die Klagerin habe ihre Berufstatigkeit durch\nVerlautbarung der Praxiseroffnung (Anbringen eines Praxisschildes;\ntelefonische Kontakt mit uberweisenden Ärzten) formal aufgenommen, es sei nur\nwegen der dann kurz nach Praxiseroffnung eingetretenen Erkrankung nicht zu\nBehandlungen von Patienten gekommen. Die Klagerin habe ihre Arbeit nur\nvorubergehend krankheitsbedingt nicht ausuben konnen. Auf den Einwand der\nBeigeladenen zu 1), sie stehe der vertragsarztlichen Versorgung nach wie vor\nnicht in ausreichendem Maß zur Verfugung, hat die Klagerin vorgetragen, sie\nube keine Nebentatigkeiten aus und stehe mit ihrer gesamten Arbeitskraft zur\nVerfugung. Ihr Behandlungsgebiet umfasse die psychoanalytische Behandlung, die\nzeitintensiv sei und Gutachten beinhalte. Sie erreiche 50 % der\ndurchschnittlichen Behandlungsdichte, viele Patienten scheuten jedoch den\nhohen Zeitaufwand ihrer Behandlungsmethode, so dass sie noch keine\nVollauslastung habe erreichen konnen. Sie habe u.a. deswegen nur drei\ngesetzlich versicherte Patienten betreuen konnen, weil wegen des anhangigen\nVerfahrens keine Durchfuhrung der Behandlung bis zum Ende habe gewahrleistet\nwerden konnen; die Beigeladene zu 1) verhindere erst den Ausbau der Praxis und\nwerfe ihr dann deren geringen Umfang vor. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Beklagte und die Beigeladenen zu 2) bis 8) haben keine Antrage gestellt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Beklage hat die Ansicht vertreten, der Rechtsauffassung der Beigeladenen\nzu 1) sei nicht zu folgen, denn das Merkmal „Aufnahme der vertragsarztlichen\nTatigkeit" sei zu unscharf, um daraus eine Beendigung per Gesetz zu lesen.\nVoraussetzung fur die Berufstatigkeit sei nur das Vorhalten der entsprechenden\nmateriellen Einrichtungen, um vertragspsychologisch tatig sein zu konnen.\nEntgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) setze die Aufnahme der Tatigkeit\ndamit weder das Schalten von Anzeigen noch das erste Behandeln von Patienten\nvoraus; das Vorhalten einer Praxis wie hier mit dem Ehemann genuge. Nachdem\ndie Krankheitssymptome der Klagerin nunmehr abgeklungen seien und sie ihre\nTatigkeit ausube, solle man es dabei belassen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Senat hat den Ehemann der Klagerin G. L. gem. § 75 Abs. I SGG zum\nVerfahren beigeladen. Der Beigeladene zu 8.) hat klargestellt, dass er mit\nseiner Ehefrau, der Klagerin, nicht in Gemeinschaftspraxis sondern in\nPraxisgemeinschaft praktiziere und die Auffassung vertreten, er sei von dem\nRechtsstreit rechtlich nicht betroffen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von\nder Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Beigeladenen zu 1) ist begrundet. Der Beschluss\ndes Beklagten vom 22.10.2003 ist rechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in\nihren Rechten. Die Entscheidung des SG war abzuandern. \n--- \n| 22 \n--- \n| Gegenstand der hier erhobenen reinen Anfechtungsklage (§ 54\nSozialgerichtsgesetz - SGG-) ist der Bescheid des nach seiner Anrufung\nausschließlich funktionell zustandigen beklagten Berufungsausschusses (BSG\nSozR 3-2500 § 96 Nr. 1). Gemaß § 97 Abs. 3 SGB V gilt das Verfahren vor dem\nBerufungsausschuss als Vorverfahren (§ 78 SGG). \n--- \n| 23 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur eine Entziehung der Zulassung zur\nvertragspsychotherapeutischen Versorgung ist § 95 Abs. 6 SGB V. Nach dieser\nBestimmung ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht\noder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt bzw. Vertragspsychotherapeut die\nvertragsarztliche bzw. vertragspsychotherapeutische Tatigkeit nicht aufnimmt\noder nicht mehr ausubt oder seine vertragsarztlichen bzw.\nvertragspsychotherapeutischen Pflichten groblich verletzt hat. Diese\ngesetzliche Regelung wird durch § 27 Ärzte-ZV (in Verbindung mit § 1 Abs. 3\nÄrzte-ZV fur Psychotherapeuten entsprechend anwendbar) erganzt, wonach das\nVerfahren auf Zulassungsentziehung von Amts wegen oder auf Antrag insbesondere\nder Kassenarztlichen Vereinigung eingeleitet werden kann. Weiter bestimmt § 19\nAbs. 3 Ärzte-ZV, dass die Zulassung endet, wenn die vertragsarztliche\nTatigkeit in einem von Zulassungsbeschrankungen betroffenen Planungsbereich -\nwas hier im Planungsbereich K. Stadt mit einem von 110, 6 % am 25.04.2001 auf\n120,6 % am 26.10.2005 (vgl. dazu Bl. 79 LSG-Akte) angestiegenen\nVersorgungsgrad der Fall ist - nicht innerhalb von drei Monaten nach\nZustellung des Bescheids uber die Zulassung aufgenommen wird. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Beschluss des Zulassungsausschusses war der Klagerin am 05.01.2001\nzugestellt worden, am 05.04.2001 war die Dreimonatsfrist des § 19 Abs. 3\nÄrzte-ZV mithin abgelaufen. In dieser Zeit hat die Klagerin weder einen Antrag\nauf Festsetzung eines spateren Zeitpunkts, bis zu welchem die\nvertragsarztliche Tatigkeit aufzunehmen ware (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV)\nnoch einen Antrag auf Ruhen (§§ 95 Abs. 5 SGB V, 26 Ärzte-ZV) der Zulassung\ngestellt. Die Klagerin hat nach eigenen Angaben nach Erteilung der Zulassung\nzunachst auch keine Patienten behandelt, objektiv ist festzustellen, dass sie\nfur die Quartale bis einschließlich 4/2003 auch keine Abrechnungen bei der\nBeigeladenen Ziff. 1 eingereicht hat. Die ersten Patienten hat sie zu Lasten\nder gesetzlichen Krankenkassen nach eigenen Angaben erst im Dezember 2003\nbehandelt, abgerechnet werden Behandlungen jedoch erst spater, namlich\nerstmals mit dem Quartal 1/2004. Damit hat sie ihre vertragsarztliche\nTatigkeit erst nach Zustellung des Zulassungsentziehungsbescheides des\nBeklagten, die am 10.12.2003 erfolgt ist, aufgenommen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Ein Nichtausuben der vertragsarztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen\nTatigkeit im Sinne des § 95 Abs. 6 SGB V liegt vor, wenn der Arzt bzw.\nPsychotherapeut die Berufstatigkeit tatsachlich nicht ausubt oder den Willen\nzur kontinuierlichen Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung\nnicht hat. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn die Klagerin\nkurz nach ihrer Zulassung an der Planung und Einrichtung der zur\ngemeinschaftlichen Nutzung mit ihrem Ehemann vorgesehenen Praxisraume\nmitgewirkt, einen Mietvertrag unterschrieben und mit Ärzten erste Kontakte\naufgenommen hat. Diese Aktivitaten (vgl. dazu Bl. 24 und 25 SG-Akte sowie Bl.\n27 LSG-Akte) sind nur als Vorbereitungshandlungen zu qualifizieren. Die\nAufnahme der vertragsarztlichen Tatigkeit liegt darin noch nicht, sondern erst\nin der Aufnahme der eigentlichen vertragsarztlichen Tatigkeit, dem Abhalten\nvon Sprechstunden und dem Behandeln von Patienten. Dies bedeutet, dass die\nKlagerin ihre vertragspsychotherapeutische Tatigkeit erst Anfang 2004 und\ndamit erst 2 ¾ Jahre nach dem vorgesehenen Anfangstermin aufgenommen hat. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 95 Abs. 6 SGB V fur eine Entziehung der Zulassung\nhaben somit vorgelegen. In § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV ist fur den Fall, dass der\nVertragsarzt die vertragsarztliche Tatigkeit in einem zulassungsbeschrankten\nGebiet nicht aufnimmt, ausschließlich das Ende der Zulassung vorgesehen; der\nWortlaut der Vorschrift legt es sogar nahe, dass diese Rechtsfolge kraft\nGesetzes eintritt. Dies kann hier indes offen bleiben, denn der Bescheid des\nZulassungsausschusses spricht diese Rechtsfolge zulassigerweise klarstellend\naus, um den Rechtsschein zu beseitigen, die Klagerin verfuge uber eine\nZulassung (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 2 S.12). \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Bescheid des Beklagten spricht die Zulassungsentziehung auch zu Recht\naus. Auch der Wortlaut des § 95 Abs. 6 SGB V lasst nur eine einzige\nEntscheidung zu. Dem Beklagten ist von Gesetzes wegen somit kein Raum fur\nirgendwelche Ermessens- oder Billigkeitsuberlegungen eingeraumt. Die\nAuffassung von Schallen, Zulassungsverordnung fur Ärzte, Kommentar, 4. Aufl.\n2004 Rn 596, wonach die Rechtsgrundlage fur eine Entziehungsmaßnahme entfallt,\nwenn der Arzt wahrend des Entziehungsverfahrens seine vertragsarztliche\nTatigkeit wieder aufnimmt, findet im Gesetz keine Stutze. Abgesehen von den\ndann moglichen Manipulationen bis zum Eintritt der Rechtskraft, die mit dem\nSicherstellungsauftrag der Beklagten unvereinbar sind, wurde die Auffassung\nvon Schallen eine Formulierung im Sinne von „solange der Arzt noch nicht seine\nTatigkeit aufgenommen hat" voraussetzen, wahrend das Gesetz - was insbesondere\nin § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV zum Ausdruck kommt - die Entziehung bereits fur den\nFall anordnet, dass der Vertragsarzt seine vertragsarztliche Tatigkeit nicht\naufgenommen hat. \n--- \n| 28 \n--- \n| Zu prufen ist, ob uber den Wortlaut der genannten Vorschriften hinaus\nAusnahmefalle zur Vermeidung unbilliger Harten anzuerkennen sind, welche eine\neinzelfallgerechte Berucksichtigung der Grundsatzes der Verhaltnismaßigkeit\nund des grundgesetzlichen Schutzes der Berufsausubung gewahrleisten und in\nderen Rahmen mildere Maßnahmen wie die Anordnung des Ruhens der Zulassung zu\nprufen waren. \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur die Anwendung einer konkludenten Hartefallregelung spricht zunachst ein\nVergleich der Vorschrift des § 19 Ärzte-ZV mit § 25 Ärzte-ZV, in dessen Satz 2\neine Abweichung von der Altersgrenze zur Zulassung ausdrucklich „zur\nVermeidung unbilliger Harten" vorgesehen ist. Der Gesetzgeber hat zudem mit\nden Bestimmungen fur bedarfsunabhangige Zulassungen (§ 95 Abs. 10 SGB V) und\nbedarfsunabhangige Ermachtigungen (§ 95 Abs. 11 SGB V) ebenfalls weitgehende\nÜbergangs- und Harteregelungen erlassen (vgl. dazu BSG vom 20.10.2004, B 6 KA\n50/04 B; BSG vom 23.02.2005, B 6 KA 89/04 B). Eine entsprechende Regelung\nfehlt in den § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV und § 95 Abs. 6 SGB V. Dafur ist aber bei\ngenauerer Betrachtung auch kein Bedarf, weil dem Betroffenen mit der\nMoglichkeit des Antrags auf Festsetzung eines spateren Zeitpunkts, bis zu\nwelchem die vertragsarztliche Tatigkeit aufzunehmen ist (§ 19 Abs. 2 Ärzte-ZV)\nund dem Antrag auf Ruhen der Zulassung (§§ 95 Abs. 5 SGB V, 26 Ärzte-ZV) zwei\nMoglichkeiten offen stehen, die Zulassungsentziehung bei - wie hier -\nkrankheitsbedingtem Nichtbetreiben einer vertragspsychotherapeutischen Praxis\ndurch den Einsatz milderer Mittel zu vermeiden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Einer eigenen Hartefallklausel bedarf es insoweit nicht. Wenn die Klagerin\ntrotz langer dauernder und nicht absehbarer Erkrankung und trotz deutlichen\nHinweises im Zulassungsbescheid einen dieser Antrage nicht rechtzeitig\ngestellt hat, obwohl sie dazu gesundheitlich in der Lage gewesen war - dass\nsie so schwer erkrankt war, dass sie nicht einmal in der Lage war, solche\nAntrage zu stellen, lasst sich den vorgelegten Attesten nicht entnehmen und\nwurde von der Klagerin selbst nicht schlussig behauptet - , hat sie dies\nselbst zu vertreten und geht dieses Versaumnis zu ihren Lasten. Außerdem hatte\nsie diesen Antrag auch uber ihren Ehemann stellen konnen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Tatsachlich sind solche Ruhensantrage auch nicht gestellt worden. In dem\nSchreiben vom 19.9.2001 wird zwar ein an sich zum Ruhen berechtigender\nTatbestand, ihre Erkrankung, mitgeteilt, ein auf die Rechtsfolge des Ruhens\ngerichteter Wille lasst sich diesem Schreiben aber nicht entnehmen. Der\nBeklagten, die diesbezuglich noch nachgefragt hatte, wurde vom Ehemann der\nKlagerin ausdrucklich mitgeteilt, dass dies nicht erforderlich sei, weil die\nKlagerin beabsichtige, ihre Tatigkeit in drei Monaten erneut aufzunehmen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Über den mit Schreiben vom 28.09.2002 gestellten Ruhensantrag fur die Zeit\nbis zum 31.12.2002 brauchte der Zulassungsausschuss nicht zu befinden, nachdem\ner die Zulassung wegen der Nichtaufnahme der vertragsarztlichen Tatigkeit\nentzogen hat. Warum die Klagerin fur das Jahr 2003 nicht vorsorglich einen\nweiteren Ruhensantrag gestellt hat, ist nicht nachvollziehbar. \n--- \n| 33 \n--- \n| Sind Antrage auf das Ruhen der Zulassung nicht gestellt worden, so braucht\nnicht gepruft zu werden, ob diesen Antragen zu entsprechen gewesen ware. Die\nvorgelegten Atteste (vgl. Bescheinigung Dr. L. vom 03.09.2002 und Dr. H. vom\n04.10.2002) sind als Gefalligkeitsatteste mit Vorbehalt zu wurdigen, im\nErgebnis bleibt unklar, an welcher ratselhaften Erkrankung die Klagerin\ngelitten hat und ob sie tatsachlich die ganze Zeit uber arbeitsunfahig krank\ngewesen ist. Ermittlungen braucht der Senat bei seiner Rechtsauffassung zu\ndieser Frage allerdings nicht vorzunehmen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Selbst wenn einem Antrag auf Ruhen der Zulassung stattzugeben gewesen ware,\nwurde dies eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen. Die\nZulassungsentziehungsvorschriften sind strikt gefasst und stellen nicht auf\ndie Grunde fur die Nichtaufnahme der vertragsarztlichen Tatigkeit ab. Fur den\nGesetzgeber ist es nicht hinnehmbar, dass der Vertragsarzt seine Tatigkeit\nnicht ausubt ohne die KV zu informieren und ohne sich von den\nvertragsarztlichen Pflichten formlich suspendieren zu lassen. Die Klagerin hat\nauch nicht nur gegen eine unwesentliche Formlichkeit verstoßen, wie sie unter\nHinweis auf den nicht gestellten Antrag auf das Ruhen der Zulassung meint, sie\nhat vielmehr gegen ihre zentrale Verpflichtung aus der Zulassung als\nVertragspsychotherapeutin verstoßen, wenn sie schon nicht der Versorgung von\nPatienten zur Verfugung steht, dies der Beklagten als der fur die\nSicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung zustandigen Stelle auch\nmitzuteilen. Die Verletzung dieser Verpflichtung wertet das Gesetz als so\ngravierend, dass es die Entziehung der Zulassung anordnet. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Senat vermag auch nicht der Auffassung des SG zu folgen, dass der\nBeklagte es versaumt hat, das Ruhen der Zulassung als milderes Mittel vor der\nEntziehung der Zulassung zu prufen. Dem Gesetz kennt zwar in § 81 Abs. 5 SGB V\neine solche Rangfolge bei Disziplinarverfahren, § 95 Abs. 6 SGB V und\ninsbesondere § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV sehen diese Rangfolge so nicht vor. Der\nSicherstellungsauftrag der Beklagten verlangt, dass sie zu jeder Zeit einen\nÜberblick uber die Zahl der in einer bestimmten Region praktizierenden Ärzte\nund Psychotherapeuten hat. Deswegen kann das Ruhen einer Zulassung nur fur die\nZukunft angeordnet, nicht aber ruckwirkend fur vergangene Zeitraume\nausgesprochen werden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Vorschriften sind zur Überzeugung des Senats auch nicht\nunverhaltnismaßig. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100\nGrundgesetz bedarf es nicht. Der Klagerin wird nur eine Rechtsposition\ngenommen, die sie bisher nicht in Anspruch genommen hat und um deren Erhalt\nsie sich (etwa durch einen Ruhensantrag) in vorwerfbarer Weise nicht bemuht\nhat. Die Frage des Vertrauensschutzes stellt sich bei diesem Sachverhalt\nnicht. Auch spater ist ein schutzenswertes Vertrauen nicht begrundet worden.\nDie Klagerin hat ihre vertragspsychotherapeutische Tatigkeit erst nach der\nZustellung des Entziehungsbescheids des Beklagten am 10.12.2003 aufgenommen\nund musste deshalb damit rechnen, diesen Beruf nur bis zur Rechtskraft dieser\nEntscheidung ausuben zu durfen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Ein anderes Ergebnis lasst sich auch nicht mit der hochstrichterliche\nRechtsprechung des BSG bei Status verandernden Verwaltungsakten, die in die\nBerufsausubungsfreiheit eingreifen, begrunden. In diesen Fallen ist fur die\nBeurteilung des Klagebegehrens die Sachlage im Zeitpunkt der letzten\nmundlichen Verhandlung maßgebend. (siehe zuletzt BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 9\nm.w.N.) Demgemaß haben die Gerichte nach der Rechtsprechung des BSG - nunmehr\nauch bei vollzogenen Entziehungsentscheidungen (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 95\nNr. 9) - bei der Prufung der Rechtmaßigkeit von Zulassungsentziehungen alle\nbis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz eingetretenen Änderungen\nder Sach- und Rechtslage und auch Rechtsanderungen in der Revisionsinstanz zu\nberucksichtigen. Denn ein Vertragsarzt, dem die Zulassung entzogen worden ist,\nverliert in der Regel seine Praxis und hat vielfach keine Chance, eine solche\nneu aufzubauen. Der erneuten Zulassung stehen oft - wie hier - rechtliche\nHindernisse wie die Sperrung des Planungsbereichs wegen Überversorgung oder\ndie Überschreitung der Altersgrenze entgegen. Deshalb soll in der Situation,\ndass sich bei einer Zulassungsentziehung die Sach- oder Rechtslage wahrend des\nProzesses zu Gunsten des Klagers in einer Weise geandert hat, die eine\nEntziehung nicht mehr als angemessen erscheinen lasst, in Hinblick auf Art. 12\ndes Grundgesetzes (GG) der Grundsatz durchbrochen werden, dass bei Status\nverandernden Maßnahmen wie der Zulassungsentziehung (nur) auf den Zeitpunkt\nder letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist. Infolgedessen hat das BSG\ninsbesondere im Hinblick auf ein so genanntes "Wohlverhalten" des betroffenen\nArztes in Zulassungsentziehungsverfahren wiederholt ausgesprochen, dass\nÄnderungen des Sachverhalts bis zur letzten mundlichen Verhandlung vor dem\nTatsachengericht zu berucksichtigen sind (BSGE 7, 129, 136 = SozR aaO; BSGE\n33, 161, 163 = SozR Nr. 35 zu § 368a RVO; Urteil vom 16. Marz 1973 - 6 RKa\n17/71 = USK 7353; BSGE 43, 250, 253 = SozR 2200 § 368a Nr. 3; Urteil vom 8.\nJuli 1980 - 6 RKa 10/78 = USK 80102; Urteil vom 19. Dezember 1984 - 6 RKa\n34/83 = USK 84272; Urteil vom 29. Oktober 1986 - 6 RKa 32/86 = USK 86179; BSG\nSozR 3-2500 § 95 Nr. 4; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 9). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die entsprechende Anwendung dieser im Zusammenhang mit groblichen\nPflichtverletzungen, die es fur eine KV unzumutbar erscheinen lassen, mit dem\nbetreffenden Arzt weiter zusammen zu arbeiten, entwickelten Rechtsprechung auf\nden vorliegenden Fall ließe sich damit rechtfertigen, dass die Nichtaufnahme\nder vertragsarztlichen Tatigkeit als Unterfall einer groblichen\nPflichtverletzung anzusehen ist. Dagegen konnte eingewendet werden, dass das\nGesetz gerade diesen Fall groblicher Pflichtverletzung ausdrucklich geregelt\nhat. Indes kann dies hier offen bleiben. Denn auch auf der Grundlage der\nRechtsprechung des BSG zum Wohlverhalten lasst sich fur die Klagerin kein\nanderes Ergebnis begrunden. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die mittlerweile eingetretene Gesundung der Klagerin konnte danach dann\nnicht unberucksichtigt bleiben, wenn seit dem Quartal 1/2004 eine\nunproblematisch verlaufende Aufnahme vertragspsychotherapeutischer Tatigkeit\nvorlage. Die bei Zulassungsentziehungen zu stellende Prognose, ob zu erwarten\nsteht, dass es alsbald wieder zu einer ungestorten Ausubung der arztlichen\nTatigkeit kommen werde, konnte dann gegebenenfalls wegen bereits wieder\naufgenommener Berufsausubung positiv beantwortet werden. Im vorliegenden Fall\nist die Arbeitsfahigkeit der Klagerin wieder hergestellt, sie hat mittlerweile\neine laufende Praxis und rechnet regelmaßig ab. Es mag auch zutreffen, dass\ndie Klagerin nach ihrer Gesundung inzwischen festen Willens ist, ihre\nvertragspsychologische Tatigkeit voll auszuuben. Sie tut es aber nicht. Wie\nvon der Beigeladenen zu 1) mitgeteilt und von der Klagerin bestatigt,\nbehandelt die Klagerin nur einen Bruchteil der Patientenzahl ihrer Fachgruppe.\nMit durchschnittlich 3,8 Patienten pro Quartal statt im Vergleich zur\nFachgruppe mit 28,6 bzw. inzwischen 41 Patienten steht sie der\nvertragspsychotherapeutischen Versorgung nach wie vor nicht in ausreichendem\nMaße zur Verfugung. Dies zeigt allein die Zahl von nur 9 im Laufe des Jahres\n2004 behandelten Patienten der gesetzlichen Krankenkassen. Sie erbringt nur\neinen Bruchteil der Leistung, die von einem durchschnittlich arbeitenden\nPsychotherapeuten zu erwarten ist und leistet damit keinen ausreichenden\nBeitrag zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter. Dies zeigen auch die\nvon ihr erzielten Umsatze von 229,10 EUR im Quartal 1/04, 1265,01 EUR im\nQuartal 2/04, von 825,49 EUR im Quartal 3/04, von 2995,97 EUR im Quartal 4/04\nund von 3161,53 EUR im Quartal 1/05. Das BSG ist in der Entscheidung vom\n25.08.1999 - B 6 KA 14/98 R = SpzR 3-2500 § 85 Nr. 33 (10 Pfennig Urteil) von\neinem angemessenen Einkommen aus psychotherapeutischer Tatigkeit von 224.000\nDM Jahresumsatz abzuglich 90.000 DM Unkosten und einem daraus resultierenden\nJahreseinkommen von 134.000 DM bei einer optimal und unter vollem\nArbeitseinsatz gefuhrten psychotherapeutischen Praxis ausgegangen. 224.000 DM\nentsprechen 119.768 EUR. Verglichen damit erreicht die Klagerin zwischen 1%\nund maximal 3 % dieses Umsatzes. Zu schließen ist aus alledem, dass die\nKlagerin nicht im Hauptberuf psychotherapeutisch tatig geworden ist, ihr\nEinsatz geht nicht uber ein nebenberufliches Hobby hinaus. Auch unter diesem\nGesichtspunkt wird die Klagerin durch die ausgesprochene Entziehung nicht im\nKernbereich ihrer Berufsausubungsfreiheit unverhaltnismaßig schwer betroffen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Entziehungsentscheidung erweist sich daher auch zum jetzigen Zeitpunkt\nals rechtmaßig, so dass der Berufung stattzugeben war. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Beigeladenen zu 1) ist begrundet. Der Beschluss\ndes Beklagten vom 22.10.2003 ist rechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in\nihren Rechten. Die Entscheidung des SG war abzuandern. \n--- \n| 22 \n--- \n| Gegenstand der hier erhobenen reinen Anfechtungsklage (§ 54\nSozialgerichtsgesetz - SGG-) ist der Bescheid des nach seiner Anrufung\nausschließlich funktionell zustandigen beklagten Berufungsausschusses (BSG\nSozR 3-2500 § 96 Nr. 1). Gemaß § 97 Abs. 3 SGB V gilt das Verfahren vor dem\nBerufungsausschuss als Vorverfahren (§ 78 SGG). \n--- \n| 23 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur eine Entziehung der Zulassung zur\nvertragspsychotherapeutischen Versorgung ist § 95 Abs. 6 SGB V. Nach dieser\nBestimmung ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht\noder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt bzw. Vertragspsychotherapeut die\nvertragsarztliche bzw. vertragspsychotherapeutische Tatigkeit nicht aufnimmt\noder nicht mehr ausubt oder seine vertragsarztlichen bzw.\nvertragspsychotherapeutischen Pflichten groblich verletzt hat. Diese\ngesetzliche Regelung wird durch § 27 Ärzte-ZV (in Verbindung mit § 1 Abs. 3\nÄrzte-ZV fur Psychotherapeuten entsprechend anwendbar) erganzt, wonach das\nVerfahren auf Zulassungsentziehung von Amts wegen oder auf Antrag insbesondere\nder Kassenarztlichen Vereinigung eingeleitet werden kann. Weiter bestimmt § 19\nAbs. 3 Ärzte-ZV, dass die Zulassung endet, wenn die vertragsarztliche\nTatigkeit in einem von Zulassungsbeschrankungen betroffenen Planungsbereich -\nwas hier im Planungsbereich K. Stadt mit einem von 110, 6 % am 25.04.2001 auf\n120,6 % am 26.10.2005 (vgl. dazu Bl. 79 LSG-Akte) angestiegenen\nVersorgungsgrad der Fall ist - nicht innerhalb von drei Monaten nach\nZustellung des Bescheids uber die Zulassung aufgenommen wird. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Beschluss des Zulassungsausschusses war der Klagerin am 05.01.2001\nzugestellt worden, am 05.04.2001 war die Dreimonatsfrist des § 19 Abs. 3\nÄrzte-ZV mithin abgelaufen. In dieser Zeit hat die Klagerin weder einen Antrag\nauf Festsetzung eines spateren Zeitpunkts, bis zu welchem die\nvertragsarztliche Tatigkeit aufzunehmen ware (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV)\nnoch einen Antrag auf Ruhen (§§ 95 Abs. 5 SGB V, 26 Ärzte-ZV) der Zulassung\ngestellt. Die Klagerin hat nach eigenen Angaben nach Erteilung der Zulassung\nzunachst auch keine Patienten behandelt, objektiv ist festzustellen, dass sie\nfur die Quartale bis einschließlich 4/2003 auch keine Abrechnungen bei der\nBeigeladenen Ziff. 1 eingereicht hat. Die ersten Patienten hat sie zu Lasten\nder gesetzlichen Krankenkassen nach eigenen Angaben erst im Dezember 2003\nbehandelt, abgerechnet werden Behandlungen jedoch erst spater, namlich\nerstmals mit dem Quartal 1/2004. Damit hat sie ihre vertragsarztliche\nTatigkeit erst nach Zustellung des Zulassungsentziehungsbescheides des\nBeklagten, die am 10.12.2003 erfolgt ist, aufgenommen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Ein Nichtausuben der vertragsarztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen\nTatigkeit im Sinne des § 95 Abs. 6 SGB V liegt vor, wenn der Arzt bzw.\nPsychotherapeut die Berufstatigkeit tatsachlich nicht ausubt oder den Willen\nzur kontinuierlichen Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung\nnicht hat. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn die Klagerin\nkurz nach ihrer Zulassung an der Planung und Einrichtung der zur\ngemeinschaftlichen Nutzung mit ihrem Ehemann vorgesehenen Praxisraume\nmitgewirkt, einen Mietvertrag unterschrieben und mit Ärzten erste Kontakte\naufgenommen hat. Diese Aktivitaten (vgl. dazu Bl. 24 und 25 SG-Akte sowie Bl.\n27 LSG-Akte) sind nur als Vorbereitungshandlungen zu qualifizieren. Die\nAufnahme der vertragsarztlichen Tatigkeit liegt darin noch nicht, sondern erst\nin der Aufnahme der eigentlichen vertragsarztlichen Tatigkeit, dem Abhalten\nvon Sprechstunden und dem Behandeln von Patienten. Dies bedeutet, dass die\nKlagerin ihre vertragspsychotherapeutische Tatigkeit erst Anfang 2004 und\ndamit erst 2 ¾ Jahre nach dem vorgesehenen Anfangstermin aufgenommen hat. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 95 Abs. 6 SGB V fur eine Entziehung der Zulassung\nhaben somit vorgelegen. In § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV ist fur den Fall, dass der\nVertragsarzt die vertragsarztliche Tatigkeit in einem zulassungsbeschrankten\nGebiet nicht aufnimmt, ausschließlich das Ende der Zulassung vorgesehen; der\nWortlaut der Vorschrift legt es sogar nahe, dass diese Rechtsfolge kraft\nGesetzes eintritt. Dies kann hier indes offen bleiben, denn der Bescheid des\nZulassungsausschusses spricht diese Rechtsfolge zulassigerweise klarstellend\naus, um den Rechtsschein zu beseitigen, die Klagerin verfuge uber eine\nZulassung (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 2 S.12). \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Bescheid des Beklagten spricht die Zulassungsentziehung auch zu Recht\naus. Auch der Wortlaut des § 95 Abs. 6 SGB V lasst nur eine einzige\nEntscheidung zu. Dem Beklagten ist von Gesetzes wegen somit kein Raum fur\nirgendwelche Ermessens- oder Billigkeitsuberlegungen eingeraumt. Die\nAuffassung von Schallen, Zulassungsverordnung fur Ärzte, Kommentar, 4. Aufl.\n2004 Rn 596, wonach die Rechtsgrundlage fur eine Entziehungsmaßnahme entfallt,\nwenn der Arzt wahrend des Entziehungsverfahrens seine vertragsarztliche\nTatigkeit wieder aufnimmt, findet im Gesetz keine Stutze. Abgesehen von den\ndann moglichen Manipulationen bis zum Eintritt der Rechtskraft, die mit dem\nSicherstellungsauftrag der Beklagten unvereinbar sind, wurde die Auffassung\nvon Schallen eine Formulierung im Sinne von „solange der Arzt noch nicht seine\nTatigkeit aufgenommen hat" voraussetzen, wahrend das Gesetz - was insbesondere\nin § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV zum Ausdruck kommt - die Entziehung bereits fur den\nFall anordnet, dass der Vertragsarzt seine vertragsarztliche Tatigkeit nicht\naufgenommen hat. \n--- \n| 28 \n--- \n| Zu prufen ist, ob uber den Wortlaut der genannten Vorschriften hinaus\nAusnahmefalle zur Vermeidung unbilliger Harten anzuerkennen sind, welche eine\neinzelfallgerechte Berucksichtigung der Grundsatzes der Verhaltnismaßigkeit\nund des grundgesetzlichen Schutzes der Berufsausubung gewahrleisten und in\nderen Rahmen mildere Maßnahmen wie die Anordnung des Ruhens der Zulassung zu\nprufen waren. \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur die Anwendung einer konkludenten Hartefallregelung spricht zunachst ein\nVergleich der Vorschrift des § 19 Ärzte-ZV mit § 25 Ärzte-ZV, in dessen Satz 2\neine Abweichung von der Altersgrenze zur Zulassung ausdrucklich „zur\nVermeidung unbilliger Harten" vorgesehen ist. Der Gesetzgeber hat zudem mit\nden Bestimmungen fur bedarfsunabhangige Zulassungen (§ 95 Abs. 10 SGB V) und\nbedarfsunabhangige Ermachtigungen (§ 95 Abs. 11 SGB V) ebenfalls weitgehende\nÜbergangs- und Harteregelungen erlassen (vgl. dazu BSG vom 20.10.2004, B 6 KA\n50/04 B; BSG vom 23.02.2005, B 6 KA 89/04 B). Eine entsprechende Regelung\nfehlt in den § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV und § 95 Abs. 6 SGB V. Dafur ist aber bei\ngenauerer Betrachtung auch kein Bedarf, weil dem Betroffenen mit der\nMoglichkeit des Antrags auf Festsetzung eines spateren Zeitpunkts, bis zu\nwelchem die vertragsarztliche Tatigkeit aufzunehmen ist (§ 19 Abs. 2 Ärzte-ZV)\nund dem Antrag auf Ruhen der Zulassung (§§ 95 Abs. 5 SGB V, 26 Ärzte-ZV) zwei\nMoglichkeiten offen stehen, die Zulassungsentziehung bei - wie hier -\nkrankheitsbedingtem Nichtbetreiben einer vertragspsychotherapeutischen Praxis\ndurch den Einsatz milderer Mittel zu vermeiden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Einer eigenen Hartefallklausel bedarf es insoweit nicht. Wenn die Klagerin\ntrotz langer dauernder und nicht absehbarer Erkrankung und trotz deutlichen\nHinweises im Zulassungsbescheid einen dieser Antrage nicht rechtzeitig\ngestellt hat, obwohl sie dazu gesundheitlich in der Lage gewesen war - dass\nsie so schwer erkrankt war, dass sie nicht einmal in der Lage war, solche\nAntrage zu stellen, lasst sich den vorgelegten Attesten nicht entnehmen und\nwurde von der Klagerin selbst nicht schlussig behauptet - , hat sie dies\nselbst zu vertreten und geht dieses Versaumnis zu ihren Lasten. Außerdem hatte\nsie diesen Antrag auch uber ihren Ehemann stellen konnen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Tatsachlich sind solche Ruhensantrage auch nicht gestellt worden. In dem\nSchreiben vom 19.9.2001 wird zwar ein an sich zum Ruhen berechtigender\nTatbestand, ihre Erkrankung, mitgeteilt, ein auf die Rechtsfolge des Ruhens\ngerichteter Wille lasst sich diesem Schreiben aber nicht entnehmen. Der\nBeklagten, die diesbezuglich noch nachgefragt hatte, wurde vom Ehemann der\nKlagerin ausdrucklich mitgeteilt, dass dies nicht erforderlich sei, weil die\nKlagerin beabsichtige, ihre Tatigkeit in drei Monaten erneut aufzunehmen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Über den mit Schreiben vom 28.09.2002 gestellten Ruhensantrag fur die Zeit\nbis zum 31.12.2002 brauchte der Zulassungsausschuss nicht zu befinden, nachdem\ner die Zulassung wegen der Nichtaufnahme der vertragsarztlichen Tatigkeit\nentzogen hat. Warum die Klagerin fur das Jahr 2003 nicht vorsorglich einen\nweiteren Ruhensantrag gestellt hat, ist nicht nachvollziehbar. \n--- \n| 33 \n--- \n| Sind Antrage auf das Ruhen der Zulassung nicht gestellt worden, so braucht\nnicht gepruft zu werden, ob diesen Antragen zu entsprechen gewesen ware. Die\nvorgelegten Atteste (vgl. Bescheinigung Dr. L. vom 03.09.2002 und Dr. H. vom\n04.10.2002) sind als Gefalligkeitsatteste mit Vorbehalt zu wurdigen, im\nErgebnis bleibt unklar, an welcher ratselhaften Erkrankung die Klagerin\ngelitten hat und ob sie tatsachlich die ganze Zeit uber arbeitsunfahig krank\ngewesen ist. Ermittlungen braucht der Senat bei seiner Rechtsauffassung zu\ndieser Frage allerdings nicht vorzunehmen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Selbst wenn einem Antrag auf Ruhen der Zulassung stattzugeben gewesen ware,\nwurde dies eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen. Die\nZulassungsentziehungsvorschriften sind strikt gefasst und stellen nicht auf\ndie Grunde fur die Nichtaufnahme der vertragsarztlichen Tatigkeit ab. Fur den\nGesetzgeber ist es nicht hinnehmbar, dass der Vertragsarzt seine Tatigkeit\nnicht ausubt ohne die KV zu informieren und ohne sich von den\nvertragsarztlichen Pflichten formlich suspendieren zu lassen. Die Klagerin hat\nauch nicht nur gegen eine unwesentliche Formlichkeit verstoßen, wie sie unter\nHinweis auf den nicht gestellten Antrag auf das Ruhen der Zulassung meint, sie\nhat vielmehr gegen ihre zentrale Verpflichtung aus der Zulassung als\nVertragspsychotherapeutin verstoßen, wenn sie schon nicht der Versorgung von\nPatienten zur Verfugung steht, dies der Beklagten als der fur die\nSicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung zustandigen Stelle auch\nmitzuteilen. Die Verletzung dieser Verpflichtung wertet das Gesetz als so\ngravierend, dass es die Entziehung der Zulassung anordnet. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Senat vermag auch nicht der Auffassung des SG zu folgen, dass der\nBeklagte es versaumt hat, das Ruhen der Zulassung als milderes Mittel vor der\nEntziehung der Zulassung zu prufen. Dem Gesetz kennt zwar in § 81 Abs. 5 SGB V\neine solche Rangfolge bei Disziplinarverfahren, § 95 Abs. 6 SGB V und\ninsbesondere § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV sehen diese Rangfolge so nicht vor. Der\nSicherstellungsauftrag der Beklagten verlangt, dass sie zu jeder Zeit einen\nÜberblick uber die Zahl der in einer bestimmten Region praktizierenden Ärzte\nund Psychotherapeuten hat. Deswegen kann das Ruhen einer Zulassung nur fur die\nZukunft angeordnet, nicht aber ruckwirkend fur vergangene Zeitraume\nausgesprochen werden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Vorschriften sind zur Überzeugung des Senats auch nicht\nunverhaltnismaßig. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100\nGrundgesetz bedarf es nicht. Der Klagerin wird nur eine Rechtsposition\ngenommen, die sie bisher nicht in Anspruch genommen hat und um deren Erhalt\nsie sich (etwa durch einen Ruhensantrag) in vorwerfbarer Weise nicht bemuht\nhat. Die Frage des Vertrauensschutzes stellt sich bei diesem Sachverhalt\nnicht. Auch spater ist ein schutzenswertes Vertrauen nicht begrundet worden.\nDie Klagerin hat ihre vertragspsychotherapeutische Tatigkeit erst nach der\nZustellung des Entziehungsbescheids des Beklagten am 10.12.2003 aufgenommen\nund musste deshalb damit rechnen, diesen Beruf nur bis zur Rechtskraft dieser\nEntscheidung ausuben zu durfen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Ein anderes Ergebnis lasst sich auch nicht mit der hochstrichterliche\nRechtsprechung des BSG bei Status verandernden Verwaltungsakten, die in die\nBerufsausubungsfreiheit eingreifen, begrunden. In diesen Fallen ist fur die\nBeurteilung des Klagebegehrens die Sachlage im Zeitpunkt der letzten\nmundlichen Verhandlung maßgebend. (siehe zuletzt BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 9\nm.w.N.) Demgemaß haben die Gerichte nach der Rechtsprechung des BSG - nunmehr\nauch bei vollzogenen Entziehungsentscheidungen (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 95\nNr. 9) - bei der Prufung der Rechtmaßigkeit von Zulassungsentziehungen alle\nbis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz eingetretenen Änderungen\nder Sach- und Rechtslage und auch Rechtsanderungen in der Revisionsinstanz zu\nberucksichtigen. Denn ein Vertragsarzt, dem die Zulassung entzogen worden ist,\nverliert in der Regel seine Praxis und hat vielfach keine Chance, eine solche\nneu aufzubauen. Der erneuten Zulassung stehen oft - wie hier - rechtliche\nHindernisse wie die Sperrung des Planungsbereichs wegen Überversorgung oder\ndie Überschreitung der Altersgrenze entgegen. Deshalb soll in der Situation,\ndass sich bei einer Zulassungsentziehung die Sach- oder Rechtslage wahrend des\nProzesses zu Gunsten des Klagers in einer Weise geandert hat, die eine\nEntziehung nicht mehr als angemessen erscheinen lasst, in Hinblick auf Art. 12\ndes Grundgesetzes (GG) der Grundsatz durchbrochen werden, dass bei Status\nverandernden Maßnahmen wie der Zulassungsentziehung (nur) auf den Zeitpunkt\nder letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist. Infolgedessen hat das BSG\ninsbesondere im Hinblick auf ein so genanntes "Wohlverhalten" des betroffenen\nArztes in Zulassungsentziehungsverfahren wiederholt ausgesprochen, dass\nÄnderungen des Sachverhalts bis zur letzten mundlichen Verhandlung vor dem\nTatsachengericht zu berucksichtigen sind (BSGE 7, 129, 136 = SozR aaO; BSGE\n33, 161, 163 = SozR Nr. 35 zu § 368a RVO; Urteil vom 16. Marz 1973 - 6 RKa\n17/71 = USK 7353; BSGE 43, 250, 253 = SozR 2200 § 368a Nr. 3; Urteil vom 8.\nJuli 1980 - 6 RKa 10/78 = USK 80102; Urteil vom 19. Dezember 1984 - 6 RKa\n34/83 = USK 84272; Urteil vom 29. Oktober 1986 - 6 RKa 32/86 = USK 86179; BSG\nSozR 3-2500 § 95 Nr. 4; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 9). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die entsprechende Anwendung dieser im Zusammenhang mit groblichen\nPflichtverletzungen, die es fur eine KV unzumutbar erscheinen lassen, mit dem\nbetreffenden Arzt weiter zusammen zu arbeiten, entwickelten Rechtsprechung auf\nden vorliegenden Fall ließe sich damit rechtfertigen, dass die Nichtaufnahme\nder vertragsarztlichen Tatigkeit als Unterfall einer groblichen\nPflichtverletzung anzusehen ist. Dagegen konnte eingewendet werden, dass das\nGesetz gerade diesen Fall groblicher Pflichtverletzung ausdrucklich geregelt\nhat. Indes kann dies hier offen bleiben. Denn auch auf der Grundlage der\nRechtsprechung des BSG zum Wohlverhalten lasst sich fur die Klagerin kein\nanderes Ergebnis begrunden. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die mittlerweile eingetretene Gesundung der Klagerin konnte danach dann\nnicht unberucksichtigt bleiben, wenn seit dem Quartal 1/2004 eine\nunproblematisch verlaufende Aufnahme vertragspsychotherapeutischer Tatigkeit\nvorlage. Die bei Zulassungsentziehungen zu stellende Prognose, ob zu erwarten\nsteht, dass es alsbald wieder zu einer ungestorten Ausubung der arztlichen\nTatigkeit kommen werde, konnte dann gegebenenfalls wegen bereits wieder\naufgenommener Berufsausubung positiv beantwortet werden. Im vorliegenden Fall\nist die Arbeitsfahigkeit der Klagerin wieder hergestellt, sie hat mittlerweile\neine laufende Praxis und rechnet regelmaßig ab. Es mag auch zutreffen, dass\ndie Klagerin nach ihrer Gesundung inzwischen festen Willens ist, ihre\nvertragspsychologische Tatigkeit voll auszuuben. Sie tut es aber nicht. Wie\nvon der Beigeladenen zu 1) mitgeteilt und von der Klagerin bestatigt,\nbehandelt die Klagerin nur einen Bruchteil der Patientenzahl ihrer Fachgruppe.\nMit durchschnittlich 3,8 Patienten pro Quartal statt im Vergleich zur\nFachgruppe mit 28,6 bzw. inzwischen 41 Patienten steht sie der\nvertragspsychotherapeutischen Versorgung nach wie vor nicht in ausreichendem\nMaße zur Verfugung. Dies zeigt allein die Zahl von nur 9 im Laufe des Jahres\n2004 behandelten Patienten der gesetzlichen Krankenkassen. Sie erbringt nur\neinen Bruchteil der Leistung, die von einem durchschnittlich arbeitenden\nPsychotherapeuten zu erwarten ist und leistet damit keinen ausreichenden\nBeitrag zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter. Dies zeigen auch die\nvon ihr erzielten Umsatze von 229,10 EUR im Quartal 1/04, 1265,01 EUR im\nQuartal 2/04, von 825,49 EUR im Quartal 3/04, von 2995,97 EUR im Quartal 4/04\nund von 3161,53 EUR im Quartal 1/05. Das BSG ist in der Entscheidung vom\n25.08.1999 - B 6 KA 14/98 R = SpzR 3-2500 § 85 Nr. 33 (10 Pfennig Urteil) von\neinem angemessenen Einkommen aus psychotherapeutischer Tatigkeit von 224.000\nDM Jahresumsatz abzuglich 90.000 DM Unkosten und einem daraus resultierenden\nJahreseinkommen von 134.000 DM bei einer optimal und unter vollem\nArbeitseinsatz gefuhrten psychotherapeutischen Praxis ausgegangen. 224.000 DM\nentsprechen 119.768 EUR. Verglichen damit erreicht die Klagerin zwischen 1%\nund maximal 3 % dieses Umsatzes. Zu schließen ist aus alledem, dass die\nKlagerin nicht im Hauptberuf psychotherapeutisch tatig geworden ist, ihr\nEinsatz geht nicht uber ein nebenberufliches Hobby hinaus. Auch unter diesem\nGesichtspunkt wird die Klagerin durch die ausgesprochene Entziehung nicht im\nKernbereich ihrer Berufsausubungsfreiheit unverhaltnismaßig schwer betroffen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Entziehungsentscheidung erweist sich daher auch zum jetzigen Zeitpunkt\nals rechtmaßig, so dass der Berufung stattzugeben war. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n
138,259
arbg-lorrach-2005-03-24-2-ca-49604
120
Arbeitsgericht Lörrach
arbg-lorrach
Lörrach
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Ca 496/04
2005-03-24
2019-01-07 13:59:47
2019-01-17 11:58:27
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf EUR 8.084,93.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kundigung\nsowie um die Zahlung von Weihnachtsgeld. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am geborene Klager ist seit dem bei der Beklagten als Vorarbeiter\ntatig. Er erzielte zuletzt einen Monatslohn von EUR 2.378,31 brutto. Bei der\nBeklagten handelt es sich um ein Unternehmen fur den Tief- und Straßenbau, das\nin der Form einer GmbH betrieben wird, die sich mittlerweile in Liquidation\nbefindet. Sie beschaftigt jedenfalls weit mehr als 10 Arbeitnehmer. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 28.10.2004, dem Klager am 29.10.2004 zugegangen, kundigte\ndie Beklagte das Arbeitsverhaltnis zum 31.05.2005. Die Kundigung wird von der\nBeklagten damit begrundet, dass der Betrieb stillgelegt werden musse, da die\nwirtschaftliche und finanzielle Situation eine Fortfuhrung des Unternehmens\nnicht gestatte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager halt die ihm gegenuber ausgesprochene Kundigung fur unwirksam.\nEs werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte die Stilllegung und\nLiquidation wie behauptet zum 31.05.2005 beschlossen habe. Selbst wenn dies\naber der Fall sein sollte, andere dies nichts daran, dass die beabsichtigte\nAuflosung keinen erkennbaren wirtschaftlichen Sinn aufweise und somit offenbar\nunvernunftig sei. Greifbare Formen im Hinblick auf die unternehmerische\nEntscheidung, den Betrieb stillzulegen, seien ebenfalls nicht zu erkennen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Nach Ansicht des Klagers ist die Kundigung auch wegen eines Verstoßes gegen\n§ 613 a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam. Zwischen der Beklagten und der\nArbeitsgemeinschaft... sei eine Übertragungsvereinbarung getroffen worden, die\nden Übergang von Arbeitnehmern, Maschinen, Teilen des Fuhrparks sowie\nVertragen mit den Energieversorgungsunternehmen zum Gegenstand habe. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Tatsachlich werde die Arbeitsgemeinschaft von Marz an ca. 25 der von der\nHauptbelegschaft in bisher tatigen 75 - 80 Arbeitnehmer ubernehmen. Zudem\nubernehme die ARGE die Teerkolonnen der Beklagten sowie die Gas-, Wasser- und\nStromkolonnen mitsamt Maschinen und ca. 5 Mannschaftsbussen. Schließlich trete\ndie in bestimmte Vertrage der Beklagten ein. Demnach liege ein\nBetriebsubergang vor. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Weiterhin werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte gem. § 17\nKSchG der Agentur fur Arbeit Anzeige uber die durch sie vorgenommene\nMassenentlassungsanzeige erstattet habe. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager macht weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld\naus betrieblicher Übung geltend. Die Beklagte habe uber 20 Jahre hinweg an\nihre Arbeitnehmer Weihnachtsgratifikationen ausbezahlt, die teilweise im\nNovember des laufenden Jahres einmalig, teilweise gesplittet im November des\nlaufenden Jahres und im April des darauf folgenden Jahres, bezahlt worden\nseien. Die Hohe des ausbezahlten Weihnachtsgeldes sei abhangig gewesen von der\nDauer der Betriebszugehorigkeit und den Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers.\nEin - wie von Beklagtenseite behauptetes - willkurliches Verhalten des\nArbeitgebers habe nicht vorgelegen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der ** Klager beantragt daher ** \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| 1\\. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhaltnis des Klagers durch die\nschriftliche Kundigung der Beklagten vom 28.10.2004, zugegangen am 29.10.2004,\nzum 31.05.2005 nicht aufgelost worden ist. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager EUR 950,-- brutto nebst\nZinsen in Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz seit\n30.12.2004 zu bezahlen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die ** Beklagte beantragt ** \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Klagabweisung. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie halt die angegriffene Kundigung fur wirksam. Ein Stilllegungsbeschluss\nder Beklagten lage vor. Insgesamt habe es zwei Gesellschafterversammlungen der\nErbengemeinschaft des verstorbenen Gesellschafters der Beklagten, gegeben. \n--- \n| 15 \n--- \n| Am 15.10.2004 habe eine außerordentliche Gesellschafterversammlung\nstattgefunden, in welcher die sofortige Stilllegung der Beklagten beschlossen \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| worden sei. Konkret sei beschlossen worden, dass die Beklagte ab sofort\nkeine neuen Auftrage mehr annehme und nicht mehr an weiteren Ausschreibungen\nteilnehmen werde. Weiterhin sei am 15.10.2004 beschlossen worden, dass nach\nBeendigung des operativen Tiefbaugeschaftes das bewegliche Anlagevermogen\nveraußert werde. Eine weitere Gesellschafterversammlung habe am 20.10.2004\nstattgefunden, in welcher die Liquidation der Beklagten mit Wirkung zum Ablauf\ndes 31.05.2005, die Abberufung des Herrn als Geschaftsfuhrer der Beklagten und\ndie gleichzeitige Bestellung zum alleinigen Liquidator der Beklagten\nbeschlossen worden sei. Die von der Rechtsprechung geforderten greifbaren\nFormen im Rahmen der Stilllegung eines Betriebes lagen ebenfalls vor. Diese\nseien in den erwahnten Beschlussen, in der ersten Massenentlassungsanzeige vom\n29.10.2004 an die Agentur fur Arbeit sowie in der Einstellung der werbenden\nund akquisitorischen Tatigkeit ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassungen zu\nsehen. Hinzu kamen die Kundigung von Mietvertragen, die Kundigung von Handy-\nund Telefonvertragen, die Kundigung von Wartungsvertragen sowie von Vertragen\nzum Bezug von Zeitschriften. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Hintergrund der Betriebsschließung sei, dass die Beklagte in der\nVergangenheit seit Jahren große Verluste erwirtschaftet habe. In rechtlicher\nHinsicht sei auszufuhren, dass der Stilllegungsbeschluss eine\nUnternehmerentscheidung darstelle, die von den Gerichten nicht auf ihre\nZweckmaßigkeit zu uberprufen sei. Allein schon deshalb gingen die Einwande des\nKlagers fehl, dass die Betriebsstilllegung unvernunftig sei. Es musse einem\nUnternehmer freigestellt bleiben, seinen Betrieb einzustellen. Weitere\nkundigungsrechtliche Gesichtspunkte, die der Wirksamkeit der Kundigung\nentgegenstehen konnten, seien nicht ersichtlich. Bei Betriebsschließungen sei\nfur eine Sozialauswahl schon begrifflich kein Raum, andere\nWeiterbeschaftigungsmoglichkeiten bestunden naturgemaß nicht. Mangels Bestehen\neines Betriebsrats konne die Kundigung auch nicht an\nbetriebsverfassungsrechtlichen Erfordernissen scheitern. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Ein Betriebsubergang gem. § 613 a BGB lage nicht vor. Insoweit werde\nbereits bestritten, dass es zu irgendwelchem Personalubernahmen großerer\nAnzahl durch eine andere Baufirma gekommen sei. Selbst wenn einzelne ehemalige\nMitarbeiter der Beklagten von diversen Baufirmen neu eingestellt wurden, so\nlage hierin noch kein Betriebsubergang gem. § 613 a BGB. Schließlich sei in\ndiesem Zusammenhang auszufuhren, dass die Beklagte lediglich um drohenden\nSchadensersatzanspruchen bei nicht ordnungsgemaßer Fertigstellung bzw.\nAbwicklung von Baustellen zu begegnen, die Arbeitsgemeinschaft mit Wirkung ab\ndem 15.11.04 mit der ausschließlich technischen Oberbauleitung diverser\nBauvorhaben gegen Entgelt beauftragt habe. Hieraus werde ersichtlich, dass\nbereits die Tatbestandsvoraussetzungen gem. § 613 a BGB nicht vorlagen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Massenentlassungsanzeigen seien ordnungsgemaß erfolgt. Ein anderes\nErgebnis konne sich auch nicht aus europarechtlichen Gesichtspunkten ergeben.\nDies folge schon daraus, dass die §§ 17 und 18 KSchG nicht europarechtskonform\nausgelegt werden konnten in dem Sinne, dass mit "Entlassung" die Kundigung\ngemeint sei. Dies deshalb, weil das Kundigungsschutzgesetz eindeutig zwischen\nKundigung und Entlassung unterscheide. Folge hiervon sei, dass nach nationalem\nRecht eine Massenentlassungsanzeige nicht vor Ausspruch der Kundigung, sondern\nerst vor der tatsachlichen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses zu erfolgen\nhabe. Zudem seien Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu beachten. Die\nBeklagte habe sich genau so verhalten, wie es das nationale Recht und die\nbisherige nationale Anschauung verlangten. Es konne nicht sein, dass ein am\n27.01.2005 durch den EuGH ergangenes Urteil nunmehr zu Lasten der Beklagten\nangewendet werde. Im Übrigen hatte dieses angesprochene Urteil keine\nAuswirkungen auf die nationale Rechtslage. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Anspruch auf die Zahlung eines 13. Monatseinkommens/Weihnachtsgeld\nwerde abgelehnt. Eine von Klagerseite behauptete betriebliche Übung bestehe\nnicht. Es entstehe namlich dann keine betriebliche Übung auf zukunftige\nGewahrung von Weihnachtsgeld, wenn die Zuwendung nach Gutdunken des\nArbeitgebers dreimalig in unterschiedlicher Hohe gezahlt werde. Genauso lagen\ndie Dinge hier. Die Beklagte habe jeweils nach Gutdunken und einzelfallbezogen\nunterschiedliche Zahlungen in unterschiedlicher Hohe in der Vergangenheit an\nihre Arbeitnehmer gezahlt. Hierdurch sei deutlich erkennbar gewesen, dass die\nZuwendung nur fur das jeweilige Jahr bezogen ohne Verpflichtungswillen fur die\nZukunft erfolgte. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Bezuglich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf deren\nSchriftsatze sowie auf die Verhandlungsprotokolle vom 06.12.2004 sowie vom\n02.03.2005 verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die streitgegenstandliche Kundigung ist\nwirksam. Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes besteht nicht. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kundigung ist wegen dringender betrieblicher Erfordernisse - hier\naufgrund Betriebsstilllegung - sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kundigung gem. § 1 Abs. 2\nKSchG sozial rechtfertigen, konnen sich aus der unternehmerischen Entscheidung\nergeben, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche\nUnternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmaßigkeit zu uberprufen.\nErforderlich ist der ernstliche und endgultige Entschluss des Unternehmers,\ndie Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und\nArbeitnehmern fur einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht\nunerheblichen Zeitraum aufzuheben. Eine aus diesem Grund erklarte ordentliche\nKundigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine\nBetriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des\nZugangs der Kundigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine\nvernunftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt,\ndass bis zum Auslaufen der Kundigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden\nkann (vgl. statt vieler: BAG Urt. v. 18.01.2001, Az 2 AZR 514/99, BAGE 97,\n10). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Nach Durchfuhrung der Kammerverhandlung hatte das Gericht keine Zweifel\nmehr daran, dass diese Voraussetzungen vorliegend erfullt sind. Von\nKlagerseite wurde im Termin nicht mehr ernsthaft bestritten, dass die Beklagte\nam 15.10.2004 beschlossen hat, die Gesellschaft aufzulosen. Anhaltspunkte\ndafur, dass es sich hier nicht um einen ernstlichen und endgultigen Entschluss\ndes Unternehmers handelt, liegen nicht vor. Die Beklagte hat den\nStilllegungsbeschluss konkret dargelegt sowie durch Vorlage der entsprechenden\nAktennotizen/Gesellschafterbeschlusse nachgewiesen. Diese unternehmerische\nEntscheidung hat auch greifbare Formen, welche die Grunde fur die\nStilllegungsabsicht oder auch ihre Durchfuhrungsformen betreffen konnen (BAG\nUrt. v. 19.06.1991, Az 2 AZR 127/91), angenommen. Die Beklagte hat zahlreiche\ndiesbezugliche Maßnahmen, etwa die Schreiben an Auftraggeber oder die\nKundigung von diversen Vertragen, dargelegt und nachgewiesen. Aufgrund dieser\nUmstande war auch die Prognose gerechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der\nKundigungsfrist der Klager entbehrt werden kann. Die von Klagerseite\nvorgebrachten Einwande halt das Gericht hingegen fur nicht stichhaltig. Das\nGericht kann dem Klagervortrag keinerlei Tatsachen entnehmen, die gegen das\nVorliegen einer Stilllegungsentscheidung und einer tatsachlichen\nBetriebsstilllegung sprechen. Entsprechende Äußerungen wurden auch von den\nanderen beim Kammertermin anwesenden Arbeitnehmern nicht getatigt. Im Übrigen\ntragt der Klager vor, dass ein Betriebsubergang stattgefunden habe. Diese\nArgumentation ist in sich widerspruchlich. Der Klager kann nicht einerseits\nbehaupten, dass der Betrieb gar nicht stillgelegt, also in der bisherigen Form\nweiterbetrieben werde, andererseits ein Betriebsubergang stattgefunden habe,\nbei dem von den ursprunglich bei der Beklagten in tatigen 65-70 Arbeitnehmern\n25 von der Arbeitsgemeinschaft ubernommen worden seien. Schließlich spricht\nder Klager selbst davon, dass "die beabsichtigte Auflosung keinen erkennbaren\nwirtschaftlichen Sinn aufweist und somit offenbar unvernunftig ist".\nDemzufolge scheint er selbst von einer Auflosung der Gesellschaft auszugehen.\nIn diesem Zusammenhang sei nochmals erwahnt, dass die behauptete\nwirtschaftliche "Sinnlosigkeit" rechtlich ohne Belang ist. Ein Arbeitgeber\nkann seinen Betrieb, unabhangig ob dieser floriert oder nicht, stilllegen,\nohne dass die Gerichte fur Arbeitssachen befugt waren, diesen Entschluss\ndaraufhin zu uberprufen, ob die Stilllegung sinnvoll gewesen ist oder ob es\nandere betriebswirtschaftlich vertretbare sinnvolle, wenn nicht gar bessere\nMoglichkeiten gegeben hatte, denn die Gerichte sind insoweit auf eine reine\nMissbrauchskontrolle beschrankt. Fur eine rechtsmissbrauchliche\nUnternehmerentscheidung ist indessen nichts dargetan. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zielte nach der Überzeugung\ndes erkennenden Gerichts auch nicht in Wahrheit auf einen Betriebsubergang auf\ndie Arbeitsgemeinschaft. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 1\\. Ein Betriebsubergang i.S.d. § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer\nRechtstrager die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identitat\nfortfuhrt. Ob ein im Wesentlichen unveranderter Fortbestand der organisierten\nGesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach\nden Umstanden des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfur\nzahlen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der\nmateriellen Betriebsmittel -wie Gebaude und bewegliche Guter sowie deren Wert\nund Bedeutung-, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der\nvorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstatigkeit\ndes bisherigen Inhabers, die Weiterbeschaftigung der Hauptbelegschaft, der\nÜbergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer\neventuellen Unterbrechung der Betriebstatigkeit (alles aus BAG Urt. v.\n18.09.2003, Az 2 AZR 79/02). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 2\\. Eine Anwendung dieser Grundsatze fuhrt vorliegend zu dem Ergebnis, dass\nkein Betriebsubergang i.S.d. § 613 a BGB vorliegt. Selbst nach dem\nKlagervortrag kann nicht davon gesprochen werden, dass die Arbeitsgemeinschaft\neine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identitat fortfuhrt. Die\nKammer kann nicht erkennen, unter welchem Gesichtspunkt vorliegend die\nerforderliche Identitatswahrung angenommen werden konnte. Weder die\nunterstellte Tatsache, dass mittlerweile bei der ARGE ca. 25 ehemalige\nArbeitnehmer der Beklagten tatig sind noch die unterstellte Tatsache, dass die\ngenannte ARGE in bestehende Vertrage der Beklagten eingetreten ist,\nrechtfertigt einen solchen Schluss. Hinsichtlich des Eintritts in bestehende\nVertrage fehlt es bereits an einem schlussigen Vortrag des Klagers, denn\ndieser lasst nur behaupten, die Beklagte lasse von der ARGE 90 % der Auftrage\nfortfuhren. Dem lasst sich aber nicht entnehmen, wie groß der Kundenbestand\nder Beklagten uberhaupt war, insbesondere aber, welche Kunden von der ARGE\nubernommen worden sind. Hinsichtlich der angeblich ubernommenen Mitarbeiter\nhandelt es sich nicht um einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des\nPersonals der Beklagten. Zum Qualifikationsgrad hat der Klager uberhaupt\nnichts vorgetragen, denn bei einem geringen Qualifikationsgrad muss eine hohe\nAnzahl von Arbeitnehmern weiter beschaftigt werden. Bei einfachen Tatigkeiten\ngenugt nach Ansicht des BAG (Urteil vom 10.12.1998, AP BGB § 613 a Nr. 187 =\nNZA 199, 420) ein Anteil von 75 % der fruheren Belegschaft nicht, um die\nÜbernahme der Hauptbelegschaft feststellen zu konnen. In Reinigungsdiensten\nreichen maximal 2/3 der fruheren Beschaftigten ebenfalls nicht (BAG\n19.03.1998, 8 AZR 737, 96 - nicht veroffentlicht). Bei einer\nWeiterbeschaftigung von mehr als 85 % der Beschaftigten und vor allem der\nVorarbeiterin, hat das BAG die fortbestehende Identitat der wirtschaftlichen\nEinheit hingegen bejaht (BAG 11.12.1997, AP BGB § 613 a Nr. 172). Ersichtlich\nliegen diese Zahlen weit uber denen, die im zu entscheidenden Fall eine Rolle\nspielen konnen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| **III.** \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kundigung ist auch nicht wegen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 KSchG unter\nBerucksichtigung der Richtlinie 98/59/EG unwirksam. Nach der gefestigten\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fuhrt ein Verstoß des Arbeitgebers\ngegen seine Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der\nKundigung (BAG Urt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02). Hieran andert auch die\nerwahnte Richtlinie in der durch den EuGH erfolgten Auslegung (Urt. v.\n27.01.2005, RSC 188/03 Junk/Kuhnel) nichts. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 1\\. Die Artikel 2-4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur\nAngleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten uber\nMassenentlassungen sind nach dem EuGH dahin auszulegen, dass die\nKundigungserklarung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung\ngilt. Dies bedeutet, dass das europaische Recht verlangt, dass der Arbeitgeber\nbei Massenentlassungen die diesbezugliche Anzeige bei den zustandigen Behorden\nbereits vor Ausspruch der Kundigung zu tatigen hat. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Diese "europaische" Rechtslage hat im konkreten Fall allerdings\nkeinerlei Auswirkungen auf das nationale Recht. Insofern verbleibt es bei der\nbisherigen nationalen Rechtslage, dass die Massenentlassungsanzeige auch nach\nAusspruch der Kundigung erfolgen kann und ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht\nnicht zur Unwirksamkeit der Kundigung fuhrt (siehe BAG Urt. v. 24.10.1996, Az\n2 AZR 895/95; BAGE 84, 267; Urt. v. 11.03.1999, Az 2 AZR 461/98, BAGE 91, 107;\nUrt. v. 13.04.2000, Az 2 AZR 215/99). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Eine direkte Anwendung der Richtlinie 98/59/EG scheidet im vorliegenden\nFall aus. Gem. Art. 249 EG-Vertrag treten die Regelungen einer Richtlinie\nnicht automatisch an die Stelle der nationalen Rechtsvorschrift, sondern die\nMitgliedsstaaten werden verpflichtet, ihr innerstaatliches Recht an die\nGemeinschaftsbestimmungen anzupassen. Zur Wirksamkeit einer Richtlinie im\nVerhaltnis zu einem Einzelnen bedarf es demnach eines Umsetzungsaktes durch\ndie Mitgliedsstaaten. Grundsatzlich werden danach erst durch die Umsetzung in\ninnerstaatliches Recht Einzelne berechtigt und verpflichtet. Auch die hiervon\neingefuhrte Ausnahme durch die Rechtsprechung des EuGH (siehe z.B. Rechtssache\n41/74 Van Duyn/Home-Office, Sammlung 1974, 1337; Rechtssache 8/81\nBecker/Finanzamt Munster-Innenstadt, EuGHE I. 1982, 53), dass Richtlinien dann\nentgegen dem Grundsatz direkt anzuwenden sind, wenn der betreffende\nMitgliedsstaat einer Umsetzungspflicht nicht oder nur unzulanglich nachkommt,\nkommt vorliegend nicht zum Tragen. Die unmittelbare Anwendbarkeit von\nRichtlinien beschrankt sich im Sinne dieser Rechtsprechung auf das Verhaltnis\nStaat / Burger ("vertikale unmittelbare Wirkung"). Soweit es -wie hier- um das\nVerhaltnis zweier Privatrechtssubjekte geht, lehnt der Europaische Gerichtshof\nin standiger Rechtsprechung eine unmittelbare Anwendbarkeit ab (keine\n"horizontale unmittelbare Wirkung"; vgl. bspw. Urt. v. 07.03.1996, Rechtssache\nC 192/94 El Corte Ingles SA, EuGHE I. 1996, 1281). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| b) Eine danach verbleibende und gebotene richtlinienkonforme Auslegung der\nnationalen Vorschrift des § 17 KSchG ist angesichts dessen klaren\nRegelungsgehalts nicht moglich (siehe zum Erfordernis der richtlinienkonformen\nAuslegung durch staatliche Organe bspw. EuGH, Urt. v. 05.05.1994, Rechtssache\nC 421/92 Gabriele Habermann-Beltermann/Arbeiterwohlfahrt, EuGHE I. 1994, 1657\n- Scherzberg, JURA 1993, 225). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| aa) Unter welchen Voraussetzungen eine richtlinienkonforme Auslegung moglich\nist und welchen Grenzen sie unterliegt, ergibt sich aus nationalem Recht. Das\neuropaische Recht verlangt allerdings, dass das innerstaatliche Gericht das\nnationale Gesetz "unter voller Ausschopfung des Beurteilungsspielraums, den\nihm das nationale Recht einraumt" bzw. soweit wie moglich "richtlinienkonform\nauszulegen hat" (siehe BAG Urt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02 mit weiteren\nNachweisen). Danach werden die Grenzen einer gemeinschaftskonformen Auslegung\ndurch die allgemeinen Auslegungsregeln bestimmt (naher hierzu: BAG a.a.O.). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| bb) Unter Beachtung der allgemeinen Auslegungsregeln ist eine\nrichtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG dahingehend, dass eine\nMassenentlassungsanzeige bereits vor Ausspruch der Kundigung getatigt werden\nmuss, nicht moglich. Das Kundigungsschutzgesetz unterscheidet in seiner\nSystematik eindeutig zwischen Kundigung und Entlassung. Insofern ist es nach\ndem nationalen Recht nicht moglich, als Entlassung bereits die Kundigung\nanzusehen (ebenso BAG a.a.O.; Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n446). Der Gesetzgeber wollte in den §§ 17 ff. KSchG den Begriff der Entlassung\nersichtlich im Sinne der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses\nverstanden wissen. Insofern ist es auch Aufgabe des Gesetzgebers, fur einen\neuroparechtskonformen Zustand des nationalen Rechts zu sorgen; eine\nHerstellung eines europarechtskonformen nationalen Rechtszustandes durch die\nRechtsprechung ist mangels eines vorhandenen Auslegungsrahmens nicht moglich. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| cc) Selbst wenn man eine richtlinienkonforme Auslegung in einem ersten\nSchritt fur moglich halten sollte, scheitert diese letztlich an\nGesichtspunkten des Vertrauensschutzes. Die Kammer mochte hierbei nicht\nunerwahnt lassen, dass sie eine europarechtskonforme Auslegung zwar nicht fur\nmoglich halt, diese Ansicht aber durchaus als vertretbar ansieht. Dafur\nspricht zum einen, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Wort\n"Entlassung" durchaus auch als Kundigungsausspruch aufgefasst werden kann.\nZudem geht die Kammer davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber bei der\nNormierung der §§ 17 ff. KSchG nicht hinter den europarechtlichen Regelungen\nzuruckbleiben wollte. Letztlich scheitert eine derartige Auslegung jedoch an\nGrundsatzen des Vertrauensschutzes. Es ist anerkannt, dass die Prinzipien der\nRechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Rahmen der\neuroparechtskonformen Auslegung von nationalen Gesetzen Anwendung finden\nmussen (Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rdnr. 403 ff., Ress, DÖV 1994,\n489, 491). Durfte eine Partei danach mit der Fortgeltung der bisherigen\nRechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwagung mit den\nBelangen der anderen Partei und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, ist\neine Ruckwirkung unzulassig (Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n449). Berucksichtigt man, dass bisher in den Merkblattern der Bundesagentur\nfur Arbeit sowie in den Formularen zur Erstattung von\nMassenentlassungsanzeigen der Arbeitgeber ausdrucklich darauf hingewiesen\nwird, dass es nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kundigung ankomme,\nsondern auf die Beendigung des Arbeitsverhaltnisses (letzter Arbeitstag),\nscheint es kaum vertretbar, dem Arbeitgeber nunmehr anzulasten, dass die von\nihm ausgesprochene Kundigung wegen Verstoßes gegen Anzeigepflichten unwirksam\nsein soll. Der Vertrauensschutz ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil\ndas Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 30.04.2003 die Frage der Auslegung\nder Richtlinie 98/59/EG dem EuGH zur Entscheidung vorlegte. Von einem\n"gewohnlichen" Arbeitgeber kann nicht erwartet werden, dass er uber Kenntnisse\nverfugt, die noch nicht einmal - wie das vorliegende Masseverfahren zeigt -\nFachanwalte fur Arbeitsrecht aufweisen konnen. Schließlich spricht nach\nAuffassung der Kammer ein weiterer Gesichtspunkt fur die Gewahrung von\nVertrauensschutz. Nach einhelliger Meinung scheidet eine horizontale\nDirektwirkung von Richtlinien aus, weil sich diese zu Lasten eines Privaten\nauswirken konnte. Zieht man in Betracht, dass die Grenzen zwischen\nunmittelbarer Anwendung einer Richtlinie und richtlinienkonformer Auslegung\nhaufig fließend sind und zu identischen Ergebnissen fuhren konnen, scheint bei\nder richtlinienkonformen Auslegung zu Lasten einzelner Vorsicht geboten. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| **IV.** \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Weitere Gesichtspunkte, die der Wirksamkeit der Kundigung entgegenstehen\nkonnten, sind nicht ersichtlich. Aufgrund der Betriebsstilllegung sind\ninsbesondere die Fragen einer moglichen Weiterbeschaftigungsmoglichkeit fur\nden Klager sowie der ordnungsgemaßen Sozialauswahl nicht zu stellen. Die\nBeklagte war nicht gehalten, eine soziale Auswahl dergestalt einzuhalten, dass\nsie samtlichen Arbeitnehmern auf den beabsichtigten Stilllegungstermin\n-31.05.2005- hatte kundigen mussen. Vielmehr ist es zulassig, die Kundigung\nunter Wahrung der jeweiligen Kundigungsfrist auszusprechen (BAG Urteil vom\n07.03.2002, NZA 2002, Seite 1111), wonach es einer Sozialauswahl nicht bedarf,\nwenn der Arbeitgeber die werbende Tatigkeit mit sofortiger Wirkung einstellt,\nallen Arbeitnehmern wegen der Betriebsstellung gleichzeitig kundigt und den\nArbeitnehmern mit den langsten Kundigungsfristen die Durchfuhrung der\nRestarbeiten ubertragt, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Subunternehmern.\nDenn hierbei handelt es sich nach dem Bundesarbeitsgericht a.a.O. nicht um\neine etappenweise Betriebsstillegung bei der die Kundigungen dem zeit- und\nabschnittsweisen Abbau der betrieblichen Funktionen angepasst werden, vielmehr\nbeabsichtigt in einem solchen Fall der Arbeitgeber die schnellstmogliche\nStilllegung und kann diesen Entschluss nur auf diese Weise vertragsgerecht\numsetzen. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen sind mangels Bestehen eines\nBetriebsrats bei der Beklagten ebenfalls nicht zu erortern. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| **V.** \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes ist nicht gegeben.\nEinzelvertraglich ist insoweit nichts vereinbart worden. Eine\ntarifvertragliche Rechtsgrundlage ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar gibt\nes im Baugewerbe einen Tarifvertrag uber die Gewahrung eines 13.\nMonatseinkommens, sowohl fur die Arbeiter als auch fur die Angestellten. Diese\nTarifvertrage waren und sind aber nicht allgemeinverbindlich. Auf betriebliche\nÜbung kann der Klager seinen Anspruch ebenfalls nicht stutzen, weil selbst\nnach Klagervortrag keine diesbezugliche betriebliche Übung zu erkennen ist. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| 1\\. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmaßige Wiederholung\nbestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die\nArbeitnehmer schließen konnen, ihnen solle eine Leistung oder eine\nVergunstigung auf Dauer gewahrt werden. Aufgrund einer Willenserklarung, die\nvon Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen\nvertragliche Anspruche auf die ublich gewordenen Vergunstigungen. Bei der\nAnspruchsentstehung ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers\nentscheidend, sondern wie der Erklarungsempfanger die Erklarung oder das\nVerhalten nach Treu und Glauben unter Berucksichtigung aller Begleitumstande\n(§§ 133, 157 BGB) verstehen musste. Keine betriebliche Übung entsteht, wenn -\nfur den Arbeitnehmer erkennbar - die Zuwendung nach Gutdunken des Arbeitgebers\ndreimalig in unterschiedlicher Hohe gezahlt wird. Der Arbeitnehmer muss in\neinem solchen Fall davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die Zuwendung nur fur\ndas jeweilige Jahr gewahren will (alles aus BAG Urt. v. 28.02.1996, Az 10 AZR\n516/95). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Von diesen Rechtsgrundsatzen ausgehend, kann der Klager keinen Anspruch auf\nGewahrung eines Weihnachtsgeldes aus einer betrieblichen Übung herleiten. Eine\ndahingehende betriebliche Übung war in diesem Zeitraum nicht entstanden. Zwar\nist zwischen den Parteien unstreitig, dass in den vergangenen Jahren jeweils\nein Weihnachtsgeld bezahlt wurde. Ebenso unstreitig ist zwischen den Parteien\nallerdings auch, dass dieses Weihnachtsgeld in unterschiedlicher Hohe\nausbezahlt wurde. Damit fehlt es an einer regelmaßigen gleichformigen\nWiederholung bestimmter Verhaltensweisen, aufgrund derer der Klager davon\nausgehen konnte, dass das Weihnachtsgeld auf Dauer bezahlt werde. Die\nunterschiedliche Hohe des Weihnachtsgeldes zeigt - fur den Klager erkennbar -\nden Willen der Beklagten, in jedem Jahr neu uber die Zuwendung zu entscheiden\n(siehe hierzu BAG a.a.O.). Insbesondere ist es nach Auffassung des erkennenden\nGerichts nicht moglich, hinsichtlich des Anspruchs auf Weihnachtsgeld zwischen\nder Frage des "ob" und der Frage des "wie hoch" zu unterscheiden. Diese beiden\nKomponenten hangen unmittelbar zusammen. Dies wird bereits daran deutlich,\ndass man bei Bejahung eines grundsatzlichen Anspruchs diesen schlicht dadurch\nsinnentleeren konnte, indem man die Hohe des Anspruchs gegen null fahrt.\nBezeichnenderweise ist der Klager auch nicht in der Lage, darzulegen, in\nwelcher konkreten Hohe nun der Anspruch bestehen soll. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Auch die Ausfuhrungen der Klagerseite, dass das Weihnachtsgeld nach\nbestimmten Prinzipien - Dauer der Betriebszugehorigkeit, Arbeitsleistung -\ngewahrt worden sei, andert hieran nichts, denn die Berechnung der jeweiligen\nGratifikationen folgte nicht objektiven rechnerisch nachvollziehbaren\nKriterien, so dass der jeweilige Arbeitnehmer anhand einzelner Voraussetzungen\nin die Lage versetzt worden ware - ubrigens gilt dies auch fur das Gericht -\nJahr fur Jahr zu errechnen, wie hoch der konkrete Anspruch war. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| **VI.** \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die\nStreitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 2 ff. ZPO, 42 Abs. 4\nGKG. \n--- \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| gez. Dr. G., ..... gez. G., ..... gez. G.,..... \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die streitgegenstandliche Kundigung ist\nwirksam. Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes besteht nicht. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kundigung ist wegen dringender betrieblicher Erfordernisse - hier\naufgrund Betriebsstilllegung - sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kundigung gem. § 1 Abs. 2\nKSchG sozial rechtfertigen, konnen sich aus der unternehmerischen Entscheidung\nergeben, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche\nUnternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmaßigkeit zu uberprufen.\nErforderlich ist der ernstliche und endgultige Entschluss des Unternehmers,\ndie Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und\nArbeitnehmern fur einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht\nunerheblichen Zeitraum aufzuheben. Eine aus diesem Grund erklarte ordentliche\nKundigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine\nBetriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des\nZugangs der Kundigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine\nvernunftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt,\ndass bis zum Auslaufen der Kundigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden\nkann (vgl. statt vieler: BAG Urt. v. 18.01.2001, Az 2 AZR 514/99, BAGE 97,\n10). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Nach Durchfuhrung der Kammerverhandlung hatte das Gericht keine Zweifel\nmehr daran, dass diese Voraussetzungen vorliegend erfullt sind. Von\nKlagerseite wurde im Termin nicht mehr ernsthaft bestritten, dass die Beklagte\nam 15.10.2004 beschlossen hat, die Gesellschaft aufzulosen. Anhaltspunkte\ndafur, dass es sich hier nicht um einen ernstlichen und endgultigen Entschluss\ndes Unternehmers handelt, liegen nicht vor. Die Beklagte hat den\nStilllegungsbeschluss konkret dargelegt sowie durch Vorlage der entsprechenden\nAktennotizen/Gesellschafterbeschlusse nachgewiesen. Diese unternehmerische\nEntscheidung hat auch greifbare Formen, welche die Grunde fur die\nStilllegungsabsicht oder auch ihre Durchfuhrungsformen betreffen konnen (BAG\nUrt. v. 19.06.1991, Az 2 AZR 127/91), angenommen. Die Beklagte hat zahlreiche\ndiesbezugliche Maßnahmen, etwa die Schreiben an Auftraggeber oder die\nKundigung von diversen Vertragen, dargelegt und nachgewiesen. Aufgrund dieser\nUmstande war auch die Prognose gerechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der\nKundigungsfrist der Klager entbehrt werden kann. Die von Klagerseite\nvorgebrachten Einwande halt das Gericht hingegen fur nicht stichhaltig. Das\nGericht kann dem Klagervortrag keinerlei Tatsachen entnehmen, die gegen das\nVorliegen einer Stilllegungsentscheidung und einer tatsachlichen\nBetriebsstilllegung sprechen. Entsprechende Äußerungen wurden auch von den\nanderen beim Kammertermin anwesenden Arbeitnehmern nicht getatigt. Im Übrigen\ntragt der Klager vor, dass ein Betriebsubergang stattgefunden habe. Diese\nArgumentation ist in sich widerspruchlich. Der Klager kann nicht einerseits\nbehaupten, dass der Betrieb gar nicht stillgelegt, also in der bisherigen Form\nweiterbetrieben werde, andererseits ein Betriebsubergang stattgefunden habe,\nbei dem von den ursprunglich bei der Beklagten in tatigen 65-70 Arbeitnehmern\n25 von der Arbeitsgemeinschaft ubernommen worden seien. Schließlich spricht\nder Klager selbst davon, dass "die beabsichtigte Auflosung keinen erkennbaren\nwirtschaftlichen Sinn aufweist und somit offenbar unvernunftig ist".\nDemzufolge scheint er selbst von einer Auflosung der Gesellschaft auszugehen.\nIn diesem Zusammenhang sei nochmals erwahnt, dass die behauptete\nwirtschaftliche "Sinnlosigkeit" rechtlich ohne Belang ist. Ein Arbeitgeber\nkann seinen Betrieb, unabhangig ob dieser floriert oder nicht, stilllegen,\nohne dass die Gerichte fur Arbeitssachen befugt waren, diesen Entschluss\ndaraufhin zu uberprufen, ob die Stilllegung sinnvoll gewesen ist oder ob es\nandere betriebswirtschaftlich vertretbare sinnvolle, wenn nicht gar bessere\nMoglichkeiten gegeben hatte, denn die Gerichte sind insoweit auf eine reine\nMissbrauchskontrolle beschrankt. Fur eine rechtsmissbrauchliche\nUnternehmerentscheidung ist indessen nichts dargetan. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zielte nach der Überzeugung\ndes erkennenden Gerichts auch nicht in Wahrheit auf einen Betriebsubergang auf\ndie Arbeitsgemeinschaft. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 1\\. Ein Betriebsubergang i.S.d. § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer\nRechtstrager die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identitat\nfortfuhrt. Ob ein im Wesentlichen unveranderter Fortbestand der organisierten\nGesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach\nden Umstanden des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfur\nzahlen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der\nmateriellen Betriebsmittel -wie Gebaude und bewegliche Guter sowie deren Wert\nund Bedeutung-, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der\nvorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstatigkeit\ndes bisherigen Inhabers, die Weiterbeschaftigung der Hauptbelegschaft, der\nÜbergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer\neventuellen Unterbrechung der Betriebstatigkeit (alles aus BAG Urt. v.\n18.09.2003, Az 2 AZR 79/02). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 2\\. Eine Anwendung dieser Grundsatze fuhrt vorliegend zu dem Ergebnis, dass\nkein Betriebsubergang i.S.d. § 613 a BGB vorliegt. Selbst nach dem\nKlagervortrag kann nicht davon gesprochen werden, dass die Arbeitsgemeinschaft\neine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identitat fortfuhrt. Die\nKammer kann nicht erkennen, unter welchem Gesichtspunkt vorliegend die\nerforderliche Identitatswahrung angenommen werden konnte. Weder die\nunterstellte Tatsache, dass mittlerweile bei der ARGE ca. 25 ehemalige\nArbeitnehmer der Beklagten tatig sind noch die unterstellte Tatsache, dass die\ngenannte ARGE in bestehende Vertrage der Beklagten eingetreten ist,\nrechtfertigt einen solchen Schluss. Hinsichtlich des Eintritts in bestehende\nVertrage fehlt es bereits an einem schlussigen Vortrag des Klagers, denn\ndieser lasst nur behaupten, die Beklagte lasse von der ARGE 90 % der Auftrage\nfortfuhren. Dem lasst sich aber nicht entnehmen, wie groß der Kundenbestand\nder Beklagten uberhaupt war, insbesondere aber, welche Kunden von der ARGE\nubernommen worden sind. Hinsichtlich der angeblich ubernommenen Mitarbeiter\nhandelt es sich nicht um einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des\nPersonals der Beklagten. Zum Qualifikationsgrad hat der Klager uberhaupt\nnichts vorgetragen, denn bei einem geringen Qualifikationsgrad muss eine hohe\nAnzahl von Arbeitnehmern weiter beschaftigt werden. Bei einfachen Tatigkeiten\ngenugt nach Ansicht des BAG (Urteil vom 10.12.1998, AP BGB § 613 a Nr. 187 =\nNZA 199, 420) ein Anteil von 75 % der fruheren Belegschaft nicht, um die\nÜbernahme der Hauptbelegschaft feststellen zu konnen. In Reinigungsdiensten\nreichen maximal 2/3 der fruheren Beschaftigten ebenfalls nicht (BAG\n19.03.1998, 8 AZR 737, 96 - nicht veroffentlicht). Bei einer\nWeiterbeschaftigung von mehr als 85 % der Beschaftigten und vor allem der\nVorarbeiterin, hat das BAG die fortbestehende Identitat der wirtschaftlichen\nEinheit hingegen bejaht (BAG 11.12.1997, AP BGB § 613 a Nr. 172). Ersichtlich\nliegen diese Zahlen weit uber denen, die im zu entscheidenden Fall eine Rolle\nspielen konnen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| **III.** \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kundigung ist auch nicht wegen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 KSchG unter\nBerucksichtigung der Richtlinie 98/59/EG unwirksam. Nach der gefestigten\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fuhrt ein Verstoß des Arbeitgebers\ngegen seine Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der\nKundigung (BAG Urt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02). Hieran andert auch die\nerwahnte Richtlinie in der durch den EuGH erfolgten Auslegung (Urt. v.\n27.01.2005, RSC 188/03 Junk/Kuhnel) nichts. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 1\\. Die Artikel 2-4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur\nAngleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten uber\nMassenentlassungen sind nach dem EuGH dahin auszulegen, dass die\nKundigungserklarung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung\ngilt. Dies bedeutet, dass das europaische Recht verlangt, dass der Arbeitgeber\nbei Massenentlassungen die diesbezugliche Anzeige bei den zustandigen Behorden\nbereits vor Ausspruch der Kundigung zu tatigen hat. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Diese "europaische" Rechtslage hat im konkreten Fall allerdings\nkeinerlei Auswirkungen auf das nationale Recht. Insofern verbleibt es bei der\nbisherigen nationalen Rechtslage, dass die Massenentlassungsanzeige auch nach\nAusspruch der Kundigung erfolgen kann und ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht\nnicht zur Unwirksamkeit der Kundigung fuhrt (siehe BAG Urt. v. 24.10.1996, Az\n2 AZR 895/95; BAGE 84, 267; Urt. v. 11.03.1999, Az 2 AZR 461/98, BAGE 91, 107;\nUrt. v. 13.04.2000, Az 2 AZR 215/99). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Eine direkte Anwendung der Richtlinie 98/59/EG scheidet im vorliegenden\nFall aus. Gem. Art. 249 EG-Vertrag treten die Regelungen einer Richtlinie\nnicht automatisch an die Stelle der nationalen Rechtsvorschrift, sondern die\nMitgliedsstaaten werden verpflichtet, ihr innerstaatliches Recht an die\nGemeinschaftsbestimmungen anzupassen. Zur Wirksamkeit einer Richtlinie im\nVerhaltnis zu einem Einzelnen bedarf es demnach eines Umsetzungsaktes durch\ndie Mitgliedsstaaten. Grundsatzlich werden danach erst durch die Umsetzung in\ninnerstaatliches Recht Einzelne berechtigt und verpflichtet. Auch die hiervon\neingefuhrte Ausnahme durch die Rechtsprechung des EuGH (siehe z.B. Rechtssache\n41/74 Van Duyn/Home-Office, Sammlung 1974, 1337; Rechtssache 8/81\nBecker/Finanzamt Munster-Innenstadt, EuGHE I. 1982, 53), dass Richtlinien dann\nentgegen dem Grundsatz direkt anzuwenden sind, wenn der betreffende\nMitgliedsstaat einer Umsetzungspflicht nicht oder nur unzulanglich nachkommt,\nkommt vorliegend nicht zum Tragen. Die unmittelbare Anwendbarkeit von\nRichtlinien beschrankt sich im Sinne dieser Rechtsprechung auf das Verhaltnis\nStaat / Burger ("vertikale unmittelbare Wirkung"). Soweit es -wie hier- um das\nVerhaltnis zweier Privatrechtssubjekte geht, lehnt der Europaische Gerichtshof\nin standiger Rechtsprechung eine unmittelbare Anwendbarkeit ab (keine\n"horizontale unmittelbare Wirkung"; vgl. bspw. Urt. v. 07.03.1996, Rechtssache\nC 192/94 El Corte Ingles SA, EuGHE I. 1996, 1281). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| b) Eine danach verbleibende und gebotene richtlinienkonforme Auslegung der\nnationalen Vorschrift des § 17 KSchG ist angesichts dessen klaren\nRegelungsgehalts nicht moglich (siehe zum Erfordernis der richtlinienkonformen\nAuslegung durch staatliche Organe bspw. EuGH, Urt. v. 05.05.1994, Rechtssache\nC 421/92 Gabriele Habermann-Beltermann/Arbeiterwohlfahrt, EuGHE I. 1994, 1657\n- Scherzberg, JURA 1993, 225). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| aa) Unter welchen Voraussetzungen eine richtlinienkonforme Auslegung moglich\nist und welchen Grenzen sie unterliegt, ergibt sich aus nationalem Recht. Das\neuropaische Recht verlangt allerdings, dass das innerstaatliche Gericht das\nnationale Gesetz "unter voller Ausschopfung des Beurteilungsspielraums, den\nihm das nationale Recht einraumt" bzw. soweit wie moglich "richtlinienkonform\nauszulegen hat" (siehe BAG Urt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02 mit weiteren\nNachweisen). Danach werden die Grenzen einer gemeinschaftskonformen Auslegung\ndurch die allgemeinen Auslegungsregeln bestimmt (naher hierzu: BAG a.a.O.). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| bb) Unter Beachtung der allgemeinen Auslegungsregeln ist eine\nrichtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG dahingehend, dass eine\nMassenentlassungsanzeige bereits vor Ausspruch der Kundigung getatigt werden\nmuss, nicht moglich. Das Kundigungsschutzgesetz unterscheidet in seiner\nSystematik eindeutig zwischen Kundigung und Entlassung. Insofern ist es nach\ndem nationalen Recht nicht moglich, als Entlassung bereits die Kundigung\nanzusehen (ebenso BAG a.a.O.; Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n446). Der Gesetzgeber wollte in den §§ 17 ff. KSchG den Begriff der Entlassung\nersichtlich im Sinne der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses\nverstanden wissen. Insofern ist es auch Aufgabe des Gesetzgebers, fur einen\neuroparechtskonformen Zustand des nationalen Rechts zu sorgen; eine\nHerstellung eines europarechtskonformen nationalen Rechtszustandes durch die\nRechtsprechung ist mangels eines vorhandenen Auslegungsrahmens nicht moglich. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| cc) Selbst wenn man eine richtlinienkonforme Auslegung in einem ersten\nSchritt fur moglich halten sollte, scheitert diese letztlich an\nGesichtspunkten des Vertrauensschutzes. Die Kammer mochte hierbei nicht\nunerwahnt lassen, dass sie eine europarechtskonforme Auslegung zwar nicht fur\nmoglich halt, diese Ansicht aber durchaus als vertretbar ansieht. Dafur\nspricht zum einen, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Wort\n"Entlassung" durchaus auch als Kundigungsausspruch aufgefasst werden kann.\nZudem geht die Kammer davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber bei der\nNormierung der §§ 17 ff. KSchG nicht hinter den europarechtlichen Regelungen\nzuruckbleiben wollte. Letztlich scheitert eine derartige Auslegung jedoch an\nGrundsatzen des Vertrauensschutzes. Es ist anerkannt, dass die Prinzipien der\nRechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Rahmen der\neuroparechtskonformen Auslegung von nationalen Gesetzen Anwendung finden\nmussen (Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rdnr. 403 ff., Ress, DÖV 1994,\n489, 491). Durfte eine Partei danach mit der Fortgeltung der bisherigen\nRechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwagung mit den\nBelangen der anderen Partei und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, ist\neine Ruckwirkung unzulassig (Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n449). Berucksichtigt man, dass bisher in den Merkblattern der Bundesagentur\nfur Arbeit sowie in den Formularen zur Erstattung von\nMassenentlassungsanzeigen der Arbeitgeber ausdrucklich darauf hingewiesen\nwird, dass es nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kundigung ankomme,\nsondern auf die Beendigung des Arbeitsverhaltnisses (letzter Arbeitstag),\nscheint es kaum vertretbar, dem Arbeitgeber nunmehr anzulasten, dass die von\nihm ausgesprochene Kundigung wegen Verstoßes gegen Anzeigepflichten unwirksam\nsein soll. Der Vertrauensschutz ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil\ndas Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 30.04.2003 die Frage der Auslegung\nder Richtlinie 98/59/EG dem EuGH zur Entscheidung vorlegte. Von einem\n"gewohnlichen" Arbeitgeber kann nicht erwartet werden, dass er uber Kenntnisse\nverfugt, die noch nicht einmal - wie das vorliegende Masseverfahren zeigt -\nFachanwalte fur Arbeitsrecht aufweisen konnen. Schließlich spricht nach\nAuffassung der Kammer ein weiterer Gesichtspunkt fur die Gewahrung von\nVertrauensschutz. Nach einhelliger Meinung scheidet eine horizontale\nDirektwirkung von Richtlinien aus, weil sich diese zu Lasten eines Privaten\nauswirken konnte. Zieht man in Betracht, dass die Grenzen zwischen\nunmittelbarer Anwendung einer Richtlinie und richtlinienkonformer Auslegung\nhaufig fließend sind und zu identischen Ergebnissen fuhren konnen, scheint bei\nder richtlinienkonformen Auslegung zu Lasten einzelner Vorsicht geboten. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| **IV.** \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Weitere Gesichtspunkte, die der Wirksamkeit der Kundigung entgegenstehen\nkonnten, sind nicht ersichtlich. Aufgrund der Betriebsstilllegung sind\ninsbesondere die Fragen einer moglichen Weiterbeschaftigungsmoglichkeit fur\nden Klager sowie der ordnungsgemaßen Sozialauswahl nicht zu stellen. Die\nBeklagte war nicht gehalten, eine soziale Auswahl dergestalt einzuhalten, dass\nsie samtlichen Arbeitnehmern auf den beabsichtigten Stilllegungstermin\n-31.05.2005- hatte kundigen mussen. Vielmehr ist es zulassig, die Kundigung\nunter Wahrung der jeweiligen Kundigungsfrist auszusprechen (BAG Urteil vom\n07.03.2002, NZA 2002, Seite 1111), wonach es einer Sozialauswahl nicht bedarf,\nwenn der Arbeitgeber die werbende Tatigkeit mit sofortiger Wirkung einstellt,\nallen Arbeitnehmern wegen der Betriebsstellung gleichzeitig kundigt und den\nArbeitnehmern mit den langsten Kundigungsfristen die Durchfuhrung der\nRestarbeiten ubertragt, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Subunternehmern.\nDenn hierbei handelt es sich nach dem Bundesarbeitsgericht a.a.O. nicht um\neine etappenweise Betriebsstillegung bei der die Kundigungen dem zeit- und\nabschnittsweisen Abbau der betrieblichen Funktionen angepasst werden, vielmehr\nbeabsichtigt in einem solchen Fall der Arbeitgeber die schnellstmogliche\nStilllegung und kann diesen Entschluss nur auf diese Weise vertragsgerecht\numsetzen. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen sind mangels Bestehen eines\nBetriebsrats bei der Beklagten ebenfalls nicht zu erortern. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| **V.** \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes ist nicht gegeben.\nEinzelvertraglich ist insoweit nichts vereinbart worden. Eine\ntarifvertragliche Rechtsgrundlage ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar gibt\nes im Baugewerbe einen Tarifvertrag uber die Gewahrung eines 13.\nMonatseinkommens, sowohl fur die Arbeiter als auch fur die Angestellten. Diese\nTarifvertrage waren und sind aber nicht allgemeinverbindlich. Auf betriebliche\nÜbung kann der Klager seinen Anspruch ebenfalls nicht stutzen, weil selbst\nnach Klagervortrag keine diesbezugliche betriebliche Übung zu erkennen ist. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| 1\\. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmaßige Wiederholung\nbestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die\nArbeitnehmer schließen konnen, ihnen solle eine Leistung oder eine\nVergunstigung auf Dauer gewahrt werden. Aufgrund einer Willenserklarung, die\nvon Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen\nvertragliche Anspruche auf die ublich gewordenen Vergunstigungen. Bei der\nAnspruchsentstehung ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers\nentscheidend, sondern wie der Erklarungsempfanger die Erklarung oder das\nVerhalten nach Treu und Glauben unter Berucksichtigung aller Begleitumstande\n(§§ 133, 157 BGB) verstehen musste. Keine betriebliche Übung entsteht, wenn -\nfur den Arbeitnehmer erkennbar - die Zuwendung nach Gutdunken des Arbeitgebers\ndreimalig in unterschiedlicher Hohe gezahlt wird. Der Arbeitnehmer muss in\neinem solchen Fall davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die Zuwendung nur fur\ndas jeweilige Jahr gewahren will (alles aus BAG Urt. v. 28.02.1996, Az 10 AZR\n516/95). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Von diesen Rechtsgrundsatzen ausgehend, kann der Klager keinen Anspruch auf\nGewahrung eines Weihnachtsgeldes aus einer betrieblichen Übung herleiten. Eine\ndahingehende betriebliche Übung war in diesem Zeitraum nicht entstanden. Zwar\nist zwischen den Parteien unstreitig, dass in den vergangenen Jahren jeweils\nein Weihnachtsgeld bezahlt wurde. Ebenso unstreitig ist zwischen den Parteien\nallerdings auch, dass dieses Weihnachtsgeld in unterschiedlicher Hohe\nausbezahlt wurde. Damit fehlt es an einer regelmaßigen gleichformigen\nWiederholung bestimmter Verhaltensweisen, aufgrund derer der Klager davon\nausgehen konnte, dass das Weihnachtsgeld auf Dauer bezahlt werde. Die\nunterschiedliche Hohe des Weihnachtsgeldes zeigt - fur den Klager erkennbar -\nden Willen der Beklagten, in jedem Jahr neu uber die Zuwendung zu entscheiden\n(siehe hierzu BAG a.a.O.). Insbesondere ist es nach Auffassung des erkennenden\nGerichts nicht moglich, hinsichtlich des Anspruchs auf Weihnachtsgeld zwischen\nder Frage des "ob" und der Frage des "wie hoch" zu unterscheiden. Diese beiden\nKomponenten hangen unmittelbar zusammen. Dies wird bereits daran deutlich,\ndass man bei Bejahung eines grundsatzlichen Anspruchs diesen schlicht dadurch\nsinnentleeren konnte, indem man die Hohe des Anspruchs gegen null fahrt.\nBezeichnenderweise ist der Klager auch nicht in der Lage, darzulegen, in\nwelcher konkreten Hohe nun der Anspruch bestehen soll. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Auch die Ausfuhrungen der Klagerseite, dass das Weihnachtsgeld nach\nbestimmten Prinzipien - Dauer der Betriebszugehorigkeit, Arbeitsleistung -\ngewahrt worden sei, andert hieran nichts, denn die Berechnung der jeweiligen\nGratifikationen folgte nicht objektiven rechnerisch nachvollziehbaren\nKriterien, so dass der jeweilige Arbeitnehmer anhand einzelner Voraussetzungen\nin die Lage versetzt worden ware - ubrigens gilt dies auch fur das Gericht -\nJahr fur Jahr zu errechnen, wie hoch der konkrete Anspruch war. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| **VI.** \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die\nStreitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 2 ff. ZPO, 42 Abs. 4\nGKG. \n--- \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| gez. Dr. G., ..... gez. G., ..... gez. G.,..... \n--- \n--- \n---\n\n
138,489
lsgbw-2007-05-11-l-8-al-308406
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 AL 3084/06
2007-05-11
2019-01-07 14:02:16
2019-01-17 11:58:41
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.\nMai 2006 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch des Klagers auf\nArbeitslosengeld (Alg) wegen des Bezugs von Altersleistungen nach dem\nBundesgesetz uber die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und\nInvalidenvorsorge (BVG) der Schweiz ruht. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1943 geborene und in Deutschland wohnhafte Klager war vom 01.07.1971\nbis zum 30.11.2004 bei der C. Spezialitatenchemie AG B. im Beschaftigungszweig\nPharma als Leiter E. Health & Safety beschaftigt. Im Jahr 2003 bezog er einen\nnach der eidgenossischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung\n(AHV/IV) beitragspflichtigen Gesamtverdienst von 380.719,40 SFr und fur die\nZeit vom 01.01.2004 bis zum 30.11.2004 von 377.904,00 SFr. Die fur dieses\nArbeitsverhaltnis geltende Kundigungsfrist betrug 6 Monate. Der Klager\nbeendete das Arbeitsverhaltnis durch eine am 13.07.2004 ausgesprochene\nEigenkundigung zum 30.11.2004. Seit 01.12.2004 bezieht er von der\nVorsorgeeinrichtung seiner Arbeitgeberin eine Altersrente in Hohe von\nmonatlich 9.218 SFr sowie eine Überbruckungsrente in Hohe von monatlich 2.110\nSFr. Beide Leistungen werden nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung ab der\nBeendigung der Erwerbstatigkeit und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres\ngezahlt. Eine Abfindung im Zusammenhang mit der Beendigung seines\nArbeitsverhaltnisses erhielt der Klager nicht. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 13.01.2005 meldete sich der Klager bei der Agentur fur Arbeit L.\narbeitslos und beantragte die Gewahrung von Alg. Diesen Antrag lehnte die\nBeklagte mit Bescheid vom 15.02.2005 mit der Begrundung ab, der Klager erhalte\nwegen seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben eine Rente bzw. Pension in Hohe\nvon 9.218,-- SFr und eine Überbruckungsrente in Hohe von 2.110,-- SFr,\ninsgesamt 11.328,-- SFr (7.418,29 EUR). Diese Vorruhestandsleistungen betrugen\nmehr als 65% seines Bemessungsentgeltes, weshalb der Leistungsanspruch gemaß §\n142 Abs. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruhe. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen legte der Klager Widerspruch ein und trug zur Begrundung vor, die\nFirmenpension der C. Spezialitatenchemie AG sei in keiner Weise vergleichbar\nmit einer deutschen Betriebsrente, da er sich in die Pensionskasse habe\neinkaufen mussen und ab 1983 50% der Beitrage selbst bezahlt habe. Damit sei\nder Vergleich mit einer privaten Lebensversicherung auf Rentenbasis viel\ntreffender. Ein mit 62 Jahren arbeitslos gemeldeter Burger konne und durfe\nnicht dafur benachteiligt werden, dass er einen signifikanten Teil seines\nEinkommens und seiner Ersparnisse in eine Altersvorsorgeeinrichtung investiert\nhabe. Ohne den Einkauf in die C.-Pensionskasse ware die Rente heute nur halb\nso hoch. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2005 wies die Widerspruchsstelle\nder Beklagten den Widerspruch zuruck. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, der\nKlager erhalte von der Pensionskasse seines Arbeitgebers bis zum Beginn der\nAltersrente eine Rente und eine sogenannte Überbruckungsrente in Hohe von\nmonatlich insgesamt 11.328,-- SFr, umgerechnet monatlich 7.418,29 EUR. Auch\nohne eine entsprechende ausdruckliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, aus\ndem Erwerbsleben auszuscheiden, sei diese Leistung als Vorruhestandsleistung\nzu betrachten, zumal auch vom Arbeitgeber als Kundigungsgrund der vorzeitige\nRuhestand akzeptiert und angegeben worden sei. Im Übrigen komme es auf die\nBezeichnung der Leistung nicht an, sondern vielmehr auf die Zweckbestimmung\nder Leistung. Nach den vorliegenden Unterlagen gehe der Arbeitgeber bzw. die\nPensionskasse davon aus, dass der Klager mit seiner Kundigung auch pensioniert\nwerde, d.h. aus dem Arbeitsleben ausscheide. Ansonsten ware die\nÜberbruckungsrente bis zum Beginn der regularen Altersrente ohne Sinn.\nAußerdem sei es fur die Berucksichtigung unerheblich, ob die Leistung vom\nArbeitgeber selbst oder von seiner angeschlossenen Pensionskasse gezahlt\nwerde. Ausschlaggebend sei hier, dass keine Leistungszahlung aus einer\noffentlichen Kasse, sondern aus der Pensionskasse des privaten Arbeitgebers\nerfolge. Auf die Modalitaten der Beitragszahlung zu dieser Pensionskasse komme\nes ebenfalls nicht an. Die gezahlte Pension betrage mit 7.418,29 EUR monatlich\nauch mehr als 65 % des fur den Klager maßgeblichen Bemessungsentgeltes von\nmonatlich 5.065,19 EUR, so dass auch die Lohnersatzfunktion der Pension in\nmehr als ausreichendem Umfang sichergestellt sei. Aufgrund dessen fuhre die\nPension zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 04.04.2005 hat der Klager Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben\nund geltend gemacht, die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung nicht\nberucksichtigt, dass die von einer schweizerischen Pensionskasse geleisteten\nZahlungen in seinem Fall zu ca. 50 % auf eigenen Beitragen beruhten. In der\nPensionssumme seien Einkaufszahlungen aus den 80er und fruhen 90er-Jahren\nenthalten, mit denen die nur knapp 22-jahrige Zugehorigkeit zu einem großen\nTeil kompensiert worden sei. Die von C. seit 1983 einbezahlten Beitrage seien\nim Falle von Grenzgangern der deutschen Steuer unterworfen und durften daher\nnur teilweise als Sozialleistungen bewertet werden. Burger mit hohen\nEigenleistungen zur Altersvorsorge durften vom Gesetz nicht schlechter\ngestellt werden als solche, die ein Berufsleben lang keine Vorsorge trafen und\nsich ausschließlich auf soziale Einrichtungen abstutzten. Mit Urteil vom\n12.05.2006 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgrunde des dem\nKlager mittels Übergabe-Einschreiben am 22.05.2006 zur Post gegebenen Urteils\nwird Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 19.06.2006 hat der Klager Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren\nweiter und tragt erganzend vor, wie die Agentur fur Arbeit L. am 06.04.2001\nder Grenzgangerinfo e.V. vollig richtig bestatigt habe, handele es sich bei\nAuszahlungen einer schweizerischen Pensionskasse in Fallen einer Kundigung vor\nErreichen der Altersgrenze weder um eine Entlass-Entschadigung noch um eine\noffentlich-rechtliche Sozialleistung. An dieser Definition habe sich auch funf\nJahre danach nichts geandert. Im vorliegenden Fall habe die Pensionskasse den\nRechtsstatus einer Stiftung, die de facto von C. S. Chemicals und deren\nHolding gesellschaftlich unabhangig sei. Seine spezifische Situation\nrechtfertige es in keiner Weise, die Pensionszahlungen im Sinne des § 142 Abs.\n4 SGB III zu behandeln. Basis fur die relativ hohen Monatszahlungen seien\nbelegbare hohe Eigenleistungen inklusive Einkaufssummen sowie bei Grenzgangern\nvoll versteuerte Firmenbeitrage. Er musse auf den Tatbestand der\nDiskriminierung hinweisen, denn fur Schweizer Burger seien die\nFirmenleistungen als Beitrage zur zweiten Saule steuerfrei. Gleichzeitig sei\nanzumerken, dass Grenzganger gegenuber Arbeitnehmern im deutschen Rechtsraum\nmassiv diskriminiert wurden, wenn sie - wie in seinem Falle - aus Gesundheits-\nund Gewissensgrunden ihr Arbeitsverhaltnis vor Erreichen der Altersgrenze\nbeendeten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Mai 2006 sowie den Bescheid\nder Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides\nvom 2. Marz 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 13. Januar\n2005 Arbeitslosengeld zu gewahren. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie halt die angefochtene Entscheidung fur zutreffend. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung am 11.05.2007 hat der Senatsvorsitzende den\nKlager darauf hingewiesen, dass es sich bei den Leistungen, die dieser von der\nschweizerischen Vorsorgeeinrichtung beziehe, um eine der Altersrente aus der\ndeutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Leistung eines\nauslandischen Tragers handeln durfte und ein Anspruch auf Alg deshalb zwar\nnicht nach § 142 Abs. 4 SGB III, aber nach § 142 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 SGB III\nruhen durfte. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten\ndes SG und der Senatsakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die gemaß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht\neingelegte Berufung des Klagers ist gemaß §§ 143, 144 SGG zulassig, in der\nSache jedoch nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Gemaß § 142 Abs. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld wahrend\nder Zeit, fur die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine der folgenden\nLeistungen zuerkannt ist: \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Berufsausbildungsbeihilfe fur Arbeitslose, \n--- \n| 2\\. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld\noder Übergangsgeld nach diesem oder einem anderen Gesetz, dem eine Leistung\nzur Teilhabe zugrunde liegt, wegen der der Arbeitslose keine ganztatige\nErwerbstatigkeit ausuben kann, \n--- \n| 3\\. Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen\nRentenversicherung oder \n--- \n| 4\\. Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder\nKnappschaftsausgleichsleistung oder ahnliche Leistungen offentlich-rechtlicher\nArt. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dies gilt nach § 142 Abs. 3 SGB III auch fur einen vergleichbaren Anspruch\nauf eine andere Sozialleistung, den ein auslandischer Trager zuerkannt hat. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Anspruch des Klagers auf Alg ruht, weil er ab 01.12.2004 eine der\nAltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare\nLeistung eines schweizerischen Tragers erhalt. Ein in diesem Sinn\nvergleichbare Leistung ist anzunehmen, wenn die auslandische Rentenleistung\ndurch einen offentlich-rechtlichen Trager gewahrt wird und sie die gleichen\nund typischen Strukturen wie die Altersrente aus der deutschen gesetzlichen\nRentenversicherung aufweist, namlich bei Eintritt einer bestimmten Altersrente\nzugebilligt wird, sich als Lohnersatzleistung darstellt und so bemessen ist,\ndass sie im Allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellt (vgl BSG 06.05.1994 -\n7 RAr 70/93 - SozVers 1995, 110 zu § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG). Diese\nVoraussetzungen sind hier erfullt. Die nach den Vorschriften des BVG\nregistrierte Vorsorgeeinrichtung der C. Spezialitatenchemie AG B. ist als\noffentlich-rechtlicher Trager anzusehen oder einem solchen gleichzustellen,\nobwohl sie in der Rechtsform einer Stiftung nach schweizerischem Recht gefuhrt\nwird. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach Art 48 Abs. 1 BVG mussen sich Vorsorgeeinrichtungen, die an der\nDurchfuhrung der obligatorischen Versicherung teilnehmen wollen, bei der\nAufsichtsbehorde, der sie unterstehen (Art 61 BVG), in das Register fur die\nberufliche Vorsorge eintragen lassen. Registrierte Vorsorgeeinrichtungen\nmussen nach Art 48 Abs. 2 BVG die Rechtsform einer Stiftung oder einer\nGenossenschaft haben oder eine Einrichtung des offentlichen Rechts sein. Sie\nmussen Leistungen nach den Vorschriften uber die obligatorische Versicherung\nerbringen und nach dem BVG organisiert, finanziert und verwaltet werden.\nDaruber hinaus haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Art 51 Abs. 1 BVG das\nRecht, in das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung die gleiche Zahl von\nVertretern zu entsenden. Der Arbeitgeber, der obligatorisch zu versichernde\nArbeitnehmer beschaftigt, muss nach Art 11 Abs. 1 BVG eine in das Register fur\ndie berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung errichten oder sich\neiner solchen anschließen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass eine in der Rechtsform einer\nschweizerischen Stiftung gefuhrte registrierte Vorsorgeeinrichtung nicht mit\neiner juristischen Person des Privatrechts nach deutschem Recht, sondern mit\neinem offentlich-rechtlichen Trager der deutschen Rentenversicherung\nvergleichbar ist. Die Vorsorgeeinrichtung ist Trager einer gesetzlich\nangeordneten obligatorischen Versicherung, wird vom Arbeitgeber und den\nArbeitnehmern paritatisch verwaltet und erfullt nach Art 48 Abs. 2 BVG eine\noffentliche Aufgabe, die auch von einer Einrichtung des offentlich Rechts\nwahrgenommen werden konnte. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, die\nVorsorgeeinrichtung als offentlich-rechtlichen Trager anzusehen. Im Übrigen\nware es mit dem Gleichheitssatz des Art 3 GG nicht zu vereinbaren, die\nLeistungen aus der sog zweiten Saule der schweizerischen Sozialversicherung\nunterschiedlich zu bewerten, je nachdem, ob sie von einer registrierten\nVorsorgeeinrichtung oder einer Einrichtung des offentlich Rechts gezahlt\nwerden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zumindest die dem Klager gewahrte Altersrente in Hohe von monatlich 9.218\nSFr weist die gleichen und typischen Strukturen wie eine Altersrente der\ngesetzlichen Rentenversicherung nach deutschem Recht auf. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach Art 1 Abs. 1 BVG umfasst die berufliche Vorsorge alle Maßnahmen auf\nkollektiver Basis, die den alteren Menschen, den Hinterlassenen und Invaliden\nbeim Eintreten eines Versicherungsfalles (Alter, Tod oder Invaliditat)\nzusammen mit den Leistungen der eidgenossischen Alters-, Hinterlassenen- und\nInvalidenversicherung (AHV/IV) die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in\nangemessener Weise erlauben. Dabei darf nach Art 1 Abs. 2 BVG der in der\nberuflichen Vorsorge versicherbare Lohn oder das versicherbare Einkommen der\nSelbstandigerwerbenden das AHV-beitragspflichtige Einkommen nicht ubersteigen.\nNach Art 7 Abs. 1 BVG unterstehen Arbeitnehmer, die bei einem Arbeitgeber\neinen Jahreslohn von mehr als 18.990 Franken beziehen, ab 1. Januar nach\nVollendung des 17. Altersjahres fur die Risiken Tod und Invaliditat, ab 1.\nJanuar nach Vollendung des 24. Altersjahres auch fur das Alter der\nobligatorischen Versicherung. Manner haben gemaß Art 13 Abs. 1 BVG Anspruch\nauf Altersleistungen, wenn sie das 65. Altersjahr zuruckgelegt haben. Nach\nAbs. 2 Satz 1 der genannten Bestimmung konnen die reglementarischen\nBestimmungen der Vorsorgeeinrichtung abweichend davon vorsehen, dass der\nAnspruch auf Altersleistungen mit der Beendigung der Erwerbstatigkeit\nentsteht. Die Vorsorgeeinrichtungen konnen gemaß Art 49 Abs. 1 Satz 2 BVG im\nReglement vorsehen, dass Leistungen, die uber die gesetzlichen\nMindestbestimmungen hinausgehen, nur bis zum Erreichen des Rentenalters\nausgerichtet werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Diesen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass die Altersrente, die der Klager\nvon der Vorsorgeeinrichtung seines (fruheren) Arbeitgebers erhalt, auch soweit\nsie uber das gesetzliche Mindestmaß hinausgeht, eine der Altersrente nach\ndeutschem Recht vergleichbare Leistung ist. Sie wird zwar erst ab Beendigung\nder Erwerbstatigkeit gezahlt, verliert aber dadurch nicht den Charakter einer\nAltersrente. Denn Art 13 Abs. 1 Satz 2 BVG spricht auch insoweit von dem\n„Anspruch auf Altersleistungen." Auch soll diese Rente - ggf. zusammen mit\nanderen Leistungen - im Allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellen und sie\nhat Lohnersatzcharakter. Dies folgt aus dem in Art 1 Abs. 1 BVG ausdrucklich\ndefinierten Zweck der Leistung („...Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in\nangemessener Weise ..."). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ob die Altersleistung, die der Klager aus der schweizerischen Versicherung\nerhalt, auch als Vorruhestandsgeld oder eine vergleichbare Leistung des\nArbeitgebers gemaß § 142 Abs. 4 SGB III gewertet werden kann, braucht nach der\nvom Senat vertretenen Ansicht nicht mehr entschieden zu werden. Fraglich ist\ndies, weil es sich nicht um eine Leistung des Arbeitgebers handelt, sondern um\neine Leistung, die auch auf einer Beitragszahlung des Arbeitnehmers beruht.\nDieser Gesichtpunkt spricht ebenfalls fur eine Wertung der Leistung als einer\nder deutschen Altersrente vergleichbaren Leistung iSd § 142 Abs. 1 Nr. 4, Abs.\n3 SGB III. Denn nach Art 66 Abs. 1 Satz 2 BVG muss der Beitrag des\nArbeitgebers mindestens gleich hoch sein wie die gesamten Beitrage aller\nseiner Arbeitnehmer. Auch schuldet der Arbeitgeber nach Art 66 Abs. 2 Satz 1\nBVG der Vorsorgeeinrichtung die gesamten Beitrage und zieht gemaß Art 66 Abs.\n3 BVG den in den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung\nfestgelegten Beitragsanteil des Arbeitnehmers vom Lohn ab. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der hier zu beurteilenden\nRechtsfrage zugelassen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die gemaß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht\neingelegte Berufung des Klagers ist gemaß §§ 143, 144 SGG zulassig, in der\nSache jedoch nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Gemaß § 142 Abs. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld wahrend\nder Zeit, fur die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine der folgenden\nLeistungen zuerkannt ist: \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Berufsausbildungsbeihilfe fur Arbeitslose, \n--- \n| 2\\. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld\noder Übergangsgeld nach diesem oder einem anderen Gesetz, dem eine Leistung\nzur Teilhabe zugrunde liegt, wegen der der Arbeitslose keine ganztatige\nErwerbstatigkeit ausuben kann, \n--- \n| 3\\. Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen\nRentenversicherung oder \n--- \n| 4\\. Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder\nKnappschaftsausgleichsleistung oder ahnliche Leistungen offentlich-rechtlicher\nArt. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dies gilt nach § 142 Abs. 3 SGB III auch fur einen vergleichbaren Anspruch\nauf eine andere Sozialleistung, den ein auslandischer Trager zuerkannt hat. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Anspruch des Klagers auf Alg ruht, weil er ab 01.12.2004 eine der\nAltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare\nLeistung eines schweizerischen Tragers erhalt. Ein in diesem Sinn\nvergleichbare Leistung ist anzunehmen, wenn die auslandische Rentenleistung\ndurch einen offentlich-rechtlichen Trager gewahrt wird und sie die gleichen\nund typischen Strukturen wie die Altersrente aus der deutschen gesetzlichen\nRentenversicherung aufweist, namlich bei Eintritt einer bestimmten Altersrente\nzugebilligt wird, sich als Lohnersatzleistung darstellt und so bemessen ist,\ndass sie im Allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellt (vgl BSG 06.05.1994 -\n7 RAr 70/93 - SozVers 1995, 110 zu § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG). Diese\nVoraussetzungen sind hier erfullt. Die nach den Vorschriften des BVG\nregistrierte Vorsorgeeinrichtung der C. Spezialitatenchemie AG B. ist als\noffentlich-rechtlicher Trager anzusehen oder einem solchen gleichzustellen,\nobwohl sie in der Rechtsform einer Stiftung nach schweizerischem Recht gefuhrt\nwird. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach Art 48 Abs. 1 BVG mussen sich Vorsorgeeinrichtungen, die an der\nDurchfuhrung der obligatorischen Versicherung teilnehmen wollen, bei der\nAufsichtsbehorde, der sie unterstehen (Art 61 BVG), in das Register fur die\nberufliche Vorsorge eintragen lassen. Registrierte Vorsorgeeinrichtungen\nmussen nach Art 48 Abs. 2 BVG die Rechtsform einer Stiftung oder einer\nGenossenschaft haben oder eine Einrichtung des offentlichen Rechts sein. Sie\nmussen Leistungen nach den Vorschriften uber die obligatorische Versicherung\nerbringen und nach dem BVG organisiert, finanziert und verwaltet werden.\nDaruber hinaus haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Art 51 Abs. 1 BVG das\nRecht, in das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung die gleiche Zahl von\nVertretern zu entsenden. Der Arbeitgeber, der obligatorisch zu versichernde\nArbeitnehmer beschaftigt, muss nach Art 11 Abs. 1 BVG eine in das Register fur\ndie berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung errichten oder sich\neiner solchen anschließen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass eine in der Rechtsform einer\nschweizerischen Stiftung gefuhrte registrierte Vorsorgeeinrichtung nicht mit\neiner juristischen Person des Privatrechts nach deutschem Recht, sondern mit\neinem offentlich-rechtlichen Trager der deutschen Rentenversicherung\nvergleichbar ist. Die Vorsorgeeinrichtung ist Trager einer gesetzlich\nangeordneten obligatorischen Versicherung, wird vom Arbeitgeber und den\nArbeitnehmern paritatisch verwaltet und erfullt nach Art 48 Abs. 2 BVG eine\noffentliche Aufgabe, die auch von einer Einrichtung des offentlich Rechts\nwahrgenommen werden konnte. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, die\nVorsorgeeinrichtung als offentlich-rechtlichen Trager anzusehen. Im Übrigen\nware es mit dem Gleichheitssatz des Art 3 GG nicht zu vereinbaren, die\nLeistungen aus der sog zweiten Saule der schweizerischen Sozialversicherung\nunterschiedlich zu bewerten, je nachdem, ob sie von einer registrierten\nVorsorgeeinrichtung oder einer Einrichtung des offentlich Rechts gezahlt\nwerden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zumindest die dem Klager gewahrte Altersrente in Hohe von monatlich 9.218\nSFr weist die gleichen und typischen Strukturen wie eine Altersrente der\ngesetzlichen Rentenversicherung nach deutschem Recht auf. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach Art 1 Abs. 1 BVG umfasst die berufliche Vorsorge alle Maßnahmen auf\nkollektiver Basis, die den alteren Menschen, den Hinterlassenen und Invaliden\nbeim Eintreten eines Versicherungsfalles (Alter, Tod oder Invaliditat)\nzusammen mit den Leistungen der eidgenossischen Alters-, Hinterlassenen- und\nInvalidenversicherung (AHV/IV) die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in\nangemessener Weise erlauben. Dabei darf nach Art 1 Abs. 2 BVG der in der\nberuflichen Vorsorge versicherbare Lohn oder das versicherbare Einkommen der\nSelbstandigerwerbenden das AHV-beitragspflichtige Einkommen nicht ubersteigen.\nNach Art 7 Abs. 1 BVG unterstehen Arbeitnehmer, die bei einem Arbeitgeber\neinen Jahreslohn von mehr als 18.990 Franken beziehen, ab 1. Januar nach\nVollendung des 17. Altersjahres fur die Risiken Tod und Invaliditat, ab 1.\nJanuar nach Vollendung des 24. Altersjahres auch fur das Alter der\nobligatorischen Versicherung. Manner haben gemaß Art 13 Abs. 1 BVG Anspruch\nauf Altersleistungen, wenn sie das 65. Altersjahr zuruckgelegt haben. Nach\nAbs. 2 Satz 1 der genannten Bestimmung konnen die reglementarischen\nBestimmungen der Vorsorgeeinrichtung abweichend davon vorsehen, dass der\nAnspruch auf Altersleistungen mit der Beendigung der Erwerbstatigkeit\nentsteht. Die Vorsorgeeinrichtungen konnen gemaß Art 49 Abs. 1 Satz 2 BVG im\nReglement vorsehen, dass Leistungen, die uber die gesetzlichen\nMindestbestimmungen hinausgehen, nur bis zum Erreichen des Rentenalters\nausgerichtet werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Diesen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass die Altersrente, die der Klager\nvon der Vorsorgeeinrichtung seines (fruheren) Arbeitgebers erhalt, auch soweit\nsie uber das gesetzliche Mindestmaß hinausgeht, eine der Altersrente nach\ndeutschem Recht vergleichbare Leistung ist. Sie wird zwar erst ab Beendigung\nder Erwerbstatigkeit gezahlt, verliert aber dadurch nicht den Charakter einer\nAltersrente. Denn Art 13 Abs. 1 Satz 2 BVG spricht auch insoweit von dem\n„Anspruch auf Altersleistungen." Auch soll diese Rente - ggf. zusammen mit\nanderen Leistungen - im Allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellen und sie\nhat Lohnersatzcharakter. Dies folgt aus dem in Art 1 Abs. 1 BVG ausdrucklich\ndefinierten Zweck der Leistung („...Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in\nangemessener Weise ..."). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ob die Altersleistung, die der Klager aus der schweizerischen Versicherung\nerhalt, auch als Vorruhestandsgeld oder eine vergleichbare Leistung des\nArbeitgebers gemaß § 142 Abs. 4 SGB III gewertet werden kann, braucht nach der\nvom Senat vertretenen Ansicht nicht mehr entschieden zu werden. Fraglich ist\ndies, weil es sich nicht um eine Leistung des Arbeitgebers handelt, sondern um\neine Leistung, die auch auf einer Beitragszahlung des Arbeitnehmers beruht.\nDieser Gesichtpunkt spricht ebenfalls fur eine Wertung der Leistung als einer\nder deutschen Altersrente vergleichbaren Leistung iSd § 142 Abs. 1 Nr. 4, Abs.\n3 SGB III. Denn nach Art 66 Abs. 1 Satz 2 BVG muss der Beitrag des\nArbeitgebers mindestens gleich hoch sein wie die gesamten Beitrage aller\nseiner Arbeitnehmer. Auch schuldet der Arbeitgeber nach Art 66 Abs. 2 Satz 1\nBVG der Vorsorgeeinrichtung die gesamten Beitrage und zieht gemaß Art 66 Abs.\n3 BVG den in den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung\nfestgelegten Beitragsanteil des Arbeitnehmers vom Lohn ab. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der hier zu beurteilenden\nRechtsfrage zugelassen. \n---\n\n
139,801
olgkarl-2004-06-01-1-ss-8003
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Ss 80/03
2004-06-01
2019-01-07 14:44:54
2019-02-12 12:19:27
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts X.\nvom 13. Januar 2003 wird als unzulassig verworfen.\n\n2\\. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die den Angeklagten insoweit\nentstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Landgericht X. hat die Angeklagten am 13.01.2003 unter Aufhebung eines\nanders lautenden Urteils des Amtsgerichts Y. vom 26.03.2002 vom Vorwurf der\nversuchten gemeinschaftlichen Notigung freigesprochen. Nach den Feststellungen\nder Strafkammer hatten sich die Angeklagten 10.04.2001 im Rahmen eines fur\ndiesen Tag geplanten „Castortransports" zum Kernkraftwerk Z. zu dem in dieser\nOrtschaft liegenden Bahngleiskorper begeben, um dort eine zur Erregung der\nAufmerksamkeit der Presse „symbolische Aktion" durchzufuhren. Zu diesem Zweck\nhatten einige der Angeklagten zwar bereits den Gleiskorper betreten und\nbegonnen Schottersteine vom Gleisbett zu entfernen, alle hatten jedoch\ngewusst, dass sie aufgrund der Polizeiprasenz und der mitgefuhrten\nunzureichenden Werkzeuge den Transport des Castors nicht hatten verhindern\nkonnen, weshalb sie nur ein Zeichen hatten setzen wollen. Gegen dieses Urteil\nhat die Staatsanwaltschaft am 14.01.2003 Revision eingelegt, diese am\n19.03.2003 begrundet und hierzu ausgefuhrt, dass nach den Vorstellungen der\nAngeklagten das Graben am Schotterbett eine Ankettung mittels der beigefuhrten\nRohre habe ermoglichen und damit den Transport habe verhindern sollen, weshalb\ndie Tat als versuchte Notigung zu werten sei. \n--- \nII. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die lediglich auf die Sachruge gestutzte Revision war gemaß § 349 Abs. 1\nStPO als unzulassig zu verwerfen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit der Sachruge kann grundsatzlich nur beanstandet werden, dass auf den im\nUrteil festgestellten Sachverhalt materielles Recht falsch angewendet worden\nist. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswurdigung in diesem Sinne allenfalls dann,\nwenn sie in sich widerspruchlich, luckenhaft oder unklar ist oder gegen\nDenkgesetze oder Erfahrungssatze verstoßt (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004,\n§ 344 Rn. 15). Ergibt die Auslegung der Erklarung, dass nicht die\nRechtsanwendung gerugt wird, sondern sich der Beschwerdefuhrer gegen die\nRichtigkeit der Beweiswurdigung und damit der Urteilsfeststellungen wendet,\nindem er etwa seine Wurdigung der Beweise an die Stelle derjenigen des\nTatrichters setzt, ist die Sachruge nicht ordnungsgemaß erhoben (vgl. BGH NJW\n1956, 1767; NStZ 1993, 31; BGHR StPO § 344 Abs.2 Satz 1, Revisionsbegrundung\n2;OLG Hamm NStZ-RR 2001, 117 f.; OLG Dusseldorf NStZ 1993, 99; LR-Pfeifer,\nStPO, 3. Aufl., § 344 Rn 19 m.z.w.N.; Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 17 ff.). \n--- \n| 4 \n--- \n| So liegt der Fall hier, denn die in tatsachlicher Hinsicht erfolgten\nAusfuhrungen der Beschwerdefuhrerin finden im Urteil keine Stutze. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die landgerichtlichen Feststellungen und Ausfuhrungen sind rechtlich dahin\nzu verstehen, dass die Angeklagten mangels jeglicher Erfolgsaussicht keinen\nTatvollendungsvorsatz hatten. Es ist - auf dieser Grundlage rechtlich\nzutreffend - zum Freispruch gekommen. Die Revisionsbegrundung der\nStaatsanwaltschaft nimmt davon abweichend an, die Angeklagten hatten „nach\nihrer Vorstellung unmittelbar dazu angesetzt, den am Tattag zeitnah\nbevorstehenden Transport von Brennelementen zu behindern, in dem sie ...". Die\nStaatsanwaltschaft bejaht Vollendungsvorsatz. Sie kommt zu diesem Ergebnis\nersichtlich aufgrund der Erwagung, dass die Angeklagten ihr Vorhaben vollendet\nhatten, wenn die Polizei nicht rechtzeitig eingeschritten ware. Sie geht damit\nuber die Feststellungen des Landgerichts hinaus, weicht also auch insoweit von\nihnen ab. Denn das Landgericht hat entsprechende Feststellungen nicht\ngetroffen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme\nvom 14.05.2004 kann der Revisionsbegrundung selbst bei großzugiger Auslegung -\ntrotz der dort angefuhrten anders lautenden Formulierung zu Beginn der\nAusfuhrungen (Die Angeklagten haben unter Zugrundelegung der landgerichtlichen\nFeststellungen ...) - nicht entnommen werden, dass auf den im Urteil\nangewendeten Sachverhalt das Recht falsch angewendet worden sei, vielmehr\nstutzt sich die Ruge durchgehend und maßgeblich auf eine andere Bewertung der\nsubjektiven Tatseite, indem sie - anders als die Strafkammer - vom Vorliegen\neines Vollendungsvorsatzes ausgeht und diesen bei ihren rechtlichen\nAusfuhrungen einfach unterstellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft schon bei Einlegung des\nRechtsmittels allgemein die „Verletzung materiellen Rechts" beanstandet hatte\n(vgl. hierzu ahnlich auch OLG Dusseldorf a.a.O.; OLG Hamm a.a.O), fuhrt zu\nkeiner anderen Bewertung, denn es handelt sich beim\nRevisionsbegrundungsschriftsatz vom 19.03.2003 um eine das Rechtsmittelziel\nklarstellende Erlauterung der erhobenen Beanstandung und nicht nur um eine\ndort erganzend niedergelegte beispielhafte Aufzahlung einzelner Rugepunkte,\nworauf etwa der Zusatz „insbesondere" hatte hindeuten konnen. Fur eine von der\nGeneralstaatsanwaltschaft - unter Hinweis auf die in § 352 Abs. 2 StPO i.V.m.\n§ 344 Abs. 2 StPO normierte nur eingeschrankte Begrundungspflicht - vertretene\ngrundsatzlich weite Auslegung des Rechtsmittelziels sieht der Senat bei einer\nRevision der Anklagebehorde keine Veranlassung, denn im Gegensatz zu einem\nRechtsmittel des Angeklagten kann es bei dieser nicht zu\nMeinungsverschiedenheiten in der Vertretung, wie etwa zwischen Angeklagten und\nVerteidiger kommen (vgl. hierzu § 302 Abs.2 StPO), vielmehr ist davon\nauszugehen, dass eine Staatsanwaltschaft - sofern sich aus der\nRechtsmittelschrift nicht Gegenteiliges ergibt - die nach ihrer Ansicht\nvorliegenden Angriffspunkte vollstandig aufzahlen will. Damit ist aber durch\ndie Revisionsbegrundungsschrift vom 19.03.2003 vorliegend das Ziel des\nRechtsmittels wirksam bezeichnet worden, so dass die spateren - rechtlich den\nAnforderungen an die Erhebung einer Sachruge ohne weiteres genugenden -\nAusfuhrungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragschrift vom\n28.05.2003 den Mangel nicht mehr zu beheben vermochten, da zu diesem Zeitpunkt\ndie Revisionsbegrundungsfrist bereits abgelaufen war. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs.2 StPO. \n---\n\n
139,910
lg-ellwangen-2004-06-29-5-t-304
130
Landgericht Ellwangen
lg-ellwangen
Ellwangen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
5 T 3/04
2004-06-29
2019-01-07 14:46:16
2019-01-17 12:00:05
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des\nAmtsgerichts Aalen vom 21.04.2004 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Antragsgegnerin tragt die Kosten ihres Rechtsmittels.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht -\nVollstreckungsgericht - Aalen die Erinnerung der Antragsgegnerin gegen die\nAnordnung der Teilungsversteigerung zur Aufhebung der\nMiteigentumergemeinschaft der geschiedenen Parteien am Grundstuck H., das von\nder Antragsgegnerin und ihren drei Kindern bewohnt wird, zuruckgewiesen. \n--- \n| 2 \n--- \n| II. Die gegen diesen Beschluss fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde\nder Antragsgegnerin ist zulassig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das\nAmtsgericht - Vollstreckungsgericht - Aalen hat die Erinnerung der\nAntragsgegnerin zu Recht zuruckgewiesen. \n--- \n \n---\n\n
140,505
olgkarl-2004-11-17-14-wx-8203
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
14 Wx 82/03
2004-11-17
2019-01-07 15:16:17
2019-02-12 12:20:08
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner Nr. 1 und Nr. 2 gegen\nden Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 08.08.2003 - 4 T 34/03 - wird als\nunbegrundet zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Antragsgegner tragen die Gerichtskosten des\nRechtsbeschwerdeverfahrens. Die Antragsgegner haben der Antragstellerin und\ndem Streithelfer die diesen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen\naußergerichtlichen Kosten zu erstatten.\n\n3\\. Der Geschaftswert wird fur das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 20.087,91 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Die Antragstellerin ist die Verwalterin der Wohnanlage „R-Str. 1" in L.\nSie ist aufgrund des Verwaltervertrags berechtigt, die Eigentumergemeinschaft\nim Außenverhaltnis auch gerichtlich zu vertreten und Anspruche der\nGemeinschaft gegenuber einzelnen Wohnungseigentumern auch im eigenen Namen\ngerichtlich geltend zu machen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragsgegner sind Eigentumer der in der Wohnanlage gelegenen Wohnung\nNr. 28 mit einer Flache von 121,40 qm und Miteigentumer zu 180/10000. Sie\nhaben die Wohnung vom Voreigentumer - dem Streithelfer - mit notariellem\nKaufvertrag vom 30.08.1999 gekauft. Am 15.10.1999 wurden sie als Eigentumer im\nGrundbuch eingetragen. \n--- \n| 3 \n--- \n| In der Wohnungseigentumerversammlung vom 26.07.1999 wurde unter TOP 5 zur\nFinanzierung einer anstehenden Betonsanierungsmaßnahme eine nach\nMiteigentumsanteilen auf die Wohnungseigentumer umzulegende und zum 30.09.2000\nfallige Sonderumlage von 2,4 Mio. DM beschlossen. Der auf die Wohnung der\nAntragsgegner entfallende Anteil belauft sich danach auf 43.200,00 DM =\n20.087,81 EUR. \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 19.07.2000 hat die\nAntragstellerin als Verwalterin der Wohnanlage im eigenen Namen beim\nAmtsgericht L. von den Antragsgegnern Zahlung des auf ihre Wohnung\nentfallenden Anteils der Sonderumlage verlangt. Die Antragsgegner sind dem mit\nder Begrundung entgegengetreten, sie seien bei der Fassung des Beschlusses vom\n26.07.1999 noch nicht Wohnungseigentumer gewesen. Bei Abschluss des\nnotariellen Kaufvertrags vom 30.08.1999 seien sie uber den Umlagebeschluss\nnicht aufgeklart worden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Beschluss vom 24.01.2003 (AS 247/253) hat das Amtsgericht die\nAntragsgegner als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Antragstellerin\n22.087,81 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Die sofortige Beschwerde der\nAntragsgegner blieb erfolglos (Beschluss des Landgerichts Offenburg vom\n08.08.2003. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen die ihnen am 14.08.2003 zugestellte Entscheidung des Landgerichts\nhaben die Antragsteller durch am 28.08.2003 beim Amtsgericht eingegangenen\nAnwaltschriftsatz vom selben Tag (AS 329) sofortige weitere Beschwerde\neingelegt, mit der sie ihre fruheren auf Zuruckweisung des Zahlungsantrags\ngerichteten Antrage weiterverfolgen. \n--- \n| 7 \n--- \n| II. Das gemaß § 45 Abs. 1 WEG statthafte und auch sonst zulassige (§§ 22\nAbs. 1, 29 FGG) Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung\nberuht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 Abs. 1 FGG\ni.V.m. §§ 546, 547 ZPO). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| 1\\. Das Landgericht hat ausgefuhrt, daß sich die Verpflichtung der\nAntragsgegner zur Zahlung des ihrem Anteil am Gemeinschaftseigentum\nentsprechenden Umlageanteils aus § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. mit dem Beschluss der\nWohnungseigentumer vom 26.07.1999 ergebe. Daß sie damals noch nicht Eigentumer\nder Wohnung gewesen seien, andere daran nichts, denn maßgeblich fur die\nVerpflichtung zur Beitragszahlung sei die Eigentumerstellung zum Zeitpunkt der\nFalligkeit. \n--- \n| 9 \n--- \n| 2\\. Dies ist aus Rechtsgrunden nicht zu beanstanden. Das dagegen gerichtete\nVorbringen der Antragsgegner greift nicht durch. \n--- \n| 10 \n--- \n| a) § 16 Abs. 2 WEG bestimmt, daß jeder Wohnungseigentumer den anderen\nWohnungseigentumern gegenuber verpflichtet ist, unter anderem die Lasten des\ngemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung und\nInstandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhaltnis seines\nAnteils zu tragen. Verpflichtet ist danach, wer als Wohnungseigentumer im\nGrundbuch eingetragen ist und damit rechtlich der\nWohnungseigentumergemeinschaft angehort (BGHZ 87, S. 138 ff., 141 ff.; OLG\nKarlsruhe, NJW-RR 1987, S. 1354 f.). Eine gesetzliche Haftung des neuen\nWohnungseigentumers fur diesbezugliche Verbindlichkeiten seines\nRechtsvorgangers besteht dabei nicht (OLG Hamm NJW-RR 1996, S. 911 f. m.w.N.). \n--- \n| 11 \n--- \n| b) Maßgeblich dafur, ob eine Hausgeldschuld - hier: die Verpflichtung zur\nZahlung einer Sonderumlage - im Verhaltnis zu den ubrigen Wohnungseigentumern\nden ausgeschiedenen oder aber den neuen Eigentumer trifft, ist der Zeitpunkt\nihrer Falligkeit. \n--- \n| 12 \n--- \n| aa) Die Pflicht zur Zahlung einer Sonderumlage entsteht durch einen - der\nSache nach den Wirtschaftsplan (§ 28 WEG) fur das Jahr 2000 erganzenden -\nBeschluss der Wohnungseigentumer, durch den die Beitragspflicht nach § 16 Abs.\n2 WEG konkretisiert wird (vgl. BGHZ 104, S. 197 ff., 201 f.). Wird die\nLeistung mit Beschlussfassung fallig, so ist die Zahlungspflicht an die zu\ndiesem Zeitpunkt gegebene Eigentumerstellung geknupft (BGHZ 104, S. 197 ff.). \n--- \n| 13 \n--- \n| bb) Ist der Sonderumlagebeschluss - wie hier - noch vor dem\nEigentumerwechsel gefasst worden, die Falligstellung dabei aber auf einen\nspateren Zeitpunkt vorgenommen worden, so trifft die Zahlungspflicht den neuen\nEigentumer, hier also die Antragsgegner. Dies hat das Landgericht in\nÜbereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, NJW-\nRR 1987, S. 1354 ff.; OLG Hamm, NJW-RR 1996, S. 911 f.; OLG Koln, NZM 2002, S.\n351 f.) und der weit uberwiegenden Literaturmeinung (aus neuerer Zeit etwa\nWeitnauer/Gottschalg, WEG, 9. Aufl. 2005, Rdn. 50 zu § 16; Palandt/Bassenge,\nBGB, 63. Aufl. 2004, Rdn. 32 zu § 16 WEG; Niederfuhr/Schulze, WEG, 6. Aufl.\n2002, Rdn. 66 zu § 16; jedenfalls im Ergebnis ebenso Barmann/Pick/Merle, WEG,\n9. Aufl. 2003, Rdn. 104 zu § 16 - alle m.w.N.) zutreffend entschieden. Der\nSenat schließt sich dem an: \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Schon sprachliche Grunde legen es nahe, bei einem Eigentumswechsel die\nSchuldnerstellung an die Eigentumerstellung zum Zeitpunkt der Falligkeit zu\nbinden. Die Nichtzahlung auf einen noch nicht falligen und damit noch nicht\ndurchsetzbaren Anspruch kann nach dem Wortsinn keinen Zahlungsruckstand des\nVeraußerers - fur den der Erwerber dann nicht zu haften hatte - begrunden (OLG\nKarlsruhe, NJW-RR 1987, S. 1354 ff., 1355). \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Anknupfung an die Eigentumerstellung zum Zeitpunkt der Falligkeit\nentspricht zudem sonst vom Gesetz getroffenen Regelungen zur Lastenverteilung,\nbei denen jeweils auf die Falligkeit abgestellt wird (vgl. etwa § 1108 BGB;\nweitere Beispiele bei Weitnauer/Gottschalg, a.a.O.). \n--- \n| 16 \n--- \n| Schließlich ist es auch interessengerecht, dem neuen Eigentumer die erst\nwahrend seiner Zugehorigkeit fallig gewordene Sonderumlage aufzuerlegen. Im\nhier zu entscheidenden Fall ziehen den Nutzen aus der mittels Umlage\nfinanzierten Sanierungsmaßnahme nicht der bisherige Eigentumer, sondern die\nAntragsgegner als die neuen Eigentumer. Diese hatten im ubrigen die\nMoglichkeit, sich vor Abschluss des notariellen Kaufvertrags uber den\nVerwalter uber die Beschlusslage zu informieren und diese in ihre Überlegungen\nzu ihrem Kaufentschluss einfließen zu lassen. Darauf, ob den Antragsgegnern\ngegen den Verkaufer der Wohnung zivilrechtliche Ausgleichsanspruche zustehen,\nkommt es im Verhaltnis zu den ubrigen Wohnungseigentumern nicht an. \n--- \n| 17 \n--- \n| c) Gegen die Hohe der vom Landgericht festgestellten Forderung der\nAntragstellerin bringen die Antragsgegner nichts vor. \n--- \n| 18 \n--- \n| III. Sonach war das Rechtsmittel der Antragsgegner als unbegrundet\nzuruckzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der\nBilligkeit, gerichtliche und außergerichtliche Kosten des\nRechtsbeschwerdeverfahrens - auch soweit sie den Streithelfer entstanden sind\n- den Antragsgegnern aufzuerlegen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Feststellung des Geschaftswertes ergibt sich aus § 48 Abs. 3 S. 1 WEG. \n---\n\n
140,692
ag-heidelberg-2004-12-23-26-c-56104
46
Amtsgericht Heidelberg
ag-heidelberg
Heidelberg
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
26 C 561/04
2004-12-23
2019-01-08 11:07:02
2019-01-17 12:00:51
Urteil
## Tenor\n\n1.\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 90,30 EURO nebst Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2004 zu bezahlen.\n\n2.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO\nabgesehen.** \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 2 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und auch begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klagerin steht gegen die Beklagte ein restlicher Anspruch auf\nSchadensersatz von noch 90,30 EURO aus dem Unfallereignis vom 13.07.2004 zu. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Unstreitig hat die Beklagte 100 % der Schaden aus diesem Unfallereignis zu\nbezahlen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klagerin stehen noch Anwaltskosten in Hohe von 90,30 EURO zu, da die\nBeklagte lediglich 301,- EURO bezahlt hat. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Unstreitig ist vorgerichtlich fur die Klagerin ein Anwalt hinsichtlich der\nSchadensregulierung tatig geworden. Der Streitwert, aus dem sich die\nAnwaltsgebuhren errechnen, betragt 4.856,06 EURO. Die Anwalte konnten fur\ndiese vorgerichtliche Tatigkeit eine 1,3 Geschaftsgebuhr gem. VV Nr. 2400\n(RVG) in Hohe von 391,30 EURO netto in Rechnung stellen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Geschaftsgebuhr der Nr. 2400 VV RVG ist eine Satzrahmengebuhr mit einem\nRahmen von 0,5 bis 2,5. Die Hohe der Gebuhr ist nach § 14 RVG zu bestimmen.\nDie Mittelgebuhr betragt 1,5. Gem. der Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG kann der\nRechtsanwalt allerdings eine Gebuhr von mehr als 1,3 (Kappungsgrenze) nur\nfordern, wenn die Tatigkeit umfangreich oder schwierig war. Damit wird die\nGeschaftsgebuhr in allen Fallen, in denen die anwaltliche Tatigkeit weder\numfangreich noch schwierig war, auf einen Gebuhrensatz von 1,3 (Regelgebuhr)\nbegrenzt. Diese Regel- oder Schwellengebuhr ist neu. Eine Entsprechung kannte\ndie Bundesrechtsanwaltsgebuhrenordnung nicht. In der Gesetzesbegrundung wird\nsowohl der Begriff der Schwellengebuhr als auch der Begriff der Regelgebuhr\nverwendet. Maßgeblich ist danach, dass die Schwellengebuhr (1,3) zur\nRegelgebuhr wird. Nur wenn der Umfang der anwaltlichen Tatigkeit\naußergewohnlich hoch oder uberdurchschnittlich schwierig ist, kann der\nRechtsanwalt einen hoheren Gebuhrensatzrahmen als 1,5 bestimmen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Anwalte der Klagerin waren deshalb berechtigt, eine 1,3 Gebuhr aus\neinem Gegenstandswert von 4.856,06 EURO zu berechnen. Da die Beklagte\nunstreitig von den 391,30 EURO nebst Auslagenpauschale von 20,- EURO, somit\n411,30 nur 321,- reguliert hat, verbleiben noch 90,30 EURO. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 2 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und auch begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klagerin steht gegen die Beklagte ein restlicher Anspruch auf\nSchadensersatz von noch 90,30 EURO aus dem Unfallereignis vom 13.07.2004 zu. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Unstreitig hat die Beklagte 100 % der Schaden aus diesem Unfallereignis zu\nbezahlen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klagerin stehen noch Anwaltskosten in Hohe von 90,30 EURO zu, da die\nBeklagte lediglich 301,- EURO bezahlt hat. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Unstreitig ist vorgerichtlich fur die Klagerin ein Anwalt hinsichtlich der\nSchadensregulierung tatig geworden. Der Streitwert, aus dem sich die\nAnwaltsgebuhren errechnen, betragt 4.856,06 EURO. Die Anwalte konnten fur\ndiese vorgerichtliche Tatigkeit eine 1,3 Geschaftsgebuhr gem. VV Nr. 2400\n(RVG) in Hohe von 391,30 EURO netto in Rechnung stellen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Geschaftsgebuhr der Nr. 2400 VV RVG ist eine Satzrahmengebuhr mit einem\nRahmen von 0,5 bis 2,5. Die Hohe der Gebuhr ist nach § 14 RVG zu bestimmen.\nDie Mittelgebuhr betragt 1,5. Gem. der Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG kann der\nRechtsanwalt allerdings eine Gebuhr von mehr als 1,3 (Kappungsgrenze) nur\nfordern, wenn die Tatigkeit umfangreich oder schwierig war. Damit wird die\nGeschaftsgebuhr in allen Fallen, in denen die anwaltliche Tatigkeit weder\numfangreich noch schwierig war, auf einen Gebuhrensatz von 1,3 (Regelgebuhr)\nbegrenzt. Diese Regel- oder Schwellengebuhr ist neu. Eine Entsprechung kannte\ndie Bundesrechtsanwaltsgebuhrenordnung nicht. In der Gesetzesbegrundung wird\nsowohl der Begriff der Schwellengebuhr als auch der Begriff der Regelgebuhr\nverwendet. Maßgeblich ist danach, dass die Schwellengebuhr (1,3) zur\nRegelgebuhr wird. Nur wenn der Umfang der anwaltlichen Tatigkeit\naußergewohnlich hoch oder uberdurchschnittlich schwierig ist, kann der\nRechtsanwalt einen hoheren Gebuhrensatzrahmen als 1,5 bestimmen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Anwalte der Klagerin waren deshalb berechtigt, eine 1,3 Gebuhr aus\neinem Gegenstandswert von 4.856,06 EURO zu berechnen. Da die Beklagte\nunstreitig von den 391,30 EURO nebst Auslagenpauschale von 20,- EURO, somit\n411,30 nur 321,- reguliert hat, verbleiben noch 90,30 EURO. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO. \n--- \n---\n\n
140,957
vg-stuttgart-2005-06-16-2-k-500704
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 5007/04
2005-06-16
2019-01-08 16:53:27
2019-01-17 12:01:08
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seiner Klage (2 K\n5006/04) gegen eine Verfugung der Antragsgegnerin vom 01.10.2003 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Stuttgart vom\n17.11.2004, in der die dem Antragsteller seit 13.01.1993 erteilten\nAufenthaltsbefugnisse jeweils auf den Erteilungszeitpunkt zuruckgenommen\nwurden, sein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis\nsowie auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis abgelehnt wurde, er zur Ausreise\naufgefordert und ihm fur den Fall der nicht freiwilligen Ausreise die\nAbschiebung in die Turkei oder einen anderen rucknahmebereiten Staat angedroht\nwurde. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der zulassige Antrag ist unbegrundet. Denn die Klage durfte ohne Erfolg\nbleiben und das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der Ausreisepflicht\nvorlaufig verschont zu bleiben, uberwiegt damit nicht das offentliche\nInteresse an der sofortigen Vollziehung der Verfugung. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach der im Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen\nPrufung ist die angefochtene Verfugung in Gestalt des Widerspruchsbescheids\ndes Regierungsprasidiums Stuttgart aller Voraussicht nach rechtmaßig. Dies\nergibt sich aus Folgendem: \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Rucknahme der Aufenthaltsbefugnisse findet ihre Rechtsgrundlage in § 48\nLVwVfG, der die Rucknahme rechtswidriger Verwaltungsakte regelt und sie auch\nmit Wirkung fur die Vergangenheit zulasst. Maßgeblich fur die rechtliche\nBeurteilung der Rucknahmeverfugung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt\nder letzten Behordenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids. \n--- \n| 5 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Antragstellers durften die Aufenthaltsbefugnisse\nbereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung am 13.01.1993 und damit auch\nzum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1\nLVwVfG gewesen sein. Die Rechtswidrigkeit der dem Antragsteller ab dem Jahr\n1993 erteilten Aufenthaltsbefugnisse ergibt sich mit uberwiegender\nWahrscheinlichkeit daraus, dass er - auch wenn er einige Zeit im Libanon\ngelebt haben mag und spater auch die libanesische Staatsangehorigkeit erlangt\nhat - turkischer Staatsangehoriger ist und damit zum damaligen Zeitpunkt schon\nwar - ohne dass es dabei auf seine Kenntnis dieses Umstands ankommt -, und\ndass ihm als turkischem Staatsangehorigen keine Aufenthaltsbefugnis nach § 32\nAuslG 1990 in Verbindung mit dem „Erlass des Innenministeriums zur rechtlichen\nBehandlung abgelehnter Asylbewerber nach § 32, 54 AuslG, Az: - 3-1346/1 -" vom\n12.08.1991 hatte erteilt werden durfen. Hierzu ist im Einzelnen auszufuhren: \n--- \n| 6 \n--- \n| Wie sich aus den der Kammer vorliegenden polizeilichen Ermittlungsakten\nergibt, hat der Generalkonsul der Turkei mit Schreiben vom 07.06.2002 der LPD\nStuttgart II bescheinigt, dass der Antragsteller turkischer Staatsangehoriger\nist. Dazu hat er als Beleg einen Auszug des Personenstandsregisters vorgelegt,\naus dem sich die Registrierung des Antragstellers als turkischer\nStaatsangehoriger zum 04.02.1985 ergibt. Soweit der Antragsteller hiergegen\neinwendet, dass diese durch seinen Vater mittels Schmiergeldern ohne sein\nWissen im Jahr 1985 veranlasst worden und deshalb eine Falschung sei, kommt es\nhierauf nicht an. Denn der Antragsteller hat die turkische Staatsangehorigkeit\nnach dem turkischen Staatsangehorigkeitsrecht bereits wegen seiner Abstammung\nvon einem turkischen Vater - und damit unabhangig von einer Registrierung im\nPersonenstandsregister - durch Geburt erworben. Wie sich aus weiteren in den\nErmittlungsakten befindlichen Auszugen aus Personenstandsregistern der Turkei\nergibt, die zwar verschiedene Zeitpunkte betreffen, insoweit aber schlussig\nsind und ubereinstimmen und nicht substantiiert in Frage gestellt sind, wurde\nder 1912 geborene Großvater des Antragstellers B. Y. am 02.01.1940 als\nturkischer Staatsangehoriger registriert. Sein Sohn, der Vater des\nAntragstellers, A. Y., der am ... geboren wurde, wurde am 07.02.1958 als\nturkischer Staatsangehoriger registriert. Bereits nach dem zweiten turkischen\nStaatsangehorigkeitsgesetz vom 23.05.1928 galt - ebenso wie dies auch nach dem\nheute gultigen Staatsangehorigkeitsgesetz Nr. 403 vom 11.02.1964 der Fall ist\n- primar das jus sanguinis; d.h. ohne Rucksicht auf Geburtsort und Ehelichkeit\noder Nichtehelichkeit erwarb derjenige mit Geburt die turkische\nStaatsangehorigkeit, der einen turkischen Vater oder eine turkische Mutter\nhatte (vgl. Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe- und\nKindschaftsrecht, Turkei, Stand 30.06.2003, Anm. II A). Der Antragsteller hat\nweder seine Abstammung von B. und A. Y. noch deren turkische\nStaatsangehorigkeit - der Vater A. Y. lebt seit mindestens 1995 wieder im\nHeimatland Turkei - substantiiert in Frage gestellt. Dieser Erwerb der\nStaatsangehorigkeit kraft Gesetzes bliebe von etwaigen Ungereimtheiten und\nUnrichtigkeiten im Zusammenhang mit der Registrierung im Jahre 1985 unberuhrt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Soweit der Antragsteller einwendet, dass er im Jahr 1993 auch als turkischer\nStaatsangehoriger eine Aufenthaltsbefugnis nach § 32 AuslG i.V.m. dem Erlass\ndes IM vom 12.08.1991 erhalten hatte, ist dies nicht zutreffend. In Ziffer II.\n1.1. des Erlasses sind die Bevolkerungsgruppen genannt, die eine\nAufenthaltsbefugnis erhalten konnen. Zwar fehlt es hier an einem\nausdrucklichen Hinweis darauf, dass aus dem Libanon stammende Personen nur\ndann eine Aufenthaltsbefugnis nach dem Erlass erhalten sollen, wenn sie nicht\neine andere - hier die turkische - Staatsangehorigkeit besitzen, die eine\nanderweitige Ruckkehr- bzw. Abschiebemoglichkeit außerhalb des Libanon bietet.\nZum Verstandnis des Erlasses muss jedoch auf die dem Erlass selbst zugrunde\nliegenden Umstande sowie auf seinen Sinn und Zweck abgestellt werden (so auch\nzum vergleichbaren niedersachsischen Erlass OVG Luneburg, Urt. v. 20.05.2003,\n- 11 LB 35/03- <juris>). Grundlage des baden-wurttembergischen Erlasses war\nein Erlass des Bundesinnenministers vom 14.05.1991 (Az: V II 2 - 125\n320-15/16) nach einer Konferenz der Innenminister und -senatoren vom\n02./03.05.1991. Aus Ziffer 3 des Erlasses des BMI geht hervor, dass von der\nIMK vorgeschlagen war, dass alle Auslander, die bis zum 31.12.1988 oder einem\nspateren Stichtag eingereist waren und die einer bisherigen Landesregelung\nuber die Aussetzung oder Beschrankung der Abschiebung unterfielen, in eine\nAltfallregelung einbezogen werden sollten. Dem hat der BMI mit der Begrundung\nwidersprochen, dass eine solche Regelung nicht mit § 100 Abs. 1 AuslG\nvereinbar sei, der fur ehemalige Asylbewerber sowie fur sonstige Asylbewerber,\ndie aufgrund einer Landesregelung oder einer Einzelfallentscheidung wegen der\nVerhaltnisse in ihrem Herkunftsland nicht abgeschoben wurden, einen fruheren\nStichtag, namlich den 31.12.1982 vorsehe. Wenn der BMI gleichwohl in Ziffer 4\nfur bestimmte Auslandergruppen einer gegenuber § 100 Abs. 1 AuslG\ngroßzugigeren Stichtagsregelung zugestimmt hat, zu der auch Libanesen und\nPalastinenser aus dem Libanon gehorten, dann gilt jedenfalls auch fur diese\nAuslandergruppen die oben aufgefuhrte Grundvoraussetzung des § 100 Abs. 1\nAuslG, dass namlich diese Auslandergruppen wegen der Verhaltnisse in ihrem\nHerkunftsland nicht abgeschoben wurden. Personen, die wie der Antragsteller\nuber einen Herkunftsstaat verfugten, in den sie hatten zuruckkehren und auch\nabgeschoben werden konnen, sollte also gerade kein auf Dauer angelegtes\nBleiberecht ermoglicht werden, auch wenn sie im ubrigen unter die in Ziffer 4\ndes BMI-Erlasses genannten Personengruppen fielen. Damit wurde der\nAntragsteller als turkischer Staatsangehoriger auch nicht von dem damaligen\nbaden-wurttembergischen Erlass erfasst, mit dem der Erlass des BMI\nlandesrechtlich umgesetzt worden ist. Die nach diesem Erlass erteilte\nAufenthaltsbefugnis war somit objektiv rechtswidrig. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Rucknahme der Aufenthaltsbefugnis des Antragstellers war auch nicht\ndurch § 48 Abs. 4 S. 1 LVwVfG ausgeschlossen. Zum einen spricht im\nvorliegenden Fall viel dafur, dass die Jahresfrist aufgrund einer durch\narglistige Tauschung erlangten Position des Antragstellers nicht gilt (§ 48\nAbs. 4 S. 2 LVwVfG). Zum anderen beginnt die Jahresfrist erst zu laufen, wenn\ndie Behorde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat, und wenn ihr\ndie fur die Rucknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollstandig\nbekannt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984, Gr. S. - 1.84 -, BVerwGE 70,\n356). Eine solche vollstandige Kenntnis war jedenfalls vor dem 01.10.2003\nnicht gegeben. Hierfur reichten insbesondere nicht bereits die Erkenntnisse\nder Auslanderbehorden Anfang der 90iger Jahre und in deren Folge der\nStrafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft S. vom 13.12.1995 aus, da dieser\ngerade nicht zur Durchfuhrung eines Strafverfahrens, sondern am 03.05.1996 zu\neiner - wenn auch heute nicht mehr nachvollziehbaren - Einstellung nach § 153\nAbs. 2 StPO fuhrte. Von den im Jahr 2002 wieder aufgenommenen polizeilichen\nErmittlungen erhielt die Antragsgegnerin ausweislich der Behordenakten erst im\nLaufe des Jahres 2003 Kenntnis. Die Zusammenstellung der auch dem Gericht\nvorgelegten polizeilichen Ermittlungsvorgange erfolgte am 25.11.2003. Am\n12.12.2003 wurde der Antragsteller erstmals zu den neuen\nErmittlungsergebnissen als Beschuldigter vernommen. Erst unter dem 21.10.2004\nwurde von der Staatsanwaltschaft S. beim Amtsgericht S. - Schoffengericht -\nAnklage erhoben. Die Rucknahmeentscheidung vom 01.10.2003 ist also noch vor\nAbschluss der polizeilichen Ermittlungen und der Anklageerhebung der\nStaatsanwaltschaft erfolgt, was im „ersten" Eilverfahren des Antragstellers (2\nK 4405/03) die Antragsgegnerin dazu bewogen hat, bis zur Entscheidung uber den\nWiderspruch unter Einbeziehung weiterer Ermittlungen von Vollzugsmaßnahmen\nAbstand zu nehmen. Angesichts dieses komplexen Gesamtzusammenhangs und\nSachverhalts ist davon auszugehen, dass die Jahresfrist anhand der oben\ndargelegten Kriterien eingehalten ist. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hat auch das ihr durch § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG\neingeraumte Rucknahmeermessen - zumindest in Gestalt der\nWiderspruchsentscheidung des Regierungsprasidiums Stuttgart - fehlerfrei\nausgeubt. Sie hat erkannt, dass sie zur Rucknahme der Aufenthaltsbefugnis\nnicht verpflichtet ist, sondern dass die Rucknahme in ihrem Ermessen liegt.\nDie Behorde muss bei ihrer Ermessensentscheidung das offentliche Interesse an\nder Rucknahme und als deren Folge an der Ausreise eines Auslanders einerseits\nund dessen privaten Belange andererseits abwagen und dabei die wesentlichen\nUmstande des Einzelfalls einschließlich der schutzenswerten Interessen des\nAuslanders an einem weiteren Aufenthalt berucksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v.\n24.09.1996 - 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63). Diesen Maßstab hat die\nAntragsgegnerin ihrer Entscheidung zugrundegelegt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dabei ist nicht zu beanstanden, dass sie dem offentlichen Interesse an der\nAufenthaltsbeendigung den Vorrang eingeraumt hat. Zu Recht wurde im Rahmen des\nerganzten Ermessens im Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums\nmaßgeblich darauf abgestellt, dass der Antragsteller die Behorden uber Jahre\nabsichtlich hinsichtlich seiner Herkunft und damit seiner tatsachlichen\nStaatsangehorigkeit getauscht hat und somit langjahrig rechtlich einen Vorteil\nerlangt hat, der ihm in Kenntnis der tatsachlichen Staatsangehorigkeit auch in\nder Vergangenheit nicht zugebilligt worden ware und nach den rechtlichen\nVorschriften auch nicht zugestanden hatte. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Behauptung des Antragstellers, dass ihm seine turkische\nStaatsangehorigkeit nicht bekannt gewesen sei, ist unglaubwurdig. Ihm war\nbekannt, dass er ein Abkommling mannlicher turkischer Staatsangehoriger ist.\nDamit musste ihm - auch soweit man auf eine mangelnde Rechtskenntnis abstellt\n- zumindest im Rahmen einer Parallelbewertung in der Laiensphare klar sein,\ndass er selbst turkischer Staatsangehoriger ist. Gerade der Umstand, dass er\nseit seiner erstmaligen Einreise durch Verwendung verschiedener, teilweise\ngefalschter Laissez-Passer mit unterschiedlichen Nummern, Vornamen und\nGeburtsdaten mehrfach bewusst versucht hat, seine Identitat und seine Herkunft\nzu verschleiern, ist ein Hinweis darauf, dass er sich zumindest laienhaft\nbewusst war, dass er bei Angabe seiner turkischen Identitat kein Bleiberecht\nin Deutschland bekommen wurde. Aber auch soweit es um die Registrierung durch\nseinen Vater im Jahr 1985 geht, und er behauptet, dass sie ihm bis vor Kurzem\nnicht bekannt gewesen sei, ist dies wenig glaubhaft. Denn bereits im\nStrafbefehlsantrag von 1995 wird unter Nr. 11 der Urkunden angegeben:\nTurkischer Nufus des Angeklagten. In Zusammenschau damit, dass sich in den\nErmittlungsakten turkische Passe und Ausweise seiner Geschwister befinden, die\nteilweise bereits im Jahr 1985 - also unmittelbar nach der Registrierung -\nausgestellt wurden, spricht viel dafur, dass auch der Antragsteller bereits\nvor dem Jahr 1993 von der Registrierung durch seinen Vater wusste und sich\nselbst den im Strafbefehlsantrag von 1995 aufgefuhrten Nufus hat ausstellen\nlassen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Damit ist die Rucknahmeentscheidung bezuglich der 1993 erteilten erstmaligen\nAufenthaltsbefugnis nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt fur deren\nVerlangerungen. Zwar war der Antragsteller ab 1995 auch libanesischer\nStaatsangehoriger und fiel damit nach dem Wortlaut (Libanesen und\nPalastinenser aus dem Libanon) unter Ziffer II. 1.1. des Erlasses vom\n12.08.1991. Es gilt jedoch auch hier, dass nur diejenigen libanesischen\nStaatsangehorigen vom Erlass erfasst sein sollten, deren Abschiebung aus\nrechtlichen, tatsachlichen oder humanitaren Grunden unmoglich war (s.o.). Eine\nAbschiebung in die Turkei ware aber nach wie vor unter diesen Gesichtspunkten\nmoglich gewesen. Im ubrigen ist der Antragsteller in den Jahren 1995 und\ninsbesondere 1996 regelmaßig in den Libanon gereist, wie zahlreiche Ein- und\nAusreisestempel in dem in Kopie in der Behordenakte befindlichen libanesischen\nReisepass des Antragstellers vom 12.08.1995 belegen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Bei dieser Sach- und Rechtslage hat die Antragsgegnerin nach summarischer\nPrufung im Eilverfahren auch zu Recht den Antrag des Antragstellers auf\nErteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und einer\nAufenthaltsbefugnis abgelehnt, da ein Anspruch auf einen solchen\nAufenthaltstitel weder nach dem Auslandergesetz 1990 noch - nunmehr - nach dem\nAufenthaltsgesetz ersichtlich ist. Soweit der Antragsteller sich darauf\nberuft, dass ihm wegen einer knapp 1 ½ jahrigen Berufstatigkeit ein Anspruch\nnach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zustehe, ist ihm ebenfalls nicht zu folgen. Zum\neinen sind die Voraussetzungen der einzelnen Spiegelstriche in zeitlicher\nHinsicht nicht erfullt worden. Zum anderen ware Voraussetzung eine\nordnungsgemaße Beschaftigung, die neben der Arbeitstatigkeit einen\nrechtmaßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erfordert. Gerade daran fehlt es aber\nnach der rechtmaßigen Rucknahme seiner Aufenthaltsbefugnis (s.o.) fur die\nVergangenheit. \n--- \n| 14 \n--- \n| Auch die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie\nentspricht den gesetzlichen Anforderungen (§§ 59 AufenthG, 50 AuslG 1990). \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
141,165
fg-baden-wurttemberg-2005-07-28-1-k-50000
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 500/00
2005-07-28
2019-01-08 17:32:53
2019-01-17 12:01:21
Beschluss
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Beklagte (Bekl.) half der Klage mit Bescheiden vom ... ab. Mit\nSchriftsatzen vom ... erklarten die Beteiligten den Rechtsstreit in der\nHauptsache fur erledigt. Die Klagerin (Kl.) beantragte zugleich, die Kosten\ndes Rechtsstreits dem Bekl. aufzuerlegen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Beschluss des (damaligen) Berichterstatters vom ..... wurden die Kosten\ndes erledigten Rechtsstreits dem Bekl. auferlegt. Zur Begrundung wird dort\nausgefuhrt, dass den Sachantragen der Kl. bei der außergerichtlichen\nErledigung des Rechtsstreits in vollem Umfang stattgegeben worden sei (§ 138\nAbs. 2 Satz 1 FGO). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Bekl. beantragt nunmehr sinngemaß, \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| das Verfahren fortzufuhren und die Kosten des Verfahrens der Klagerin\naufzuerlegen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit seinem am ... bei Gericht eingegangenen und als Gegenvorstellung\nbezeichneten Schreiben fuhrt er aus, dass das Finanzgericht § 137 Satz 1 FGO\nnicht berucksichtigt habe, wonach die Kosten der Kl. aufzuerlegen gewesen\nwaren. Das finanzgerichtliche Verfahren sei uberhaupt erst erforderlich\ngeworden, weil die Kl. ihren Mitwirkungspflichten im Einspruchsverfahren nicht\nnachgekommen sei. Aus der Einspruchsentscheidung vom ... gehe hervor, dass\ntrotz Fristsetzung und wiederholter Aufforderung die Einspruche nicht\nbegrundet worden seien. Auch die am ... erhobene Klage sei zunachst\nunbegrundet geblieben. Daraufhin habe das Finanzgericht am ... eine\nAusschlussfrist gesetzt, welche dreimal verlangert worden sei. Mit Schriftsatz\nvom ... habe der Prozessvertreter der Kl. einen dem Bekl. bisher nicht\nbekannten Sachverhalt vorgetragen und weitere Ausfuhrungen hierzu angekundigt.\nDa dieser Vortrag nicht schlussig gewesen und auch nicht weiter erganzt worden\nsei, habe der Bekl. die Vorlage beweiserheblicher Urkunden angeregt. Die Kl.\nhabe Solche vorgelegt, die allerdings nicht ausreichend gewesen seien. Der\nBekl. habe mit Schriftsatz vom ... darauf hingewiesen, dass er es fur\nerlauterungsbedurftig halte, warum der Sachverhalt erst jetzt bekannt werde.\nDas Finanzgericht habe vermutlich telefonisch eine Abhilfe unter Hinweis auf\nein BFH-Urteil angeregt, der der Bekl. unter dem Vorbehalt der Klarung der\nzugrunde liegenden Sachverhaltsfrage zugestimmt habe. Darauf habe das Gericht\nden Zeugen personlich aufgefordert, hierzu eine Erklarung abzugeben. Des\nweiteren sei ein Beweisbeschluss auf Auskunft des Zeugen an Eides statt\nergangen. Auch der darauf folgende Schriftverkehr beschaftige sich\nausschließlich mit der Aufklarung des Sachverhalts. Es sei darum gegangen, ob\nein Gesellschafter wirksam der ... beigetreten sei. Als dies geklart gewesen\nsei, hatte der Prozessvertreter der Kl. mit der Sachbearbeiterin der\nVeranlagungsstelle uber die durchzufuhrenden Änderungen im Einzelnen\nverhandelt. Der Schriftsatz des Prozessvertreters der Kl. vom ..., in dem\ndieser die Erledigungserklarung abgegeben und beantragt habe, dem Bekl. die\nKosten aufzuerlegen, sei dem Bekl. nicht zugestellt worden. Der Bekl. habe\ndaher keine Moglichkeit gehabt, diesem Antrag zu widersprechen und einen\neigenen Kostenantrag zu stellen. Erganzend fuhrt der Bekl. mit Schriftsatz vom\n... im Wesentlichen aus, dass das ... der Gegenvorstellung durch die\nAnhorungsruge nach § 133a FGO nicht ausgeschlossen werden sollte. Dennoch\nprazisiere der Bekl. seinen Antrag dahingehend, dass die Anhorungsruge gemaß §\n133a FGO erhoben werde, da dem Bekl. die Erledigungserklarung des\nProzessvertreters der Kl. vom ... mit Kostenantrag nicht zugestellt worden\nsei, so dass der Bekl. keinen abweichenden Kostenantrag habe stellen konnen.\nDies sei bereits mit Schreiben vom ..... vorgetragen worden, so dass eine\nUmdeutung der Gegenvorstellung in eine Anhorungsruge geboten erscheine.\nZugleich sei damit die Darlegung i.S.d. § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO\nerfolgt, so dass die Ruge zulassig sei. bei Fortfuhrung des Verfahrens uber\ndie Kostentragung nach Erledigung des Hauptverfahrens sei seitens des\nFinanzgerichts zu berucksichtigen, dass die Klage bei Begrundung der\nEinspruchs nicht erforderlich gewesen ware. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Kl. beantragt mit Schriftsatz vom ... sinngemaß, \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| den Antrag als unzulassig zu verwerfen und hilfsweise als unbegrundet \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Ruge sei an sich nicht statthaft (§ 133a Abs. 4 Satz 1, 1. Alt. FGO).\nMit der Ruge werde nicht die Verletzung rechtlichen Gehors, sondern ein\nangeblicher materieller Fehler geltend gemacht. Daruber hinaus sei die Ruge\nals unzulassig zu verwerfen, weil die nach § 133a Abs. 2 Satz 5, 2. Alt. FGO\ngebotene Darlegung der Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO\nfehle. Die gesetzliche Form der Anhorungsruge sei nicht eingehalten. Sie sei\nauch deshalb gemaß § 133a Abs. 4 Satz 2 FGO als unzulassig zu verwerfen.\nDaruber hinaus sei die Gegenvorstellung auch unbegrundet. Von einer fehlenden\nMitwirkung der Kl. im Rahmen des Einspruchsverfahrens konne keine Rede sein.\nDie Kl. habe nicht ahnen konnen, dass der Bekl. weder die Akten des Finanzamts\n... noch die des Finanzamts ... beigezogen habe. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze\nBezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 11 \n--- \n| Der Berichterstatter sieht den Antrag entsprechend den Ausfuhrungen im\nSchriftsatz des Bekl. vom ... als Anhorungsruge i.S.d. § 133a FGO an. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Diese Ruge ist statthaft und innerhalb der zweiwochigen Frist des § 133a\nAbs. 2 Satz 1 FGO erhoben worden. Ob sie auch den Darlegungserfordernissen des\n§ 133a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 FGO (vgl. Guckelberger, NVwZ 2005,\n11, 14 zu § 152a VwGO) genugt, kann dahingestellt bleiben (vgl. BFH-Beschl. v.\n17. Mai 2005 - VII S 17/05 - und v. 17. Juni 2005 - VI S 3/05 - JURIS -). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Denn die Anhorungsruge ist jedenfalls unbegrundet, weil die geltend\ngemachte Verletzung des Anspruchs des Bekl. auf rechtliches Gehor nicht\nvorliegt. Das Finanzgericht entscheidet im Falle der Erledigung des\nRechtsstreits in der Hauptsache von Amts wegen unter Berucksichtigung des\nbisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss uber\ndie Kosten des Verfahrens. Eines bestimmten Kostenantrags der Beteiligten\nbedarf es nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehor umfasst die Moglichkeit,\nzu Tatsachen und Beweisergebnissen sowie zu rechtlichen Gesichtspunkten\n(Verbot der Überraschungsentscheidung) Stellung nehmen zu konnen. Der\nSchriftsatz der Kl. vom ... enthalt außer der Erledigungserklarung und dem\nAntrag, dem Bekl. die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, sowie Angaben zum\nStreitwert weder tatsachliches Vorbringen noch rechtliche Ausfuhrungen. Eine\nVerletzung des Anspruchs des Bekl. auf rechtliches Gehor liegt schon deshalb\nnicht vor (vgl. BFH-Beschl. v. 30. Januar 2002 - VI B 174/01 -, BFH/NV 2002,\n936 m.w.N.). Unabhangig hiervon fehlt es vorliegend schon deshalb an einem\nGehorsverstoß, weil der Bekl. hier mit Schriftsatz vom ... bereits eine\nErledigungserklarung abgegeben hatte, ohne einen Kostenantrag zu stellen. Der\nAnspruch auf Gewahrung rechtlichen Gehors erfordert nicht, dass das Gericht\nden Beteiligten Gelegenheit gibt, einen bei Abgabe der Erledigungserklarung\nversaumten Kostenantrag nachzureichen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Antrag ist deshalb zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Kostenentscheidung stutzt sich auf § 135 Abs. 1 FGO. Nach Nummer 6400\nder Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes in der ab 1. Januar 2005 geltenden\nFassung durch das Anhorungsrugengesetz ist eine Festgebuhr in Hohe von 50 Euro\nbei Verfahren nach § 133a FGO zu erheben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 11 \n--- \n| Der Berichterstatter sieht den Antrag entsprechend den Ausfuhrungen im\nSchriftsatz des Bekl. vom ... als Anhorungsruge i.S.d. § 133a FGO an. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Diese Ruge ist statthaft und innerhalb der zweiwochigen Frist des § 133a\nAbs. 2 Satz 1 FGO erhoben worden. Ob sie auch den Darlegungserfordernissen des\n§ 133a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 FGO (vgl. Guckelberger, NVwZ 2005,\n11, 14 zu § 152a VwGO) genugt, kann dahingestellt bleiben (vgl. BFH-Beschl. v.\n17. Mai 2005 - VII S 17/05 - und v. 17. Juni 2005 - VI S 3/05 - JURIS -). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Denn die Anhorungsruge ist jedenfalls unbegrundet, weil die geltend\ngemachte Verletzung des Anspruchs des Bekl. auf rechtliches Gehor nicht\nvorliegt. Das Finanzgericht entscheidet im Falle der Erledigung des\nRechtsstreits in der Hauptsache von Amts wegen unter Berucksichtigung des\nbisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss uber\ndie Kosten des Verfahrens. Eines bestimmten Kostenantrags der Beteiligten\nbedarf es nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehor umfasst die Moglichkeit,\nzu Tatsachen und Beweisergebnissen sowie zu rechtlichen Gesichtspunkten\n(Verbot der Überraschungsentscheidung) Stellung nehmen zu konnen. Der\nSchriftsatz der Kl. vom ... enthalt außer der Erledigungserklarung und dem\nAntrag, dem Bekl. die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, sowie Angaben zum\nStreitwert weder tatsachliches Vorbringen noch rechtliche Ausfuhrungen. Eine\nVerletzung des Anspruchs des Bekl. auf rechtliches Gehor liegt schon deshalb\nnicht vor (vgl. BFH-Beschl. v. 30. Januar 2002 - VI B 174/01 -, BFH/NV 2002,\n936 m.w.N.). Unabhangig hiervon fehlt es vorliegend schon deshalb an einem\nGehorsverstoß, weil der Bekl. hier mit Schriftsatz vom ... bereits eine\nErledigungserklarung abgegeben hatte, ohne einen Kostenantrag zu stellen. Der\nAnspruch auf Gewahrung rechtlichen Gehors erfordert nicht, dass das Gericht\nden Beteiligten Gelegenheit gibt, einen bei Abgabe der Erledigungserklarung\nversaumten Kostenantrag nachzureichen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Antrag ist deshalb zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Kostenentscheidung stutzt sich auf § 135 Abs. 1 FGO. Nach Nummer 6400\nder Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes in der ab 1. Januar 2005 geltenden\nFassung durch das Anhorungsrugengesetz ist eine Festgebuhr in Hohe von 50 Euro\nbei Verfahren nach § 133a FGO zu erheben. \n---\n\n
141,481
lg-tubingen-2005-11-17-21-o-10105
143
Landgericht Tübingen
lg-tubingen
Tübingen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
21 O 101/05
2005-11-17
2019-01-08 19:29:07
2019-01-17 12:01:39
Urteil
## Tenor\n\n1. | | Der Beklagten wird es bei Meidung eines vom Gericht fur jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt \n---|---|--- \n \n> > im geschaftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenuber\n> Letztverbrauchern einen 20-prozentigen Preisnachlaß auf alles anzukundigen,\n> wie in der Werbeanzeige vom 19.03.2005, wenn dieser Preisnachlaß tatsachlich\n> nicht gewahrt wird, vielmehr lediglich 17 Prozent Preisnachlaß gewahrt wird\n> und auf die Zwischensumme ein weiterer Preisnachlaß von 3 Prozent in Hohe\n> des Skontos nachgelassen wird.\n\n2. | | Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 189,00 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 21. Juli 2005. \n---|---|--- \n \n3. | | Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits. \n---|---|--- \n \n4. | | Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar. \n---|---|--- \n \n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der klagende Verein macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruche\naufgrund einer Werbeanzeige der Beklagten geltend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte betreibt u.a. in R einen Mobeleinzelhandel. Im Rahmen ihrer\ngewerblichen Tatigkeit hat die Beklagte mit ihren Werbeanzeigen vom 19. Marz\n2005 und 20. Marz 2005 u.a. Waren wie folgt beworben: \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| "Super Samstag und Sonntag ... 20 % auf alles!... Inklusive Skonto" \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit einem Sternchenhinweis wird darauf hingewiesen, daß die 20 %ige\nPreisreduzierung dahingehend zu verstehen sei, daß diese "inklusive Skonto"\ngelten soll (Anlage K 1). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Im konkreten Verkaufsgeschaft wurde der Nachlaß so errechnet, daß vom\nVerkaufspreis tatsachlich 17 % in Abzug gebracht wurden und von der darauf\nentstehenden Zwischensumme nochmals 3 % Skonto gewahrt wurden, so daß der\ntatsachlich vorgelegte Endpreis hoher liegt, wenn von dem ursprunglichen\nVerkaufspreis 20 % in Abzug gebracht worden waren. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager hat deshalb das seines Erachtens wettbewerbswidrige Verhalten\nder Beklagten abgemahnt, die die geforderte Unterlassungserklarung abgelehnt\nhat. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager stellt den Antrag: \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| \n--- \n1. | | Der Beklagte wird es bei Meidung eines vom Gericht fur jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt \n--- \n| 9 \n--- \n| im geschaftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenuber\nLetztverbrauchern einen 20-prozentigen Preisnachlaß auf alles anzukundigen,\nwie in der Werbeanzeige vom 19.03.2005, wenn dieser Preisnachlaß tatsachlich\nnicht gewahrt wird, vielmehr lediglich 17 Prozent Preisnachlaß gewahrt wird\nund auf die Zwischensumme ein weiterer Preisnachlaß von 3 Prozent in Hohe des\nSkontos nachgelassen wird. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| \n--- \n2. | | Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 189,00 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 21. Juli 2005. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Sie ist der Ansicht, die Werbung verstoße weder gegen das Transparenzgebot\nnach § 4 Ziffer 4 UWG noch sei darin eine irrefuhrende Werbung nach § 5 Abs. 2\nNr. 2 UWG zu sehen. Dies folge aus dem Inhalt des Sternchenhinweises, der auch\nso platziert gewesen sei, daß er ohne weiteres der herausgestellten Angabe\nzugeordnet werden konnte. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien\ngewechselten Schriftsatze nebst der ihnen beigefugten Schriftstucke Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Die beanstandete Werbung ist\nwettbewerbswidrig. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| In der beanstandeten Werbeanzeige wird ein 20 %iger Preisnachlaß\nangekundet. Das kann der verstandige Verbraucher nur dahin verstehen, daß von\ndem Kaufpreis eben 20 % abgezogen werden - nicht mehr und weniger. Etwas\nanderes folgt auch nicht aus dem Sternchenhinweis. Insbesondere bleibt\nunerfindlich, wie die Beklagte ihre Berechnung aus der Formulierung "inklusive\nSkonto" herleiten will. Mangels notwendiger Klarheit verstoßt die Werbung\nmithin gegen § 4 Nr. 4 UWG. \n--- \n| 17 \n--- \n| Des weiteren ist davon auszugehen, daß der Verbraucher durch diese Werbung\ngezielt in die Irre gefuhrt werden sollte. Die Werbung verstoßt deshalb auch\ngegen § 5 Abs. 2 UWG. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Die beanstandete Werbung ist\nwettbewerbswidrig. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| In der beanstandeten Werbeanzeige wird ein 20 %iger Preisnachlaß\nangekundet. Das kann der verstandige Verbraucher nur dahin verstehen, daß von\ndem Kaufpreis eben 20 % abgezogen werden - nicht mehr und weniger. Etwas\nanderes folgt auch nicht aus dem Sternchenhinweis. Insbesondere bleibt\nunerfindlich, wie die Beklagte ihre Berechnung aus der Formulierung "inklusive\nSkonto" herleiten will. Mangels notwendiger Klarheit verstoßt die Werbung\nmithin gegen § 4 Nr. 4 UWG. \n--- \n| 17 \n--- \n| Des weiteren ist davon auszugehen, daß der Verbraucher durch diese Werbung\ngezielt in die Irre gefuhrt werden sollte. Die Werbung verstoßt deshalb auch\ngegen § 5 Abs. 2 UWG. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO. \n--- \n---\n\n
149,131
fg-baden-wurttemberg-2007-07-24-12-k-13307
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
12 K 133/07
2007-07-24
2019-01-09 18:34:03
2019-01-17 12:04:20
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin erzielt Einkunfte aus Gewerbebetrieb aus der Vermietung von\nbeweglichem Anlagevermogen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Fur die\nStreitjahre 2000 und 2001 fand bei der Klagerin wegen der Ermittlung des\nHinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz (EStG) eine\nabgekurzte Außenprufung statt. Die Pruferin ermittelte dabei einen\nHinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG fur das Jahr 2000 in Hohe von DM\n7.363,- und fur das Jahr 2001 in Hohe von DM 21.686,-. Wegen der Einzelheiten\nwird auf die Tz. 16 des Prufberichts vom 13. Juni 2003 Bezug genommen. Der\nBeklagte folgte den Prufungsfeststellungen und erließ mit Datum vom 07. August\n2003 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) entsprechend geanderte\nFeststellungsbescheide. \n--- \n| 2 \n--- \n| Den dagegen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch hat der Beklagte\ndurch Einspruchsentscheidung vom 23. Dezember 2004, auf die wegen der\nEinzelheiten Bezug genommen wird, als unbegrundet zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Hiergegen wendet sich die Klagerin mit der vorliegenden Klage. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Zur Begrundung wird im Wesentlichen sinngemaß vorgetragen, dass die am 06.\nNovember 2001 vom Gesellschafter -X- getatigte Entnahme den betrieblichen\nSchuldsaldo erhoht habe und deshalb insoweit privat veranlasste Schuldzinsen\nvorlagen. Deshalb sei der Gewinn um die anteiligen Zinsen erhoht worden. Eine\nnochmalige Berucksichtigung im Rahmen der Berechnung der Überentnahmen, wie\nsie der Beklagte vorgenommen habe, sei nicht zulassig. Auch sei zu\nberucksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)\nprivate Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4a EStG nicht\nbetrieblich veranlasst seien, bei der Ermittlung der Entnahmen im Rahmen des §\n4 Abs. 4a EStG nicht zu berucksichtigen seien. Fur die Berechnung der Zinsen\neines gemischten Kontokorrents mit Schuldsaldo sei jede Habenbuchung zunachst\ndem Unterkonto gutzuschreiben, auf dem die privat veranlassten Sollbuchungen\nerfasst wurden. Erst wenn durch die einzelnen Zuordnungen ein Sollsaldo\nentstehe, weil die Privatentnahmen großer seien als die Habenbuchungen,\nentstehe eine Überentnahme. Dies sei in den Jahren 2000 und 2001 nicht der\nFall gewesen. Schließlich sei zu berucksichtigen, dass die Verluste in den\nStreitjahren durch Abschreibungen entstanden seien und dadurch kein\nzusatzlicher Zinsaufwand entstanden sei. Die willkurliche Berechnungsweise des\nBeklagten fuhre zu einer (weiteren) Kurzung der eindeutig betrieblich\nveranlassten Schuldzinsen und verstoße damit gegen den Grundsatz der\nBesteuerung nach der steuerlichen Leistungsfahigkeit. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, die geanderten Bescheide uber die gesonderte und\neinheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen fur 2000 und 2001 vom 07.\nAugust 2003, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Dezember\n2004, dahingehend abzuandern, dass fur das Jahr 2000 ein Gewerbeverlust in\nHohe von DM 222.885,- und fur das Jahr 2001 ein Gewerbeverlust in Hohe von DM\n175.065,00 festgestellt wird, hilfsweise die Zulassung der Revision. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, _die Klage abzuweisen._ \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Aus der Rechtsprechung des BFH ergebe sich, dass\nKontokorrentverbindlichkeiten nur insoweit dem Betriebsvermogen zuzurechnen\nseien, als sie betrieblich veranlasst seien. Entsprechend seien die auf die\nEntnahme des Gesellschafters -X- entfallenden Schuldzinsen nicht als\nBetriebsausgaben abzugsfahig. Fur die erforderliche Ermittlung des betrieblich\nveranlassten Teils der Schuldzinsen eines gemischten Kontokorrentkontos sei\ndavon auszugehen, dass durch jede Habenbuchung vorrangig die durch private\nSollbuchungen entstandene Privatschuld getilgt werde. Die Tilgung privater\nSchulden mit betrieblichen Mitteln stelle jedoch eine Entnahme nach § 4 Abs. 1\nEStG dar, da hierdurch die entsprechenden Betrage in den privaten Bereich\nubergingen. Neben der Kurzung der Schuldzinsen fur die Privatschuld sei daher\ninsoweit eine Zinskorrektur nach § 4 Abs. 4a EStG vorzunehmen. Schließlich\nseien bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrages keine Über- oder\nUnterentnahmen fur die vor dem 01. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahre\nberucksichtigt worden, wobei die Klagerin wegen Überentnahmen ein negatives\nKapitalkonto zum 31. Dezember 1998 ausgewiesen habe. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte, den vom\nBeklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (\njeweils 1 Band Feststellungs-, Betriebsprufungs-, gesonderte\nVerlustfeststellung-, Gewerbesteuer- und Allgemeine Akten) sowie dem Inhalt\nder mundlichen Verhandlung entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf\nBezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Der Beklagte hat den Hinzurechnungsbetrag nach §\n4 Abs. 4a EStG zutreffend ermittelt. Zur Begrundung wird auf die zutreffenden\nAusfuhrungen in der Einspruchsentscheidung verwiesen. Erganzend wird auf\nFolgendes hingewiesen: \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen insoweit bei der\nGewinnermittlung nicht abziehbar, als Überentnahmen getatigt worden sind. Die\nRegelung ist nur anwendbar auf Schuldzinsen, die dem Grunde nach betrieblich\nveranlasst sind. Sind Zinsen nicht betrieblich, sondern privat veranlasst,\nsind sie schon dem Grunde nach keine Betriebsausgaben und deshalb nicht\nabzugsfahig. § 4 Abs. 4a EStG ist somit nicht anwendbar. Unterhalt der\nSteuerpflichtige ein gemischtes Kontokorrentkonto, sind die Schuldzinsen in\nbetrieblich und privat veranlasste Schuldzinsen nach der Zinsstaffelmethode\naufzuteilen. Der privat veranlasste Teil der Schuldzinsen ist dann nicht\nabziehbar, der betrieblich veranlasste Teil fallt unter § 4 Abs. 4a EStG. Die\nVerwendung betrieblicher Einnahmen zur Deckung privat veranlasster\nVerbindlichkeiten stellt jedoch eine Entnahme dar, die bei der Berechnung der\nÜberentnahme einzubeziehen ist und daher den Betrag der nicht abzugsfahigen\nZinsen entsprechend erhoht (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 46/04,\nBundessteuerblatt - BStBl II - 2006, 125). Entsprechend wurde im\nBetriebsprufungsbericht vom 10. Juni 2003 vorgegangen und die vorrangige\nTilgung durch Betriebseinnahmen in Hohe von DM 149.100,- bei der Ermittlung\nder Überentnahmen berucksichtigt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Schließlich konnte auch den Antragen der Klagerin auf Ruhen bzw. Aussetzung\ndes Verfahrens nicht entsprochen werden. Ein Ruhen des Verfahrens konnte\nbereits aufgrund der fehlenden Zustimmung des Beklagten nicht angeordnet\nwerden. Eine Aussetzung des Verfahrens konnte nicht beschlossen werden, da es\nsich bei dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen\n2 BvR 1659/06 nicht um einen erkennbar echten Musterprozess handelt (hiergegen\nspricht bereits die enge Fassung der aufgenommenen Rechtsfrage - „Zweistufige\nPrufung des Schuldzinsenabzugs auch bei Zinsen unter 4 000 DM"), der eine\ngleichgelagerte verfassungsrechtliche Frage betrifft. Im Übrigen wurde die\nVerfassungsgemaßheit der Norm bereits in standiger Rechtsprechung des BFH\nbejaht und die im Streitfall einschlagigen Rechtsfragen sind durch den BFH\nbereits entschieden (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 07. Marz 2006 X R 44/04,\nBStBl II 2006, 588 und BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 46/04, BStBl II\n2006, 125). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Revision war wegen der noch beim BFH anhangigen Verfahren X R 4/06 und\nX R 5/06 nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Der Beklagte hat den Hinzurechnungsbetrag nach §\n4 Abs. 4a EStG zutreffend ermittelt. Zur Begrundung wird auf die zutreffenden\nAusfuhrungen in der Einspruchsentscheidung verwiesen. Erganzend wird auf\nFolgendes hingewiesen: \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen insoweit bei der\nGewinnermittlung nicht abziehbar, als Überentnahmen getatigt worden sind. Die\nRegelung ist nur anwendbar auf Schuldzinsen, die dem Grunde nach betrieblich\nveranlasst sind. Sind Zinsen nicht betrieblich, sondern privat veranlasst,\nsind sie schon dem Grunde nach keine Betriebsausgaben und deshalb nicht\nabzugsfahig. § 4 Abs. 4a EStG ist somit nicht anwendbar. Unterhalt der\nSteuerpflichtige ein gemischtes Kontokorrentkonto, sind die Schuldzinsen in\nbetrieblich und privat veranlasste Schuldzinsen nach der Zinsstaffelmethode\naufzuteilen. Der privat veranlasste Teil der Schuldzinsen ist dann nicht\nabziehbar, der betrieblich veranlasste Teil fallt unter § 4 Abs. 4a EStG. Die\nVerwendung betrieblicher Einnahmen zur Deckung privat veranlasster\nVerbindlichkeiten stellt jedoch eine Entnahme dar, die bei der Berechnung der\nÜberentnahme einzubeziehen ist und daher den Betrag der nicht abzugsfahigen\nZinsen entsprechend erhoht (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 46/04,\nBundessteuerblatt - BStBl II - 2006, 125). Entsprechend wurde im\nBetriebsprufungsbericht vom 10. Juni 2003 vorgegangen und die vorrangige\nTilgung durch Betriebseinnahmen in Hohe von DM 149.100,- bei der Ermittlung\nder Überentnahmen berucksichtigt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Schließlich konnte auch den Antragen der Klagerin auf Ruhen bzw. Aussetzung\ndes Verfahrens nicht entsprochen werden. Ein Ruhen des Verfahrens konnte\nbereits aufgrund der fehlenden Zustimmung des Beklagten nicht angeordnet\nwerden. Eine Aussetzung des Verfahrens konnte nicht beschlossen werden, da es\nsich bei dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen\n2 BvR 1659/06 nicht um einen erkennbar echten Musterprozess handelt (hiergegen\nspricht bereits die enge Fassung der aufgenommenen Rechtsfrage - „Zweistufige\nPrufung des Schuldzinsenabzugs auch bei Zinsen unter 4 000 DM"), der eine\ngleichgelagerte verfassungsrechtliche Frage betrifft. Im Übrigen wurde die\nVerfassungsgemaßheit der Norm bereits in standiger Rechtsprechung des BFH\nbejaht und die im Streitfall einschlagigen Rechtsfragen sind durch den BFH\nbereits entschieden (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 07. Marz 2006 X R 44/04,\nBStBl II 2006, 588 und BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 46/04, BStBl II\n2006, 125). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Revision war wegen der noch beim BFH anhangigen Verfahren X R 4/06 und\nX R 5/06 nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n---\n\n
160,017
fg-baden-wurttemberg-2008-06-10-11-k-2106
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
11 K 21/06
2008-06-10
2019-01-10 11:47:47
2019-01-17 12:04:51
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist die Rechtmaßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheides der\nStreitjahre 2001 bis 2003. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer\nKommanditgesellschaft, die Profilier- und Rohrschweißanlagen herstellt. Als\nVerkaufsleiter war der seit 1. Mai 1991 bei ihr beschaftigte franzosische\nArbeitnehmer B, F-X, tatig. Die Gesellschaft behandelte dessen Arbeitslohn als\nGrenzgangerlohn i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich, da dem Arbeitgeber\nFreistellungsbescheinigungen fur die Streitjahre vorlagen. Im Verlauf einer\nLohnsteueraußenprufung vertrat der Prufer, gestutzt auf die damalige\nVerstandigungsvereinbarung mit Frankreich vom 20. Februar 1980 BStBl I 1980,\n88 und die hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen, die Auffassung, dass die\nVoraussetzungen der Grenzgangereigenschaft i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA\nFrankreich in den Jahren 2001 bis 2003 nicht mehr vorlagen, da sich der\nArbeitnehmer an mehr als 45 Tagen außerhalb der Grenzzone aufgehalten habe,\nnamlich im Jahr 2001 an 51, im Jahr 2002 an 53 und im Jahr 2003 an 54 Tagen.\nAuf den Inhalt der zunachst erstellten Aufstellungen der schadlichen Tage (Rb-\nAkten Bl. 73-75) und den Bericht uber die Lohnsteueraußenprufung vom 26.\nNovember 2004 Tz. 11 nebst Anlagen wird verwiesen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Aufgrund der Prufung erging am 14. Januar 2005 ein\nLohnsteuerhaftungsbescheid, mit dem Lohnsteuer (LSt) und Solidaritatszuschlag\ni. H. v. insgesamt 37.565,49 EUR von der Klagerin nachgefordert wurde. Dagegen\nlegte diese form- und fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begrundung vor,\ndass die Zahlweise fur die schadlichen Arbeitstage nicht zutreffend sei. Nach\ndem Schreiben der OFD vom 6. September 2002 seien zwar samtliche Tage als\nschadliche Tage i. S. der Grenzgangerregelung zu behandeln, wenn der\nSteuerpflichtige sich mehr als zwolf Stunden außerhalb der Grenzzone fur\nseinen Arbeitgeber aufhalte. Schadlich sei danach die Tatigkeit außerhalb der\nGrenzzone. Dieses Schreiben stehe jedoch mit Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich\nnicht in Einklang und sei daher rechtswidrig. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe\ndurch Beschluss vom 25. November 2002 I B 136/02 (Bundessteuerblatt -BStBl- II\n2005, 375) die Auffassung vertreten, es komme nicht darauf an, in welchem\nstundenweisen Umfang der Arbeitnehmer sich tatsachlich außerhalb der Grenzzone\naufhalte und ob und in welchem Umfang er von seinem Arbeitgeber ein Tagegeld\nerhalte. Die insoweit ergangenen Verwaltungsanweisungen seien rechtswidrig.\nAuch in einem Urteil des Finanzgerichts (FG) des Saarlandes vom 29. April 2004\n2 K 305/00, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 1060 sei die\nAuslegung der Finanzverwaltung abgelehnt worden. Die gegen dieses Urteil von\nder Finanzverwaltung eingelegte Revision, die beim BFH unter dem Aktenzeichen\nI R 53/04 anhangig gewesen sei, sei zuruckgenommen worden. Nach der\nRechtsprechung seien zudem An- und Abreisetage regelmaßig nicht schadlich,\nauch wenn die An- bzw. Abreise Bestandteil einer Dienstreise von einer Dauer\nvon mehr als zwolf Stunden seien. Durch die Rechtsprechung des BFH werde die\nfiskalische Auslegung der 45-Tage-Regelung durch die Finanzverwaltung\nverhindert. Nach der herrschenden Literaturauffassung seien ferner die\nTatigkeiten im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers bei der 45-Tage-Regelung nicht\nmitzuzahlen. Demzufolge durften samtliche Arbeitstage von Herrn B in\nFrankreich nicht zu den schadlichen Arbeitstagen gerechnet werden. Demzufolge\nseien nur die Tage zu berucksichtigen, bei denen Herr B volle 24 Stunden in\neinem Drittland tatig sei. An- und Abreisetage zahlten daher nicht als\nschadliche Tage. Daher sei die Grenze von 45 Tagen in keinem Jahr\nuberschritten. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Verlauf des Einspruchsverfahrens uberprufte das beklagte Finanzamt (FA)\ndie Berechnung der schadlichen Tage und kam zum Ergebnis, dass sich Herr B in\nden Streitjahren 2001 bis 2003 entsprechend den der Einspruchsentscheidung\nbeigefugten Aufstellungen im Jahr 2001 an 75 Tagen, im Jahr 2002 an 66 Tagen\nund im Jahr 2003 an 65 Tagen außerhalb der Grenzzone aufgehalten habe.\nBezuglich der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Einspruchsentscheidung\n(Rechtsbehelfsakte Blatt 88 bis 90) sowie die erganzenden Aufstellungen in der\nNiederschrift des Erorterungstermins vom 9. April 2008 verwiesen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Nach den Aufstellungen ergaben sich fur die Streitjahre u.a. folgende Reisen\ndes Arbeitnehmers: \n--- \n--- \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n| | **2001** \n--- \n| **2002** \n--- \n| **2003** \n--- \n| Dienstreisen nach Frankreich \n--- \n| 18 Tage \n--- \n| 28 Tage \n--- \n| 20 Tage \n--- \n| Eintagige Dienstreisen außer Frankreich \n--- \n| 3 Tage \n--- \n| 4 Tage \n--- \n| 7 Tage \n--- \n| Letzte Tage mehrtagiger Dienstreisen \n--- \n| 17 Tage \n--- \n| 11 Tage \n--- \n| 12 Tage \n--- \n| Erste Tage mehrtagiger Dienstreise mit Beginn am Firmensitz (ohne\nFrankreich) \n--- \n| 14 Tage \n--- \n| 10 Tage \n--- \n| 8 Tage \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das beklagte FA wies den Einspruch durch die Einspruchsentscheidung vom 16.\nJanuar 2006 als unbegrundet zuruck und stutzte sich auf die geltenden\nVerwaltungsanweisungen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Klage, mit der die\nKlagerin ihr Begehren weiter verfolgt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Im Erorterungstermin vom 12. April 2008, auf dessen Niederschrift nebst\nsamtlichen Anlagen Bezug genommen wird, reichte die Klagerin eine Aufstellung\nein uber die Orte, an denen die Dienstreisen begannen und endeten, wobei die\nComputertabellen auf handschriftlichen Erganzungen des Arbeitnehmers B\nberuhten. Diese Aufstellung uber den zeitlichen und ortlichen Beginn und das\nEnde der Dienstreisen ist aufgrund des Ergebnisses des Erorterungstermins\nzwischen den Beteiligten unstreitig. Danach begannen und endeten ein\nerheblicher Teil der Dienstreisen am Sitz der Firma, teilweise erst am\nVormittag oder nachmittags. Teilweise fuhr der Arbeitnehmer zum Parkplatz am\nFirmengelande, traf sich dort mit seinen ihn begleitenden Kollegen und trat\ndie jeweilige Dienstreise von dort mit einem Fahrzeug aus dem\nFirmenfahrzeugpool an. Aus den Aufstellungen ergeben sich fur das Jahr 2001\n38, fur das Jahr 2002 21 und fur das Jahr 2003 26 beruflich bedingte\nÜbernachtungen außerhalb von Frankreich. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Im Wesentlichen behalt die Klagerin ihren Vortrag bei und verweist daruber\nhinaus auf die Beschlusse des BFH vom 10. Dezember 2001 I B 94/01 (Sammlung\nder amtlich nicht veroffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2002, 479)\nund vom 25. November 2002 I B 136/02 aaO. Sie weist darauf hin, dass der BFH\nim Beschluss vom 10. Dezember 2001 I B 94/01 aaO ausdrucklich auf beruflich\nbedingte Übernachtungen außerhalb des Ansassigkeitsstaates durch\nReisetatigkeit abgestellt habe. Der BFH sehe damit nur die Tage als schadlich\nan, die auf Reisen entfielen, die außerhalb des Ansassigkeitsstaates\nstattfanden. Dies entspreche auch der Literaturauffassung. Demzufolge seien\ndie schadlichen Reisen in Frankreich als Ansassigkeitsstaat gemaß der Anlage\nzur Einspruchsentscheidung fur 2001 um 18, fur 2002 um 29 und fur 2003 um 21\nTage zu kurzen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Auch habe der BFH in seinem Beschluss vom 25. November 2002 I B 136/02\nausdrucklich ausgefuhrt, im Ergebnis komme es bei einer summarischen Prufung\nausschließlich auf ganze Tage der Tatigkeit außerhalb der deutsch-\nfranzosischen Grenzzone an. Auch das FG des Saarlandes habe in der\nEntscheidung vom 29. April 2004 2 K 307/00 aaO ausgefuhrt, dass im Streitfall\ndie Tage herauszurechnen seien, an denen der Klager nicht volle 24 Stunden\nabwesend gewesen sei. Auch dies entspreche der herrschenden Literaturmeinung.\nDemzufolge seien die schadlichen Tage gemaß der Anlage zur\nEinspruchsentscheidung fur 2001 insgesamt um 35 Tage, fur 2002 um 30 Tage und\nfur 2003 um 31 Tage zu kurzen, da jeweils ein Aufenthalt von weniger als 24\nStunden außerhalb der Grenzzone und des Ansassigkeitsstaates stattgefunden\nhabe. Danach verblieben fur das Jahr 2001 nur 22, fur das Jahr 2002 7 und fur\ndas Jahr 2003 13 schadliche Tage. Die Grenze von 45 schadlichen Tagen werde\ndaher in jedem der streitgegenstandlichen Jahre bei weitem unterschritten.\nErganzend wies die Klagerin darauf hin, dass mit Erlass vom 3. April 2006\nBStBl I 2006, 304 eine neue Verstandigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006\nzur Anwendung der Grenzgangerregelung in Kraft getreten sei, die auf alle noch\nnicht bestandskraftigen Falle anzuwenden sei. Diese verscharfe die Auslegung,\nda aufgrund der neuen Zahlweise in allen strittigen Jahren die 45-Tage-Grenze\nuberschritten werde. Dies stelle eine unzulassige Ruckwirkung dar, die\nverfassungswidrig sei. Die Verscharfung betreffe insbesondere mehrtagige\nDienstreisen und die Reisen im jeweiligen Ansassigkeitsstaat. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 1\\. den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 14. Januar 2005 fur den Zeitraum 2001\nbis 2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2006\naufzuheben, \n--- \n| 2\\. hilfsweise, fur den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen, \n--- \n| 3\\. die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren fur\nnotwendig zu erklaren. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| \n--- \n| Das beklagte FA beantragt, \n--- \n| 1\\. die Klage abzuweisen, \n--- \n| 2\\. hilfsweise, fur den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Begrundung bezieht es sich im Wesentlichen auf den Inhalt der\nEinspruchsentscheidung, mit der es sich auf die Verstandigungsvereinbarungen\nmit der franzosischen Steuerverwaltung vom 27. Februar 1979 aaO (BStBl I 1980,\n88) sowie vom 20. August 1981 (Außensteuerkartei der OFD Stuttgart DBA\nFrankreich, Art. 13, C II Nr. 5) gestutzt hatte. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die OFD habe auf der Grundlage der zitierten Verstandigungsvereinbarung von\n1981 geregelt, dass bei eintagigen Dienstreisen fur die Anwendung der Zwolf-\nStunden-Regelung nicht auf das Verlassen der Grenzzone, sondern auf den Beginn\nder Dienstreise abzustellen sei. Es komme entsprechend den\nDienstreisekostengrundsatzen allein darauf an, wo die Dienstreise angetreten\nund beendet werde, namlich am Wohnsitz oder der regelmaßigen Arbeitsstatte.\nDauere die Dienstreise mehr als zwolf Stunden und werde der Arbeitnehmer -\nauch nur kurzzeitig - außerhalb der Grenzzone tatig, so handele es sich um\neinen fur die Grenzgangereigenschaft schadlichen Arbeitstag im Sinne der\n45-Tage-Regelungen. Bei Dienstreisen, deren Gesamtdauer weniger als zwolf\nStunden betrage, sei ein Verlassen der Grenzzone nicht als schadlich zu\nbehandeln. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Bei mehrtagigen Dienstreisen zahle der Tag der Hinreise stets zu den fur die\nGrenzgangereigenschaft schadlichen Tage im Sinne der 45-Tage-Regelung, da der\nArbeitnehmer an diesen Tagen nicht an seinen Wohnsitz zuruckkehre. Auch der\nTag der Ruckreise sei als schadlicher Tag zu werten, da an diesem Tag der\nGrenzganger nicht von seinem Wohnsitz aus zum Arbeitsort pendele. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dienstreisetage im Wohnsitzstaat seien unabhangig davon, ob sie\nausschließlich innerhalb oder auch außerhalb der Grenzzone des Wohnsitzstaates\nstattfanden, anhand der von der Finanzverwaltung vertretenen Zwolf-Stunden-\nRegelung darauf zu uberprufen, inwieweit ein schadlicher Tag im Sinn der\n45-Tage-Regelung vorliege. Dienstreisetage im Wohnsitzstaat Frankreich konnten\ndamit dazu fuhren, dass die Grenzgangereigenschaft entfalle, obwohl fur die in\nFrankreich ausgeubte Tatigkeit das Besteuerungsrecht ohnehin dem Wohnsitzstaat\nFrankreich zustehe. Die wortliche Auslegung der Verstandigungsvereinbarung vom\n20. Februar 1980 aaO impliziere, dass auch nach Auffassung der franzosischen\nSteuerverwaltung Reisetage in den Wohnsitzstaat bei der Berechnung der\n45-Tage-Grenze zu berucksichtigen seien, wenn der Tatigkeitsort außerhalb der\nGrenzzone gelegen sei, zumal in diesen Fallen auch der geforderte\nGrenzubertritt fehle. Der im Hinblick auf eintagige Dienstreisen anders\nlautende Beschluss des BFH vom 25. November 2002 a.a.O. entspreche hingegen\nnicht der gleichlautenden Verwaltungsauffassung der franzosischen und\ndeutschen Steuerverwaltung, die eine aufgrund des Wortlauts des Art. 13 Abs. 5\nDBA mogliche und zutreffende Auslegung des DBA Frankreich im Rahmen von\nVerstandigungsverfahren vereinbart hatten. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Im Übrigen sei der BFH-Beschluss vom 25. November 2002 I B 136/02 aaO in\nsich widerspruchlich. Soweit die Verstandigungsvereinbarung vom 20. Februar\n1980 die Hochstgrenze der unschadlichen Arbeitstage regele, an denen der\nArbeitnehmer aus Anlass dienstlicher Verrichtungen nicht an seinen Wohnsitz\nzuruckkehren musse (sogenannte 45-Tage-Regelung), halte der BFH die\nVerstandigungsvereinbarung mit dem Wortlaut des DBA Frankreich fur vereinbar,\nobwohl auch die 45-Tage-Regelung lediglich eine innerstaatliche\nVerwaltungsanweisung darstelle und nicht mittels Zustimmungsgesetz\ninnerstaatliches Recht geworden sei. Dies musse aber auch fur die\nVerstandigungsvereinbarung vom 20. August 1981 und die nachfolgenden, mit der\nfranzosischen Steuerverwaltung abgestimmten Verwaltungsauffassungen gelten.\nNach diesen Grundsatzen habe der Arbeitnehmer B die schadlichen Tage in allen\ndrei Jahren uberschritten. Der Haftungsbescheid sei daher rechtmaßig. Auch die\nfranzosische Verstandigungsvereinbarung vom 20. Februar 1980 habe unter Tz. 2\nzweiter Absatz Anweisungen zur steuerlichen Behandlung von mehrtagigen\nDienstreisen beinhaltet. Auch danach ergaben sich die schadlichen Tage, sodass\ndie Zahlweise des FA insoweit zu keiner Verscharfung gegenuber der bisherigen\nVerwaltungsauffassung fuhre. Die behauptete echte Ruckwirkung liege daher\nnicht vor. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Bezuglich des weiteren Vortrags im Einzelnen wird auf die im Einspruchs- und\nKlageverfahren gewechselten Schriftsatze nebst samtlichen Anlagen verwiesen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beteiligten haben auf mundliche Verhandlung vor dem Senat nach § 90 Abs.\n2 Finanzgerichtsordnung (FGO) verzichtet. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der angefochtene Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 14. Januar 2005 und die\nEinspruchsentscheidung vom 16. Januar 2006 sind rechtswidrig und verletzen die\nKlagerin in ihren Rechten. Sie werden daher aufgehoben. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1 a) Einkunfte, die ein sog. Grenzganger aus nichtselbstandiger Arbeit\nbezieht, konnen gemaß Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich nur in dem anderen\nVertragsstaat besteuert werden. Grenzganger i.S. des Art. 13 Abs. 5 DBA-\nFrankreich sind gemaß dessen Buchst. a Personen, die im Grenzgebiet eines\nVertragsstaates arbeiten und ihre standige Wohnstatte, zu der sie in der Regel\njeden Tag zuruckkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates haben. \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Die Grenzgangereigenschaft geht nach den BMF-Schreiben in BStBl I 1980,\n88 (dort unter 2.), und in BStBl I 2006, 304, die auf\nVerstandigungsvereinbarungen mit der franzosischen Steuerverwaltung beruhen,\nbei einem Arbeitnehmer, der ― wie im Streitfall ― nicht wahrend des ganzen\nKalenderjahres in der Grenzzone beschaftigt ist, nicht verloren, wenn er in\ndieser Zeit hochstens an 20 v.H. der gesamten Werk- bzw. Arbeitstage, jedoch\nin keinem Fall an mehr als 45 Tagen, nicht zum Wohnsitz zuruckkehrt oder\naußerhalb der Grenzzone fur seinen Arbeitgeber tatig ist. Andernfalls steht\ndas Besteuerungsrecht fur die Arbeitseinkunfte dem Staat der Arbeitsausubung\nzu. Zur Anwendung dieser Verstandigungsregelung vertrat die Finanzverwaltung\nin Abstimmung mit der franzosischen Finanzverwaltung (vgl. Erlasse des FinMin\nSaarland vom 11. Juni 1981, vgl. auch FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlass vom\n8. Juli 1981, wiedergegeben in Handbuch des Außensteuerrechts 2002, S. 856;\nFinMin Baden-Wurttemberg vom 20. August 1981, Rb-Akte Bl. 66) die Auffassung,\nzu den Tagen der Tatigkeit außerhalb der Grenzzone zahlten auch solche, an\ndenen ein Arbeitnehmer sich auf einer Dienstreise außerhalb der Grenzzone\nbefinde. Halte er sich dort nicht wahrend des ganzen Tages auf, so zahlten\nsolche Tage als Tage der Tatigkeit außerhalb der Grenzzone, wenn der\nArbeitgeber dem Grenzganger hierfur ein volles Tagegeld gewahre. Dies gelte\njedoch nicht, wenn sich die Dienstreise außerhalb der Grenzzone uber Sonn- und\nFeiertage erstrecke. Auch wenn fur diese Tage vom Arbeitgeber volles Tagegeld\ngezahlt werde, zahlten sie nicht zu den Tagen der Tatigkeit außerhalb der\nGrenzzone. \n--- \n| 25 \n--- \n| In Einklang mit den abkommensrechtlichen tatbestandlichen Vorgaben bedarf es\nnach der Rechtsprechung des BFH "in der Regel" der arbeitstaglichen Ruckkehr\ndes Arbeitnehmers, soll seine Grenzgangereigenschaft nicht verloren gehen.\nDies schließt Ausnahmen nicht aus; die Nichtruckkehr des Arbeitnehmers an\neinem Arbeitstag aus Anlass dienstlicher Verrichtungen ist unschadlich, wenn\ndie Summe der Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer nicht zuruckkehrt, eine\nHochstgrenze nicht uberschreitet. Zur Festlegung dieser Hochstgrenze kann auch\nauf entsprechende Verstandigungsvereinbarungen zuruckgegriffen werden (vgl. z.\nB. BFH-Urteile vom 21. August 1996 I R 80/95, BFHE 181, 415, BStBl II 1997,\n134; vom 16. Mai 2001 I R 100/00, BFHE 195, 341, BStBl II 2001, 633, BFH-\nBeschluss vom 9. Dezember 2002 I B 111/02, juris-Datenbank, jeweils im\nVerhaltnis zur Schweiz und m.w.N.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,\nDoppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 MA Rz. 170). Hierzu hat der BFH auf die\nVerstandigungsvereinbarung in BStBl I 1980, 88 abgestellt und die 45-Tage-\nRegelung gebilligt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Darauf, in welchem stundenweisen Umfang der Arbeitnehmer sich tatsachlich\naußerhalb der Grenzzone aufhalt, und ob und in welchem Umfang er von seinem\nArbeitgeber ein Tagegeld erhalt, kommt es hingegen nach der Rechtsprechung des\nBFH nicht an. Eine derartige Begrenzung lasst sich weder dem Art. 13 Abs. 5\nBuchst. a DBA-Frankreich noch der erlauternden Verstandigungsvereinbarung mit\nder franzosischen Steuerverwaltung entnehmen. Fur eine solche Rechtsauffassung\nfehlt die Rechtsgrundlage (vgl. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-). Die\nhierzu ergangenen innerstaatlichen Verwaltungsanweisungen konnen diese\nRechtsgrundlage nicht ersetzen und nicht herangezogen werden, um das\nDoppelbesteuerungsabkommen, das mit dem Zustimmungsgesetz innerstaatliches\nRecht geworden ist, abzuandern (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 1. Februar 1989 I R\n74/86, BFHE 157, 39, BStBl II 1990, 4, 5; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,\na.a.O., Art. 3 MA Rz. 79, m.w.N.). Das gilt grundsatzlich auch dann, wenn die\nbetreffende Anweisung mit der auslandischen (hier der franzosischen)\nSteuerverwaltung abgestimmt wurde, zumal wenn diese Abstimmung durch eine\nihrerseits unabgestimmte behordliche Auslegung -wie im Streitfall die\nVerfugung der OFD Saarbrucken vom 14. Marz 2000- einseitig unterlaufen wird.\nIm Ergebnis kommt es sonach ausschließlich auf ganze Tage der Tatigkeit\naußerhalb der deutsch-franzosischen Grenzzone an. Dadurch wird zugleich den\nPraktikabilitatsbedenken Rechnung getragen, die sich andernfalls bei einer\ntatsachlich nur stundenweisen Außentatigkeit und deren Nachweisbarkeit ergeben\n(BFH-Beschluss vom 25. November 2002 - I B 136/02 aaO). Die in der\nVerstandigungsvereinbarung konsentierte 45-Tage-Regelung andert insoweit\nnichts an der Schadlichkeit von Tagen beruflich bedingter Nichtruckkehr\ninfolge beruflich bedingter Übernachtungen außerhalb des Ansassigkeitsstaates\n(BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 I B 94/01 BFH/NV 2002, 279 zum DBA\nFrankreich). Das FG Saarbrucken hat in dem Hauptsacheverfahren, das dem\nBeschlussverfahren beim BFH I B 136/02 a.a.O. folgte, im Anschluss hieran\nentschieden, dass nur solche Tage im Sinn des Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich\nfur die Grenzgangereigenschaft schadlich sind, an denen der Arbeitnehmer mehr\nals 24 Stunden abwesend war. Die zugelassene und zunachst von der\nFinanzverwaltung eingelegte Revision hat diese spater zuruckgenommen, ihre\nAuffassung jedoch insoweit nur im Umfang der neuen Verstandigungsvereinbarung\nmit Frankreich vom 16. Februar 2006 geandert, die zitierten Entscheidungen des\nBFH und des FG Saarbrucken bleiben weiterhin von der deutschen und der\nfranzosischen Finanzverwaltung unbeachtet. Die Auffassung des BFH und des FG\nSaarbrucken wird von der Literatur geteilt. Maßgebend sind daher letztlich -\nwie auch beim DBA Schweiz - die Anzahl der außerhalb der Grenzzone und\naußerhalb des Ansassigkeitsstaates verbrachten Übernachtungen, da dann die\n24-stundige Abwesenheit regelmaßig erfullt ist. \n--- \n| 27 \n--- \n| c) Stellt man mit dem BFH und dem erkennenden Senat allein auf die Anzahl\nder beruflich bedingten Übernachtungen außerhalb des Ansassigkeitsstaates ab,\nso fallen fur das Jahr 2001 38 Nichtruckkehrtage, fur das Jahr 2002 21\nNichtruckkehrtage und fur 2003 26 Nichtruckkehrtage an. Die Anzahl von 45\nTagen wird demnach deutlich unterschritten, sodass bei dieser Betrachtung der\nKlage insgesamt stattzugeben und der Haftungsbescheid aufzuheben ist. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Die Finanzverwaltungen beider Lander und die Verstandigungsvereinbarung\ngehen einen anderen Weg und stellen danach auf ganze Tage der Tatigkeit\naußerhalb der deutsch-franzosischen Grenzzone ab, setzen dieses Prinzip jedoch\nnicht immer folgerichtig um. Auch wenn man von diesem Grundsatz ausgeht,\njedoch darauf die zitierte Rechtsprechung des BFH anwendet, hat die Klage\nErfolg. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Fur eintagige Dienstreisen vertreten auch die Verstandigungsvereinbarung\nvom 16. Februar 2006 und der Finanzverwaltung nahe stehende Autoren die\nAuffassung, bei einem nur kurzfristigen Aufsuchen des Arbeitsortes in der\nGrenzzone liege kein schadlicher Tag im Sinn des Art. 13 Abs. 5 DBA vor\n(Verstandigungsvereinbarung aaO Tz. 8.1 und 8.2; Hartmann, Die Information\n2006, 705 ff unter 1.2). Warum dies wiederum nach Tz. 6 der\nVerstandigungsvereinbarung bei mehrtagigen Dienstreisen nicht gelten soll, ist\nunter Berucksichtigung der ergangenen Rechtsprechung nicht ersichtlich. Die\nRechtsprechung hingegen verlangt -wie dargelegt- eine mehr als 24-stundige\nAbwesenheit. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach diesen Rechtsgrundsatzen der Rechtsprechung, denen der Senat folgt,\nsind samtliche, nur eintagigen Dienstreisen außerhalb von Frankreich nicht als\nschadliche Tage zu werten, da der Arbeitnehmer jeweils keinen ganzen Tag\nunterwegs war. Dies gilt erst recht, wenn die Dienstreise - was zwischen den\nBeteiligten unstreitig ist - am Sitz des Unternehmens begann oder endete.\nInsofern gilt dies fur die Dienstreisen am 16. Januar, 28. Marz, 28. Mai und\n13. Dezember 2001, 23. Januar, 27. Februar, 23. April, 9. September 2002, 17.\nJanuar, 5. Februar, 24. Juni, 26. Mai, 26. August, 10. Dezember 2003, wobei\ndarin samtliche Dienstreisen nach Frankreich als Ansassigkeitsstaat nicht\nenthalten sind. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 3\\. Die Dienstreisen in den Ansassigkeitsstaat sind nicht als\nNichtruckkehrtage und damit als schadliche Tage zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| a) Das beklagte FA hat deshalb in allen Streitjahren mehr als 45\nNichtruckkehrtage angenommen, weil es die Reisetage nach Frankreich als\nAnsassigkeitsstaat ebenfalls in die Nichtruckkehrtage eingerechnet hat. Dies\nist nach Auffassung des Senats jedoch - entgegen der\nVerstandigungsvereinbarung und der standigen Praxis beider Finanzverwaltungen\n- unzutreffend. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| b) Nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich wird die\nGrenzgangereigenschaft dem Grunde nach daran angeknupft, dass die in einem\nVertragsstaat ansassige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren\nArbeitsort hat, von dort aus taglich an ihren Wohnsitz zuruckkehrt. Diese\nPerson kehrt demzufolge nicht aus dem Ansassigkeitsstaat an den Wohnsitz\nzuruck, sondern von dem Tatigkeitsstaat. Die Ruckkehr nach 13 Abs. 5 DBA-\nFrankreich ist an die Ruckkehr von der Arbeit im Tatigkeitsstaat an den\nWohnsitz im Ansassigkeitsstaat angeknupft. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| c) Die deutsche und die franzosische Finanzverwaltung haben bislang die\nAuffassung vertreten, auch eine Dienstreise (Übernachtung oder Tatigkeit) im\nAnsassigkeitsstaat begrunde einen schadlichen Tag. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| An eine solche Auslegung ist der Senat nicht gebunden, falls diese keine\nzutreffende Rechtsauslegung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich darstellt.\nDiesen Verstandigungsvereinbarungen kommt nach Art. 20 Abs. 3 GG keine\nunmittelbare Gesetzeskraft zu (BFH-Urteil vom 1. Februar 1989 I R 74/86, BFHE\n157, 39, BStBl II 1990, 4) und sind fur die Gerichte keinesfalls bindend (BFH-\nUrteil vom 21. August 1996 I R 80/95 BStBl II 1997, 134). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| d) Die Kommentarliteratur und die Rechtsprechung des BFH gehen davon aus,\ndass schadliche Nichtruckkehrtage nur Arbeitstage sein konnen, insbesondere\nÜbernachtungen außerhalb des Ansassigkeitsstaates infolge Reisetatigkeit oder\nmehrtagiger beruflicher Veranstaltungen. Dabei wird zugrunde gelegt, dass\nTage, die aus beruflichen Grunden im Ansassigkeitsstaat verbracht werden, auch\nbei Nichtruckkehr zum Wohnsitz ebenfalls nicht in die 45-Tage-Grenze\neinzubeziehen sind (BFH-Urteil vom 28. November 2001 I R 100/00, BStBl II\n2001, 633 zum DBA Schweiz; BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 I B 94/01\nBFH/NV 2002, 479 zum DBA Frankreich; Brandis in Wassermeyer/Debatin, Art. 15 a\nAnm. 47; Kempermann, Finanzrundschau -FR- 1994, 564, 566;\nGeiger/Hartmann/Alscher IStR 1994, 9, 12; Zuger in\nGassner/Lang/Lechner/Schuch/Storing, Arbeitnehmer im Recht der\nDoppelbesteuerungsabkommen, Linde-Verlag, Wien, S.190; zum DBA Frankreich:\nKessler/Sinz/Achilles-Puyol, DBA-Kommentar DBA Deutschland/Frankreich, NWB-\nVerlag 2007, Art. 13 BV S.124). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| e) Sinn und Zweck des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich sprechen fur diese\nAuslegung. Diese Bestimmung regelt den Konflikt zwischen Ansassigkeitsstaat\nund Staat des Arbeitsortes. Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich werden die\nEinkunfte fur Einkommen aus unselbstandiger Arbeit grundsatzlich der\nBesteuerung des Tatigkeitsstaates zugeordnet. Bei Grenzgangern weist das\nAbkommen in Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich das ausschließliche\nBesteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zu. Die Besteuerung der Pendler im\nWohnsitzstaat wurde fur die beste Losung gehalten, da die ausschließliche\nBesteuerung im Wohnsitzstaat durch die Gewahrung der durch die mit der\nunbeschrankten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat verbundenen steuerlichen\nEntlastungen fur personliche und familienbezogene steuerliche Vergunstigungen\ndie fur die Pendler gunstigste Losung ist. Das prinzipielle Besteuerungsrecht\nliegt daher beim Wohnsitzstaat. Dann jedoch, wenn der Arbeitnehmer im gesamten\nKalenderjahr mehr als 45 Tage aufgrund der Arbeitsausubung nicht in den\nAnsassigkeitsstaat zuruckkehren kann, sieht das DBA-Frankreich die Bindung des\nArbeitnehmers an den Ansassigkeitsstaat als so gelockert an, dass das\nBesteuerungsrecht dem anderen Staat zusteht und die hieraus erzielten\nEinkunfte aus nichtselbstandiger Tatigkeit im Ansassigkeitsstaat unter\nProgressionsvorbehalt freizustellen sind. Das Besteuerungsrecht des\nWohnsitzstaates bleibt bei dem Arbeitnehmer außerhalb des Art 13 Abs. 5 DBA-\nFrankreich dann nur fur die Tatigkeitstage im Ansassigkeits- und in\nDrittstaaten bestehen (BFH-Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98 BFH/NV\n1999, 1317). Die Auslegung der Finanzverwaltung wurde zu dem Ergebnis fuhren,\ndass eine Tatigkeit im Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht fur den Staat des\nArbeitsortes begrundet (so zum DBA Frankreich: Kessler/Sinz/Achilles-Puyol,\nDBA-Kommentar DBA-Frankreich, NWB-Verlag 2007, Art. 13 BV S.124). Damit wurde\nder Sinn der Nichtruckkehrtage in sein Gegenteil verkehrt. Je mehr Arbeitstage\nim Ansassigkeitsstaat verbracht wurden, um so eher fiele das Besteuerungsrecht\nan die Bundesrepublik. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Bezieht man auch Dienstreisen in den Ansassigkeitsstaat in diesen Wortlaut\nmit ein, so hatte dies zur Folge, dass der Arbeitnehmer umso eher kein\nGrenzganger ware, je mehr Dienstreisen er in den Ansassigkeitsstaat machen\nwurde. Dies widersprache jedoch dem Sinn und Zweck der Abgrenzung zwischen\nTatigkeits- und Ansassigkeitsstaat, da das Besteuerungsrecht nur dann in den\nTatigkeitsstaat abwandern soll, wenn die Beziehung zum Ansassigkeitsstaat\ngelockert wird. Dies ist erst dann der Fall, wenn durch die Anzahl von 45\nNichtruckkehrtagen oder ca. 20% der Tatigkeiten ein erheblicher Teil der\nTatigkeiten berufsbedingt im Tatigkeits- oder in Drittstaaten ausgeubt wird.\nErst dann wird die soziale Einbindung in den Ansassigkeitsstaat durch die\nwirtschaftliche Anbindung an den Arbeitgeber uberlagert und fuhrt erst dann\nzum Wechsel des Besteuerungsrechts. Durch die Tatigkeit im Ansassigkeitsstaat\nwerden jedoch die Beziehungen zu diesem verstarkt, nicht abgeschwacht (so auch\nzum gleichen Problem bei Art. 15 a Abs. 4 DBA Schweiz: Urteil des Senats vom\n1. April 2008 11 K 66/05, Revision zugelassen und eingelegt, zur\nVeroffentlichung bestimmt). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Demzufolge sprechen sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung\ndes Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich dafur, dass entsprechend der zitierten\nRechtsprechung und Literatur Dienstreisen in den Ansassigkeitsstaat nicht zur\nBegrundung von Nichtruckkehrtagen i.S.d. Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich fuhren\nkonnen. Demnach sind folgende ein- und mehrtagige Dienstreisen keine\nschadlichen Tage i. S. d. Grenzgangerregelung: \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| 4\\. Die Tage, an denen der Klager zuruckkehrte, sind entgegen der\nVerstandigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006 aaO ebenfalls nicht als\nschadliche Tage zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| a) Nach der Rechtsprechung des BFH zum DBA Schweiz ist darauf abzustellen,\nob der Arbeitnehmer nach dem Verlassen seiner Arbeitsstelle tatsachlich in den\nAnsassigkeitsstaat zuruckkehrt oder in dem jeweils anderen Vertragsstaat\nbleibt. Im ersten Fall ist der betreffende Arbeitstag Ruckkehrtag i. S. d.\nArt. 15 a Abs. 2 DBA Schweiz. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer tatsachlich\nnicht in den Ansassigkeitsstaat zuruckkehrt, kann ein Nichtruckkehrtag\nvorliegen (BFH-Urteil vom 15. September 2004 I R 67/03 BFHE 207, 452). Nach\ndem BFH-Beschluss vom 25. November 2002 I B 136/02 und dem durch Rucknahme der\nRevision durch die Finanzverwaltung rechtskraftig gewordenen Urteil des FG\nSaarland vom 29. April 2004 Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004,\n1060, konnen schadliche Ruckkehrtage nur ganze Tage sein. Die Ruckkehrtage\nkonnen danach nicht in die Berechnung der 45-Tage-Grenze einbezogen werden,\nwenn die Reisezeit an diesen Tagen nicht einen ganzen Arbeitstag ausmacht\n(Kessler/Sinz/Achilles-Puyol, DBA-Kommentar, Deutschland/Frankreich, aaO).\nNach Auffassung des Senats ist daher, wie auch bei Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA\n- Schweiz, angesichts des gleichen Wortlautes „Ruckkehrtag" aus\nPraktikabilitatsgrunden auf die Übernachtungen außerhalb Frankreichs\nabzustellen (vgl. Sinz/Blanchard IStR 2003, 258; Kessler/Sinz/Achilles-Puyol,\nDBA-Kommentar Deutschland/Frankreich zu Art. 13 Abs. 5 aaO). Nur so wird nach\nAuffassung des erkennenden Senats eine einfache und praktikable Abgrenzung\nmoglich. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| b) Geht man hiervon aus, entfallen auch samtliche Tage als schadliche, an\ndenen der Klager von der jeweiligen Dienstreise zuruckkehrte, gleich, ob er\nsofort zu seinem Wohnort heimfuhr oder zunachst zum Firmensitz fuhr, um von\ndort nach Hause zuruckzufahren. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Im Jahr 2001 fuhr der Klager an folgenden mehrtagigen Dienstreisen nach\nHause, und zwar am 30. Januar, 28. Mai, 30. Oktober 2001, wahrend er an den\nnachfolgend geschilderten Daten jeweils zum Firmensitz zuruckfuhr, namlich am\n3. und 16. Februar, 2. Marz, 17. Marz, 6. und 28. April, 18. Mai, 12. Juni,\n20. und 29. September, 1. und 13. Oktober, 16. und 24. November 2001. Im Jahre\n2002 kehrte er von den nachfolgend genannten mehrtagigen Dienstreisen mit\nAusnahme von Frankreich direkt zu seinem Wohnort zuruck am 28. Marz, 19. Juni,\n6. Dezember, 15. November. An den folgenden Tagen kehrte er von mehrtagigen\nDienstreisen mit Ausnahme von Frankreich zum Firmensitz der Klagerin zuruck,\nund zwar am 15. Januar, 12. und 30. April, 17. und 26. Mai 2002, 3. und 12.\nJuni, 30. April. Im Jahre 2003 kehrte er an den nachfolgend genannten\nmehrtagigen Dienstreisen mit Ausnahme von Frankreich an seinen Wohnsitz\nzuruck, und zwar am 6. und 14. Juni, 5. Dezember. An nachfolgenden Tagen der\nmehrtagigen Dienstreisen mit Ausnahme von Frankreich kehrte der Klager im\nJahre 2003 zur Firma zuruck, und zwar am 19. Februar, 6. Marz, 8. und 16. Mai,\n24. September, 2. und 23. Oktober, 15. und 28. November. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| c) Samtliche Tage, die der Klager im Ansassigkeitsstaat verbrachte, die Tage\nder eintagigen Dienstreisen sowie die Tage der Ruckkehr sind danach keine\nschadlichen Tage i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Von den von der Finanzverwaltung fur das Streitjahr 2001 angesetzten 75 Tage\nsind daher mindestens 18 Tage fur Reisen in den Ansassigkeitsstaat, drei\neintagige Dienstreisen außerhalb von Frankreich und 17 Ruckkehrtage als\nletzter Tag der Dienstreise, insgesamt somit mindestens 38 Tage abzuziehen,\nsodass hochstens 37 schadliche Tage verbleiben. Fur das Streitjahr 2002 sind\nvon den von der Finanzverwaltung angesetzten 66 Tage um 28 Tage fur\nDienstreisen in den Ansassigkeitsstaat, vier Tage fur eintagige Dienstreisen\nohne Frankreich und elf Tage als letzter Tag einer Dienstreise und somit\nRuckkehrtag, insgesamt somit 43 Tage abzuziehen, sodass allenfalls 23\nschadliche Tage verbleiben. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Im Streitjahr 2003 sind die von der Finanzverwaltung angesetzten 65 Tage um\n20 Tage fur Reisen in den Ansassigkeitsstaat, 12 Tage fur den letzten Tag der\nDienstreise als Ruckkehrtage und sieben eintagige Dienstreisen außer\nFrankreich, somit 39 Tage abzuziehen, sodass hochstens noch 26 schadliche Tage\nverbleiben. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 5\\. Daruber hinaus ist nach Auffassung des Senats auch der erste Tag einer\nDienstreise dann nicht als schadlicher Tag anzusehen, wenn die Dienstreise am\nFirmensitz im Grenzgebiet beginnt. Fur eintagige Dienstreisen hat auch der aus\nder Finanzverwaltung stammende Autor Hartmann im Anschluss an die\nVerstandigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006 die Auffassung vertreten, dass\nes fur die Grenzgangereigenschaft entscheidend sein kann, ob der Arbeitnehmer\nfur Fahrten zu den Einsatzorten außerhalb der Grenzzone den direkten Weg von\nzu Hause aus oder den Umweg uber den im Grenzgebiet des Tatigkeitsstaates\nansassigen Arbeitgeber einschlagt. Nach der Verstandigungsvereinbarung sei\nschon der Umweg zum im Grenzgebiet ansassigen Arbeitgeber mit einer\nbegunstigten Arbeitstatigkeit in der Grenzzone gleichzusetzen. Die Fahrt zum\nArbeitgeber verhindere einen schadlichen Karenztag, auch wenn der Grenzganger\nsich anschließend wahrend des gesamten Arbeitstages an Arbeitsorten außerhalb\nder Grenzzone aufhalte und abends direkt nach Frankreich zuruckfahre (zum\nVorstehenden Hartmann in Die Information 2006, 705 ff., 706). Allerdings ist\ninsoweit dann nach Auffassung des Senats ein Widerspruch darin zu sehen, dass\ndies bei mehrtagigen Dienstreisen nicht gelten soll. Das Gleiche muss dann\nauch fur mehrtagige Dienstreisen gelten. Auch dieser Widerspruch spricht nach\nAuffassung des Senats dafur, wie in Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz\nentsprechend der dortigen Formulierung „Nichtruckkehrtag" ebenfalls auf eine\nÜbernachtung abzustellen. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Bezieht man die ersten Tage der Dienstreisen außerhalb von Frankreich, an\ndenen der Arbeitnehmer die Dienstreise am Firmensitz begann mit ein, so\nvermindern sich die schadlichen Tage weiter, und zwar im Jahr 2001 um die Tage\n1.2., 15.2., 1.und 13.3., 2. und 25.4., 17.5., 11.6., 11., 28. und 30.9., 14.\nund 21.11., somit um weitere 13 Tage, im Jahr 2002 um die Tage 14.1., 25.3.,\n8. und 29.4., 16. und 21.,5; 2.,11.6., 13.11., 5.12., somit um 10 Tage und im\nJahr 2003 um die Tage 17.2., 4.3, 7.5., 22. und 29.9., 21.10.,14. und 27.11.,\nsomit um 8 Tage. Fur das Jahr 2001 verbleiben danach hochstens 24, fur das\nJahr 2002 13 Tage und fur das Jahr 2003 hochstens 18 schadliche Tage.\nAngesichts der dargestellten unpraktikablen und muhsamen stundenweisen\nEinzelbetrachtung eines jeden Tages spricht dies nach Auffassung des Senats\ndafur, wie auch beim gleichlautenden DBA Schweiz auf die Anzahl der beruflich\nbedingten Übernachtungen außerhalb der Grenzzone abzustellen, da dies zu\neinfachen Abgrenzungen und praktikablen Ergebnissen fuhrt, die die Interessen\nbeider Staaten und der jeweiligen Steuerpflichtigen berucksichtigt \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren war fur notwendig\nzu erklaren, da es sich um eine schwierige und grundsatzliche Rechtsfrage\nhandelt. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Revision war wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115\nAbs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Auffassung des Senats in Widerspruch zu\nder neuen Verstandigungsvereinbarung mit der franzosischen Steuerverwaltung\nvom 16. Februar 2006 (BStBl I 2006, 304) steht und die bisher dem\nentgegenstehende Rechtsprechung von der deutschen Finanzverwaltung nicht\nangewandt wird. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§\n151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der angefochtene Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 14. Januar 2005 und die\nEinspruchsentscheidung vom 16. Januar 2006 sind rechtswidrig und verletzen die\nKlagerin in ihren Rechten. Sie werden daher aufgehoben. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1 a) Einkunfte, die ein sog. Grenzganger aus nichtselbstandiger Arbeit\nbezieht, konnen gemaß Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich nur in dem anderen\nVertragsstaat besteuert werden. Grenzganger i.S. des Art. 13 Abs. 5 DBA-\nFrankreich sind gemaß dessen Buchst. a Personen, die im Grenzgebiet eines\nVertragsstaates arbeiten und ihre standige Wohnstatte, zu der sie in der Regel\njeden Tag zuruckkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates haben. \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Die Grenzgangereigenschaft geht nach den BMF-Schreiben in BStBl I 1980,\n88 (dort unter 2.), und in BStBl I 2006, 304, die auf\nVerstandigungsvereinbarungen mit der franzosischen Steuerverwaltung beruhen,\nbei einem Arbeitnehmer, der ― wie im Streitfall ― nicht wahrend des ganzen\nKalenderjahres in der Grenzzone beschaftigt ist, nicht verloren, wenn er in\ndieser Zeit hochstens an 20 v.H. der gesamten Werk- bzw. Arbeitstage, jedoch\nin keinem Fall an mehr als 45 Tagen, nicht zum Wohnsitz zuruckkehrt oder\naußerhalb der Grenzzone fur seinen Arbeitgeber tatig ist. Andernfalls steht\ndas Besteuerungsrecht fur die Arbeitseinkunfte dem Staat der Arbeitsausubung\nzu. Zur Anwendung dieser Verstandigungsregelung vertrat die Finanzverwaltung\nin Abstimmung mit der franzosischen Finanzverwaltung (vgl. Erlasse des FinMin\nSaarland vom 11. Juni 1981, vgl. auch FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlass vom\n8. Juli 1981, wiedergegeben in Handbuch des Außensteuerrechts 2002, S. 856;\nFinMin Baden-Wurttemberg vom 20. August 1981, Rb-Akte Bl. 66) die Auffassung,\nzu den Tagen der Tatigkeit außerhalb der Grenzzone zahlten auch solche, an\ndenen ein Arbeitnehmer sich auf einer Dienstreise außerhalb der Grenzzone\nbefinde. Halte er sich dort nicht wahrend des ganzen Tages auf, so zahlten\nsolche Tage als Tage der Tatigkeit außerhalb der Grenzzone, wenn der\nArbeitgeber dem Grenzganger hierfur ein volles Tagegeld gewahre. Dies gelte\njedoch nicht, wenn sich die Dienstreise außerhalb der Grenzzone uber Sonn- und\nFeiertage erstrecke. Auch wenn fur diese Tage vom Arbeitgeber volles Tagegeld\ngezahlt werde, zahlten sie nicht zu den Tagen der Tatigkeit außerhalb der\nGrenzzone. \n--- \n| 25 \n--- \n| In Einklang mit den abkommensrechtlichen tatbestandlichen Vorgaben bedarf es\nnach der Rechtsprechung des BFH "in der Regel" der arbeitstaglichen Ruckkehr\ndes Arbeitnehmers, soll seine Grenzgangereigenschaft nicht verloren gehen.\nDies schließt Ausnahmen nicht aus; die Nichtruckkehr des Arbeitnehmers an\neinem Arbeitstag aus Anlass dienstlicher Verrichtungen ist unschadlich, wenn\ndie Summe der Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer nicht zuruckkehrt, eine\nHochstgrenze nicht uberschreitet. Zur Festlegung dieser Hochstgrenze kann auch\nauf entsprechende Verstandigungsvereinbarungen zuruckgegriffen werden (vgl. z.\nB. BFH-Urteile vom 21. August 1996 I R 80/95, BFHE 181, 415, BStBl II 1997,\n134; vom 16. Mai 2001 I R 100/00, BFHE 195, 341, BStBl II 2001, 633, BFH-\nBeschluss vom 9. Dezember 2002 I B 111/02, juris-Datenbank, jeweils im\nVerhaltnis zur Schweiz und m.w.N.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,\nDoppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 MA Rz. 170). Hierzu hat der BFH auf die\nVerstandigungsvereinbarung in BStBl I 1980, 88 abgestellt und die 45-Tage-\nRegelung gebilligt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Darauf, in welchem stundenweisen Umfang der Arbeitnehmer sich tatsachlich\naußerhalb der Grenzzone aufhalt, und ob und in welchem Umfang er von seinem\nArbeitgeber ein Tagegeld erhalt, kommt es hingegen nach der Rechtsprechung des\nBFH nicht an. Eine derartige Begrenzung lasst sich weder dem Art. 13 Abs. 5\nBuchst. a DBA-Frankreich noch der erlauternden Verstandigungsvereinbarung mit\nder franzosischen Steuerverwaltung entnehmen. Fur eine solche Rechtsauffassung\nfehlt die Rechtsgrundlage (vgl. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-). Die\nhierzu ergangenen innerstaatlichen Verwaltungsanweisungen konnen diese\nRechtsgrundlage nicht ersetzen und nicht herangezogen werden, um das\nDoppelbesteuerungsabkommen, das mit dem Zustimmungsgesetz innerstaatliches\nRecht geworden ist, abzuandern (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 1. Februar 1989 I R\n74/86, BFHE 157, 39, BStBl II 1990, 4, 5; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,\na.a.O., Art. 3 MA Rz. 79, m.w.N.). Das gilt grundsatzlich auch dann, wenn die\nbetreffende Anweisung mit der auslandischen (hier der franzosischen)\nSteuerverwaltung abgestimmt wurde, zumal wenn diese Abstimmung durch eine\nihrerseits unabgestimmte behordliche Auslegung -wie im Streitfall die\nVerfugung der OFD Saarbrucken vom 14. Marz 2000- einseitig unterlaufen wird.\nIm Ergebnis kommt es sonach ausschließlich auf ganze Tage der Tatigkeit\naußerhalb der deutsch-franzosischen Grenzzone an. Dadurch wird zugleich den\nPraktikabilitatsbedenken Rechnung getragen, die sich andernfalls bei einer\ntatsachlich nur stundenweisen Außentatigkeit und deren Nachweisbarkeit ergeben\n(BFH-Beschluss vom 25. November 2002 - I B 136/02 aaO). Die in der\nVerstandigungsvereinbarung konsentierte 45-Tage-Regelung andert insoweit\nnichts an der Schadlichkeit von Tagen beruflich bedingter Nichtruckkehr\ninfolge beruflich bedingter Übernachtungen außerhalb des Ansassigkeitsstaates\n(BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 I B 94/01 BFH/NV 2002, 279 zum DBA\nFrankreich). Das FG Saarbrucken hat in dem Hauptsacheverfahren, das dem\nBeschlussverfahren beim BFH I B 136/02 a.a.O. folgte, im Anschluss hieran\nentschieden, dass nur solche Tage im Sinn des Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich\nfur die Grenzgangereigenschaft schadlich sind, an denen der Arbeitnehmer mehr\nals 24 Stunden abwesend war. Die zugelassene und zunachst von der\nFinanzverwaltung eingelegte Revision hat diese spater zuruckgenommen, ihre\nAuffassung jedoch insoweit nur im Umfang der neuen Verstandigungsvereinbarung\nmit Frankreich vom 16. Februar 2006 geandert, die zitierten Entscheidungen des\nBFH und des FG Saarbrucken bleiben weiterhin von der deutschen und der\nfranzosischen Finanzverwaltung unbeachtet. Die Auffassung des BFH und des FG\nSaarbrucken wird von der Literatur geteilt. Maßgebend sind daher letztlich -\nwie auch beim DBA Schweiz - die Anzahl der außerhalb der Grenzzone und\naußerhalb des Ansassigkeitsstaates verbrachten Übernachtungen, da dann die\n24-stundige Abwesenheit regelmaßig erfullt ist. \n--- \n| 27 \n--- \n| c) Stellt man mit dem BFH und dem erkennenden Senat allein auf die Anzahl\nder beruflich bedingten Übernachtungen außerhalb des Ansassigkeitsstaates ab,\nso fallen fur das Jahr 2001 38 Nichtruckkehrtage, fur das Jahr 2002 21\nNichtruckkehrtage und fur 2003 26 Nichtruckkehrtage an. Die Anzahl von 45\nTagen wird demnach deutlich unterschritten, sodass bei dieser Betrachtung der\nKlage insgesamt stattzugeben und der Haftungsbescheid aufzuheben ist. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Die Finanzverwaltungen beider Lander und die Verstandigungsvereinbarung\ngehen einen anderen Weg und stellen danach auf ganze Tage der Tatigkeit\naußerhalb der deutsch-franzosischen Grenzzone ab, setzen dieses Prinzip jedoch\nnicht immer folgerichtig um. Auch wenn man von diesem Grundsatz ausgeht,\njedoch darauf die zitierte Rechtsprechung des BFH anwendet, hat die Klage\nErfolg. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Fur eintagige Dienstreisen vertreten auch die Verstandigungsvereinbarung\nvom 16. Februar 2006 und der Finanzverwaltung nahe stehende Autoren die\nAuffassung, bei einem nur kurzfristigen Aufsuchen des Arbeitsortes in der\nGrenzzone liege kein schadlicher Tag im Sinn des Art. 13 Abs. 5 DBA vor\n(Verstandigungsvereinbarung aaO Tz. 8.1 und 8.2; Hartmann, Die Information\n2006, 705 ff unter 1.2). Warum dies wiederum nach Tz. 6 der\nVerstandigungsvereinbarung bei mehrtagigen Dienstreisen nicht gelten soll, ist\nunter Berucksichtigung der ergangenen Rechtsprechung nicht ersichtlich. Die\nRechtsprechung hingegen verlangt -wie dargelegt- eine mehr als 24-stundige\nAbwesenheit. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach diesen Rechtsgrundsatzen der Rechtsprechung, denen der Senat folgt,\nsind samtliche, nur eintagigen Dienstreisen außerhalb von Frankreich nicht als\nschadliche Tage zu werten, da der Arbeitnehmer jeweils keinen ganzen Tag\nunterwegs war. Dies gilt erst recht, wenn die Dienstreise - was zwischen den\nBeteiligten unstreitig ist - am Sitz des Unternehmens begann oder endete.\nInsofern gilt dies fur die Dienstreisen am 16. Januar, 28. Marz, 28. Mai und\n13. Dezember 2001, 23. Januar, 27. Februar, 23. April, 9. September 2002, 17.\nJanuar, 5. Februar, 24. Juni, 26. Mai, 26. August, 10. Dezember 2003, wobei\ndarin samtliche Dienstreisen nach Frankreich als Ansassigkeitsstaat nicht\nenthalten sind. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 3\\. Die Dienstreisen in den Ansassigkeitsstaat sind nicht als\nNichtruckkehrtage und damit als schadliche Tage zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| a) Das beklagte FA hat deshalb in allen Streitjahren mehr als 45\nNichtruckkehrtage angenommen, weil es die Reisetage nach Frankreich als\nAnsassigkeitsstaat ebenfalls in die Nichtruckkehrtage eingerechnet hat. Dies\nist nach Auffassung des Senats jedoch - entgegen der\nVerstandigungsvereinbarung und der standigen Praxis beider Finanzverwaltungen\n- unzutreffend. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| b) Nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich wird die\nGrenzgangereigenschaft dem Grunde nach daran angeknupft, dass die in einem\nVertragsstaat ansassige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren\nArbeitsort hat, von dort aus taglich an ihren Wohnsitz zuruckkehrt. Diese\nPerson kehrt demzufolge nicht aus dem Ansassigkeitsstaat an den Wohnsitz\nzuruck, sondern von dem Tatigkeitsstaat. Die Ruckkehr nach 13 Abs. 5 DBA-\nFrankreich ist an die Ruckkehr von der Arbeit im Tatigkeitsstaat an den\nWohnsitz im Ansassigkeitsstaat angeknupft. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| c) Die deutsche und die franzosische Finanzverwaltung haben bislang die\nAuffassung vertreten, auch eine Dienstreise (Übernachtung oder Tatigkeit) im\nAnsassigkeitsstaat begrunde einen schadlichen Tag. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| An eine solche Auslegung ist der Senat nicht gebunden, falls diese keine\nzutreffende Rechtsauslegung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich darstellt.\nDiesen Verstandigungsvereinbarungen kommt nach Art. 20 Abs. 3 GG keine\nunmittelbare Gesetzeskraft zu (BFH-Urteil vom 1. Februar 1989 I R 74/86, BFHE\n157, 39, BStBl II 1990, 4) und sind fur die Gerichte keinesfalls bindend (BFH-\nUrteil vom 21. August 1996 I R 80/95 BStBl II 1997, 134). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| d) Die Kommentarliteratur und die Rechtsprechung des BFH gehen davon aus,\ndass schadliche Nichtruckkehrtage nur Arbeitstage sein konnen, insbesondere\nÜbernachtungen außerhalb des Ansassigkeitsstaates infolge Reisetatigkeit oder\nmehrtagiger beruflicher Veranstaltungen. Dabei wird zugrunde gelegt, dass\nTage, die aus beruflichen Grunden im Ansassigkeitsstaat verbracht werden, auch\nbei Nichtruckkehr zum Wohnsitz ebenfalls nicht in die 45-Tage-Grenze\neinzubeziehen sind (BFH-Urteil vom 28. November 2001 I R 100/00, BStBl II\n2001, 633 zum DBA Schweiz; BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 I B 94/01\nBFH/NV 2002, 479 zum DBA Frankreich; Brandis in Wassermeyer/Debatin, Art. 15 a\nAnm. 47; Kempermann, Finanzrundschau -FR- 1994, 564, 566;\nGeiger/Hartmann/Alscher IStR 1994, 9, 12; Zuger in\nGassner/Lang/Lechner/Schuch/Storing, Arbeitnehmer im Recht der\nDoppelbesteuerungsabkommen, Linde-Verlag, Wien, S.190; zum DBA Frankreich:\nKessler/Sinz/Achilles-Puyol, DBA-Kommentar DBA Deutschland/Frankreich, NWB-\nVerlag 2007, Art. 13 BV S.124). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| e) Sinn und Zweck des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich sprechen fur diese\nAuslegung. Diese Bestimmung regelt den Konflikt zwischen Ansassigkeitsstaat\nund Staat des Arbeitsortes. Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich werden die\nEinkunfte fur Einkommen aus unselbstandiger Arbeit grundsatzlich der\nBesteuerung des Tatigkeitsstaates zugeordnet. Bei Grenzgangern weist das\nAbkommen in Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich das ausschließliche\nBesteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zu. Die Besteuerung der Pendler im\nWohnsitzstaat wurde fur die beste Losung gehalten, da die ausschließliche\nBesteuerung im Wohnsitzstaat durch die Gewahrung der durch die mit der\nunbeschrankten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat verbundenen steuerlichen\nEntlastungen fur personliche und familienbezogene steuerliche Vergunstigungen\ndie fur die Pendler gunstigste Losung ist. Das prinzipielle Besteuerungsrecht\nliegt daher beim Wohnsitzstaat. Dann jedoch, wenn der Arbeitnehmer im gesamten\nKalenderjahr mehr als 45 Tage aufgrund der Arbeitsausubung nicht in den\nAnsassigkeitsstaat zuruckkehren kann, sieht das DBA-Frankreich die Bindung des\nArbeitnehmers an den Ansassigkeitsstaat als so gelockert an, dass das\nBesteuerungsrecht dem anderen Staat zusteht und die hieraus erzielten\nEinkunfte aus nichtselbstandiger Tatigkeit im Ansassigkeitsstaat unter\nProgressionsvorbehalt freizustellen sind. Das Besteuerungsrecht des\nWohnsitzstaates bleibt bei dem Arbeitnehmer außerhalb des Art 13 Abs. 5 DBA-\nFrankreich dann nur fur die Tatigkeitstage im Ansassigkeits- und in\nDrittstaaten bestehen (BFH-Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98 BFH/NV\n1999, 1317). Die Auslegung der Finanzverwaltung wurde zu dem Ergebnis fuhren,\ndass eine Tatigkeit im Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht fur den Staat des\nArbeitsortes begrundet (so zum DBA Frankreich: Kessler/Sinz/Achilles-Puyol,\nDBA-Kommentar DBA-Frankreich, NWB-Verlag 2007, Art. 13 BV S.124). Damit wurde\nder Sinn der Nichtruckkehrtage in sein Gegenteil verkehrt. Je mehr Arbeitstage\nim Ansassigkeitsstaat verbracht wurden, um so eher fiele das Besteuerungsrecht\nan die Bundesrepublik. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Bezieht man auch Dienstreisen in den Ansassigkeitsstaat in diesen Wortlaut\nmit ein, so hatte dies zur Folge, dass der Arbeitnehmer umso eher kein\nGrenzganger ware, je mehr Dienstreisen er in den Ansassigkeitsstaat machen\nwurde. Dies widersprache jedoch dem Sinn und Zweck der Abgrenzung zwischen\nTatigkeits- und Ansassigkeitsstaat, da das Besteuerungsrecht nur dann in den\nTatigkeitsstaat abwandern soll, wenn die Beziehung zum Ansassigkeitsstaat\ngelockert wird. Dies ist erst dann der Fall, wenn durch die Anzahl von 45\nNichtruckkehrtagen oder ca. 20% der Tatigkeiten ein erheblicher Teil der\nTatigkeiten berufsbedingt im Tatigkeits- oder in Drittstaaten ausgeubt wird.\nErst dann wird die soziale Einbindung in den Ansassigkeitsstaat durch die\nwirtschaftliche Anbindung an den Arbeitgeber uberlagert und fuhrt erst dann\nzum Wechsel des Besteuerungsrechts. Durch die Tatigkeit im Ansassigkeitsstaat\nwerden jedoch die Beziehungen zu diesem verstarkt, nicht abgeschwacht (so auch\nzum gleichen Problem bei Art. 15 a Abs. 4 DBA Schweiz: Urteil des Senats vom\n1. April 2008 11 K 66/05, Revision zugelassen und eingelegt, zur\nVeroffentlichung bestimmt). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Demzufolge sprechen sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung\ndes Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich dafur, dass entsprechend der zitierten\nRechtsprechung und Literatur Dienstreisen in den Ansassigkeitsstaat nicht zur\nBegrundung von Nichtruckkehrtagen i.S.d. Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich fuhren\nkonnen. Demnach sind folgende ein- und mehrtagige Dienstreisen keine\nschadlichen Tage i. S. d. Grenzgangerregelung: \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| 4\\. Die Tage, an denen der Klager zuruckkehrte, sind entgegen der\nVerstandigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006 aaO ebenfalls nicht als\nschadliche Tage zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| a) Nach der Rechtsprechung des BFH zum DBA Schweiz ist darauf abzustellen,\nob der Arbeitnehmer nach dem Verlassen seiner Arbeitsstelle tatsachlich in den\nAnsassigkeitsstaat zuruckkehrt oder in dem jeweils anderen Vertragsstaat\nbleibt. Im ersten Fall ist der betreffende Arbeitstag Ruckkehrtag i. S. d.\nArt. 15 a Abs. 2 DBA Schweiz. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer tatsachlich\nnicht in den Ansassigkeitsstaat zuruckkehrt, kann ein Nichtruckkehrtag\nvorliegen (BFH-Urteil vom 15. September 2004 I R 67/03 BFHE 207, 452). Nach\ndem BFH-Beschluss vom 25. November 2002 I B 136/02 und dem durch Rucknahme der\nRevision durch die Finanzverwaltung rechtskraftig gewordenen Urteil des FG\nSaarland vom 29. April 2004 Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004,\n1060, konnen schadliche Ruckkehrtage nur ganze Tage sein. Die Ruckkehrtage\nkonnen danach nicht in die Berechnung der 45-Tage-Grenze einbezogen werden,\nwenn die Reisezeit an diesen Tagen nicht einen ganzen Arbeitstag ausmacht\n(Kessler/Sinz/Achilles-Puyol, DBA-Kommentar, Deutschland/Frankreich, aaO).\nNach Auffassung des Senats ist daher, wie auch bei Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA\n- Schweiz, angesichts des gleichen Wortlautes „Ruckkehrtag" aus\nPraktikabilitatsgrunden auf die Übernachtungen außerhalb Frankreichs\nabzustellen (vgl. Sinz/Blanchard IStR 2003, 258; Kessler/Sinz/Achilles-Puyol,\nDBA-Kommentar Deutschland/Frankreich zu Art. 13 Abs. 5 aaO). Nur so wird nach\nAuffassung des erkennenden Senats eine einfache und praktikable Abgrenzung\nmoglich. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| b) Geht man hiervon aus, entfallen auch samtliche Tage als schadliche, an\ndenen der Klager von der jeweiligen Dienstreise zuruckkehrte, gleich, ob er\nsofort zu seinem Wohnort heimfuhr oder zunachst zum Firmensitz fuhr, um von\ndort nach Hause zuruckzufahren. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Im Jahr 2001 fuhr der Klager an folgenden mehrtagigen Dienstreisen nach\nHause, und zwar am 30. Januar, 28. Mai, 30. Oktober 2001, wahrend er an den\nnachfolgend geschilderten Daten jeweils zum Firmensitz zuruckfuhr, namlich am\n3. und 16. Februar, 2. Marz, 17. Marz, 6. und 28. April, 18. Mai, 12. Juni,\n20. und 29. September, 1. und 13. Oktober, 16. und 24. November 2001. Im Jahre\n2002 kehrte er von den nachfolgend genannten mehrtagigen Dienstreisen mit\nAusnahme von Frankreich direkt zu seinem Wohnort zuruck am 28. Marz, 19. Juni,\n6. Dezember, 15. November. An den folgenden Tagen kehrte er von mehrtagigen\nDienstreisen mit Ausnahme von Frankreich zum Firmensitz der Klagerin zuruck,\nund zwar am 15. Januar, 12. und 30. April, 17. und 26. Mai 2002, 3. und 12.\nJuni, 30. April. Im Jahre 2003 kehrte er an den nachfolgend genannten\nmehrtagigen Dienstreisen mit Ausnahme von Frankreich an seinen Wohnsitz\nzuruck, und zwar am 6. und 14. Juni, 5. Dezember. An nachfolgenden Tagen der\nmehrtagigen Dienstreisen mit Ausnahme von Frankreich kehrte der Klager im\nJahre 2003 zur Firma zuruck, und zwar am 19. Februar, 6. Marz, 8. und 16. Mai,\n24. September, 2. und 23. Oktober, 15. und 28. November. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| c) Samtliche Tage, die der Klager im Ansassigkeitsstaat verbrachte, die Tage\nder eintagigen Dienstreisen sowie die Tage der Ruckkehr sind danach keine\nschadlichen Tage i. S. d. Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Von den von der Finanzverwaltung fur das Streitjahr 2001 angesetzten 75 Tage\nsind daher mindestens 18 Tage fur Reisen in den Ansassigkeitsstaat, drei\neintagige Dienstreisen außerhalb von Frankreich und 17 Ruckkehrtage als\nletzter Tag der Dienstreise, insgesamt somit mindestens 38 Tage abzuziehen,\nsodass hochstens 37 schadliche Tage verbleiben. Fur das Streitjahr 2002 sind\nvon den von der Finanzverwaltung angesetzten 66 Tage um 28 Tage fur\nDienstreisen in den Ansassigkeitsstaat, vier Tage fur eintagige Dienstreisen\nohne Frankreich und elf Tage als letzter Tag einer Dienstreise und somit\nRuckkehrtag, insgesamt somit 43 Tage abzuziehen, sodass allenfalls 23\nschadliche Tage verbleiben. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Im Streitjahr 2003 sind die von der Finanzverwaltung angesetzten 65 Tage um\n20 Tage fur Reisen in den Ansassigkeitsstaat, 12 Tage fur den letzten Tag der\nDienstreise als Ruckkehrtage und sieben eintagige Dienstreisen außer\nFrankreich, somit 39 Tage abzuziehen, sodass hochstens noch 26 schadliche Tage\nverbleiben. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 5\\. Daruber hinaus ist nach Auffassung des Senats auch der erste Tag einer\nDienstreise dann nicht als schadlicher Tag anzusehen, wenn die Dienstreise am\nFirmensitz im Grenzgebiet beginnt. Fur eintagige Dienstreisen hat auch der aus\nder Finanzverwaltung stammende Autor Hartmann im Anschluss an die\nVerstandigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006 die Auffassung vertreten, dass\nes fur die Grenzgangereigenschaft entscheidend sein kann, ob der Arbeitnehmer\nfur Fahrten zu den Einsatzorten außerhalb der Grenzzone den direkten Weg von\nzu Hause aus oder den Umweg uber den im Grenzgebiet des Tatigkeitsstaates\nansassigen Arbeitgeber einschlagt. Nach der Verstandigungsvereinbarung sei\nschon der Umweg zum im Grenzgebiet ansassigen Arbeitgeber mit einer\nbegunstigten Arbeitstatigkeit in der Grenzzone gleichzusetzen. Die Fahrt zum\nArbeitgeber verhindere einen schadlichen Karenztag, auch wenn der Grenzganger\nsich anschließend wahrend des gesamten Arbeitstages an Arbeitsorten außerhalb\nder Grenzzone aufhalte und abends direkt nach Frankreich zuruckfahre (zum\nVorstehenden Hartmann in Die Information 2006, 705 ff., 706). Allerdings ist\ninsoweit dann nach Auffassung des Senats ein Widerspruch darin zu sehen, dass\ndies bei mehrtagigen Dienstreisen nicht gelten soll. Das Gleiche muss dann\nauch fur mehrtagige Dienstreisen gelten. Auch dieser Widerspruch spricht nach\nAuffassung des Senats dafur, wie in Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz\nentsprechend der dortigen Formulierung „Nichtruckkehrtag" ebenfalls auf eine\nÜbernachtung abzustellen. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Bezieht man die ersten Tage der Dienstreisen außerhalb von Frankreich, an\ndenen der Arbeitnehmer die Dienstreise am Firmensitz begann mit ein, so\nvermindern sich die schadlichen Tage weiter, und zwar im Jahr 2001 um die Tage\n1.2., 15.2., 1.und 13.3., 2. und 25.4., 17.5., 11.6., 11., 28. und 30.9., 14.\nund 21.11., somit um weitere 13 Tage, im Jahr 2002 um die Tage 14.1., 25.3.,\n8. und 29.4., 16. und 21.,5; 2.,11.6., 13.11., 5.12., somit um 10 Tage und im\nJahr 2003 um die Tage 17.2., 4.3, 7.5., 22. und 29.9., 21.10.,14. und 27.11.,\nsomit um 8 Tage. Fur das Jahr 2001 verbleiben danach hochstens 24, fur das\nJahr 2002 13 Tage und fur das Jahr 2003 hochstens 18 schadliche Tage.\nAngesichts der dargestellten unpraktikablen und muhsamen stundenweisen\nEinzelbetrachtung eines jeden Tages spricht dies nach Auffassung des Senats\ndafur, wie auch beim gleichlautenden DBA Schweiz auf die Anzahl der beruflich\nbedingten Übernachtungen außerhalb der Grenzzone abzustellen, da dies zu\neinfachen Abgrenzungen und praktikablen Ergebnissen fuhrt, die die Interessen\nbeider Staaten und der jeweiligen Steuerpflichtigen berucksichtigt \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren war fur notwendig\nzu erklaren, da es sich um eine schwierige und grundsatzliche Rechtsfrage\nhandelt. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Revision war wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115\nAbs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Auffassung des Senats in Widerspruch zu\nder neuen Verstandigungsvereinbarung mit der franzosischen Steuerverwaltung\nvom 16. Februar 2006 (BStBl I 2006, 304) steht und die bisher dem\nentgegenstehende Rechtsprechung von der deutschen Finanzverwaltung nicht\nangewandt wird. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§\n151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. \n---\n\n
160,073
vg-stuttgart-2008-06-24-4-k-229908
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 2299/08
2008-06-24
2019-01-10 11:48:14
2019-01-17 12:04:54
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragt die Antragstellerin.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag, mit dem die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung\nbegehrt, dass dem Antragsgegner untersagt werde, den Umstand, dass Listeria\nmonocytogenes in einer amtlichen Probe von B.-Salat „F." in Sachsen mit dem\nVerbrauchsdatum 18.05.2008 festgestellt worden sein solle, gemaß Art. 50 der\nVO EG 178/2002 in das Schnellwarnsystem zu melden, hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung\neines vorlaufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhaltnis\nzulassig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhaltnissen, um\nwesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus\nanderen Grunden notig erscheint. Dabei sind die Voraussetzungen des geltend\ngemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) in gleicher Weise glaubhaft zu machen\nwie die Grunde, die die Eilbedurftigkeit der vorlaufigen Regelung bedingen\n(Anordnungsgrund), §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antrag hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil nicht erkennbar ist,\ndass die Weiterleitung des festgestellten Befunds durch den Antragsgegner im\nWege der Schnellwarnmeldung die von der Antragstellerin befurchteten\nNachteile, insbesondere eine Beeintrachtigung ihres geschaftlichen Rufs, mit\nsich bringen konnte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach Art. 50 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europaischen\nParlaments und des Rates vom 28.01.2002 wird ein Schnellwarnsystem fur die\nMeldung eines von Lebensmitteln oder Futtermitteln ausgehenden unmittelbaren\noder mittelbaren Risikos fur die menschliche Gesundheit als Netz eingerichtet,\nan dem die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Behorde (Art. 22 VO Nr.\n178/2002) beteiligt sind. Nach Absatz 2 der genannten Vorschrift werden, wenn\neinem Mitglied des Netzes Informationen uber das Vorhandensein eines ernsten\nunmittelbaren oder mittelbaren Risikos fur die menschliche Gesundheit\nvorliegen, das von Lebens- oder Futtermitteln ausgeht, diese Informationen der\nKommission unverzuglich uber das Schnellwarnsystem gemeldet. Die Kommission\nleitet diese Informationen unverzuglich an die Mitglieder des Netzes weiter.\nEs sind nach Absatz 3 samtliche von den Mitgliedern ergriffenen Maßnahmen zur\nBeschrankung des Inverkehrbringens von Lebensmitteln oder Futtermitteln oder\nzur Erzwingung ihrer Rucknahme vom Markt oder ihres Ruckrufs aus Grunden des\nGesundheitsschutzes in Fallen, in denen rasches Handeln erforderlich ist (a),\nsamtliche Empfehlungen oder Vereinbarungen mit der gewerblichen Wirtschaft,\ndie zum Ziel haben, bei einem ernsten Risiko fur die menschliche Gesundheit,\ndas rasches Handeln erforderlich macht, das Inverkehrbringen oder die\nVerwendung von Lebensmitteln oder Futtermitteln auf freiwilliger Basis oder\ndurch eine entsprechende Auflage zu verhindern, einzuschranken oder besonderen\nBedingungen zu unterwerfen (b) sowie jede mit einem mittelbaren oder\nunmittelbaren Risiko fur die menschliche Gesundheit zusammenhangende\nZuruckweisung eines Postens, eines Behalters oder einer Fracht Lebensmittel\noder Futtermittel durch eine zustandige Behorde an einer Grenzkontrolle\ninnerhalb der Europaischen Union (c) zu melden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Bei Befolgung dieser generellen Informationspflicht ist jedoch die\nEinschrankung des Art. 52 VO (EG) 178/2202 zu beachten. Hierin wird zwar unter\nAbsatz 1 geregelt, dass den Mitgliedern des Netzes vorliegende Informationen\nuber Risiken fur die menschliche Gesundheit in der Regel in Übereinstimmung\nmit dem Informationsprinzip nach Art. 10 VO (EG) 178/2002 der Öffentlichkeit\nzuganglich zu machen sind. Die Öffentlichkeit muss in der Regel Zugang zu\nInformationen uber die Identifizierung des fraglichen Produkts, die Art des\nRisikos und die ergriffenen Maßnahmen haben. Nach Art. 10 VO (EG) 178/2002\nunternehmen die Behorden, wenn ein hinreichender Verdacht besteht, dass ein\nLebens- oder Futtermittel ein Risiko fur die Gesundheit von Mensch oder Tier\nmit sich bringen kann, unbeschadet der geltenden nationalen oder\nGemeinschaftsbestimmungen uber den Zugang zu Dokumenten je nach Art, Schwere\nund Ausmaß des Risikos geeignete Schritte, um die Öffentlichkeit uber die Art\ndes Gesundheitsrisikos aufzuklaren; dabei sind moglichst umfassend das Lebens-\noder Futtermittel, das moglicherweise damit verbundene Risiko und die\nMaßnahmen anzugeben, die getroffen wurden oder getroffen werden, um dem Risiko\nvorzubeugen, es zu begrenzen oder auszuschalten. Diese gesetzliche Regelung\nenthalt ein abgestuftes Informationssystem, das sich an dem auch\neuroparechtlich anzuwendenden Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit orientiert und\neine Information der Öffentlichkeit dann vorsieht, wenn diese uber ein\nGesundheitsrisiko, d.h. zur Abwehr von Gefahren aufzuklaren ist. Im Übrigen\nhaben jedoch die Mitglieder des Netzes dafur Sorge zu tragen, dass ihre\nMitarbeiter und sonstigen Bediensteten in hinreichend begrundeten Fallen\nInformationen, die sie fur die Zwecke dieses Abschnitts erhalten haben und die\nihrer Natur gemaß der Geheimhaltung unterliegen, nicht weitergeben; hiervon\nausgenommen sind Informationen, die aus Grunden des Gesundheitsschutzes\noffentlich bekannt gegeben werden mussen, wenn die Umstande dies erfordern (\nArt. 52 Abs. 1 Satz 3). Dabei darf der Schutz der Geheimhaltung die Weitergabe\nvon Informationen, die fur die Wirksamkeit der Marktuberwachung und der\nDurchsetzungsmaßnahmen im Bereich der Lebensmittel und Futtermittel relevant\nsind, an die zustandigen Behorden nicht verhindern. Behorden, die\nInformationen erhalten, welche der Geheimhaltung unterliegen, gewahrleisten\nderen Vertraulichkeit gemaß Absatz 1 (Art. 52 Abs. 2). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Hieraus ergibt sich, dass die Weiterleitung von relevanten Informationen im\nSinne der Verordnung EG 178/2002 uber das Schnellwarnsystem an die\nMitgliedstaaten noch keine Veroffentlichung, die die von der Antragstellerin\nbefurchteten Schaden mit sich bringen konnte, darstellt. Es kann in diesem\nZusammenhang außer Acht gelassen werden, dass der Antragsgegner selbst die\nentsprechenden Angaben erst an das Bundesamt fur Verbraucherschutz und\nLebensmittelsicherheit ubermittelt, das es seinerseits an die Kommission\nweiterleitet (vgl. §§ 9, 10 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift fur die\nDurchfuhrung des Schnellwarnsystems fur Lebensmittel und Futtermittel sowie\nfur Meldungen uber Futtermittel vom 20.12.2005). Denn es handelt sich vielmehr\nzunachst um eine interne Weiterleitung an eine weitere Behorde, die diese erst\nin die Lage versetzt, ggf. erforderliche weitere Schritte einzuleiten. Eine\nVeroffentlichung ist damit aber nicht zwingend verbunden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Soweit die Antragstellerin die Befurchtung hat, dass in den\nMitgliedsstaaten durch eine entsprechende Veroffentlichung trotz der\naufgezeigten Einschrankungen, die sich am Verhaltnismaßigkeitsgrundsatz\norientieren, Schaden zu erwarten sind, so bleibt es ihr unbenommen, gegenuber\nden Mitgliedstaaten ggf. den jeweiligen nationalen Rechtsschutz in Anspruch zu\nnehmen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Angesichts dessen ist die Frage, ob aus einer im Einzelfall festgestellten\nbakteriellen Verunreinigung einer Produktprobe folgt, dass eine Meldung in das\nSchnellwarnsystem ergeht, fur die Entscheidung des Gerichts nicht von\nBedeutung. \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Risiko einer Veroffentlichung gemaß § 40 LFBG hat die Antragstellerin\nnicht glaubhaft gemacht. Es ist im Übrigen auch vom Antrag, der sich auf die\nWeitermeldung in das Schnellwarnsystem bezieht, nicht umfasst. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Antrag ist deshalb zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
193,978
polgzwe-2008-07-31-1-ss-9608
911
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
polgzwe
Rheinland-Pfalz
Oberlandesgericht
1 Ss 96/08
2008-07-31
2019-02-12 09:35:16
2019-02-12 14:03:51
Urteil
ECLI:DE:POLGZWE:2008:0731.1SS96.08.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts -\nStrafrichters - Pirmasens vom 31. Januar 2008\n\n \n\n \n\na) im Schuldspruch dahin geandert, dass der Angeklagte nach dem Strafbefehl\ndes Amtsgerichts Pirmasens vom 2. Januar 2008 der vorsatzlichen Gefahrdung des\nStraßenverkehrs schuldig ist,\n\n \n\n \n\nb) im Maßregelausspruch klarstellend wie folgt neu gefasst:\n\n \n\n \n\nDem Angeklagten wird fur das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die\nFahrerlaubnis entzogen und sein Fuhrerschein eingezogen. Ihm darf binnen einer\nFrist von weiteren 11 Monaten in der Bundesrepublik Deutschland weder eine\nFahrerlaubnis, noch das Recht, von der auslandischen Fahrerlaubnis wieder\nGebrauch zu machen, erteilt werden.\n\n \n\n \n\n2\\. Die weiter gehende Revision wird verworfen.\n\n \n\n \n\n3\\. Die Landeskasse hat die Kosten des Revisionsverfahrens und die notwendigen\nAuslagen des Angeklagten in diesem Verfahren zu tragen.\n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDer Strafrichter des Amtsgerichts Pirmasens hat gegen den Angeklagten, der\nInhaber eines tschechischen Fuhrerscheins ist, wegen vorsatzlicher Gefahrdung\ndes Straßenverkehrs mit Strafbefehl vom 2. Januar 2008 eine Geldstrafe von 60\nTagessatzen zu je 30,-- € festgesetzt, ihm fur das Gebiet der Bundesrepublik\nDeutschland die Fahrerlaubnis entzogen und seinen Fuhrerschein eingezogen. Er\nhat ferner bestimmt, dass dem Angeklagten binnen einer Frist von weiteren 12\nMonaten in der Bundesrepublik Deutschland weder eine Fahrerlaubnis, noch das\nRecht, von der auslandischen Fahrerlaubnis wieder Gebrauch zu machen, erteilt\nwerden darf. Dagegen hat der Angeklagte form- und fristgerecht Einspruch\neingelegt, den er in der daraufhin anberaumten Hauptverhandlung vom 31. Januar\n2008 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch\nbeschrankte. Ungeachtet dessen hat der Strafrichter den Angeklagten\nausweislich des Sitzungsprotokolls der Hauptverhandlung vom 31. Januar 2008\nwegen fahrlassiger Gefahrdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 60\nTagessatzen zu je 10,-- € verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den\nFuhrerschein eingezogen und eine Sperrfrist fur die Wiedererteilung von 11\nMonaten angeordnet.\n\n2\n\n \n\nMit ihrer gegen dieses Urteil zuungunsten des Angeklagten eingelegten\nSprungrevision beanstandet die Staatsanwaltschaft im Rahmen der erhobenen\nSachruge allein den vom Amtsgericht verkundeten Schuldspruch.\n\n3\n\n \n\nNach Einlegung der Revision hat der Strafrichter am 5. Marz 2008 dahin\nbeschlossen, dass der verkundete Schuldspruch entsprechend der Fassung im\nStrafbefehl auf vorsatzliche Gefahrdung des Straßenverkehrs zu berichtigen\nsei, und hat demgemaß den Schuldspruch des schriftlich abgefassten Urteils\nformuliert.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n4\n\n \n\nDas zulassige Rechtsmittel hat mit seinem eigentlichen Anliegen Erfolg, weil\nder Strafrichter ausweislich der mundlich verkundeten Urteilsformel nicht die\nBindungswirkung hinsichtlich der Schuldform beachtet hat, die durch die\nwirksame Beschrankung des Einspruchs gegen den Strafbefehl eingetreten war;\nsoweit die Revision daruber hinaus - aus Rechtsgrunden notwendigerweise - auch\nden Rechtsfolgenausspruch erfasst, ist sie unbegrundet.\n\n \n\n5\n\n \n\n1) Der Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 5. Marz 2008 ist unzulassig\nund daher unwirksam.\n\n6\n\n \n\nEine Urteilsberichtigung ist nach gefestigter hochstrichterlicher\nRechtsprechung nur dann zulassig, wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt,\ndas sich zwanglos aus klar zutage tretenden Tatsachen ergibt, wenn die\nUrteilsgrunde also offensichtliche Schreibfehler oder ahnliche außere, fur\nalle Beteiligten offenkundige und aus sich heraus erkennbare Unstimmigkeiten\nenthalten. Eine Berichtigung ist hingegen unzulassig, wenn auch nur der\nVerdacht einer nachtraglichen (sachlichen) Änderung und damit einer\nVerfalschung des Urteils entstehen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 236, 237; BGH\nNJW 1991, 1900, jeweils m.w.N.). Daher durfte der im vorliegenden Fall\nbestehende echte Widerspruch zwischen dem Wortlaut der Urteilsformel in der\nSitzungsniederschrift und den Grunden des schriftlichen Urteils nicht im Wege\neiner Berichtigung korrigiert werden. Diese Divergenz stellt vielmehr einen\nmateriell-rechtlichen Fehler dar, der im Revisionsverfahren die Sachruge\nbegrundet (vgl. BayObLG NStZ-RR 1998, 377; BGH StraFo 2007, 380).\n\n \n\n7\n\n \n\n2) Der authentische Wortlaut der Urteilsformel ergibt sich allein aus der nach\n§ 274 StPO maßgebenden Sitzungsniederschrift (vgl. BGHSt 34, 11, 12; BGHR StPO\n§ 274 Beweiskraft 10; BGH NStZ-RR 2002, 100). Soweit der Angeklagte danach\nwegen fahrlassiger Gefahrdung des Straßenverkehrs verurteilt wurde, kann\ndieser Schuldspruch nicht bestehen bleiben, weil infolge der Beschrankung des\nEinspruchs der im Strafbefehl enthaltene Schuldspruch wegen vorsatzlicher\nGefahrdung des Straßenverkehrs in Rechtskraft erwachsen und fur das\nAmtsgericht bindend geworden war.\n\n \n\n8\n\n \n\n3) Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus in entsprechender Anwendung\nvon § 354 Abs. 1 StPO andern, da aufgrund der Einspruchsbeschrankung eine\nandere Verurteilung des Angeklagten aus Rechtsgrunden ausgeschlossen ist (LR-\nHanack StPO 25. Aufl. § 354 Rdnr. 18-20).\n\n \n\n9\n\n \n\n4) Die Revision der Staatsanwaltschaft, obwohl allein zum Zwecke der\nSchuldspruchanderung eingelegt, erfasst notwendigerweise auch den\nRechtsfolgenausspruch des amtsgerichtlichen Urteils; eine Beschrankung allein\nauf den Schuldspruch ist nicht moglich (LR-Hanack a.a.O. § 344 Rdnr. 29; OLG\nZweibrucken VRS 29, 16). Die Schuldspruchanderung lasst den Strafausspruch\nhier aber unberuhrt. Ausweislich ihrer Revisionsbegrundungsschrift beanstandet\ndie Staatsanwaltschaft den Strafausspruch als solchen nicht, zumal dieser\nihrem Schlussantrag in der Hauptverhandlung vom 31. Januar 2008 entsprach und\nsich die Strafzumessung auf die in den schriftlichen Urteilsgrunden\nfestgestellte vorsatzliche Gefahrdung des Straßenverkehrs bezog. Rechtsfehler\nsind insoweit auch nicht zu erkennen. Deshalb bleibt die uber das Ziel einer\nSchuldspruchanderung (notwendigerweise) hinaus gehende Revision ohne Erfolg.\n\n \n\n10\n\n \n\n5) Auch die vom Tatgericht im Urteil festgesetzte Sperrfrist von 11 Monaten\nkann unbeschadet des Zeitablaufs seit der Verkundung des\namtsgerichtgerichtlichen Urteils bestehen bleiben.\n\n11\n\n \n\nZwar beginnt gemaß § 69 a Abs. 5 Satz 1 StGB die Sperrfrist erst mit\nRechtskraft des Urteils zu laufen. In die Frist wird aber die Zeit einer wegen\nder Tat angeordneten vorlaufigen Entziehung der Fahrerlaubnis, der eine\nVerwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme gleichsteht, eingerechnet,\nsoweit sie nach Verkundung des Urteils verstrichen ist, in dem die der\nMaßregel zugrunde liegenden tatsachlichen Feststellung letztmals gepruft\nwerden konnten (§ 69 a Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 StGB). Der tschechische\nFuhrerschein des Angeklagten ist seit dem Tattag (9. Dezember 2007)\nbeschlagnahmt.\n\n12\n\n \n\nDen Maßregelausspruch im Tenor des amtsgerichtlichen Urteils hat der Senat zur\nKlarstellung im Sinne der §§ 69, 69 a, 69 b StGB neu gefasst.\n\n \n\n13\n\n \n\n6) Trotz des Teilerfolgs der Revision entspricht es vorliegend der Billigkeit,\nder Landeskasse in vollem Umfang die Kosten des Rechtsmittels und die\nnotwendigen Auslagen des Angeklagten in diesem Verfahren aufzuerlegen. Denn\nbei richtiger Sachbehandlung durch das Amtsgericht ware die Revision der\nStaatsanwaltschaft allein zum Zwecke der Schuldspruchanderung nicht\nerforderlich gewesen. Der Fehler lag vielmehr allein im Verantwortungsbereich\ndes Gerichts. Das rechtfertigt es, entsprechend § 473 Abs. 4 StPO allein die\nLandeskasse mit den zusatzlich angefallenen Kosten der Revision zu belasten.\n\n
194,009
lagrlp-2008-07-30-8-sa-14308
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
8 Sa 143/08
2008-07-30
2019-02-12 09:36:11
2019-02-12 14:03:56
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2008:0730.8SA143.08.0A
### ![Diese Entscheidung wird\nzitiert ausblenden](/jportal/cms/technik/media/img/prodjur/icon/minus.gif)Diese\nEntscheidung wird zitiert\n\n \n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts\nKaiserslautern vom 28.02.2008, Az.: 8 Ca 882/07, wird kostenpflichtig\nzuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten daruber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die dem\nKlager zustehende Betriebsrente fur die Zeit ab dem 01.7.2006 nach § 16\nBetrAVG anzupassen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Klager war bis zum 31.07.2001 bei der Rechtsvorgangerin der Beklagten, der\nZ GmbH, beschaftigt. Seit dem 01.08.2001 bezieht er eine zuletzt von der\nBeklagten ausgezahlte Betriebsrente nach Maßgabe der Bestimmungen einer\nVersorgungsordnung der Y AG, einer Rechtsvorgangerin der Z GmbH .\n\n \n\n3\n\n \n\nMit seiner am 14.06.2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der\nKlager die Anpassung seiner Betriebsrente von 847,21 € monatlich um den\nAnstieg des Verbraucherindexes, den er mit 4,24 % beziffert.\n\n \n\n4\n\n \n\n**Der Kl ager hat beantragt,**\n\n5\n\n \n\ndie Beklagte zu verurteilen, an ihn 883,13 € seit dem 01.07.2006 nebst 2 %\nZinsen uber dem Basiszinssatz aus dem monatlichen Teilbetrag von 35,92 € seit\ndem 04.11.2006 zu zahlen.\n\n \n\n6\n\n \n\n**Die Beklagte hat beantragt,**\n\n7\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n8\n\n \n\nVon einer Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des\nerstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemaß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.\nInsoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des\nArbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28.02.2008 (Bl. 105 f. d. A.).\n\n \n\n9\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.02.2008 abgewiesen. Zur\nDarstellung der maßgeblichen Entscheidungsgrunde wird auf die Seiten 4-6\ndieses Urteils (= Bl. 107-109 d. A.) verwiesen.\n\n \n\n10\n\n \n\nGegen das ihm am 01.03.2008 zugestellte Urteil hat der Klager am 13.03.2008\nBerufung eingelegt und diese am 17.04.2008 begrundet.\n\n \n\n11\n\n \n\nDer Klager macht im Wesentlichen geltend, entgegen der erstinstanzlichen\nEntscheidung stehe ihm ein Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente zu. Es\nkonne im vorliegenden Fall nicht alleine auf die wirtschaftliche Lage der\nBeklagten abgestellt werden. Es seien namlich die Voraussetzungen des sog.\nBerechnungsdurchgriffs gegeben, da zwischen der Beklagten und dem\nMutterkonzern ... ein verdichtetes Konzernverhaltnis bestehe. Dies ergebe sich\nbereits aus der Existenz des Gewinn- und Ergebnisabfuhrungsvertrages zwischen\nder Beklagten und ihrer ebenfalls konzernzugehorigen Muttergesellschaft, der W\nHolding GmbH. Die Konzernleitungsmacht sei in einer Art und Weise ausgeubt\nworden, die zu der wirtschaftlichen Lage der Beklagten gefuhrt habe. Die an\neine andere konzernzugehorige Gesellschaft durch die Beklagte zu zahlenden\nMieten fur die Service-Center seien nicht marktublich. Diese befanden sich\nuberwiegend in Randgebieten oder in Gewerbegebieten mit einem weitaus\nniedrigeren Mietniveau. In die Geschaftspolitik der Beklagten werde durch den\nMutterkonzern stark eingegriffen. Dies folge bereits aus der Tatsache, dass\nder Geschaftsfuhrer der Beklagten zugleich Vertriebsdirektor der\nMuttergesellschaft sei. Einkaufs- und Verkaufspreise wurden vom Konzern\ndiktiert bzw. zumindest im Konzern abgestimmt. Die Beklagte musse ...-Reifen\nzu vorgegebenen Bedingungen einkaufen und abnehmen, unabhangig davon, ob sich\ndies im Markt durchsetzen ließe. Umgekehrt erhalte die Beklagte von anderen\nReifenherstellern nicht die gunstigsten Preise, da bei den Einkaufsgesprachen\nsozusagen "die Konkurrenz mit am Tisch sitze". Die Vertriebspolitik werde\nzentral von ... fur die gesamte W-Gruppe vorgegeben. Die Beklagte werde im\nLkw-Reifengeschaft gezwungen, ...-Reifen, die der ...-Außendienst verkauft\nhabe, zu vorgegebenen Bedingungen und Preisen zu erwerben und zu montieren.\nDer Mutterkonzern verfolge mit der Beklagten lediglich das Ziel, Marktanteile\nzu erwerben. Dies erfolge ublicherweise bei allen Reifenherstellern durch\nSonderaktionen bzw. Sonderpreise. Soweit eine Handelskette nicht\nkonzerngebunden sei, fordere sie vom Hersteller entsprechende Nachlasse, um\ndiese unter Aufrechterhaltung der eigenen Handelsspanne im Endverbrauchermarkt\nweitergeben zu konnen. Im vorliegenden Fall gewahre ... der Beklagten diese\nSonderkonditionen nicht und lege vielmehr selbst durch den eigenen Außendienst\ndie Preise fur die Endverbraucher (Fuhrunternehmer) fest. Zu berucksichtigen\nsei auch der Umstand, dass der Geschaftsfuhrer der Beklagten gleichzeitig\nVertriebsdirektor der Firma ... sei. Dem Geschaftsfuhrer sei es daher nicht\nmoglich, eine eigenstandige Markt- und Preispolitik fur die Beklagte\nvoranzutreiben, da er die vom Konzern vorgegebenen Preiskonzepte und\nKonditionen zu befolgen habe. Potentielle Gewinne der Beklagten wurden uber\ndie ...-Reifenwerke direkt zur Muttergesellschaft nach Frankreich geleitet.\n\n \n\n12\n\n \n\n**Der Kl ager beantragt,**\n\n13\n\n \n\ndas erstinstanzliche Urteil abzuandern und\n\n \n\n14\n\n \n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, an den Klager ruckstandige Betriebsrente in\nHohe von 933,92 € brutto fur die Zeit vom 01.07.2006 bis 31.08.2008 zu zahlen\nnebst Zinsen in Hohe von 5 %-Punkten uber dem Basiszinssatz aus jeweils 35,92\n€ seit 01.07.2006, 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006,\n01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007,\n01.07.2007, 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007,\n01.01.2008, 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.07.2008 und\n01.08.2008 zu zahlen;\n\n \n\n15\n\n \n\n2\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Klager eine\nmonatliche Betriebsrente in Hohe von 881,13 € brutto zu zahlen.\n\n \n\n16\n\n \n\n**Die Beklagte beantragt,**\n\n17\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen\ngeltend, die Voraussetzungen fur einen Berechnungsdurchgriff auf ihre\nMuttergesellschaft lagen nicht vor. Diesbezuglich fehle es bereits an einem\nausreichend substantiierten Sachvortrag des Klagers, dass die\nKonzernleitungsmacht in einer Weise ausgeubt worden sei, die auf die Belange\ndes abhangigen Tochterunternehmens keine angemessene Rucksicht genommen und so\ndie mangelnde Leistungsfahigkeit des Versorgungsschuldners verursacht habe. Es\ntreffe nicht zu, dass sie - die Beklagte - Mieten an ein konzernzugehoriges\nUnternehmen zahle, die nicht den Marktublichkeiten entsprachen. Zu\nberucksichtigen sei auch, dass sie keineswegs nur ...-Reifen verkaufe, sondern\neine Mehrmarkenstrategie verfolge und daher nicht von einem einzelnen\nLieferanten abhangig sei.\n\n \n\n19\n\n \n\nZur naheren Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird\nauf die von diesen im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsatze,\ndie Gegenstand der mundlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n20\n\n \n\nDie statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und\nbegrundet worden. Das hiernach insgesamt zulassige Rechtsmittel hat in der\nSache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr zu Recht\nabgewiesen.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n21\n\n \n\nDie zulassige Klage ist nicht begrundet. Der Klager hat gegen die Beklagte\nkeinen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente ab dem 01.07.2006.\n\n \n\n22\n\n \n\nDabei kann offen bleiben, ob die Beklagte uberhaupt Versorgungsschuldnerin des\nKlagers geworden ist. Dem konnte entgegenstehen, dass der Klager - soweit\nersichtlich - zu keinem Zeitpunkt bei einem Arbeitgeber beschaftigt war, der\nunter der Bezeichnung der Beklagten firmiert. Der Klager war vielmehr, d. h.\nbis zur Beendigung seines Arbeitsverhaltnisses am 31.07.2001, unstreitig bei\nder Z GmbH beschaftigt. Sofern nach dem Ausscheiden des Klagers ein\nBetriebsubergang nach § 613a BGB von der Z GmbH auf die Beklagte stattgefunden\nhat, so hatte dies nicht zur Folge, dass diese in die Versorgungsanspruche des\nKlagers eingetreten ist. Nach § 613a Abs. 1 BGB tritt namlich der\nBetriebserwerber nur in die Rechte und Pflichten derjenigen\nArbeitsverhaltnisse ein, die im Zeitpunkt des Betriebsubergangs noch bestehen.\n\n \n\n23\n\n \n\nDie Klage erweist sich jedoch auch dann als unbegrundet, wenn man von einer\nPassivlegitimation der Beklagten ausgeht.\n\n \n\n24\n\n \n\n1\\. Die Anpassungsentscheidung der Beklagten ist nach § 16 BetrAVG nicht zu\nbeanstanden. Die Beklagte war wegen der wirtschaftlichen Lage ihres\nUnternehmens zu einer Anpassung der Betriebsrente des Klagers nicht\nverpflichtet.\n\n \n\n25\n\n \n\nGemaß § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung\nder laufenden Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu prufen und\nhieruber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die\nBelange des Versorgungsempfangers und die wirtschaftliche Lage des\nArbeitgebers zu berucksichtigen. In entsprechender Anwendung des § 315 BGB\nhaben die Gerichte fur Arbeitssachen zu uberprufen, ob der Arbeitgeber bei\nseiner Anpassungsentscheidung den ihm eingeraumten Ermessensspielraum\nuberschritten hat.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie Belange des Versorgungsempfangers werden durch den Anpassungsbedarf\nbestimmt. Dieser richtet sich nach dem zwischen Rentenbeginn und\nAnpassungsstichtag eingetretenen Kaufkraftverlust.\n\n \n\n27\n\n \n\nDas Unternehmen darf durch die Betriebsrentenerhohung nicht ubermaßig belastet\nwerden. Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, den Teuerungsausgleich aus den\nErtragen des Unternehmens und dessen Wertzuwachs in der Zeit bis zum nachsten\nAnpassungsstichtag aufzubringen. Die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens\ndarf nicht gefahrdet werden. Beeintrachtigt wird die Wettbewerbsfahigkeit\nnicht nur dann, wenn das Unternehmen nicht mehr uber genugend Eigenkapital\nverfugt, sondern auch dann, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung\nerwirtschaftet wird. Bei einer ungenugenden Eigenkapitalverzinsung reicht die\nErtragskraft des Unternehmens nicht aus. Die angemessene\nEigenkapitalverzinsung besteht aus einem Basiszins und einem Risikozuschlag.\nDer Basiszins entspricht der Umlaufrendite offentlicher Anleihen; der\nRisikozuschlag betragt fur alle Unternehmen einheitlich 2 % (BAG v. 23.05.2000\n- 3 AZR 146/99 - AP Nr. 45 zu § 16 BetrAVG).\n\n \n\n28\n\n \n\nMaßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Anpassungsstichtag. Entscheidend\nist zwar die voraussichtliche kunftige Belastbarkeit des Unternehmens in den\nnachsten drei Jahren. Die wirtschaftliche Entwicklung in der Zeit vor dem\nAnpassungsstichtag liefert aber die benotigten Anhaltspunkte fur die vom\nArbeitgeber zu erstellende Prognose, soweit daraus Schlusse fur die weitere\nEntwicklung des Unternehmens gezogen werden konnen. Die tatsachliche\nwirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag ist insoweit zu\nberucksichtigen, als sie die Prognose bestatigen oder entkraften kann, wobei\nspatere, unerwartete Veranderungen fur die Anpassungspflicht keine Rolle\nspielen (BAG v. 18.02.2003 - 3 AZR 172/02 - AP Nr. 53 zu § 16 BetrAVG). Einen\ngeeigneten Einstieg bei der Prufung der wirtschaftlichen Lage eines\nUnternehmens bieten regelmaßig die handelsrechtlichen Jahresabschlusse (BAG v.\n23.05.2000 - 3 AZR 146/99 - AP Nr. 45 zu § 16 BetrAVG).\n\n \n\n29\n\n \n\nAusgehend von diesen Grundsatzen durfte die Beklagte bei ihrer\nAnpassungsentscheidung berechtigterweise - ohne dabei den ihr insoweit\neingeraumten Ermessensspielraum zu uberschreiten - annehmen, die in ihrem\nUnternehmen zu erwartende Eigenkapitalverzinsung lasse eine Anpassung der\nBetriebsrente des Klagers nach § 16 BetrAVG nicht zu.\n\n \n\n30\n\n \n\nDie Beklagte erwirtschaftete ausweislich der vorgelegten Jahresabschlusse im\nJahr 2003 einen Verlust von 77.667.152,72 €, im Jahr 2004 einen Verlust von\n26.743.978,31 € und im Jahr 2005 einen Verlust von 28.873.971,90 €. Bezuglich\nder zukunftigen Entwicklung enthalt der Lagebericht zum Jahresabschluss fur\ndas Jahr 2005 u. a. folgende Ausfuhrungen: "Wir gehen daher unter den oben\ngenannten Rahmenbedingungen fur die Jahre 2006 und 2007 von einer deutlichen\nVerbesserung beim Umsatz und Ergebnis aus. Der Break Even wird im Jahr 2006\nallerdings noch nicht erreicht." Tatsachlich betrug der Verlust im Jahr 2006\nausweislich des Jahresabschlusses fur das betreffende Jahr 12.583.134,22 €.\nAusweislich des Lageberichts zum Jahresabschluss 2006 war erst fur das Jahr\n2008 ein ausgeglichenes Ergebnis zu erwarten. Im Jahre 2007 erwirtschaftete\ndie Beklagte - unter Zugrundelegung ihres unbestritten gebliebenen\nSachvortrages - erneut einen Verlust. Ausweislich der Lageberichte zu den\nAbschlussen 2003 bis 2006 ubernahm die Muttergesellschaft der Beklagten, die W\nHolding GmbH aufgrund eines Ergebnisabfuhrungsvertrages jeweils die Verluste\nder Beklagten, so dass diese eine ausgeglichenes Ergebnis vorweisen konnte.\n\n \n\n31\n\n \n\nDie Beklagte hat somit in den Jahren 2003 bis 2006 jeweils Millionen-Verluste\nin zweistelliger Hohe hinnehmen mussen. Zwar konnten diese Verluste\nkontinuierlich verringert werden, jedoch blieben sie weiterhin erheblich. Eine\nEigenkapitalverzinsung der Anteilseigner ist bei solch hohen Verlusten\nschlichtweg nicht moglich. In Ansehung der anhaltenden Verlustsituation der\ndrei Jahre vor dem Anpassungsstichtag und der Prognosen fur die Jahre 2006 und\n2007 musste die Beklagte davon ausgehen, dass sie jedenfalls noch in den\nbeiden folgenden Jahren Verluste erwirtschaften werde. Diese negative Prognose\nwurde dann auch tatsachlich bestatigt.\n\n \n\n32\n\n \n\nDie Moglichkeit einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung war somit im\nZeitpunkt der Anpassungsentscheidung nicht gegeben. Die Entscheidung der\nBeklagten, die Betriebsrente des Klagers nicht anzupassen, erweist sich daher\nals ermessensfehlerfrei.\n\n \n\n33\n\n \n\n2\\. Ein Anspruch des Klagers gegen die Beklagte auf eine Erhohung seiner\nBetriebsrente ergibt sich auch nicht aus den Grundsatzen zum sogen.\nBerechnungsdurchgriff wegen konzernrechtlicher Verflechtungen.\n\n \n\n34\n\n \n\nIm Rahmen des § 16 BetrAVG ist grundsatzlich auf die wirtschaftliche Lage des\nVersorgungsschuldners abzustellen. Auf die wirtschaftlichen Verhaltnisse eines\nanderen konzernrechtlich verbundenen Unternehmens kann es nur dann ankommen,\nwenn ein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, auf den sich\nder Klager vorliegend jedoch nicht berufen hat, oder die konzernrechtlichen\nVerflechtungen einen sogen. Berechnungsdurchgriff rechtfertigen (BAG v.\n18.02.2003 - 3 AZR 172/02 - AP Nr. 53 zu § 16 BetrAVG).\n\n \n\n35\n\n \n\nEine konzernrechtliche Verflechtung fuhrt nur dann zu einem\nBerechnungsdurchgriff, wenn eine verdichtete Konzernbindung vorliegt und sich\naußerdem konzerntypische Gefahren verwirklichen. Eine verdichtete\nKonzernbindung liegt vor, wenn entweder ein Beherrschungs- oder\nGewinnabfuhrungsvertrag abgeschlossen wurde oder wenn ein konzernangehoriges\nUnternehmen die Geschafte des Versorgungsschuldners tatsachlich umfassend und\nnachhaltig fuhrt (BAG v. 18.02.2003 - 3 AZR 172/02 -, a. a. O.) Eine\nkonzerntypische Gefahr hat sich verwirklicht, wenn das herrschende Unternehmen\ndie Leitungsmacht in einer Weise ausgeubt hat, die keine angemessene Rucksicht\nauf die Belange der abhangigen Gesellschaft genommen, sondern stattdessen die\nInteressen anderer dem Konzern angehorender Unternehmen oder seinen eigenen\nInteressen in den Vordergrund gestellt hat und dadurch die mangelnde\nLeistungsfahigkeit des Unternehmens verursacht worden ist (BAG v. 18.02.2003,\na. a. O.).\n\n \n\n36\n\n \n\nDie Voraussetzungen fur einen Berechnungsdurchgriff hat der Betriebsrentner\ndarzulegen und im Streitfall zu beweisen. Es gibt weder einen allgemeinen\nErfahrungssatz, dass die wirtschaftliche Lage eines konzernabhangigen\nUnternehmens regelmaßig durch nachteilige, im Konzerninteresse erfolgende\nVorteilsverschiebungen beeintrachtigt werde, noch einen allgemeinen\nErfahrungssatz, dass die Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer\nKapitalgesellschaft deren Geschafte umfassend und nachteilig fuhren.\nAllerdings kommen dem Betriebsrentner Erleichterungen bei der Darlegungslast\nzugute. Fur einen schlussigen, einen Berechnungsdurchgriff rechtfertigenden\nVortrag wird deshalb im Zweifel eine lediglich beispielhafte Darlegung von\nEingriffen im Konzerninteresse und eine plausible Erklarung ausreichen, warum\ndiese Eingriffe nicht nur unwesentlich zur schlechten wirtschaftlichen Lage\ndes Tochterunternehmens beigetragen haben. (BAG v. 04.10.1994 - 3 AZR 910/93 -\nAP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG). Der Betriebsrentner darf sich jedoch nicht auf\nbloße Vermutungen beschranken, sondern muss wenigstens konkrete Tatsachen\nvortragen, die greifbare Anhaltspunkte fur einen Berechnungsdurchgriff liefern\n(BAG v. 18.02.2003 - 3 AZR 172/02 -, a. a. O.).\n\n \n\n37\n\n \n\nZwischen der Beklagten und ihrer Muttergesellschaft, der W Holding GmbH,\nbesteht ein verdichtetes Konzernverhaltnis. Dies folgt bereits aus der\nunstreitigen Existenz eines Gewinnabfuhrungsvertrages.\n\n \n\n38\n\n \n\nDer Klager hat jedoch nicht ausreichend dargetan, dass Eingriffe seitens des\nKonzerns nicht nur unwesentlich zur schlechten wirtschaftlichen Lage der\nBeklagten beigetragen haben. Soweit er behauptet, die Beklagte musse fur ihre\nService-Center uberhohte Mieten an eine konzerneigene Immobiliengesellschaft\nzahlen, so wird dies durch keinerlei konkreten Tatsachen gestutzt. Der Klager\ntragt diesbezuglich lediglich vor, die Mieten seien nicht marktublich bzw. die\nService-Center befanden sich uberwiegend in Randgebieten oder in\nGewerbegebieten mit einem weitaus niedrigeren Mietniveau. Dieses pauschale\nVorbringen erweist sich als unsubstantiiert. Daruber hinaus ist zu\nberucksichtigen, dass - die Richtigkeit der klagerischen Behauptung\nunterstellt - sich der erwirtschaftete Verlust lediglich um die Differenz zur\nangemessenen Durchschnittsmiete verringern wurde und daher in Ermangelung\njeglichen konkreten Tatsachevortrages nicht davon ausgegangen werden kann,\ndass dies zu einer relevanten Veranderung des Betriebsergebnisses fuhren\nkonnte. Auch die Behauptungen des Klagers, der ...-Konzern lege fur die\nBeklagte Einkaufs- und Verkaufspreise fest, rechtfertigt keinen\nBerechnungsdurchgriff. Es ist namlich weder vorgetragen noch ersichtlich,\nwarum die vom Klager diesbezuglich behaupteten Eingriffe bzw. Vorgaben nicht\nnur unwesentlich zur schlechten wirtschaftlichen Lage der Beklagten\nbeigetragen haben. Dies ware nur dann der Fall, wenn sich die betreffenden\nFestlegungen seitens des ...-Konzerns in irgendeiner Weise, z. B. durch\nFestlegung zu hoher Einkaufspreise oder zur niedriger Verkaufspreise negativ\nauf die Gewinnmoglichkeiten der Beklagten auswirken konnten. Hierzu hat der\nKlager nichts Konkretes vorgetragen. Entsprechendes gilt hinsichtlich des\nUmstandes, dass der ...-Konzern in Deutschland einen eigenen Vertriebs-\nAußendienst unterhalt, welcher mit Großkunden (Speditionen) die letztlich\ndurch die Beklagte auszufuhrenden Vertrage unter Festlegung aller Konditionen\nabschließt. Auch hier ist nicht erkennbar, dass dieser Eingriff zu einem\nfinanziellen Nachteil der Beklagten oder sogar mehr als nur unwesentlich zu\nderen schlechten wirtschaftlichen Lage beigetragen hat. Soweit der Klager\ndarauf hinweist, dass der Geschaftsfuhrer der Beklagten zugleich auch\nVertriebsdirektor der Firma ... ist, so bestatigt dieser Umstand lediglich das\nBestehen eines verdichteten Konzernverhaltnisses, sagt jedoch nichts daruber\naus, ob die Konzernleitungsmacht in einer die Beklagte schadigenden Art und\nWeise ausgeubt wurde. Daruber hinaus besteht die Personenidentitat - unter\nZugrundelegung des Vorbringens des Klagers - erst seit dem 01.01.2008, sodass\nbereits von daher nicht ersichtlich ist, wie sich dieser Umstand auf die zum\n01.01.2007 zu treffende Anpassungsentscheidung hat auswirken konnen.\nSchließlich erweist sich die Behauptung des Klagers, potentielle Gewinne der\nBeklagten wurden uber die ...-Reifenwerke direkt zur Muttergesellschaft nach\nFrankreich geleitet, als substanzlos. Es handelt sich dabei um eine bloße\nVermutung, die durch keinerlei konkreten Tatsachen gestutzt wird. Auch\nansonsten bietet das Vorbringen des Klagers keinerlei ausreichende\nAnhaltspunkte fur die Annahme, dass Eingriffe von Seiten des Konzerns zu einem\nfinanziellen Nachteil der Beklagten oder sogar mehr als nur unwesentlich zu\nderen schlechten wirtschaftlichen Lage beigetragen habe. Nicht\nunberucksichtigt bleiben kann letztlich, dass die Muttergesellschaft der\nBeklagten in den Jahren 2003 bis 2006 insgesamt mehr als 100 Millionen Euro an\nVerlusten ubernommen hat. Auch dies spricht gegen die Annahme, der Konzern\nlasse die Interessen der Beklagten unberucksichtigt.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n39\n\n \n\nDie Berufung des Klagers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden\nKostenfolge zuruckzuweisen.\n\n \n\n40\n\n \n\nFur die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2\nArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Moglichkeit, die\nNichtzulassung der Revision selbstandig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a\nArbGG), wird hingewiesen.\n\n
105,828
olgsh-2007-08-07-15-wf-22507
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
15 WF 225/07
2007-08-07
2018-11-24 14:30:16
2019-02-26 18:43:44
Beschluss
ECLI:DE:OLGSH:2007:0807.15WF225.07.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm Prozesskostenhilfe\nversagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 7.\nMai 2007 wird zurückgewiesen.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDer Antragsteller beabsichtigt, den Antragsgegner im Wege einer Stufenklage\nauf Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen.\n\n2\n\n \n\nDer am 21. März 1981 geborene Antragsteller hat nach seinem Abitur zunächst ab\n3. September 2001 Zivildienst geleistet und sodann vier Semester studiert. Er\nhat das Studium der Informations- und Elektrotechnik im Sommer 2003\nabgebrochen, nachdem er festgestellt hatte, dass er mit diesem Studium und der\nsich daraus ergebenden beruflichen Konsequenz überhaupt nicht zurecht kam.\nWährend des Studiums zahlte der Antragsgegner Unterhalt. Von dem Wunsch,\nSozialpädagogik zu studieren, hat der Antragsteller sodann wegen schlechter\nberuflicher Aussichten Abstand genommen. Er hat sich arbeitssuchend gemeldet\nund ergebnislos „diverse“ Bewerbungen geschrieben sowie über das Arbeitsamt\n„diverse“ Fortbildungen gemacht. Vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006\nhat der Antragsteller ehrenamtlich in einem Kinderhort in L. gearbeitet. Seit\ndem 31. August 2006 besucht er die berufsbildende Schule III L. (2-jährige\nBerufsfachschule - Sozialassistent/Sozialassistentin - Schwerpunkt\nSozialpädagogik) mit der Absicht, Erzieher zu werden; diese Neigung habe er\nals richtig für sich entdeckt.\n\n3\n\n \n\nMit dem am 10. Februar 2007 eingegangenen Schriftsatz beantragt der\nAntragsteller Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Stufenklage. Der\nAntragsteller ist der Auffassung, der Antragsgegner sei ihm für die nun\nbegonnene Ausbildung zum Unterhalt verpflichtet.\n\n4\n\n \n\nDas Amtsgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen, auf die\nangefochtene Entscheidung wird verwiesen.\n\n5\n\n \n\nMit seiner rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgt der\nAntragsteller seine Rechtsauffassungen weiter.\n\n6\n\n \n\nDie gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist\nunbegründet.\n\n7\n\n \n\nEs kann dahinstehen, ob der Antragsteller seinen bisherigen Ausbildungsgang\nlückenlos schlüssig dargestellt hat. Daran bestehen Zweifel, denn ausweislich\ndes vom Antragsgegner eingereichten Schreibens des Antragstellers vom 26.\nOktober 2003 hat dieser offensichtlich im Laufe des Studiums gewechselt (das\nStudienfach? die Hochschule?).\n\n \n\n8\n\n \n\nJedenfalls besteht kein Unterhaltsanspruch aus § 1610 Abs. 2 BGB wegen einer\nnicht mehr hinzunehmenden Überschreitung der Orientierungsphase und damit der\nVerletzung der Ausbildungsobliegenheit. Insoweit ist auch keine hinreichende\nErfolgsaussicht für die beabsichtigte Stufenklage gegeben.\n\n9\n\n \n\nDer aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung\neiner angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen\nentsprechenden Berufsausbildung ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der\nVerpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer Berufsausbildung\nsteht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie\nmit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit\naufzunehmen und zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben\nVerzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes\nleichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber\nnachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig\naufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss\nsich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit\nselbst zu verdienen (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. z.B. FamRZ 98, 671\nm.w.N.).\n\n10\n\n \n\nDiese Grundsätze gelten auch hier.\n\n11\n\n \n\nMag man es auch mit dem Antragsteller möglicherweise noch hinnehmen, dass er\nerst im 4. Semester seines Studiums bemerkt hat, dass der eingeschlagene\nAusbildungs- und der sich daran anknüpfende Berufsweg nicht seine Sache war,\nist es jedenfalls unterhaltsrechtlich nicht zu akzeptieren, dass er eine\nseinen Neigungen entsprechende Ausbildung erst drei Jahre später aufgenommen\nhat. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt des Abbruchs seines Studiums bereits\n22 Jahre alt. Er hatte seinerzeit den Antragsgegner wissen lassen, dass er\nwegen Abbruchs der Ausbildung keinen Unterhalt mehr von ihm fordere (Schreiben\nvom 22. Juni 2004). Zum Zeitpunkt der Aufnahme der jetzigen Ausbildung am 31.\nAugust 2006 war der Antragsteller bereits 25 1/2 Jahre alt und damit in einem\nAlter, in dem Eltern im Normalfall nicht mehr damit rechnen müssen, noch auf\nAusbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden.\n\n12\n\n \n\nDer Antragsgegner weist in diesem Zusammenhang auch zu Recht darauf hin, dass\nder Antragsteller seinerzeit den Zivildienst in einem Kindergarten abgeleistet\nhabe, ohne damals offensichtlich die Neigung verspürt zu haben, den Beruf\neines Erziehers zu ergreifen. Es spricht für die mangelnde Entschlusskraft und\nZielstrebigkeit des Antragstellers, wenn er erst nach einer mehr als\nzweijährigen nicht näher beschriebenen Orientierungsphase wieder an das\nBerufsfeld anknüpft, das er bereits während seines Zivildienstes kennen\ngelernt hat.\n\n13\n\n \n\nNach alledem hat das Amtsgericht - Familiengericht - zu Recht\nProzesskostenhilfe versagt.\n\n14\n\n \n\nDie Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).\n\n \n\n
128,189
olgsl-2004-06-11-9-uf-6704
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
9 UF 67/04
2004-06-11
2019-01-07 09:29:42
2019-02-12 14:05:06
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt wird der Beschluss des\nAmtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrucken vom 8. Marz 2004 - 41 F 226/00\nVA - in Ziffer I der Entscheidungsformel teilweise dahingehend abgeandert,\ndass die zu ubertragenden Rentenanwartschaften monatlich 23,08 EUR betragen.\n\nGerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.\n\nDie außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander\naufgehoben. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der\nerstinstanzlichen Entscheidung.\n\nBeschwerdewert: 500 EUR.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDer am Mai 1968 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am September 1975\ngeborene Ehefrau (Antragsgegnerin), beide italienische Staatsangehorige, haben\nam Dezember 1993 die Ehe geschlossen.\n\nSeit Februar 1997 leben die Parteien getrennt. Auf den, dem Ehemann am 27.\nJuli 1998 zugestellten Antrag der Ehefrau hat das Amtsgericht -\nFamiliengericht - in Saarbrucken durch Urteil vom 16. August 1999 - 41 F\n256/98 - u.a. die Trennung der Parteien von Tisch und Bett ausgesprochen.\n\nAuf den der Ehefrau am 10. Mai 2000 zugestellten Scheidungsantrag des\nEhemannes hat das Familiengericht im vorliegenden Verfahren die Ehe der\nParteien unter Anwendung italienischen Scheidungsrechts durch Urteil vom 11.\nNovember 2002 vorab geschieden (rechtskraftig seit 11. November 2002) und die\nelterliche Sorge fur die aus der Ehe hervorgegangene Tochter T. G. M., geboren\nam November 1995, der Ehefrau ubertragen.\n\nIn der abgetrennten Folgesache Versorgungsausgleich hat das Familiengericht\ndurch den angefochtenen Beschluss, auf den erganzend Bezug genommen wird, den\noffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich dahin durchgefuhrt, dass es\nRentenanwartschaften in Hohe von monatlich 18,02 EUR, bezogen auf den 30.\nApril 2000, von dem Rentenversicherungskonto des Ehemannes auf das der Ehefrau\nubertragen hat\n\nMit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde rugt die Landesversicherungsanstalt\n(weitere Beteiligte zu 1), dass das Familiengericht bei der angefochtenen\nEntscheidung entsprechend der erstinstanzlich erteilten Auskunft vom 22.\nDezember 2003 auf Seiten des Ehemannes von ehezeitlich erworbenen\nAnwartschaften von monatlich 101,16 EUR ausgegangen ist. Die der Auskunft\nzugrunde liegende Berechnung sei aber auf der Grundlage der vom\nFamiliengericht angegebenen Ehezeit vom 1. Dezember 1993 bis 30. Juni 1998\nerfolgt. Bei einer Ehezeit vom 1. Dezember 1993 bis 30. April 2000 beliefen\nsich die ehezeitlich erworbenen Rentenanwartschaften des Ehemannes hingegen\nauf monatlich 131,55 EUR.\n\nDie Parteien sind der Beschwerde nicht entgegengetreten.\n\nDie Bundesversicherungsanstalt fur Angestellte (weitere Beteiligte zu 2) hat\nsich den Ausfuhrungen der Landesversicherungsanstalt angeschlossen und fur die\nEhefrau eine neue Auskunft auf der Grundlage einer Ehezeit vom 1. Dezember\n1993 bis 30. April 2000 erteilt.\n\nII.\n\nDie gemaß §§ 621 e, 517, 520 ZPO zulassige Beschwerde der\nLandesversicherungsanstalt ist begrundet und fuhrt zur Abanderung der\nerstinstanzlichen Entscheidung in tenoriertem Umfang.\n\nDie internationale Zustandigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie ist\nauch in den Sachen, deren Verfahren sich - wie hier (§§ 621a Abs. 1 Satz 1,\n621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) - nach den Vorschriften des Gesetzes uber die\nAngelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt, in jeder Lage des\nVerfahrens von Amts wegen zu prufen. Sie ergibt sich aus § 606a Abs. 1 Nr. 2\nZPO, da beide Ehegatten ihren gewohnlichen Aufenthalt im Inland haben. Damit\nist zugleich wegen des sachlichen Bezugs zwischen Ehescheidung und\nVersorgungsausgleich die internationale Zustandigkeit fur die Entscheidung\nuber den Versorgungsausgleich gegeben (BGH, FamRZ 1994, 825ff, m.w.N.).\n\nAuch begegnet es keinen Bedenken, dass das Familiengericht einen\nVersorgungsausgleich nach deutschem Recht durchgefuhrt hat. Zwar unterliegt\nder Versorgungsausgleich nach deutschem internationalen Privatrecht\ngrundsatzlich dem Scheidungsstatut (Art. 17 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz EGBGB).\nDanach ware hier das italienische Recht zur Entscheidung berufen (Art. 17 Abs.\n1 Satz 1 EGBGB i.V. mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, 1. Altern. EGBGB). Nach Art. 17\nAbs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EGBGB ist der Versorgungsausgleich nur durchzufuhren,\nwenn ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt\ndes Eintritts der Rechtshangigkeit des Scheidungsantrags angehoren. Der\nVersorgungsausgleich ist dem italienischen Recht jedoch unbekannt (BGH a.a.O.,\nm.w.N.). Nach dem Scheidungsstatut kann deshalb vorliegend ein\nVersorgungsausgleich nicht stattfinden.\n\nDer Versorgungsausgleich ist hier aber nach deutschem Recht durchzufuhren,\nnachdem die Ehefrau dies beantragt und der Ehemann in der Ehezeit inlandische\nVersorgungsanwartschaften erworben hat und keine Anhaltspunkte dafur\nersichtlich sind, dass die Durchfuhrung der Billigkeit widersprechen konnte\n(Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB).\n\nBei der Durchfuhrung des Versorgungsausgleichs hat das Familiengericht im\nErgebnis zu Recht das Ende der Ehezeit mit dem 30. April 2000 festgestellt.\n\nDenn auch, wenn - wie vorliegend - einem Scheidungsverfahren ein gerichtliches\nTrennungsverfahren nach italienischem Recht vorangegangen ist, ist fur das\nEhezeitende nach § 1587 Abs. 2 BGB allein die Rechtshangigkeit des\nScheidungsantrags und nicht die Rechtshangigkeit des Trennungsantrages\nmaßgeblich, worauf aber das Familiengericht bei der Ermittlung der den\nBeteiligten zu 1) und 2) mitgeteilten Ehezeit zunachst abgestellt hatte (BGH\na.a.O.).\n\nNachdem die erstinstanzlich fur die Parteien bei der\nLandesversicherungsanstalt und der Bundesversicherungsanstalt fur Angestellte\neingeholten Auskunfte von einer Ehezeit vom 1. Dezember 1993 bis 30. Juni 1998\nausgehen, infolge der Eheschließung am 16 Dezember 1993 und der Zustellung des\nScheidungsantrags am 10. Mai 2000 jedoch die Zeit vom 1. Dezember 1993 bis 30.\nApril 2000 als Ehezeit im Sinne von § 1587 Abs. 2 BGB gilt, ist der\nVersorgungsausgleich auf der Grundlage der nachtraglich erteilten Auskunfte\nder Landesversicherungsanstalt vom 26. April 2004 und der\nBundesversicherungsanstalt fur Angestellte vom 18. Mai 2004, die diesem\nUmstand Rechnung tragen, zu regeln.\n\nNach diesen Auskunften, die keinen Anlass zu Bedenken bieten, belaufen sich\ndie ehezeitlichen Rentenanwartschaften des Ehemannes auf insgesamt 131,55 EUR\nund die der Ehefrau auf 85,40 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf den 30.\nApril 2000.\n\nDer Ausgleich zwischen den Parteien ist deshalb nach §§ 1587 b Abs. 1, 1587 a\nAbs. 1 Satze 1 und 2 BGB wie folgt vorzunehmen: \n \n--- \nRentenanwartschaften Ehemann | 131,55 EUR \nRentenanwartschaften Ehefrau | 85,40 EUR \nDifferenz | 46,15 EUR \nhiervon die Halfte | 23,08 EUR \n \nIn dieser Hohe sind Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung\nauf das Versicherungskonto der Ehefrau zu ubertragen.\n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 93 a Abs. 1 ZPO, 8 GKG, 17 a Nr. 1 GKG.\n\nDie Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine\ngrundsatzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung\neiner einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des\nRechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 ZPO).\n\n
128,887
olgsl-2007-01-30-4-u-40906-132
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 U 409/06 - 132
2007-01-30
2019-01-07 09:36:25
2019-02-12 12:12:07
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrucken vom\n16.6.2006, AZ 3 O 122/02, wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zuruckweisung ihres\nweitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Saarbrucken vom\n16.6.2006, AZ 3 O 122/02, abgeandert und wie folgt neu gefasst:\n\na. Das Versaumnisurteil des Landgerichts Saarbrucken vom 20.3.2002, AZ 3 O\n122/02, wird unter Aufhebung im Übrigen mit der Maßgabe aufrecht erhalten,\ndass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an den Klager\n8.668,72 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen\nBasiszinssatz aus 6.565,10 EUR seit dem 19.11.2001, aus 1.498,58 EUR seit dem\n2.01.2002 sowie aus 605,04 EUR seit dem 1.10.2002 zu zahlen.\n\nb. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet\nsind, dem Klager zu 30 % allen weiteren materiellen und unter Berucksichtigung\neiner anrechenbaren Mitverursachung von 30 % allen weiteren immateriellen\nSchaden seines Sohnes U. S. aus dem Verkehrsunfall vom 19.5.2001 in I.,\nKreuzung <Straße> zu ersetzen, soweit die Anspruche nicht auf sonstige Dritte\nubergegangen sind.\n\nc. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n3\\. Die Beklagten tragen vorab als Gesamtschuldner die Kosten ihrer Saumnis.\nVon den verbleibenden Kosten des Rechtsstreits tragen der Klager 80 % und die\nBeklagten als Gesamtschuldner 20 %.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der jeweilige\nVollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in\nHohe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,\nwenn nicht der jeweilige Vollstreckungsglaubiger vor der Vollstreckung\nSicherheit in Hohe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n6\\. Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 55.537,94 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDie Parteien streiten uber die Einstandspflicht der Beklagten fur einen\nVerkehrsunfall vom 19.5.2001.\n\nAm Unfalltag gegen 20:00 Uhr befuhr der Sohn des Klagers, der Zeuge U. S., mit\ndem Motorrad des Klagers die Straße von der Ortsmitte I. kommend in Richtung\nW.. An der Kreuzung zur Straße B. wollte er nach links abbiegen. Aus der\nGegenrichtung kam ihm dabei der vom Erstbeklagten gefuhrte und bei der\nZweitbeklagten haftpflichtversicherte PKW entgegen. Der Erstbeklagte wollte\ngeradeaus in Richtung Ortsmitte I. fahren. Er passierte hierbei in Hohe der\nEinmundung B. ein rechts von ihm stehendes Motorrad. Unmittelbar danach kam es\nzur Kollision mit dem gerade im Abbiegevorgang befindlichen Motorrad des\nKlagers.\n\nInfolge des Unfalls wurde das Motorrad des Klagers stark beschadigt (gesamter\nSachschaden: 10.203,28 DM = 5.216,85 EUR). Sein Sohn erlitt erhebliche\nVerletzungen u.a. am rechten Bein und er musste stationar behandelt werden.\nSeine unfallbedingten Anspruche hat er im Ganzen an den Klager abgetreten.\n\nDer Klager hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hatten fur die\nUnfallfolgen alleine aufzukommen. Er hat behauptet, sein Sohn sei gemeinsam\nmit zwolf weiteren Motorradfahrern zusammen unterwegs gewesen. Damit die\nGruppe beim Linksabbiegen in die Straße B. zusammenbleibe, habe der Zeuge H.\nsein Motorrad quer auf die entgegenkommende Geradeausspur der ...-Straße\ngestellt und die Spur vollstandig blockiert. Nachdem etwa 10 Motorradfahrer\naus der Gruppe abgebogen seien, habe sich der Erstbeklagte genahert, der dem\nMotorrad des Zeugen H. uber die Fahrspur fur die Linksabbieger ausgewichen\nsei. Infolge der unfallbedingten Verletzungen leide sein Sohn standig unter\nSchmerzen im rechten Knie und musse taglich Schmerzmittel mit erheblichen\nNebenwirkungen einnehmen. Das rechte Bein werde seine fruhere\nFunktionstuchtigkeit nicht mehr erreichen. Zudem sei seinem Sohn unfallbedingt\ndie Arbeitsstelle gekundigt worden und er sei bislang immer noch nicht in der\nLage, seinen Beruf als Gipser und Verputzer auszuuben. Aus diesem Grunde seien\ndie Beklagten zur Zahlung von 20.000,- EUR Schmerzensgeld sowie einer\nmonatlichen Schmerzensgeldrente von 100,- EUR verpflichtet. Sein Sohn habe\nzudem seinen Haushalt in der Zeit vom Unfall bis Ende 2001 uberhaupt nicht\nfuhren konnen. Im Jahr 2002 sei er darin noch zu 30 % beeintrachtigt gewesen.\n\nMit Versaumnisurteil vom 20.3.2002, den Beklagten am 22.4.2002 zugestellt, hat\ndas Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.217,01 EUR\nSachschadensersatz, 4.800,- EUR Haushaltsfuhrungsschadensersatz und 2.556,46\nEUR Schmerzensgeld verurteilt sowie deren Einstandspflicht fur alle\nmateriellen und immateriellen Schaden des Klagers festgestellt, soweit diese\nnicht auf Dritte ubergegangen sind. Hiergegen haben die Beklagten am 6.5.2002\nEinspruch eingelegt.\n\nDer Klager hat (zuletzt) beantragt,\n\n> 1\\. unter Aufrechterhaltung des Versaumnisurteils vom 20.3.2002 die\n> Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Klager ein\n> Schmerzensgeld fur die Verletzungen des Herrn U. S. aus dem Unfall vom\n> 19.5.2001 zuzuglich 5 Prozentpunkte Zinsen uber dem jeweiligen Basiszinssatz\n> seit Rechtshangigkeit zu zahlen, dessen Hohe in das Ermessen des Gerichts\n> gestellt wird;\n\n> 2\\. unter Aufrechterhaltung des Versaumnisurteils vom 20.3.2002\n> festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner alle materiellen und\n> immateriellen Schaden des Herrn U. S. aus dem Unfall vom 19.5.2001 zwischen\n> Herrn U. S. und dem Erstbeklagten zu ersetzen haben, soweit diese nicht auf\n> Dritte mit Ausnahme des Klagers ubergegangen sind;\n\n> 3\\. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Klager eine\n> monatliche Schmerzensgeldrente von 100,- EUR monatlich aufgrund des Unfalls\n> vom 19.5.2001 zwischen Herrn U. S. und dem Erstbeklagten zu zahlen;\n\n> 4\\. unter Aufrechterhaltung des Versaumnisurteils vom 20.3.2002 die\n> Beklagten zu verurteilen, an den Klager 5.217,01 EUR zuzuglich 5\n> Prozentpunkte Zinsen uber dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.8.2001 zu\n> zahlen (Sachschaden);\n\n> 5\\. unter Aufrechterhaltung des Versaumnisurteils vom 20.3.2002 die\n> Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 19.320,93 EUR zuzuglich 5\n> Prozentpunkte Zinsen uber dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von\n> 8.279,33 EUR seit dem 31.12.2001 und aus einem Betrag von 10.591,60 EUR seit\n> dem 30.9.2002 zu zahlen.\n\nDie Beklagten haben beantragt,\n\n> die Klage abzuweisen.\n\nSie haben behauptet, der Erstbeklagte habe nur das vom Sohn des Klagers\ngefuhrte und das rechts in Hohe der Einmundung B. stehende Motorrad gesehen.\nDieses habe nicht die gesamte Geradeausspur der Straße blockiert, sondern\nallenfalls mit der Halfte seines Hinterrades dort hinein geragt. Er habe daher\nnicht auf die Linksabbiegerspur ausweichen mussen, als er das Motorrad\npassiert habe. Der Erstbeklagte habe nicht mit dem Abbiegen des Sohns des\nKlagers rechnen mussen. Wegen dessen groben Verkehrsverstoßes sei jede\nMithaftung der Beklagten ausgeschlossen.\n\nNach Beweisaufnahme zum Unfallhergang durch Zeugenvernehmung und zu den\nVerletzungsfolgen durch Einholung eines medizinisches\nSachverstandigengutachtens hat das Landgericht mit Urteil vom 16.6.2006 (GA I\n235 ff.), auf dessen tatsachliche Feststellungen gemaß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr.\n1 ZPO verwiesen wird, das Versaumnisurteil vom 20.3.2002 zum Großteil\naufgehoben. Das Landgericht hat unter Annahme einer Haftungsverteilung von\n30/70 zu Lasten des Sohnes des Klagers die Feststellung der 30 %igen\nErsatzpflicht der Beklagten fur alle Unfallschaden des Zeugen U. S.\nausgesprochen und die Beklagten zur Zahlung von 30 % des materiellen Schadens\nverurteilt sowie zu einem Schmerzensgeld von 5.000,- EUR und einer\nSchmerzensgeldrente von monatlich 35,- EUR. Zur Begrundung hat das Landgericht\nim Wesentlichen ausgefuhrt, dass der Unfall auf einen massiven\nVorfahrtsverstoß des Sohnes des Klagers zuruckzufuhren sei. Aber auch der\nErstbeklagte hatte die Motorradkolonne und einige entgegen kommende Motorrader\nauf der Abbiegespur sehen konnen und sich gedulden mussen, anstelle die\nVorfahrt zu erzwingen, obgleich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Zeuge\nH. die Geradeausspur in Richtung I. nicht komplett abgesperrt habe und der\nErstbeklagte auch nicht uber die Linksabbiegerspur gefahren sei.\n\nHiergegen richten sich die (Erst-)Berufung des Klagers und die\n(Zweit-)Berufung der Beklagten.\n\nDer Klager wendet sich vornehmlich gegen die Haftungsverteilung zu seinen\nLasten. Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass der\nErstbeklagte die von ihm befahrene Geradeausspur nicht verlassen habe. Nach\nden Aussagen der vernommenen Zeugen sei dies nicht nachvollziehbar, weil\neinzig ein Zeuge, der Zeuge M., entsprechendes ausgesagt habe. Die ubrigen\nZeugen hatten aber die Darstellung des Klagers bestatigt. Hinzu komme, dass\nder Erstbeklagte infolge der Sperrung seiner Fahrbahn durch den Zeugen H.\nuberhaupt keine Vorfahrt mehr gehabt habe. Der Sohn des Klagers habe daher\nkeinen Vorfahrtsverstoß begangen. Zudem habe der Zeuge H. dem Erstbeklagten\nnoch ein Zeichen gegeben, damit dieser langsam fahre. Er wiederholt ansonsten\nseine Vorstellungen zur angemessenen Hohe des Schmerzensgeldes von 20.000,-\nEUR und der Schmerzensgeldrente von 100,- EUR. Soweit das Landgericht von\neinem taglichen Arbeitseinsatz im Haushalt von drei Stunden zu je 15,- EUR\nausgehe, sei dies zutreffend, allerdings seien alle sieben Wochentage und\nnicht nur fur funf, wie vom Landgericht angenommen, anzurechnen.\n\n**Der Kl ager beantragt,**\n\n> **1\\. unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbr ucken\n> vom 16.6.2006, AZ: 3 O 122/02, die Beklagten unter Aufrechterhaltung des\n> Versaumnisurteils vom 20.3.2002 des Landgerichts Saarbrucken, AZ: 3 O\n> 122/02, zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Klager ein Schmerzensgeld\n> fur die Verletzungen des Herrn U. S. aus dem Unfall vom 19.5.2001 zuzuglich\n> 5 Prozentpunkten Zinsen uber dem jeweiligen Basiszinssatz seit\n> Rechtshangigkeit zu zahlen, dessen Hohe in das Ermessen des Gerichts\n> gestellt wird;**\n\n> **2\\. unter Aufrechterhaltung des Vers aumnisurteils vom 20.3.2002\n> festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner alle materiellen und\n> immateriellen Schaden des Herrn U. S. aus dem Unfall vom 19.5.2001 zwischen\n> Herrn U. S. und dem Erstbeklagten zu ersetzen haben, soweit diese nicht auf\n> Dritte mit Ausnahme des Klagers ubergegangen sind;**\n\n> **3\\. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kl ager eine\n> monatliche Schmerzensgeldrente von 100,- EUR monatlich aufgrund des Unfalls\n> vom 19.5.2001 zwischen Herrn U. S. und dem Erstbeklagten zu zahlen;**\n\n> **4\\. unter Aufrechterhaltung des Vers aumnisurteils vom 20.3.2002 die\n> Beklagten zu verurteilen, an den Klager 5.217,01 EUR zuzuglich 5\n> Prozentpunkte Zinsen uber dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.8.2001 zu\n> zahlen (Sachschaden);**\n\n> **5\\. unter Aufrechterhaltung des Vers aumnisurteils vom 20.3.2002 die\n> Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 19.320,93 EUR zuzuglich 5\n> Prozentpunkte Zinsen uber dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von\n> 8.279,33 EUR seit dem 31.12.2001 und aus einem Betrag von 10.591,60 EUR seit\n> dem 30.9.2002 zu zahlen.**\n\n**Die Beklagten beantragen,**\n\n> **die Berufung des Kl agers zuruckzuweisen.**\n\n**Mit ihrer (Zweit-)Berufung beantragen die Beklagten,**\n\n> **das Urteil des Landgerichts Saarbr ucken vom 16.6.2002, AZ: 3 O 122/02,\n> abzuandern und die Klage abzuweisen.**\n\n**Der Kl ager beantragt,**\n\n> **die Berufung der Beklagten zur uckzuweisen.**\n\nDie Beklagten wenden sich ebenfalls gegen die Haftungsverteilung des\nLandgerichts. Alleine aus dem Umstand, dass teilweise auf der rechten Seite\nein Motorrad gestanden habe, sei fur den Erstbeklagten nicht zu erkennen\ngewesen, dass der Sohn des Klagers seiner Wartepflicht nicht nachkommen werde.\nFur den Erstbeklagten stelle sich der Unfall daher als unvermeidbar dar,\njedenfalls trete die Betriebsgefahr hinter den massiven Vorfahrtsverstoß\nzuruck. Daruber hinaus seien die Voraussetzungen fur die Zubilligung einer\nSchmerzensgeldrente nicht erfullt und die Hohe des Haushaltsfuhrungsschadens\nsei im Hinblick auf den vom Landgericht angenommenen Stundensatz von 15,- EUR\nweit ubersetzt. Der Feststellungsausspruch sei im Übrigen unzulassig, weil der\nSohn des Klagers seine Anspruche bereits an den Klager abgetreten habe und ihm\ndaher keine Anspruche mehr zustunden. Jedenfalls musse sich die Feststellung\nihrer Ersatzpflicht nur auf die zukunftigen Schaden beschranken, weil der\nKlager gegenwartige Schaden beziffern konne. Hinzu komme, dass die\nFormulierung des landgerichtlichen Feststellungstenors Überschneidungen zu den\nubrigen im Urteil bereits zugesprochen Anspruchen aufweise.\n\nHinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen sowie des\nErgebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts\nvom 20.2.2002 (GA 30f.), 20.3.2002 (GA 34f.), 21.8.2002 (GA 55ff.), 18.9.2002\n(GA 71f.), 23.10.2002 (GA 88f.), 12.11.2003 (GA 127f.), 17.3.2005 (GA 204f.)\nund 1.6.2006 (GA 232f.), das schriftliche Gutachten des Sachverstandigen Prof.\nDr. K. vom 13.4.2004 (GA 147ff.), dessen Erganzungen vom 24.8.2004 (GA 192ff.)\nund 27.9.2004 (GA 197ff.) und auf die Sitzungsniederschrift des Senats vom\n9.1.2007 (GA 309ff.) Bezug genommen sowie auf die Akte AZ 67 Js 1468/01 der\nStaatsanwaltschaft Saarbrucken, die zu Informationszwecken beigezogen und zum\nGegenstand der mundlichen Verhandlung gemacht worden ist.\n\n**II.**\n\nDie form- und fristgerecht eingelegte zulassige (Erst-)Berufung des Klagers\nist nicht begrundet; die form- und fristgerecht eingelegte zulassige\n(Zweit-)Berufung der Beklagten ist lediglich teilweise hinsichtlich des\nHaftungsumfanges begrundet.\n\n1\\. Die Berufung des Klagers ist nicht begrundet. Die angefochtene\nEntscheidung beruht zu seinen Lasten auf keiner Rechtsverletzung i.S.d. § 546\nZPO und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine\ndem Klager gunstigere Entscheidung. Ebenso bleibt der Berufung der Beklagten\nder Erfolg versagt, soweit sie sich gegen ihre grundsatzliche Einstandspflicht\nund die Haftungsverteilung des Landgerichts wenden.\n\na. Die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten und die\nHaftungsverteilung ist nicht zu beanstanden.\n\nErsatzanspruche wegen des Verkehrsunfalls vom 19.5.2001 stehen dem Klager\ngegen die Beklagten als Gesamtschuldner - teilweise aus abgetretenem Recht\nseines Sohnes - gemaß den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 Satz 2, 18 Abs. 1 und 3 StVG\ni.d.F. vor dem 1.8.2002 (fortan: StVG-aF), § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVersG nur\nunter Beachtung einer Mitverantwortung seines Sohnes von 70 % zu.\n\nNach den tatsachlichen Feststellungen des Landgerichts, an die das\nBerufungsgericht gemaß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden ist, weil sie\nrechtsfehlerfrei getroffen worden sind und keine konkreten Anhaltspunkte\nZweifel an der Richtigkeit und Vollstandigkeit begrunden, wurde beim Betrieb\ndes bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges sowohl das im\nEigentum des Klagers stehende Motorrad stark beschadigt als auch sein Sohn\nerheblich verletzt.\n\nDas Unfallereignis stellte sich dabei fur keinen der Beteiligten als\nunabwendbar i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG-aF dar. Nach der Rechtsprechung ist ein\nEreignis dann im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG-aF unabwendbar, wenn es auch durch\naußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGHZ 117, 337). Gefordert wird\nzwar nicht die absolute Unvermeidbarkeit, jedoch ein an durchschnittlichen\nVerhaltensanforderungen gemessenes ideales, also uberdurchschnittliches\nVerhalten (BGH, NJW 86, 183). Dazu gehort sachgemaßes, geistesgegenwartiges\nHandeln uber den gewohnlichen und personlichen Maßstab hinaus, wobei alle\nmoglichen Gefahrenmomente zu berucksichtigen sind (BGHZ 113, 164). Bei\nunvorhergesehenen Gefahren ist auch dem „Idealfahrer" eine sog. Schreckzeit\nzuzubilligen (BGH, VersR 64, 753), falls er nicht durch sein Verhalten vor\nEintritt der Gefahrenlage deren Auftritt hatte vermeiden konnen (BGHZ 117,\n337). Nach dem Zweck des § 7 Abs. 2 StVG-aF ist der Schadiger daher von\nSchaden freizustellen, die sich auch bei vorsichtigem Vorgehen nicht vermeiden\nlassen (BGHZ 105, 65, 69; DAR 05, 263).\n\nDiesen strengen Anforderungen genugten die Beteiligten nicht. Im Gegenteil:\nSowohl der Sohn des Klagers (aa.) als auch der Erstbeklagte (bb.) haben den\nVerkehrsunfall vom 19.5.2001 schuldhaft verursacht.\n\naa. Dem Sohn des Klagers ist ein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 StVO anzulasten,\nweil er als Linksabbieger dem ihm entgegenkommenden Erstbeklagten nicht den\ngebotenen Vorrang eingeraumt hat. Dies gilt ungeachtet dessen, ob die\nGeradeaus-Spur des Begegnungsverkehrs durch den Zeugen H. komplett blockiert\nwar oder, wie das Landgericht festgestellt hat, ob lediglich ein Teil des\nHinterrades seines Motorrades in die Geradeausspur hineinragte. Selbst wenn\ndem Vortrag des Klagers folgend eine komplette Blockade der gesamten Fahrspur\nunterstellt wurde, ließe dies den Vorrang des entgegenkommenden Verkehrs nicht\nentfallen.\n\nDessen Vorrang konnte allenfalls dann ausgeschlossen gewesen sein, wenn die\nvom Erstbeklagten befahrene Straße fur den Fahrzeugverkehr wirksam gesperrt\ngewesen ware. Denn das Vorrecht des Gegenverkehrs setzt begrifflich das Recht\nzum Fahren voraus, welches im Falle einer Straßensperrung fehlt (vgl. fur die\nVorfahrt nach § 8 StVG: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, § 8 StVO\nRn. 25). Mit der behaupteten Blockade der Geradeaus-Spur durch den Zeugen H.\nwar mangels dessen Berechtigung jedoch keine rechtswirksame Sperrung erfolgt.\nEs obliegt einzig den Straßenverkehrsbehorden und der Polizei gemaß den §§ 44,\n45 StVO verkehrsregelnd einzuschreiten, die Benutzung bestimmter\nStraßenstrecken zu beschranken oder gar zu verbieten. Der einzelne\nVerkehrsteilnehmer darf sich diese Befugnisse nicht anmaßen, erst recht nicht,\num Gruppeninteressen wie das Zusammenbleiben einer Motorradkolonne gegenuber\nanderen Verkehrsteilnehmern zu erzwingen.\n\nEbenfalls ist es fur die Frage seines Vorranges ohne Belang, ob der\nErstbeklagte in den Kreuzungsbereich uber die Spur fur die Linksabbieger\neingefahren ist oder uber die Geradeausspur. Wegen der vorrangigen Bedeutung\nder Durchfahrregelung erstreckt sich die Pflicht des Linksabbiegers, den\nGegenverkehr passieren zu lassen, namlich auf den gesamten entgegenkommenden\nGeradeausverkehr. Sie gilt auch gegenuber etwa zu weit links Fahrenden\n(Hentschel, a.a.O., § 9 Rn. 39) und der Linksabbieger darf nicht einmal ohne\nweiteres mit der Beibehaltung des Fahrstreifens durch entgegenkommende\nFahrzeuge rechnen (Hentschel, a.a.O.). Im Streitfall gilt all dies und die\nPflicht zu warten schon deshalb, weil der Sohn des Klagers um das\neigenmachtige Blockieren durch den Zeugen H. wissen musste - ein Blockieren,\ndas in dieser Weise nicht zum ersten Mal erfolgt ist, wie das Landgericht nach\ndem Ergebnis der Zeugenvernehmung zutreffend und von der (Erst-)Berufung\nunangegriffen festgestellt hat. Fur den Klager hatte sich daher der Gedanke\naufdrangen mussen, dass sich nicht jeder Verkehrsteilnehmer dem eigenmachtigen\nEingriff in den Straßenverkehr beugen und anhalten, sondern u.U. auch\nversuchen wurde, das geschaffene Hindernis schlicht zu passieren, und sei es\ndurch ein Ausweichen auf die linke Spur.\n\nDafur, dass der Verstoß gegen § 9 Abs. 3 StVO auch schuldhaft erfolgt ist,\nspricht bereits der Beweis des ersten Anscheins (BGH, NZV 2005, 249). Denkbar\nware eine Erschutterung dieses Anscheinsbeweises allenfalls bei der\nFeststellung einer stark uberhohten Geschwindigkeit des Geradeausfahrers, wenn\ner vom Linksabbieger zu Beginn des Abbiegevorgangs noch so weit entfernt war,\ndass er gar nicht zu erkennen oder aber ein gefahrloses Abbiegen aus Sicht des\nLinksabbiegers noch moglich war. Derartiges ist im Streitfall weder dargetan\nnoch ersichtlich.\n\nDer Sohn des Klagers hat zwar anlasslich seiner Zeugenvernehmung ausgesagt, er\nhabe den Erstbeklagten vor dem Zusammenstoß nicht wahrnehmen konnen (GA I 64).\nAus welchen Grunden diese Wahrnehmungsmoglichkeit gefehlt haben soll, ob dies\ninsbesondere nicht etwa nur aufgrund einer nahe liegenden eigenen\nUnachtsamkeit infolge seines unberechtigten Vertrauens auf das Anhalten des\nGegenverkehrs geschah, wird nicht dargetan. Ansonsten bietet weder die\nZeugenbefragung noch der Parteivortrag Anlass fur die Annahme eines zu\nschnellen Fahrens durch den Erstbeklagten.\n\nbb. Auch der Erstbeklagte hat durch sein Fahrverhalten den Unfall schuldhaft\nmitverursacht. Hierfur genugt zwar nicht ein mogliches Befahren der\nLinksabbiegerspur, da ein Verstoß des Entgegenkommenden gegen das\nRechtsfahrgebot nicht den Abbieger schutzt (KG, DAR 74, 232;\nJaniszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Auflage 2006, § 9 StVO\nRn. 31) und selbst die Benutzung eines Sonderfahrstreifens durch den\nEntgegenkommenden dessen Vorrecht nicht beseitigt (OLG Stuttgart, DAR 95, 32;\nOLG Hamm, NZV 01, 428).\n\nDer Erstbeklagte hat indessen schuldhaft gegen den aus der Grundregel des\nStraßenverkehrs (§ 1 Abs. 2 StVO) entspringenden Grundsatz der doppelten\nSicherung verstoßen. Hiernach hat jeder Verkehrsteilnehmer zur Verhutung von\nSchaden durch Beachtung der gebotenen Vorsicht dazu beizutragen, dass bei\ngefahrlichen Verkehrsvorgangen und auch Fehler anderer ein drohender Unfall\nnoch verhindert wird (Janiszewski/Jagow/Burmann, a.a.O., § 1 StVO Rn. 22). Zu\nsolchen Vorkehrungen sind unabhangig voneinander beide Verkehrsteilnehmer\nverpflichtet, obwohl es zur Vermeidung eines Unfalles ausreichen wurde, wenn\nnur einer der beiden Beteiligten die ihm moglichen Sicherungsvorkehrungen\ntrifft (BayObLG, VRS 16, 66, 68). Der Grundsatz der doppelten Sicherung\nbedeutet allerdings nicht, dass der Fahrzeugfuhrer von vornherein mit jedem\ndenkbaren verkehrswidrigen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen und\nseine Fahrweise darauf einstellen muss, insbesondere mit einem solchen, das\naußerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Er muss vielmehr nach dem\nVertrauensgrundsatz nur mit den Fehlern anderer rechnen, die nach den\nUmstanden bei verstandiger Wurdigung als moglich zu erwarten sind (BayObLG NZV\n89, 121; OLG Hamm NZV 93, 66). Der Vertrauensgrundsatz versagt aber gegenuber\neinem anderen Verkehrsteilnehmer, wenn sich dieser erkennbar verkehrswidrig\nverhalt, jedenfalls insoweit, als gerade im Hinblick auf den begangenen Fehler\ndes anderen eine weitere damit zusammenhangende Verkehrswidrigkeit erwartet\nwerden muss (BGH VRS 26, 331). Gleiches gilt in unklaren Verkehrslagen\n(Janiszewski/Jagow/Burmann, a.a.O., § 1 StVO Rn. 26). Daher hat in\nLinksabbiegesituationen wie der vorliegenden der prinzipiell bevorrechtigte\nGeradeausverkehr, wenn er erkennen kann, dass sein Vorrecht missachtet wird\noder aber wenn die Verkehrslage unklar ist, seine Fahrweise anzupassen, ggf.\nanzuhalten und den Verkehrsverstoß des Linksabbiegers sogar hinzunehmen. Er\ndarf sich sein Vorrecht vor dem Linksabbieger keinesfalls erzwingen\n(Hentschel, a.a.O.).\n\nDem hat der Erstbeklagte nicht genugt. Selbst wenn der Zeuge H. nicht die\ngesamte Geradeausspur blockiert haben und der Erstbeklagte nicht uber die\nLinksabbiegerspur gefahren sein sollte, bestand im Streitfall zumindest eine\nunklare Verkehrslage, in der mit dem Abbiegen des ihm Entgegenkommenden zu\nrechnen war. Denn der Erstbeklagte hat den Zeugen H. auf dessen Motorrad\njedenfalls am rechten Fahrbahnbereich wahrnehmen mussen, der ihm zudem ein\nHandzeichen zum Verlangsamen gemacht hat, wie der Zeuge H. anlasslich seiner\nBefragung am 21.8.2002 (GA I 62) glaubhaft ausgesagt hat. Hierauf hat der\nKlager auch in seiner Berufungsbegrundung verwiesen (GA II 292), ohne dass die\nBeklagten dem entgegen- getreten waren. Da der Erstbeklagte nicht davon\nausgehen durfte, dass der Zeuge H. grundlos mit seinem Motorrad am Rand der\nFahrbahn steht und dem Fahrzeugverkehr Handzeichen macht, hatte er sich zu\nbesonderer Achtsamkeit und Vorsicht veranlasst sehen mussen, anstelle seine\nFahrt mit unveranderter Geschwindigkeit fortzusetzen. Dies belegt\neindrucksvoll die glaubhafte Aussage des Zeugen M.. Danach stellte sich fur\nden Zeugen M. das Verhalten der Motorradfahrer so dar, dass er stehen bleiben\nsollte, damit die Motorradfahrer geschlossen abbiegen konnten, obwohl er auch\nauf der Vorfahrtstraße fuhr. Da der Erstbeklagte unmittelbar vor dem Zeugen M.\nfuhr, ist nicht ersichtlich, weshalb bei gebotener Aufmerksamkeit der durch\ndie Motorradfahrer auf den Erstbeklagten wirkende Eindruck ein anderer hatte\nsein konnen als der beim Zeugen M..\n\ncc. In der Abwagung der beiderseitigen Verursachungsanteile wiegt jedoch der\nSorgfaltsverstoß des Erstbeklagten weitaus weniger als die Verkehrswidrigkeit\ndes Sohnes des Klagers. Bei einer Kollision mit dem Geradeausfahrer haftet der\nLinksabbieger grundsatzlich allein (Hentschel, a.a.O., § 9 StVO Rn. 55). Im\nStreitfall ist hiervon allein wegen der Besonderheit abzuweichen, dass der\nErstbeklagte die erkennbaren Anzeichen einer Verkehrswidrigkeit des\nLinksabbiegers ganzlich unbeachtet gelassen und auf sein Vorrecht beharrt hat.\nGerade die Gefahren des Straßenverkehrs erfordern es jedoch, dass sich jeder\nVerkehrsteilnehmer mit den ihm zustehenden Rechten zurucknimmt, mag das\nVerhalten des anderen noch so dreist und argerlich sein. Dies gebietet es, den\nbereits durch die Betriebsgefahr des Fahrzeuges mit rund 25 % zu bemessenden\nHaftungsanteil der Beklagten nicht weiter zu beschranken, sondern auf\nangemessene 30 % zu erhohen. Eine weitere Anhebung wurde dem Umstand nicht\ngerecht, dass der Sohn des Klagers unter Ausnutzung der verkehrswidrig\ngeschaffenen Blockade des Zeugen H. abbiegen und sich aus unberechtigtem\nAnlass ein ihm nicht zustehendes Vorrecht verschaffen wollte.\n\nb. Aus diesem Grunde stehen dem Klager lediglich Zahlungsanspruche von\n8.668,68 EUR zu.\n\naa. Dies sind zunachst 30 % des unstreitigen Sachschadens (5.217,01 EUR),\nmithin 1.565,10 EUR .\n\nbb. Hinzu kommt - aus abgetretenem Recht seines Sohnes - ein\nHaushaltsfuhrungsschaden in Hohe von weiteren 2.103,62 EUR .\n\nInsoweit erinnert die (Erst-)Berufung ohne Erfolg, die (Zweit-) Berufung\nhingegen erfolgreich gegen die Hohe des vom Landgericht mit 4.522,- EUR\nzugesprochenen Haushaltsfuhrungsschadens.\n\nDem Sohn des Klagers ist zwar auch ohne die Einstellung einer Ersatzkraft ein\nHaushaltsfuhrungsschaden wegen vermehrter eigener Bedurfnisse entstanden.\nDessen Hohe ist gemaß § 287 ZPO zu schatzen, wobei als Grundlage der Schatzung\nvon dem reinen Nettolohn ohne Zulagen einer geeigneten Hilfskraft auszugehen\nist.\n\nEntgegen der Ansicht des Landgerichts bemisst sich dieser nicht auf 15,-\nEUR/Std, sondern auf rund 9,- EUR/Std. (vgl. Schulz-Borck/Hofmman,\nSchadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Muttern im Haushalt, 6. Auflage,\nTabelle 5, Tarifgruppe BAT IX). Ansonsten ist im Hinblick auf die Große der\nWohnung von 60 qm, die von den Zeugen U. und R. S. glaubhaft bestatigt worden\nist, von einem durchschnittlichen Einsatz von drei Stunden am Tag, bzw. rund\n21 Std. in der Woche, auszugehen.\n\nHiernach errechnet sich der Haushaltsfuhrungsschaden fur das Jahr 2001 auf\n1.498,58 EUR (26,43 Wochen x 21 Stunden x 9 EUR x 100 % x 0,3). Fur diese Zeit\nist nach den Ausfuhrungen des medizinischen Sachverstandigen die\nuneingeschrankte Erwerbsunfahigkeit fur leichte Arbeiten festzustellen. Dies\nentspricht der Beeintrachtigung in der Haushaltsfuhrungsfahigkeit, wobei fur\n2001 insgesamt 185 Tage (= 26,43 Wochen) anzurechnen sind. Da weder dargetan\nnoch ersichtlich ist, dass wahrend der stationaren Behandlung relevante\nArbeiten im Haushalt des Sohnes des Klagers zu verrichten waren, sind die\nZeiten der stationaren Behandlung (41 Tage vom 19.5.2001 bis 8.6.2001 und vom\n2.7.2001 bis zum 23.7.2001) von dem Gesamtzeitraum vom 19.5.2001 bis zum\n31.12.2001 (= 226 Tage) abzuziehen.\n\nFur das Jahr 2002 bemisst sich der Anspruch bis zum 30.9.2002 auf weitere\n605,04 EUR (35,57 Wochen x 21 Stunden x 9 EUR x 30 % x 0,3). Fur die Zeit nach\nEnde 2001 behauptet der Klager selbst nur noch eine Beeintrachtigung von 30 %\n(GA I 95), was im Hinblick auf die vom medizinischen Sachverstandigen fur\ndamals noch festgestellte 100%-ige Minderung der Erwerbsfahigkeit keinen\nBedenken begegnet. Bis zum 30.9.2002 (272 Tage) war er an 23 Tagen in\nstationarer Behandlung (19.3. bis 25.3. und 1.5. bis 18.5.), so dass eine\nanzurechnende Zeit von 249 Tagen (= 35,57 Wochen) verbleibt.\n\ncc. Weiter stehen dem Klager aus abgetretenem Recht seines Sohnes gemaß § 847\nBGB i.d.F. vor dem 1.8.2002 (fortan: BGB-aF) nur die vom Landgericht\nzugebilligten 5.000,- EUR an Schmerzensgeld zu. Insoweit ist sowohl der\n(Erst-)Berufung wie auch der (Zweit-)Berufung der Erfolg versagt.\n\nDie Verletzung der in § 847 BGB-aF aufgezahlten Rechtsguter fuhrt dazu, dass\nbei dem Geschadigten regelmaßig ein immaterieller Schaden eintritt. Diesen hat\nder Schadiger auszugleichen. Allerdings kann es sich hierbei stets nur um eine\nKompensation fur die erlittene Einbuße handeln. Diese soll den Geschadigten\nvor allem in die Lage versetzen, die erlittenen immateriellen Nachteile, d.h.\nvor allem die Einbuße an korperlichem und seelischem Wohlbefinden, durch\nVorteile auszugleichen, die sein Wohlbefinden erhohen (Ausgleichsfunktion).\nDaruber hinaus soll die Entschadigung nach einer verbreiteten Ansicht dem\nVerletzten auch eine Genugtuung dafur verschaffen, dass ein Dritter seine\nRechtsguter verletzt hat (Genugtuungsfunktion), was vor allem bei Vorsatztaten\noder grober Fahrlassigkeit ins Gewicht fallt, wovon vorliegend nicht\nauszugehen war. Wegen dieser Doppelfunktion wird bei der Bemessung der\nEntschadigung auch das Verschulden des Schadigers einbezogen. Allerdings ist\ndie Genugtuung des Geschadigten keine selbststandige Position, die sich bei\nder Bemessung in einem eigenstandigen und neben den Ausgleich tretenden Betrag\nniederschlagt. Vielmehr handelt es sich um zwei sich erganzende Wirkungsweisen\neines einheitlichen Anspruchs. Dabei steht fur die Genugtuung auch nicht die\nPerson des Schadigers, sondern die des Geschadigten im Vordergrund, der die\nRechtseinbuße erlitten hat (vgl. MunchKomm-Oetker, BGB, 4. Auflage 2003, § 253\nRn. 10f.).\n\nDie Bemessung der als angemessen erachteten Entschadigung in Geld erfolgt\ngemaß § 287 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts. Die angefochtene\nErstentscheidung unterliegt dabei der vollen Nachprufbarkeit durch das\nBerufungsgericht, welches sein eigenes Ermessen auszuuben hat ist und nicht\nlediglich die erstinstanzliche Ermessenentscheidung auf ihre Rechtmaßigkeit\nhin uberprufen darf. Dabei sind zur Erreichung einer „billigen" Entschadigung\nalle relevanten Umstande des Einzelfalles zu berucksichtigen; insbesondere\nArt, Intensitat und Dauer der erlittenen Rechtsgutsverletzung sind in die\nEntscheidungsfindung einzubeziehen und beeinflussen die Hohe der\nEntschadigung. Auch das Lebensalter des Verletzten ist zumindest dann -\nerhohend - zu berucksichtigen, wenn Dauerschaden in sehr jungen Jahren\neintreten. Zu beachten sind weiter die personlichen Lebensumstande des\nVerletzten und die darin fortwirkenden Unfallfolgen. Erhohend wirken sich u.a.\ndie Auswirkungen fur eine Berufstatigkeit, insbesondere deren Aufgabe aus.\nMitverschulden, Mitverursachung sowie mitwirkende Betriebsgefahr sind bei der\nBemessung mindernd zu berucksichtigen. Im Unterschied zu Vermogensschaden, bei\ndenen § 254 BGB zur Bildung einer Haftungsquote fuhrt, ist das Mitverschulden\nbei der Entschadigung nur ein integrales Element fur die Bestimmung der\nAngemessenheit (MunchKomm, a.a.O., Rn. 36 ff.). Soweit das Verschulden des\nSchadigers deren Bemessung beeinflusst, ist bei ganz leichten\nSorgfaltsverletzungen ein im Vergleich zum Regelfall niedrigerer Betrag\nangemessen; demgegenuber fuhrt ein grob fahrlassiges oder vorsatzliches\nVerhalten des Schadigers regelmaßig zu einer Erhohung (MunchKomm. a.a.O., Rn.\n49). Zu den Umstanden, die eine Erhohung der Entschadigung rechtfertigen,\nzahlt ebenso das Verhalten des Schadigers bei der Abwicklung des Schadens.\nDazu gehort vor allem eine Verschleppung der Schadensabwicklung oder eine\nhierauf gerichtete Prozessfuhrung, durch die sich die Ersatzleistung fur den\nGeschadigten in unangemessener Weise hinauszogert. Eine sachgerechte\nVerteidigung gegenuber einer Forderung nach Entschadigung ist jedoch bei deren\nBemessung nicht zu berucksichtigen. Das gilt insbesondere, wenn das Begehren\ndes Geschadigten in tatsachlicher und/oder rechtlicher Hinsicht umstritten ist\n(MunchKomm, a.a.O., Rn. 52).\n\nUnter Beachtung dieser Grundsatze ist das vom Landgericht zugesprochene\nSchmerzensgeld von 5.000,- EUR ausreichend, aber auch erforderlich.\n\nNach den uberzeugenden und von den Parteien in der Berufungsinstanz nicht in\nZweifel gezogenen Feststellungen des Sachverstandigen Prof. K. erlitt der\nknapp 30-jahrige Sohn des Klagers einen Kreuzband- und\nSprunggelenkverrenkungsbruch im rechten Bein und daraus folgend eine\nBewegungsbeeintrachtigung mit einem endgradigen Bewegungsschmerz, einer\nbeginnenden posttraumatischen Arthrose des oberen rechten Sprunggelenks, einer\ndeutlichen Verschmachtigung der Oberschenkelmuskulatur rechts sowie einer\ndeutlichen Minderung der Beruhrungsempfindlichkeit in der rechten Fußsohle (GA\nI 169). Die Schwere der Verletzungen wird durch die erforderlichen vier\nstationaren Krankenhausaufenthalte von zusammen rund 10 Wochen sowie eine\nanschließende Rehabilitation und die 100-ige Minderung der Erwerbsfahigkeit\nvon rund 10 Monaten fur leichte Arbeiten und immerhin von rund 7 Monaten fur\nschwere Arbeiten unterstrichen. Hinzu kommen verbliebene Narben (u.a. 28 cm\nlange Narbe im Bereich des rechten Kniegelenks, 30 cm lange Narbe am rechten\nUnterschenkel) und eine verminderte Fußsohlenbeschwielung rechts. Nach wie vor\nschwillt beim Tragen von Halbschuhen der rechte Fuß an, im rechten Kniegelenk\nzeigt sich ein stechender Schmerz. Außerdem bestehen ein „krachendes Gefuhl"\nbeim Aufstehen vom Liegen im rechten Kniegelenk sowie ein Druckgefuhl im\nrechten Kniegelenk nach langerer Belastung.\n\nWeitere personliche Umstande, etwa der behauptete unfallbedingte Verlust der\nArbeitsstatte sind hingegen nicht feststellbar. Denn ausweislich des vom\nKlager vorgelegten Kundigungsschreibens (GA I 126) verlor sein Sohn die\nArbeitsstelle aus betriebsbedingten und nicht aus personlichen Grunden. Auch\nrechtfertigt weder das Unfallverhalten des Erstbeklagten noch das\nRegulierungsverhalten der Zweitbeklagten eine Anhebung des Schmerzensgeldes.\nDenn dem Erstbeklagten ist kein grober Verkehrsverstoß nachzuweisen und der\nZweitbeklagten ist zuzubilligen, dass sie im Hinblick darauf, dass ihre\ngrundsatzliche Einstandspflicht bislang umstritten war, noch keine Zahlungen\ngeleistet hat. Dies gilt umso mehr, als der Sohn des Klagers seine Anspruche\nan den Klager abgetreten hat und damit durch das Zahlungsverhalten der\nBeklagten gegenuber dem Klager nicht unmittelbar beruhrt ist.\n\nAllein aufgrund der zuvor festgestellten Umstande ware ein Schmerzensgeld im\nBereich von 15.000,- EUR und damit im Bereich dessen angemessen, was die\nRechtsprechung in vergleichbaren Fallen regelmaßig zuspricht (vgl. u.a. OLG\nCelle, 14 U 195/99, Hacks/Ring/Bohm, Schmerzensgeldbetrage 2007, lfd. Nr.\n1991: 15.000,- EUR; LG Munchen I, 19 O 17389/95, Hacks/Ring/Bohm, a.a.O., lfd.\nNr. 2079: 17.500,- EUR, jedoch fur einen 11 Jahre jungeren Verletzten). Von\nmaßgeblicher Bedeutung fur die deutliche Herabsetzung auf 5.000,- EUR ist das\ngravierende Eigenverschulden des Sohnes des Klagers. Aufgrund dessen hat er\nauch fur die immateriellen Unfallfolgen zum Großteil selbst einzustehen und\nder Klager kann hierfur von den Beklagten keine weitere Kompensation begehren.\n\ndd.) Ohne Erfolg wendet sich der Klager gegen die Hohe der zugesprochenen\nSchmerzensgeldrente. Erfolgreich sind hiergegen allerdings die Einwande der\n(Zweit-) Berufung, da der Klager fur die Verletzungen seines Sohnes uberhaupt\nkeine Schmerzensgeldrente beanspruchen kann.\n\nGrundsatzlich ist Schmerzensgeld durch eine Kapitalabfindung zu zahlen. Eine\nRente bleibt fur lebenslange, schwere Dauerschaden vorbehalten, die der\nVerletzte immer wieder schmerzlich empfindet (Kuppersbusch, Ersatzanspruche\nbei Personenschaden, 7. Auflage, Rn. 207). Allein die genannten Unfallfolgen\nerreichen diese Schwelle nicht. Der Sohn des Klagers hat lediglich\nvergleichbar geringe Dauerschaden erlitten, so etwa Narben nur im regelmaßig\nbekleideten Beinbereich, auftretende Schmerzen uberwiegend erst nach einer\nBelastung, und nur geringfugige, weil endgradige, Bewegungseinschrankungen.\nDiese sind durch den einmaligen Kapitalbetrag auszugleichen, der all dies\nberucksichtig.\n\n2\\. Die (Zweit-)Berufung ist zum einem in dem zuvor festgestellten Umfang\nhinsichtlich der Schmerzensgeldrente und der Hohe des\nHaushaltsfuhrungsschadens begrundet.\n\nZum anderen ist die (Zweit-)Berufung teilweise begrundet, als sich die\nBeklagten gegen den Feststellungsausspruch des Landgerichts wehren (a.) und\nsoweit sie zur Zinszahlung verurteilt sind (b.).\n\na. Entgegen der (Zweit-)Berufung ist die Feststellungsklage allerdings\nuberwiegend zulassig.\n\nDem Klager ist ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der\nEinstandspflicht der Beklagten fur die Unfallfolgen zuzuerkennen, weil infolge\nder verbliebenen Dauerschaden seines Sohnes die Moglichkeit weiterer Schaden\nnicht ausgeschlossen ist und ansonsten die Verjahrung etwaiger Anspruche\ndroht.\n\nDie Feststellungsklage ist, wie die (Zweit-)Berufung meint, auch nicht bereits\ndeshalb unzulassig, weil der Zeuge U. S. seine Anspruche an den Klager\nabgetreten hat. Allein mit der Abtretung ist der Eintritt weiterer Schaden\nbeim Verletzten nicht ausgeschlossen. Ihm ist hierdurch lediglich das Recht\ngenommen, die Ersatzanspruche in eigener Person geltend zu machen. Wohl aber\nverbleibt dem Klager als Zessionar das Recht, von den Beklagten nunmehr deren\nErsatz zu verlangen.\n\nAuch fur bereits eingetretene Schaden ist die begehrte Feststellung der\nErsatzpflicht anstelle der Leistungsklage zulassig. Befindet sich der Schaden\nund damit ein Teil des anspruchsbegrundenden Sachverhalts - wie vorliegend -\nzur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung, ware sogar die\nFeststellungsklage im Ganzen zulassig und der Geschadigte brauchte nicht wegen\ndes bezifferbaren Teils die Leistungsklage zu erheben (Zoller-Greger, ZPO, 24.\nAuflage, § 256 Rn. 7a). Damit steht es dem Klager auch frei, wegen eines Teils\nseiner bezifferbaren Schaden Leistungsklage zu erheben und wegen eines\nweiteren Teils ein Feststellungsurteil zu beantragen. Hinzu kommt, dass zu\nerwarten ist, dass sich die Zweitbeklagte als Versicherungsunternehmen nach\nder Feststellung ihrer Leistungspflicht auch zur Erfullung der verbleibenden\nErsatzanspruche bereit und in der Lage finden wird.\n\nBegrundet ist die (Zweit-)Berufung jedoch insoweit, als die Ersatzpflicht der\nBeklagten fur alle Schaden des Sohnes des Klagers festgestellt worden ist,\nungeachtet der Schaden, die bereits von der Leistungsklage erfasst sind.\nInsoweit ist das Feststellungsbegehren des Klagers wegen der anderweitigen\nRechtshangigkeit in Gestalt der Leistungsklage unzulassig, nicht etwa das\nLeistungsbegehren wegen der anderweitigen Rechtshangigkeit der\nFeststellungsklage. Denn wegen ihres weitergehenden Rechtsschutzes besteht an\nder Geltendmachung im Wege der Leistungsklage ein vorrangiges Interesse des\nKlagers.\n\nAls Weniger zur Feststellung der Ersatzpflicht aller Schaden ist jedoch die\nFeststellung der Ersatzpflicht aller weiteren Schaden ohne weiteres zulassig\nund auch begrundet. Denn aufgrund der verbliebenen Dauerschaden besteht die\nernsthafte Moglichkeit, dass den Sohn des Klagers weitere Unfallfolgen\ntreffen, wie etwa ambulante oder stationare Behandlungen, damit verbundene\nErwerbsunfahigkeit oder immaterielle Nachteile.\n\nb.) Begrundet ist die (Zweit-)Berufung zudem, soweit die Beklagten zur\nZinszahlung hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.565,06 EUR (anteilig zu\nersetzender Sachschaden) bereits ab dem 15.8.2001 und damit zu einem fruheren\nZeitpunkt als dem der Klageerhebung gegenuber dem Erstbeklagten (Samstag,\n17.11.2001) verurteilt worden sind.\n\nDass die Beklagten dies mit ihrer Berufung nicht rugen, steht der Überprufung\ndurch das Berufungsgericht nicht entgegen (§ 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Diese\nÜberprufung fuhrt zur Abanderung des landgerichtlichen Urteils, weil die gemaß\n§ 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen die Entscheidung nicht rechtfertigen.\n\nZinsen fur seine Schadenspositionen kann der Klager nur unter\nVerzugsgesichtspunkten verlangen (§§ 284 Abs. 1, 288 BGB i.d.F. vom 1.5.2000\ni.V.m. §§ 187 Abs. 1, 193 BGB analog) und es ist weder dargetan noch\nersichtlich, dass die Beklagten vor Rechtshangigkeit und bereits am 15.8.2001\nmit der Erfullung der Sachschadensersatzforderung in Verzug geraten sein\nkonnten.\n\nHinsichtlich des weiter zugesprochenen Haushaltsfuhrungsschadens befanden sich\ndie Beklagten ab der beantragten Klageabweisung vom 13.12.2001 wegen §§ 187\nAbs. 1, 193 BGB analog bereits am darauf folgenden Werktag nach der Falligkeit\ndes Ersatzanspruches in Verzug. Denn mit der beantragten Klageabweisung und\nZuruckweisung ihrer Einstandspflicht bereits dem Grunde nach haben die\nBeklagten abschließend jeden Ausgleich der Unfallschaden verweigert, so dass\nes zum Verzugseintritt keiner weiteren Voraussetzungen bedurfte. Da der Klager\ndie verlangten Zinsen aus dem Haushaltsfuhrungsschaden nicht monatlich\ngestaffelt, sondern jeweils fur die Zeitraume bis Ende 2001 und bis Ende\nSeptember 2002 erst ab dem jeweiligen Endzeitpunkt (ab dem 31.12.2001 bzw. dem\n30.9.2002) begehrt hat, war uber dieses Verlangen nicht hinauszugehen (§ 308\nAbs. 1 ZPO).\n\n3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 4,\n344 ZPO. Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus den\n§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes begrundet sich aus\nden §§ 42 Abs. 2, 45 Abs. 2, 47 Abs. 1, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Hinsichtlich\ndes Feststellungsantrages war dabei von einem Wert in Hohe von 5.000,- EUR und\nbeim unbezifferten Schmerzensgeldantrag von 20.000,- EUR auszugehen.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsatzliche\nBedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer\neinheitlichen\n\nRechsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543\nAbs. 2 ZPO).\n\n
132,335
vghbw-2004-01-16-8-s-127903
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 S 1279/03
2004-01-16
2019-01-07 10:14:51
2019-01-17 11:52:13
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom\n24. Oktober 2002 - 6 K 2581/00 - wird zuruckgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager, der ebenso wie seine Ehefrau und zwei seiner funf Kinder als\nInhaber von Bodensee-Schifferpatenten von Lindau aus regelmaßig den Segelsport\nausubt und an Segelregatten teilnimmt, wendet sich gegen die wasserrechtliche\nErlaubnis zum Errichten und zum Betrieb einer direkten, ganzjahrig\nverkehrenden Schiffsverbindung mit Katamaran-Fahren zwischen Konstanz und\nFriedrichshafen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Fur den Schiffsverkehr auf dem Bodensee gilt die Bodensee-Schifffahrts-\nOrdnung (BSO). Sie schreibt vor, dass ein Schiffsfuhrer die\nFahrgeschwindigkeit so einzurichten hat, dass er jederzeit in der Lage ist,\nseinen Verpflichtungen im Verkehr Genuge zu leisten. Eine Fahrgeschwindigkeit\nvon 40 km/h darf nicht uberschritten werden. Bei unsichtigem Wetter (z. B.\nNebel, Schneetreiben) mussen alle Fahrzeuge - mit Ausnahme von\nVorrangfahrzeugen, die nach einem Kompasskurs verkehren und Radar als\nNavigationshilfe verwenden - ihre Geschwindigkeit der verminderten Sicht\nentsprechend herabsetzen. Der Vorrang ist Fahrgastschiffen einzuraumen, die im\nLinienverkehr nach einem veroffentlichten Fahrplan eingesetzt sind. Alle\nanderen Fahrzeuge mussen ihnen beim Begegnen und Überholen ausweichen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Unter dem 16.11.1998 beantragte die beigeladene Reederei, an der die\nStadtwerke Konstanz und die Technischen Werke Friedrichshafen je zur Halfte\nbeteiligt sind, die wasserrechtliche Erlaubnis fur die Fahrverbindung mit\nDoppelrumpfbooten, deren Reisegeschwindigkeit bei 40 km/h liegen soll. Die\nregelmaßige Reisegeschwindigkeit der vorhandenen Fahrgastschiffe betragt 22,5\nkm/h. Die 34 m langen, 9 m breiten und 9 m hohen Katamarane mit einer\nWasserverdrangung von 60 t sollen ganzjahrig im Stundentakt von 5.00 Uhr\nmorgens bis 22.00 Uhr abends bis zu 244 Personen und 40 Fahrrader oder Mopeds\nin 45 Minuten zwischen den beiden Stadten transportieren konnen. Ihr\nAnhalteweg aus einer Geschwindigkeit von 40 km/h betragt 50 m, ihr Wendekreis\nbei derselben Geschwindigkeit 150 m. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Antragsunterlagen wurden vom 18.12.1998 bis 18.1.1999 in den Rathausern\nvon Konstanz und Friedrichshafen offentlich ausgelegt. Mit Schreiben vom\n28.1.1999 erhob der Klager Einwendungen. Er bemangelte im wesentlichen die\nerhebliche Erhohung der Gefahrensituation fur Segelschiffe durch die hohe\nGeschwindigkeit der Katamarane und die fehlende Sinnhaftigkeit des zudem die\nUmwelt belastenden Unternehmens. Im Hinblick darauf, dass die Fahrroute durch\ndas potentielle Natura 2000-Gebiet „Konstanzer Bucht" verlauft, gab die\nBeigeladene auf Anregung des Landratsamtes Konstanz eine\nVertraglichkeitsstudie nach § 19c BNatSchG a. F. (jetzt: § 34 BNatSchG) in\nAuftrag. Die im April 1999 erstellte Studie schlug zur Verminderung des\nStorpotentials fur Wasservogel im Spatherbst und Winter eine nach Suden\nverschwenkte Winterroute und flankierend eine Geschwindigkeitsbegrenzung\ninnerhalb der Konstanzer Bucht auf 10 km/h sowie ein Personenverbot an Deck in\ndiesem Bereich vor. Durch dieses Maßnahmenbundel konne wahrscheinlich eine\nerhebliche Beeintrachtigung des Gebiets vermieden werden; dennoch empfahlen\ndie Gutachter, eine mindestens die ersten drei Betriebswinter umfassende\nBegleituntersuchung (im Sinne eines Monitorings) durchzufuhren. Diese Studie\nwurde Behorden, Verbanden und Privatpersonen - darunter auch dem Klager - zur\nVerfugung gestellt. Mit Schreiben vom 22.7.1999 wandte dieser ein, die\nUntersuchung habe sich nicht umfassend mit der Umwelt, sondern im wesentlichen\nnur mit dem Vogelschutz befasst und sei nicht unabhangig, sondern im Auftrag\nder Beigeladenen erstellt worden. Sie belege im Übrigen selbst, dass das\nVogelschutzgebiet erheblich beeintrachtigt werde, weshalb das Schnellfahren-\nProjekt unzulassig sei. Am 15. und 16.9.1999 fand im Landratsamt Konstanz der\nErorterungstermin statt. Im Juli und August 2000 wurden Plane fur die\nAnlegestellen und die Schiffsbetankungsanlage sowie eine Betriebskonzeption\nvorgelegt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 25.10.2000 erteilte das Landratsamt Konstanz die\nbeantragte Erlaubnis unter Zuruckweisung der erhobenen Einwendungen. Sie ist\nbefristet bis zum 31.12.2005 und steht unter dem Vorbehalt ihres Widerrufs.\nIhr sind zahlreiche Bedingungen, Auflagen und allgemeine Hinweise beigefugt.\nU. a. werden mit Rucksicht auf die Wassersportausbildung bereichsweise\nabgestufte Hochstgeschwindigkeiten von 10, 22,5 und 40 km/h vorgeschrieben.\nDen Katamaran-Fahren wird im Schnellfahrbereich (V = 40 km/h) kein Vorrang\ngegenuber anderen Wasserfahrzeugen eingeraumt und sie werden verpflichtet, bis\nzu zehn von den Wassersportverbanden auszuwahlende Segel-, Ruder- und sonstige\nWettfahrten sowie Weltmeisterschaften im Laufe eines Jahres zu umfahren.\nHinsichtlich des Bruckenpersonals (Schiffsfuhrer und Maschinist/Steuermann)\nwird vorgeschrieben, dass beide das Bodensee-Schifferpatent Kategorie B (fur\nFahrgastschiffe) und eine mindestens funfjahrige unfallfreie Fahrpraxis als\nSchiffsfuhrer auf einem patentpflichtigen Fahrgastschiff mit einer zulassigen\nAnzahl von mehr als 60 Fahrgasten besitzen und jahrlich Seh- und\nHortestnachweise erbringen mussen. Bei unsichtigem Wetter bzw. bei Dunkelheit\nmussen sie nach jeder Überfahrt die Funktionen tauschen. In folgenden Fallen\nmuss der Fuhrerstand doppelt besetzt sein, wobei die Besatzung nicht durch\nanderweitige Aufgaben und Funktionen beansprucht werden darf: Bei unsichtigem\nWetter, bei dunkelheitsbedingter Sichtreduzierung im Schnellfahrbereich, bei\nDurchfahrung von Ansammlungen von Sport- und Fischerbooten, in den hafennahen\nLangsamfahrbereichen von Anfang April bis zum Ende der Schifffahrtssaison des\nVerbandes der Vereinigten Schifffahrtsunternehmen auf dem Bodensee und Rhein\n(VSU) sowie in besonderen, erhohte Aufmerksamkeit erfordernden Situationen (z.\nB. bei Überlagerung von starkem Dunst und Dunkelheit) nach Ermessen des\nSchiffsfuhrers. Generell wird der Sicherheit der Vorrang gegeben. Als\nGerateausstattung werden zwei voneinander unabhangige Radaranlagen,\nWarmebildkamera, Global Positioning System (GPS), Richtmikrofon, Bundelfunk,\nKompass, Stoppuhr, Navigationskarte Bodensee und Fahrtenschreiber mit Voice-\nRecorder vorgeschrieben. Unklaren Radarechos, die auch mit der Warmebildkamera\nnicht aufgeklart werden konnen, ist vorsorglich auszuweichen. Die Erlaubnis\nwurde einschließlich der Antragsunterlagen vom 6. bis 22.11.2000 in den\nStadten Konstanz und Friedrichshafen ausgelegt. Hierauf und auf die dadurch\nausgeloste Rechtsbehelfsfrist wurde im „Sudkurier" und in der „Schwabischen\nZeitung" vom 27.10.2000 hingewiesen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 4.12.2000 hat der Klager beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage mit dem\nZiel der Aufhebung der Erlaubnis erhoben und geltend gemacht: Sie sei formell\nrechtswidrig, weil weder die Vertraglichkeitsstudie noch die Plane zu den\nSteg- und Betankungsanlagen einschließlich der Betriebskonzeption offentlich\nausgelegt worden seien. Sie sei auch materiell rechtswidrig. Die Zulassung des\nKatamaranverkehrs verstoße gegen das Wohl der Allgemeinheit und verletze das\nAbwagungsgebot. Seine Rechte auf Leben und Gesundheit sowie Erholung und Sport\nwurden durch die stark erhohte Kollisionsgefahr unzumutbar gefahrdet. Die\nvorgesehene Sicherheitsausstattung der Schiffe konne dies nicht verhindern. Es\nhandle sich um ein Prestigeprojekt, fur das es keinen Bedarf gebe; die\nMachbarkeitsstudie aus den Jahren 1994 und 1996 sei veraltet. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das beklagte Land und die Beigeladene sind der Klage entgegengetreten und\nhaben auf den Inhalt der umfangreichen Erlaubnisentscheidung Bezug genommen.\nErganzend haben sie darauf hingewiesen, dass die Befurchtungen des Klagers\nuberzogen seien. Die hoheren Geschwindigkeiten der Katamarane werde\ninsbesondere durch ihren extrem kurzen Bremsweg, ihre sehr hohe\nManovrierfahigkeit, ihre geringe Wellenentwicklung und durch leisere sowie\numweltfreundlichere Motoren als bei den herkommlichen Passagierschiffen mehr\nals wett gemacht. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24.10.2002 die Klage abgewiesen\nund zur Begrundung im wesentlichen ausgefuhrt: Die angefochtene Erlaubnis sei\nmindestens im Ergebnis unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu\nbeanstanden. Denn die vom Klager gerugte fehlende Auslegung der\nVertraglichkeitsstudie sei mit heilender Wirkung im Rahmen des\nErorterungstermins nachgeholt worden. Im Übrigen seien die monierten\nAuslegungsmangel jedenfalls unbeachtlich, weil sie die Entscheidung in der\nSache offensichtlich nicht beeinflusst hatten. Die Erlaubnis sei auch\nmateriell rechtmaßig. Der Fahrbetrieb liege im offentlichen Interesse und\nbeeintrachtige unter den vorgesehenen Bedingungen und Auflagen weder das Wohl\nder Allgemeinheit noch Rechte oder rechtlich geschutzte Interessen des\nKlagers. Dessen auf gemeingebrauchlicher Nutzung beruhende Sportausubung werde\ndurch die Zulassung des Katamaran-Fahr-Betriebs nicht uber Gebuhr gestort oder\neingeschrankt. Auch dieser Schiffstyp konne sich darauf berufen, dass der\nBodensee ein schiffbares Gewasser sei. Er konne sich leicht in das\nVerkehrsgeschehen einordnen und erzeuge geringere Wellenbewegungen als\nherkommliche Schiffe. Der Klager uberzeichne die sich aus der Geschwindigkeit\nergebenden Gefahren, denn es gebe schon seit langem auf dem Bodensee große\nPassagierdampfer, die die allgemein zulassige Hochstgeschwindigkeit von 40\nkm/h ebenso erreichten wie zahlreiche Privatyachten, ohne dass deshalb\nKollisionen bekannt geworden seien. Dagegen spreche auch nicht der\nZusammenstoß eines Fischerbootes mit einem Passagierschiff, der sich im Sommer\n2002 ereignet habe. Denn das wesentlich schnellere Fischerboot habe das\ngroßere Schiff bei guter Sicht offenbar aus Unachtsamkeit „seitlich von\nhinten" gerammt. Die Sicherheit der Segler werde durch eine umfangreiche und\nbislang noch nie vorgesehene technische Ausstattung gewahrleistet. Eine\nbedeutende Rolle spiele dabei auch, dass den Katamaranen kein Vorrang im\nSchnellfahrbereich eingeraumt worden sei und die angefochtene Erlaubnis zu\neiner defensiven Fahrweise verpflichte. Außerdem seien sie als Linienschiffe\nmit festen Routen und Umlaufzeiten berechenbarer als der Ausflugs- und\nSportbootverkehr. Daruber hinaus werde der ganz uberwiegende Teil des Obersees\nvon ihrer Route nicht beruhrt. Der Klager konne zu seiner eigenen Sicherheit\nzusatzlich beitragen, indem er an seinen Booten Radar-Reflektoren anbringe.\nDen Konflikten mit Regattaseglern habe das Landratsamt Konstanz durch die\nVerpflichtung zur jahrlichen Abstimmung mit den Seglerverbanden und zur\nVereinbarung von Arbeitsbesprechungen ausreichend Rechnung getragen, zumal die\nzehn bedeutsamsten Wettfahrten zu umfahren seien. Der Klager ziehe auch den\nBedarf fur die Schnellfahren-Verbindung zu Unrecht in Zweifel. Aufgrund der -\nkeineswegs veralteten - Machbarkeitsstudien erscheine es absehbar, dass durch\nden Dauerfahrbetrieb zwischen zwei bedeutenden Stadten eine tragfahige\nUnternehmung entstehe. Auch das Ökosystem des Gewassers - insbesondere im\nKonstanzer Trichter - werde nicht erheblich beeintrachtigt, wie die eingeholte\nVertraglichkeitsstudie nachweise; dies gelte auch in Ansehung der\nBetankungsanlage. Schließlich mindere die Widerruflichkeit und Befristung der\nangefochtenen Erlaubnis das Gewicht der Bedenken des Klagers. \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 6.6.2003 -\n8 S 615/03 - zugelassene Berufung des Klagers. Er beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Oktober 2002 - 6 K\n2581/00 - zu andern und die wasserrechtliche Erlaubnis des Landratsamtes\nKonstanz vom 25. Oktober 2000 aufzuheben. \n--- \n| 11 \n--- \n| Er macht - wie bereits im ersten Rechtszug - geltend: Die Erlaubnis sei\nformell rechtswidrig, weil mit der Vertraglichkeitsstudie nach § 19c BNatSchG\na. F. sowie den Antragsunterlagen fur die Anlegestellen und die\nBetankungsanlage einschließlich der Betriebskonzeption wesentliche\nGenehmigungsunterlagen nicht offentlich ausgelegt worden seien. Ferner sei die\nverwendete Machbarkeitsstudie teilweise veraltet gewesen. Die Genehmigung sei\nauch materiell zu beanstanden. Zum einen sei der Bedarf fur die Fahrverbindung\nnur spekulativ ermittelt worden. Zum anderen werde das Bestimmtheitsgebot\ngerade in den dem Schutz der Wassersportler dienenden Auflagen 5.1 bis 5.3\nverletzt. Schließlich lagen Abwagungsfehler vor, die das Grundgerust der\nAbwagung betrafen. Insbesondere seien die Rechte des Klagers auf Leben und\nkorperliche Unversehrtheit, auf Erholung und Freizeitbetatigung sowie auf\nEigentum nicht ausreichend berucksichtigt worden. Dazu fuhrt er im einzelnen\nGefahrdungspotentiale auf, die nach seiner Ansicht mit dem Katamaran-Fahr-\nBetrieb verbunden sind und zu nicht hinreichend beherrschbaren\nKollisionsgefahren fuhren. \n--- \n| 12 \n--- \n| Das beklagte Land beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Es erwidert unter Verweis auf seinen bisherigen Vortrag und das\nangefochtene Urteil: Der Klager versuche, eine „Schreckensszenario" zu\nkonstruieren, das aber wegen der Große des Bodensees und der umfangreichen\nSicherheitsausstattung der Katamarane nicht realistisch sei. Dem Klager stehe\nkein Recht auf Ausubung des Segelsports zu, vielmehr beruhe diese Betatigung\nauf dem Gemeingebrauch, der kein subjektives offentliches Recht auf\nGewasserbenutzung vermittle. Ferner sei die Frage, ob durch die neue\nFahrverbindung unvertretbare Kollisionsgefahren auftreten konnten, erschopfend\ngepruft und mit Blick auf die festgelegten Sicherheitsebenen (Doppelbesetzung\nder Brucke bei gewissen Witterungsverhaltnissen, instrumentelles\nSicherheitspaket, qualifiziertes Personal, Verpflichtung zu defensiver\nFahrweise usw.) zu Recht verneint worden. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beigeladene beantragt ebenfalls, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Auch sie verweist auf die Ausfuhrungen des Verwaltungsgerichts und tragt\nerganzend vor, die wasserrechtliche Genehmigung stehe unter keinem\nBedarfsvorbehalt. Davon abgesehen sei die Notwendigkeit der Fahrverbindung\nausfuhrlich gepruft worden. Das von den Katamaranen ausgehende\nGefahrdungspotential habe in der angefochtenen Erlaubnis in dem gebotenen Maße\nBerucksichtigung gefunden. Die Vielzahl der erteilten Auflagen stelle sicher,\ndass Gefahren insbesondere fur den Klager nicht zu befurchten seien. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat hat im Rahmen der mundlichen Verhandlung vom 24.9.2003 von einem\nBoot aus den Fahrkorridor und seine Wiedergabe auf einem Radarbildschirm in\nAugenschein genommen sowie Beamte der Wasserschutzpolizei - diese erneut in\nder mundlichen Verhandlung vom 14.1.2004 - informatorisch gehort. Wegen der\ngetroffenen Feststellungen wird auf die hieruber gefertigten Niederschriften\nverwiesen. Im Übrigen wird Bezug genommen auf die dem Senat vorliegenden,\neinschlagigen Verwaltungs- und Gerichtsakten. Diese waren Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung ist aufgrund ihrer Zulassung durch den Beschluss des Senats\nvom 6.6.2003 statthaft und auch im Übrigen zulassig; sie ist in der Sache aber\nunbegrundet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die\nangefochtene wasserrechtliche Erlaubnis den Klager nicht in seinen Rechten\ni.S.d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird\nauf die in allen wesentlichen Punkten zutreffenden Ausfuhrungen des\nVordergerichts verwiesen. Im Hinblick auf die Berufungsbegrundung, die\nallerdings keine neuen Aspekte aufzeigt, besteht lediglich Anlass fur folgende\nerganzenden und klarstellenden Bemerkungen. \n--- \n| 20 \n--- \n| I. Der Klager wiederholt sein Vorbringen erster Instanz, dass die\nGenehmigung formell rechtswidrig sei, weil die Vertraglichkeitsstudie nach §\n19c BNatSchG a. F. sowie die Antragsunterlagen zu den Anlegestellen bzw. zur\nBetankungsanlage nicht offentlich ausgelegt und eine uberholte\nMachbarkeitsstudie zugrunde gelegt worden sei. Er setzt sich dabei aber nicht\nmit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, ein insoweit\nmoglicherweise gegebener Verfahrensfehler sei nach § 45 VwVfG geheilt,\nmindestens aber nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Der Senat hat keinen Anlass,\ndiese Ausfuhrungen des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen. Davon\nabgesehen ist auch nicht ersichtlich, auf welche eigenen Rechte des Klagers\ndiese Verfahrensrugen - waren sie berechtigt - sich beziehen sollen. \n--- \n| 21 \n--- \n| II. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht verletzt die angefochtene\nwasserrechtliche Erlaubnis keine Rechte des Klagers. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 1\\. Soweit er in seinem Berufungsvorbringen einen hinreichenden Bedarf fur\ndie Fahrlinie mit der Begrundung bezweifelt, sie sei fur Pendler zwischen\nKonstanz und Friedrichshafen unattraktiv, und die touristischen Bedurfnisse\nwurden bereits durch die „Weiße Flotte" abgedeckt, nimmt er die ausfuhrlichen\nund zutreffenden Erwagungen des Verwaltungsgerichts (Urteil S. 22 f.) nicht\nzur Kenntnis. Diese gehen von der Annahme aus, dass eine Gewasserbenutzung\nunter Bedarfsgesichtspunkten nur dann an der Gemeinwohlschranke des § 6 WHG\nscheitere - wobei offen bleiben konne, ob der Klager sich ohne weiteres darauf\nberufen kann -, wenn sie ohne erkennbaren Nutzen den Gemeingebrauch anderer\nunverhaltnismaßig beeintrachtige. Das Verwaltungsgericht hat in diesem\nZusammenhang zu Recht hervorgehoben, dass es nicht Aufgabe der Wasserbehorde\nsei, nach Art einer „Investment-Beratung" die Marktchancen des zur Genehmigung\ngestellten Projekts zu prufen. Sie darf vielmehr im Rahmen der bei\nErlaubnissen und Bewilligungen zu treffenden Ermessensentscheidung (vgl.:\nBVerwG, Urteil vom 15.7.1987 - 4 C 56.83 - BVerwGE 78, 40; Urteil vom\n18.9.1987 - 4 C 36.84 - NVwZ 1988, 535; Urteil vom 17.3.1989 - 4 C 30.88 -\nBVerwGE 81, 347) auch dem weiteren Gemeinwohlaspekt Rechnung tragen, neue\nEntwicklungen auf einem schiffbaren Gewasser nicht zu hemmen. Soweit der\nKlager mit seiner „Defizitberechnung" die Wirtschaftlichkeit des Fahrbetriebs\nin Zweifel ziehen will, verkennt er, dass dieser Teil des offentlichen\nPersonennahverkehrs ist, der auch in anderen Bereichen defizitar arbeitet und\nauf Zuschusse angewiesen ist (vgl.: EuGH, Entscheidung vom 24.7.2003 - Rs.\nC-280/00 - NVwZ 2003, 1101 - „Altmark Trans"; dazu: Heiß, VBlBW 2003, 429).\nDennoch wird seine Existenzberechtigung deshalb nicht in Frage gestellt. \n--- \n| 23 \n--- \n| 2\\. Der Klager beanstandet ferner, die Auflagen 5.1 bis 5.3, die das\nVerhaltnis der Katamaran-Fahren zu nicht motorisierten Wasserfahrzeugen\nbetreffen, seien zu unbestimmt. Das ist aber nicht der Fall. Die Auflage 5.1,\ndie von der Besatzung der Fahrschiffe ein besonders rucksichtsvolles\nVerhalten, insbesondere im Bereich der Jugendausbildungszentren im Konstanzer\nTrichter und des Landes-Leistungszentrums „Seemoos" bei Friedrichshafen,\nfordert, hat zwar eher Appellcharakter. Dasselbe gilt fur die an die\nBeigeladene gerichtete Aufforderung in Nr. 5.3, in regelmaßigen\nArbeitsbesprechungen mit den Wassersport- und Fischereiverbanden sowie den\nSchifffahrtsbehorden das gegenseitige Verstandnis im Bereich Sicherheit,\nVerhalten bei Gefahrenlagen, Vermeidung von Gefahrenlagen und gegenseitige\nRucksichtnahme zu koordinieren. Das macht sie aber nicht zu unbestimmt. Denn\nsie konkretisieren die Sorgfalts- und Rucksichtnahmepflichten, die sich schon\naus der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung - BSO - ergeben (etwa aus Art. 6.01,\n6.04, 6.09 und 6.10 sowie allgemein aus Art. 1.03) fur besonders sensible\nBereiche und wecken erhohte Aufmerksamkeit bzw. tragen dazu bei, dass die\nAbwicklung eines reibungslosen Schiffsverkehrs auf dem Bodensee als gemeinsame\nAufgabe aller Beteiligten verstanden wird. Warum die Auflage 5.2, die die\nFahrschiffe verpflichtet, zehn bedeutsame Regatten zu umfahren, zu unbestimmt\nsein soll, ist nicht nachvollziehbar. Sollte der Klager mit diesem Einwand\nbeanstanden wollen, dass die Erlaubnisbehorde diese zehn Wettfahrten selbst\nhatte auswahlen mussen und ihre Benennung nicht den am Bodensee vertretenen\nWassersportverbanden hatte uberlassen durfen, betrafe dies nicht den\nFragenkreis der rechtsstaatlichen Bestimmtheit, sondern den der\nKompetenzwahrnehmung. Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, was die\nmit dem Regattabetrieb weniger vertraute untere Wasserbehorde daran hindern\nkonnte, diese Auswahl den - weitaus berufeneren - Verbanden zu uberlassen. Von\nalledem abgesehen ist kein Recht des Klagers erkennbar, das verletzt sein\nkonnte, sollten die genannten drei Auflagen im Hinblick auf ihre Bestimmtheit\ndoch rechtlichen Bedenken unterliegen. \n--- \n| 24 \n--- \n| 3\\. Schließlich vermag der Senat dem Vorbringen des Klagers nicht zu\nfolgen, die in der angefochtenen Erlaubnis getroffene Abwagungsentscheidung\nverstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot gerechter Abwagung der betroffenen\noffentlichen und privaten Belange. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| a) Im Rahmen der in diesem Verfahren vorzunehmenden Abwagungskontrolle\nkonnen zu seinen Gunsten nur seine eigenen Belange berucksichtigt werden,\nnicht dagegen die Interessen anderer (etwa der Berufsfischer) oder rein\nobjektive Belange wie etwa diejenigen des Naturschutzes oder der\nWasserwirtschaft (BVerwG, Urteil vom 18.3.1983 - 4 C 80.79 - BVerwGE 67, 74;\nVGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 22.6.1990 - 8 S 458/90 - VBlBW 1991, 28). Der\nKlager kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, der Katamaran-\nFahrbetrieb belaste - etwa durch die Abgase der Schiffe - die Umwelt oder\nfuhre trotz der Routenverlegung und weiteren Maßnahmen auf der Basis der\nVertraglichkeitsstudie nach § 19c BNatSchG a. F. zu Storungen des potentiellen\nNatura 2000-Gebietes „Konstanzer Bucht". Ebenso wenig spielt es fur die\nvorliegend zu treffende Entscheidung fur sich genommen eine Rolle, in welchem\nMaße sich die Anzahl der Schiffsbewegungen auf dem Bodensee durch die\nKatamaran-Fahren erhoht oder welche Treibstoffmenge sie - im Verhaltnis zur\ngesamten vorhandenen Flotte der Sport- und Freizeitschifffahrt - verbrauchen.\nDeshalb ist letztlich auch der Vorwurf des Klagers unergiebig, das\nVerwaltungsgericht sei von einer fehlerhaften Grunduberlegung ausgegangen,\nindem es angenommen habe, die wasserrechtliche Erlaubnis habe nur versagt\nwerden konnen, wenn von den Katamaranen großere Belastungen ausgingen als vom\nvorhandenen Schiffsverkehr. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| b) Als beachtlicher Einwand bleibt damit nur die Befurchtung des Klagers,\neinem von ihm nicht beeinflussbaren und auch von den Besatzungen der\nKatamarane nicht ausreichend beherrschbaren Gefahrdungsrisiko ausgesetzt zu\nsein. Das Landratsamt Konstanz hat diese Problematik erkannt und in nicht zu\nbeanstandender Weise gelost. Es hat insbesondere zutreffend in den Blick\ngenommen, dass sich das Verkehrsaufkommen auf „hohem See" im Fahrbereich der\nKatamarane vervielfacht, wahrend die bisherige Personenschifffahrt im\nwesentlichen in Ufernahe verkehrt. Es war sich ferner bewusst, dass durch den\nhalbstundigen Verkehr auf dem freien Seeraum eine starke Verkehrsverdichtung\neintreten wird, die von den Schiffsfuhrern der Segel- und sonstigen Sportboote\n- insbesondere bei schlechter Sicht und schlechten Windbedingungen -\nunabhangig davon, dass der Katamaran im Schnellfahrbereich keinen Vorrang nach\nder BSO haben wird, eine erhohte Aufmerksamkeit erfordert (Erlaubnis S. 106).\nDiese Beeintrachtigungen fur den Wassersport hat es aber deshalb fur zumutbar\ngehalten, weil gerade die Segler und sonstigen Fuhrer von Fahrzeugen ohne\nMaschinenantrieb vom Verzicht auf Vorrangfahrt des Katamarans auf freiem\nWasser profitierten. Die Freistellung der Segler usw. von der\nKollisionsvermeidungspflicht bedeute, dass sie gegenuber dem Katamaran nur\nnoch die sich aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht ergebenden Verpflichtungen\nbeachten mussten (z. B. durfe der Segler den Kurs des Katamaran nicht ohne Not\nblockieren oder mutwillig Ausweichmanover storen), was keine\nunverhaltnismaßige Anforderung darstelle. In den verkehrsdichten ufernahen\nBereichen fahre der Katamaran mit der gleichen Geschwindigkeit wie die ubrige\nFahrgastschifffahrt und die Reederei habe sich verpflichtet, die Schiffsfuhrer\nper Dienstanweisung zur defensiven Fahrweise anzuhalten (Erlaubnis S. 107).\nHinsichtlich der Regatten sei durch die Beschrankung der Umfahrungspflicht fur\nzehn bedeutsame Wettfahrten eine ausgewogene Losung gefunden worden. Eine\nfeste Umfahrungspflicht auch bei normalen Regatten sei der Reederei nicht\nzumutbar, weil sie dann den Fahrplan nicht einhalten konne. Andererseits\nkonnten normale Vereinsregatten etc. bei der Große der verfugbaren freien\nSeeflache durchaus kurzfristig auch außerhalb des Katamaran-Korridors verlegt\nwerden (Erlaubnis S. 108). Die Behorde gelangt zu dem Fazit (Erlaubnis S. 109\nund 169 f.), dass weder fur die Segelsportler noch fur die Fahrverbindung ein\nRecht auf „ungestorte" Nutzung des Bodensees bestehe. Beide hatten sich\nentsprechende Beschrankungen ihrer Nutzung zuordnen zu lassen. Nur so konne\neine gemeinvertragliche Nutzung des Sees im Einklang mit den Interessen\nDritter i.S.v. § 1 a WHG erfolgen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Erwagungen sind - auch in Ansehung der Einwendungen des Klagers\n-nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte die Erlaubnisbehorde von dem\nGrundsatz ausgehen, dass der Bodensee als schiffbares Gewasser von jedermann,\nalso auch von den Katamaranen, die gegenuber herkommlichen Schiffen kein aliud\ndarstellen, zur Schifffahrt benutzt werden darf (§ 30 Abs. 1 WG) und es\nvorliegend nur darum gehen kann, die einzelnen Nutzungsinteressen und\n-beeintrachtigungen zu einem moglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Ein\nPrimat der herkommlichen Nutzer oder gar ein Recht auf ein Nutzungsmonopol\ngibt es dagegen nicht. Andererseits ist im Hinblick auf die Belange des\nKlagers und der ubrigen Wassersportler zu berucksichtigen, dass die Ausubung\ndes Sports auf dem flachenmaßig weit uberwiegenden (ostlichen) Bereich des\nObersees von der Fahrlinie nicht beruhrt wird. Namentlich dem Klager und\nseiner Familie, deren Boote in Lindau und damit fast am Ostende des Bodensees\nbeheimatet sind, wird durch den uber 20 km westwarts erst beginnenden\nFahrkorridor schon unter dem Gesichtspunkt der zu besegelnden Seeflache keine\nallzu gewichtige Beschrankung auferlegt. Sein Vortrag, die nicht\ngekennzeichnete Fahrrinne der Katamarane fuhre zu einer „faktischen\nBenutzungssperre fur den gesamten Obersee", ist danach nicht nachvollziehbar. \n--- \n| 28 \n--- \n| Es kommt hinzu, dass die Katamarane im Schnellfahrbereich, also auf dem\noffenen See, keinen Vorrang genießen, sie sind damit gegenuber Segelfahrzeugen\nund Ruderbooten ausweichpflichtig (Art. 6.05 c. und d. BSO). Aufgrund ihrer\npersonellen und instrumentellen Ausstattung sowie ihrer besonderen Wendigkeit\nsind sie auch zuverlassig in der Lage, dieser Ausweichpflicht nachzukommen.\nDer Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 20.11.2003, mit dem er den\nBeweisantrag des Klagers, ein Sachverstandigengutachten zu den\nKollisionsgefahren im Schnellfahrbereich der Fahren einzuholen, abgelehnt hat,\nnaher begrundet, dass auch bei unsichtigem Wetter jedes Wasserfahrzeug auf dem\nSee durch die Radaranlagen so rechtzeitig sichtbar wird, dass hinreichende\nZeit fur Kollisionsvermeidungsmaßnahmen zur Verfugung steht. Im Übrigen ist\nnach der Auflage 2.3.7 unklaren Radarechos vorsorglich auszuweichen.\nZusatzliche Sicherheit verleihen die durch die angefochtene Erlaubnis\nebenfalls vorgeschriebene Warmebildkamera, die jeden im Fahrtrichtungssektor\nbefindlichen Menschen kenntlich macht, und das Richtmikrofon. Zur Erkennung\nvon Kollisionsrisiken und zur Einleitung von Meidbewegungen genugen ferner\nzwei Besatzungsmitglieder auf der Brucke, an deren Ausbildung und Erfahrung\ndie angefochtene Erlaubnis sehr hohe Anspruche stellt. Auch dies hat der Senat\nbereits im Beschluss vom 20.11.2003 im einzelnen begrundet. Der Einwand des\nKlagers, die Genehmigung sehe nur eine standige Besatzungsperson auf der\nBrucke vor, die bei Bedarf eine zweite Person hinzuziehen konne, wenn diese\nnicht gerade anderweitig beschaftigt sei, ist angesichts des eindeutigen\nWortlauts der Auflage 2.3.4. nicht nachvollziehbar. Denn der Fuhrerstand eines\nKatamarans _muss_ bei unsichtigem Wetter, bei dunkelheitsbedingter\nSichtreduzierung im Schnellfahrbereich (V = 40), beim Durchfahren von\nAnsammlungen von Sport- und Fischerbooten und in den hafennahen\nLangsamfahrbereichen (V = 10) von Anfang April bis zum Ende der\nSchifffahrtssaison der VSU doppelt besetzt sein. Lediglich in weiteren\nSituationen (z. B. bei Überlagerung von starkem Dunst und Dunkelheit) bleibt\nes dem Ermessen des Schiffsfuhrers uberlassen, den Maschinisten/Steuermann\nzusatzlich auf die Brucke zu beordern. In Ansehung der eine Doppelbesetzung\nzwingend erfordernden Verhaltnisse kann dies nur die Langsamfahrbereiche (V =\n10) außerhalb der allgemeinen Schiffahrtssaison und mittleren\nGeschwindigkeitsbereiche (V = 22,5) betreffen, denn im Schnellfahrbereich ist\nnicht erst bei Überlagerung von starkem Dunst und Dunkelheit der Fuhrerstand\nzwingend doppelt zu besetzen, sondern schon bei jeder dunkelheitsbedingten\nSichtreduzierung. Im Übrigen geht der Hinweis des Klagers auf eine\n„anderweitige Beschaftigung" fehl. Denn die Besatzung darf in allen Fallen\neiner Doppelbesetzung der Brucke nicht mit anderweitigen Aufgaben und\nFunktionen beansprucht werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Senat halt an diesen weitgehend bereits im Beschluss vom 20.11.2003\ndargelegten Erwagungen trotz der gegen diesen Beschluss im Schriftsatz vom\n14.1.2004 erhobenen „Verfahrensrugen" des Klagers fest. Sein Einwand, der am\n24.9.2003 eingenommene Augenschein habe keinen hinreichenden Aufschluss uber\ndie zu beurteilenden Gefahrdungslagen erbringen konnen, weil damals\nstrahlender Sonnenschein und beste Sichtverhaltnisse geherrscht hatten,\nverkennt, dass die Feststellungen des Senats sich auf das Radarbild bezogen,\ndas von den Sichtverhaltnissen unabhangig ist. Zum andern haben die erfahrenen\nund mit den Besonderheiten des Bodensees bestens vertrauten Beamten der\nWasserschutzpolizei, die in der (weiteren) mundlichen Verhandlung vom\n14.1.2004 nochmals gehort worden sind, ubereinstimmend und ohne jede\nEinschrankung bekundet, dass _jedes_ Boot - auch der seitens des Klagers\nangefuhrte „Optimist" \\- bei jedem Wetter auf dem Radarschirm sowohl im Nah-\nwie auch im Fernbereich bei richtiger Gerateeinstellung deutlich sichtbar sei.\nDiese Äußerungen haben sich - ebenso wie die im Beschluss des Senats vom\n20.11.2003 angesprochenen - nicht nur, wie der Klager meint, auf den\nRadarschirm eines Polizeibootes bezogen, sondern auch und gerade auf die\nAnzeigegerate der kunftigen Katamarane. Die Beamten haben schließlich ein\nweiteres Mal in der mundlichen Verhandlung vom 14.1.2004 in aller Deutlichkeit\n(„Welche Aufgaben sollten einer dritten Person auf dem Fuhrerstand zufallen?")\nzum Ausdruck gebracht, dass eine Dreifachbesetzung der Brucke keinen\nSicherheitsgewinn verspricht und deshalb nicht geboten ist. Dies alles hat\nletztlich der Leiter des Schifffahrtsamtes Konstanz durch seinen Hinweis\ndarauf bestatigt, dass auch die auf dem Rhein verkehrenden „schnellen\nSchiffe", von denen dort allerdings erst bei im vorliegenden Fall nicht\nzulassigen Geschwindigkeiten von mehr als 40 km/h die Rede sei, von einer\nZweier-Besatzung gefuhrt wurden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Angriffe des Klagers gegen die zur Vermeidung von Kollisionsgefahren\nder angefochtenen wasserrechtlichen Erlaubnis beigefugten Auflagen sind nach\nallem nicht berechtigt. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. \n--- \n| 32 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gemaß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht\ngegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung ist aufgrund ihrer Zulassung durch den Beschluss des Senats\nvom 6.6.2003 statthaft und auch im Übrigen zulassig; sie ist in der Sache aber\nunbegrundet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die\nangefochtene wasserrechtliche Erlaubnis den Klager nicht in seinen Rechten\ni.S.d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird\nauf die in allen wesentlichen Punkten zutreffenden Ausfuhrungen des\nVordergerichts verwiesen. Im Hinblick auf die Berufungsbegrundung, die\nallerdings keine neuen Aspekte aufzeigt, besteht lediglich Anlass fur folgende\nerganzenden und klarstellenden Bemerkungen. \n--- \n| 20 \n--- \n| I. Der Klager wiederholt sein Vorbringen erster Instanz, dass die\nGenehmigung formell rechtswidrig sei, weil die Vertraglichkeitsstudie nach §\n19c BNatSchG a. F. sowie die Antragsunterlagen zu den Anlegestellen bzw. zur\nBetankungsanlage nicht offentlich ausgelegt und eine uberholte\nMachbarkeitsstudie zugrunde gelegt worden sei. Er setzt sich dabei aber nicht\nmit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, ein insoweit\nmoglicherweise gegebener Verfahrensfehler sei nach § 45 VwVfG geheilt,\nmindestens aber nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Der Senat hat keinen Anlass,\ndiese Ausfuhrungen des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen. Davon\nabgesehen ist auch nicht ersichtlich, auf welche eigenen Rechte des Klagers\ndiese Verfahrensrugen - waren sie berechtigt - sich beziehen sollen. \n--- \n| 21 \n--- \n| II. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht verletzt die angefochtene\nwasserrechtliche Erlaubnis keine Rechte des Klagers. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 1\\. Soweit er in seinem Berufungsvorbringen einen hinreichenden Bedarf fur\ndie Fahrlinie mit der Begrundung bezweifelt, sie sei fur Pendler zwischen\nKonstanz und Friedrichshafen unattraktiv, und die touristischen Bedurfnisse\nwurden bereits durch die „Weiße Flotte" abgedeckt, nimmt er die ausfuhrlichen\nund zutreffenden Erwagungen des Verwaltungsgerichts (Urteil S. 22 f.) nicht\nzur Kenntnis. Diese gehen von der Annahme aus, dass eine Gewasserbenutzung\nunter Bedarfsgesichtspunkten nur dann an der Gemeinwohlschranke des § 6 WHG\nscheitere - wobei offen bleiben konne, ob der Klager sich ohne weiteres darauf\nberufen kann -, wenn sie ohne erkennbaren Nutzen den Gemeingebrauch anderer\nunverhaltnismaßig beeintrachtige. Das Verwaltungsgericht hat in diesem\nZusammenhang zu Recht hervorgehoben, dass es nicht Aufgabe der Wasserbehorde\nsei, nach Art einer „Investment-Beratung" die Marktchancen des zur Genehmigung\ngestellten Projekts zu prufen. Sie darf vielmehr im Rahmen der bei\nErlaubnissen und Bewilligungen zu treffenden Ermessensentscheidung (vgl.:\nBVerwG, Urteil vom 15.7.1987 - 4 C 56.83 - BVerwGE 78, 40; Urteil vom\n18.9.1987 - 4 C 36.84 - NVwZ 1988, 535; Urteil vom 17.3.1989 - 4 C 30.88 -\nBVerwGE 81, 347) auch dem weiteren Gemeinwohlaspekt Rechnung tragen, neue\nEntwicklungen auf einem schiffbaren Gewasser nicht zu hemmen. Soweit der\nKlager mit seiner „Defizitberechnung" die Wirtschaftlichkeit des Fahrbetriebs\nin Zweifel ziehen will, verkennt er, dass dieser Teil des offentlichen\nPersonennahverkehrs ist, der auch in anderen Bereichen defizitar arbeitet und\nauf Zuschusse angewiesen ist (vgl.: EuGH, Entscheidung vom 24.7.2003 - Rs.\nC-280/00 - NVwZ 2003, 1101 - „Altmark Trans"; dazu: Heiß, VBlBW 2003, 429).\nDennoch wird seine Existenzberechtigung deshalb nicht in Frage gestellt. \n--- \n| 23 \n--- \n| 2\\. Der Klager beanstandet ferner, die Auflagen 5.1 bis 5.3, die das\nVerhaltnis der Katamaran-Fahren zu nicht motorisierten Wasserfahrzeugen\nbetreffen, seien zu unbestimmt. Das ist aber nicht der Fall. Die Auflage 5.1,\ndie von der Besatzung der Fahrschiffe ein besonders rucksichtsvolles\nVerhalten, insbesondere im Bereich der Jugendausbildungszentren im Konstanzer\nTrichter und des Landes-Leistungszentrums „Seemoos" bei Friedrichshafen,\nfordert, hat zwar eher Appellcharakter. Dasselbe gilt fur die an die\nBeigeladene gerichtete Aufforderung in Nr. 5.3, in regelmaßigen\nArbeitsbesprechungen mit den Wassersport- und Fischereiverbanden sowie den\nSchifffahrtsbehorden das gegenseitige Verstandnis im Bereich Sicherheit,\nVerhalten bei Gefahrenlagen, Vermeidung von Gefahrenlagen und gegenseitige\nRucksichtnahme zu koordinieren. Das macht sie aber nicht zu unbestimmt. Denn\nsie konkretisieren die Sorgfalts- und Rucksichtnahmepflichten, die sich schon\naus der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung - BSO - ergeben (etwa aus Art. 6.01,\n6.04, 6.09 und 6.10 sowie allgemein aus Art. 1.03) fur besonders sensible\nBereiche und wecken erhohte Aufmerksamkeit bzw. tragen dazu bei, dass die\nAbwicklung eines reibungslosen Schiffsverkehrs auf dem Bodensee als gemeinsame\nAufgabe aller Beteiligten verstanden wird. Warum die Auflage 5.2, die die\nFahrschiffe verpflichtet, zehn bedeutsame Regatten zu umfahren, zu unbestimmt\nsein soll, ist nicht nachvollziehbar. Sollte der Klager mit diesem Einwand\nbeanstanden wollen, dass die Erlaubnisbehorde diese zehn Wettfahrten selbst\nhatte auswahlen mussen und ihre Benennung nicht den am Bodensee vertretenen\nWassersportverbanden hatte uberlassen durfen, betrafe dies nicht den\nFragenkreis der rechtsstaatlichen Bestimmtheit, sondern den der\nKompetenzwahrnehmung. Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, was die\nmit dem Regattabetrieb weniger vertraute untere Wasserbehorde daran hindern\nkonnte, diese Auswahl den - weitaus berufeneren - Verbanden zu uberlassen. Von\nalledem abgesehen ist kein Recht des Klagers erkennbar, das verletzt sein\nkonnte, sollten die genannten drei Auflagen im Hinblick auf ihre Bestimmtheit\ndoch rechtlichen Bedenken unterliegen. \n--- \n| 24 \n--- \n| 3\\. Schließlich vermag der Senat dem Vorbringen des Klagers nicht zu\nfolgen, die in der angefochtenen Erlaubnis getroffene Abwagungsentscheidung\nverstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot gerechter Abwagung der betroffenen\noffentlichen und privaten Belange. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| a) Im Rahmen der in diesem Verfahren vorzunehmenden Abwagungskontrolle\nkonnen zu seinen Gunsten nur seine eigenen Belange berucksichtigt werden,\nnicht dagegen die Interessen anderer (etwa der Berufsfischer) oder rein\nobjektive Belange wie etwa diejenigen des Naturschutzes oder der\nWasserwirtschaft (BVerwG, Urteil vom 18.3.1983 - 4 C 80.79 - BVerwGE 67, 74;\nVGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 22.6.1990 - 8 S 458/90 - VBlBW 1991, 28). Der\nKlager kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, der Katamaran-\nFahrbetrieb belaste - etwa durch die Abgase der Schiffe - die Umwelt oder\nfuhre trotz der Routenverlegung und weiteren Maßnahmen auf der Basis der\nVertraglichkeitsstudie nach § 19c BNatSchG a. F. zu Storungen des potentiellen\nNatura 2000-Gebietes „Konstanzer Bucht". Ebenso wenig spielt es fur die\nvorliegend zu treffende Entscheidung fur sich genommen eine Rolle, in welchem\nMaße sich die Anzahl der Schiffsbewegungen auf dem Bodensee durch die\nKatamaran-Fahren erhoht oder welche Treibstoffmenge sie - im Verhaltnis zur\ngesamten vorhandenen Flotte der Sport- und Freizeitschifffahrt - verbrauchen.\nDeshalb ist letztlich auch der Vorwurf des Klagers unergiebig, das\nVerwaltungsgericht sei von einer fehlerhaften Grunduberlegung ausgegangen,\nindem es angenommen habe, die wasserrechtliche Erlaubnis habe nur versagt\nwerden konnen, wenn von den Katamaranen großere Belastungen ausgingen als vom\nvorhandenen Schiffsverkehr. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| b) Als beachtlicher Einwand bleibt damit nur die Befurchtung des Klagers,\neinem von ihm nicht beeinflussbaren und auch von den Besatzungen der\nKatamarane nicht ausreichend beherrschbaren Gefahrdungsrisiko ausgesetzt zu\nsein. Das Landratsamt Konstanz hat diese Problematik erkannt und in nicht zu\nbeanstandender Weise gelost. Es hat insbesondere zutreffend in den Blick\ngenommen, dass sich das Verkehrsaufkommen auf „hohem See" im Fahrbereich der\nKatamarane vervielfacht, wahrend die bisherige Personenschifffahrt im\nwesentlichen in Ufernahe verkehrt. Es war sich ferner bewusst, dass durch den\nhalbstundigen Verkehr auf dem freien Seeraum eine starke Verkehrsverdichtung\neintreten wird, die von den Schiffsfuhrern der Segel- und sonstigen Sportboote\n- insbesondere bei schlechter Sicht und schlechten Windbedingungen -\nunabhangig davon, dass der Katamaran im Schnellfahrbereich keinen Vorrang nach\nder BSO haben wird, eine erhohte Aufmerksamkeit erfordert (Erlaubnis S. 106).\nDiese Beeintrachtigungen fur den Wassersport hat es aber deshalb fur zumutbar\ngehalten, weil gerade die Segler und sonstigen Fuhrer von Fahrzeugen ohne\nMaschinenantrieb vom Verzicht auf Vorrangfahrt des Katamarans auf freiem\nWasser profitierten. Die Freistellung der Segler usw. von der\nKollisionsvermeidungspflicht bedeute, dass sie gegenuber dem Katamaran nur\nnoch die sich aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht ergebenden Verpflichtungen\nbeachten mussten (z. B. durfe der Segler den Kurs des Katamaran nicht ohne Not\nblockieren oder mutwillig Ausweichmanover storen), was keine\nunverhaltnismaßige Anforderung darstelle. In den verkehrsdichten ufernahen\nBereichen fahre der Katamaran mit der gleichen Geschwindigkeit wie die ubrige\nFahrgastschifffahrt und die Reederei habe sich verpflichtet, die Schiffsfuhrer\nper Dienstanweisung zur defensiven Fahrweise anzuhalten (Erlaubnis S. 107).\nHinsichtlich der Regatten sei durch die Beschrankung der Umfahrungspflicht fur\nzehn bedeutsame Wettfahrten eine ausgewogene Losung gefunden worden. Eine\nfeste Umfahrungspflicht auch bei normalen Regatten sei der Reederei nicht\nzumutbar, weil sie dann den Fahrplan nicht einhalten konne. Andererseits\nkonnten normale Vereinsregatten etc. bei der Große der verfugbaren freien\nSeeflache durchaus kurzfristig auch außerhalb des Katamaran-Korridors verlegt\nwerden (Erlaubnis S. 108). Die Behorde gelangt zu dem Fazit (Erlaubnis S. 109\nund 169 f.), dass weder fur die Segelsportler noch fur die Fahrverbindung ein\nRecht auf „ungestorte" Nutzung des Bodensees bestehe. Beide hatten sich\nentsprechende Beschrankungen ihrer Nutzung zuordnen zu lassen. Nur so konne\neine gemeinvertragliche Nutzung des Sees im Einklang mit den Interessen\nDritter i.S.v. § 1 a WHG erfolgen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Erwagungen sind - auch in Ansehung der Einwendungen des Klagers\n-nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte die Erlaubnisbehorde von dem\nGrundsatz ausgehen, dass der Bodensee als schiffbares Gewasser von jedermann,\nalso auch von den Katamaranen, die gegenuber herkommlichen Schiffen kein aliud\ndarstellen, zur Schifffahrt benutzt werden darf (§ 30 Abs. 1 WG) und es\nvorliegend nur darum gehen kann, die einzelnen Nutzungsinteressen und\n-beeintrachtigungen zu einem moglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Ein\nPrimat der herkommlichen Nutzer oder gar ein Recht auf ein Nutzungsmonopol\ngibt es dagegen nicht. Andererseits ist im Hinblick auf die Belange des\nKlagers und der ubrigen Wassersportler zu berucksichtigen, dass die Ausubung\ndes Sports auf dem flachenmaßig weit uberwiegenden (ostlichen) Bereich des\nObersees von der Fahrlinie nicht beruhrt wird. Namentlich dem Klager und\nseiner Familie, deren Boote in Lindau und damit fast am Ostende des Bodensees\nbeheimatet sind, wird durch den uber 20 km westwarts erst beginnenden\nFahrkorridor schon unter dem Gesichtspunkt der zu besegelnden Seeflache keine\nallzu gewichtige Beschrankung auferlegt. Sein Vortrag, die nicht\ngekennzeichnete Fahrrinne der Katamarane fuhre zu einer „faktischen\nBenutzungssperre fur den gesamten Obersee", ist danach nicht nachvollziehbar. \n--- \n| 28 \n--- \n| Es kommt hinzu, dass die Katamarane im Schnellfahrbereich, also auf dem\noffenen See, keinen Vorrang genießen, sie sind damit gegenuber Segelfahrzeugen\nund Ruderbooten ausweichpflichtig (Art. 6.05 c. und d. BSO). Aufgrund ihrer\npersonellen und instrumentellen Ausstattung sowie ihrer besonderen Wendigkeit\nsind sie auch zuverlassig in der Lage, dieser Ausweichpflicht nachzukommen.\nDer Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 20.11.2003, mit dem er den\nBeweisantrag des Klagers, ein Sachverstandigengutachten zu den\nKollisionsgefahren im Schnellfahrbereich der Fahren einzuholen, abgelehnt hat,\nnaher begrundet, dass auch bei unsichtigem Wetter jedes Wasserfahrzeug auf dem\nSee durch die Radaranlagen so rechtzeitig sichtbar wird, dass hinreichende\nZeit fur Kollisionsvermeidungsmaßnahmen zur Verfugung steht. Im Übrigen ist\nnach der Auflage 2.3.7 unklaren Radarechos vorsorglich auszuweichen.\nZusatzliche Sicherheit verleihen die durch die angefochtene Erlaubnis\nebenfalls vorgeschriebene Warmebildkamera, die jeden im Fahrtrichtungssektor\nbefindlichen Menschen kenntlich macht, und das Richtmikrofon. Zur Erkennung\nvon Kollisionsrisiken und zur Einleitung von Meidbewegungen genugen ferner\nzwei Besatzungsmitglieder auf der Brucke, an deren Ausbildung und Erfahrung\ndie angefochtene Erlaubnis sehr hohe Anspruche stellt. Auch dies hat der Senat\nbereits im Beschluss vom 20.11.2003 im einzelnen begrundet. Der Einwand des\nKlagers, die Genehmigung sehe nur eine standige Besatzungsperson auf der\nBrucke vor, die bei Bedarf eine zweite Person hinzuziehen konne, wenn diese\nnicht gerade anderweitig beschaftigt sei, ist angesichts des eindeutigen\nWortlauts der Auflage 2.3.4. nicht nachvollziehbar. Denn der Fuhrerstand eines\nKatamarans _muss_ bei unsichtigem Wetter, bei dunkelheitsbedingter\nSichtreduzierung im Schnellfahrbereich (V = 40), beim Durchfahren von\nAnsammlungen von Sport- und Fischerbooten und in den hafennahen\nLangsamfahrbereichen (V = 10) von Anfang April bis zum Ende der\nSchifffahrtssaison der VSU doppelt besetzt sein. Lediglich in weiteren\nSituationen (z. B. bei Überlagerung von starkem Dunst und Dunkelheit) bleibt\nes dem Ermessen des Schiffsfuhrers uberlassen, den Maschinisten/Steuermann\nzusatzlich auf die Brucke zu beordern. In Ansehung der eine Doppelbesetzung\nzwingend erfordernden Verhaltnisse kann dies nur die Langsamfahrbereiche (V =\n10) außerhalb der allgemeinen Schiffahrtssaison und mittleren\nGeschwindigkeitsbereiche (V = 22,5) betreffen, denn im Schnellfahrbereich ist\nnicht erst bei Überlagerung von starkem Dunst und Dunkelheit der Fuhrerstand\nzwingend doppelt zu besetzen, sondern schon bei jeder dunkelheitsbedingten\nSichtreduzierung. Im Übrigen geht der Hinweis des Klagers auf eine\n„anderweitige Beschaftigung" fehl. Denn die Besatzung darf in allen Fallen\neiner Doppelbesetzung der Brucke nicht mit anderweitigen Aufgaben und\nFunktionen beansprucht werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Senat halt an diesen weitgehend bereits im Beschluss vom 20.11.2003\ndargelegten Erwagungen trotz der gegen diesen Beschluss im Schriftsatz vom\n14.1.2004 erhobenen „Verfahrensrugen" des Klagers fest. Sein Einwand, der am\n24.9.2003 eingenommene Augenschein habe keinen hinreichenden Aufschluss uber\ndie zu beurteilenden Gefahrdungslagen erbringen konnen, weil damals\nstrahlender Sonnenschein und beste Sichtverhaltnisse geherrscht hatten,\nverkennt, dass die Feststellungen des Senats sich auf das Radarbild bezogen,\ndas von den Sichtverhaltnissen unabhangig ist. Zum andern haben die erfahrenen\nund mit den Besonderheiten des Bodensees bestens vertrauten Beamten der\nWasserschutzpolizei, die in der (weiteren) mundlichen Verhandlung vom\n14.1.2004 nochmals gehort worden sind, ubereinstimmend und ohne jede\nEinschrankung bekundet, dass _jedes_ Boot - auch der seitens des Klagers\nangefuhrte „Optimist" \\- bei jedem Wetter auf dem Radarschirm sowohl im Nah-\nwie auch im Fernbereich bei richtiger Gerateeinstellung deutlich sichtbar sei.\nDiese Äußerungen haben sich - ebenso wie die im Beschluss des Senats vom\n20.11.2003 angesprochenen - nicht nur, wie der Klager meint, auf den\nRadarschirm eines Polizeibootes bezogen, sondern auch und gerade auf die\nAnzeigegerate der kunftigen Katamarane. Die Beamten haben schließlich ein\nweiteres Mal in der mundlichen Verhandlung vom 14.1.2004 in aller Deutlichkeit\n(„Welche Aufgaben sollten einer dritten Person auf dem Fuhrerstand zufallen?")\nzum Ausdruck gebracht, dass eine Dreifachbesetzung der Brucke keinen\nSicherheitsgewinn verspricht und deshalb nicht geboten ist. Dies alles hat\nletztlich der Leiter des Schifffahrtsamtes Konstanz durch seinen Hinweis\ndarauf bestatigt, dass auch die auf dem Rhein verkehrenden „schnellen\nSchiffe", von denen dort allerdings erst bei im vorliegenden Fall nicht\nzulassigen Geschwindigkeiten von mehr als 40 km/h die Rede sei, von einer\nZweier-Besatzung gefuhrt wurden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Angriffe des Klagers gegen die zur Vermeidung von Kollisionsgefahren\nder angefochtenen wasserrechtlichen Erlaubnis beigefugten Auflagen sind nach\nallem nicht berechtigt. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. \n--- \n| 32 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gemaß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht\ngegeben. \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 33 \n--- \n| Rechtsmittelbelehrung \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg,\nSchubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim,\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb\nvon zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begrunden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen. \n--- \n| 37 \n--- \n| In der Begrundung der Beschwerde muss die grundsatzliche Bedeutung der\nRechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder\nder Verfahrensmangel bezeichnet werden. \n--- \n| 38 \n--- \n| Fur das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch fur\ndie Einlegung der Beschwerde und fur die Begrundung. Danach muss sich jeder\nBeteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen\nRechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des\nHochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als Bevollmachtigten\nvertreten lassen. Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden\nkonnen sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befahigung zum Richteramt\nsowie Diplomjuristen im hoheren Dienst, Gebietskorperschaften auch durch\nBeamte oder Angestellte mit Befahigung zum Richteramt der zustandigen\nAufsichtsbehorde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes,\ndem sie als Mitglied zugehoren, vertreten lassen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Beschluss \n--- \n| 40 \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird gemaß § 13 Abs. 1 S. 2 GKG\nauf EUR 4.000,-- festgesetzt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
132,427
arbg-karlsruhe-2005-01-11-2-ca-43804
119
Arbeitsgericht Karlsruhe
arbg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Ca 438/04
2005-01-11
2019-01-07 10:15:36
2019-01-17 11:52:18
Urteil
## Tenor\n\n> > > 1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n> > > 2\\. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klagerin auferlegt.\n\n> > > 3\\. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.812,84 EUR festgesetzt.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin verfolgt im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits gegen die\nBeklagte Anspruche auf Zahlung sowohl eines Urlaubs- als auch eines\nWeihnachtsgeldes fur das Kalenderjahr 2004. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die am 11.07.1943 geborene Klagerin ist seit 01.05.1996 als\nKrankenschwester in der von der Beklagten unterhaltenen Sozialstation\nbeschaftigt. Seit Februar 2004 war die Klagerin im Bereich der stationaren\nKurzzeitpflege tatig. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Dem Arbeitsverhaltnis der Parteien lagen ursprunglich die Bestimmungen\nihres schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.04.1996 zugrunde, die - soweit fur\ndie Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erheblich - wie folgt lauten: \n--- \n--- \n"§ 2 \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Fur das Dienstverhaltnis gelten die "Richtlinien fur Arbeitsvertrage in den\nEinrichtungen des deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden\nFassung. (...) \n--- \n--- \n§7 \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Folgende zusatzliche Vereinbarungen (...) werden getroffen (...): \n--- \n| 6 \n--- \n| Weihnachtsgeld wird ubernommen. " \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Fur die weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages der\nParteien vom 10.04.1996 wird auf Bl. 10 f d. A. verwiesen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Unter dem 09.05.2003 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitvertrag\n(Bl. 14 ff. d. A.). Danach befand sich die Klagerin vom 01.08.2003 bis zum\n31.07.2004 in der Arbeitsphase, an die sich seit 01.08.2004 bis zum 31.07.2005\ndie Freistellungsphase anschließt (Blockmodell). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Ende November 2003 stellte sich die wirtschaftliche Situation der Beklagten\nso dar, dass unter Einschluss des bereits erhaltenen, jahrlich zum Juni\nauszuzahlenden Gesellschafterzuschusses der katholischen Pfarrgemeinden in K.\nnach den zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben die Liquiditat der Beklagten\nnur noch bis voraussichtlich Februar/Marz 2004 gewahrleistet war. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Sicherung des Fortbestandes der Einrichtung strebte die Beklagte als\neine von mehreren Handlungsalternativen zu ihrer Sanierung zur Reduzierung der\nPersonalkosten den Abschluss einer Dienstvereinbarung mit der in ihrer\nEinrichtung gewahlten Mitarbeitervertretung uber die Absenkung des\nUrlaubsgeldes und der Weihnachtszuwendung an; insoweit eroffnen die AVR in\nihrer derzeit gultigen Fassung in Anlage 1 Abschnitt II b ("Öffnungsklauseln\nfur die Vergutung 2003-2005") unter A (a) zur Vermeidung betriebsbedingter\nKundigungen und zum Erhalt von Arbeitsplatzen die Moglichkeit zum Abschluss\neiner Dienstvereinbarung uber die Absenkung des Urlaubsgeldes und der\nWeihnachtszuwendung (vgl. Bl.17 ff. d. A.). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Hinsichtlich der - im Wesentlichen unstreitigen - Einzelheiten des\nzeitlichen Ablaufs der Entscheidungsfindung innerhalb der Gremien der\nBeklagten und der verschiedenen Konsultationen der Beklagten mit der in ihrer\nEinrichtung gewahlten, aus funf Mitgliedern bestehenden Mitarbeitervertretung\nwird auf die Angaben der Beklagten auf Seiten 5 ff. ihres Schriftsatzes vom\n25.11.2004 (Blatt 60 ff. d. A.) Bezug genommen (fur die diesbezuglich von der\nKlagerin erhobenen konkreten Einwande wird auf den streitigen Klagervortrag\nverwiesen). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Insbesondere fand am 04.03.2004 eine Sitzung der Mitarbeitervertretung\nstatt, deren Gegenstand und Ablauf aber im einzelnen zwischen den Parteien\nstreitig ist. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Deren Protokoll hat den nachfolgenden Wortlaut (Bl. 72 d. A.): \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| "K., den 04.03.2004 \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| MAV-Sitzung am 04.03.2004 \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Anwesend: Vorsitzender R. \n--- \n| 17 \n--- \n| Stellvertretender Vorsitzender N. \n--- \n| 18 \n--- \n| Schriftfuhrerin D. \n--- \nM. \n--- \nK. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Tagesordnungspunkt: Beschlussfassung der Dienstvereinbarung auf Verzicht\ndes Urlaubs- und Weihnachtsgeldes \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Im Vorfeld hat die MAV mit den Mitarbeitern/innen (17.02.2004) gesprochen\nund ihnen erklart, welche Moglichkeiten bestehen, um die Sozialstation\nweiterfuhren zu konnen. Bei diesem Gesprach bekamen sie das OK, eine\nDienstvereinbarung auszuarbeiten und zu unterschreiben. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| In der Sitzung am 04.03.2004 wurde der MAV-Vorsitzende R. von allen\nanwesenden MAV-Mitgliedern beauftragt, den Vertragsentwurf der\nDienstvereinbarung zu unterschreiben, mit dem Verzicht auf Urlaubs- und\nWeihnachtsgeld fur die Jahre 2004 und 2005, um ein Weiterbestehen der\nkatholischen Sozialstation zu gewahrleisten. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Im Anschluss an die MAV-Sitzung hat der Vorsitzende den Vertragsentwurf der\nDienstvereinbarung an den Geschaftsleiter Herrn H. weitergegeben, damit die\nDienstvereinbarung von den Geschaftsfuhrern Herr Pfarrer B. und Herr K.\nunterzeichnet wird. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| \n--- \n| (Unterschrift) \n--- \n| (Unterschrift) \n--- \n| D. \n--- \n| R. \n--- \n| Schriftfuhrerin \n--- \n| MAV-Vorsitzender" \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die in Rede stehende Dienstvereinbarung lautet wie folgt (Bl. 21 ff. d.\nA.): \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| "Dienstvereinbarung nach Anlage 1 Ziff. II b AVR (Öffnungsklausel) \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Zwischen der Mitarbeitervertretung der katholischen Sozialstation K. GmbH,\nvertreten durch \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| R., 1. Vorsitzender \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| und dem Dienstgeber der oben genannten Einrichtung, vertreten durch \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| K., Geschaftsfuhrer \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| wird fur den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2005 zur Vermeidung\nbetriebsbedingter Kundigungen und zum Erhalt von Arbeitsplatzen auf der\nGrundlage von Anlage 1 Ziff. II b zu den AVR in Verbindung mit § 38 Abs. 2 der\nMitarbeitervertretungsordnung folgende Dienstvereinbarung geschlossen: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| I. Vereinbarte Maßnahmen \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 1\\. Fur alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird in Abweichung zu § 7 der\nAnlage 14 zu den AVR in den Jahren 2004 und 2005 kein Urlaubsgeld gezahlt. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 2\\. Fur alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird in Abweichung zu Ziff.\nXIV der Anlage 1 zu den AVR in den Jahren 2004 und 2005 keine\nWeihnachtszuwendung gezahlt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| II. Informationen an die Mitarbeitervertretung \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 1\\. Der Dienstgeber hat fur die oben genannte Einrichtung eine\nwirtschaftlich schwierige Lage festgestellt. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Der Dienstgeber hat die Mitarbeitervertretung uber die wirtschaftliche\nund finanzielle Lage umfassend schriftlich informiert. Die Risiken der\nkunftigen Entwicklung der Einrichtung und des Rechtstragers wurden\ndargestellt. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Mitarbeitervertretung sind im Rahmen der Verhandlungen uber diese\nDienstvereinbarung folgende Unterlagen zur Kenntnisnahme vorgelegt worden: \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| a) die testierte Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung des abgeschlossenen\nWirtschaftsjahres, \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| der Wirtschaftsplan des laufenden Jahres, \n--- \n| 40 \n--- \n| die Darstellung der aktuellen Lage mit den Ist-Zahlen und den weiteren\nRisiken, sowie \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| die Darstellung der Ursachen, die zu der wirtschaftlich schwierigen\nSituation der Einrichtung gefuhrt haben, \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| b) die Darlegung, dass die Anwendung der Öffnungsklausel geeignet ist, die\nwirtschaftlich schwierige Situation zu uberwinden und andere Maßnahmen nicht\nzu demselben Erfolg fuhren, \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| c) die Planung der weiteren organisatorischen und finanziellen Maßnahmen,\ndie angewandt werden, um die Einrichtung dauerhaft aus der wirtschaftlich\nschwierigen Situation herauszufuhren, \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| d) die Darlegung, welchen Beitrag leitende Mitarbeiter zur Sanierung\nleisten. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Der Dienstgeber hat fur die bei ihm beschaftigten Mitarbeiterinnen und\nMitarbeiter im Sinne von § 3 Abs. f und g des Allgemeinen Teils der AVR\n(leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) fur die Laufzeit dieser\nDienstvereinbarung folgende Kurzungen von Vergutungen und Entgelten\nvorgesehen: \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Auf die leitenden Mitarbeiter wird diese Dienstvereinbarung ebenfalls\nangewandt. \n--- \n--- \nIV. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Angaben des Dienstgebers zu II Ziff. 1 sind durch Stellungnahme des\nWirtschaftsprufers (Wirtschaftlichkeitsprufungsbericht) B. GmbH\nWirtschaftsprufungsgesellschaft, K. in der Bilanz 2003 bestatigt worden. \n--- \n--- \nV. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Mitarbeitervertretung hatte die Moglichkeit, Beratungen und\nInformationen durch einen Mitarbeiter der o. g. Prufungsgesellschaft zu\nerhalten. \n--- \n--- \nVI. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Beim Dienstgeber besteht keine Gesamt- MAV. \n--- \n--- \nVII. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Dienstgeber hat die Mitarbeitervertretung wahrend der Laufzeit dieser\nDienstvereinbarung standig uber die wirtschaftliche Entwicklung der\nEinrichtung auf dem Laufenden zu halten. Er hat regelmaßig, mindestens\nvierteljahrlich, die unter Ziff. II aufgefuhrten Informationen zu\naktualisieren und zu erganzen. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Ergibt sich aus diesen Informationen eine wesentliche Verbesserung der\nwirtschaftlichen Situation der Einrichtung, so hat der Dienstgeber der\nMitarbeitervertretung eine vorzeitige Aufhebung dieser Dienstvereinbarung\nanzubieten. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Soweit sich in diesem Fall oder bei regularer Beendigung der Laufzeit der\nDienstvereinbarung Überschusse ergeben, sind diese an die Mitarbeiterinnen und\nMitarbeiter zuruckzuzahlen, die von den Kurzungen nach Ziff. 1 betroffen\nwaren. Soweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits aus der Einrichtung\nausgeschieden sind, bleiben diese dabei außer Betracht. \n--- \n--- \nVIII. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Diese Dienstvereinbarung kann - insbesondere bei Verstoß des Dienstgebers\ngegen Regelungen nach Abschnitt II b der Anlage 1 zu den AVR - nach Maßgabe\ndes § 38 der Mitarbeitervertretungsordnung mit einer Frist von drei Monaten\ngekundigt werden. Eine Nachwirkung scheidet aus. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Eine außerordentliche Kundigung ist moglich. Diese kann von der\nMitarbeitervertretung erklart werden, sobald der Dienstgeber wahrend der\nLaufzeit dieser Dienstvereinbarung die ordentliche betriebsbedingte Kundigung\neiner Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters erklart, die oder der von einer\nMaßnahme nach Ziff. 1 dieser Dienstvereinbarung betroffen ist. \n--- \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| VIIII. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Laufzeit der Dienstvereinbarung beginnt am 01.07.2004 und endet am\n31.12.2005. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Unterschriften: Dienstgeber, MAV (K, B, R.) \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Zur Prufung der Dienstvereinbarung durch die Arbeitsrechtliche Kommission\nist neben dieser Dienstvereinbarung auch noch eine Bestatigung der betroffenen\nMitarbeitervertretung beizufugen, dass sie ihre Rechte nach Abs. c der\nÖffnungsklausel wahrnehmen konnte." \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Jedenfalls mit Schreiben vom 21.07.2004 ubersandte die Beklagte der\nArbeitsrechtlichen Kommission die in Rede stehende Dienstvereinbarung. \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes stellte in\nihrem Schreiben vom 08.10.2004 (Bl. 239 d. A.) nach entsprechender Prufung\nfest, dass bei der fraglichen Dienstvereinbarung "samtliche\nWirksamkeitsvoraussetzungen des Abschnitts II b A der Anlage 1 AVR vorliegen." \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Klagerin ist der Ansicht, dass die Dienstvereinbarung zum Zwecke der\nStreichung des Urlaubsgeldes und der Weihnachtszuwendung fur die Kalenderjahre\n2004 und 2005 nicht rechtswirksam zustandegekommen sei. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| So seien etwa die Mitglieder der Mitarbeitervertretung in deren Sitzungen\nvom 14.01., 22.01. und 30.01.2004 von der Geschaftsleitung der Beklagten nicht\nordnungsgemaß und umfassend informiert worden. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Vor allem aber lage keine ordnungsgemaße Beratung und Beschlussfassung der\nin der Einrichtung der Beklagten gewahlten Mitarbeitervertretung uber den\nAbschluss der in Rede stehenden Dienstvereinbarung vor. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Aus Sicht der Klagerin bestunden erhebliche Zweifel daran, dass der Entwurf\nder Dienstvereinbarung, der der Mitarbeitervertretung in der Sitzung vom\n04.03.2004 zur Verfugung stand, die Streichung des Weihnachtsgeldes auch fur\ndas Jahr 2005 enthalten habe. \n--- \n| 65 \n--- \n| Nachdem die Beklagte am 21.05.2004 eine Information uber den Abschluss der\nDienstvereinbarung am "Schwarzen Brett" ausgehangt hatte, habe das\nzwischenzeitlich verstorbene Mitglied der Mitarbeitervertretung Herr K. ihr,\nder Klagerin gegenuber, als er den Aushang gesehen habe, geaußert: "Was da\nsteht, 2005, davon ist mir nichts bekannt." \n--- \n| 66 \n--- \n| Es sei daher davon auszugehen, dass der Inhalt der Dienstvereinbarung nicht\nnur Herrn K. unbekannt geblieben sei, sondern auch den ubrigen Mitgliedern der\nMitarbeitervertretung. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Klagerin tragt weiter vor, dass die in Rede stehende Dienstvereinbarung\nselbst im Falle ihrer Rechtswirksamkeit den Anspruch der Klagerin auf Zahlung\neiner Weihnachtszuwendung fur das Kalenderjahr 2004 unberuhrt lassen wurde.\nInsoweit habe sich die Beklagte in § 7 des schriftlichen Arbeitsvertrages der\nParteien vom 10.04.1996 arbeitsvertraglich zur Zahlung des entsprechenden\nWeihnachtsgeldes verpflichtet. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Jedenfalls resultiere ein dementsprechender Anspruch der Klagerin aus\nbetrieblicher Übung, da das Weihnachtsgeld in den vergangenen Jahren jeweils\nvorbehaltlos an sie gezahlt worden sei. \n--- \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Die Klagerin beantragt daher, \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| **1\\. die Beklagte zu verurteilen, an sie Urlaubsgeld f ur das Jahr 2004 in\nHohe von 357,34 EUR brutto nebst 5 % Zinsen uber dem Basiszinssatz seit dem\n02.08.2004 zu bezahlen,** \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| **2\\. die Beklagte zu verurteilen, an sie Weihnachtsgeld f ur das Jahr 2004\nin Hohe von 1.455,50 brutto zu bezahlen.** \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| **die Klage abzuweisen.** \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Sie fuhrt aus, dass die Anspruche der Klagerin auf Zahlung eines\nUrlaubsgeldes sowie einer Weihnachtszuwendung fur das Kalenderjahr 2004\ninfolge der Regelungen der o. g. Dienstvereinbarung in Wegfall geraten seien.\nInsbesondere habe die Beklagte samtlichen inhaltlichen Anforderungen fur den\nAbschluss einer entsprechenden Dienstvereinbarung gem. Anlage 1 Abschnitt II b\nzu den AVR Rechnung getragen. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Der von der Klagerin erhobene Einwand der nicht ordnungsgemaßen Beratung\nund Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung uber den Abschluss der\nangesprochenen Dienstvereinbarung gehe ins Leere. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung Herr R. habe die anderen\nMitglieder der Mitarbeitervertretung und den Geschaftsleiter Herrn H.\nanlasslich der Betriebsversammlung vom 17.02.2004 mundlich zur Sitzung der\nMitarbeitervertretung am 04.03.2004 eingeladen. Einziger Tagesordnungspunkt\nsei die Beratung und die Beschlussfassung uber die bereits im Entwurf\nvorliegende Dienstvereinbarung gewesen; dieser Entwurf habe insbesondere auch\nden Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes fur das Jahr 2005 umfasst. \n--- \n| 77 \n--- \n| Am Vormittag des 04.03.2004 sei der Entwurf der Dienstvereinbarung von\nsamtlichen anwesenden Mitgliedern der funfkopfigen Mitarbeitervertretung,\nteilweise zusammen mit dem Geschaftsleiter der Beklagten, nochmals\ndurchgesprochen worden. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Anschließend habe die Mitarbeitervertretung einstimmig den formlichen\nBeschluss gefasst, die Dienstvereinbarung gem. dem vorliegenden Entwurf\nabzuschließen, durch den fur 2004 und 2005 auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld\nverzichtet worden sei. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Die Unterzeichnung der Dienstvereinbarung in unveranderter Fassung durch\ndie Geschaftsfuhrer der Beklagten und den Vorsitzenden der\nMitarbeitervertretung sei schließlich am 19.05.2004 erfolgt. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Auch aus § 7 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 10.04.1996\nkonne die Klagerin keinen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes fur das\nJahr 2004 herleiten. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Mit der dortigen "Zusatzvereinbarung" sollte lediglich eine etwaige\nMinderung des Weihnachtsgeldes der Klagerin aus Anlass ihres\nArbeitsplatzwechsels im Jahr 1996 vom Stadtischen Klinikum zur Beklagten hin\nausgeglichen werden. Die dortige Regelung habe sich ausschließlich auf das\nEintrittsjahr der Klagerin 1996 bezogen. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Fur die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsatze\nder Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Klage hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Sie ist zwar zulassig, aber in der Sache unbegrundet. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| Die Klagerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung eines\nUrlaubsgeldes fur das Jahr 2004 in Hohe von 357,34 EUR brutto nebst 5 % Zinsen\nuber dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2004 (A) noch einen Anspruch auf Zahlung\neines Weihnachtsgeldes fur das Jahr 2004 in Hohe von 1.455,50 EUR brutto (B). \n--- \n--- \n--- \n**A.** \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| Die Klagerin kann die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf\nZahlung von 357,34 EUR brutto als Urlaubsgeld fur das Jahr 2004 (1.) nebst 5 %\nZinsen uber dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2004 (2.) in Anspruch nehmen. \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| 1\\. Insbesondere kann sich die Klagerin zur Begrundung des von ihr\nverfolgten Anspruchs auf Zahlung eines Urlaubsgeldes fur das Kalenderjahr 2004\nnicht auf §§ 6 ff. der Anlage 14 zu den AVR stutzen. \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| Denn die zwischen der in der Einrichtung der Beklagten gewahlten\nMitarbeitervertretung und der Beklagten als Dienstgeber geschlossene\n"Dienstvereinbarung nach Anlage 1 Ziff. II b AVR (Öffnungsklausel)", die unter\nI. 1. u. a. vorsieht, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beklagten\nim Jahr 2004 kein Urlaubsgeld gezahlt wird, erweist sich als rechtswirksam. \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| a) Zum einen tragt die in Rede stehende Dienstvereinbarung samtlichen\ninhaltlichen Anforderungen der Öffnungsklausel gem. Anlage 1 Ziff. II b AVR\n(s. Bl. 18 f d. A.) Rechnung. \n--- \n--- \n| 90 \n--- \n| aa) Es handelt sich bei der Beklagten um eine Einrichtung im Sinne der\nMitarbeitervertretungsordnung (vgl. Anlage 1 Ziff. II b A a AVR). \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| Dabei gelten als Einrichtung im Sinne der Mitarbeitervertretungsordnung u.\na. auch Einrichtungen und sonstige selbstandig gefuhrte Stellen der\nKirchengemeinden, unbeschadet ihrer Rechtsform (vgl. I. § 1 Abs. 1 MAVO). \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| Mithin unterfallt auch die Beklagte dem Anwendungsbereich der in Rede\nstehenden Öffnungsklausel, da ihre Gesellschafter die katholischen\nPfarrgemeinden in K. sind. \n--- \n--- \n| 93 \n--- \n| bb) Die Beklagte hat die in ihrer Einrichtung gewahlte\nMitarbeitervertretung in Schriftform uber die wirtschaftliche und finanzielle\nLage der Einrichtung so umfassend informiert, dass dieser ein den\ntatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild vermittelt wurde; dabei ist\ndie Beklagte auch auf die Risiken der kunftigen Entwicklung fur den\nRechtstrager und die Einrichtung eingegangen (vgl. Anlage 1 Ziff. II b A b 1\nAVR). \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| Ebenso hat die Beklagte die Anwendung der Öffnungsklausel und das Vorliegen\neiner wirtschaftlich schwierigen Situation begrundet (vgl. Anlage 1 Ziff. II b\nA b 2 AVR). \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| Die dafur notwendigen Informationen hat die Beklagte der\nMitarbeitervertretung, wie von Anlage 1 Ziff. II b A b 2 AVR gefordert, in\nschriftlicher Form vorgelegt, im einzelnen: \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| \\- den "Bericht uber die Prufung des Jahresabschlusses zum 31.12.2003" der\nB. GmbH Wirtschaftsprufungsgesellschaft vom 26.01.2004 (Anlage B 8, Bl.126 ff.\nd. A.) als testierte Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung des\nabgeschlossenen Wirtschaftsjahres, \n--- \n| 97 \n--- \n| \\- den Wirtschaftsplan des laufenden Jahres 2004 (Anlage B10, Bl. 188 d.\nA.), \n--- \n| 98 \n--- \n| \\- die aktuelle Lage mit den Ist-Zahlen und den weiteren Risiken sowie die\nDarstellung der Ursachen, die zu der wirtschaftlich schwierigen Situation der\nEinrichtung gefuhrt haben (Anlage B11, Bl. 189 d. A. sowie Anlage B 9, Bl. 180\nff. d. A.), \n--- \n| 99 \n--- \n| \\- die Darlegung, dass die Anwendung der Öffnungsklausel geeignet ist, die\nwirtschaftlich schwierige Situation zu uberwinden und andere Maßnahmen nicht\nzu demselben Erfolg fuhren (Anlage B13, Bl. 207 ff. d. A. i.V.m. Anlage B 9,\nBl. 180 ff. d. A.), \n--- \n| 100 \n--- \n| \\- die Planung der weiteren organisatorischen und finanziellen Maßnahmen,\ndie angewandt werden, um die Einrichtung dauerhaft aus der wirtschaftlich\nschwierigen Situation herauszufuhren (Anlage B 9, Bl. 180 ff. d. A.), \n--- \n| 101 \n--- \n| \\- die Darlegung, welchen Beitrag leitende Mitarbeiter zur Sanierung\nleisten (s. III. des Entwurfes der Dienstvereinbarung Bl. 21 ff. d. A.), \n--- \n| 102 \n--- \n| \\- die Stellungnahme eines Wirtschaftsprufers, die die vom Dienstgeber\nvorgelegten Informationen auf ihre Richtigkeit uberpruft und die Eignung der\nvereinbarten Maßnahmen zur Abwendung der wirtschaftlich schwierigen Situation\nbewertet (Bestatigung des nicht fur die Beklagte tatigen\nWirtschaftsprufers/Steuerberaters V, in K.). \n--- \n--- \n| 103 \n--- \n| Dass die Beklagte den ihr in Anlage I Ziff. II. b A b AVR auferlegten\nInformations- und Begrundungspflichten gegenuber der Mitarbeitervertretung\nRechnung getragen hat, bekraftigt auch die von der Arbeitsrechtlichen\nKommission des Deutschen Caritasverbandes in deren Schreiben vom 08.10.2004\n(Bl. 239 d. A.) getroffene Feststellung, dass in Zusammenhang mit der\nvorliegend in Rede stehenden Dienstvereinbarung "samtliche\nWirksamkeitsvoraussetzungen des Abschnitts II b A der Anlage 1 AVR vorliegen." \n--- \n--- \n| 104 \n--- \n| cc) Die Mitarbeitervertretung hatte das Recht, sachkundige Dritte im\nerforderlichen Umfang hinzuzuziehen, die die vorgelegten Unterlagen erlautern\nund die Mitarbeitervertretung bei den Verhandlungen beraten (vgl. Anlage 1\nAbschnitt II b A c AVR). \n--- \n--- \n| 105 \n--- \n| Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung Herr R. hatte mit Herrn S., dem\nstellvertretenden Vorsitzenden der MAV-Diozesanarbeitsgemeinschaft Kontakt\naufgenommen, diesem den gesamten Sachverhalt vorgetragen und sich wegen der in\nFrage kommenden Maßnahmen einschließlich des Abschlusses einer solchen\nDienstvereinbarung beraten lassen. \n--- \n--- \n| 106 \n--- \n| Wegen des konkreten Inhalts der angestrebten Dienstvereinbarung wandte sich\ndie Mitarbeitervertretung an die Abteilung Personal und Recht der Erzdiozese\nFreiburg, die der Mitarbeitervertretung auch den Entwurf der spater\nabgeschlossenen Dienstvereinbarung zur Verfugung stellte. \n--- \n--- \n| 107 \n--- \n| dd) Unter VII Abs. 3 der Dienstvereinbarung ist die Verpflichtung der\nBeklagten aufgenommen, bei Ablauf der Dienstvereinbarung entstandene\nÜberschusse bis zum Gesamtumfang der nach Abs. a Nr. 1-3 einbehaltenen\nVergutungsanteile an die beteiligten Mitarbeiter auszuschutten (vgl. Anlage 1\nAbschnitt II b A d AVR). \n--- \n--- \n| 108 \n--- \n| ee) Gemaß VII Abs. 1 der Dienstvereinbarung hat sich die Beklagte\nverpflichtet, wahrend deren Laufzeit die Mitarbeitervertretung mindestens\nvierteljahrlich uber die wirtschaftliche Entwicklung der Einrichtung zu\ninformieren (vgl. Anlage 1 Abschnitt II b A f AVR). \n--- \n--- \n| 109 \n--- \n| ff) Die Laufzeit der Dienstvereinbarung ist in dieser selbst unter VIIII\nfestgelegt; sie beginnt am 01.07.2004 und endet am 31.12.2005 (vgl. Anlage 1\nAbschnitt II b A g S.1 AVR). \n--- \n--- \n| 110 \n--- \n| gg) Die vollstandige Streichung des Urlaubsgeldes 2004 fur die Mitarbeiter\nder Beklagten ist auch inhaltlich von der Öffnungsklausel in der Anlage 1\nAbschnitt II b AVR gedeckt. \n--- \n--- \n| 111 \n--- \n| Wie die Arbeitsrechtliche Kommission mit Schreiben vom 03.08.2004 selbst\nbestatigt hat, entsprach es ihrem Vertragswillen, unter den Begriff der\n"Absenkung" in Abschnitt II b A Anlage 1 AVR ausdrucklich auch die Absenkung\ndes gesamten Urlaubsgeldes bzw. der gesamten Weihnachtszuwendung zu fassen.\nDie Öffnungsklausel erlaubt daher auch die Absenkung des Urlaubsgeldes und der\nWeihnachtszuwendung bis auf Null, mithin die ganzliche Streichung der\nentsprechenden Leistungen (vgl. Bl. 25 d. A.). \n--- \n--- \n--- \n| 112 \n--- \n| b) Ebensowenig vermag die Klagerin aus der von ihr erhobenen Ruge, es lage\nkeine ordnungsgemaße Beratung und Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung\nuber den Entwurf der Dienstvereinbarung vor, etwas zu ihren Gunsten\nherzuleiten. \n--- \n--- \n| 113 \n--- \n| Selbst wenn man zu Gunsten der Klagerin die Richtigkeit ihrer - von der\nBeklagten bestrittenen - Behauptung, das zwischenzeitlich verstorbene Mitglied\nder Mitarbeitervertretung Herr K. habe ihr, der Klagerin, gegenuber, als er\nden Aushang der Dienstvereinbarung am 21.05.2004 am "Schwarzen Brett" gelesen\nhabe, geaußert, dass das, 2005, was da stehen wurde, ihm nicht bekannt sei,\neinmal unterstellt, wurde dies die von der Klagerin daraus gezogene\nSchlussfolgerung, dass der der Beratung und Beschlussfassung der\nMitarbeitervertretung zugrundeliegende Entwurf der Dienstvereinbarung keine\nAbsenkung des Urlaubsgeldes bzw. der Weihnachtszuwendung der Mitarbeiter fur\ndas Kalenderjahr 2005 vorgesehen habe, weder zwingend rechtfertigen noch gar\nuberwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. \n--- \n--- \n| 114 \n--- \n| Zum einen stunde dies in eindeutigem Widerspruch zu dem Protokoll der\nSitzung der Mitarbeitervertretung vom 04.03.2004 (Bl. 72 d. A.), in dem\nausdrucklich auf einen Vertragsentwurf der Dienstvereinbarung, in dem auf\nUrlaubs- und Weihnachtsgeld fur die Jahre 2004 **und 2005** verzichtet werde,\nBezug genommen ist. \n--- \n--- \n| 115 \n--- \n| Zum anderen ware es aus Sicht der erkennenden Kammer mindestens im gleichen\nMaße wahrscheinlich, dass ein etwaiges Fehlverstandnis von Herr K., dass die\nDienstvereinbarung lediglich das Jahr 2004 betreffen wurde, aus einer\nfehlerhaften internen Willensbildung der Mitarbeitervertretung hervorgegangen\nsein konnte. \n--- \n--- \n| 116 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum\nBetriebsverfassungsrecht ergibt sich die Unwirksamkeit einer der Mitbestimmung\ndes Betriebsrates unterliegenden arbeitgeberseitigen Maßnahme nur dann, wenn\ndem Arbeitgeber bei der ihm obliegenden Einleitung des Beteiligungsverfahrens\nein Fehler unterlauft. Mangel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats\nentstehen, fuhren dagegen grundsatzlich nicht zur Unwirksamkeit der\narbeitgeberseitigen Maßnahme. So haben Fehler bei der Willensbildung oder bei\nder Beschlussfassung des Betriebsrates grundsatzlich keine Auswirkungen auf\ndie Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme. Dies gilt vor allem deshalb,\nweil der Arbeitgeber sich nicht in die Amtsfuhrung des Betriebsrates\neinmischen darf. Es ist Sache des Betriebsrats, ob und wie er seine\nbetriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte wahrnimmt. \n--- \n--- \n| 117 \n--- \n| Mangel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrates entstehen, konnen\nauch schon deshalb nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, weil der\nArbeitgeber keine wirksamen rechtlichen Einflussmoglichkeiten auf die interne\nWillensbildung des Betriebsrats hat. So ist er etwa nicht dazu befugt, den\nBetriebsrat anzuhalten, seine Stellungnahme zu einer beabsichtigten\narbeitgeberseitigen Maßnahme auf Grund einer ordnungsgemaßen Beschlussfassung\nabzugeben. \n--- \n--- \n| 118 \n--- \n| Der Grundsatz, dass Mangel bei der Willensbildung des Betriebsrats nicht\ndem Arbeitgeber anzulasten sind, gilt aus Grunden der Rechtssicherheit\nregelmaßig auch dann, wenn der Arbeitgeber weiß oder vermuten kann, dass das\nVerfahren im Betriebsrat fehlerhaft verlaufen ist. \n--- \n--- \n| 119 \n--- \n| Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Arbeitgeber den Fehler\nbei der Willensbildung des Betriebsrats durch unsachgemaßes Verhalten selbst\nveranlasst bzw. beeinflusst hat (vgl. zum Ganzen z. B. BAG, Urteil vom\n24.06.2004 - 2 AZR 461/03 - in: NZA 2004, 1330 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 120 \n--- \n| Diese vom Bundesarbeitsgericht in standiger Rechtsprechung zum\nBetriebsverfassungsrecht entwickelten Grundsatze, denen sich die erkennende\nKammer vollumfanglich anschließt, sind nach Ansicht der Kammer infolge der\nVergleichbarkeit der Interessenlage ohne weiteres auf das Recht der\nkirchlichen Mitarbeitervertretung zu ubertragen. \n--- \n--- \n| 121 \n--- \n| Die Anwendung der dargestellten Grundsatze auf die vorliegende\nSachverhaltskonstellation zieht die folgenden Konsequenzen fur die\nFallbehandlung nach sich: \n--- \n--- \n| 122 \n--- \n| Die fur das Vorliegen einer konkreten Einwendung gegen die\nOrdnungsgemaßheit der Beteiligung der Mitarbeitervertretung\ndarlegungspflichtige Klagerin hat nicht dargetan, dass der Beklagten als\nArbeitgeberin bei der ihr obliegenden Einleitung des Beteiligungsverfahrens\nein Fehler unterlaufen ist. Die von der Klagerin geaußerte Einschatzung, der\nder Mitarbeitervertretung vorgelegte Entwurf der Dienstvereinbarung habe keine\nAussage betreffend des Urlaubsgeldes und der Weihnachtszuwendung fur das\nKalenderjahr 2005 getroffen, erschopft sich, wie bereits oben dargestellt,\nnach Ansicht der erkennenden Kammer im Bereich der Mutmaßung. Es ware\nmindestens in gleichem Maße wahrscheinlich, dass ein dementsprechendes\nFehlverstandnis in der Person des Mitgliedes der Mitarbeitervertretung Herrn\nK. auf eine fehlerhafte interne Willensbildung der Mitarbeitervertretung\nzuruckzufuhren ware. \n--- \n--- \n| 123 \n--- \n| Da mithin nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagten bei der\nEinleitung des Beteiligungsverfahrens ein Fehler unterlaufen ware, geht der\nvon der Klagerin erhobene Einwand der nicht ordnungsgemaßen Beratung und\nBeschlussfassung der Mitarbeitervertretung ins Leere. \n--- \n--- \n| 124 \n--- \n| Folglich erweist sich die in der Einrichtung der Beklagten geschlossene\n"Dienstvereinbarung nach Anlage 1 Ziff. II b AVR (Öffnungsklausel)" als\nrechtswirksam, so dass nach deren Abs. I 1 den Mitarbeiterinnen und\nMitarbeitern der Beklagten, also auch der Klagerin, im Jahr 2004 kein\nUrlaubsgeld gezahlt wird. \n--- \n--- \n| 125 \n--- \n| 2\\. In Ermangelung des Bestehens der Hauptforderung ist der Klagerin auch\nder dementsprechende Zinsanspruch zu versagen. \n--- \n--- \n**B.** \n--- \n--- \n| 126 \n--- \n| Schließlich kann die Klagerin von der Beklagten unter keinem rechtlichen\nGesichtspunkt die Zahlung von 1.455,50 EUR brutto als Weihnachtsgeld fur das\nJahr 2004 beanspruchen. \n--- \n--- \n| 127 \n--- \n| 1\\. Ein dahingehender Anspruch der Klagerin folgt nicht etwa aus § 7 des\nzwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrages vom\n10.04.1996. \n--- \n--- \n| 128 \n--- \n| Die dort getroffene Vereinbarung "Weihnachtsgeld wird ubernommen" ist nach\nAnsicht der erkennenden Kammer nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte\nuber die in den AVR normierten Voraussetzungen hinaus sich gegenuber der\nKlagerin in jedem Falle zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes verpflichten\nwollte. \n--- \n--- \n| 129 \n--- \n| Gemaß § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklarung nicht allein\nam buchstablichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille\ndes Erklarenden zu erforschen. Dabei ist der Erklarungsgehalt unter\nZugrundelegung von Treu und Glauben mit Rucksicht auf die Verkehrssitte zu\nermitteln, § 157 BGB. Maßgeblich ist insoweit ein objektivierter\nEmpfangerhorizont, also was der Erklarungsempfanger als Sinn der Erklarung\nerkennen konnte, wenn er mit zumutbarer Sorgfalt alle ihm erkennbaren Umstande\nberucksichtigte. \n--- \n--- \n| 130 \n--- \n| Bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des schriftlichen Arbeitsvertrages der\nParteien vom 10.04.1996 waren die Voraussetzungen fur die Mitarbeiter der\nBeklagten fur den Bezug einer Weihnachtszuwendung detailliert in den AVR\n(weitestgehend angelehnt an die Regelung des offentlichen Dienstes) geregelt. \n--- \n--- \n| 131 \n--- \n| Da uber die Einbeziehung der AVR gem. § 2 des schriftlichen\nArbeitsvertrages der Parteien in deren arbeitsvertraglichen Beziehungen\nbereits eine vertragliche Regelung betreffend der Gewahrung einer\nWeihnachtszuwendung bestand, war - auch fur die Klagerin ersichtlich - kein\nsachlicher Grund gegeben, neben den AVR eine parallele gesonderte\ndiesbezugliche Vereinbarung zu treffen. \n--- \n--- \n| 132 \n--- \n| Es erscheint vielmehr plausibel und naheliegend, dass die unter § 7 des\nschriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 10.04.1996 getroffene\nZusatzvereinbarung festschreiben sollte, dass die Beklagte der Klagerin eine\nWeihnachtszuwendung fur das gesamte Jahr 1996 gewahren wurde, obwohl die\nKlagerin erst ab 01.05.1996 fur die Beklagte tatig gewesen war. Einen\ndeutlichen Hinweis auf den dahingehenden Vertragswillen der Parteien\nbeinhaltet auch der Begriff der "Übernahme" des Weihnachtsgeldes. \n--- \n--- \n| 133 \n--- \n| Dieser impliziert, dass die Beklagte davon ausging, unter Umstanden nicht\nzur Zahlung einer Weihnachtszuwendung an die Klagerin fur das Jahr 1996\nverpflichtet zu sein, aber dennoch der Klagerin insoweit entgegenzukommen, um\ndiese zum Wechsel des Arbeitsplatzes aus dem Stadtischen Klinikum hin zur\nBeklagten zu bewegen. \n--- \n--- \n| 134 \n--- \n| Hatte § 7 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 10.04.1996\nein weitergehender Aussagegehalt beigemessen werden sollen, hatte sich eine\nweiterreichende Formulierung, wie etwa "Die Mitarbeiterin erhalt ein\njahrliches Weihnachtsgeld in Hohe von (...)" angeboten. \n--- \n--- \n| 135 \n--- \n| Gleichfalls kann der Klagerin nicht darin gefolgt werden, dass sich ein\nAnspruch auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung fur das Jahr 2004 aus\nbetrieblicher Übung ergeben wurde. \n--- \n--- \n| 136 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist die\nbetriebliche Übung ein gleichformiges und wiederholtes Verhalten des\nArbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhaltnisse gestaltet und geeignet\nist, vertragliche Anspruche auf eine Leistung zu begrunden, wenn die\nArbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde\ndie Leistung auch kunftig gewahrt. \n--- \n--- \n| 137 \n--- \n| Ein dahingehendes schutzwurdiges Vertrauen des Arbeitnehmers kann sich aber\n- so auch hier - nicht bilden, wenn der Arbeitgeber fur den Arbeitnehmer\nersichtlich lediglich in Umsetzung einer zwischen den Parteien getroffenen\narbeitsvertraglichen Vereinbarung (hier: Anlage 1 Abschnitt XIV AVR) eine\nbestimmte Leistung erbringt. So hat die Klagerin insbesondere nicht dargetan,\nweshalb die Beklagte aus ihrer, der Klagerin, Sicht beabsichtigt haben sollte,\nsie bei der Gewahrung einer Weihnachtszuwendung gegenuber den ubrigen\nMitarbeitern der Beklagten besser zu stellen. \n--- \n--- \n| 138 \n--- \n| 2\\. Schließlich bietet auch die Anlage 1 Abschnitt XIV AVR keine\nRechtsgrundlage fur den von der Klagerin verfolgten Zahlungsanspruch. \n--- \n--- \n| 139 \n--- \n| Gemaß Abs. I 2 der "Dienstvereinbarung nach Anlage 1 Ziff. II b AVR\n(Öffnungsklausel)" zahlt die Beklagte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern\nim Jahr 2004 keine Weihnachtszuwendung. \n--- \n--- \n| 140 \n--- \n| Zur Begrundung der Rechtswirksamkeit der in Rede stehenden\nDienstvereinbarung kann auf die Ausfuhrungen unter A 1 Bezug genommen werden. \n--- \n--- \n| 141 \n--- \n| Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass nach alledem die Klage in\nvollem Umfang abzuweisen war. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 142 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 143 \n--- \n| Der Rechtsmittelstreitwert gem. § 61 Abs. 1 ArbGG war auf 1.812,84 EUR (=\nAddition des Nennwerts der bezifferten Klageforderungen) festzusetzen. \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Klage hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Sie ist zwar zulassig, aber in der Sache unbegrundet. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| Die Klagerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung eines\nUrlaubsgeldes fur das Jahr 2004 in Hohe von 357,34 EUR brutto nebst 5 % Zinsen\nuber dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2004 (A) noch einen Anspruch auf Zahlung\neines Weihnachtsgeldes fur das Jahr 2004 in Hohe von 1.455,50 EUR brutto (B). \n--- \n--- \n--- \n**A.** \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| Die Klagerin kann die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf\nZahlung von 357,34 EUR brutto als Urlaubsgeld fur das Jahr 2004 (1.) nebst 5 %\nZinsen uber dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2004 (2.) in Anspruch nehmen. \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| 1\\. Insbesondere kann sich die Klagerin zur Begrundung des von ihr\nverfolgten Anspruchs auf Zahlung eines Urlaubsgeldes fur das Kalenderjahr 2004\nnicht auf §§ 6 ff. der Anlage 14 zu den AVR stutzen. \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| Denn die zwischen der in der Einrichtung der Beklagten gewahlten\nMitarbeitervertretung und der Beklagten als Dienstgeber geschlossene\n"Dienstvereinbarung nach Anlage 1 Ziff. II b AVR (Öffnungsklausel)", die unter\nI. 1. u. a. vorsieht, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beklagten\nim Jahr 2004 kein Urlaubsgeld gezahlt wird, erweist sich als rechtswirksam. \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| a) Zum einen tragt die in Rede stehende Dienstvereinbarung samtlichen\ninhaltlichen Anforderungen der Öffnungsklausel gem. Anlage 1 Ziff. II b AVR\n(s. Bl. 18 f d. A.) Rechnung. \n--- \n--- \n| 90 \n--- \n| aa) Es handelt sich bei der Beklagten um eine Einrichtung im Sinne der\nMitarbeitervertretungsordnung (vgl. Anlage 1 Ziff. II b A a AVR). \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| Dabei gelten als Einrichtung im Sinne der Mitarbeitervertretungsordnung u.\na. auch Einrichtungen und sonstige selbstandig gefuhrte Stellen der\nKirchengemeinden, unbeschadet ihrer Rechtsform (vgl. I. § 1 Abs. 1 MAVO). \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| Mithin unterfallt auch die Beklagte dem Anwendungsbereich der in Rede\nstehenden Öffnungsklausel, da ihre Gesellschafter die katholischen\nPfarrgemeinden in K. sind. \n--- \n--- \n| 93 \n--- \n| bb) Die Beklagte hat die in ihrer Einrichtung gewahlte\nMitarbeitervertretung in Schriftform uber die wirtschaftliche und finanzielle\nLage der Einrichtung so umfassend informiert, dass dieser ein den\ntatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild vermittelt wurde; dabei ist\ndie Beklagte auch auf die Risiken der kunftigen Entwicklung fur den\nRechtstrager und die Einrichtung eingegangen (vgl. Anlage 1 Ziff. II b A b 1\nAVR). \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| Ebenso hat die Beklagte die Anwendung der Öffnungsklausel und das Vorliegen\neiner wirtschaftlich schwierigen Situation begrundet (vgl. Anlage 1 Ziff. II b\nA b 2 AVR). \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| Die dafur notwendigen Informationen hat die Beklagte der\nMitarbeitervertretung, wie von Anlage 1 Ziff. II b A b 2 AVR gefordert, in\nschriftlicher Form vorgelegt, im einzelnen: \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| \\- den "Bericht uber die Prufung des Jahresabschlusses zum 31.12.2003" der\nB. GmbH Wirtschaftsprufungsgesellschaft vom 26.01.2004 (Anlage B 8, Bl.126 ff.\nd. A.) als testierte Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung des\nabgeschlossenen Wirtschaftsjahres, \n--- \n| 97 \n--- \n| \\- den Wirtschaftsplan des laufenden Jahres 2004 (Anlage B10, Bl. 188 d.\nA.), \n--- \n| 98 \n--- \n| \\- die aktuelle Lage mit den Ist-Zahlen und den weiteren Risiken sowie die\nDarstellung der Ursachen, die zu der wirtschaftlich schwierigen Situation der\nEinrichtung gefuhrt haben (Anlage B11, Bl. 189 d. A. sowie Anlage B 9, Bl. 180\nff. d. A.), \n--- \n| 99 \n--- \n| \\- die Darlegung, dass die Anwendung der Öffnungsklausel geeignet ist, die\nwirtschaftlich schwierige Situation zu uberwinden und andere Maßnahmen nicht\nzu demselben Erfolg fuhren (Anlage B13, Bl. 207 ff. d. A. i.V.m. Anlage B 9,\nBl. 180 ff. d. A.), \n--- \n| 100 \n--- \n| \\- die Planung der weiteren organisatorischen und finanziellen Maßnahmen,\ndie angewandt werden, um die Einrichtung dauerhaft aus der wirtschaftlich\nschwierigen Situation herauszufuhren (Anlage B 9, Bl. 180 ff. d. A.), \n--- \n| 101 \n--- \n| \\- die Darlegung, welchen Beitrag leitende Mitarbeiter zur Sanierung\nleisten (s. III. des Entwurfes der Dienstvereinbarung Bl. 21 ff. d. A.), \n--- \n| 102 \n--- \n| \\- die Stellungnahme eines Wirtschaftsprufers, die die vom Dienstgeber\nvorgelegten Informationen auf ihre Richtigkeit uberpruft und die Eignung der\nvereinbarten Maßnahmen zur Abwendung der wirtschaftlich schwierigen Situation\nbewertet (Bestatigung des nicht fur die Beklagte tatigen\nWirtschaftsprufers/Steuerberaters V, in K.). \n--- \n--- \n| 103 \n--- \n| Dass die Beklagte den ihr in Anlage I Ziff. II. b A b AVR auferlegten\nInformations- und Begrundungspflichten gegenuber der Mitarbeitervertretung\nRechnung getragen hat, bekraftigt auch die von der Arbeitsrechtlichen\nKommission des Deutschen Caritasverbandes in deren Schreiben vom 08.10.2004\n(Bl. 239 d. A.) getroffene Feststellung, dass in Zusammenhang mit der\nvorliegend in Rede stehenden Dienstvereinbarung "samtliche\nWirksamkeitsvoraussetzungen des Abschnitts II b A der Anlage 1 AVR vorliegen." \n--- \n--- \n| 104 \n--- \n| cc) Die Mitarbeitervertretung hatte das Recht, sachkundige Dritte im\nerforderlichen Umfang hinzuzuziehen, die die vorgelegten Unterlagen erlautern\nund die Mitarbeitervertretung bei den Verhandlungen beraten (vgl. Anlage 1\nAbschnitt II b A c AVR). \n--- \n--- \n| 105 \n--- \n| Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung Herr R. hatte mit Herrn S., dem\nstellvertretenden Vorsitzenden der MAV-Diozesanarbeitsgemeinschaft Kontakt\naufgenommen, diesem den gesamten Sachverhalt vorgetragen und sich wegen der in\nFrage kommenden Maßnahmen einschließlich des Abschlusses einer solchen\nDienstvereinbarung beraten lassen. \n--- \n--- \n| 106 \n--- \n| Wegen des konkreten Inhalts der angestrebten Dienstvereinbarung wandte sich\ndie Mitarbeitervertretung an die Abteilung Personal und Recht der Erzdiozese\nFreiburg, die der Mitarbeitervertretung auch den Entwurf der spater\nabgeschlossenen Dienstvereinbarung zur Verfugung stellte. \n--- \n--- \n| 107 \n--- \n| dd) Unter VII Abs. 3 der Dienstvereinbarung ist die Verpflichtung der\nBeklagten aufgenommen, bei Ablauf der Dienstvereinbarung entstandene\nÜberschusse bis zum Gesamtumfang der nach Abs. a Nr. 1-3 einbehaltenen\nVergutungsanteile an die beteiligten Mitarbeiter auszuschutten (vgl. Anlage 1\nAbschnitt II b A d AVR). \n--- \n--- \n| 108 \n--- \n| ee) Gemaß VII Abs. 1 der Dienstvereinbarung hat sich die Beklagte\nverpflichtet, wahrend deren Laufzeit die Mitarbeitervertretung mindestens\nvierteljahrlich uber die wirtschaftliche Entwicklung der Einrichtung zu\ninformieren (vgl. Anlage 1 Abschnitt II b A f AVR). \n--- \n--- \n| 109 \n--- \n| ff) Die Laufzeit der Dienstvereinbarung ist in dieser selbst unter VIIII\nfestgelegt; sie beginnt am 01.07.2004 und endet am 31.12.2005 (vgl. Anlage 1\nAbschnitt II b A g S.1 AVR). \n--- \n--- \n| 110 \n--- \n| gg) Die vollstandige Streichung des Urlaubsgeldes 2004 fur die Mitarbeiter\nder Beklagten ist auch inhaltlich von der Öffnungsklausel in der Anlage 1\nAbschnitt II b AVR gedeckt. \n--- \n--- \n| 111 \n--- \n| Wie die Arbeitsrechtliche Kommission mit Schreiben vom 03.08.2004 selbst\nbestatigt hat, entsprach es ihrem Vertragswillen, unter den Begriff der\n"Absenkung" in Abschnitt II b A Anlage 1 AVR ausdrucklich auch die Absenkung\ndes gesamten Urlaubsgeldes bzw. der gesamten Weihnachtszuwendung zu fassen.\nDie Öffnungsklausel erlaubt daher auch die Absenkung des Urlaubsgeldes und der\nWeihnachtszuwendung bis auf Null, mithin die ganzliche Streichung der\nentsprechenden Leistungen (vgl. Bl. 25 d. A.). \n--- \n--- \n--- \n| 112 \n--- \n| b) Ebensowenig vermag die Klagerin aus der von ihr erhobenen Ruge, es lage\nkeine ordnungsgemaße Beratung und Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung\nuber den Entwurf der Dienstvereinbarung vor, etwas zu ihren Gunsten\nherzuleiten. \n--- \n--- \n| 113 \n--- \n| Selbst wenn man zu Gunsten der Klagerin die Richtigkeit ihrer - von der\nBeklagten bestrittenen - Behauptung, das zwischenzeitlich verstorbene Mitglied\nder Mitarbeitervertretung Herr K. habe ihr, der Klagerin, gegenuber, als er\nden Aushang der Dienstvereinbarung am 21.05.2004 am "Schwarzen Brett" gelesen\nhabe, geaußert, dass das, 2005, was da stehen wurde, ihm nicht bekannt sei,\neinmal unterstellt, wurde dies die von der Klagerin daraus gezogene\nSchlussfolgerung, dass der der Beratung und Beschlussfassung der\nMitarbeitervertretung zugrundeliegende Entwurf der Dienstvereinbarung keine\nAbsenkung des Urlaubsgeldes bzw. der Weihnachtszuwendung der Mitarbeiter fur\ndas Kalenderjahr 2005 vorgesehen habe, weder zwingend rechtfertigen noch gar\nuberwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. \n--- \n--- \n| 114 \n--- \n| Zum einen stunde dies in eindeutigem Widerspruch zu dem Protokoll der\nSitzung der Mitarbeitervertretung vom 04.03.2004 (Bl. 72 d. A.), in dem\nausdrucklich auf einen Vertragsentwurf der Dienstvereinbarung, in dem auf\nUrlaubs- und Weihnachtsgeld fur die Jahre 2004 **und 2005** verzichtet werde,\nBezug genommen ist. \n--- \n--- \n| 115 \n--- \n| Zum anderen ware es aus Sicht der erkennenden Kammer mindestens im gleichen\nMaße wahrscheinlich, dass ein etwaiges Fehlverstandnis von Herr K., dass die\nDienstvereinbarung lediglich das Jahr 2004 betreffen wurde, aus einer\nfehlerhaften internen Willensbildung der Mitarbeitervertretung hervorgegangen\nsein konnte. \n--- \n--- \n| 116 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum\nBetriebsverfassungsrecht ergibt sich die Unwirksamkeit einer der Mitbestimmung\ndes Betriebsrates unterliegenden arbeitgeberseitigen Maßnahme nur dann, wenn\ndem Arbeitgeber bei der ihm obliegenden Einleitung des Beteiligungsverfahrens\nein Fehler unterlauft. Mangel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats\nentstehen, fuhren dagegen grundsatzlich nicht zur Unwirksamkeit der\narbeitgeberseitigen Maßnahme. So haben Fehler bei der Willensbildung oder bei\nder Beschlussfassung des Betriebsrates grundsatzlich keine Auswirkungen auf\ndie Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme. Dies gilt vor allem deshalb,\nweil der Arbeitgeber sich nicht in die Amtsfuhrung des Betriebsrates\neinmischen darf. Es ist Sache des Betriebsrats, ob und wie er seine\nbetriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte wahrnimmt. \n--- \n--- \n| 117 \n--- \n| Mangel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrates entstehen, konnen\nauch schon deshalb nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, weil der\nArbeitgeber keine wirksamen rechtlichen Einflussmoglichkeiten auf die interne\nWillensbildung des Betriebsrats hat. So ist er etwa nicht dazu befugt, den\nBetriebsrat anzuhalten, seine Stellungnahme zu einer beabsichtigten\narbeitgeberseitigen Maßnahme auf Grund einer ordnungsgemaßen Beschlussfassung\nabzugeben. \n--- \n--- \n| 118 \n--- \n| Der Grundsatz, dass Mangel bei der Willensbildung des Betriebsrats nicht\ndem Arbeitgeber anzulasten sind, gilt aus Grunden der Rechtssicherheit\nregelmaßig auch dann, wenn der Arbeitgeber weiß oder vermuten kann, dass das\nVerfahren im Betriebsrat fehlerhaft verlaufen ist. \n--- \n--- \n| 119 \n--- \n| Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Arbeitgeber den Fehler\nbei der Willensbildung des Betriebsrats durch unsachgemaßes Verhalten selbst\nveranlasst bzw. beeinflusst hat (vgl. zum Ganzen z. B. BAG, Urteil vom\n24.06.2004 - 2 AZR 461/03 - in: NZA 2004, 1330 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 120 \n--- \n| Diese vom Bundesarbeitsgericht in standiger Rechtsprechung zum\nBetriebsverfassungsrecht entwickelten Grundsatze, denen sich die erkennende\nKammer vollumfanglich anschließt, sind nach Ansicht der Kammer infolge der\nVergleichbarkeit der Interessenlage ohne weiteres auf das Recht der\nkirchlichen Mitarbeitervertretung zu ubertragen. \n--- \n--- \n| 121 \n--- \n| Die Anwendung der dargestellten Grundsatze auf die vorliegende\nSachverhaltskonstellation zieht die folgenden Konsequenzen fur die\nFallbehandlung nach sich: \n--- \n--- \n| 122 \n--- \n| Die fur das Vorliegen einer konkreten Einwendung gegen die\nOrdnungsgemaßheit der Beteiligung der Mitarbeitervertretung\ndarlegungspflichtige Klagerin hat nicht dargetan, dass der Beklagten als\nArbeitgeberin bei der ihr obliegenden Einleitung des Beteiligungsverfahrens\nein Fehler unterlaufen ist. Die von der Klagerin geaußerte Einschatzung, der\nder Mitarbeitervertretung vorgelegte Entwurf der Dienstvereinbarung habe keine\nAussage betreffend des Urlaubsgeldes und der Weihnachtszuwendung fur das\nKalenderjahr 2005 getroffen, erschopft sich, wie bereits oben dargestellt,\nnach Ansicht der erkennenden Kammer im Bereich der Mutmaßung. Es ware\nmindestens in gleichem Maße wahrscheinlich, dass ein dementsprechendes\nFehlverstandnis in der Person des Mitgliedes der Mitarbeitervertretung Herrn\nK. auf eine fehlerhafte interne Willensbildung der Mitarbeitervertretung\nzuruckzufuhren ware. \n--- \n--- \n| 123 \n--- \n| Da mithin nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagten bei der\nEinleitung des Beteiligungsverfahrens ein Fehler unterlaufen ware, geht der\nvon der Klagerin erhobene Einwand der nicht ordnungsgemaßen Beratung und\nBeschlussfassung der Mitarbeitervertretung ins Leere. \n--- \n--- \n| 124 \n--- \n| Folglich erweist sich die in der Einrichtung der Beklagten geschlossene\n"Dienstvereinbarung nach Anlage 1 Ziff. II b AVR (Öffnungsklausel)" als\nrechtswirksam, so dass nach deren Abs. I 1 den Mitarbeiterinnen und\nMitarbeitern der Beklagten, also auch der Klagerin, im Jahr 2004 kein\nUrlaubsgeld gezahlt wird. \n--- \n--- \n| 125 \n--- \n| 2\\. In Ermangelung des Bestehens der Hauptforderung ist der Klagerin auch\nder dementsprechende Zinsanspruch zu versagen. \n--- \n--- \n**B.** \n--- \n--- \n| 126 \n--- \n| Schließlich kann die Klagerin von der Beklagten unter keinem rechtlichen\nGesichtspunkt die Zahlung von 1.455,50 EUR brutto als Weihnachtsgeld fur das\nJahr 2004 beanspruchen. \n--- \n--- \n| 127 \n--- \n| 1\\. Ein dahingehender Anspruch der Klagerin folgt nicht etwa aus § 7 des\nzwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrages vom\n10.04.1996. \n--- \n--- \n| 128 \n--- \n| Die dort getroffene Vereinbarung "Weihnachtsgeld wird ubernommen" ist nach\nAnsicht der erkennenden Kammer nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte\nuber die in den AVR normierten Voraussetzungen hinaus sich gegenuber der\nKlagerin in jedem Falle zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes verpflichten\nwollte. \n--- \n--- \n| 129 \n--- \n| Gemaß § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklarung nicht allein\nam buchstablichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille\ndes Erklarenden zu erforschen. Dabei ist der Erklarungsgehalt unter\nZugrundelegung von Treu und Glauben mit Rucksicht auf die Verkehrssitte zu\nermitteln, § 157 BGB. Maßgeblich ist insoweit ein objektivierter\nEmpfangerhorizont, also was der Erklarungsempfanger als Sinn der Erklarung\nerkennen konnte, wenn er mit zumutbarer Sorgfalt alle ihm erkennbaren Umstande\nberucksichtigte. \n--- \n--- \n| 130 \n--- \n| Bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des schriftlichen Arbeitsvertrages der\nParteien vom 10.04.1996 waren die Voraussetzungen fur die Mitarbeiter der\nBeklagten fur den Bezug einer Weihnachtszuwendung detailliert in den AVR\n(weitestgehend angelehnt an die Regelung des offentlichen Dienstes) geregelt. \n--- \n--- \n| 131 \n--- \n| Da uber die Einbeziehung der AVR gem. § 2 des schriftlichen\nArbeitsvertrages der Parteien in deren arbeitsvertraglichen Beziehungen\nbereits eine vertragliche Regelung betreffend der Gewahrung einer\nWeihnachtszuwendung bestand, war - auch fur die Klagerin ersichtlich - kein\nsachlicher Grund gegeben, neben den AVR eine parallele gesonderte\ndiesbezugliche Vereinbarung zu treffen. \n--- \n--- \n| 132 \n--- \n| Es erscheint vielmehr plausibel und naheliegend, dass die unter § 7 des\nschriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 10.04.1996 getroffene\nZusatzvereinbarung festschreiben sollte, dass die Beklagte der Klagerin eine\nWeihnachtszuwendung fur das gesamte Jahr 1996 gewahren wurde, obwohl die\nKlagerin erst ab 01.05.1996 fur die Beklagte tatig gewesen war. Einen\ndeutlichen Hinweis auf den dahingehenden Vertragswillen der Parteien\nbeinhaltet auch der Begriff der "Übernahme" des Weihnachtsgeldes. \n--- \n--- \n| 133 \n--- \n| Dieser impliziert, dass die Beklagte davon ausging, unter Umstanden nicht\nzur Zahlung einer Weihnachtszuwendung an die Klagerin fur das Jahr 1996\nverpflichtet zu sein, aber dennoch der Klagerin insoweit entgegenzukommen, um\ndiese zum Wechsel des Arbeitsplatzes aus dem Stadtischen Klinikum hin zur\nBeklagten zu bewegen. \n--- \n--- \n| 134 \n--- \n| Hatte § 7 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 10.04.1996\nein weitergehender Aussagegehalt beigemessen werden sollen, hatte sich eine\nweiterreichende Formulierung, wie etwa "Die Mitarbeiterin erhalt ein\njahrliches Weihnachtsgeld in Hohe von (...)" angeboten. \n--- \n--- \n| 135 \n--- \n| Gleichfalls kann der Klagerin nicht darin gefolgt werden, dass sich ein\nAnspruch auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung fur das Jahr 2004 aus\nbetrieblicher Übung ergeben wurde. \n--- \n--- \n| 136 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist die\nbetriebliche Übung ein gleichformiges und wiederholtes Verhalten des\nArbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhaltnisse gestaltet und geeignet\nist, vertragliche Anspruche auf eine Leistung zu begrunden, wenn die\nArbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde\ndie Leistung auch kunftig gewahrt. \n--- \n--- \n| 137 \n--- \n| Ein dahingehendes schutzwurdiges Vertrauen des Arbeitnehmers kann sich aber\n- so auch hier - nicht bilden, wenn der Arbeitgeber fur den Arbeitnehmer\nersichtlich lediglich in Umsetzung einer zwischen den Parteien getroffenen\narbeitsvertraglichen Vereinbarung (hier: Anlage 1 Abschnitt XIV AVR) eine\nbestimmte Leistung erbringt. So hat die Klagerin insbesondere nicht dargetan,\nweshalb die Beklagte aus ihrer, der Klagerin, Sicht beabsichtigt haben sollte,\nsie bei der Gewahrung einer Weihnachtszuwendung gegenuber den ubrigen\nMitarbeitern der Beklagten besser zu stellen. \n--- \n--- \n| 138 \n--- \n| 2\\. Schließlich bietet auch die Anlage 1 Abschnitt XIV AVR keine\nRechtsgrundlage fur den von der Klagerin verfolgten Zahlungsanspruch. \n--- \n--- \n| 139 \n--- \n| Gemaß Abs. I 2 der "Dienstvereinbarung nach Anlage 1 Ziff. II b AVR\n(Öffnungsklausel)" zahlt die Beklagte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern\nim Jahr 2004 keine Weihnachtszuwendung. \n--- \n--- \n| 140 \n--- \n| Zur Begrundung der Rechtswirksamkeit der in Rede stehenden\nDienstvereinbarung kann auf die Ausfuhrungen unter A 1 Bezug genommen werden. \n--- \n--- \n| 141 \n--- \n| Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass nach alledem die Klage in\nvollem Umfang abzuweisen war. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 142 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 143 \n--- \n| Der Rechtsmittelstreitwert gem. § 61 Abs. 1 ArbGG war auf 1.812,84 EUR (=\nAddition des Nennwerts der bezifferten Klageforderungen) festzusetzen. \n--- \n--- \n---\n\n
132,626
lsgbw-2007-01-08-l-8-al-324206-ak-a
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 AL 3242/06 AK-A
2007-01-08
2019-01-07 10:17:12
2019-01-17 11:52:31
Beschluss
## Tenor\n\nDie Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens tragt der Klager.\n\nDie außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden dem Klager auferlegt.\n\nDer Streitwert fur das Klage- und Berufungsverfahren wird auf je 5.000,- Euro\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beigeladene - eine Gesellschaft mit beschrankter Haftung (GmbH) -\nerstattete im Dezember 2004 der Beklagten eine Entlassungsanzeige nach § 17\nKundigungsschutzgesetz (KSchG). Die von den Kundigungen betroffenen\nArbeitnehmer, darunter der Klager, waren in der Anlage 1 der\nEntlassungsanzeige aufgefuhrt. Die Beigeladene begrundete die geplanten\nEntlassungen mit der Fremdvergabe von bisher in Eigenregie erbrachten\nLeistungen. Der am 27.01.1961 geborene Klager war damals als Mitarbeiter im\nHol- und Bringedienst bei der Beigeladenen beschaftigt. Mit einem an die\nBeigeladene gerichteten und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen\nBescheid vom 18.05.2005 (Bl. 78 der Verwaltungsakte der Beklagten) teilte die\nBeklagte der Beigeladenen mit, welche Entscheidung sie nach Prufung der\nEntlassungsanzeige getroffen hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid legte der Klager, vertreten durch seinen\nProzessbevollmachtigten, am 08.06.2005 Widerspruch ein. Zur Begrundung fuhrte\ner aus, nach dem Urteil des Europaischen Gerichtshofes vom 27.01.2005 sei\ndavon auszugehen, dass die Regularien der Massenentlassung zumindest auch im\nInteresse des zu kundigenden Arbeitnehmers zu beachten seien. Daraus ergebe\nsich ein Rechtsschutzinteresse der Betroffenen und insbesondere die Befugnis,\nsoweit die Verwaltungsakte der Beklagten eine Drittbelastung zu Lasten der\nBetroffenen beinhalte, Rechtsmittel einzulegen. Gegen den Bescheid vom\n18.05.2005 oder gegen jeden anderen Bescheid, der eine Freifrist fur seine\nEntlassung feststelle, lege er deshalb Widerspruch ein. Die Widerspruchsstelle\nder Beklagten verwarf den Widerspruch des Klagers mit Widerspruchsbescheid vom\n11.07.2005 als unzulassig. Mit der angefochtenen Entscheidung seien Rechte des\nKlagers weder begrundet noch geandert, entzogen oder festgestellt worden. Der\nBescheid sei gegenuber der Beigeladenen ergangen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 12.08.2005 hat der Klager Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG)\nerhoben und beantragt, den Bescheid vom 18.05.2005 sowie den\nWiderspruchsbescheid vom 11.07.2005 aufzuheben und festzustellen, dass die\nMassenentlassungsanzeige der Beigeladenen unwirksam war (Schriftsatz vom\n10.08.2005). Die Beiladung der Arbeitgeberin ist mit Beschluss des SG vom\n07.10.2005 erfolgt. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz ihres\nProzessbevollmachtigten vom 25.10.2005 den Antrag gestellt, die Klage\nabzuweisen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Urteil vom 26.01.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. In den\nEntscheidungsgrunden hat das SG dargelegt, die Klage sei bereits unzulassig.\nDer Bescheid vom 18.05.2005 regele im Wesentlichen die Entlassungssperre fur\n20 Arbeitnehmer der Beigeladenen. Die Entscheidung beruhre jedoch keine eigene\nanerkannte und geschutzte Rechtsposition der Arbeitnehmer. Weder aus dem\nnationalen Recht noch aus der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur\nAngleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten uber Massenentlassungen\n(ABl. Nr. 225/16 vom 12.08.1998, im Folgenden MERL) ergebe sich eine\nRechtsposition fur den Klager, in die mit dem angefochtenen Bescheid hatte\neingegriffen werden konnen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmachtigten des\nKlagers am 15.02.2006 zugestellt worden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 07.03.2006 hat der Klager Berufung eingelegt und geltend gemacht,\ngegenuber den vom SG zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG)\nhabe sich die Rechtslage durch die MERL und die hierzu ergangenen\nRechtssprechung des Europaischen Gerichtshofes (EuGH), zuletzt mit Urteil vom\n27.01.2005, grundlegend geandert. Die gemeinschaftskonforme Auslegung der §§\n17ff KSchG lasse nur das Ergebnis zu, dass die gesetzlichen Regelungen zum\nSchutz der Arbeitnehmer geschaffen worden seien. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte und die Beigeladene sind dem Berufungsbegehren des Klagers\nentgegen getreten und haben beantragt, die Berufung des Klagers\nzuruckzuweisen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 22.06.2006 hat der Klager mitgeteilt, dass seiner\nKundigungsschutzklage bestandskraftig stattgegeben worden sei. Die Hauptsache\ndes vorliegenden Rechtsstreits habe sich somit erledigt. Er beantrage, der\nBeklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. \n--- \nII. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kosten des Verfahrens hat der Klager zu tragen (1.). Ihm werden auch\ndie außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt (2.). Der Streitwert\nwird auf 5.000 Euro festgesetzt (3.). \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. Die Entscheidung daruber, wer die Kosten des Rechtstreits zu tragen\nhat, ergeht auf der Grundlage von § 197a SGG iVm § 161\nVerwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Sozialgerichtsprozess werden Kosten nach\nden Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) nur in den Verfahren\nerhoben, in denen in einem Rechtszug weder der Klager noch der Beklagte zu den\nin § 183 SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung des 6. SGGÄndG vom\n17.08.2001 - BGBl I S. 2144 - genannten Personen gehoren (§ 197a Abs. 1 S. 1\nSGG). Die in § 183 SGG genannten Personen sind Versicherte,\nLeistungsempfanger, einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfanger,\nBehinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches\nSozialgesetzbuch (SGB I). Die Voraussetzungen des § 183 SGG sind hier nicht\nerfullt, es liegt vielmehr ein Fall des § 197a SGG vor. Der Klager gehort\nersichtlich nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis. Auch eine\nerweiternde Auslegung oder analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den Klager\nist nicht moglich. Der Wortlaut des § 183 SGG bedarf nach der Rechtsprechung\ndes BSG vielmehr der einschrankenden Auslegung (BSG 20.12.2005 SozR 4-1500 §\n183 Nr. 3). Der Gesetzgeber hat das Kostenprivileg des § 183 SGG zwar nicht\nausdrucklich daran geknupft, dass es um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB\nI geht. Jedoch sprechen Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 183\nSGG dafur, dessen Kostenprivileg in erster Linie Personen einzuraumen, die als\nKlager oder Beklagte um derartige Leistungen streiten. Ein solcher Sachverhalt\nist hier nicht gegeben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach § 161 Abs. 1 VwGO hat das Gericht durch Beschluss uber die Kosten zu\nentscheiden, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wurde. Ist der\nRechtsstreit in der Hauptsache erledigt, ist die Kostenentscheidung gemaß §\n161 Abs. 2 VwGO unter Berucksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes\nnach billigem Ermessen zu treffen. Eine Erledigung ist hier dadurch\neingetreten, dass der Klage des Klagers vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe gegen\ndie Kundigung stattgegeben wurde und der Klager das Verfahren deshalb fur\nerledigt erklart hat. Die Beklagte geht ebenfalls davon aus, dass das\nVerfahren ohne Urteil beendet wurde (Schriftsatz vom 20.07.2006), sodass ein\nFall der ubereinstimmenden Erledigungserklarung anzunehmen ist. Liegen\nubereinstimmende Erledigungserklarungen des Klagers und der Beklagten vor,\nendet die Rechtshangigkeit, ohne dass es einer Einstellung des Verfahrens\ndurch Beschluss bedarf. Unerheblich ist, ob die Beigeladene den Rechtsstreit\nebenfalls fur erledigt erklart oder der Erklarungen der Hauptbeteiligten\nzustimmt. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung\nentscheidet stets das zuletzt angegangene Gericht uber die Kosten des gesamten\nRechtsstreits, und zwar unabhangig davon, ob das Verfahren durch Urteil oder\nanders erledigt worden ist (BSG 07.09.1998 SozR 3-1500 § 193 Nr. 10). \n--- \n| 11 \n--- \n| Bei der vom Senat zu treffenden Kostenentscheidung kommt es auf den\nvermutlichen Verfahrensausgang an, der nach der Sach- und Rechtslage zum\nZeitpunkt der Erledigung zu beurteilen ist. Hangt die Entscheidung uber den\n(vermutlichen) Ausgang des Verfahrens von der Auslegung schwieriger und\numstrittener Rechtsfragen ab, so kann das Gericht davon absehen, zu allen fur\nden Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfragen Stellung zu nehmen\n(vgl. BSG 25.05.1957 SozR Nr. 4 zu § 193 SGG). Unter Berucksichtigung dieser\nGesichtpunkte gelangt der Senat zu der Auffassung, dass die Berufung des\nKlagers gegen das Urteil des SG aus den vom SG dargelegten Grunden vermutlich\nzuruckgewiesen worden ware. Insoweit kann auf die zutreffenden Grunde des\nUrteils vom 26.01.2006 verwiesen werden (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). \n--- \n| 12 \n--- \n| Erganzend ist auszufuhren, dass auch das Vorbringen des Klagers im\nBerufungsverfahren keine andere Entscheidung gerechtfertigt hatte. Ebenso wie\ndas SG ist der Senat der Ansicht, dass die Klage gegen den Bescheid der\nBeklagten vom 18.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom\n11.07.2005 wegen fehlender Beschwer (Klagebefugnis) unzulassig war. \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Verletzung von Rechten des Klagers ist allerdings nicht schon deshalb\nzu verneinen, weil der Bescheid vom 18.05.2005 sich nur an die Beigeladene\ngerichtet hat. Denn maßgebend ist nicht, an wen die Behorde ihre Entscheidung\ngerichtet hat, sondern was die Entscheidung regelt. Um eine\nAnfechtungsbefugnis zu bejahen, muss ein Drittbetroffener allerdings nach der\nRechtsprechung zu § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG und zu § 42 Abs. 2 VwGO behaupten\nkonnen, dass der angefochtene Verwaltungsakt in seine eigenen rechtlichen\nInteressen eingreift (BSGE 70, 99, 101 = SozR 3-1500 § 54 Nr. 15; BSGE 86, 126\n, 130 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37; BVerfGE 83, 182 , 196 = SozR 3-1100 Art 19 Nr.\n2, jeweils mwN). Wann dies der Fall ist, lasst sich nicht generell\nbeantworten, sondern richtet sich nach dem jeweiligen Rechtsgebiet. Dabei ist\nim Einzelfall maßgebend, ob die Moglichkeit besteht, dass der angefochtene\nVerwaltungsakt gegen eine Rechtsnorm verstoßt, die zumindest auch den Schutz\nindividueller Interessen des Drittbetroffenen bezweckt (BSG SozR Nr 115 zu §\n54 SGG; BSGE 67, 30 , 31 f = SozR 3-2200 § 368n Nr. 1; BSGE 68, 291 , 293 =\nSozR 3-1500 § 54 Nr 7). Eine Anfechtungsbefugnis ist also gegeben, wenn der\nmaßgeblichen Norm ein Rechtssatz zu entnehmen ist, der zumindest auch den\nIndividualinteressen des Anfechtenden zu dienen bestimmt ist; nicht\nausreichend ist dagegen eine Reflexwirkung in dem Sinne, dass sich aus einer\nim Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse eines bestimmten\nPersonenkreises erlassenen Norm zugleich auch eine Begunstigung einzelner\nDritter ergibt (zum Ganzen BSG 19.12.2001 - 11 AL 57/01 R - BSGE 89, 119 mwN). \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Regelungen in den §§ 17ff KSchG verfolgen primar einen\narbeitsmarktpolitischen Zweck. Die beklagte Bundesagentur soll die Moglichkeit\nerhalten, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzogerung umfangreicher\nArbeitslosigkeit einzuleiten und fur anderweitige Beschaftigung von\nEntlassenen zu sorgen (BAG 23.03.2006 - 2 AZR 343/05 - NJW 2006, 3161; vgl.\nauch BSG 14.08.1980 SozR 1500 § 54 Nr. 44). Sie dienen nicht dem\nIndividualinteresse des von einer Kundigung bedrohten Arbeitnehmers; dieser\nwird davon nur mittelbar betroffen. Daran hat sich entgegen der Auffassung des\nKlagers durch die Rechtsprechung des EuGH nichts geandert. \n--- \n| 15 \n--- \n| In seiner Entscheidung vom 27.01.2005 (C-188/03), auf die sich der Klager\nbezieht, hat der EuGH festgestellt, dass als Entlassung im Sinne der Art 2 bis\n4 MERL die Kundigungserklarung des Arbeitsgebers zu verstehen ist. Seine\nEntscheidung hat der EuGH ua damit begrundet, dass Art 2 MERL zum Ziel habe,\nKundigungen zu vermeiden oder ihre Zahl zu beschranken. Dieses Ziel ließe sich\nnicht erreichen, wenn die Konsultation der Arbeitnehmervertreter nach der\nEntscheidung des Arbeitgebers stattfande. Damit hat der EuGH im Ergebnis auch\nden arbeitsmarktpolitischen Zweck der §§ 17ff KSchG betont. Das\nBundesarbeitsgericht (BAG) hat sich unter Aufgabe seiner fruheren\nRechtsprechung der Auffassung des EuGH angeschlossen und fordert nunmehr\nebenfalls, dass § 17 Abs. 1 KSchG im Hinblick auf die MERL dahin ausgelegt\nwerden muss, dass die Massenentlassungsanzeige vor Erklarung der Kundigungen\nerstattet werden muss (BAG 13.07.2006 - 6 AZR 198/06 - juris und BAG\n23.06.2006 aaO). Dies hat zwar insofern eine Verbesserung des\nIndividualrechtsschutzes fur den einzelnen Arbeitnehmer zur Konsequenz, weil\nnun ein Unterlassen der Massenentlassungsanzeige vor der Kundigung in der\nRegel dazu fuhrt, dass diese das Arbeitsverhaltnis nicht auflosen kann und\ndaher der Kundigungsschutzklage stattzugeben ist (BAG 13.07.2006 aaO Rn 21).\nDies andert aber nichts daran, dass die Regelungen in den §§ 17ff KSchG auch\nbei richtlinienkonformer Auslegung kein Recht des Klagers begrunden,\ngerichtlich gegen Entscheidungen der Bundesagentur nach § 18 KSchG vorzugehen.\nDie Anzeigepflicht bezweckt nach wie vor nicht den Schutz des Arbeitnehmers\nvor Entlassung, sondern dient dem Ziel einer effektiven Verwaltung der\nMassenentlassung und der Massenarbeitslosigkeit. Dementsprechend werden auch\nkeine relevanten individual-rechtlich geschutzten Interessen des Arbeitnehmers\nbetroffen (so ausdrucklich BAG 23.03.2006 aaO Rn 45). \n--- \n| 16 \n--- \n| 2\\. Rechtsgrundlage fur die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der\nbeigeladenen GmbH ist § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des\nBeigeladenen sind danach nur erstattungsfahig, wenn sie das Gericht aus\nBilligkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Es\nentspricht grundsatzlich der Billigkeit iSd § 162 Abs. 3 VwGO, dass nur\nderjenige Beigeladene, der selbst ein Kostenrisiko tragt, auch eine Erstattung\nvon Aufwendungen beanspruchen kann (vgl. Kopp/Schenke VwGO 13. Aufl. § 163 Rn\n23 mwN). Da die Beigeladene nicht zum Personenkreis der nach § 183 SGG\nkostenrechtlich Privilegierten gehort und sie daher - anders als die\nkostenrechtlich Begunstigten (vgl. § 197a Abs. 2 S. 2 SGG) - im Falle der\nAntragstellung auch ein eigenes Kostenrisiko tragt (§ 154 Abs. 3 VwGO), kann\nsie umgekehrt auch eine Erstattung ihrer Aufwendungen erhalten. Sie hat -\nebenso wie die Beklagte - eine Abweisung der Klage bzw. Zuruckweisung der\nBerufung beantragt und hatte deshalb nach dem vermutlichen Verfahrensausgang\nobsiegt. \n--- \n| 17 \n--- \n| 3\\. Der Streitwert fur das Klage- und Berufungsverfahren betragt 5.000\nEuro. Im vorliegenden Fall ist der Regelwert des § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen,\nda der Sachstand fur die konkrete Bestimmung des Streitwerts keine genugenden\nAnhaltspunkte bietet. \n--- \n| 18 \n--- \n| Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). \n---\n\n
137,000
lsgbw-2007-03-26-l-2-r-483906-ak-b
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 2 R 4839/06 AK-B
2007-03-26
2019-01-07 12:04:52
2019-01-17 11:57:08
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen\nvom 22. August 2006 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Beklagte tragt die außergerichtlichen Kosten des Klagers fur das\nBeschwerdeverfahren.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die zulassige Beschwerde, welcher das Sozialgericht Reutlingen (SG) nicht\nabgeholfen hat (vgl. im Einzelnen §§ 172 ff Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist\nunbegrundet. Der Beschluss des SG, nach dem die Beklagte dem Klager die\naußergerichtlichen Kosten fur das Klageverfahren S 11 R 223/05 in vollem\nUmfang zu erstatten hat, ist nicht zu beanstanden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht, wenn das Verfahren -\nwie im vorliegenden Fall durch Vergleich - anders als durch Urteil beendet\nwird, auf Antrag durch Beschluss daruber, ob und in welchem Umfang die\nBeteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Die Kostenentscheidung erfolgt\nnach sachgemaßem Ermessen. Dieses „Ermessen" (allg. s. Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, SGG, § 176 Rdnr. 4) geht nach Auffassung des Senats\nauf das Beschwerdegericht uber, da es lediglich bedeuten soll, dass es keine\nzwingenden gesetzlichen Bestimmungen gibt und alle Umstande des Einzelfalles\nzu berucksichtigen sind (vgl. Knittel in Hennig, SGG, § 193 Rdnr. 38 m.w.N.;\nMeyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 193 Rdnr. 17). Hierbei ist\ninsbesondere der nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung\nzu beurteilende Verfahrensausgang maßgebend (vgl. Bundessozialgericht - BSG -\nSozR 3-1500 § 193 Nr. 2 und 10); zu berucksichtigen ist auch, ob der\nVersicherungstrager Anlass zur Klage gegeben hat (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193\nNr. 2; SozR 3-5050 § 22 b Nr. 1). \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte hat Anlass zur Klageerhebung gegeben. Das SG ist zutreffend -\nund von der Beklagten insoweit nicht angegriffen - zum Zeitpunkt der\nErledigung der Hauptsache von einer auch quantitativen Leistungsminderung des\nKlagers bereits vor Rentenantragsstellung ausgegangen; die vom Beratungsarzt\nder Beklagten gegebene Begrundung zur Festsetzung des Eintritts des\nLeistungsfalls, die von ihr im Vergleichsangebot umgesetzt worden ist, kann\nanhand der im gesamten Verfahren erhobenen Befunde, die eine wesentliche\nÄnderung nicht erkennen lassen, nicht nachvollzogen werden. Zum Zeitpunkt der\nErledigung des Rechtsstreits hatte das SG demnach eine Verurteilung der\nBeklagten zur Gewahrung einer Zeitrente - ausgehend spatestens von einem\nEintritt des Leistungsfalls im Zeitpunkt der Rentenantragstellung -\nvorgenommen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beschwerdebegrundung, dem auf Dauerrente gerichteten Klageantrag sei\nnicht in vollem Umfange entsprochen worden, weswegen nur eine Kostenquotelung\nin Betracht komme, uberzeugt nicht. Der vom Klagerbevollmachtigten mit der\nKlageschrift vom 25. Januar 2005 angekundigte Antrag auf Verurteilung der\nBeklagten zur Gewahrung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser,\nErwerbsminderung „ab Antragstellung" bzw. „antragsgemaß", zwingt nicht zur\nSchlussfolgerung, dass eine Dauerrente begehrt werde. Denn zu den\ndiesbezuglichen Anspruchsvoraussetzungen (s. § 102 Abs. 2 Satz 4\nSozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -: Arbeitsmarktunabhangigkeit und\nschlechte Prognose) fehlen Ausfuhrungen des rechtskundig vertretenen Klagers;\nauch hat der angekundigte Antrag nur den Beginnzeitpunkt bezeichnet und zur\nBezugsdauer keinerlei Ausfuhrung gemacht. Soweit die Beklagte aus der\nBezugnahme auf den Antrag im Verwaltungsverfahren („antragsgemaß") ein\nBegehren des Klagers auf Dauerrente ableitet, ist darauf hinzuweisen, dass das\nAntragsformular der Beklagten weder zwischen Zeit- und Dauerrente\nunterscheidet noch Angaben uber einen Endpunkt ermoglicht. Deshalb kann sie\nsich - ohne Verstoß gegen Treu und Glauben - insoweit auf eine mangelnde\nPrazisierung nicht berufen. Daruber hinaus ist die Argumentation der\nBeklagten, die Ausfuhrungen des Klagers, er stehe dem allgemeinen Arbeitsmarkt\nnicht mehr zur Verfugung, stellten einen Antrag auf Dauerrente dar, nicht\nnachvollziehbar, denn insoweit ist zusatzlich erforderlich, dass die\nErwerbsminderung wahrscheinlich nicht behoben werden kann (schlechte Prognose,\ns. oben). Hinzu kommt, dass „bestimmte", d.h. prazise, Klageantrage in der\nKlageschrift gerade nicht formuliert werden mussen, sondern das Klagebegehren\nauszulegen ist (s. § 92 SGG und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 92 SGG Rdnr.\n5); das Gericht entscheidet uber die vom Klager erhobenen Anspruche, ohne an\ndie Fassung der Antrage gebunden zu sein und hat darauf hinzuwirken, dass\nsachdienliche Antrage gestellt werden (§ 106 Abs. 1 SGG). \n--- \n| 6 \n--- \n| Liegt im Zeitpunkt der Erledigung - wie hier - ein inhaltlich noch nicht\nprazisierter und im Wesentlichen dem Antragsformular entsprechender Antrag\nvor, ergibt sich fur den Senat - unabhangig von der Praxis der Beklagten im\nJahr 2006 - aus dem gesetzlichen Regelfall der Zeitrente (s. § 102 Abs. 2 Satz\n1 SGB VI), dass, wenn kein ausdrucklich anderer Antrag gestellt wird (so aber\nwohl der von der Beklagten angefuhrte Beschluss des 8. Senats des LSG Baden-\nWurttemberg vom 7. November 2005, L 8 R 5579/05 AK-B) und keine Begrundung fur\ndas Vorliegen des gesetzlichen Ausnahmefalls gegeben wird, der Antrag auf die\nGewahrung einer Zeitrente gerichtet ist (so auch LSG Berlin-Brandenburg,\nBeschluss vom 3. November 2006, L 1 B 1231/06 R; SG Aachen, Beschluss vom 31.\nOktober 2003, S 11 RJ 21/03; SG Ulm, Beschluss vom 19. Januar 2006, S 11 R\n235/06 AK-A). \n--- \n| 7 \n--- \n| Selbst wenn ein Versicherter tatsachlich eine Dauerrente beantragt hat und\ner lediglich eine Zeitrente, aber auf Grund eines Eintritts der\nErwerbsminderung bei Antragstellung, erhalt, erscheint dem Senat eine volle\nKostenerstattung angemessen, wenn der Versicherte dem Beweisergebnis durch\nunverzugliche Reduzierung seines Antrags auf die Zeitrente Rechnung tragt\n(a.A. LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.; Beschluss des 8. Senats des LSG Baden-\nWurttemberg a.a.O.). Denn wesentlich ist, dass dem Versicherten die beantragte\nLeistung zur Sicherung des aktuellen Unterhalts rechtswidrig abgelehnt wurde\nund ihm der Anspruch auch noch uber die Verwaltungsentscheidung hinaus zusteht\n(noch weitergehend SG Frankfurt/Main, Breith. 2001, 300), zumal die\nherausragende Bedeutung dieses Teils des Streitgegenstands fur den Klager auch\ndadurch deutlich wird, dass der Versicherte einerseits nach Ablauf der\nzugebilligten Rente auf Zeit einen Antrag auf Weitergewahrung stellen kann und\nim Falle einer Dauerrente - selbst wenn ein Gericht sie zugesprochen hat -\ndiese andererseits nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) im Falle\neiner Besserung wieder entzogen werden kann. Nach Auffassung des Senats ist\ndieser Fall auch (spiegelbildlich) vergleichbar mit der Konstellation, bei der\ndie Beklagte bei zunachst rechtmaßig abgelehntem Rentenanspruch im\nKlageverfahren auf Grund eines eingeholten Gutachtens, welches den geltend\ngemachten Anspruch nach Klageerhebung begrundet, diesen „alsbald" anerkennt;\nhier sind nach Auffassung des Senats der Beklagten regelmaßig die Kosten des\nVerfahrens nicht aufzuerlegen mit der Begrundung, sie habe zur Klageerhebung\nkeinen Anlass gegeben und dem veranderten Beweisergebnis „alsbald" Rechnung\ngetragen. Der Versicherte muss in diesem Fall kostenrechtlich so gestellt\nwerden, wie wenn er nach berechtigter Ablehnung der Rente - anstatt Klage zu\nerheben - nach Eintritt der Erwerbsminderung einen neuen Rentenantrag gestellt\nhatte (so auch LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21. Marz 1996, SGb 1996,\n674 mit zustimmender Anmerkung Roos). \n--- \n| 8 \n--- \n| Eine solche Reduzierung des klagerischen Antrags auf eine Zeitrente liegt\nhier in der - konkludenten - Annahme des auf eine solche Rente zielenden\nVergleichsangebots der Beklagten, sodass der Klager auch unter diesem\nGesichtspunkt Anspruch auf volle Kostenerstattung hatte. \n--- \n| 9 \n--- \n| Somit verbleibt es bei der vom SG getroffenen Entscheidung. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens beruht auf\neiner entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. \n--- \n| 11 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). \n---\n\n
140,959
fg-baden-wurttemberg-2005-06-16-3-k-21000
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 K 210/00
2005-06-16
2019-01-08 16:53:28
2019-01-17 12:01:08
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob die in einem Teilbereich entstandenen Gewerbeverluste nach\ndessen Veraußerung mit positiven Ertragen des verbliebenen Teilbereichs gem. §\n10a Gewerbesteuergesetz - GewStG - verrechnet werden konnen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| I. 1. Die Klagerin ist eine GmbH & Co. KG. Ihr Unternehmensgegenstand war\ngemaß dem Gesellschaftsvertrag vom 28. Februar 1972 zunachst die Herstellung,\ndie Veredelung und der Vertrieb von chemischen Produkten, Textilien und\nPapiererzeugnissen. Mit Beginn der Produktion wurde es erforderlich, die bei\nder Herstellung anfallenden Abfalle der Verwertung zuzufuhren. Da nach Ansicht\nder Unternehmensfuhrung die Einschaltung von Drittfirmen mit zu hohen Kosten\nverbunden gewesen ware und sich die Rohstoffe verteuerten, erweiterte die\nKlagerin ihr Unternehmen um einen weiteren Betriebszweig, die Wiederverwertung\n(Recycling) von Kunststoffen zu Kunststoff-Granulaten und Compound sowie deren\nVertrieb. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| 2\\. In den Jahren 1986 bis 1988 erlitt die Klagerin durch steigende\nRohstoffkosten und die starke Konkurrenz großerer Produktionsbetriebe\nerhebliche Verluste. Danach belief sich ihr vortragsfahiger Gewerbeverlust per\n31.12.1988 auf 12.237.748 DM (s. Bericht uber die Außenprufung - BP-Bericht\nvom 15.07.1997 Ziff. 5). Von diesem Verlust entfiel nach einer an den\nUmsatzverhaltnissen orientierten und zwischen den Beteiligten unstreitigen\nSchatzung auf die Gewebeherstellung ein Anteil von 84,7 % (das sind 10.365.373\nDM) und auf das Recycling ein Anteil von 15,3 % (das sind 1.872.375 DM). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin veraußerte in dem Wirtschaftsjahr 1989 mit Vertrag vom 13.\nMarz 1989 ihren Geschaftsbereich "Teppichgewebe- und sonstige\nGewebeherstellung" einschließlich aller wesentlichen Geschaftsgrundlagen,\nbestehend aus dem Anlagevermogen, den Ersatzteilen, dem Vorratsvermogen, dem\nProduktions- und Vertriebsprogramm, Know-how und den gewerblichen\nSchutzrechten zum Kaufpreis von rund 15 Millionen DM im Wege der\nEinzelrechtsubertragung an die Firma A GmbH. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Bei der Veraußerung gingen von dem gesamten Anlagevermogen der Klagerin\nnach Buchwerten 5.141.425 DM = 88,8 % bzw. nach ursprunglichen\nAnschaffungskosten 16.179.033 DM = 91,4 % auf die Kauferin uber. Nicht\nverkauft und ubertragen wurden die Buroeinrichtung der Verwaltung, des\nVertriebs und sonstiger Abteilungen, sowie die EDV-Anlage. Danach verblieb bei\nder Klagerin ein Anlagevermogen zu einem Buchwert von 486.133 DM, dem\nursprungliche Anschaffungskosten von 2.055.090 DM zugrunde lagen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin stand gemaß § 10 des Kaufvertrages vom 13. Marz 1989 dafur\nein, dass die fur den Geschaftsbetrieb benotigten Betriebsgebaude spatestens\nam Übergabestichtag von der Firma S GmbH (Vermieterin) und der Chem. Fabrik\nGmbH & Co. an die Kauferin vermietet und die auf dem Betriebsgelande\nbefindlichen allgemeinen Verwaltungs- und Buroeinrichtungen (Pforte, Kantine,\nSozialraume, EDV etc.) und der Regiebetriebe von der Firma Werke GmbH & Co.,\nder S GmbH und der Firma Chem. Fabrik der Kauferin entgeltlich zur Nutzung\nuberlassen wurden. Der Miet- und Nutzungsvertrag wurde entsprechend dieser\nvertraglichen Bestimmung am 20. Marz 1989 abgeschlossen (Ziff. 5 und 6 des\nProtokolls uber die Schlussverhandlung vom 13. Marz 1989,\nBetriebsprufungshandakte, Akt.-Bl. 75). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Gemaß § 9 des Kaufvertrages waren sich die Parteien einig, dass die\nKauferin nach der Regelung der zu diesem Zeitpunkt gultigen Fassung des § 613a\ndes Burgerlichen Gesetzbuches in alle Rechte und Pflichten der am\nÜbergangsstichtag bestehenden Arbeitsverhaltnisse der Klagerin einzutreten\nhatte, soweit die Arbeitnehmer ganz oder uberwiegend dem veraußerten\nGeschaftsbereich angehorten und dem Übergang des Arbeitsverhaltnisses nicht\nwidersprachen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Auf die Regelungen des Kaufvertrages vom 13. Marz 1989\n(Betriebsprufungshandakte Akt.-Bl. 74 ff.) wird erganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach der Veraußerung des Produktionsbereichs Gewebeherstellung beschrankte\nsich der Unternehmensgegenstand der Klagerin auf die Herstellung, Veredelung\nund den Vertrieb von Kunststoff-Regranulaten (Recyclingbetrieb). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| 3\\. Anlasslich einer in den Jahren 1995 und 1996 durchgefuhrten\nAußenprufung bei der Klagerin schloss sich der Prufer der von dieser der\nGewerbesteuererklarung zugrunde gelegten Auffassung an, dass es sich bei der\nVeraußerung des Geschaftsbereichs Gewebeherstellung ertragssteuerlich um eine\nbegunstigte Teilbetriebsveraußerung handele, da der veraußerte\nGeschaftsbereich auch losgelost von der verbliebenen Recycling-Abteilung\njederzeit selbstandig lebensfahig gewesen sei. Folglich bleibe der ermittelte\nVeraußerungsgewinn von rund 10 Millionen DM bei der Ermittlung des\nGewerbeertrags 1989 außer Ansatz (Betriebsprufungshandakte Akt.-Bl. 56 ff.). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Zur gesonderten Feststellung des vortragsfahigen Gewerbeverlustes stellte\nder Prufer fest, dass der Verlust, der auf den im Marz 1989 verkauften\nTeilbetrieb (Teppichgewebe und sonstige Gewebeherstellung) entfalle, bei der\nKlagerin nicht vortragsfahig sei. Voraussetzung fur den Verlustabzug im Sinne\nvon § 10a GewStG sei, dass in dem Jahr, in welchem der Verlust angerechnet\nwerde, Unternehmensgleichheit vorliege. Der Verlust musse bei demselben\nUnternehmen entstanden sein, dessen Gewerbeertrag gekurzt werden solle. Fur\nden verbliebenen Recyclingbetrieb sei danach die Anrechnung der im Bereich\nGewebeherstellung entstandenen Verluste rechtlich ausgeschlossen. Auf die\nAusfuhrungen des Prufers in seinem Betriebsprufungsbericht vom 15. Juli 1997\nwird erganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das beklagte Finanzamt - FA - folgte den Feststellungen des Betriebsprufers\nund erließ am 24. Oktober 1997 entsprechend den Berechnungen in Tz. 5 des\nPrufungsberichts vom 15.07.1997 gemaß § 164 Abs. 2 AO einen geanderten\nBescheid uber die gesonderte Feststellung des vortragsfahigen Gewerbeverlusts\nauf den 31.12.1990, in dem es den vortragsfahigen Verlust - ausgehend von\neinem vortragsfahigen Verlust aus dem Recyclingbereich aus den Jahren 1986 -\n1988 in Hohe von insgesamt 1.872.375 DM unter Berucksichtigung eines\nGewerbeertrags im Jahr 1989 in Hohe von 1.543.675 DM und eines Gewerbeverlusts\nim Jahr 1990 in Hohe von 162.526 DM - in Hohe von 491.227 DM feststellte. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der hiergegen beim FA am 24. November 1997 eingegangene Einspruch wurde mit\nEinspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2000 als unbegrundet zuruckgewiesen.\nWegen der Einzelheiten der Argumentation des FA wird auf die\nEinspruchsentscheidung verwiesen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| II. Ihre wegen gesonderter Feststellung des vortragsfahigen Verlusts auf\nden 31.12.1990 am 26. Oktober 2000 erhobene Klage lasst die Klagerin wie folgt\nbegrunden: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Sie habe als Personengesellschaft im Verlustentstehungszeitraum zwei\nTeilbetriebe gefuhrt. Die Fortfuhrung des Unternehmens als solches und des\nTeilbereichs Recycling konne auch nach der Veraußerung des Teilbereichs\nGewebeherstellung nicht zweifelhaft sein. Die als Voraussetzung fur den\nVerlustabzug von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- geforderte\nUnternehmensidentitat sei danach gegeben. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Soweit erkennbar, lagen den vom FA zur Stutzung seiner Rechtsauffassung\nangefuhrten BFH-Entscheidungen zur Unternehmensidentitat Sachverhalte\nzugrunde, bei denen eine einheitliche Tatigkeit des Unternehmens eingestellt\nund eine mehr oder weniger davon abweichende Tatigkeit neu aufgenommen worden\nsei. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Vorliegend seien jedoch beide Teilbereiche nebeneinander betrieben und ein\nTeilbetrieb unverandert weitergefuhrt worden, wahrend der zweite Teilbetrieb\nveraußert worden sei. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes - BFH - vom\n15. Marz 1994 XI R 60/89, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -\nBFH/NV - 1994, 899 sei die Unternehmensidentitat gewahrt, wenn die Änderung\nder Unternehmensstruktur durch veranderte wirtschaftliche Gegebenheiten\nverursacht worden sei. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die eigene\nProduktion von Teppichgeweben sei von der Klagerin marktbedingt nicht mehr\nwirtschaftlich aufrechtzuerhalten bzw. weiterzufuhren gewesen. Sie habe daher\nnur die Moglichkeit gehabt, die Struktur des Unternehmens zu verandern und den\nzweiten Bereich weiterzufuhren und nach Moglichkeit zu verstarken. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Ermittlung von Gewerbeverlusten fur Teilbereiche sei weder durch\ngesetzliche Vorschriften noch durch die Rechtsprechung oder allgemeine\nVerwaltungsrichtlinien geregelt. Wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen ware,\ndass beim Wegfall eines Teilbereichs auch der durch ihn verursachte\nGewerbeverlust entfalle, hatte es nahe gelegen, eine entsprechende Regelung in\n§ 10a GewStG aufzunehmen, zumal diese Vorschrift mit dem Steuerreformgesetz\nvom 25. Juli 1988 um die gesonderte Feststellung von Gewerbeverlusten\nerweitert worden sei. Es musse daher aus der fehlenden Regelung geschlossen\nwerden, dass Gewerbeverluste von Teilbetrieben nicht entfielen, wenn das\nUnternehmen im Übrigen identitatswahrend weitergefuhrt werde. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Gewerbesteuer sei eine Objektsteuer, die auf den Ertrag des\nGewerbebetriebes erhoben werde, ohne dass es dabei auf die Rechtsform ankomme,\nin der die gewerblichen Tatigkeiten ausgeubt werden. Werde der Gewerbebetrieb\ndurch eine Kapitalgesellschaft ausgeubt, so sei die Unternehmensidentitat\nstets gewahrt, ganz gleich, welche Tatigkeiten diese Kapitalgesellschaft\nhintereinander oder nebeneinander ausube. Der Gleichheitsgrundsatz erfordere,\ndass in beiden Rechtsformen die gleichen Voraussetzungen fur den Abzug der\nGewerbesteuerverluste gelten wurden. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Nichtbesteuerung des Veraußerungsgewinns bezuglich des Teilbetriebs\nfuhre entgegen der Auffassung des FA nicht zum Wegfall aller auf den\nveraußerten Teilbetrieb zuruckzufuhrenden Besteuerungsmerkmale. Sie gehe auf\nden Zweck des Gewerbesteuergesetzes zuruck, nur Ertrage aus einer laufenden\ngewerblichen Tatigkeit zu besteuern. Der nicht der Gewerbesteuer unterliegende\nVeraußerungsgewinn stehe somit nicht in Zusammenhang mit dem Gewerbeverlust. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Hinweise des FA auf die Vorschrift des § 8 Abs. 4\nKorperschaftsteuergesetz -KStG- und die einschrankenden Vorschriften des\nUmwandlungssteuergesetzes gingen fehl. Hatte der Gesetzgeber die Vorschriften\nzum Verlustvortrag bei Personengesellschaften weiter einschranken wollen, dann\nhatte er dies im Zuge der Verscharfung des Verlustabzugs fur\nKapitalgesellschaften regeln konnen und mussen. Die Tatsache, dass eine\nentsprechende Änderung nicht erfolgt sei, lasse nur den Schluss zu, dass ein\ndahingehender gesetzgeberischer Wille nicht vorhanden gewesen sei. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Änderung des § 8 Abs. 4 KStG konne nicht als Beleg dafur angesehen\nwerden, dass § 10a GewStG auch fur Personengesellschaften verscharft worden\nsei. Dies sei nach den veroffentlichten Materialien zur Begrundung der\nÄnderungen des § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung ab 1990 und ab 1995 nicht\ngeplant gewesen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Auf die Schriftsatze des Klagervertreters vom 22. Januar 2001 und 11. Juni\n2001 wird erganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 25 \n--- \n| den vortragsfahigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1990 in Hohe von\n10.856.599 DM festzustellen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das FA beantragt, \n--- \n| 27 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Im Streitfall seien lediglich die im verbliebenen Betriebszweig Recycling\nentstandenen, bzw. im Wege der Schatzung zugeordneten Verlustanteile\nvortragsfahig. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Tatbestandliche Voraussetzung fur den Verlustvortrag sei neben der\nvorliegend unstreitigen Identitat der Person des Gewerbetreibenden, dass die\nGewerbeverluste bei demselben Gewerbebetrieb entstanden seien, dessen\nGewerbeertrag im maßgeblichen Erhebungszeitraum gekurzt werden solle. Das -\ngesetzlich nicht ausdrucklich geregelte - Erfordernis der\nUnternehmensidentitat folge, wie der BFH in Anlehnung an die Rechtsprechung\ndes Reichsfinanzhofs mehrfach ausgesprochen habe, aus dem in § 2 Abs. 1 GewStG\nverankerten Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Danach erfasse diese nicht den auf ein bestimmtes Steuersubjekt bezogenen\nGewinn, sondern den Ertrag, den der von dem jeweiligen Rechtstrager losgeloste\nGewerbebetrieb abwerfe. Abgestellt werde dabei auf die objektive\nWirtschaftskraft und die wirtschaftliche Ertragsfahigkeit. Daher seien\nKorrekturen in der gewerbesteuerlichen Belastung, wie sie § 10a GewStG\nvorsehe, nur gerechtfertigt, wenn der Gewerbebetrieb, dem im Jahr der\nVerlustverrechnung die Kurzung des Gewerbeertrags zugute komme, mit\ndemjenigen, der in einem fruheren Erhebungszeitraum den Verlust erlitten habe,\nidentisch sei. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Unternehmensgleichheit bedeute nicht nur Gleichartigkeit der gewerblichen\nBetatigung, sondern dem Wesen der Gewerbesteuer entsprechend auch Identitat\nder hierzu eingesetzten sachlichen Mittel. Aus diesem Grund sei ein\nVerlustvortrag nach § 10a GewStG ausgeschlossen, wenn der bisherige\nbetriebliche Organismus nicht mehr bestehe. Dabei sei unter Gewerbebetrieb die\nausgeubte gewerbliche Betatigung zu verstehen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Ob die gewerbliche Tatigkeit die gleiche geblieben sei, sei nach dem\nGesamtbild zu beurteilen, das sich aus ihren wesentlichen Merkmalen ergebe,\nwie insbesondere der Art der Betatigung, dem Kunden- und Lieferantenkreis, der\nArbeitnehmerschaft, der Geschaftsleitung, der Betriebsstatten sowie dem Umfang\ndes Betriebsvermogens. Betriebsbedingte - auch strukturelle - Anpassungen der\ngewerblichen Tatigkeit an veranderte wirtschaftliche Verhaltnisse stunden der\nAnnahme einer identischen Tatigkeit nicht entgegen. Die Tatigkeit musse jedoch\nnach den das Gesamtbild pragenden Merkmalen wirtschaftlich, organisatorisch\nund finanziell die Fortsetzung der bisherigen Tatigkeit darstellen. Eine\nsolche Teilidentitat sei im Streitfall nicht gegeben. Die Veraußerung des\nursprunglichen, zentralen Betatigungsbereichs "Gewebeherstellung" konne\nangesichts dessen Ausmaßes und Bedeutung im Verhaltnis zum Gesamtbetrieb nicht\nmehr als bloße betriebsbedingte strukturelle Anpassung der gewerblichen\nTatigkeit an veranderte wirtschaftliche Gegebenheiten gewertet werden. Die\ndurch die Teilbetriebsveraußerung eingetretene Veranderung sei so grundlegend\ngewesen, dass die Unternehmensidentitat dadurch verloren gegangen sei. Die\nFortfuhrung des "Restbetriebes" stelle keine Fortsetzung der bisherigen\ngewerblichen Betatigung dar; der begehrte Verlustvortrag sei daher zu Recht\nversagt worden. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Zwar sei der Hinweis der Klagerin, dass der Fall der\nTeilbetriebsveraußerung fur die Frage des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags\nnicht ausdrucklich geregelt sei, zutreffend. Die Schlussfolgerung, aus dem\nTeilbetriebsgedanken heraus den "mitveraußerten" Verlustanteil nicht zum\nVortrag nach § 10a GewStG zuzulassen, stehe aber durchaus im Einklang mit der\nam systemtragenden Objektsteuerprinzip der Gewerbesteuer orientierten\nZielsetzung des Gesetzgebers. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die von der Klagerin angestrebte Losung wurde zudem zu einer system- und\nsinnwidrigen gewerbesteuerlichen Doppelvergunstigung fuhren. Es seien keine\nsachlichen Grunde fur ein solches Auslegungsergebnis ersichtlich. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Hinweis auf den Gleichheitsgrundsatz im Hinblick auf die\nUngleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften konne ein solches\nErgebnis schon deshalb nicht rechtfertigen, weil deren unterschiedliche\nsteuerliche Behandlung infolge der ungleichen Rechtsform verfassungsgerecht\nsei. Eine unterschiedliche Behandlung sei grundsatzlich Folge der von der\nKlagerin selbst gewahlten Rechtsform, die gerade im Falle von\nUmstrukturierungen, Gesellschafterwechseln und Ähnlichem Risiken bezuglich des\nVerlustvortrags burgen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Andererseits ruhre unmittelbar aus dieser Formwahl der Vorteil, dass der\nGewinn aus der Teilbetriebsveraußerung bei der Gewerbesteuer außer Ansatz\nbleibe, wahrend bei einer Kapitalgesellschaft auch der Gewinn aus einer\nTeilbetriebsveraußerung zum gewerbesteuerpflichtigen Gewerbeertrag zu rechnen\nsei. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Im ubrigen zeige die im Jahr 1997 erheblich verscharfte Regelung des § 8\nAbs. 4 KStG sowie weitere einschrankende Regelungen im Umwandlungssteuerrecht\ndeutlich die restriktive Intention des Gesetzgebers hinsichtlich\nVerlustvortragen gerade bei Kapitalgesellschaften. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Auf die Klageerwiderung des FA vom 26. April 2001 und die\nEinspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2000 wird erganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Das Gericht hat am 16. Juni 2005 eine mundliche Verhandlung durchgefuhrt,\nbei der folgende vom FA fur die Klagerin gefuhrten Akten vorlagen: \n--- \n| 40 \n--- \n| 1 Bd. Gewerbesteuerakten, 1 Bd. Feststellungsakten, 1 Bd.\nRechtsbehelfsakten, 1 Bd. Vertragsakten, 2 Bde. Betriebsprufungsakten. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 41 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das FA hat zu Recht den auf den veraußerten Teilbetrieb "Gewebeherstellung"\nentfallenden Verlust bei der Feststellung des vortragsfahigen Gewerbeverlustes\nder Klagerin auf den 31.12.1990 nicht berucksichtigt, da das von der Klagerin\nnach der Veraußerung dieses Teilbetriebs weitergefuhrte Unternehmen mit ihrem\nfruheren Betrieb, in dem die Verluste entstanden waren, mindestens teilweise\nnicht identisch war. Es fehlte insoweit partiell an der Unternehmensidentitat. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 1\\. Gemaß § 10a Satz 1 GewStG wird der Gewerbeertrag um die Fehlbetrage\ngekurzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags fur die\nvorangegangenen Erhebungszeitraume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10\nGewStG ergeben haben, soweit die Fehlbetrage nicht bei der Ermittlung des\nGewerbeertrags fur die vorangegangenen Erhebungszeitraume berucksichtigt\nworden sind. Voraussetzung der Kurzung des Gewerbeertrags gemaß § 10a GewStG\nsind nach standiger Rechtsprechung daruber hinaus die Unternehmer- und\nUnternehmensidentitat (BFH Urteil vom 16. April 2002 VIII R 16/01, BFH/NV\n2003, 81 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Das Merkmal der Unternehmensidentitat, das sich nicht aus dem Wortlaut des\nGesetzes ergibt, wird allgemein aus dem Objektsteuercharakter der\nGewerbesteuer hergeleitet (vgl. BFH-Urteile in Sammlung der Entscheidungen des\nBundesfinanzhofs - , 350 f., Bundessteuerblatt - , 350; in , 91, ;\nGlanegger/Guroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., § 10a Rz. 6; von Twickel in\nBlumich, Einkommensteuergesetz, Korperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz,\nKommentar, § 10a GewStG Rz. 65). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Danach erfasst die Gewerbesteuer nicht den auf ein bestimmtes Steuersubjekt\nbezogenen Gewinn, sondern den Ertrag, den der von dem jeweiligen Rechtstrager\nlosgeloste Gewerbebetrieb an sich abwirft (Beschluss des\nBundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13. Mai 1969 , , 426). Abgestellt\nwird dabei auf die objektive Wirtschaftskraft, die wirtschaftliche\nErtragsfahigkeit, wie sie im Ertrag und in den Mitteln reprasentiert sind, die\nzur Erzielung dieses Ertrags eingesetzt werden (BVerfG-Beschluss in , 426).\nDaher sind Korrekturen in der gewerbesteuerlichen Belastung, wie sie § 10a\nGewStG zum Ausgleich von Verlust- und Gewinnjahren vorsieht, nur\ngerechtfertigt, wenn und soweit das Unternehmen, dem im Jahr der\nVerlustverrechnung die Kurzung des Gewinns zugute kommt, mit demjenigen, das\nin einem fruheren Erhebungszeitraum den Verlust erlitten hat, identisch ist. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Unternehmensgleichheit bedeutet nicht nur Gleichartigkeit der gewerblichen\nBetatigung, sondern, dem Wesen der Gewerbesteuer entsprechend, vor allem auch\nIdentitat der hierzu eingesetzten sachlichen Mittel. Aus diesem Grund ist ein\nVerlustvortrag nach § 10a GewStG ausgeschlossen, wenn der bisherige\nbetriebliche Organismus nicht mehr besteht (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar\n1978 , , 352, , 350). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 2\\. Nach diesen Grundsatzen ist die Feststellung der auf den veraußerten\nTeilbetrieb "Gewebeherstellung" entfallenden Verluste zur Verrechnung mit\nzukunftigen Gewinnen aus dem verbliebenen Teilbetrieb "Recycling"\nausgeschlossen, da das nach der Veraußerung des Teilbetriebs betriebene\nUnternehmen nicht identisch war mit dem Unternehmen, das von der Klagerin vor\nder Veraußerung betrieben worden war und in dem die Verluste entstanden waren. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| a) Fur die Beurteilung der Frage, ob der im Anrechnungsjahr entstandene\nGewerbebetrieb wirtschaftlich identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im\nJahr der Verlustentstehung bestand, und demgemaß Unternehmensgleichheit\nvorliegt, ist das Gesamtbild der Verhaltnisse maßgeblich. Zu den fur die\nBestimmung der wirtschaftlichen Eigenart eines Gewerbebetriebs\nrichtungweisenden Kriterien gehoren im allgemeinen die Art der gewerblichen\nBetatigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die\nGeschaftsleitung, die Betriebsstatten, der Umfang und die Zusammensetzung des\nAktivvermogens und die Finanzierung des Aktivvermogens durch Eigen- oder\nFremdkapital (BFH Urteil vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348 ff.,\nBStBl II 1978, 348 ff). Unter Berucksichtigung dieser Merkmale muss ein\nwirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den\nBetatigungen bestehen (BFH Urteil vom 16. April 2002 VIII R 16/01, BFH/NV\n2003, 81 ff. m.w.N.). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Nach diesen Rechtsgrundsatzen ist eine Unternehmensgleichheit vor und nach\nder Veraußerung des Teilbetriebes "Gewebeherstellung" zu verneinen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Senat geht mit den Parteien davon aus, dass es sich bei der veraußerten\nOrganisationseinheit "Gewebeherstellung" um die steuerlich begunstigte\nVeraußerung eines Teilbetriebs handelte. Bei dieser Teilbetriebsveraußerung\nwurde gemaß dem Kaufvertrag vom 13. Marz 1989 der gesamte Geschaftsbereich\n"Teppichgewebe- und sonstige Gewebeherstellung" einschließlich aller\nwesentlicher Geschaftsgrundlagen, bestehend aus dem fur die Produktion\nerforderlichen Anlagevermogen, Ersatzteile, Vorratsvermogen, Produktions- und\nVertriebsprogramm, Know-how sowie der in dem Teilbetrieb beschaftigen\nArbeitnehmer auf die Kauferin, die Firma A GmbH, ubertragen. Diese trat zudem\n- mit Zustimmung der Vermieterin - in die Mietvertrage betreffend die fur den\nGeschaftsbetrieb benotigten Betriebsgebaude und -grundstucke ein und schloss\neinen Nutzungsvertrag uber die auf dem Betriebsgelande befindlichen\nallgemeinen Verwaltungs- und Buroeinrichtungen (Pforte, Kantine, Sozialraume,\nEDV etc.) und die Regiebetriebe. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Veraußerung des Teilbetriebes "Gewebeherstellung" hatte danach zur\nFolge, dass die Klagerin ihre Tatigkeit in diesem Teilbereich, der nach der\nÜbernahme der sachlichen und personlichen Betriebsmittel von einem anderen\nUnternehmer, der Kauferin, fortgefuhrt wurde, einstellte. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Da diese unternehmerische Tatigkeit sowie die dafur erforderlichen\nBetriebsmittel (Anlagevermogen, Vorratsvermogen, Produktions- und\nVertriebsprogramm, Know-how, Arbeitnehmer, Betriebsgebaude) bei einer\nGesamtbetrachtung einen wesentlichen Teil des betrieblichen Organismus der\nKlagerin ausmachten, wurde der wirtschaftliche, organisatorische und\nfinanzielle Zusammenhang zwischen den Betatigungen der Klagerin vor und nach\nder Veraußerung zumindest hinsichtlich des Teilbetriebes Gewebeherstellung\ngelost. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Weniger ins Gewicht fallt dabei, dass der Klagerin neben dem\nAnlagevermogen, das fur den verbleibenden Teilbetrieb Recycling benotigt\nwurde, die Buroeinrichtung der Verwaltung, des Vertriebs und sonstiger\nAbteilungen, sowie die EDV-Anlage verblieben. Denn diesbezuglich wurde ein\nweiterer Nutzungsvertrag mit der Kauferin abgeschlossen, der ihr die Nutzung\nder auf dem Betriebsgelande befindlichen allgemeinen Verwaltungs- und\nBuroeinrichtungen (Pforte, Kantine, Sozialraume, EDV etc.) und der\nRegiebetriebe einraumte. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Der von der hochstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Grundsatz,\nwonach die strukturelle Anpassung einer gewerblichen Betatigung an veranderte\nwirtschaftliche Gegebenheiten die wirtschaftliche Identitat eines gewerblichen\nUnternehmens noch nicht in Frage stelle (s. BFH Urteil vom 12. Januar 1983 IV\nR 177/80 BFHE 138, 90, BStBl II 1983, 425; BFH Urteil vom 15. Marz 1994 XI R\n60/89, BFH/NV 1994, 889 ff.), fuhrt zu keiner anderen Beurteilung. Im\nUnterschied zu einer Unternehmensrestrukturierung unter Beibehaltung des\nsachlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Zusammenhangs\nwurde vorliegend ein Teilbetrieb, d. h. ein organisch geschlossener Teil des\nGesamtbetriebes, der fur sich lebensfahig und wirtschaftlich eigenstandig war,\nauf einen anderen Unternehmer ubertragen und von diesem weitergefuhrt. Dies\nhat nach Ansicht des Senats zur Folge, dass sowohl die Unternehmensidentitat\nals auch die Unternehmeridentitat hinsichtlich des ubertragenen Teilbetriebes\nnicht mehr bestehen und folglich Verluste, die auf diesen entfallen, weder von\nder Veraußerin \\- vorliegend der Klagerin - noch von der Kauferin verrechnet\nwerden konnen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| c) Fur eine Unterbrechung des wirtschaftlichen Zusammenhangs spricht in\ndiesem Kontext auch, dass in § 10a Satz 2 GewStG fur den Fall des § 2 Abs. 5\nGewStG ausdrucklich bestimmt ist, dass der Erwerber den Gewebeertrag nicht um\ndie Gewerbeverluste aus dem auf ihn ubergegangenen Unternehmen kurzen kann.\nAus dem Vorhandensein dieser Vorschrift ergibt sich, dass dem "bisherigen\nUnternehmer" im Sinne von § 2 Abs. 5 GewStG die Inanspruchnahme des\nVerlustabzugs mangels Unternehmensgleichheit erst recht verwehrt ist. Denn der\nGesetzgeber ist offenbar davon ausgegangen, dass das Recht zur Geltendmachung\nder fruheren Verluste aus dem ubertragenen Betrieb keinesfalls dem bisherigen\nUnternehmer verbleibt, sondern u. U. als auf den Erwerber - abgesehen von dem\nErfordernis der Unternehmeridentitat - mit ubergegangen angesehen werden\nkonnte; andernfalls hatte es der Aufnahme dieser Vorschrift in das GewStG gar\nnicht bedurft. Sie bestatigt zwar ausdrucklich nur das Erfordernis der\nUnternehmergleichheit, setzt dabei aber stillschweigend voraus, dass die\nInanspruchnahme des Verlustabzugs durch den Erwerber nicht bereits am Fehlen\nder Unternehmensgleichheit bei ihm scheitert. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Diesen Ausfuhrungen des Niedersachsischen Finanzgerichts in seinem Urteil\nvom 25. Juni 1973 IX 87/91 EFG 1974, 29 f. schließt sich der Senat auch fur\nden vorliegenden Fall der Übertragung eines Teilbetriebes an, da auch diese\ndie Aufgabe der Tatigkeit voraussetzt, die mit dem veraußerten\nBetriebsvermogen verbunden war (BFH Urteil vom 12. Juni 1996 XI R 56, 57/95,\nBFHE 180, 436, BStBl II 1996, 527). \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| 3\\. Aus der unterschiedlichen Behandlung von Kapital- und\nPersonengesellschaften hinsichtlich des vortragsfahigen Gewerbeverlustes\nkonnte entgegen der Auffassung des Klagervertreters, selbst wenn sie zutrafe,\nkein Gebot auf Gleichbehandlung zugunsten der Klagerin abgeleitet werden. Denn\nKapitalgesellschaften und Personengesellschaften werden wegen der\nVerschiedenheit der Rechtsform im Steuerrecht unterschiedlich behandelt (vgl.\nBFH Urteil vom 28. April 1977 IV R 165/76 BFHE 122, 307 ff., BStBl II 1977,\n666 ff.). \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung\n- FGO -. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| 5\\. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Nach\nAuffassung des Senats bedarf die Frage, ob und ggf. unter welchen\nVoraussetzungen die in einem Teilbereich entstandenen Gewerbeverluste nach\ndessen Veraußerung mit positiven Ertragen des verbliebenen Teilbereichs gem. §\n10a GewStG verrechnet werden konnen, im Interesse der Fortbildung des Rechts\neiner Entscheidung des BFH. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 41 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das FA hat zu Recht den auf den veraußerten Teilbetrieb "Gewebeherstellung"\nentfallenden Verlust bei der Feststellung des vortragsfahigen Gewerbeverlustes\nder Klagerin auf den 31.12.1990 nicht berucksichtigt, da das von der Klagerin\nnach der Veraußerung dieses Teilbetriebs weitergefuhrte Unternehmen mit ihrem\nfruheren Betrieb, in dem die Verluste entstanden waren, mindestens teilweise\nnicht identisch war. Es fehlte insoweit partiell an der Unternehmensidentitat. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 1\\. Gemaß § 10a Satz 1 GewStG wird der Gewerbeertrag um die Fehlbetrage\ngekurzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags fur die\nvorangegangenen Erhebungszeitraume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10\nGewStG ergeben haben, soweit die Fehlbetrage nicht bei der Ermittlung des\nGewerbeertrags fur die vorangegangenen Erhebungszeitraume berucksichtigt\nworden sind. Voraussetzung der Kurzung des Gewerbeertrags gemaß § 10a GewStG\nsind nach standiger Rechtsprechung daruber hinaus die Unternehmer- und\nUnternehmensidentitat (BFH Urteil vom 16. April 2002 VIII R 16/01, BFH/NV\n2003, 81 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Das Merkmal der Unternehmensidentitat, das sich nicht aus dem Wortlaut des\nGesetzes ergibt, wird allgemein aus dem Objektsteuercharakter der\nGewerbesteuer hergeleitet (vgl. BFH-Urteile in Sammlung der Entscheidungen des\nBundesfinanzhofs - , 350 f., Bundessteuerblatt - , 350; in , 91, ;\nGlanegger/Guroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., § 10a Rz. 6; von Twickel in\nBlumich, Einkommensteuergesetz, Korperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz,\nKommentar, § 10a GewStG Rz. 65). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Danach erfasst die Gewerbesteuer nicht den auf ein bestimmtes Steuersubjekt\nbezogenen Gewinn, sondern den Ertrag, den der von dem jeweiligen Rechtstrager\nlosgeloste Gewerbebetrieb an sich abwirft (Beschluss des\nBundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13. Mai 1969 , , 426). Abgestellt\nwird dabei auf die objektive Wirtschaftskraft, die wirtschaftliche\nErtragsfahigkeit, wie sie im Ertrag und in den Mitteln reprasentiert sind, die\nzur Erzielung dieses Ertrags eingesetzt werden (BVerfG-Beschluss in , 426).\nDaher sind Korrekturen in der gewerbesteuerlichen Belastung, wie sie § 10a\nGewStG zum Ausgleich von Verlust- und Gewinnjahren vorsieht, nur\ngerechtfertigt, wenn und soweit das Unternehmen, dem im Jahr der\nVerlustverrechnung die Kurzung des Gewinns zugute kommt, mit demjenigen, das\nin einem fruheren Erhebungszeitraum den Verlust erlitten hat, identisch ist. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Unternehmensgleichheit bedeutet nicht nur Gleichartigkeit der gewerblichen\nBetatigung, sondern, dem Wesen der Gewerbesteuer entsprechend, vor allem auch\nIdentitat der hierzu eingesetzten sachlichen Mittel. Aus diesem Grund ist ein\nVerlustvortrag nach § 10a GewStG ausgeschlossen, wenn der bisherige\nbetriebliche Organismus nicht mehr besteht (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar\n1978 , , 352, , 350). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 2\\. Nach diesen Grundsatzen ist die Feststellung der auf den veraußerten\nTeilbetrieb "Gewebeherstellung" entfallenden Verluste zur Verrechnung mit\nzukunftigen Gewinnen aus dem verbliebenen Teilbetrieb "Recycling"\nausgeschlossen, da das nach der Veraußerung des Teilbetriebs betriebene\nUnternehmen nicht identisch war mit dem Unternehmen, das von der Klagerin vor\nder Veraußerung betrieben worden war und in dem die Verluste entstanden waren. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| a) Fur die Beurteilung der Frage, ob der im Anrechnungsjahr entstandene\nGewerbebetrieb wirtschaftlich identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im\nJahr der Verlustentstehung bestand, und demgemaß Unternehmensgleichheit\nvorliegt, ist das Gesamtbild der Verhaltnisse maßgeblich. Zu den fur die\nBestimmung der wirtschaftlichen Eigenart eines Gewerbebetriebs\nrichtungweisenden Kriterien gehoren im allgemeinen die Art der gewerblichen\nBetatigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die\nGeschaftsleitung, die Betriebsstatten, der Umfang und die Zusammensetzung des\nAktivvermogens und die Finanzierung des Aktivvermogens durch Eigen- oder\nFremdkapital (BFH Urteil vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348 ff.,\nBStBl II 1978, 348 ff). Unter Berucksichtigung dieser Merkmale muss ein\nwirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den\nBetatigungen bestehen (BFH Urteil vom 16. April 2002 VIII R 16/01, BFH/NV\n2003, 81 ff. m.w.N.). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Nach diesen Rechtsgrundsatzen ist eine Unternehmensgleichheit vor und nach\nder Veraußerung des Teilbetriebes "Gewebeherstellung" zu verneinen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Senat geht mit den Parteien davon aus, dass es sich bei der veraußerten\nOrganisationseinheit "Gewebeherstellung" um die steuerlich begunstigte\nVeraußerung eines Teilbetriebs handelte. Bei dieser Teilbetriebsveraußerung\nwurde gemaß dem Kaufvertrag vom 13. Marz 1989 der gesamte Geschaftsbereich\n"Teppichgewebe- und sonstige Gewebeherstellung" einschließlich aller\nwesentlicher Geschaftsgrundlagen, bestehend aus dem fur die Produktion\nerforderlichen Anlagevermogen, Ersatzteile, Vorratsvermogen, Produktions- und\nVertriebsprogramm, Know-how sowie der in dem Teilbetrieb beschaftigen\nArbeitnehmer auf die Kauferin, die Firma A GmbH, ubertragen. Diese trat zudem\n- mit Zustimmung der Vermieterin - in die Mietvertrage betreffend die fur den\nGeschaftsbetrieb benotigten Betriebsgebaude und -grundstucke ein und schloss\neinen Nutzungsvertrag uber die auf dem Betriebsgelande befindlichen\nallgemeinen Verwaltungs- und Buroeinrichtungen (Pforte, Kantine, Sozialraume,\nEDV etc.) und die Regiebetriebe. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Veraußerung des Teilbetriebes "Gewebeherstellung" hatte danach zur\nFolge, dass die Klagerin ihre Tatigkeit in diesem Teilbereich, der nach der\nÜbernahme der sachlichen und personlichen Betriebsmittel von einem anderen\nUnternehmer, der Kauferin, fortgefuhrt wurde, einstellte. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Da diese unternehmerische Tatigkeit sowie die dafur erforderlichen\nBetriebsmittel (Anlagevermogen, Vorratsvermogen, Produktions- und\nVertriebsprogramm, Know-how, Arbeitnehmer, Betriebsgebaude) bei einer\nGesamtbetrachtung einen wesentlichen Teil des betrieblichen Organismus der\nKlagerin ausmachten, wurde der wirtschaftliche, organisatorische und\nfinanzielle Zusammenhang zwischen den Betatigungen der Klagerin vor und nach\nder Veraußerung zumindest hinsichtlich des Teilbetriebes Gewebeherstellung\ngelost. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Weniger ins Gewicht fallt dabei, dass der Klagerin neben dem\nAnlagevermogen, das fur den verbleibenden Teilbetrieb Recycling benotigt\nwurde, die Buroeinrichtung der Verwaltung, des Vertriebs und sonstiger\nAbteilungen, sowie die EDV-Anlage verblieben. Denn diesbezuglich wurde ein\nweiterer Nutzungsvertrag mit der Kauferin abgeschlossen, der ihr die Nutzung\nder auf dem Betriebsgelande befindlichen allgemeinen Verwaltungs- und\nBuroeinrichtungen (Pforte, Kantine, Sozialraume, EDV etc.) und der\nRegiebetriebe einraumte. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Der von der hochstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Grundsatz,\nwonach die strukturelle Anpassung einer gewerblichen Betatigung an veranderte\nwirtschaftliche Gegebenheiten die wirtschaftliche Identitat eines gewerblichen\nUnternehmens noch nicht in Frage stelle (s. BFH Urteil vom 12. Januar 1983 IV\nR 177/80 BFHE 138, 90, BStBl II 1983, 425; BFH Urteil vom 15. Marz 1994 XI R\n60/89, BFH/NV 1994, 889 ff.), fuhrt zu keiner anderen Beurteilung. Im\nUnterschied zu einer Unternehmensrestrukturierung unter Beibehaltung des\nsachlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Zusammenhangs\nwurde vorliegend ein Teilbetrieb, d. h. ein organisch geschlossener Teil des\nGesamtbetriebes, der fur sich lebensfahig und wirtschaftlich eigenstandig war,\nauf einen anderen Unternehmer ubertragen und von diesem weitergefuhrt. Dies\nhat nach Ansicht des Senats zur Folge, dass sowohl die Unternehmensidentitat\nals auch die Unternehmeridentitat hinsichtlich des ubertragenen Teilbetriebes\nnicht mehr bestehen und folglich Verluste, die auf diesen entfallen, weder von\nder Veraußerin \\- vorliegend der Klagerin - noch von der Kauferin verrechnet\nwerden konnen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| c) Fur eine Unterbrechung des wirtschaftlichen Zusammenhangs spricht in\ndiesem Kontext auch, dass in § 10a Satz 2 GewStG fur den Fall des § 2 Abs. 5\nGewStG ausdrucklich bestimmt ist, dass der Erwerber den Gewebeertrag nicht um\ndie Gewerbeverluste aus dem auf ihn ubergegangenen Unternehmen kurzen kann.\nAus dem Vorhandensein dieser Vorschrift ergibt sich, dass dem "bisherigen\nUnternehmer" im Sinne von § 2 Abs. 5 GewStG die Inanspruchnahme des\nVerlustabzugs mangels Unternehmensgleichheit erst recht verwehrt ist. Denn der\nGesetzgeber ist offenbar davon ausgegangen, dass das Recht zur Geltendmachung\nder fruheren Verluste aus dem ubertragenen Betrieb keinesfalls dem bisherigen\nUnternehmer verbleibt, sondern u. U. als auf den Erwerber - abgesehen von dem\nErfordernis der Unternehmeridentitat - mit ubergegangen angesehen werden\nkonnte; andernfalls hatte es der Aufnahme dieser Vorschrift in das GewStG gar\nnicht bedurft. Sie bestatigt zwar ausdrucklich nur das Erfordernis der\nUnternehmergleichheit, setzt dabei aber stillschweigend voraus, dass die\nInanspruchnahme des Verlustabzugs durch den Erwerber nicht bereits am Fehlen\nder Unternehmensgleichheit bei ihm scheitert. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Diesen Ausfuhrungen des Niedersachsischen Finanzgerichts in seinem Urteil\nvom 25. Juni 1973 IX 87/91 EFG 1974, 29 f. schließt sich der Senat auch fur\nden vorliegenden Fall der Übertragung eines Teilbetriebes an, da auch diese\ndie Aufgabe der Tatigkeit voraussetzt, die mit dem veraußerten\nBetriebsvermogen verbunden war (BFH Urteil vom 12. Juni 1996 XI R 56, 57/95,\nBFHE 180, 436, BStBl II 1996, 527). \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| 3\\. Aus der unterschiedlichen Behandlung von Kapital- und\nPersonengesellschaften hinsichtlich des vortragsfahigen Gewerbeverlustes\nkonnte entgegen der Auffassung des Klagervertreters, selbst wenn sie zutrafe,\nkein Gebot auf Gleichbehandlung zugunsten der Klagerin abgeleitet werden. Denn\nKapitalgesellschaften und Personengesellschaften werden wegen der\nVerschiedenheit der Rechtsform im Steuerrecht unterschiedlich behandelt (vgl.\nBFH Urteil vom 28. April 1977 IV R 165/76 BFHE 122, 307 ff., BStBl II 1977,\n666 ff.). \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung\n- FGO -. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| 5\\. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Nach\nAuffassung des Senats bedarf die Frage, ob und ggf. unter welchen\nVoraussetzungen die in einem Teilbereich entstandenen Gewerbeverluste nach\ndessen Veraußerung mit positiven Ertragen des verbliebenen Teilbereichs gem. §\n10a GewStG verrechnet werden konnen, im Interesse der Fortbildung des Rechts\neiner Entscheidung des BFH. \n--- \n---\n\n
142,175
vghbw-2006-07-31-2-s-22305
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 S 223/05
2006-07-31
2019-01-08 23:42:17
2019-01-17 12:02:22
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nStuttgart vom 22.Marz 2004 - 11 K 5381/02 - geandert. Die Klage wird\nabgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist Eigentumer des auch landwirtschaftlich genutzten Grundstucks\nFlst.Nr. ... der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstuck ist an die\noffentliche Wasserversorgung der Beklagten angeschlossen. Durch Bescheid vom\n5.10.1983 befreite die Beklagte den Rechtsvorganger des Klagers vom Zwang zur\nBenutzung der offentlichen Wasserversorgungseinrichtung zur Deckung seines\nBrauchwasserbedarfs. Auf die Verpflichtung zur Entrichtung von den\neigengeforderten Wassermengen entsprechenden Bereitstellungsgebuhren wurde\nhingewiesen. In der Zeit von Juli 1988 bis Juni 1989 entnahm der Klager 42\ncbm, in der Zeit von 21.8.1991 bis 16.1.1992 80 cbm, in der Zeit von Juli 1993\nbis Juni 1994 11 cbm, von Juli 1994 bis Juni 1995 33 cbm, im Jahr 1998 2 cbm\nund im Jahr 2000 281 cbm Wasser aus der offentlichen\nWasserversorgungseinrichtung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Bescheid vom 5.10.2001 zog die Beklagte den Klager unter Zugrundelegung\nder von ihm verbrauchten Eigenwassermenge zu einer Bereitstellungsgebuhr in\nHohe von 1.481,65 DM fur das Jahr 2000 heran. Hiergegen legte der Klager mit\nSchreiben vom 25.10.2001 Widerspruch ein, zu dessen Begrundung er geltend\nmachte, er habe die offentliche Wasserversorgungsanlage ebenso wenig wie sein\nVorganger in Anspruch genommen. Die eigene Quelle habe auch wahrend der\nSommermonate eine ausreichende Schuttung. Er bot die Entfernung oder\nPlombierung des vorhandenen Anschlusses an. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 20.11.2002 wies das Landratsamt Schwabisch Hall den\nWiderspruch zuruck. Es fuhrte zur Begrundung aus, im Hinblick auf die strengen\nAnforderungen an die Trinkwasserqualitat sei nur eine Befreiung von der\nBenutzung der offentlichen Wasserversorgungseinrichtung fur den Bezug von\nBrauchwasser erteilt worden. Der gleichwohl geduldete Bezug des Trinkwassers\naus dem eigenen Brunnen musse im Falle einer Verschlechterung dieses Wassers\nuntersagt werden. Der Anschluss an die offentliche\nWasserversorgungseinrichtung sei daher als Reserveanschluss anzusehen. Der\nKlager habe im Übrigen in der Vergangenheit - wenn auch in geringem Umfang\n-verschiedentlich Wasser aus der offentlichen Wasserversorgungsanlage bezogen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 5.12.2002 hat der Klager beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben\nund zur Begrundung erganzend vorgetragen, seine Eigenwasserversorgung sei fur\nseinen landwirtschaftlichen Betrieb ausreichend. Nur ein Defekt der\nPumpenanlage habe in der Vergangenheit einen Ruckgriff auf die offentliche\nWasserversorgungseinrichtung notwendig gemacht. Er habe weder ausdrucklich\nnoch schlussig sein Einverstandnis mit der Versorgung durch sie in besonderen\nBedarfsfallen erklart. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 5.10.2001 und den\nWiderspruchsbescheid des Landratsamts Schwabisch Hall vom 20.11.2002\naufzuheben. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat geltend gemacht, der\nAnschluss des Grundstucks des Klagers an die offentliche Wasserversorgung und\nder Bezug von Wasser von dort begrunde ein Benutzungsverhaltnis. Der Klager\nsei jederzeit in der Lage, seinen gesamten Wasserbedarf aus der offentlichen\nWasserversorgungsanlage zu decken. Dementsprechende Vorhalteleistungen wurden\nerbracht. Der Klager habe von ihnen in der Vergangenheit mehrfach Gebrauch\ngemacht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Urteil vom 22.3.2004 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart der Klage\nstattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 5.10.2001 sowie den\nWiderspruchsbescheid des Landratsamts Schwabisch Hall vom 20.11.2002\naufgehoben. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt, es fehle an einer\nRechtsgrundlage fur die Erhebung der streitigen Gebuhr. Nach § 42 WVS i.d.F.\nder Änderungssatzung vom 12.11.2003 entstehe neben der Grund- und der\nVerbrauchsgebuhr eine weitere Gebuhr fur das Bereitstellen von Wasser bei\nAnschlussnehmern mit auch privater Wasserversorgung. Die Entnahme von Wasser\nsei nicht vorausgesetzt. Es bestehe weder ein Zwang zur Benutzung von\nVorhalteleistung noch setze die Gebuhrenentstehung ein ausdruckliches oder ein\nwiderleglich vermutetes Einverstandnis hiermit voraus. Damit knupfe der\nGebuhrentatbestand an die bloße Moglichkeit der Inanspruchnahme einer\noffentlichen Einrichtung an. Denn das Bereitstellen von Wasser, unabhangig von\nder Wasserlieferung, sei so lange nicht als eine die Gebuhrenpflicht\nbegrundende selbstandige Leistung anzusehen, als Anschlussinhaber mit\nEigenversorgungsanlagen aus der offentlichen Wasserversorgung weder Wasser\nentnehmen wollten noch hierzu verpflichtet seien. Die bloße Moglichkeit eines\nkunftigen Ruckgriffs auf die offentliche Wasserversorgung bei Ausfall der\neigenen Anlage rechtfertige die Annahme einer Benutzung der offentlichen\nEinrichtung nicht. \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 3.3.2005 die vom Senat mit\nBeschluss vom 25.1.2005 wegen der Problematik der Bereitstellungsgebuhr nach §\n124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassene Berufung eingelegt und im Wesentlichen\nvorgetragen, § 42 Abs. 1 WVS n.F. sehe die Entstehung der\nBereitstellungsgebuhr fur den Fall des Bereitstellens von Wasser bei\nAnschlussnehmern mit auch privater Wasserversorgung, also bei Bestehen eines\nBenutzungsverhaltnisses vor. Denn nur grundsatzlich an die offentliche\nWasserversorgung angeschlossene Grundstucke konnten zusatzlich uber eine\nEigenwasserversorgung verfugen. Wasserbedarf fur Wohngebaude sei aus der\noffentlichen Wasserversorgung zu entnehmen. § 5 WVS sehe lediglich\nTeilbefreiungen fur landwirtschaftliche Zwecke bei Vorhandensein privater\nBrunnen vor. Der Klager habe auch im streitgegenstandlichen Zeitraum Wasser\naus der offentlichen Wasserversorgungsanlage entnommen. Der Bereitstellung von\nWasser fur ihn habe er nicht widersprochen. Vielmehr wolle er in „Notfallen"\nauf die offentliche Wasserversorgung zuruckgreifen. Wasserreserveanschlusse,\ndie typischerweise die Erhebung einer Bereitstellungsgebuhr rechtfertigten,\ndienten der Kompensation der mangelnden Versorgungssicherheit durch\nEigenwasserversorgungsanlagen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.3.2004 - 11 K 5381/02 -\nzu andern und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Er verteidigt das angefochtene Urteil und halt insbesondere daran fest,\ndass die Voraussetzungen fur die Erhebung einer Bereitstellungsgebuhr mangels\neines Benutzungsverhaltnisses und des Fehlens jeglicher Inanspruchnahme der\noffentlichen Wassereinrichtung nicht gegeben seien. \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Beklagten und die des\nVerwaltungsgerichts vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten\ngewechselten Schriftsatze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen. \n--- \nII. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Senat kann uber die Berufung durch Beschluss entscheiden; denn er halt\nsie einstimmig fur begrundet und eine mundliche Verhandlung nicht fur\nerforderlich. Die Beteiligten sind hierzu gehort worden (§§ 130 a, 125 Abs. 2\nS. 3 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Beklagten muss Erfolg haben. Das\nVerwaltungsgericht hatte der zulassigen Anfechtungsklage nicht stattgeben\ndurfen; denn der angefochtene Bescheid der Beklagten (in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vom 20.11.2002) ist rechtmaßig und verletzt den Klager\nnicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). \n--- \n| 17 \n--- \n| Der angefochtene Gebuhrenbescheid findet die erforderliche Rechtsgrundlage\nin der Satzung der Beklagten uber den Anschluss an die offentliche\nWasserversorgung und die Versorgung der Grundstucke mit Wasser vom 24.10.1990\ni.d.F. der Änderungssatzung vom 12.11.2003 (WVS). Nach deren § 42 Abs. 1\nerhebt die Gemeinde fur das Bereithalten von Wasser bei Anschlussnehmern mit\nauch privater Wasserversorgung neben der Grund- und Verbrauchsgebuhr (§§ 37,\n38) eine Bereitstellungsgebuhr. \n--- \n| 18 \n--- \n| Wie der Wortlaut „mit auch privater Wasserversorgung" verdeutlicht, setzt\ndie Bestimmung ein Benutzungsverhaltnis voraus. Es ergibt sich aus dem der\nEigenversorgung nicht zurechenbaren offentlichen Versorgungsverhaltnis. Dieses\nsatzungsrechtlich geforderte Benutzungsverhaltnis besteht auch im vorliegenden\nFall. Der Klager ist nicht insgesamt, sondern nur teilweise vom\nBenutzungszwang befreit (vgl. § 5 der WVS). Unstreitig ist er teilweise zum\nBezug von Wasser aus der offentlichen Versorgungseinrichtung verpflichtet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Ob der insoweit bestehende Anschlusszwang fur sich allein ausreichend ware,\ndas geforderte Benutzungsverhaltnis zu begrunden, kann dahinstehen. Gleiches\ngilt auch fur die Frage, ob eine „potenzielle" Inanspruchnahme bzw. eine\nInanspruchnahmemoglichkeit dem § 9 KAG a.F. bzw. § 13 KAG n.F. widersprechen\nkonnte (so wohl das Verwaltungsgericht und zweifelnd der Beschluss des Senats\nvom 8.8.1996 - 2 S 1703/95 - VBlBW 1997, 28). Sie stellt sich hier bereits\ndeshalb nicht, weil der Klager im Jahr 2000 (und auch fruher) tatsachlich\nWasser aus der Versorgungseinrichtung der Beklagten bezogen hat, also eine\nInanspruchnahme der Versorgungseinrichtung nicht zweifelhaft ist. In\nAnbetracht dieser tatsachlichen Inanspruchnahme ist auch nicht zu entscheiden,\nob der Erhebung von Bereitstellungsgebuhren entgegengehalten werden darf, es\ngehe lediglich um die Moglichkeit der Inanspruchnahme. \n--- \n| 20 \n--- \n| Da die Bereitstellungsgebuhr fur den Versorgungsbereich in Betracht kommt,\nfur den eine Ausnahme vom Benutzungszwang festgelegt ist, wird fur die hier in\nRede stehenden Reserve- bzw. Zusatzanschlusse gefordert, dass diese entweder\nauf Antrag des Betroffenen, in dessen Einverstandnis oder auch auf Grund eines\nschlussigen Verhaltens des Betroffenen eingerichtet sind (vgl. dazu Senat,\nUrteil vom 8.6.1978 - II 319/76 -, BWGZ 1979, 406; ferner Gossl, KAG fur\nBad.-Wurtt., 2004, S. 106, m.w.N.). Jedenfalls von Letzterem ist hier\nauszugehen. Denn der Klager hat durch schlussiges Verhalten dem Anschluss\n„zugestimmt", indem er der offentlichen Wasserversorgungseinrichtung\ntatsachlich Wasser entnommen und sie daher in Anspruch genommen hat. Die darin\nliegende schlussige Einwilligung zur Vorhaltung von Wasser(reserven) wird\nnicht dadurch gegenstandslos, dass er jetzt bekundet, eine Abnahme von Wasser\nerfolge nicht (mehr). Auch ist - selbst nach seinem eigenen Vorbringen - nicht\nauszuschließen, dass der Klager erneut auf die offentliche\nWasserversorgungseinrichtung auch fur das landwirtschaftlich genutzte Anwesen\nzuruckgreifen muss. \n--- \n| 21 \n--- \n| Gegen die Hohe der von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid\ngeforderten Gebuhr werden vom Klager keine Einwande erhoben. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch uber die\nNichtzulassung der Revision aus § 132 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 23 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 24 \n--- \n| vom 31. Juli 2006 \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Streitwert wird fur das Berufungsverfahren auf 757,56 EUR festgesetzt\n(vgl. § 72 Nr. 1 2. HS GKG n.F. in Verb. mit § 13 Abs. 2 GKG a.F.). \n--- \n| 26 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
108,865
lg-itzehoe-2006-07-06-7-o-42205
1,063
Landgericht Itzehoe
lg-itzehoe
Itzehoe
Schleswig-Holstein
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
7 O 422/05
2006-07-06
2018-11-26 04:30:13
2019-02-14 08:39:30
Urteil
ECLI:DE:LGITZEH:2006:0706.7O422.05.0A
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu\nvollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Kläger macht im Wege der Stufenklage ein Absonderungsrecht im\nInsolvenzverfahren geltend. Der Kläger war Gesellschafter der ... GmbH mit\nSitz in .... Er behauptet, unter dem 4. März 2002 mit der ... einen\nDarlehensvertrag über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 25.000,00 €\nabgeschlossen zu haben, wonach als Sicherheit das Eigentum an 3\nBetriebsfahrzeugen vom Typ ... als Sicherheit übertragen wurde. Unstreitig\ngibt es diesbezüglich eine Darlehensurkunde (Anlage B 2 zur Klagerwiderung,\nBl. 29 d. A.). Der Kläger behauptet weiter, er habe mit der ... ... einen\nweiteren Nachtrag zum Darlehensvertrag abgeschlossen, wonach das Darlehen am\n31.12.2004 zurückzuzahlen war und zwei weitere Betriebsfahrzeuge als\nSicherheit an den Kläger übereignet werden sollten. Unstreitig gibt es\ndiesbezüglich einen schriftlichen Nachtrag, Anlage B 3, Bl. 31 d. A..\n\n2\n\n \n\nDer Kläger behauptet, die Übertragungen seien erfolgt wegen der Verringerung\ndes Wertes der zuvor gegebenen Sicherheiten.\n\n3\n\n \n\nUnstreitig hat die Hausbank der ..., die ... ..., der ... wegen Bestellung\numfangreicher Drittsicherheiten mit Vertrag vom 18. März 2004 ein weiteres\nverzinsliches Darlehen in Höhe von insgesamt 150.000,00 € gewährt. Zu diesem\nZeitpunkt verfügte die ... nicht mehr über eigenes Vermögen, das zur\nBesicherung der darlehensweise gewährten Mittel zur Verfügung gestanden hätte.\nSämtliche gegenwärtige und zukünftige Forderungen der ... gegen alle Kunden\nbzw. Schuldner mit Ausnahme der mit den Anfangsbuchstaben ... waren an das\nKreditinstitut abgetreten. Das Geschäftsjahr 2003/2004, das am 31. März 2004\nendete, ergab einen Verlust von jedenfalls 128.686,45 €, dem nach Behauptung\ndes Klägers neben dem Eigenkapital stehen gelassener Gewinn aus Vorjahren in\nHöhe von 173.490,58 € gegenüber gestanden haben soll. In den Folgemonaten\nerhöhte sich das negative Ergebnis weiter. Per 31. Juli 2004 ergaben die\nbetriebswirtschaftlichen Auswertungen einen weiteren Verlust von 44.356,16 €.\nZu diesem Zeitpunkt war der Kontokorrentkredit der Gesellschaft von 50.000,00\nDM mit ca. 10.000,00 DM ausgefüllt. Mit am 19. August 2004 verkündetem Urteil\nwurde die Gesellschaft verurteilt, an eine Gläubigerin 124.687,26 € nebst\nZinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Oktober\n2002 zu zahlen. Die Gesellschaft hatte die diesbezügliche Werklohnforderung\nbereits zuvor mit rund 27.000,00 € in ihre Bilanz eingestellt. Nach Zustellung\ndes Urteils, das gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar war, ließ die\nGläubigerin das Geschäftskonto und den Kontokorrentkredit pfänden. Hiervon\nerfuhren der Kläger und die Geschäftsführer der GmbH spätestens am 14./15.\nOktober 2004 und stellten unter dem 25. Oktober 2004 Insolvenzantrag. Das\nInsolvenzverfahren wurde am 6. Dezember 2004 eröffnet.\n\n4\n\n \n\nDer Beklagte hat als Insolvenzverwalter der ... das Betriebsvermögen\neinschließlich der Fahrzeuge zum Preis von insgesamt 35.381,00 € an eine neu\ngegründete ... veräußert, an der die Ehefrau des Klägers als Gesellschafterin\nbeteiligt ist.\n\n5\n\n \n\nMit der Klage begehrt der Kläger im Wege der Stufenklage Auskunft über den im\nKaufpreis enthaltenen anteiligen Wert der Fahrzeuge sowie Zahlung des sich\ndaraus ergebenden Betrages.\n\n6\n\n \n\nEr behauptet, die Gesellschaft sei bis zur Kontenpfändung aufgrund des Urteils\nweder überschuldet noch zahlungsunfähig gewesen. Vielmehr habe sich die\nEntwicklung im Jahre 2004 positiver dargestellt, als es die\nbetriebswirtschaftlichen Auswertungen ergäben. Zudem sei in der Gesellschaft\nnoch Eigenkapital aus den Jahren 2001/2002 in Höhe von ca. 199.000,00 €, und\nzwar in Form des Stammkapitals und der stehen gelassenen Gewinne aus den\nVorjahren. Diese seien in Form des Sachvermögens der ... auch noch vorhanden\ngewesen. Vor dem 15. Oktober 2004 sei nicht erkennbar gewesen, dass die\nForderung der Gläubigerin aus dem Urteil vom 19. August 2004 Bestand haben und\nvollstreckt werden würde.\n\n7\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n8\n\n \n\ndem Kläger Auskunft zu erteilen, welchen Erlös der Beklagte aus der Verwertung\nder Fahrzeuge erzielt habe.\n\n9\n\n \n\nEr hat ferner den Antrag angekündigt,\n\n10\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag, den er nach\nAuskunftserteilung beziffern werde, nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5\nProzentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. Februar 2005 zu\nzahlen.\n\n11\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n12\n\n \n\ndie Klage insgesamt abzuweisen.\n\n13\n\n \n\nDer Beklagte macht geltend, der Kläger habe die Sicherungsübereignungen\nbereits in anfechtbarer Weise erworben. Er hat insoweit die\nInsolvenzanfechtung aus mehreren Gründen erklärt.\n\n14\n\n \n\nDer Beklagte ist der Auffassung, es handele sich bei dem Darlehen, sofern es\ngewährt sei, um Eigenkapital ersetzendes Darlehen, sei es aber spätestens\naufgrund des verkündeten Urteils und des Stehenlassens des Darlehens in der\nGesellschaft im Anschluss daran geworden. Er macht hilfsweise geltend, der von\nihm verwalteten Masse stünden weitere Gegenansprüche gegen den Kläger zu, die\nnoch zu beziffern seien.\n\n15\n\n \n\nZum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den\nParteien gewechselten Schriftsätze.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n16\n\n \n\nDie Klage ist unbegründet.\n\n17\n\n \n\nSie war aufgrund des Antrages des Beklagten, die Klage insgesamt, auch\nhinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung nicht gestellten Antrages auf\nZahlung abzuweisen. In Rechtsprechung und Literatur wird allgemein und, soweit\nersichtlich, nunmehr auch unbestritten die Auffassung vertreten, im Falle der\nStufenklage sei, wenn der Anspruch nicht bestehe, die Klage insgesamt\nabzuweisen. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger den Zahlungsantrag noch\nnicht gestellt habe (vgl. OLG Zweibrücken, 12.12.1995, 5 UF 49/95). Selbst im\nBerufungsverfahren müsse das Berufungsgericht den in erster Instanz noch nicht\ngestellten und in der Berufungsinstanz nicht erhobenen Zahlungsanspruch in\neinem solchen Fall mit abweisen (vgl. hierzu BGH NJW 1985, 862 n. w. N.;\nMüKomm-Lüke, ZPO, § 254, Rdn. 18). Dem folgt das Gericht. Ist der Rechtsstreit\nnämlich insgesamt zur Entscheidung reif, ist über ihn durch End-Urteil zu\nentscheiden (§ 300 ZPO). Vorgreiflich ist das frühere Teil-Urteil für das\nspätere End-Urteil demgegenüber nur, wenn es der Klage stattgibt, weil durch\ndie Zuerkennung des Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruchs die Bezifferung\nerst ermöglicht wird. Ist aber kein Anspruch gegeben, so bedarf es nicht erst\ndes Erlasses eines Teil-Urteils über den Auskunftsanspruch. Vielmehr gebieten\nsowohl § 300 Abs. 1, als auch das Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und\nSchlussurteil aus § 301 ZPO eine einheitliche Entscheidung, wenn nicht durch\ndie Besonderheit des Verfahrens nämlich bei der stattgebenden Stufenklage eine\nAbweichung hiervon erforderlich ist.\n\n18\n\n \n\nDem steht auch nicht entgegen, dass, wie im vorliegenden Fall, der Kläger den\nunbestimmten Zahlungsantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat\n(vgl. OLG Zweibrücken, aaO,). Denn der Antrag der Beklagten, die Klage\ninsgesamt abzuweisen, ist ausreichend, zumal wenn wie hier diese Frage im\nTermin erörtert wurde. Soweit ein Senat des Schleswig-Holsteinischen\nOberlandesgerichts eine abweichende Auffassung vertreten hat, folgt das\nGericht dem nicht. Die vom Senat angeführten Zitate tragen die von ihm\nvertretene Ansicht nicht. Vielmehr vertritt Greger (Zöller-Greger, ZPO, 24.\nAufl.) unter der folgenden Randnummer 9 die gegenteilige Ansicht. Gleiches\ngilt für Schumann (Stein-Jonas Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 254, Rn 30, unter\nHinweis auf § 304 ZPO ). So Hat auch der BGH in der vom Senat zitierten\nEntscheidung die Klagabweisung durch das Landgericht nicht beanstandet. Die\nAuffassung, die Stufenklage sei insgesamt abzuweisen, wenn kein Anspruch\nbestehe, wird, soweit ersichtlich, auch von anderen Senaten des Schleswig-\nHolsteinischen Oberlandesgerichts geteilt.\n\n19\n\n \n\nDem Kläger steht der geltend gemachte Absonderungsanspruch schon dem Grunde\nnach nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob das Darlehen, wie der Kläger es\nbehauptet, gewährt worden ist und die Fahrzeuge tatsächlich vor\nInsolvenzeröffnung zur Sicherung übereignet worden sind. Offen bleiben kann\nauch, ob der Kläger das Sicherungseigentum in anfechtbarer Weise erworben hat.\nDenn dem Kläger steht der geltend gemachte Absonderungsanspruch und der darauf\nberuhende Auskunftsanspruch schon deshalb nicht zu, weil es sich bei dem\nDarlehen um ein Darlehen mit Eigenkapital ersetzendem Charakter i. S. d. §§\n488 BGB, 32 a Abs. 1 und 3 GmbHG, 135 InsO handelt. Ein kapitalersetzendes\nGesellschafterdarlehen liegt vor, wenn ein Gesellschafter ein Darlehen gewährt\nhat, das im Zeitpunkt seiner Gewährung Eigenkapitalersatzfunktion hatte. Das\nist zum der Fall, wenn das Darlehen in der Krise der Gesellschaft gewährt oder\nstehen gelassen wurde. Eine Krise in diesem Sinne liegt vor, wenn die\nGesellschaft zur Geschäftsfortführung notwendiges Kapital benötigt und der\nnotwendige Kapitalbedarf nicht im gleichen Zeitpunkt durch entsprechende\nKredite von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen hätten gedeckt werden\nkönnen. Wird in dieser Situation von den Gesellschaftern ein Darlehen ohne\nrechtliche Verpflichtung stehen gelassen und nicht zurückgefordert, erlangt es\ndadurch kapitalersetzenden Charakter. So liegt es hier. Zum Zeitpunkt der\nVerkündung des gegen die Gesellschaft ergangenen Urteils, mit dem sie zur\nZahlung von mehr als 124.000,00 € (einschl. Zinsen und Kosten ca 145.000\n€)verurteilt wurde, spätestens aber zum Zeitpunkt der Zustellung des Urteils.\nErgeht nämlich zu Lasten der späteren Gemeinschuldnerin ein vorläufig\nvollstreckbares Urteil, so ist mit Verkündung spätestens aber mit Zustellung\ndes Urteils eine liquide und vollstreckbare Forderung der Gläubigerin in Höhe\nder Urteilssumme nebst Zinsen und Kosten zu befriedigen. Dies gilt auch dann,\nwenn das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.\nDenn der Schuldner muss in diesem Fall jederzeit mit der Beibringung der\nSicherheit rechnen, aber auch damit, dass der Gläubiger auch ohne\nSicherheitsleistung vorläufige Vollstreckungsmaßnahmen einleitet.\n\n20\n\n \n\nIst die Gesellschaft nicht in der Lage, die ausgeurteilte Summe beizubringen,\nund kann sie auch die notwendigen Darlehensmittel nicht beschaffen, so sind\nGeschäftsführung und Gesellschafter gehalten, der Gesellschaft entweder die\nerforderlichen Mittel in Form weiteren Kapitals zuzuführen oder die\nGesellschaft sogleich zu liquidieren und ggf. in die Insolvenz zu überführen.\nSo liegt es hier. Denn unstreitig war die Gesellschaft im August 2004 nicht in\nder Lage die Urteilssumme aus liquiden Mitteln zu begleichen, der ihr zur\nVerfügung stehende Kontokorrentkredit hätte hierzu ebenfalls nicht\nausgereicht, eigenes noch nicht verpfändetes Vermögen besaß sie nicht mehr, so\ndass ihr aus eigener Kraft weiterer Kredit hätte nicht gewährt werden können.\n\n21\n\n \n\nDer Kläger hat in dieser Situation sein Darlehen auch ohne rechtliche\nVerpflichtung stehen lassen. Denn die Situation gab dem Kläger jedenfalls ein\nKündigungsrecht aus wichtigem Grund. Soweit der Kläger behauptet, er habe\ndarauf vertraut, dass das Urteil keinen Bestand haben werde und behauptet, es\nseien ihm diesbezügliche Auskünfte erteilt worden, so verhilft ihm dies nicht\nzum Erfolg. Denn auch die etwaige spätere Aufhebung in der Folgeinstanz\nänderte nichts an der sofortigen Vollstreckbarkeit des Anspruches. Der Kläger\nmusste auch jederzeit damit rechnen, dass die Gläubigerin die notwendige\nSicherheit würde aufbringen können, wie dies tatsächlich offenbar der Fall\nwar. Tatsächlich hat der Kläger jedoch das Darlehen bis zum Insolvenzantrag\nstehen lassen.\n\n22\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.\n\n \n\n
114,515
olgk-1999-09-13-13-w-5599
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
13 W 55/99
1999-09-13
2018-11-28 11:28:49
2019-02-11 10:39:20
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1999:0913.13W55.99.00
## Tenor\n\nDie sofortige Beschwerde der Klägerin vom 09.08.1999 gegen den Beschluß des\nLandgerichts Aachen vom 22.07.1999 - 10 O 634/98 - wird als unzulässig\nverworfen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. Der\nBeschwerdewert wird auf 2.735,- DM festgesetzt. \n1\n\n**G R Ü N D E**\n\n2\n\nDie sofortige Beschwerde der Klagerin gegen den Beschluß des Landgerichts\nAachen vom 22.07.1999, mit dem die Kosten des in der Hauptsache erledigten\nRechtsstreits gegeneinander aufgehoben worden sind, ist unzulassig. Die\nBeklagte erhebt zu Recht die Einrede des Rechtsmittelverzichts, § 514 ZPO\nentsprechend.\n\n3\n\nIn dem Verhandlungstermin am 22.07.1999 haben die Prozeßbevollmachtigten der\nParteien uber den Inhalt des Terminprotokolls hinaus unstreitig auf eine\nBegrundung des zu verkundenden Kostenbeschlusses nach § 91a Abs.1 ZPO\nverzichtet, § 313 Abs.1 Satz 2 ZPO entsprechend, wohingegen ein ausdrucklicher\nRechtsmittelverzicht nicht erklart worden ist. In dem erklarten Verzicht auf\neine Begrundung des Kostenbeschlusses liegt jedoch auch ein Verzicht auf die\nsofortige Beschwerde nach § 91a Abs.2 ZPO.\n\n4\n\nDer Senat halt in dieser in der Rechtsprechung kontrovers beurteilten\nAuslegungsfrage an der bereits mit Beschluß vom 19.05.1998 - 13 W 29/98\n(unveroffentlicht) - vertretenen Auffassung fest, daß in einer Erklarung, auf\ndie schriftliche Begrundung einer gemaß § 91a Abs.1 ZPO zu treffenden\nKostenentscheidung zu verzichten, regelmaßig zugleich ein stillschweigend\nerklarter Rechtsmittelverzicht zu sehen ist (so auch OLG Hamm - 33. Zivilsenat\n- OLGR 1992, 351; OLG Hamm - 20. Zivilsenat - NJW-RR 1993, 827; OLG Hamm - 12.\nZivilsenat - OLGR 1994, 71 = NJW-RR 1994, 1407; OLG Hamm - 29. Zivilsenat -\nOLGR 1995, 180 = NJW-RR 1996, 509; OLG Brandenburg, NJW-RR 1995, 1212; and.\nAns. OLG Hamm - 18. Zivilsenat - NJW-RR 1995, 1213; OLG Hamm - 8. Zivilsenat -\nOLGR 1995, 192 = NJW-RR 1996, 63; OLG Hamm - 10. Zivilsenat - NJW-RR 1997,\n318; SchlHOLG, OLGR 1998, 15 = NJW-RR 1998, 1371). Ein gegenuber dem Gericht\nerklarter Rechtsmittelverzicht braucht nicht ausdrucklich erklart zu sein.\nEntscheidend ist allein, ob eine Erklarung oder konkludente Handlung bei\nobjektiver Betrachtung unzweideutig erkennen laßt, daß die Partei auf das\nRechtsmittel verzichten wollte. Dies ist vorliegend der Fall:\n\n5\n\nDer Verzicht auf die Begrundung der Kostenentscheidung macht deutlich, daß die\nParteien nach Erledigungserklarung der Hauptsache den Rechtsstreit in erster\nInstanz auch im Kostenpunkt abschließen wollten und auf eine Überprufung der\nKostenentscheidung in der Rechtsmittelinstanz keinen Wert legten. Fur eine\nNachprufung durch das Beschwerdegericht ist die Darstellung der\nEntscheidungsgrunde aber unerlaßlich. Indem die Parteien auf eine Mitteilung\nder Entscheidungsgrundlage verzichteten, brachten sie erkennbar zum Ausdruck,\ndaß fur sie die Nachvollziehbarkeit der Kostenentscheidung bedeutungslos ist\nund die Einlegung eines Rechtsmittels ausgeschlossen sein sollte. Der Verzicht\nauf die Begrundung des Kostenbeschlusses gibt auch nur dann Sinn, wenn damit\nzugleich ein Rechtsmittelverzicht verbunden ist. Da - wie allgemein anerkannt\nist - rechtsmittelfahige Beschlusse begrundet werden mussen, ginge ein\nVerzicht auf die Begrundung ohne Rechtsmittelverzicht ins Leere.\n\n6\n\nEin Verzicht nur auf die Begrundung laßt sich auch nicht mehr kostenrechtlich\nmotivieren, weil sich die dreifache Gebuhr fur das Verfahren im allgemeinen\n(GKG-KV Nr. 1201) bei einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO auch dann nicht\nauf den einfachen Tabellensatz (entsprechend GKG-KV Nr. 1202) ermaßigt, wenn\ndie Parteien auf eine Begrundung des Kostenbeschlusses verzichtet haben.\nAngesichts dieser bereits seit dem Kostenrechtsanderungsgesetz von 1994\nbestehenden Rechtslage gibt der Gesichtspunkt der Kostenersparnis fur einen\nisolierten Begrundungsverzicht nichts mehr her.\n\n7\n\nDie Auslegung der Parteierklarungen im Sinne eines konkludenten\nRechtsmittelverzichts wird hier durch weitere Umstande bestatigt. So ergibt\nsich aus der Beschwerdeerwiderung vom 16.08.1999, daß und weshalb der\nProzeßbevollmachtigte der Beklagten nach dem Verlauf der dem Kostenbeschluß\nvorangegangenen Erorterung der Sach- und Rechtslage in der Sitzung am\n22.07.1999 davon ausgegangen ist, daß der Kostenbeschluß wegen des\nubereinstimmenden Begrundungsverzichts endgultig sein sollte. In diesem Sinne\nhat sich auch der Vorsitzende der Zivilkammer als Einzelrichter in seinem den\nParteien bekannt gegebenen Aktenvermerk vom 12.08.1999 geaußert; ebenso wie\nder Prozeßbevollmachtigte der Beklagten ist er von einem konkludenten\nRechtsmittelverzicht ausgegangen. Anzumerken ist schließlich, daß auch unter\nBerucksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt des Schlusses der\nmundlichen Verhandlung dem Begrundungsverzicht des Prozeßbevollmachtigten der\nKlagerin keine andere Auslegung als die eines damit einhergehenden\nstillschweigenden Rechtsmittelverzichts zukommen kann. Die Beklagte hatte die\nbehaupteten Mietruckstande im einzelnen bestritten. Wie sich dem Schriftsatz\nder Klagerin vom 25.05.1999, in welchem der Rechtsstreit in der Hauptsache fur\nerledigt erklart worden ist, entnehmen laßt, sollte eine Aufklarung, in\nwelcher Hohe Zahlungsforderungen der Klagerin aus dem Mietverhaltnis bestehen,\nin diesem Verfahren gerade nicht mehr erfolgen ("_Eine Gesamtabrechnung s\namtlicher Forderungen und etwaiger Gegenforderungen im Rahmen dieses\nVerfahrens soll nicht erfolgen. Die Klagerin will vielmehr dieses Verfahren -\nauch kostenmaßig - beenden und weitere Forderungen und Gegenforderungen\naußerhalb dieses Verfahrens klaren_"). Entgegen der in dem Schriftsatz vom\n25.05.1999 vertretenen Auffassung war die fristlose Kundigung der Klagerin vom\n07.10.1998 aber nicht schon dann wirksam und damit die Raumungsklage\nbegrundet, wenn zum Zeitpunkt der Kundigung aufgrund des insoweit unstreitigen\nSachverhalts nur die titulierte Miete fur Dezember 1997 und Nachforderungen\naus Nebenkostenabrechnungen fur die Zeit vom 01.01.-31.05. und\n01.06.-31.10.1997 ruckstandig gewesen sein sollten. Nach § 554 Abs.1 Satz 1\nNr.2 BGB ist eine fristlose Kundigung nur dann wirksam, wenn der Mieter mit\nder Entrichtung des Mietzinses in Hohe von mindestens zwei Monatszinsen in\nVerzug ist. Mietzins im Sinne des Gesetzes sind nur die laufenden Mieten, d.h.\nder monatlich geschuldete Nettomietzins zuzuglich etwa vereinbarter\nmonatlicher Nebenkostenvorauszahlungen. Bei der Berechnung eines nach § 554\nAbs.1 BGB erheblichen Mietruckstandes sind Nachforderungen aus\nNebenkostenabrechnungen mithin außer Ansatz zu lassen. Um solche handelt es\nsich aber bei den titulierten Forderungen in Hohe von weiteren 1.302,10 DM und\n1.189,42 DM, nachdem die Parteien ausweislich des Unterpachtvertrages vom\n10.08.1995 zwar eine Pflicht der Beklagten zur Übernahme bestimmter\nBetriebskosten, aber keine hierauf monatlich zu leistenden Vorauszahlungen\nvereinbart haben. Ware mithin die fristlose Kundigung wegen Ruckstandes mit\nnur einer Monatsmiete unwirksam gewesen, erscheint es folgerichtig, daß sich\nauch der Prozeßbevollmachtigte der Klagerin mit der in Aussicht gestellten\nKostenaufhebung unter Verzicht auf die hiergegen mogliche sofortige Beschwerde\neinverstanden erklart hat, weil eine Aufklarung, in welcher Hohe\nmoglicherweise weitere Ruckstande bestanden, erklartermaßen nicht mehr\nerfolgen sollte.\n\n8\n\nAuf dogmatische Bedenken gegen die Wirksamkeit eines vorweggenommenen\nRechtsmittelverzichts kommt es schon deshalb nicht an, weil die Parteien\nanerkanntermaßen bereits vor der Entscheidung rechtswirksam vereinbaren\nkonnen, daß sie kein Rechtsmittel gegen die kunftige Entscheidung einlegen\nwerden. Eine solche Vereinbarung begrundet eine prozessuale Einrede, die zur\nVerwerfung des Rechtsmittels fuhrt.\n\n9\n\nDie Beschwerde war demgemaß zu verwerfen, § 574 Satz 2 ZPO.\n\n10\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.\n\n11\n\nDem Wert des Beschwerdeverfahrens waren die von der Klagerin zu tragenden\naußergerichtlichen Kosten und die halftigen Gerichtskosten zugrunde zu legen\n(wie im Schriftsatz vom 17.08.1999 berechnet).\n\n
128,451
fg-des-saarlandes-2005-09-13-1-k-18901
934
Finanzgericht des Saarlandes
fg-des-saarlandes
des Saarlandes
Saarland
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 189/01
2005-09-13
2019-01-07 09:32:36
2019-02-12 12:10:58
Urteil
## Tatbestand\n\nDie Klager sind Eheleute. Sie werden beim Beklagten zusammen zur\nEinkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 1993 bezogen der Klager als\nkaufmannischer Angestellter und die Klagerin als Substitutin Einkunfte aus\nnichtselbstandiger Arbeit. Daruber hinaus sind dem Klager Lohnersatzleistungen\nin Form von Konkursausfallgeld zugeflossen. In den Jahren 1990 bis 1993\nabsolvierte der Klager einen Bilanzbuchhalterlehrgang beim\nBerufsforderungswerk des Saarlandes.\n\nBis zum 31. Dezember 1993 war der Klager bei der S AG in V beschaftigt. Ab dem\n1. Januar 1994 ist er zur L KG in M gewechselt. Da sein dortiger Vorganger im\nRechnungswesen bereits zum 30. September 1993 aus dem Unternehmen\nausgeschieden ist, hat er - neben seiner Haupttatigkeit und nach Aktenlage\nunentgeltlich - seit November 1993 "die notwendigsten Aufgaben dort erledigt\nund koordiniert" (Bl. 9 Rbh).\n\nAm 23. Dezember 1993 befuhr der Klager mit seinem PKW Toyota Corolla aus\nRichtung S kommend die Abfahrt der A 000 - Anschlussstelle V - in der Absicht\nlinks in die K-Straße einzubiegen. Hierbei verschuldete er gegen 20.40 Uhr\neinen Verkehrsunfall (Bl. 81 ff. ESt), bei dem sein Fahrzeug so erheblich\nbeschadigt worden ist, dass er es anschließend fur 500 DM veraußerte (Zeitwert\nzum Unfallzeitpunkt: 9.400 DM, Bl. 72 ff. ESt).\n\nBei der Durchfuhrung der Veranlagung ließ der Beklagte die vorgenannten\nAufwendungen nicht zum Werbungskostenabzug zu und erließ einen\ndementsprechenden Einkommensteuerbescheid. Nach der insofern erfolglosen\nDurchfuhrung eines Einspruchsverfahrens erhoben die Klager am 27. Juli 2001\nKlage.\n\nDie Klager beantragen sinngemaß,\n\n> > > > > unter Änderung des Bescheides vom 18. Marz 1996 in Form der\n> Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2001 die Einkommensteuer 1993 unter\n> Berucksichtigung weiterer Werbungskosten i.H.v. 8.900 DM festzusetzen.\n\n> > > > > Der Klager habe am 23. Dezember 1993 gegen Ende der Heimfahrt von\n> der Arbeitsstatte in M nach V bemerkt, dass die Tankanzeige aufgeleuchtet\n> habe. Da es bereits gegen 20.30 Uhr gewesen sei, habe er gewusst, dass die\n> Tankstelle in W, Sch-Straße bereits geschlossen habe. Deshalb habe er sich\n> spontan entschieden, nicht an der Abfahrt W die A 000 zu verlassen, sondern\n> noch ca. 1 km weiter an der Abfahrt V abzufahren und an der K-brucke sein\n> Fahrzeug zu betanken. Auf dieser Umwegfahrt sei es zu dem selbst\n> verschuldeten Unfall direkt an der Autobahnabfahrt gekommen (Bl. 1, 22).\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n> > > > > die Klage als unbegrundet abzuweisen.\n\n> > > > > Der Versuch, die berufliche Veranlassung der Umwegfahrt darzulegen,\n> konne nicht uberzeugen, weil der zur Neige gehende Benzinvorrat nicht erst\n> durch das Aufleuchten der Warnanzeige angezeigt worden, sondern dem Klager\n> bereits aus dem Stand der Tankanzeige bekannt gewesen sei. Aus der Tatsache,\n> dass der Klager auf der Heimfahrt trotz der Kenntnis uber den relativ\n> geringen Benzinvorrat die sich anbietenden naheliegenden Tankmoglichkeiten\n> in M und S nicht wahrgenommen habe, sei zu folgern, dass er sein Fahrzeug -\n> aus welchen Grunden auch immer - an der Tankstelle in V habe betanken\n> wollen. Da hierfur berufliche Grunde nicht ersichtlich seien, sei der\n> Werbungskostenabzug der Unfallkosten nach § 12 Abs. 1 EStG ausgeschlossen.\n\nWegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsatze der Beteiligten, die\nbeigezogenen Verwaltungsakten und das Protokoll der mundlichen Verhandlung\nverwiesen.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDie Klage ist zulassig, aber unbegrundet. Der Beklagte hat die streitigen\nAufwendungen zu Recht nicht zum Steuerabzug zugelassen.\n\n1\\. Rechtsgrundlagen\n\na) Nach standiger Rechtsprechung des BFH sind Werbungskosten uber den Wortlaut\ndes § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus nicht nur Aufwendungen zur Erwerbung,\nSicherung und Erhaltung der Einnahmen, sondern alle Aufwendungen, die durch\ndas Arbeitsverhaltnis veranlasst sind. Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt\njedoch ein Werbungskostenabzug grundsatzlich dann nicht in Betracht, wenn die\nAufwendungen zwar den Beruf fordern, daneben aber auch - ohne leicht\nnachprufbare Trennbarkeit anhand objektiver Maßstabe - der Lebensfuhrung\ndienen (z.B. BFH-Urteil vom 27.April 1990 VI R 54/88, BFH/NV 1991, 85). Da\nWerbungskosten steuermindernd wirken, trifft die objektive Feststellungslast\n(Beweislast) fur ihre Voraussetzungen den Steuerpflichtigen. Unterbleibt der\nkonkrete Nachweis konnen sie gegebenenfalls nach Maßgabe der §§ 162 AO, 96\nAbs. 1 Halbsatz 2 FGO geschatzt werden.\n\nb) Zu den Werbungskosten gehoren gemaß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG\ninsbesondere auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers fur Fahrten zwischen\nWohnung und Arbeitsstatte. Diese Kosten werden bei Fahrten mit dem eigenen\nKraftfahrzeug nach Satz 2 dieser Vorschrift nur mit den dort genannten\nPauschbetragen als Werbungskosten berucksichtigt. Nach standiger\nRechtsprechung wird durch diese Pauschbetragsregelung jedoch der Abzug\naußergewohnlicher Ausgaben, wie insbesondere der durch einen Verkehrsunfall\nentstandenen Kosten, nicht ausgeschlossen (vgl. z.B. BFH vom 14.Juli 1978 VI R\n158/76, BStBl II 1978, 595).\n\nMacht ein Steuerpflichtiger auf der Fahrt zur Arbeitsstatte oder zuruck zur\nWohnung einen Umweg, so kann ein Unfall auch auf einer solchen Umwegstrecke\nberuflich veranlasst sein, wenn sie in einem objektiven Zusammenhang mit dem\nArbeitsverhaltnis steht und von der beruflichen Zielvorstellung des\nSteuerpflichtigen mitgetragen wird. Es muss also auch bezuglich des Umwegs die\nAbsicht zur Forderung des Berufs bei weitem uberwiegen und die Umstande der\nLebensfuhrung mussen ganz in den Hintergrund treten. Aufgrund dieser\nErwagungen hat der BFH z.B. im Urteil vom 11. Juli 1980 VI R 55/79, BStBl. II\n1980, 655 die Leerfahrt zwecks Abholung des Ehegatten von der Arbeitsstatte\nunter den dort genannten Voraussetzungen ebenso als beruflich veranlasst\ngewurdigt wie im Urteil vom 11. Oktober 1984 VI R 48/81, BStBl. II 1985, 10\neinen zum Betanken des Kraftfahrzeugs gewahlten Umweg zum Aufsuchen einer\nTankstelle. Er hat in beiden Entscheidungen anerkannt, dass Aufwendungen wegen\neines Unfalls auf einer solchen Umwegstrecke Werbungskosten bei den Einkunften\naus nichtselbstandiger Arbeit sein konnen, wenn ein enger Zusammenhang\nzwischen der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstatte und der Betankung des\nFahrzeugs besteht.\n\n2\\. Anwendung im Streitfall\n\nDie fragliche Fahrt steht nicht im Zusammenhang mit der Tatigkeit des Klagers\nbei der S AG, aufgrund derer er seine Einkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit\nerklart hat. Wegen der im Streitjahr bei der L KG ausgeubten Tatigkeit hat er\nkeine Einkunfte erklart. Es kann letztlich dahinstehen, ob insofern die\nVoraussetzungen vorweggenommener Werbungskosten erfullt sind. Die Anerkennung\nder Unfallkosten als Werbungskosten scheitert bereits daran, dass es der\nbehaupteten Fahrt zur Tankstelle an dem erforderlich engen Zusammenhang zur\nFahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstatte fehlt. Im ubrigen tragt der Klager\ndie Beweislast fur die - weitgehend nicht nachgewiesenen - Umstande der\nberufliche Veranlassung des Unfalls.\n\nDer Unfall hat sich nicht auf dem direkten Weg zwischen der Arbeitsstatte in M\nund Wohnort des Klagers in V, K-straße ereignet, so dass die vom BFH\nentwickelten Grundsatze einer sogenannten Umwegfahrt zur Anwendung kommen. Der\nKlager rechtfertigt seine Abweichung von der ublichen Strecke damit, dass er\ndas Fahrzeug habe betanken mussen. Er habe sich nach Aufleuchten der\nTankanzeige spontan entschieden, die Tankstelle an der K-Brucke anzufahren.\nDie Tankstelle in der Sch-straße habe um 20.30 Uhr bereits geschlossen gehabt.\nGrundsatzlich steht eine derart motivierte Umwegfahrt einer Anerkennung des\nWerbungskostenabzugs nicht entgegen. Vorliegend ist jedoch von Bedeutung, dass\nder Umweg zur Tankstelle an der K-Brucke eine deutlich großere Wegstrecke in\nAnspruch genommen hat, als sie zur Beendigung der Heimfahrt in die K-straße\nerforderlich gewesen ware. Der Klager hatte also seine Heimfahrt ohne weiteres\nbeenden und das Fahrzeug am nachsten Tag in der Sch-straße oder an einer\nanderen auf dem Weg liegenden Tankstelle (H-straße, K-straße u.a.). betanken\nkonnen. Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass\ndem Fahrer nach dem Aufleuchten der Tankanzeige noch eine Wegstrecke von ca.\n80 Kilometern bis zur Anfahrt der nachsten Tankstelle verbleibt.\n\nDer Senat konnte sich uberdies nicht davon uberzeugen, dass sich der Vorgang\nso, wie ihn der Klager vortragt, auch den Realitaten entsprochen hat. Es ist\nweder nachgewiesen, dass das Fahrzeug dringend betankt werden musste, noch\ndass der Klager ausschließlich aus diesem Grund an der K-brucke in die\nRichtung der Innenstadt V abgebogen ist. Der Beklagte hat entsprechende\nZweifel geltend gemacht, weil der Klager bereits vorher an der Autobahn\nentsprechende Tankmoglichkeiten gehabt hatte. Zudem hat das erstmalige\nAufleuchten der Tankanzeige - wie gesagt - nicht zur Folge, dass unmittelbar\nim Anschluss daran eine Tankstelle angefahren werden musste. Ware es dem\nKlager also in der Tat nur um das Betanken des Fahrzeuges gegangen, so hatte\ner ohne weiteres nach Hause fahren und am nachsten Tag sein Fahrzeug - wo auch\nimmer - betanken konnen.\n\n3\\. Die Klage war somit als unbegrundet abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens\nwaren dem Klager aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO).\n\nZur Zulassung der Revision gemaß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine\nVeranlassung.\n\n## Gründe\n\nDie Klage ist zulassig, aber unbegrundet. Der Beklagte hat die streitigen\nAufwendungen zu Recht nicht zum Steuerabzug zugelassen.\n\n1\\. Rechtsgrundlagen\n\na) Nach standiger Rechtsprechung des BFH sind Werbungskosten uber den Wortlaut\ndes § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus nicht nur Aufwendungen zur Erwerbung,\nSicherung und Erhaltung der Einnahmen, sondern alle Aufwendungen, die durch\ndas Arbeitsverhaltnis veranlasst sind. Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt\njedoch ein Werbungskostenabzug grundsatzlich dann nicht in Betracht, wenn die\nAufwendungen zwar den Beruf fordern, daneben aber auch - ohne leicht\nnachprufbare Trennbarkeit anhand objektiver Maßstabe - der Lebensfuhrung\ndienen (z.B. BFH-Urteil vom 27.April 1990 VI R 54/88, BFH/NV 1991, 85). Da\nWerbungskosten steuermindernd wirken, trifft die objektive Feststellungslast\n(Beweislast) fur ihre Voraussetzungen den Steuerpflichtigen. Unterbleibt der\nkonkrete Nachweis konnen sie gegebenenfalls nach Maßgabe der §§ 162 AO, 96\nAbs. 1 Halbsatz 2 FGO geschatzt werden.\n\nb) Zu den Werbungskosten gehoren gemaß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG\ninsbesondere auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers fur Fahrten zwischen\nWohnung und Arbeitsstatte. Diese Kosten werden bei Fahrten mit dem eigenen\nKraftfahrzeug nach Satz 2 dieser Vorschrift nur mit den dort genannten\nPauschbetragen als Werbungskosten berucksichtigt. Nach standiger\nRechtsprechung wird durch diese Pauschbetragsregelung jedoch der Abzug\naußergewohnlicher Ausgaben, wie insbesondere der durch einen Verkehrsunfall\nentstandenen Kosten, nicht ausgeschlossen (vgl. z.B. BFH vom 14.Juli 1978 VI R\n158/76, BStBl II 1978, 595).\n\nMacht ein Steuerpflichtiger auf der Fahrt zur Arbeitsstatte oder zuruck zur\nWohnung einen Umweg, so kann ein Unfall auch auf einer solchen Umwegstrecke\nberuflich veranlasst sein, wenn sie in einem objektiven Zusammenhang mit dem\nArbeitsverhaltnis steht und von der beruflichen Zielvorstellung des\nSteuerpflichtigen mitgetragen wird. Es muss also auch bezuglich des Umwegs die\nAbsicht zur Forderung des Berufs bei weitem uberwiegen und die Umstande der\nLebensfuhrung mussen ganz in den Hintergrund treten. Aufgrund dieser\nErwagungen hat der BFH z.B. im Urteil vom 11. Juli 1980 VI R 55/79, BStBl. II\n1980, 655 die Leerfahrt zwecks Abholung des Ehegatten von der Arbeitsstatte\nunter den dort genannten Voraussetzungen ebenso als beruflich veranlasst\ngewurdigt wie im Urteil vom 11. Oktober 1984 VI R 48/81, BStBl. II 1985, 10\neinen zum Betanken des Kraftfahrzeugs gewahlten Umweg zum Aufsuchen einer\nTankstelle. Er hat in beiden Entscheidungen anerkannt, dass Aufwendungen wegen\neines Unfalls auf einer solchen Umwegstrecke Werbungskosten bei den Einkunften\naus nichtselbstandiger Arbeit sein konnen, wenn ein enger Zusammenhang\nzwischen der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstatte und der Betankung des\nFahrzeugs besteht.\n\n2\\. Anwendung im Streitfall\n\nDie fragliche Fahrt steht nicht im Zusammenhang mit der Tatigkeit des Klagers\nbei der S AG, aufgrund derer er seine Einkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit\nerklart hat. Wegen der im Streitjahr bei der L KG ausgeubten Tatigkeit hat er\nkeine Einkunfte erklart. Es kann letztlich dahinstehen, ob insofern die\nVoraussetzungen vorweggenommener Werbungskosten erfullt sind. Die Anerkennung\nder Unfallkosten als Werbungskosten scheitert bereits daran, dass es der\nbehaupteten Fahrt zur Tankstelle an dem erforderlich engen Zusammenhang zur\nFahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstatte fehlt. Im ubrigen tragt der Klager\ndie Beweislast fur die - weitgehend nicht nachgewiesenen - Umstande der\nberufliche Veranlassung des Unfalls.\n\nDer Unfall hat sich nicht auf dem direkten Weg zwischen der Arbeitsstatte in M\nund Wohnort des Klagers in V, K-straße ereignet, so dass die vom BFH\nentwickelten Grundsatze einer sogenannten Umwegfahrt zur Anwendung kommen. Der\nKlager rechtfertigt seine Abweichung von der ublichen Strecke damit, dass er\ndas Fahrzeug habe betanken mussen. Er habe sich nach Aufleuchten der\nTankanzeige spontan entschieden, die Tankstelle an der K-Brucke anzufahren.\nDie Tankstelle in der Sch-straße habe um 20.30 Uhr bereits geschlossen gehabt.\nGrundsatzlich steht eine derart motivierte Umwegfahrt einer Anerkennung des\nWerbungskostenabzugs nicht entgegen. Vorliegend ist jedoch von Bedeutung, dass\nder Umweg zur Tankstelle an der K-Brucke eine deutlich großere Wegstrecke in\nAnspruch genommen hat, als sie zur Beendigung der Heimfahrt in die K-straße\nerforderlich gewesen ware. Der Klager hatte also seine Heimfahrt ohne weiteres\nbeenden und das Fahrzeug am nachsten Tag in der Sch-straße oder an einer\nanderen auf dem Weg liegenden Tankstelle (H-straße, K-straße u.a.). betanken\nkonnen. Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass\ndem Fahrer nach dem Aufleuchten der Tankanzeige noch eine Wegstrecke von ca.\n80 Kilometern bis zur Anfahrt der nachsten Tankstelle verbleibt.\n\nDer Senat konnte sich uberdies nicht davon uberzeugen, dass sich der Vorgang\nso, wie ihn der Klager vortragt, auch den Realitaten entsprochen hat. Es ist\nweder nachgewiesen, dass das Fahrzeug dringend betankt werden musste, noch\ndass der Klager ausschließlich aus diesem Grund an der K-brucke in die\nRichtung der Innenstadt V abgebogen ist. Der Beklagte hat entsprechende\nZweifel geltend gemacht, weil der Klager bereits vorher an der Autobahn\nentsprechende Tankmoglichkeiten gehabt hatte. Zudem hat das erstmalige\nAufleuchten der Tankanzeige - wie gesagt - nicht zur Folge, dass unmittelbar\nim Anschluss daran eine Tankstelle angefahren werden musste. Ware es dem\nKlager also in der Tat nur um das Betanken des Fahrzeuges gegangen, so hatte\ner ohne weiteres nach Hause fahren und am nachsten Tag sein Fahrzeug - wo auch\nimmer - betanken konnen.\n\n3\\. Die Klage war somit als unbegrundet abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens\nwaren dem Klager aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO).\n\nZur Zulassung der Revision gemaß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine\nVeranlassung.\n\n
129,109
ovgsl-2007-08-21-1-b-33107
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 B 331/07
2007-08-21
2019-01-07 09:38:33
2019-02-12 12:12:42
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom\n20. Juni 2007 - 11 L 737/07 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Beschwerdeverfahrens tragt die Antragsgegnerin.\n\nDer Streitwert wird auch fur das Beschwerdeverfahren auf 3.750 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\nDie zulassige Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des\nVerwaltungsgerichts des Saarlandes ist nicht begrundet. Zu Recht hat das\nVerwaltungsgericht der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung\nuntersagt, den Gehweg vor dem Grundstuck der Antragsteller, U. Straße ..., fur\neine Benutzung durch Kraftfahrzeugverkehr auszubauen.\n\nDas nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prufungsumfang durch den Senat\nbeschrankte Beschwerdevorbringen im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom\n20.7.2007 ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen\nEntscheidung zu erschuttern.\n\nZu Recht hat das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Anordnungsanspruchs\nbejaht. Bei der gebotenen nur summarischen Prufung der Sach- und Rechtslage\nist die Antragsgegnerin weder aufgrund der Widmung der U. Straße als\noffentliche Straße noch nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 SStrG berechtigt, den\nderzeit 1,50 m breiten Gehweg vor dem Grundstuck der Antragsteller gegen deren\nWillen um bis zu einem Drittel auf zwischen 1,04 m und 1,25 m zu verschmalern.\nVon der Moglichkeit, den Verlauf und die dem Fußganger- beziehungsweise dem\nFahrzeugverkehr vorbehaltenen Flachen durch Erlass eines Bebauungsplans (§ 9\nAbs. 1 Nr. 11 BauGB) festzusetzen, was ihr erforderlichenfalls die Einleitung\neines Enteignungsverfahrens ermoglichen wurde, hat die Antragsgegnerin bisher\nkeinen Gebrauch gemacht. Da eine Duldungspflicht der Antragsteller mithin\nnicht erkennbar ist, konnen diese aufgrund der im offentlichen Recht\nentsprechend anwendbaren Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB einstweiligen\nRechtsschutz in Form der vorlaufigen Untersagung der geplanten Baumaßnahmen\nbeanspruchen.\n\nDie U. Straße gilt gemaß § 63 SStrG als gewidmet. Unstreitig handelt es sich\num eine bereits zur Zeit des Inkrafttretens des Saarlandischen Straßengesetzes\nim Jahr 1965 existente Straße. Nach § 63 SStrG gelten alle Straßen, Wege und\nPlatze, die bisher dem offentlichen Verkehr zu dienen bestimmt waren, vom\nZeitpunkt des Inkrafttretens des Saarlandischen Straßengesetzes an als dem\noffentlichen Verkehr gewidmet. Tatbestandliche Voraussetzung dieser\nWidmungsfiktion ist, dass die Straße bestimmt war, dem offentlichen Verkehr zu\ndienen. Die Bestimmung einer Straße, dem offentlichen Verkehr zu dienen, setzt\nvoraus, dass der Verfugungsberechtigte im maßgeblichen Zeitpunkt mit der\ndamaligen Zwecksetzung der Wegeflache einverstanden war. (Sauthoff, Straße und\nAnlieger, 2003, Rdnr. 509) Damit ist der Umfang des erteilten\nEinverstandnisses betreffend den kunftigen Gemeingebrauch neben dem\ntatsachlichen Ausbauzustand ein wichtiges Kriterium fur die Ermittlung des\nWidmungsinhalts. Im Fall der formlichen Widmung nach § 6 SStrG sind bei der\nErmittlung des sachlichen Umfangs der Widmung neben den im Text vorgesehenen\nEinschrankungen der Benutzungsarten, Benutzerkreise oder ahnlichem ebenfalls\ndie tatsachlichen Verhaltnisse maßgeblich, etwa die Art und Beschaffenheit des\nWeges zum Zeitpunkt der Widmung. (Kodal/Kramer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999,\nKapitel 7 Rdnr. 2.3; Sauthoff, a.a.O., Rdnrn. 185 und 553) Dem Gemeingebrauch\nan einer Straße werden durch deren bau- und verkehrstechnische Beschaffenheit\nGrenzen gezogen. Soweit der zulassige Gebrauch durch die Widmung nicht\nausdrucklich auf ein bestimmtes Maß begrenzt ist, ergibt sich die\nsachenrechtliche Beschrankung des Gemeingebrauchs aus der erkennbaren\ntechnischen Zweckbestimmung der Straße und ihrer einzelnen Teile. Darauf\ngrundet sich zum Beispiel die Beschrankung des Gebrauches eines Gehweges auf\nden Verkehr fur Fußganger, auch wenn die Widmungsverfugung fur die Straße, zu\nder der Gehweg gehort, hieruber nichts enthalt. (Kodal/Kramer, a.a.O., Kapitel\n7 Rdnr. 15.5; Sauthoff, a.a.O., Rdnr. 598) Gemessen an den fur die Auslegung\ndes Widmungsinhalts maßgeblichen Kriterien, namlich dem Willen der die\nZustimmung erteilenden Eigentumer und den bisherigen tatsachlichen\nAusbauverhaltnissen, entbehrt die seitens der Antragsgegnerin vertretene\nAuffassung, die beabsichtigte Inanspruchnahme eines Teils des bisher als\nGehweg genutzten Grundstucksstreifens der Antragsteller als Fahrbahnflache\nentspreche vorliegend der nach § 63 SStrG fingierten Widmung, der Grundlage.\nInsbesondere lasst sich aus der straßenrechtlichen Vorschrift des § 2 Abs. 2\nNr. 3 SStrG, wonach unselbstandige Gehwege Teil der offentlichen Straße sind,\nnicht herleiten, dass eine zulassigerweise beschrankt erteilte Zustimmung des\nprivaten Grundstuckseigentumers ausschließlich zu einer bestimmten Nutzung\nseines Grundstuckseigentums mit der Widmungsfiktion hinfallig wird und der\nStraßenbaulasttrager die Straße fortan beliebig umgestalten konnte. Denn die\ngemaß § 6 Abs. 3 SStrG erforderliche - ausdrucklich schriftlich oder mundlich\nzu erteilende - Zustimmung des privaten Grundstuckseigentumers zur Widmung ist\nzwar grundsatzlich unwiderruflich und bindet als offentlich-rechtliche\nVerfugung auch den Rechtsnachfolger im Grundstuckseigentum; sie kann aber -\nwie ausgefuhrt - ebenso wie die Widmung als solche inhaltlich beschrankt\nwerden, etwa darauf, dass nur fur Fußgangerverkehr gewidmet werden darf.\n(Sauthoff, a.a.O., Rdnrn. 105, 106, 110 und 112.) Ist eine solche\nEinschrankung wirksam erfolgt, was vorliegend außer Zweifel steht, gilt sie\nnicht nur fur den Zeitpunkt der Widmung, sondern auch fur die Zukunft.\n\nVorliegend steht außer Streit, dass die Rechtsvorganger der Antragsteller, die\nzur Zeit der Anlegung des Gehweges der U. Straße Grundstuckseigentumer waren,\nihre Zustimmung - ausschließlich - dazu erteilt haben, dass ein 1,50 m breiter\nStreifen des Grundstucks als Gehweg ausgebaut und genutzt wird; das heißt, sie\nwaren damit einverstanden, dass dieser Grundstucksstreifen die Bestimmung\nerhalt, dem offentlichen Fußgangerverkehr zu dienen. Dieses Einverstandnis\nbindet einerseits die Antragsteller als Rechtsnachfolger und zeigt\nandererseits die Grenzen einer mit Blick auf die Eigentumerrechte rechtmaßigen\nWidmung auf. Der bisherige Ausbauzustand - insbesondere die Aufteilung in\nGehweg und Fahrbahn - entsprach der erteilten Zustimmung. Bei dieser Sachlage\ndarf der fur den Fußgangerverkehr gewidmete Grundstucksstreifen der\nAntragsteller nicht ohne weiteres einer Nutzung als Fahrbahnflache zugefuhrt\nwerden. (ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.10.1987 - 6 A 44/85 -, KStZ\n1988, 94)\n\nDies bedeutet allerdings nicht, dass die Antragsgegnerin auf Dauer gehindert\nware, den als Gehweg gewidmeten Grundstucksstreifen als Fahrbahnflache zu\nnutzen. Will sie die Zweckbestimmung der Gehwegflache dahingehend andern, dass\ndiese teilweise dem Fahrzeugverkehr zur Verfugung gestellt wird, so verbleibt\nihr - falls nicht bereits die Widmungsfiktion des § 6 Abs. 7 SStrG eingreift -\nneben der bereits angesprochenen Moglichkeit der Bauleitplanung die\nMoglichkeit, die Zustimmung der Grundstuckseigentumer zu der neuen\nZweckbestimmung einzuholen oder, sofern diese verweigert wird, unter den\nVoraussetzungen des § 11 Abs. 1 SStrG von der ihr dort zugestandenen Befugnis,\ndie Rechte des Eigentumers in dem Umfang auszuuben, in dem dies die\nAufrechterhaltung des Gemeingebrauchs erfordert, Gebrauch zu machen.\n\nEin Fall des § 6 Abs. 7 SStrG kommt vorliegend nicht in Betracht. Die\nVorschrift sieht vor, dass, wenn eine Straße verbreitert, begradigt,\nunerheblich verlegt oder im Querschnitt erganzt wird, der neue Straßenteil\ndurch die - vorliegend noch ausstehende - Verkehrsubergabe als gewidmet gilt,\nsofern die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 SStrG erfullt sind, also entweder\nder Trager der Straßenbaulast das dingliche Recht hat, uber das der Straße\ndienende Grundstuck zu verfugen, oder der Eigentumer oder ein sonst zur\nNutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt hat beziehungsweise der\nTrager der Straßenbaulast in den Besitz des der Straße dienenden Grundstucks\neingewiesen ist. Verfahrensbezogen scheitert die Annahme einer Widmungsfiktion\nnach § 6 Abs. 7 SStrG jedenfalls am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 6\nAbs. 3 SStrG. Weder sind die Antragsteller als Eigentumer derzeit bereit, ihre\nZustimmung zu der beabsichtigten Neufestlegung des Widmungsinhalts zu\nerteilen, noch ist eine Einweisung der Antragsgegnerin in den Besitz des der\nStraße dienenden Grundstucks im Sinne der enteignungsrechtlichen Vorschriften\n(vgl. hierzu § 44 a SStrG) erfolgt. Der Antragsgegnerin steht auch kein\ndingliches Recht im Sinne des § 6 Abs. 3 SStrG zu, uber das der Straße\ndienende Grundstuck zu verfugen; insbesondere begrundet § 11 Abs. 1 SStrG kein\ndingliches Recht der Antragsgegnerin, uber das Eigentum der Antragsteller zu\nverfugen, da die Vorschrift das Eigentum nicht auf die Antragsgegnerin\nverlagert, sondern dieser lediglich - unter bestimmten Voraussetzungen - die\nAusubung der Rechte des Eigentumers zugesteht.\n\nOb die tatbestandlichen Voraussetzungen einer durch § 11 Abs. 1 SStrG\nbegrundeten Befugnis der Antragsgegnerin, die Rechte des Eigentumers, also\nunter anderem das Recht, die Zustimmung anstelle der Antragsteller mit der\nFolge zu erteilen, dass diese zur Duldung verpflichtet waren,\n(Niedersachsische OVG, Beschluss vom 28.2.2007 - 12 ME 95/07 -, juris) ausuben\nzu durfen, erfullt sind, ist sehr zweifelhaft, zumal die vorliegende\nProblematik sicherlich nicht zu den typischerweise durch die Vorschrift\ngeregelten Fallgestaltungen gehort. Grundsatzlich zielen die\nstraßenrechtlichen Vorschriften auf ein zugiges Zusammenfuhren von Eigentum\nund Straßenbaulast (§ 11 Abs. 2 und 3 SStrG) und wird den gemeindlichen\nStraßenbaulasttragern erforderlichenfalls durch die Moglichkeit der\nBauleitplanung ein wirksames Instrumentarium an die Hand gegeben. Legt man\nungeachtet dieser Bedenken vorliegend die Kriterien des § 11 Abs. 1 SStrG an,\nso ist entscheidend, ob die Antragsgegnerin durch ihren Beschluss, die Straße\nplangemaß umzugestalten, anstelle der Antragsteller die Zustimmung zu der\nkunftigen Nutzung eines Teils der bisher dem Fußgangerverkehr gewidmeten\nFlache als Flache fur den fließenden Verkehr wirksam erteilt und die\nZustimmung der Antragsteller hierdurch ersetzt hat. Bei der im einstweiligen\nAnordnungsverfahren gebotenen nur summarischen Prufung der Sach- und\nRechtslage spricht allerdings mehr gegen als fur das Vorliegen der\ntatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 SStrG.\n\nNach genannter Vorschrift steht der Antragsgegnerin als Straßenbaulasttragerin\nfur die Gemeindestraßen innerhalb ihres Gemeindegebietes (§ 50 SStrG) die\nAusubung der Rechte (und Pflichten) der Grundstuckseigentumer - der\nAntragsteller - in dem Umfang zu, wie es die Aufrechterhaltung des\nGemeingebrauch erfordert. Nach § 9 Abs. 1 Satze 1 und 2 SStrG umfasst die\nStraßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straße\nzusammenhangenden Aufgaben. Die Trager der Straßenbaulast haben nach ihrer\nLeistungsfahigkeit die Straßen in einem dem gewohnlichen Verkehrsbedurfnis\ngenugenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu\nverbessern. Geanderte Verkehrsbedurfnisse konnen dem Straßenbaulasttrager\ndaher durchaus Anlass zu einer Neustrukturierung der Straßenunterteilung\ngeben. Vorliegend spricht allerdings nach bisherigem Erkenntnisstand wenig\ndafur, dass die Verbreiterung der Fahrbahn zu Lasten der Gehwegbreite zur\nAufrechterhaltung des Gemeingebrauchs erforderlich ist.\n\nDie Antragsgegnerin argumentiert damit, dass die Verbreiterung der U. Straße,\nderen Fahrbahn bisher zwischen 5 m und 6 m variiert hat, zur Aufrechterhaltung\ndes Gemeingebrauchs erforderlich sei, weil sie die Funktion einer\nOrtsverbindungsstraße (zwischen Wahlen und Rissenthal) erfulle und nach den\nEmpfehlungen fur die Anlage von Erschließungsstraßen - EAE 85/95 - fur den\nihrer Auffassung nach maßgeblichen Begegnungsfall Bus/Bus selbst bei\nverminderter Geschwindigkeit eine Fahrbahnbreite von 6 m notwendig sei. Zwar\nfinde kein offentlicher Personennahverkehr durch die U. Straße statt, doch\nverkehrten der Kindergartenbus und der Schulbus mehrmals am Tag durch die\nStraße. Des Weiteren befanden sich im naheren beziehungsweise weiteren\nEinzugsbereich mehrere Aussiedlerhofe, die mit schweren landwirtschaftlichen\nMaschinen bewirtschaftet wurden, sowie am Ortsausgang von Wahlen ein\nausgewiesenes Gewerbegebiet, was einen Begegnungsverkehr mit Lastkraftwagen\nbedinge. Um eine Inanspruchnahme der Gehwege im Begegnungsfall zu vermeiden,\nsei die Verbreiterung der Fahrbahn auf 6 m daher geboten. Dem stehe nicht\nentgegen, dass im unteren Straßenbereich eine Engstelle mit einstreifiger\nVerkehrsfuhrung wegen der vorhandenen Bebauung rechts und links der Straße\nunvermeidbar gewesen sei. Die Anforderungen der EAE 85/95 an die Breite von\nGehwegen wurden bis auf wenige Ausnahmen eingehalten. Dies sei vertretbar,\nwenn bei beengten Verhaltnissen andernfalls auf Gehwegflachen verzichtet\nwerden musste.\n\nGemessen an den Empfehlungen der EAE 85/95 und der obergerichtlichen\nRechtsprechung zur Funktionsfahigkeit von Gehwegen uberzeugt diese\nArgumentation bei summarischer Betrachtung nicht.\n\nZunachst ist fraglich, ob der Begegnungsfall Bus/Bus, der nach den EAE 85/95\n(S. 29) den hochsten Bedarf an Fahrbahnbreite, namlich bei verminderter\nGeschwindigkeit von maximal 40 km/h eine empfohlene Breite von 6 m, auslost,\nwahrend der Begegnungsfall Lkw/Lkw lediglich einen Raumbedarf von 5,50 m\nbegrundet, als maßgeblich zu erachten ist. Unter Ordnungsziffer 4.2.5. heißt\nes hierzu, dass aufgrund der maßgebenden Funktion der Straßenverkehrsanlage\nund der Fahrtenhaufigkeit zu entscheiden ist, welche Begegnungsfalle und\nFahrweisen der Bemessung zugrunde zu legen seien. Da unstreitig ist, dass\noffentlicher Personennahverkehr nicht stattfindet und Kindergarten-\nbeziehungsweise Schulbusse naturgemaß nur zu bestimmten Zeiten verkehren,\nleuchtet die angebliche Notwendigkeit, auf den Begegnungsfall Bus/Bus\nabzustellen und damit die bei verminderter Geschwindigkeit hochste empfohlene\nFahrbahnbreite fur Erschließungsstraßen zu wahlen, nicht ohne Weiteres ein.\n\nHinzu kommt, dass die EAE 85/95 der Sicherheit des Fußgangerverkehrs durchaus\nzentrale Bedeutung einraumt (zum Beispiel Ziffern 4.1.2., 4.2.2., 5.2.1.3.)\nund fur straßenbegleitende Gehwege vorgibt, dass eine Breite von 2 m nach\nMoglichkeit nicht unterschritten werden sollte. (ebenso in Anknupfung an die\nEAE 85/95: BayVGH, Urteil vom 11.6.2002 - 6 B 97.2354 - juris) Selbst\nhinsichtlich Gehwegbreiten von 1,50 m heißt es in den EAE 85/95, dass\nÜberholen, Nebeneinandergehen und Begegnen von Fußgangern mit Einhaltung\npsychologisch erwunschter Mindestabstande nur bedingt moglich seien. Bei\nMitfuhren von Taschen oder ahnlichem sei ein haufiges Ausweichen auf\nbenachbarte Flachen notig (S. 27). Nach Ziffer 5.2.1.3. der Empfehlungen ist\nin der Nahe von Schulen und Freizeiteinrichtungen eine durchlaufende\nMindestbreite von 3 m anzustreben, eine Empfehlung, die vorliegend trotz des\nVorhandenseins einer Schule in der U. Straße und der in unmittelbarer Nahe\nbefindlichen Sport- und Kulturhalle (Planungsunterlagen Übersichtskarte)\noffenbar keine Beachtung gefunden hat. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen\nVerwaltungsgerichtshofs bedingt die Verschmalerung eines durchschnittlich 1,52\nm breiten Gehwegs auf etwa 1,12 m einen beachtlichen Qualitatssprung nach\nunten, da ein Nebeneinandergehen und der Begegnungsverkehr erheblich\neingeschrankt beziehungsweise unmoglich gemacht wurden und die Leichtigkeit\ndes Fußgangerverkehrs daher deutlich erschwert werde. (BayVGH, Urteil vom\n26.3.2002 - 6 B 96.3901 - juris)\n\nIm Übrigen ist fraglich, ob es gerade bei Straßen, die nicht nur der\ninnerortlichen Erschließung dienen, sondern als Ortsverbindungen auch\nuberortliche Bedeutung haben, vertretbar ist, den den Fußgangern zur Verfugung\nstehenden Raum zugunsten des fließenden Verkehrs teilweise drastisch\neinzuschranken, zumal breitere Fahrbahnen ublicherweise zu einer schnelleren\nFahrweise verlocken, was die Schutzbedurftigkeit der Gruppe der Fußganger\ntendenziell erhoht.\n\nNach alledem drangt sich bei summarischer Prufung keineswegs auf, dass die\nVerbreiterung der Fahrbahn auf Kosten der Gehwege im Sinne des § 11 Abs. 1\nSStrG zur Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs erforderlich ist. Mit Blick\nauf das Ausbauinteresse der Antragsgegnerin ist die Sach- und Rechtslage\ngunstigstenfalls als offen zu erachten. In diesem Zusammenhang hat das\nVerwaltungsgericht im Rahmen der vorgenommenen Interessenabwagung zu Recht die\nInteressen der Antragsteller als vorrangig erachtet. Auf die diesbezugliche\nArgumentation wird verwiesen.\n\nGegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass den Antragstellern ein\ntreuwidriges Zuwarten mit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes\nvorzuwerfen ware. Insoweit gibt die Aktenlage keine Hinweise darauf, dass den\nAntragstellern vor Erhalt des Schreibens vom 30.5.2007 definitiv bekannt\ngewesen ware, dass der Gehweg vor ihrem Grundstuck auf eine Breite von 1,04\nbis 1,25 m verschmalert werden soll. Nichts desto trotz haben sie schon im\nVorfeld dieser Information keinen Zweifel daran gelassen, dass sie mit einer\nNutzung ihres Grundeigentums fur Zwecke des Kraftfahrzeugverkehrs nicht\neinverstanden sind. Es ware daher Sache der Antragsgegnerin gewesen, vor\nBeginn der Bauarbeiten fur klare rechtliche Verhaltnisse zu sorgen.\n\nEbenso wenig lasst sich unter den konkreten Gegebenheiten aus den §§ 123 Abs.\n3 VwGO i.V.m. 929 Abs. 2 ZPO herleiten, dass die seitens des\nVerwaltungsgerichts erlassene einstweilige Anordnung aufzuheben ware.\n\nDie genannten Vorschriften sehen vor, dass aus einer einstweiligen Anordnung\nbinnen einer Frist von einem Monat die Vollstreckung zu betreiben ist. Ist die\nMonatsfrist verstrichen, so wird die Vollziehung unstatthaft. Nach allgemeiner\nAuffassung (vgl. zum Beispiel Bader/Funke-Kaiser, VwGO, Kommentar, 3. Aufl.\n2005, § 123 Rdnrn. 76 und 77; Eyermann/Frohler, VwGO, Kommentar, 12. Aufl.\n2006, § 123 Rdnr. 84; Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 123\nRdnr. 135) fuhrt dies dazu, dass der Vollstreckungsschuldner - vorliegend die\nAntragsgegnerin - im Rahmen eines anhangigen Beschwerdeverfahrens die\nAufhebung der einstweiligen Anordnung beziehungsweise - sofern keine\nBeschwerde anhangig ist - entsprechend § 80 Abs. 7 VwGO die Abanderung der\neinstweiligen Anordnung beantragen kann. Nach Aufhebung der einstweiligen\nAnordnung ist der Vollstreckungsglaubiger nicht gehindert, eine neue\neinstweilige Anordnung zu beantragen, woruber nach den dann maßgeblichen\nUmstanden neu zu entscheiden ist. Auch der erkennende Senat hat diese\nAuffassung in mehreren Beschlussen vertreten. (OVG des Saarlandes, Beschlusse\nvom 10.3.1982 - 1 W 19/82 - und vom 11.5.1987 \\- 1 W 98/87-, SKZ 1987, 302 LS\n41) Allerdings erscheint unter den Besonderheiten der vorliegenden\nFallkonstellation eine Ausnahme geboten. (zu einer weiteren\nAusnahmekonstellation im Falle der Bereitschaft der Behorde, die einstweilige\nAnordnung bei Unterliegen im Beschwerdeverfahren zu befolgen, vgl.: BayVGH,\nBeschluss vom 24.4.2001 - 12 CE 00.1337 -, juris)\n\nZunachst ist Gegenstand der einstweiligen Anordnung ein Unterlassungsgebot,\nwobei hinsichtlich Unterlassungsverfugungen zum Teil mit der Begrundung, dass\ndiese sich praktisch von selbst ohne zusatzliche Initiative des\nVollstreckungsglaubigers vollzogen, die Auffassung vertreten wird, dass\ndiesbezuglich bereits in der Zustellung der einstweiligen Anordnung der\nfristwahrende Vollzug im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO zu sehen sei.\n(Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand Februar 2007, § 123\nRdnr. 173) Ob dieser Meinung, fur die durchaus gewichtige Grunde sprechen,\nbeizupflichten ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn die\nAntragsgegnerin selbst, vertreten durch ihren Burgermeister, hat den\nAntragstellern binnen der laufenden Monatsfrist mit Schreiben vom 4.7.2007\nunter Hinweis auf die anstehende gerichtliche Entscheidung ausdrucklich\nbestatigt, dass sie im Bereich vor dem Grundstuck der Antragsteller keine\nweiteren Arbeiten durchfuhren werde, um keine Fakten zu schaffen. Angesichts\ndieser verbindlichen Festlegung, die im Einklang mit der im Gerichtsbezirk\nublichen Praxis der Verwaltungsbehorden steht, in einstweiligen\nRechtsschutzverfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidungen wahrend des\nlaufenden Verfahrens Folge zu leisten, hatte sich hinsichtlich der Einleitung\nvon Vollstreckungsmaßnahmen durch die Antragsteller durchaus die Frage nach\nderen Rechtsschutzbedurfnis gestellt. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin\nihre Beschwerde erst am 20.6.2007, dem letzten Tag der Beschwerdefrist,\nbegrundet, sich in der Begrundungsschrift sofort auf das Verstreichen der\nVollstreckungsfrist, die ebenfalls am 20.6.2007 abgelaufen ist, berufen hat\nund im Übrigen zum Teil Argumente vorgetragen hat, die es notwendig gemacht\nhaben, den Antragstellern vor Erlass einer Entscheidung Gelegenheit zur\nGegenaußerung einzuraumen. Eine Entscheidung des Senats binnen der Monatsfrist\nder §§ 123 Abs. 3 VwGO, 929 Abs. 2 ZPO uber die Rechtmaßigkeit der\neinstweiligen Anordnung war daher ausgeschlossen. Demgegenuber bestand fur die\nAntragsteller - wie ausgefuhrt - wahrend der laufenden Vollstreckungsfrist mit\nBlick auf die schriftliche Zusicherung der Antragsgegnerin aus tatsachlichen\nGrunden keine Veranlassung, Maßnahmen zur Vollstreckung der seitens des\nVerwaltungsgerichts erlassenen einstweiligen Anordnung einzuleiten.\n\nSchließlich wurde es in Anbetracht der den Antragstellern eroffneten\nMoglichkeit, sofort einen neuen Unterlassungsantrag beim Verwaltungsgericht\neinzureichen, uber den mangels einer zwischenzeitlichen Änderung der\nmaßgeblichen Verhaltnisse unter unveranderten Rahmenbedingungen zu entscheiden\nware, dem Gebot des effektiven Rechtschutzes widersprechen, die Antragsteller\nauf diesen Weg zu verweisen.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.\n\nDie Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1,\n52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der bereits seitens des\nVerwaltungsgerichts in Bezug genommenen Empfehlung unter Nr. 43.3 des\nStreitwertkataloges fur die Verwaltungsgerichtsbarkeit und berucksichtigt die\nVorlaufigkeit des Verfahrens.\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n
137,063
lsgbw-2007-04-17-l-11-r-574806
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 R 5748/06
2007-04-17
2019-01-07 12:05:35
2019-01-17 11:57:12
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom\n11. Oktober 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 03. Marz 2005 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. August 2005 aufgehoben.\n\nEs wird festgestellt, dass der Beigeladene zu Ziffer 1 ab 01. April 2003 in\neinem sozialversicherungspflichtigen Beschaftigungsverhaltnis steht.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten beider Rechtszuge.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob E. W. (E. W. - Beigeladener\nZiffer 1 -) als Geschaftsfuhrer einer Gesellschaft mit beschrankter Haftung\n(GmbH) mit einem 20-prozentigem Gesellschaftsanteil seit 01.04.2003\nversicherungspflichtig beschaftigt ist. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1954 geborene E. W., der den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernt\nhat, betrieb in F. bis zum Abriss des Kioskgebaudes einen Kiosk als\nEinzelfirma. Die Abmeldung des Betriebs beim Gewerbeamt erfolgte zum\n25.07.2002. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 26.02.2003 grundete E. W. mit seinem Sohn M. W., damals Student der\nVolkswirtschaftslehre, und seiner Ehefrau R. W., einer gelernten\nHotelfachfrau, die Klagerin, die W. Handels- und Transportgesellschaft mbH.\nGegenstand des Unternehmens sind ausweislich des Gesellschaftsvertrages der\nEinzel- und Großhandel mit Tabakwaren, Getranken und Sußigkeiten sowie\nsamtliche damit zusammenhangenden Geschafte einschließlich Transporte. Am\nStammkapital der Gesellschaft sind E. W. und seine Ehefrau mit jeweils 5.000,-\nEUR, der Sohn M. W. mit 15.000,- EUR beteiligt. Gemaß § 5 Abs. 3 des\nGesellschaftsvertrags vertritt der einzelne Geschaftsfuhrer die Gesellschaft\nstets einzeln. Nach § 5 Abs. 4 des Vertrags kann die Gesellschafterversammlung\neinzelnen oder allen Geschaftsfuhrern Befreiung von den Beschrankungen des §\n181 Burgerliches Gesetzbuch (BGB) erteilen. Die Abberufung eines\nGesellschafter-Geschaftsfuhrers ist nur aus wichtigem Grund zulassig. Die\nStimmrechte richten sich nach dem Verhaltnis der Stammeinlagen (§ 7 des\nGesellschaftsvertrags). Laut Geschaftsfuhreranstellungsvertrag vom 31.03.2003\nist E. W. Geschaftsfuhrer der Gesellschaft. Der Dienstvertrag beginnt am\n01.04.2003. Der Geschaftsfuhrer erhalt fur seine Tatigkeit eine Vergutung von\nmonatlich 3.000,- EUR und außerdem eine Tantieme in Hohe von 25 % des\ntantiemepflichtigen Gewinns. Nach § 2 Abs. 2 des\nGeschaftsfuhreranstellungsvertrags ist der Geschaftsfuhrer, der nicht mehr als\n50 % der Stammeinlagen halt, von den Beschrankungen nach Absatz 1, wonach alle\nGeschafte, die uber den gewohnlichen Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft\nhinaus gehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft bedurfen, befreit.\nNach dem Vertrag arbeitet der Geschaftsfuhrer in der Regel 40 Stunden pro\nWoche. Im Falle unverschuldeter Arbeitsunfahigkeit erhalt er Lohnfortzahlung\nauf die Dauer von langstens 6 Wochen. Er hat Anspruch auf einen Jahresurlaub\nvon 30 Arbeitstagen. Die W. Handels- und Transport GmbH wurde noch am gleichen\nTag beim Gewerbeamt angemeldet. Der Eintrag ins Handelsregister erfolgte am\n19.03.2003. \n--- \n| 4 \n--- \n| Ab 01.04.2003 betrieb die GmbH, die sich erfolgreich um die Anpachtung des\nim Februar 2003 am Standort des alten Kiosk errichteten neuen Kiosks beworben\nhatte, diesen Kiosk. Fur E. W. wurden ab diesem Zeitpunkt\nGesamtsozialversicherungsbeitrage entrichtet. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Fur die Zeit vom 01.01.2000 bis 30.04.2004 prufte die Beklagte die\nKlagerin. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| In diesem Zusammenhang gaben die Gesellschafter unter anderem an, E. W. sei\nalleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB\nbefreit. Die wochentliche Arbeitszeit von E. W. betrage 38 Stunden. E. W.\nunterliege dem Weisungsrecht der Gesellschaft bezuglich der Zeit und der Art\nder Beschaftigung, nicht jedoch des Ortes. Das Weisungsrecht werde von M. W.\ntatsachlich laufend ausgeubt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Anhand des Lohnkontos ermittelte die Beklagte, dass E. W. im April 2003 ein\nGehalt in Hohe von 3.000,- EUR, von Mai 2003 bis Februar 2004 in Hohe von\n2.200,- EUR und ab Marz 2004 in Hohe von 1.900,- EUR bezogen hat. Das\nletztgenannte Gehalt ist in dem neuen Geschaftsfuhreranstellungsvertrag vom\n01.03.2004, der im ubrigen dem Vertrag vom 31.03.2003 entspricht, festgelegt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Rahmen der Anhorung teilten M. W. und E. W. der Beklagten daruber hinaus\nmit, der Geschaftsfuhreranstellungsvertrag sei von einem Rechtsanwalt\nentworfen und von M. W. im Anschluss daran abgetippt worden. Dabei habe sich\nin § 2 Abs. 2 des Geschaftsfuhreranstellungsvertrags versehentlich das Wort\n„nicht" eingeschlichen. Ziel der GmbH sei nicht die Fortsetzung des ehemaligen\nKioskbetriebes. Man beabsichtige das Geschaft auszuweiten. E. W. habe sich\nbereits mehrmals Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beugen mussen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Bescheid vom 03.03.2005 stellte die Beklagte im Anschluss daran unter\nanderem fest, dass E. W. in keinem sozialversicherungspflichtigen\nBeschaftigungsverhaltnis zur GmbH stehe. Die zu Unrecht gezahlten Pflicht- und\nUmlagebeitrage in Hohe von 11.758,60 EUR wurden beanstandet. Zur Begrundung\nwurde ausgefuhrt, bei Gesellschafter-Geschaftsfuhrern einer GmbH sei\nabzuwagen, ob der Gesellschafter-Geschaftsfuhrer innerhalb der GmbH eine\nArbeitgeber- oder Arbeitnehmerfunktion ausube. Gesellschafter-Geschaftsfuhrer,\ndie uber weniger als 50 % der Stammeinlagen verfugen wurden, konnten trotzdem\neine Arbeitgeberfunktion ausuben. Dies sei dann anzunehmen, wenn der\nGesellschafter-Geschaftsfuhrer alleinvertretungsberechtigt, vom\nSelbstkontrahierungsverbot gemaß § 181 BGB befreit und nicht wie ein fremder\nArbeitnehmer dem Weisungsrecht der Gesellschaft bezuglich der Zeit und Art der\nBeschaftigung unterworfen sei, seine Tatigkeit im wesentlichen frei gestalten\nkonne, als Einziger die zur Fuhrung des Unternehmens erforderlichen\nBranchenkenntnisse besitze, die bisherige Einzelfirma in eine GmbH umgewandelt\nworden sei. Bei einer GmbH, an der ausschließlich Familienangehorige beteiligt\nseien, sei grundsatzlich ein versicherungspflichtiges Beschaftigungsverhaltnis\ndes Geschaftsfuhrers ausgeschlossen, wenn dieser zur Familie gehore. E. W. sei\nGesellschafter-Geschaftsfuhrer der GmbH. Er verfuge uber 20 % des\nStammkapitals. Er sei alleinvertretungsberechtigt und vom\nSelbstkontrahierungsverbot gemaß § 181 BGB befreit. Als fruherer Inhaber der\nEinzelfirma sei er „Kopf und Seele" des Betriebes. Ferner wurde im Bescheid\nfestgestellt, dass M. W., der bis 31.07.2003 als geringfugig Beschaftigter\ngefuhrt wurde, nicht in einem Beschaftigungsverhaltnis zur GmbH stehe, da er\nmaßgebenden Einfluss auf Entscheidungen der GmbH aufgrund der Hohe seines\nStammkapitals habe. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch wiederholte die Klagerin noch\neinmal, dass E. W. gerade nicht von den Beschrankungen seiner\nGeschaftsfuhrungsbefugnisse gemaß § 2 Abs. 1 seines Anstellungsvertrags\nbefreit sei. Der Geschaftsfuhreranstellungsvertrag sei insoweit fehlerhaft von\nder Vorlage des anwaltlichen Vertragsentwurfes ubertragen worden. E. W. sei\nentgegen seiner Erklarung im Fragebogen auch nicht von den Beschrankungen des\n§ 181 BGB befreit. Der Gesellschaftsvertrag eroffne lediglich die Moglichkeit\neiner solchen Befreiung. Hiervon sei jedoch bisher nicht Gebrauch gemacht\nworden. Die Geschaftsfuhrerbefugnis von E. W. reduziere sich auf den\nHandlungsradius und Entscheidungsspielraum eines arbeitnehmerahnlich\nbeschaftigten Geschaftsfuhrers. Widerspruchlich sei, dass E. W. als „Kopf und\nSeele" des Betriebes bezeichnet und gleichzeitig M. W. bescheinigt worden sei,\ndass er mit uber 60 % des Stammkapitals maßgebenden Einfluss auf\nEntscheidungen der GmbH habe. Im ubrigen benotige man, um einen typischen\nKiosk-Betrieb mit Zeitschriften, Tabakwaren und Erfrischungsgetranken zu\nfuhren, keine besonderen Branchenkenntnisse. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch\nzuruck. Bei E. W. liege kein versicherungspflichtiges Beschaftigungsverhaltnis\nvor. Die GmbH sei aus der Umwandlung einer Einzelfirma, deren Alleininhaber er\ngewesen sei, entstanden. Er sei nach wie vor „Kopf und Seele" des Betriebes\nund verfuge uber die entsprechenden Branchenkenntnisse. Als Geschaftsfuhrer\nsei er alleinvertretungsberechtigt. Es konne auch davon ausgegangen werden,\ndass aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen zum Hauptgesellschafter\neine personliche Abhangigkeit, wie sie Voraussetzung fur eine\nbeitragspflichtige Beschaftigung sei, nicht gegeben sei. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Deswegen erhob die Klagerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Unter\nWiederholung ihres bisherigen Vorbringens wies sie erganzend noch einmal\ndarauf hin, dass die GmbH nicht aus der fruheren Einzelfirma hervorgegangen\nsei. Insoweit fehle es an der zeitlichen Kontinuitat und gegenstandlichen\nIdentitat der Betriebe. M. W. habe mit seinem Anteil von 60 vom Hundert am\nStammkapital den maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der GmbH. Die\nKlagerin legte den sie betreffenden Auszug aus dem Handelsregister und\nGesellschafter-Versammlungsprotokolle vor. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das SG lud mit Beschluss vom 22.02.2006 E. W. (Beigeladener zu 1), die B.\nH.-W. (Beigeladene zu 2), die B. H.-W. - Pflegekasse - (Beigeladene zu 3), die\nD. R. B. (Beigeladene zu 4) und die B. f. A. (Beigeladene zu 5) zum Verfahren\nbei. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Urteil vom 11.10.2006, den Prozessbevollmachtigten der Klagerin\nzugestellt am 17.10.2006, wies das SG die Klage ab. In den\nEntscheidungsgrunden fuhrte es im wesentlichen aus, dass die Stellung von M.\nW. als Mehrheitsgesellschafter, der sich nicht regelmaßig dem Willen des\nVaters unterwerfe, fur eine abhangige Beschaftigung von E. W. im Betrieb der\nGmbH sprechen konnte. Hieraus folge jedoch noch keine arbeitgeberahnliche\nWeisungsbefugnis des Sohnes gegenuber E. W. etwa in dem Sinne, dass er E. W.\nVorschriften daruber gemacht hatte, wann er zu arbeiten habe, wie er bestimmte\nDinge zu erledigen habe und was er jeweils gerade zu tun habe. Tatsachlich\nunterliege E. W. bei seiner taglichen Arbeit nicht den Weisungen seines\nSohnes. Er konne sich seine Arbeit nach Ort, Zeit und Art der Tatigkeit selbst\neinteilen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, dass M. W. seinen\nTatigkeitsmittelpunkt an der U. habe. Hinzu komme, dass E. W. eine Tantieme\nvon 25 Prozent des naher definierten tantiemeberechtigten Gewinns aus der\nFirma zustehe. Ein weiterer Gesichtspunkt, der fur eine selbstandige Tatigkeit\nspreche, sei die Tatsache, dass das ursprunglich vereinbarte\nGeschaftsfuhrergehalt reduziert worden sei, was offensichtlich an den\nwirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH nach der Übernahme des neuen Kiosks\ngelegen habe. Dies beweise, dass sich E. W. der GmbH wie ein selbststandiger\nUnternehmer verpflichtet gefuhlt habe. Die Abberufung von E. W. als\nGesellschafter-Geschaftsfuhrer sei nach dem Gesellschaftsvertrag auch nur aus\nwichtigem Grund zulassig. Die Liste von Geschaften, fur deren Durchfuhrung der\nGeschaftsfuhrer die vorherige Zustimmung der Gesellschafter benotige, sei\ninsoweit zu relativieren, als eine ganze Reihe der dort genannten\nzustimmungsbedurftigen Geschafte im taglichen Geschaftsablauf eines Zeitungs-\nund Tabakkiosks kaum von Bedeutung waren. Im alltaglichen Leben schranke § 2\ndes Anstellungsvertrags den Geschaftsfuhrer deshalb kaum erheblich ein. Die\nFrage, ob der Geschaftsfuhrer vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB\nbefreit gewesen sei oder nicht, sei nicht entscheidend. Festzustellen bleibe,\ndass E. W. nicht in einem fremden Betrieb abhangig beschaftigt gewesen sei. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 16.11.2006 eingelegte Berufung der Klagerin.\nZur Begrundung wiederholt sie bezugnehmend auf den\nGeschaftsfuhreranstellungsvertrag und den Gesellschaftsvertrag im wesentlichen\nihr bisheriges Vorbringen und weist noch einmal darauf hin, dass E. W. auf die\nGesellschaft keinen beherrschenden Einfluss ausube. Soweit das SG darauf\nabgestellt habe, M. W. habe dem Geschaftsfuhrer keine Anweisungen erteilt,\nwann er zu arbeiten habe, wie er bestimmte Dinge zu erledigen und was er\ngerade zu tun habe, so uberspanne es damit die Anforderungen an die Ausubung\ndes Weisungsrechts durch die Gesellschafter. Die regelmaßige Vergutung in Hohe\nvon 1.900,- EUR sei unabhangig von eventuellen Umsatzschwankungen der GmbH.\nDer Tatigkeitsmittelpunkt von M. W. konne bei der Einstufung von E. W. als\nArbeitnehmer keine Rolle spielen. Im ubrigen habe M. W. des Öfteren seinen\nbetriebswirtschaftlichen Sachverstand zur Beurteilung von\n„Übernahmekandidaten" eingebracht. Es hatten regelmaßig\nGesellschafterversammlungen stattgefunden. Diese seien nicht von familiarer\nRucksichtnahme gepragt gewesen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klagerin beantragt (teilweise sinngemaß), \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2006 sowie den\nBescheid vom 3. Marz 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.\nAugust 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu Ziffer 1 ab\n1. April 2003 in seiner Eigenschaft als Gesellschafter-Geschaftsfuhrer in\neinem sozialversicherungspflichtigen Beschaftigungsverhaltnis steht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Sie erachtet das angefochtene Urteil fur zutreffend. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beigeladenen haben keine Antrage gestellt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die\nvon der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 23 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung ist zulassig und insbesondere statthaft im\nSinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht\nvon E. W. uber einen langeren Zeitraum als 1 Jahr. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist auch begrundet. Das SG hat die Klage im Ergebnis\nzu Unrecht abgewiesen, die Beklagte hat unzutreffend festgestellt, dass E. W.\nab 01.04.2003 selbstandig ist und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht\nunterliegt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Sozialversicherungspflicht zur Kranken-,\nPflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind im Urteil des SG ebenso wie\ndie Beurteilungsmaßstabe fur das Vorliegen einer abhangigen oder selbstandigen\nBeschaftigung und die Grundsatze, die bei einem Gesellschafter-Geschaftsfuhrer\neiner GmbH gelten, zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2\nSGG). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Hierzu ist auszufuhren, dass es bei der Abgrenzung abhangiger Beschaftigung\nvon selbstandiger Tatigkeit auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung ankommt,\nwobei die tatsachlichen Verhaltnisse maßgeblich sind, zu denen das\nVertragsverhaltnis zwischen den Beteiligten und die ihnen jeweils zustehende\nRechtsmacht gehort (so zuletzt BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R ).\nDemnach kommt es grundsatzlich entscheidend darauf an, wie die\nRechtsbeziehungen - insbesondere die Beteiligungsverhaltnisse - innerhalb des\nUnternehmens vertraglich ausgestaltet sind. Im Grundsatz gilt, dass nur\nderjenige nicht abhangig beschaftigt ist, der durch seine\nUnternehmensbeteiligung die unternehmenspolitischen Entscheidungen maßgeblich\nmitbestimmen kann. Denn eine Mehrheitsbeteiligung oder jedenfalls eine\nSperrminoritat, mit der bestimmte unternehmerische Entscheidungen verhindert\nwerden konnen, fuhrt in aller Regel zu einem fehlenden Abhangigkeits- bzw.\nÜber- und Unterordnungsverhaltnis. Spiegelbildlich hierzu ist derjenige, der\nnicht jedenfalls uber eine Sperrminoritat verfugt, in der Regel von den\nEntscheidungen der (ubrigen) Gesellschafter bzw. des Einzelunternehmers\npersonlich abhangig, so dass eine abhangige Beschaftigung zu bejahen ist. Doch\nfuhrt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend\nzu einer abhangigen Beschaftigung. In sehr eng begrenzten Einzelfallen ist in\ndiesen Fallen von einer abhangigen Beschaftigung abzugehen. Ein solcher\nAusnahmefall kann zum Beispiel bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die\nfamiliare Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein\nGefuhl erhohter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck\nkommt, dass die Hohe der Bezuge von der Ertragslage des Unternehmens abhangig\ngemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rucksichtnahme an der\nAusubung eines Direktionsrechts vollig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei\ndemjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital\nbeteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein\nAlleininhaber die Geschafte des Unternehmens nach eigenem Gutdunken fuhrt\n(vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1987 - 7 RAr 25/86). Dies bedeutet aber nicht,\ndass jede familiare Verbundenheit zum Ausschluss eines abhangigen\nBeschaftigungsverhaltnisses fuhrt. Vielmehr gelten auch bei\nFamilienunternehmen die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatze\nzur Abgrenzung eines abhangigen Beschaftigungsverhaltnisses zur selbstandigen\nTatigkeit (vgl. KassKomm-Seewald, § 7 SGB IV Rdnr. 2). Bei der Beschaftigung\neines Familienangehorigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschaftigten\nin den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwachten Weisungsrecht des\nArbeitgebers von Bedeutung, ob Beschaftigte ein Entgelt erhalten, das einen\nangemessenen Gegenwert fur die geleistete Arbeit darstellt, mithin uber freien\nUnterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung fur Gefalligkeiten hinausgeht.\nWeitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein\nschriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt\nder Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem\nAngehorigen zur freien Verfugung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der\nAngehorige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten\nVoraussetzungen erfullt, ist es fur die Bejahung eines\nBeschaftigungsverhaltnisses nicht erforderlich, dass der Beschaftigte\nwirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. Der Annahme eines\nBeschaftigungsverhaltnisses steht grundsatzlich auch nicht entgegen, dass die\nAbhangigkeit in der Familie im allgemeinen weniger stark ausgepragt ist und\ndeshalb das Weisungsrecht moglicherweise nur mit gewissen Einschrankungen\nausgeubt wird (BSGE 34, 207, 210; SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168\nNr. 11). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Im vorliegenden Fall verfugte E. W. nur uber einen Gesellschaftsanteil von\neinem Funftel. Eine Sperrminoritat stand ihm nicht zu. Es existiert ein\nschriftlicher Arbeitsvertrag, der nicht gegen eine abhangige Beschaftigung\nspricht. Der Geschaftsfuhrervertrag verpflichtet E. W. zur Arbeit fur die\nGesellschaft. Das Alleinvertretungsrecht ist bei einer kleineren GmbH nicht\nuntypisch. E. W. war als Geschaftsfuhrer verpflichtet, Anweisungen der\nGesellschafterversammlung, die tatsachlich stattfanden, auszufuhren. Das\nGehalt wurde ihm ausbezahlt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Weiter ist zu beachten, dass E. W. entgegen dem Wortlaut des § 2 des\nGeschaftsfuhreranstellungsvertrags nicht von der Vorschrift des § 181 BGB\nbefreit war. Der vorliegende Vertrag ist so offenkundig unsinnig, dass zur\nÜberzeugung des Senats die Behauptung der Klagerin richtig sein muss, dass\ndurch ein Versehen des Sohnes von E. W. (sinnentstellend) das Wort „nicht"\neingefugt wurde. Dass dem so war, zeigt auch die gelebte Faktizitat der\nKlagerin. E. W. war lediglich Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminoritat\nund wurde nachgewiesenermaßen auch zweimal uberstimmt. Schon dieser Umstand\nspricht massiv fur ein abhangiges Beschaftigungsverhaltnis. Dies ergibt sich\naus den Protokollen der Gesellschafterversammlungen. Am 22.07.2004 wollte E.\nW. den Geschaftsbetrieb um die Pacht einer Tankstelle erweitern. Da die beiden\nanderen Gesellschafter seiner Auffassung widersprachen, wurde sein Wunsch\nnicht realisiert. Auch bei einem weiteren Fall, namlich am 05.03.2005, setzte\nder Sohn und Mehrheitsgesellschafter M. W. bei einer Frage uber die\nErweiterung des Produktsortiments sich mit seiner Stimmenmehrheit durch. Schon\ndies zeigt die abhangige Beschaftigung von E. W. \n--- \n| 29 \n--- \n| Daruber hinaus ist zu berucksichtigen, dass nach dem Vertrag dem\nGeschaftsfuhrer sowohl Lohnfortzahlungsanspruche im Krankheitsfall als auch\nUrlaub zustanden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem entgegen stehen konnte allerdings, dass das Gehalt von E. W. nicht\nunerheblich reduziert wurde. Offensichtlich war diese Maßnahme wirtschaftlich\nbedingt. Hierbei ist jedoch zu berucksichtigen, dass derselbe Effekt durch\neine Änderungskundigung des Geschaftsfuhrervertrages hatte erreicht werden\nkonnen fur den Fall, dass sich E. W. mit einer entsprechenden\nGehaltsreduzierung nicht einverstanden erklart hatte. \n--- \n| 31 \n--- \n| Letztlich kommt der Haupttatigkeit von M. W. keine uberragende Bedeutung\nzu. Es ist nicht ungewohnlich, dass der Kapitalgeber einer Gesellschaft sich\nauf die wesentlichen und entscheidenden Punkte beschrankt und sein\nHauptaufgabenfeld auf anderen Gebieten sucht. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach allem ist es deshalb zu beanstanden, dass das SG und die Beklagte\naufgrund ihrer Wurdigung der Gesamtumstande zu dem Ergebnis gelangt sind, dass\nbei E. W. die tatsachlichen und rechtlichen Verhaltnisse mehr gegen als fur\neine abhangige Beschaftigung sprechen und E. W. mehr auf der Unternehmer- als\nauf der Arbeitnehmerseite des Betriebes steht. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin hatte deshalb Erfolg. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 23 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung ist zulassig und insbesondere statthaft im\nSinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht\nvon E. W. uber einen langeren Zeitraum als 1 Jahr. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist auch begrundet. Das SG hat die Klage im Ergebnis\nzu Unrecht abgewiesen, die Beklagte hat unzutreffend festgestellt, dass E. W.\nab 01.04.2003 selbstandig ist und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht\nunterliegt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Sozialversicherungspflicht zur Kranken-,\nPflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind im Urteil des SG ebenso wie\ndie Beurteilungsmaßstabe fur das Vorliegen einer abhangigen oder selbstandigen\nBeschaftigung und die Grundsatze, die bei einem Gesellschafter-Geschaftsfuhrer\neiner GmbH gelten, zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2\nSGG). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Hierzu ist auszufuhren, dass es bei der Abgrenzung abhangiger Beschaftigung\nvon selbstandiger Tatigkeit auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung ankommt,\nwobei die tatsachlichen Verhaltnisse maßgeblich sind, zu denen das\nVertragsverhaltnis zwischen den Beteiligten und die ihnen jeweils zustehende\nRechtsmacht gehort (so zuletzt BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R ).\nDemnach kommt es grundsatzlich entscheidend darauf an, wie die\nRechtsbeziehungen - insbesondere die Beteiligungsverhaltnisse - innerhalb des\nUnternehmens vertraglich ausgestaltet sind. Im Grundsatz gilt, dass nur\nderjenige nicht abhangig beschaftigt ist, der durch seine\nUnternehmensbeteiligung die unternehmenspolitischen Entscheidungen maßgeblich\nmitbestimmen kann. Denn eine Mehrheitsbeteiligung oder jedenfalls eine\nSperrminoritat, mit der bestimmte unternehmerische Entscheidungen verhindert\nwerden konnen, fuhrt in aller Regel zu einem fehlenden Abhangigkeits- bzw.\nÜber- und Unterordnungsverhaltnis. Spiegelbildlich hierzu ist derjenige, der\nnicht jedenfalls uber eine Sperrminoritat verfugt, in der Regel von den\nEntscheidungen der (ubrigen) Gesellschafter bzw. des Einzelunternehmers\npersonlich abhangig, so dass eine abhangige Beschaftigung zu bejahen ist. Doch\nfuhrt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend\nzu einer abhangigen Beschaftigung. In sehr eng begrenzten Einzelfallen ist in\ndiesen Fallen von einer abhangigen Beschaftigung abzugehen. Ein solcher\nAusnahmefall kann zum Beispiel bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die\nfamiliare Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein\nGefuhl erhohter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck\nkommt, dass die Hohe der Bezuge von der Ertragslage des Unternehmens abhangig\ngemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rucksichtnahme an der\nAusubung eines Direktionsrechts vollig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei\ndemjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital\nbeteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein\nAlleininhaber die Geschafte des Unternehmens nach eigenem Gutdunken fuhrt\n(vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1987 - 7 RAr 25/86). Dies bedeutet aber nicht,\ndass jede familiare Verbundenheit zum Ausschluss eines abhangigen\nBeschaftigungsverhaltnisses fuhrt. Vielmehr gelten auch bei\nFamilienunternehmen die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatze\nzur Abgrenzung eines abhangigen Beschaftigungsverhaltnisses zur selbstandigen\nTatigkeit (vgl. KassKomm-Seewald, § 7 SGB IV Rdnr. 2). Bei der Beschaftigung\neines Familienangehorigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschaftigten\nin den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwachten Weisungsrecht des\nArbeitgebers von Bedeutung, ob Beschaftigte ein Entgelt erhalten, das einen\nangemessenen Gegenwert fur die geleistete Arbeit darstellt, mithin uber freien\nUnterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung fur Gefalligkeiten hinausgeht.\nWeitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein\nschriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt\nder Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem\nAngehorigen zur freien Verfugung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der\nAngehorige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten\nVoraussetzungen erfullt, ist es fur die Bejahung eines\nBeschaftigungsverhaltnisses nicht erforderlich, dass der Beschaftigte\nwirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. Der Annahme eines\nBeschaftigungsverhaltnisses steht grundsatzlich auch nicht entgegen, dass die\nAbhangigkeit in der Familie im allgemeinen weniger stark ausgepragt ist und\ndeshalb das Weisungsrecht moglicherweise nur mit gewissen Einschrankungen\nausgeubt wird (BSGE 34, 207, 210; SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168\nNr. 11). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Im vorliegenden Fall verfugte E. W. nur uber einen Gesellschaftsanteil von\neinem Funftel. Eine Sperrminoritat stand ihm nicht zu. Es existiert ein\nschriftlicher Arbeitsvertrag, der nicht gegen eine abhangige Beschaftigung\nspricht. Der Geschaftsfuhrervertrag verpflichtet E. W. zur Arbeit fur die\nGesellschaft. Das Alleinvertretungsrecht ist bei einer kleineren GmbH nicht\nuntypisch. E. W. war als Geschaftsfuhrer verpflichtet, Anweisungen der\nGesellschafterversammlung, die tatsachlich stattfanden, auszufuhren. Das\nGehalt wurde ihm ausbezahlt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Weiter ist zu beachten, dass E. W. entgegen dem Wortlaut des § 2 des\nGeschaftsfuhreranstellungsvertrags nicht von der Vorschrift des § 181 BGB\nbefreit war. Der vorliegende Vertrag ist so offenkundig unsinnig, dass zur\nÜberzeugung des Senats die Behauptung der Klagerin richtig sein muss, dass\ndurch ein Versehen des Sohnes von E. W. (sinnentstellend) das Wort „nicht"\neingefugt wurde. Dass dem so war, zeigt auch die gelebte Faktizitat der\nKlagerin. E. W. war lediglich Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminoritat\nund wurde nachgewiesenermaßen auch zweimal uberstimmt. Schon dieser Umstand\nspricht massiv fur ein abhangiges Beschaftigungsverhaltnis. Dies ergibt sich\naus den Protokollen der Gesellschafterversammlungen. Am 22.07.2004 wollte E.\nW. den Geschaftsbetrieb um die Pacht einer Tankstelle erweitern. Da die beiden\nanderen Gesellschafter seiner Auffassung widersprachen, wurde sein Wunsch\nnicht realisiert. Auch bei einem weiteren Fall, namlich am 05.03.2005, setzte\nder Sohn und Mehrheitsgesellschafter M. W. bei einer Frage uber die\nErweiterung des Produktsortiments sich mit seiner Stimmenmehrheit durch. Schon\ndies zeigt die abhangige Beschaftigung von E. W. \n--- \n| 29 \n--- \n| Daruber hinaus ist zu berucksichtigen, dass nach dem Vertrag dem\nGeschaftsfuhrer sowohl Lohnfortzahlungsanspruche im Krankheitsfall als auch\nUrlaub zustanden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem entgegen stehen konnte allerdings, dass das Gehalt von E. W. nicht\nunerheblich reduziert wurde. Offensichtlich war diese Maßnahme wirtschaftlich\nbedingt. Hierbei ist jedoch zu berucksichtigen, dass derselbe Effekt durch\neine Änderungskundigung des Geschaftsfuhrervertrages hatte erreicht werden\nkonnen fur den Fall, dass sich E. W. mit einer entsprechenden\nGehaltsreduzierung nicht einverstanden erklart hatte. \n--- \n| 31 \n--- \n| Letztlich kommt der Haupttatigkeit von M. W. keine uberragende Bedeutung\nzu. Es ist nicht ungewohnlich, dass der Kapitalgeber einer Gesellschaft sich\nauf die wesentlichen und entscheidenden Punkte beschrankt und sein\nHauptaufgabenfeld auf anderen Gebieten sucht. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach allem ist es deshalb zu beanstanden, dass das SG und die Beklagte\naufgrund ihrer Wurdigung der Gesamtumstande zu dem Ergebnis gelangt sind, dass\nbei E. W. die tatsachlichen und rechtlichen Verhaltnisse mehr gegen als fur\neine abhangige Beschaftigung sprechen und E. W. mehr auf der Unternehmer- als\nauf der Arbeitnehmerseite des Betriebes steht. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin hatte deshalb Erfolg. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n---\n\n
140,355
lg-hechingen-2004-10-15-2-o-28502
132
Landgericht Hechingen
lg-hechingen
Hechingen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
2 O 285/02
2004-10-15
2019-01-07 15:12:04
2019-01-17 12:00:32
Urteil
## Tenor\n\na) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 40.000,- EUR zuzuglich\nJahreszinsen hieraus in Hohe von 5% uber dem jeweiligen Basiszins seit\n18.7.2002 zu zahlen.\n\nb) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klagerin\nsamtlichen zukunftigen immateriellen Schaden, sowie samtlichen schon\nentstandenen und kunftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klagerin\ndurch das Schadensereignis vom 25.2.1994 in der Kreisklinik H noch entstehen\nwird, soweit diese Anspruche nicht auf offentlich-rechtliche\nVersicherungstrager oder sonstige Dritte ubergegangen sind.\n\nc) Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streithelfer tragt die\nKosten der Streithilfe.\n\nd) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 53.000,- EUR vorlaufig\nvollstreckbar.\n\nStreitwert: Klagantrag Ziffer 1: 40.000,- EUR,\n\nKlagantrag Ziffer 2: 10.000,- EUR\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzanspruche wegen\nFehlbehandlung einer Schulterdystokie geltend, die bei ihrer Geburt am\n25.2.1994 aufgetreten ist. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Beklagte ist niedergelassener Frauenarzt und Belegarzt der vom\nStreithelfer betriebenen Kreisklinik H. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin ist das dritte Kind ihrer 1963 geborenen Mutter M.S. Ihre\nbeiden 1982 und 1987 geborenen alteren Geschwister waren mit einem\nGeburtsgewicht von 4000 bzw. 4050 g komplikationslos und spontan zur Welt\ngekommen. Die Schwangerschaft mit der Klagerin war vom Beklagten betreut\nworden und verlief ebenfalls komplikationslos. Als Geburtstermin war der\n27.2.1994 errechnet. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 25.2.1994 wurde die Mutter der Klagerin um 15.30 Uhr in der Kreisklinik H\nstationar aufgenommen. Ein externes CTG zeigte Wehen alle vier Minuten an. Die\nvaginale Untersuchung durch die Hebamme, die Zeugin K., um 16.10 Uhr ergab\neine Eroffnung des Muttermundes auf 4 cm. Die Fruchtblase war noch nicht\neroffnet. Der Kopf des Kindes war im Bereich des Beckeneingangs ("- 3"). Nach\ndieser Untersuchung konnte die Mutter spazieren gehen. Der Beklagte wurde\ninformiert. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Um 18.45 Uhr erfolgte eine weitere vaginale Untersuchung durch die Zeugin K.\nDer Muttermund hatte sich nun auf 6 cm eroffnet. Es wurde ein internes CTG\nangelegt, wobei es zum Blasensprung kam und klares Fruchtwasser abging. Ferner\nwurde eine Braunule in die Vene eingebracht und eine Infusion mit dem\nWehenhormon Oxytocin ("Syntho") eingeleitet. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Als sich kurz danach eine Verlangsamung des kindlichen Herzschlags anzeigte,\nwurde die Infusion kurz unterbrochen und nach Erholung der Herztone etwa um\n19.06 Uhr wieder aufgenommen. Ab 19.24 Uhr kam es zu drei Presswehen die um\n19.29 Uhr zur Kopfgeburt fuhrten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| In einem vom Beklagten noch am 25.2.1994 diktierten Beiblatt zum\nGeburtsbericht wird folgender Ablauf vermerkt: \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| ... nach rascher unauffalliger Eroffnungsphase wird der Kopf des\nNeugeborenen aus SL mit 3 Presswehen geboren. Dann Eintritt einer schweren\nSchulterdystokie -> Schulter im Geburtskanal verkeilt. Vagina und Weichteile\nausreichend weit. Unter wechselnden Traktionen (Fr. W, Sr. H, Dr. H) gelingt\nes nicht, den Korper zu entwickeln. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| (Tel. Konsil Prof. B) \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Sofortige Verstandigung Dr. Z/Anasthesie und Kinderarzt Dr. A. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| In Maskennarkose gelingt es dann schließlich, die Axilla mit 1 Finger zu\nfassen und den Korper zu extrahieren. (19.40) ca. 4-5 \'. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das schlaffe neugeborene Madchen (5.200 g, 57 cm, KU 37 cm) wird in der\nReha-Einheit rasch und erfolgreich reanimiert (Dr. Z). Anforderung des\nVerlegungsdienstes KiKl Tu, Dr. G. - Intubation und Legen einer Infusion, 3 ml\nNatriumcarbonat iv (Dr. Z, Dr. A, Frau Dr. B, Hr. P) Nach weiterer Versorgung\ndurch Frau Dr. G/Tu Verlegung des Kindes mit Kindernotarztwagen in die KiKl Tu\nApgar 1 min 0, 2 min 3, 5 min 7, 10 min 8 (unauffallige Nachgeburtsperiode,\nkl. Dammriss mit EK versorgt.) ..." \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Geburtsbericht ist vermerkt, dass der Mutter der Klagerin eine\nMaskennarkose verabreicht wurde. Das Anasthesieprotokoll ist aber in der\nKlinik nicht mehr auffindbar. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Als Folge der Geburtskomplikation erlitt die Klagerin eine\ngeburtstraumatische linksseitige Armplexusparese, ein Horner-Syndrom mit\nLidspaltendifferenz, Pupillendifferenz und Ptosis (herabhangendes Oberlid).\nEine klinisch-neurologische Untersuchung im O-Hospital, Stuttgart, vom\n24.5.1995 ergab einen fehlenden linksseitigen Patellar- und\nBizepssehnenreflex, einen Schulterschiefstand, sowie eine Atrophie der linken\nSchulter-, Arm- und Handmuskulatur maßigen Ausmaßes im Bereich des Oberarms,\ndeutlicher im Bereich des Unterarms und damit einhergehend eine nach distal\nabnehmende Innervation der Muskulatur, ferner klinisch einen vermehrten\nBeugetonus der Hand mit kaum aktiver Streckfunktion. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Eine Untersuchung in der Universitatskinderklinik T. vom 11.7.2003 bestatigt\ndiesen Befund (vgl. Bl. 105-107 d.A.). Es wurde ein vermindertes Wachstum des\ngesamten linken Armes und der Hand mit deutlichen Kontrakturen in allen\nGelenken und eingeschrankter aktiver Motorik festgestellt. Dadurch ist die\nHand nur sehr gering und als Hilfshand einsetzbar. Die Klagerin kommt zwar in\nAlltagstatigkeiten (z.B. an- und ausziehen) sehr gut zurecht, hat aber\nEinschrankungen u.a. beim Sport und Fahrradfahren. Folgeprobleme an der\nWirbelsaule liegen noch nicht vor. Sie ist jedoch auf standige\nKrankengymnastik angewiesen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Eltern der Klagerin wandten sich im Jahr 1999 an die Gutachterkommission\nder Landesarztekammer Baden-Wurttemberg, als sie feststellten, dass die ihnen\nangeratenen krankengymnastischen Behandlungen, die die Klagerin seit der\nGeburt erhalten hatte, zu keiner Besserung am linken Arm gefuhrt hatten.\nGegenuber der Gutachterkommission gab der Beklagte zum Geburtsverlauf an, nach\nEntwicklung des Kopfes sei eine schwere Schulterdystokie mit Verkeilung der\nSchulter hinter der Symphyse eingetreten. Es sei weder ihm, noch den beiden\nanwesenden Hebammen gelungen, den Korper des Kindes zu extrahieren, obwohl der\nGeburtskanal weit genug war. Erst in Kurznarkose der Mutter sei ihm die\nExtraktion "unter großer Muhe" gelungen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Auf Anforderung der Kommission verfertigte der Beklagte gemeinsam mit den\nbeiden Hebammen, den Zeuginnen K. und W am 12.3.2000 eine weitere schriftliche\nSchilderung des Geburtsverlaufs (Bl. 54/55 d.A.), u.a. mit folgenden\nKonkretisierungen: \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| ..."Es handelte sich um einen hohen Schultergeradstand. Zuerst wurde\nversucht, die Schulter durch Überdrehen des Kopfes bei gleichzeitigem Anziehen\nder Oberschenkel freizubekommen. Verstandigung des Anasthesisten... und des\nPadiaters... Masken-Narkose Beginn ca. 19.35 Uhr. Manuell wird die\nSchulterpartie hochgeschoben und in den schragen Durchmesser gedruckt. Durch\ndie vollstandige Entspannung der Patientin gelingt es so, die Schulter\nfreizubekommen und die Axilla zu fassen. Danach normale Entwicklung des\nKorpers unter zusatzlichem Kristellern von oben. Kind geboren um 19.40 Uhr\n..." \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Gutachterkommission kam daraufhin in ihrem Gutachten vom 13.11.2001 (K 3\nzu Bl. 12 d.A.) zu dem Ergebnis, es sei zu beanstanden, dass das ursprungliche\nGeburtsprotokoll unzureichend erstellt wurde. Insbesondere hatte dokumentiert\nwerden mussen, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder einen tiefen\nQuerstand gehandelt habe, ferner fehlten die Abfolge der durchgefuhrten\nManover und einzelnen Schritte zur Behebung der Dystokie sowie die\nentsprechenden Zeiten. Die vom Beklagten nachgereichte Dokumentation sei nicht\nin unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt erstellt worden.\nMangels weiterer Erkenntnismoglichkeiten konne seine Einlassung aber nicht\nwiderlegt werden, sodass eine Feststellung, der Geburtsschaden sei durch\nfehlerhafte, verzogerte oder unterlassene Maßnahmen verursacht worden, nicht\ngetroffen werden konne. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klagerin ist der Auffassung, wegen der unzureichenden Dokumentation\nobliege dem Beklagten der Beweis, dass die Schulterentwicklung nach der\nDystokie medizinisch ordnungsgemaß erfolgt sei und der eingetretene\nGeburtsschaden nicht auf ein arztliches Fehlverhalten zuruckzufuhren sei.\nDiesen Beweis konne er nicht erbringen. Aufgrund der sparlichen Dokumentation\nsei nicht feststellbar, wie lange der Depressionszustand, dem sie wahrend der\nGeburt ausgesetzt gewesen sei, angedauert habe und sei nicht auszuschließen,\ndass die schwere Asphyxie durch fehlerhafte Maßnahmen verursacht oder\nverspatet diagnostiziert und behandelt wurde. Auch spreche die Dokumentation\ndafur, dass der Anasthesist verspatet hinzugezogen worden sei. Schließlich sei\nihre Mutter nicht uber die bestehende und sich hier aufdrangende\nBehandlungsalternative einer Schnittentbindung aufgeklart worden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Da somit von einem schuldhaften Behandlungsfehler des Beklagten auszugehen\nsei, habe sie Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens\n20.000,- EUR. Nachdem das OLG Stuttgart (VersR 1999,582 und Bl. 143 ff. d.A.)\nin einem vergleichbaren Fall ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen\nhabe, musste jedoch ein angemessenes Schmerzensgeld deutlich uber dem\ngeforderten Mindestbetrag liegen. Sie musse ihr Leben lang mit den\nEinschrankungen am linken Arm leben, die sich sowohl in ihrem privaten\nLebensbereich als auch bei ihrem beruflichen Fortkommen durch eine\nEinschrankung in der Berufswahl und der Erwerbsfahigkeit auswirken wurden. Das\nHornersyndrom fuhre zu einer dauernden Entstellung des Gesichts. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Da nach Art der vorliegenden Gesundheitsschaden auch mit weiteren kunftigen\nmateriellen und immateriellen Schadensfolgen zu rechnen sei, sei ihr\nFeststellungsbegehren gerechtfertigt. Dies gelte auch fur bereits eingetretene\nSchadensfolgen, da die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klagerin hat dem Landkreis als Trager der Kreisklinik H den Streit\nverkundet, da nicht auszuschließen sei, dass ihr Gesundheitsschaden auch durch\nEinrichtung, Organisation oder Personal der Klinik verursacht worden sein\nkonnte. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klagerin beantragt: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin ein angemessenes\nSchmerzensgeld, mindestens aber 20.000,- EUR zuzuglich Jahreszinsen in Hohe\nvon 5% uber dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 18.7.2002\n(Rechtshangigkeit) zu zahlen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 2.) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klagerin\nsamtlichen zukunftigen immateriellen Schaden, sowie samtlichen schon\nentstandenen und kunftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klagerin\ndurch das Schadensereignis vom 25.2.1994 in der Kreisklinik H noch entstehen\nwird, soweit diese Anspruche nicht auf offentlich-rechtliche\nVersicherungstrager oder sonstige Dritte ubergegangen sind. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Beklagte und der Streithelfer beantragen, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Beklagte bestreitet, dass bei der Geburt der Klagerin Fehler unterlaufen\nseien, die zu den von der Klagerin erlittenen Schaden gefuhrt haben. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur eine Schnittentbindung habe keine Veranlassung bestanden, nachdem die\nMutter der Klagerin bereits zwei Kinder mit einem Gewicht von 4.000 und 4.050\ng geboren hatte und der Geburtsvorgang mit einer unauffalligen Eroffnungsphase\nmit der Geburt des Kopfes begonnen gehabt habe und erst dann durch die stecken\ngebliebene Schulter uberraschend zum Stillstand gekommen sei. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Es habe sich um einen hohen Schultergeradstand gehandelt. Es sei weder ihm\nnoch den beiden erfahrenen Hebammen gelungen, den Korper der Klagerin zu\nextrahieren. Er habe versucht, die Schulter durch Überdrehen des Kopfes bei\ngleichzeitigem Anziehen der Oberschenkel der Mutter freizubekommen ("Mc\nRoberts Manover"). Als dies nicht gelungen sei, habe er sofort den\ndiensthabenden Anasthesisten und den Kinderarzt hinzugezogen, die unverzuglich\ngekommen seien. Insbesondere der Anasthesist habe bereits um 19.35 Uhr mit der\nMaskennarkose begonnen. Durch die dadurch bewirkte vollstandige Entspannung\nder Mutter sei es ihm gelungen, die Schulterpartie der Klagerin freizubekommen\nund die Axilla zu fassen ("Woods Methode"). Unter zusatzlichem Druck oberhalb\ndes Schambeins ("Kristellern") sei die Klagerin dann um 19.40 Uhr geboren\nworden. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Sofort danach sei die schwer asphyktische Klagerin vom Anasthesisten und vom\nKinderarzt reanimiert und in die Betreuung durch den Kindernotdienst der\nUniversitatskinderklinik T. ubergeben worden. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zwar sei in der Dokumentation der Geburtsverlauf nicht in allen Einzelheiten\nfestgehalten worden. Der zeitliche Ablauf und die wesentlichen Maßnahmen seien\naber ersichtlich. Aus der Art der Darstellung in dem unmittelbar nach der\nGeburt von ihm geschriebenen Beiblatt sei erkennbar, dass es sich um einen\nhohen Schultergeradstand gehandelt habe. Bei einem tiefen Schulterquerstand\nwaren eher mutterliche Verletzungen zu erwarten gewesen. Im Übrigen seien aber\nauch seine prazisierenden Angaben gegenuber der Gutachterkommission,\ninsbesondere die Durchfuhrung des Mc Roberts Manovers, zutreffend. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Eine Feststellungsklage sei i.u. nur bezuglich kunftig zu erwartender\nSchaden der Klagerin zulassig. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Streithelfer schließt sich dem Vortrag des Beklagten an und verweist\ndarauf, dass die beiden Hebammen auf Weisung des Beklagten tatig geworden\nseien. Organisatorische Mangel der Klinik seien nicht ersichtlich. Der\nAnasthesist sei im Haus gewesen und unverzuglich erschienen, nachdem er vom\nBeklagten angefordert worden war. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsatze\nder Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat die\nBehandlungsunterlagen des Beklagten im Original beigezogen (s. Hulle Bl. 45\nd.A.). In der mundlichen Verhandlung vom 15.11.2002 wurden die Zeugen Dr. med.\nZ, W und H K. vernommen. Wegen ihrer Aussagen wird auf das Protokoll Bl. 71\nff. d.A. verwiesen. Sodann wurde durch Beweisbeschluss vom 29.11.2002 (Bl.\n79-81 d.A.) ein schriftliches Gutachten des Sachverstandigen Prof. Dr. med.\nKr. von der Universitatsfrauenklinik U. eingeholt (Bl. 109 ff. d.A.) und der\nSachverstandige nach schriftlichen Erganzungen vom 30.8.2003 (Bl. 134a) und\n5.3.2004 (Bl. 162 ff.) in der mundlichen Verhandlung vom 23.7.2004 personlich\ngehort (vgl. Protokoll Bl. 204 ff. d.A.). \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | I.) \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Dies gilt hinsichtlich des Feststellungsinteresses\n(§ 256 ZPO) insbesondere auch fur den Feststellungsantrag Ziffer 2 soweit er\nsich auch auf den bisher entstandenen materiellen Schaden bezieht. Die\nKlagerin ist wegen ihrer Beeintrachtigungen weiterhin in arztlicher und\nkrankengymnastischer Behandlung. Die Schadensentwicklung ist deshalb noch\nnicht abgeschlossen. Es ist anerkannt, dass unter diesen Voraussetzungen eine\ninsgesamt erhobene Feststellungsklage zulassig ist (Zoller-Greger, 24. Aufl.,\nRn 7a zu § 256 ZPO mwN.). \n--- \n--- \nII.) \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Beklagte haftet der Klagerin fur die bei\nihr beim Geburtsvorgang eingetretene Armplexuslahmung und das Hornersyndrom\ngem. §§ 823, 847 BGB aF. i.V.m. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Es ist zwar nicht positiv feststellbar, dass dem Beklagten bei der\ngeburtlichen Entwicklung der Klagerin Fehler unterlaufen sind. Wegen der\nmangelhaften Dokumentation obliegt es aber dem Beklagten nachzuweisen, dass\nsein Vorgehen kunstgerecht und unverschuldet oder jedenfalls nicht kausal war.\nDiesen Nachweis kann er nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbringen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 1.) Aus den Darlegungen des Sachverstandigen Prof. Dr. Kr. ergibt sich im\nEinklang mit den Anforderungen an die Dokumentation einer Schulterdystokie,\ndie in der Medizin und ihr folgend in der Rechtsprechung gestellt werden (vgl.\nOLG Stuttgart VersR 1999, 582 mwN., OLG Dusseldorf VersR 2003, 114, LG\nRottweil, Urteil vom 27.11.2003, Az.: 2 O 537/01, jeweils fur Vorfalle aus dem\nJahr 1994 und fruher), dass zunachst festgehalten werden muss, um welche Art\nder Schulterdystokie es sich handelt (hoher Schultergeradstand/tiefer\nSchulterquerstand) und dass sodann die ergriffenen Maßnahmen chronologisch\nunter Angabe der Uhrzeiten der relevanten Maßnahmen und unter Nennung der\nhieran beteiligten Personen zu schildern sind. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Fur das Vorgehen nach der Diagnose einer Schulterdystokie in Gestalt eines\nhohen Schultergeradstandes ist ferner als Ablaufschema anerkannt und vom\nSachverstandigen dargelegt, dass zunachst ein angelegter Wehentropf abgestellt\nwerden muss, um zu verhindern, dass die an der Symphyse verkeilte Schulter des\nKindes durch weitere Wehentatigkeit weiterer Druckbelastung ausgesetzt wird.\nStattdessen ist eine medikamentose Wehenhemmung zu verabreichen. Aus demselben\nGrund ist ein kraftiger Zug am kindlichen Kopf ebenso zu vermeiden, wie\nDruckmaßnahmen auf den Fundus ("sog. Kristellern"). Sodann ist mit außeren\nHandgriffen zu versuchen, die Dystokie zu losen. Dazu kommen in Betracht, das\nsog. Mc-Roberts Manover, bei dem durch Überstrecken und anschließendes\nmaximales Beugen der mutterlichen Beine im Huftgelenk versucht wird, die\nkindliche Schulter von der Symphyse zu losen. Sodann kann durch Druck oberhalb\nder Symphyse versucht werden, die Schulter in das Becken hineinzudrucken.\nFerner kann man versuchen, das Kopfchen außerlich zu uberdrehen, um die\nDrehbewegung auf den Korper zu ubertragen (Martius-Methode). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Spatestens wenn diese außeren Handgriffe versagen, mussen innere Manover\nfolgen, fur die in der Regel ein Dammschnitt gelegt werden muss, um den\nEingang zu erleichtern. Außerdem ist ein Anasthesist und ein Padiater\nhinzuziehen. Mit dem sog. Manover nach Woods versucht der Gynakologe, mit der\nHand die vordere Schulter des Kindes zu losen, was sowohl von der Brust wie\nvon der Ruckenseite her geschehen kann. Gelingt dies nicht, muss versucht\nwerden, den in der Sakralhohle liegenden hinteren Arm zu losen, wobei sich das\nRisiko fur kindliche Oberarm- und Schlusselbeinfrakturen deutlich erhoht. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| (Weitere nachste Schritte, wie das Zuruckschieben des Kindes und\nDurchfuhrung einer Schnittentbindung oder ein Durchtrennen der Schambeinfuge,\nsind fur den vorliegenden Fall irrelevant.) \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Der Sachverstandige weist zwar darauf hin, dass sich bisher keines dieser\nManover und deren Abfolge als uberlegen gezeigt habe, dass aber das\ngeschilderte Vorgehen logisch ist und insbesondere versucht, mit moglichst\nwenig invasiven Maßnahmen zum Ziel zu gelangen. Dies hat Eingang gefunden in\ndie Empfehlungen zur Schulterdystokie der Deutschen Gesellschaft fur\nGynakologie und Geburtshilfe aus dem Jahr 2000, war aber auch schon wesentlich\nfruher Standard, wie etwa die oben zitierten Entscheidungen der OLG Stuttgart\nund Dusseldorf zeigen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| 2.) Bezogen auf diese Maßnahmen enthalt das Geburtsprotokoll in Verbindung\nmit dem vom Beklagten nach der Geburt diktierten "Beiblatt" keine Hinweise auf\ndie Art der Schulterdystokie. Die "wechselnden Traktionen" sind nicht naher\ndefiniert. Weitere außere Manover (z.B. Mc-Roberts) werden nicht genannt. Auch\ndas innere Manover ist nicht im Sinne der oben genannten verschiedenen\nMoglichkeiten naher beschrieben. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Unter diesen Umstanden kann nicht festgestellt werden, ob das Vorgehen des\nBeklagten sachgerecht war. Darauf hat schon die Gutachterkommission in ihrem\nGutachten vom 13.11.2001 hingewiesen und kam zu dem Ergebnis, ein\nBehandlungsfehler des Beklagten konne "nicht mit an Sicherheit grenzender\nWahrscheinlichkeit festgestellt werden". \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| 3.) Im Zivilprozess stellt sich diese Frage aber aus Beweislastgrunden\nanders. Da die Dokumentation, die zeitnah in unmittelbarem Zusammenhang mit\nder Behandlung zu erfolgen hat und nicht beliebig nachholbar ist\n(Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 2. Aufl., § 59 Rn 12), hier erhebliche Lucken\naufweist, wird der Klagerin der Nachweis eines fehlerhaften Verhaltens\nunbillig erschwert. Ihr ist deshalb zumindest eine Beweiserleichterung\nzuzubilligen, die dazu fuhrt, dass ein Behandlungsfehler als erwiesen gilt,\nwenn dieser ernsthaft in Betracht kommt (OLG Saarbrucken VersR 1988, 916 mwN.,\nOLG Koln VersR 1994, 1424). Im Übrigen wird vermutet, dass eine\ndokumentationspflichtige aber nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht\ngetroffen worden ist (BGH NJW 1988,2949). Der Dokumentationsmangel ist sodann\nauch fur den Nachweis des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, wenn der aufgrund\nder unterlassenen oder fehlerhaften Dokumentation indizierte Behandlungsfehler\nals "grob" anzusehen ware (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, Seite 268\nmwN.). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| a) Nach diesen Grundsatzen kann ein Behandlungsfehler des Beschuldigten\nnicht ausgeschlossen werden. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Es ergibt sich aus den zahlreichen in der Rechtsprechung ausgeurteilten\nSachverhalten und wird auch vom Sachverstandigen bestatigt, dass bei einer\nSchulterdystokie z.B. ein kraftiges Ziehen am Kopf des Kindes oder Druck auf\nden Fundus vermieden werden muss und dass ubersturzte Extraktionsversuche\nhaufig zu einer Armplexuslahmung fuhren. Damit kommt angesichts der Verletzung\nder Klagerin ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten oder der unter seiner\nAufsicht tatigen Hebammen in Betracht. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| aa) Insbesondere ist unklar, in welcher Weise die im Beiblatt zum\nGeburtsbericht beschriebenen "wechselnden Traktionen" stattgefunden haben. Der\nSachverstandige hat dargelegt, dass es regelgerecht ist, wenn nach der Geburt\ndes Kopfes zunachst einmal die Hebamme feststellt, dass die Geburt nicht\nweitergeht. Wieso dann aber - entsprechend dem Protokoll - noch die zweite\nHebamme vor dem Beklagten an den Traktionen beteiligt war, konnte der\nSachverstandige nicht erklaren. Zwar wird in den genannten Leitlinien (vgl. K\n4) ebenfalls der Begriff "Traktion" verwendet, aber ausdrucklich von\n"vorsichtiger" Traktion gesprochen, wie dies auch der Sachverstandige\nerlautert hat. Ob diese Bedingung gewahrt wurde, lasst sich dem Protokoll\nnicht entnehmen. Die Tatsache, dass sich alle drei Beteiligten bei den\nTraktionen versucht haben, kann auch ein Hinweis darauf sein, dass forciert\nversucht wurde, auf diesem Wege zum Erfolg zu gelangen und dabei die\nTraktionen nicht vorsichtig genug durchgefuhrt wurden, zumal hier die\nÜbergange nach den einleuchtenden Darlegungen des Sachverstandigen fließend\nsind. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| bb) Ferner ist nicht ersichtlich und kann auch vom Beklagten nicht\nbehauptet werden, dass alsbald nach Feststellung der Dystokie der Wehentropf\nabgeschaltet wurde. In dem vorgelegten CTG ist vermerkt, dass die Infusion\nnach 19.00 Uhr wegen einer Verlangsamung des kindlichen Herzschlags\nkurzfristig abgestellt, dann aber wieder in Gang gesetzt wurde, ohne dass eine\nBeendigung dokumentiert ware. Wehenhemmende Mittel sind offenbar nicht\nverabreicht worden. Der Sachverstandige wies zwar darauf hin, dass man\nangesichts des raschen weiteren Geburtsverlaufs nicht angeben kann, ob das\nBelassen des Tropfes in dieser Phase uberhaupt noch eine Wehe ausgelost hat.\nAussagen dazu sind aber nicht moglich, sodass sich auch keine Erkenntnisse\nzugunsten des Beklagten ableiten lassen. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| cc) Dass vor dem invasiven Vorgehen das Mc-Roberts-Manover versucht wurde,\nist nicht dokumentiert, sodass zunachst davon auszugehen ist, dass dies nicht\nder Fall war. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 3.) Unter diesen Umstanden ware es Sache des Beklagten, nachzuweisen, dass\ndie Geburtsschadigung der Klagerin trotz sachgerechten Vorgehens eingetreten\nist. Diese Überzeugung konnte er der Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit\nvermitteln. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| a) Der Beklagte hat sich erstmals im Zusammenhang mit dem von den Eltern\nder Klagerin im Jahr 1999 in Gang gesetzten Verfahren vor der\nGutachterkommission zu den Vorgangen bei der Geburt geaußert. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| In seiner ersten Stellungnahme gab er zwar nunmehr an, es sei eine\n"Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse" eingetreten, was fur einen\n"hohen Schultergeradstand" spricht, schilderte aber trotz Kenntnis, dass gegen\nihn Vorwurfe erhoben worden waren, das weitere Vorgehen nur pauschal dahin,\ndass es weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen sei, den\nKorper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug gewesen\nsei. Erst mit Hilfe der Kurznarkose sei ihm unter großer Muhe die Extraktion\ndes Kindes gelungen. Diese Extraktion habe so rasch wie moglich erfolgen\nmussen, um cerebrale Schaden oder gar den Tod des Kindes zu verhindern. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| b) Zu einer detaillierteren Schilderung des Beklagten kam es erst mit\nseinem Schreiben an die Gutachterkommission vom 12.3.2000, nachdem er in einem\nGesprach mit den beiden Hebammen anhand der Krankenunterlagen versucht hatte,\ndas damalige Geschehen zu rekonstruieren. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Hier wird erstmals ein Vorgehen entsprechend dem Mc-Roberts-Manover\ngeschildert und - nachdem dieses nicht zum Erfolg fuhrte - das unter der\ninzwischen verabreichten Narkose erfolgte manuelle Hochschieben der\nSchulterpartie, durch das es gelungen sei, diese in den schragen Durchmesser\nzu drucken, die Schulter frei zu bekommen und die Axilla des Kindes zu fassen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Dementsprechend haben dann beide Hebammen am 15.11.2002 als Zeugen vor der\nKammer angegeben, es seien die Manover nach Mc-Roberts durchgefuhrt worden. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Die Zeugin W erganzte, dass, als dies erfolglos war, nach der Woods-Methode\nvorgegangen worden sei. Sie bezog ihre Sicherheit hinsichtlich dieser\nTatsachen jedoch daraus, dass es sich bei diesen Maßnahmen um das\n"standardmaßige Vorgehen" handle. Die dokumentierten "Traktionen" beschrieb\ndie Zeugin als "Ziehen am Kopf des Kindes". \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Zeugin K. raumte ein, dass sie sich nicht mehr in allen Einzelheiten an\nden Geburtsvorgang erinnere, die Ausfuhrungen im Schreiben vom 12.3.2000\nberuhten jedoch auf ihren "prasenten Erinnerungen". \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Unter diesen Umstanden bleiben bei der Kammer erhebliche Zweifel, wie weit\ndie sechs Jahre nach dem Geschehen in einer "Gemeinschaftsarbeit" zwischen dem\nBeklagten und den beiden Hebammen verfasste Darstellung zuverlassig ist, auch\nwenn damit keineswegs unterstellt werden soll, die Schilderung sei wissentlich\ngeschont worden. Diesen Angaben kann nach so langer Zeit kein entscheidender\nBeweiswert beigemessen werden (OLG Stuttgart aaO.). \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| c) Auch mit Hilfe des Sachverstandigen konnte keine ausreichende Aufklarung\nder Vorgange mehr erfolgen. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Nach seiner Darstellung ergibt sich zwar aus den Gesamtumstanden, dass es\nsich entsprechend der Darstellung des Beklagten um einen sog. hohen\nSchultergeradstand gehandelt hat, sodass das gebotene weitere schulmaßige\nVorgehen bestimmbar ist. Auch der zeitliche Ablauf lasst sich mit Hilfe der\nsich aus dem CTG ergebenden Uhrzeiten und den Angaben des Beklagten im\nKrankenblatt, wonach es ca. 4 bis 5 Minuten gedauert hat, bis ihm die\nvollstandige Geburt des Kindes um 19.40 Uhr gelungen war, hinlanglich genau\neingrenzen. Der Sachverstandige kommt damit zu dem Ergebnis, dass das\nzeitliche Geburtsmanagement, insbesondere auch die Hinzuziehung des\nAnasthesisten und die Verabreichung der Narkose ohne ersichtliche\nZeitverzogerung erfolgte. Auch die Tatsache, dass die Klagerin sich nach der\nGeburt schnell erholte (Apgar nach 5 Minuten> 5) und keine cerebralen Schaden\ndavongetragen hat, spricht fur das rasche Vorgehen. Der Verzicht auf einen\nDammschnitt war im konkreten Fall vertretbar, nachdem festgestellt worden war,\ndass Vagina und Weichteile ausreichend weit waren und der innere Eingriff\nmoglich war und nur zu einem leichten Dammriss gefuhrt hat. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Dies vermag jedoch nichts daran zu andern, dass davon auszugehen ist, dass\nder Wehentropf nicht abgestellt wurde, dass unklar ist, welche Manipulationen\nder Beklagte und die Hebammen bei den vermerkten "wechselnden Traktionen"\nvorgenommen haben, dass zweifelhaft bleibt, ob das externe Manover nach Mc-\nRoberts versucht wurde und wie der Beklagte vorgegangen ist, um - wie im\nBeiblatt zum Geburtsprotokoll vermerkt - die Axilla zu fassen zu bekommen.\nVielmehr lasst dies die ernsthafte Moglichkeit offen, dass angesichts der hoch\ndramatischen und in der Praxis eher selten vorkommenden Situation der\nSchulterdystokie in einzelnen Phasen doch zu hastig, ubersturzt oder sonst wie\nfehlerhaft vorgegangen und dadurch der Geburtsschaden ausgelost wurde. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| d) Auf Grund dieser sparlichen Dokumentation sind entscheidende Punkte des\nGeburtsmanagements auch nicht wenigstens in groben Zugen nachvollziehbar,\nsodass unterstellt werden muss, dass das Vorgehen in erheblichem Ausmaß hinter\nden elementaren Behandlungsregeln zuruckgeblieben ist. Unter diesen Umstanden\nlasst die Beweisbehinderung der Klagerin es als billig erscheinen, ihr auch im\nHinblick auf die Frage der Kausalitat Beweiserleichterungen zugute kommen zu\nlassen (OLG Stuttgart aaO.; OLG Koln VersR 1994, 1424, LG Rottweil aaO.). Da\nbei der gegebenen Beweislage in Betracht kommende fehlerhafte Manipulationen\nin Verbindung mit der weiteren Verabreichung wehenfordernder Mittel in hohem\nMaße geeignet sind, den bei der Klagerin entstandenen Geburtsschaden\nauszulosen, ist zulasten des Beklagten davon auszugehen, dass hier solche\nFehler zum Schaden gefuhrt haben. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Mit dem OLG Stuttgart (aaO.) weist die Kammer darauf hin, dass damit das\nanerkennenswerte Bemuhen des Beklagten, den Geburtsvorgang und die\neingetretene lebensbedrohliche Situation fur die Klagerin rasch zu beenden,\nebenso wenig verkannt wird, wie die Tatsache, dass es ihm erfreulicherweise\ngelungen ist, das Kind lebend und ohne cerebrale Schaden zur Welt zu bringen.\nBei der Feststellung der Haftung geht es nicht "um eine Sanktion fur grobe\nFahrlassigkeit im Sinne einer auch subjektiv gesteigerten Vorwerfbarkeit der\nfestgestellten Versaumnisse" (aaO.), sondern um einen Ausgleich dafur, dass\ndie Beweissituation der Patientin durch die mangelhafte Dokumentation derart\nverschlechtert worden ist, dass ihr der volle Nachweis der Kausalitat fur den\nGesundheitsschaden nicht zugemutet werden kann. \n--- \n--- \nIII.) \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| 1.) Zur Abgeltung der der Klagerin entstandenen korperlichen Schaden und\nBeeintrachtigungen halt die Kammer gem. § 847 aF. BGB ein Schmerzensgeld in\nHohe von 40.000,- EUR fur angemessen und orientiert sich dabei u.a. an den\nEntscheidungen des OLG Stuttgart aaO., das im Jahr 1997 fur ahnliche\nKorperschaden ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen hat und dem\nUrteil des LG Rottweil (aaO.), das unter Hinweis auf Entscheidungen der OLG\nHamm und Frankfurt zu einem Schmerzensgeldbetrag von 50.000,- EUR kam. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Klagerin hat sich zur Darlegung ihrer Beeintrachtigungen im\nWesentlichen auf das Attest der Universitatskinderklinik T. vom 15.7.2003 (Bl.\n105 d.A.) gestutzt. Auch im Gutachten der Gutachterkommission wird ein Attest\ndes O-Hospitals Stuttgart vom 24.5.1995 wiedergegeben, das den damaligen\nZustand festhalt. Die sich aus diesen Unterlagen ergebenden und im Tatbestand\nwiedergegebenen Tatsachen sind unstreitig. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Demnach ist die Klagerin dadurch, dass der linke Arm ein vermindertes\nWachstum aufweist, in der Motorik stark beschrankt ist und die Hand nur noch\nim Sinne einer Hilfshand eingesetzt werden kann, dauerhaft und erheblich in\nihrem Alltagsleben, in der Schule, bei sportlicher Betatigung, z.B. beim\nFahrradfahren, sowie in ihrer kunftigen Berufswahl beeintrachtigt. Sie wird\ndarauf angewiesen sein, in regelmaßiger krankengymnastischer Behandlung zu\nbleiben, um ihren Status nicht zu verschlechtern, insbesondere auch\nBeschwerden etwa im Bereich der Wirbelsaule zu vermeiden. Das Horner-Syndrom\nmit der Lidlahmung hat eine Entstellung im Gesicht zur Folge, die fur ein\nheranwachsendes Madchen im gesellschaftlichen Bereich nachteilig und belastend\nist. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Andererseits ist festzustellen, dass sich die Klagerin Techniken angeeignet\nhat, um sich im Alltag alleine zurechtzufinden, etwa beim An- und Auskleiden.\nDabei mag auch von Vorteil sein, dass sich die Schadigung auf den linken Arm\nbezieht. Folgeschaden etwa an der Wirbelsaule liegen bisher nicht vor. Nach\nDarstellung der Eltern hat die jetzt 10-jahrige bisher keine psychischen\nProbleme. Ihre schulischen Leistungen sind gut. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Unter diesen Umstanden halt die Kammer ein Schmerzensgeld von 40.000,- EUR\nals angemessen, aber auch ausreichend. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| 2.) Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begrundet. Schon die Tatsache,\ndass die Klagerin sich auch weiterhin in arztliche und insbesondere\nregelmaßige krankengymnastische Behandlung begeben muss, macht offensichtlich,\ndass mit weiteren kunftigen materiellen aber auch immateriellen Schaden zu\nrechnen ist. \n--- \n--- \nIV.) \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | I.) \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Dies gilt hinsichtlich des Feststellungsinteresses\n(§ 256 ZPO) insbesondere auch fur den Feststellungsantrag Ziffer 2 soweit er\nsich auch auf den bisher entstandenen materiellen Schaden bezieht. Die\nKlagerin ist wegen ihrer Beeintrachtigungen weiterhin in arztlicher und\nkrankengymnastischer Behandlung. Die Schadensentwicklung ist deshalb noch\nnicht abgeschlossen. Es ist anerkannt, dass unter diesen Voraussetzungen eine\ninsgesamt erhobene Feststellungsklage zulassig ist (Zoller-Greger, 24. Aufl.,\nRn 7a zu § 256 ZPO mwN.). \n--- \n--- \nII.) \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Beklagte haftet der Klagerin fur die bei\nihr beim Geburtsvorgang eingetretene Armplexuslahmung und das Hornersyndrom\ngem. §§ 823, 847 BGB aF. i.V.m. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Es ist zwar nicht positiv feststellbar, dass dem Beklagten bei der\ngeburtlichen Entwicklung der Klagerin Fehler unterlaufen sind. Wegen der\nmangelhaften Dokumentation obliegt es aber dem Beklagten nachzuweisen, dass\nsein Vorgehen kunstgerecht und unverschuldet oder jedenfalls nicht kausal war.\nDiesen Nachweis kann er nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbringen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 1.) Aus den Darlegungen des Sachverstandigen Prof. Dr. Kr. ergibt sich im\nEinklang mit den Anforderungen an die Dokumentation einer Schulterdystokie,\ndie in der Medizin und ihr folgend in der Rechtsprechung gestellt werden (vgl.\nOLG Stuttgart VersR 1999, 582 mwN., OLG Dusseldorf VersR 2003, 114, LG\nRottweil, Urteil vom 27.11.2003, Az.: 2 O 537/01, jeweils fur Vorfalle aus dem\nJahr 1994 und fruher), dass zunachst festgehalten werden muss, um welche Art\nder Schulterdystokie es sich handelt (hoher Schultergeradstand/tiefer\nSchulterquerstand) und dass sodann die ergriffenen Maßnahmen chronologisch\nunter Angabe der Uhrzeiten der relevanten Maßnahmen und unter Nennung der\nhieran beteiligten Personen zu schildern sind. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Fur das Vorgehen nach der Diagnose einer Schulterdystokie in Gestalt eines\nhohen Schultergeradstandes ist ferner als Ablaufschema anerkannt und vom\nSachverstandigen dargelegt, dass zunachst ein angelegter Wehentropf abgestellt\nwerden muss, um zu verhindern, dass die an der Symphyse verkeilte Schulter des\nKindes durch weitere Wehentatigkeit weiterer Druckbelastung ausgesetzt wird.\nStattdessen ist eine medikamentose Wehenhemmung zu verabreichen. Aus demselben\nGrund ist ein kraftiger Zug am kindlichen Kopf ebenso zu vermeiden, wie\nDruckmaßnahmen auf den Fundus ("sog. Kristellern"). Sodann ist mit außeren\nHandgriffen zu versuchen, die Dystokie zu losen. Dazu kommen in Betracht, das\nsog. Mc-Roberts Manover, bei dem durch Überstrecken und anschließendes\nmaximales Beugen der mutterlichen Beine im Huftgelenk versucht wird, die\nkindliche Schulter von der Symphyse zu losen. Sodann kann durch Druck oberhalb\nder Symphyse versucht werden, die Schulter in das Becken hineinzudrucken.\nFerner kann man versuchen, das Kopfchen außerlich zu uberdrehen, um die\nDrehbewegung auf den Korper zu ubertragen (Martius-Methode). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Spatestens wenn diese außeren Handgriffe versagen, mussen innere Manover\nfolgen, fur die in der Regel ein Dammschnitt gelegt werden muss, um den\nEingang zu erleichtern. Außerdem ist ein Anasthesist und ein Padiater\nhinzuziehen. Mit dem sog. Manover nach Woods versucht der Gynakologe, mit der\nHand die vordere Schulter des Kindes zu losen, was sowohl von der Brust wie\nvon der Ruckenseite her geschehen kann. Gelingt dies nicht, muss versucht\nwerden, den in der Sakralhohle liegenden hinteren Arm zu losen, wobei sich das\nRisiko fur kindliche Oberarm- und Schlusselbeinfrakturen deutlich erhoht. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| (Weitere nachste Schritte, wie das Zuruckschieben des Kindes und\nDurchfuhrung einer Schnittentbindung oder ein Durchtrennen der Schambeinfuge,\nsind fur den vorliegenden Fall irrelevant.) \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Der Sachverstandige weist zwar darauf hin, dass sich bisher keines dieser\nManover und deren Abfolge als uberlegen gezeigt habe, dass aber das\ngeschilderte Vorgehen logisch ist und insbesondere versucht, mit moglichst\nwenig invasiven Maßnahmen zum Ziel zu gelangen. Dies hat Eingang gefunden in\ndie Empfehlungen zur Schulterdystokie der Deutschen Gesellschaft fur\nGynakologie und Geburtshilfe aus dem Jahr 2000, war aber auch schon wesentlich\nfruher Standard, wie etwa die oben zitierten Entscheidungen der OLG Stuttgart\nund Dusseldorf zeigen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| 2.) Bezogen auf diese Maßnahmen enthalt das Geburtsprotokoll in Verbindung\nmit dem vom Beklagten nach der Geburt diktierten "Beiblatt" keine Hinweise auf\ndie Art der Schulterdystokie. Die "wechselnden Traktionen" sind nicht naher\ndefiniert. Weitere außere Manover (z.B. Mc-Roberts) werden nicht genannt. Auch\ndas innere Manover ist nicht im Sinne der oben genannten verschiedenen\nMoglichkeiten naher beschrieben. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Unter diesen Umstanden kann nicht festgestellt werden, ob das Vorgehen des\nBeklagten sachgerecht war. Darauf hat schon die Gutachterkommission in ihrem\nGutachten vom 13.11.2001 hingewiesen und kam zu dem Ergebnis, ein\nBehandlungsfehler des Beklagten konne "nicht mit an Sicherheit grenzender\nWahrscheinlichkeit festgestellt werden". \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| 3.) Im Zivilprozess stellt sich diese Frage aber aus Beweislastgrunden\nanders. Da die Dokumentation, die zeitnah in unmittelbarem Zusammenhang mit\nder Behandlung zu erfolgen hat und nicht beliebig nachholbar ist\n(Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 2. Aufl., § 59 Rn 12), hier erhebliche Lucken\naufweist, wird der Klagerin der Nachweis eines fehlerhaften Verhaltens\nunbillig erschwert. Ihr ist deshalb zumindest eine Beweiserleichterung\nzuzubilligen, die dazu fuhrt, dass ein Behandlungsfehler als erwiesen gilt,\nwenn dieser ernsthaft in Betracht kommt (OLG Saarbrucken VersR 1988, 916 mwN.,\nOLG Koln VersR 1994, 1424). Im Übrigen wird vermutet, dass eine\ndokumentationspflichtige aber nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht\ngetroffen worden ist (BGH NJW 1988,2949). Der Dokumentationsmangel ist sodann\nauch fur den Nachweis des Kausalzusammenhangs von Bedeutung, wenn der aufgrund\nder unterlassenen oder fehlerhaften Dokumentation indizierte Behandlungsfehler\nals "grob" anzusehen ware (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, Seite 268\nmwN.). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| a) Nach diesen Grundsatzen kann ein Behandlungsfehler des Beschuldigten\nnicht ausgeschlossen werden. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Es ergibt sich aus den zahlreichen in der Rechtsprechung ausgeurteilten\nSachverhalten und wird auch vom Sachverstandigen bestatigt, dass bei einer\nSchulterdystokie z.B. ein kraftiges Ziehen am Kopf des Kindes oder Druck auf\nden Fundus vermieden werden muss und dass ubersturzte Extraktionsversuche\nhaufig zu einer Armplexuslahmung fuhren. Damit kommt angesichts der Verletzung\nder Klagerin ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten oder der unter seiner\nAufsicht tatigen Hebammen in Betracht. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| aa) Insbesondere ist unklar, in welcher Weise die im Beiblatt zum\nGeburtsbericht beschriebenen "wechselnden Traktionen" stattgefunden haben. Der\nSachverstandige hat dargelegt, dass es regelgerecht ist, wenn nach der Geburt\ndes Kopfes zunachst einmal die Hebamme feststellt, dass die Geburt nicht\nweitergeht. Wieso dann aber - entsprechend dem Protokoll - noch die zweite\nHebamme vor dem Beklagten an den Traktionen beteiligt war, konnte der\nSachverstandige nicht erklaren. Zwar wird in den genannten Leitlinien (vgl. K\n4) ebenfalls der Begriff "Traktion" verwendet, aber ausdrucklich von\n"vorsichtiger" Traktion gesprochen, wie dies auch der Sachverstandige\nerlautert hat. Ob diese Bedingung gewahrt wurde, lasst sich dem Protokoll\nnicht entnehmen. Die Tatsache, dass sich alle drei Beteiligten bei den\nTraktionen versucht haben, kann auch ein Hinweis darauf sein, dass forciert\nversucht wurde, auf diesem Wege zum Erfolg zu gelangen und dabei die\nTraktionen nicht vorsichtig genug durchgefuhrt wurden, zumal hier die\nÜbergange nach den einleuchtenden Darlegungen des Sachverstandigen fließend\nsind. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| bb) Ferner ist nicht ersichtlich und kann auch vom Beklagten nicht\nbehauptet werden, dass alsbald nach Feststellung der Dystokie der Wehentropf\nabgeschaltet wurde. In dem vorgelegten CTG ist vermerkt, dass die Infusion\nnach 19.00 Uhr wegen einer Verlangsamung des kindlichen Herzschlags\nkurzfristig abgestellt, dann aber wieder in Gang gesetzt wurde, ohne dass eine\nBeendigung dokumentiert ware. Wehenhemmende Mittel sind offenbar nicht\nverabreicht worden. Der Sachverstandige wies zwar darauf hin, dass man\nangesichts des raschen weiteren Geburtsverlaufs nicht angeben kann, ob das\nBelassen des Tropfes in dieser Phase uberhaupt noch eine Wehe ausgelost hat.\nAussagen dazu sind aber nicht moglich, sodass sich auch keine Erkenntnisse\nzugunsten des Beklagten ableiten lassen. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| cc) Dass vor dem invasiven Vorgehen das Mc-Roberts-Manover versucht wurde,\nist nicht dokumentiert, sodass zunachst davon auszugehen ist, dass dies nicht\nder Fall war. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 3.) Unter diesen Umstanden ware es Sache des Beklagten, nachzuweisen, dass\ndie Geburtsschadigung der Klagerin trotz sachgerechten Vorgehens eingetreten\nist. Diese Überzeugung konnte er der Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit\nvermitteln. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| a) Der Beklagte hat sich erstmals im Zusammenhang mit dem von den Eltern\nder Klagerin im Jahr 1999 in Gang gesetzten Verfahren vor der\nGutachterkommission zu den Vorgangen bei der Geburt geaußert. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| In seiner ersten Stellungnahme gab er zwar nunmehr an, es sei eine\n"Verkeilung der Schulter hinter der Symphyse" eingetreten, was fur einen\n"hohen Schultergeradstand" spricht, schilderte aber trotz Kenntnis, dass gegen\nihn Vorwurfe erhoben worden waren, das weitere Vorgehen nur pauschal dahin,\ndass es weder ihm, noch den beiden anwesenden Hebammen gelungen sei, den\nKorper des Kindes zu extrahieren, obwohl der Geburtskanal weit genug gewesen\nsei. Erst mit Hilfe der Kurznarkose sei ihm unter großer Muhe die Extraktion\ndes Kindes gelungen. Diese Extraktion habe so rasch wie moglich erfolgen\nmussen, um cerebrale Schaden oder gar den Tod des Kindes zu verhindern. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| b) Zu einer detaillierteren Schilderung des Beklagten kam es erst mit\nseinem Schreiben an die Gutachterkommission vom 12.3.2000, nachdem er in einem\nGesprach mit den beiden Hebammen anhand der Krankenunterlagen versucht hatte,\ndas damalige Geschehen zu rekonstruieren. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Hier wird erstmals ein Vorgehen entsprechend dem Mc-Roberts-Manover\ngeschildert und - nachdem dieses nicht zum Erfolg fuhrte - das unter der\ninzwischen verabreichten Narkose erfolgte manuelle Hochschieben der\nSchulterpartie, durch das es gelungen sei, diese in den schragen Durchmesser\nzu drucken, die Schulter frei zu bekommen und die Axilla des Kindes zu fassen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Dementsprechend haben dann beide Hebammen am 15.11.2002 als Zeugen vor der\nKammer angegeben, es seien die Manover nach Mc-Roberts durchgefuhrt worden. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Die Zeugin W erganzte, dass, als dies erfolglos war, nach der Woods-Methode\nvorgegangen worden sei. Sie bezog ihre Sicherheit hinsichtlich dieser\nTatsachen jedoch daraus, dass es sich bei diesen Maßnahmen um das\n"standardmaßige Vorgehen" handle. Die dokumentierten "Traktionen" beschrieb\ndie Zeugin als "Ziehen am Kopf des Kindes". \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Zeugin K. raumte ein, dass sie sich nicht mehr in allen Einzelheiten an\nden Geburtsvorgang erinnere, die Ausfuhrungen im Schreiben vom 12.3.2000\nberuhten jedoch auf ihren "prasenten Erinnerungen". \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Unter diesen Umstanden bleiben bei der Kammer erhebliche Zweifel, wie weit\ndie sechs Jahre nach dem Geschehen in einer "Gemeinschaftsarbeit" zwischen dem\nBeklagten und den beiden Hebammen verfasste Darstellung zuverlassig ist, auch\nwenn damit keineswegs unterstellt werden soll, die Schilderung sei wissentlich\ngeschont worden. Diesen Angaben kann nach so langer Zeit kein entscheidender\nBeweiswert beigemessen werden (OLG Stuttgart aaO.). \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| c) Auch mit Hilfe des Sachverstandigen konnte keine ausreichende Aufklarung\nder Vorgange mehr erfolgen. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Nach seiner Darstellung ergibt sich zwar aus den Gesamtumstanden, dass es\nsich entsprechend der Darstellung des Beklagten um einen sog. hohen\nSchultergeradstand gehandelt hat, sodass das gebotene weitere schulmaßige\nVorgehen bestimmbar ist. Auch der zeitliche Ablauf lasst sich mit Hilfe der\nsich aus dem CTG ergebenden Uhrzeiten und den Angaben des Beklagten im\nKrankenblatt, wonach es ca. 4 bis 5 Minuten gedauert hat, bis ihm die\nvollstandige Geburt des Kindes um 19.40 Uhr gelungen war, hinlanglich genau\neingrenzen. Der Sachverstandige kommt damit zu dem Ergebnis, dass das\nzeitliche Geburtsmanagement, insbesondere auch die Hinzuziehung des\nAnasthesisten und die Verabreichung der Narkose ohne ersichtliche\nZeitverzogerung erfolgte. Auch die Tatsache, dass die Klagerin sich nach der\nGeburt schnell erholte (Apgar nach 5 Minuten> 5) und keine cerebralen Schaden\ndavongetragen hat, spricht fur das rasche Vorgehen. Der Verzicht auf einen\nDammschnitt war im konkreten Fall vertretbar, nachdem festgestellt worden war,\ndass Vagina und Weichteile ausreichend weit waren und der innere Eingriff\nmoglich war und nur zu einem leichten Dammriss gefuhrt hat. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Dies vermag jedoch nichts daran zu andern, dass davon auszugehen ist, dass\nder Wehentropf nicht abgestellt wurde, dass unklar ist, welche Manipulationen\nder Beklagte und die Hebammen bei den vermerkten "wechselnden Traktionen"\nvorgenommen haben, dass zweifelhaft bleibt, ob das externe Manover nach Mc-\nRoberts versucht wurde und wie der Beklagte vorgegangen ist, um - wie im\nBeiblatt zum Geburtsprotokoll vermerkt - die Axilla zu fassen zu bekommen.\nVielmehr lasst dies die ernsthafte Moglichkeit offen, dass angesichts der hoch\ndramatischen und in der Praxis eher selten vorkommenden Situation der\nSchulterdystokie in einzelnen Phasen doch zu hastig, ubersturzt oder sonst wie\nfehlerhaft vorgegangen und dadurch der Geburtsschaden ausgelost wurde. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| d) Auf Grund dieser sparlichen Dokumentation sind entscheidende Punkte des\nGeburtsmanagements auch nicht wenigstens in groben Zugen nachvollziehbar,\nsodass unterstellt werden muss, dass das Vorgehen in erheblichem Ausmaß hinter\nden elementaren Behandlungsregeln zuruckgeblieben ist. Unter diesen Umstanden\nlasst die Beweisbehinderung der Klagerin es als billig erscheinen, ihr auch im\nHinblick auf die Frage der Kausalitat Beweiserleichterungen zugute kommen zu\nlassen (OLG Stuttgart aaO.; OLG Koln VersR 1994, 1424, LG Rottweil aaO.). Da\nbei der gegebenen Beweislage in Betracht kommende fehlerhafte Manipulationen\nin Verbindung mit der weiteren Verabreichung wehenfordernder Mittel in hohem\nMaße geeignet sind, den bei der Klagerin entstandenen Geburtsschaden\nauszulosen, ist zulasten des Beklagten davon auszugehen, dass hier solche\nFehler zum Schaden gefuhrt haben. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Mit dem OLG Stuttgart (aaO.) weist die Kammer darauf hin, dass damit das\nanerkennenswerte Bemuhen des Beklagten, den Geburtsvorgang und die\neingetretene lebensbedrohliche Situation fur die Klagerin rasch zu beenden,\nebenso wenig verkannt wird, wie die Tatsache, dass es ihm erfreulicherweise\ngelungen ist, das Kind lebend und ohne cerebrale Schaden zur Welt zu bringen.\nBei der Feststellung der Haftung geht es nicht "um eine Sanktion fur grobe\nFahrlassigkeit im Sinne einer auch subjektiv gesteigerten Vorwerfbarkeit der\nfestgestellten Versaumnisse" (aaO.), sondern um einen Ausgleich dafur, dass\ndie Beweissituation der Patientin durch die mangelhafte Dokumentation derart\nverschlechtert worden ist, dass ihr der volle Nachweis der Kausalitat fur den\nGesundheitsschaden nicht zugemutet werden kann. \n--- \n--- \nIII.) \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| 1.) Zur Abgeltung der der Klagerin entstandenen korperlichen Schaden und\nBeeintrachtigungen halt die Kammer gem. § 847 aF. BGB ein Schmerzensgeld in\nHohe von 40.000,- EUR fur angemessen und orientiert sich dabei u.a. an den\nEntscheidungen des OLG Stuttgart aaO., das im Jahr 1997 fur ahnliche\nKorperschaden ein Schmerzensgeld von 65.000,- DM zugesprochen hat und dem\nUrteil des LG Rottweil (aaO.), das unter Hinweis auf Entscheidungen der OLG\nHamm und Frankfurt zu einem Schmerzensgeldbetrag von 50.000,- EUR kam. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Klagerin hat sich zur Darlegung ihrer Beeintrachtigungen im\nWesentlichen auf das Attest der Universitatskinderklinik T. vom 15.7.2003 (Bl.\n105 d.A.) gestutzt. Auch im Gutachten der Gutachterkommission wird ein Attest\ndes O-Hospitals Stuttgart vom 24.5.1995 wiedergegeben, das den damaligen\nZustand festhalt. Die sich aus diesen Unterlagen ergebenden und im Tatbestand\nwiedergegebenen Tatsachen sind unstreitig. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Demnach ist die Klagerin dadurch, dass der linke Arm ein vermindertes\nWachstum aufweist, in der Motorik stark beschrankt ist und die Hand nur noch\nim Sinne einer Hilfshand eingesetzt werden kann, dauerhaft und erheblich in\nihrem Alltagsleben, in der Schule, bei sportlicher Betatigung, z.B. beim\nFahrradfahren, sowie in ihrer kunftigen Berufswahl beeintrachtigt. Sie wird\ndarauf angewiesen sein, in regelmaßiger krankengymnastischer Behandlung zu\nbleiben, um ihren Status nicht zu verschlechtern, insbesondere auch\nBeschwerden etwa im Bereich der Wirbelsaule zu vermeiden. Das Horner-Syndrom\nmit der Lidlahmung hat eine Entstellung im Gesicht zur Folge, die fur ein\nheranwachsendes Madchen im gesellschaftlichen Bereich nachteilig und belastend\nist. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Andererseits ist festzustellen, dass sich die Klagerin Techniken angeeignet\nhat, um sich im Alltag alleine zurechtzufinden, etwa beim An- und Auskleiden.\nDabei mag auch von Vorteil sein, dass sich die Schadigung auf den linken Arm\nbezieht. Folgeschaden etwa an der Wirbelsaule liegen bisher nicht vor. Nach\nDarstellung der Eltern hat die jetzt 10-jahrige bisher keine psychischen\nProbleme. Ihre schulischen Leistungen sind gut. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Unter diesen Umstanden halt die Kammer ein Schmerzensgeld von 40.000,- EUR\nals angemessen, aber auch ausreichend. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| 2.) Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begrundet. Schon die Tatsache,\ndass die Klagerin sich auch weiterhin in arztliche und insbesondere\nregelmaßige krankengymnastische Behandlung begeben muss, macht offensichtlich,\ndass mit weiteren kunftigen materiellen aber auch immateriellen Schaden zu\nrechnen ist. \n--- \n--- \nIV.) \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. \n--- \n---\n\n
141,565
vg-karlsruhe-2005-12-01-9-k-169804
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
9 K 1698/04
2005-12-01
2019-01-08 22:10:15
2019-01-17 12:01:45
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihr einen Zuschuss zu\nden Kosten fur die Einrichtung des Ganztagsbetriebes an der J.-P.-H.-Schule in\nB. nach dem Investitionsprogramm des Bundes „Zukunft Bildung und Betreuung"\n2003 bis 2007 (IZBB) zu gewahren. \n--- \n| 2 \n--- \n| Bereits am 14.05.2002 fasste der Gemeinderat der Klagerin den Beschluss,\ndie Verwaltung zu beauftragen, beim Kultusministerium die Einrichtung einer\nGanztagshauptschule an der J.-P.-H.-Schule ab dem Schuljahr 2003/2004 zu\nbeantragen. Gleichzeitig wurde beschlossen, die zu diesem Zeitpunkt in der\nJ.-P.-H.-Schule untergebrachte Volkshochschule in die von den Stadtwerken B.\nfur rund 450.000,-- EUR erworbenen Raume „Am Seedamm" zu verlagern. Zu diesem\nZweck sollten die entsprechenden Raume angemietet werden. Am 02.02.2003 wurde\ndie Volkshochschule in die neuen Raumlichkeiten umgesiedelt. In seiner Sitzung\nvom 20.05.2003 stimmte der Gemeinderat der Einrichtung einer\nGanztagshauptschule an der J.-P.-H.-Schule ab dem Schuljahr 2003/2004 zu. Fur\ndie Umgestaltung des Außengelandes und die Einrichtung und Moblierung des\nGanztagsbereichs wurden außerplanmaßige Ausgaben in Hohe von 40.000,-- EUR\ngenehmigt. Nachdem das Ministerium fur Kultus, Jugend und Sport Baden-\nWurttemberg mit Schreiben vom 28.05.2003 der Einrichtung des Ganztagsbetriebs\nzugestimmt hatte, wurde dieser mit Beginn des Schuljahres 2003/2004 in den\nehemaligen Raumen der Volkshochschule aufgenommen. Die Raume befinden sich in\neinem Erweiterungstrakt der J.-P.-H.-Schule, der in den Jahren 1996 bis 1997\nerrichtet wurde. Fur diesen Bau erhielt die Klagerin einen Zuschuss nach den\nSchulbauforderungsrichtlinien. Von der Forderung ausgeschlossen waren jedoch\ndie fur die Volkshochschule geschaffenen Raume. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 14.08.2003 hatte die Klagerin beim damals zustandigen Oberschulamt\nKarlsruhe (jetzt: Regierungsprasidium) einen Zuschuss nach dem IZBB beantragt.\nDie Gesamtkosten beliefen sich nach Angaben der Klagerin auf 499.182,66 EUR.\nDavon entfielen auf Ausstattungsmaßnahmen 49.305,- EUR, auf die Umgestaltung\nder Außenanlagen 78.562,66 EUR und auf den seinerzeitigen Baukostenanteil fur\ndie Schaffung der Raumlichkeiten der Volkshochschule 371.315,- EUR. Zur\nBegrundung ihres Antrags verwies die Klagerin auf den Beschluss ihres\nGemeinderates, die Volkshochschule aus dem Gebaude der J.-P.-H.-Schule\nauszulagern, um einen teuren Neubau zu vermeiden. Die Kosten fur die\nErrichtung der Raume fur die Volkshochschule in den Jahren 1996 und 1997\nbetrachte sie als berucksichtigungsfahig, weil es sich dabei um einen\nselbststandigen Gebaudetrakt handele und dieser nach den\nSchulbauforderungsrichtlinien auch als selbststandiger Abschnitt behandelt und\nabgerechnet worden sei. Die Verlagerung der Volkshochschule und damit die\nSchaffung der Voraussetzungen fur einen Ganztagsbetrieb sei erst in den Jahren\n2002 bis 2003 erfolgt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 10.11.2003 erkannte das Oberschulamt das Projekt\nGanztagsbetrieb an der J.-P.-H.-Schule grundsatzlich als forderungsfahig an.\nVon den beantragten 499.182,66 EUR wurden jedoch nur 92.819,- EUR als\nberucksichtigungsfahig anerkannt. Daraus errechnete sich ein Zuschuss in Hohe\nvon 83.000,- EUR. Unberucksichtigt blieben insbesondere die Baukosten fur die\nSchaffung der Raume der Volkshochschule in den Jahren 1996/97. \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid legte die Klagerin am 19.12.2003 Widerspruch ein. Zur\nBegrundung trug sie vor, die Zurverfugungstellung der Raume der\nVolkshochschule in der J.-P.-H.-Schule sei nach dem IZBB\nberucksichtigungsfahig. Die in dessen Nr. 1.4 genannten Investitionen „Neubau,\nAusbau, Umbau, Renovierung, Ausstattung" seien nicht abschließend, wie das\nWort „insbesondere" zeige. Daraus folge, dass weitere ahnliche Tatbestande\ngefordert werden konnten. So sei das IZBB zwischenzeitlich auch fur\nGebaudeerwerbsmaßnahmen der Schultrager geoffnet worden. Die\nZurverfugungstellung der ehemaligen Raume der Volkshochschule sei mit den\ngenannten Investitionen vergleichbar. Zwar handele es sich nicht um eine\nBaumaßnahme und auch nicht unmittelbar um den Erwerb eines Gebaudes. Die\ndauerhafte Bereitstellung von Raumlichkeiten fur einen bestimmten Zweck sei\neinem Erwerb derselben jedoch gleichzustellen. Sowohl in sonstigen\nForderrichtlinien als auch in den beitragsrechtlichen Regelungen des\nBaugesetzbuches werde die Bereitstellung eines stadtischen Gebaudes fur einen\nbestimmten Zweck dem Gebaudeerwerb gleichgestellt und als forderfahig bzw.\nbeitragsfahig anerkannt. Maßgebend sei hierbei regelmaßig der Wert des\nGebaudes im Zeitpunkt der Bereitstellung. Der Wert des Gebaudetraktes mit den\nRaumen der Volkshochschule betrage abzuglich einer jahrlichen Abschreibung in\nHohe von 4 v. H. fur die Jahre 1998 bis 2002 297.052,- EUR. Dieser Betrag sei\nauch im Rahmen des IZBB als forderfahig anzuerkennen. Fur die Verlagerung der\nVolkshochschule hatten die Stadtwerke B. GmbH, deren alleinige\nGesellschafterin sie sei, Raumlichkeiten erworben. Ihr seien fur den Kaufpreis\nsowie erforderliche Umgestaltungsmaßnahmen Kosten in Hohe von ca. 600.000,-\nEUR entstanden. Daraus werde ersichtlich, dass sie wesentliche finanzielle\nBelastungen auf sich nehme, um die Moglichkeit eines Ganztagsbetriebes in\nvorhandenen Raumen der J.-P.-H.-Schule zu schaffen. Ohne diese Raume waren die\nKosten fur die Einfuhrung der Ganztagsschule wesentlich hoher gewesen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2004 wies das Oberschulamt Karlsruhe\nnach Rucksprache mit dem Kultusministerium Baden-Wurttemberg den Widerspruch\nzuruck. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, die Berucksichtigung der Baukosten\nfur die in den Jahren 1996/1997 errichteten Raume der Volkshochschule sei\nnicht moglich. Eine Bezuschussung von fiktiven Kosten sehe das IZBB nicht vor.\nEs handele sich weder um eine Errichtung noch um den Erwerb eines Gebaudes.\nDie von der Volkshochschule genutzten Raume in der J.-P.-H.-Schule seien aus\nheutiger Sicht dem Schulbetrieb zuzurechnen, ohne einen Fordertatbestand\nauszulosen, auch wenn sie damals nicht staatlich gefordert worden seien.\nZwischen dem Erwerb des neuen Gebaudes fur die Volkshochschule im Juli 2002\nsowie dem nachfolgenden Mietvertrag zwischen der Stadt und den Stadtwerken\neinerseits und dem im Jahr 2003 in Kraft getretenen IZBB andererseits bestehe\nkein ursachlicher Zusammenhang. Kauf und Vermietung seien deutlich vor dem\n01.01.2003 vereinbart worden, den Nr. 3 Abs. 1 S. 2 des IZBB als Stichtag\nfestlege. Das IZBB solle nur dazu dienen, Maßnahmen zur Errichtung von\nGanztagseinrichtungen zu ermoglichen, die zusatzlich zu den bereits auf den\nWeg gebrachten oder bereits abgeschlossenen Investitionen ergriffen wurden.\nAnderenfalls konne ein Schultrager seine bereits in der Vergangenheit\ngetroffenen Investitionen ersetzt verlangen, ohne dass in der Summe\nzusatzliche Ganztagseinrichtungen ab dem Stichtag Januar 2003 geschaffen\nwurden. Dies widersprache aber gerade dem Zweck des Forderprogramms. Der\nBescheid wurde der Klagerin am 26.05.2004 zugestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 23.06. 2004 hat die Klagerin Klage erhoben. Zur Begrundung vertieft sie\nihren Vortrag im Widerspruchsverfahren. Erganzend fuhrt sie aus, die\ndauerhafte Bereitstellung von bislang anderweitig genutzten Raumlichkeiten aus\ndem Gemeindevermogen fur einen Ganztagsbetrieb sei jedenfalls dann einem\nNeubau oder Erwerb einer Immobilie gleichzustellen, wenn die Gemeinde die\nbisherige Nutzung auf ihre Kosten verlagern musste. Denn ohne die\nBereitstellung und die Verlagerung der bisherigen Nutzung hatten vergleichbare\nRaumlichkeiten neu erbaut oder erworben werden mussen. Ihr Fall sei daher\nanders zu bewerten als die Umwidmung leer stehender Raume zu Zwecken des\nGanztagsschulbetriebes. Die freigemachten Raume seien fur die Ganztagsschule\nzwingend erforderlich gewesen. Ein Neubau sei in zumutbarer Entfernung nicht\nmoglich bzw. nur mit nicht akzeptablen Eingriffen in einen innerstadtischen\nPark zu realisieren gewesen. Ein Neubau hatte fur die gleiche Schulflache bei\nfiktiv zugrunde gelegten 1.500,- EUR Baukosten pro m² Gesamtkosten in Hohe von\n451.500,-- EUR verursacht. Der Einwand des Beklagten, bei den Raumen der\nVolkshochschule handele es sich um vorhandene Schulraume, die dem Schulbetrieb\nzugerechnet werden mussten, treffe nicht zu. Denn die Raume seien zwar\nzeitgleich mit dem Erweiterungsbau des Schulkomplexes errichtet worden. Es\nhandle sich jedoch um zusatzliche und nur fur die Zwecke der Volkshochschule\ngeschaffene Raume. Die Verlagerung der Volkshochschule aus diesen Raumen in\nein anderes Gebaude stelle daher ein Aliud zu einem anderenfalls\nerforderlichen Neubau oder Erwerb eines Gebaudes dar. Ein Anspruch auf\nGewahrung der Forderung nach dem IZBB bestehe im Übrigen auch deshalb, weil\nNr. 4 Abs. 2 des IZBB die Schulbauforderungsrichtlinien in Bezug nehme. Aus\nderen Nr. 5.1 und 5.2 ergebe sich, dass die Nutzungsanderung ein dem Bau oder\nUmbau vergleichbarer Tatbestand sei. Die Verlagerung der Volkshochschule sei\nzum Stichtag, d.h. am 01.01.2003, zwar bereits begonnen worden. Sie sei jedoch\nerst am 02.02.2003 mit dem Umzug der Volkshochschule abgeschlossen gewesen. Es\ndurfe schließlich nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt werden, dass sie durch die\nVerlagerung der Volkshochschule die kostengunstigste und sachgerechteste\nAlternative gewahlt habe. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid des Oberschulamtes Karlsruhe vom 10.11.2003 und dessen\nWiderspruchsbescheid vom 21.05.2004 aufzuheben, soweit ihr Antrag vom\n14.08.2003 abgelehnt worden war, und den Beklagten zu verpflichten, ihr einen\nweiteren Zuschuss in Hohe von 267.000,- EUR zu gewahren, \n--- \n| 10 \n--- \n| hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, uber ihren Antrag vom 14.08.2003\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur Begrundung verweist er auf die angefochtenen Bescheide. Erganzend tragt\ner vor, bei den von der Klagerin geltend gemachten Baukosten handele es sich\nnicht um Investitionen, wie sie das IZBB vorsehe. Unter einer Investition sei\ndie Verwendung finanzieller Mittel oder die Anlage von Kapital in Vermogen zu\nverstehen. Die Erweiterung der forderfahigen Maßnahmen auf den Erwerb einer\nImmobilie durch das Kultusministerium Baden-Wurttemberg sei daher konsequent.\nDie Berucksichtigung fiktiver Kosten, wie sie die Klagerin anstrebe, sei nach\ndem IZBB jedoch nicht moglich. \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze\nsowie die der Kammer vorliegende Akte des Beklagten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| 1\\. Die Klage ist zulassig. Insbesondere fehlt der Klagerin nicht die\nKlagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Denn es ist nicht von vornherein und\neindeutig ausgeschlossen, dass die Klagerin in eigenen Rechten verletzt sein\nkann. Die Klagerin ist als Gemeinde Tragerin der J.-P.-H.-Schule (§ 28 Abs. 1\nSchG). Sie tragt als solche nach § 27 Abs. 1 SchG die sachlichen Kosten der\nSchule und ist nach § 27 Abs. 2 SchG berechtigt und verpflichtet, die Schule\nfortzufuhren. Die Einrichtung der Schule und ihre Unterhaltung sind kommunale\nSelbstverwaltungsaufgaben (BVerfG, Beschl. v. 24.06.1967, BVerfGE 26, 228,\n240). Die Frage des Zuschusses zu den Kosten fur die Einrichtung des\nGanztagsbetriebs an der J.-P.-H.-Schule betrifft die Klagerin in ihrer\nEigenschaft als Schultragerin und damit in ihrem eigenen Wirkungskreis. \n--- \n| 16 \n--- \n| 2\\. Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen die Klagerin nicht in ihren Rechten. Die Klagerin hat\nkeinen Anspruch auf die begehrte weitere Forderung nach der Bekanntmachung des\nInvestitionsprogramms des Bundes "Zukunft Bildung und Betreuung" 2003 - 2007 -\nIZBB - vom 21.05.2003, KuU Nr. 11 v. 13.6.2003, S. 81 (§ 113 Abs. 5 Satz 1\nVwGO). Auch der hilfsweise gestellte Bescheidungsantrag hat keinen Erfolg. \n--- \n| 17 \n--- \n| a) Sowohl das IZBB als auch der Aktenvermerk des Kultusministeriums vom\n30.3.2004 (Gt-info elektronisch Nr. 10/04 vom 05.06.2004) scheiden als\nunmittelbare Anspruchsgrundlage aus. Denn es handelt sich dabei nicht um\nRechtsnormen. \n--- \n| 18 \n--- \n| b) Auch auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG kann die\nKlagerin ihren Anspruch nicht stutzen. Nach der standigen Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts lassen sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des\nArt. 3 Abs. 1 GG zwar Anspruche des Burgers gegen den Staat herleiten (vgl.\nBVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, BVerfGE 27, 220, 227; Beschl. v. 27.10.1970,\nBVerfGE 29, 283, 303); im Bereich der Leistungsverwaltung begrundet Art. 3\nAbs. 1 GG einen Anspruch auf gleiche Teilhabe (vgl. Paehlke-Gartner in\nUmbach/Clemens, GG, 2002, Art. 3 Rdnr. 76). Ein solcher Anspruch steht der\nKlagerin jedoch von vornherein nicht zu, da sie als juristische Person des\noffentlichen Rechts nicht Tragerin des subjektiven Grundrechts aus Art. 3 Abs.\n1 GG ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.03.1988, BVerfGE 78, 101, 102; Jarass in\nJarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3 Rdnr. 8). \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Grundrechtsadressaten, d.h. auch die vollziehende Gewalt, sind jedoch\nauch dem objektiv-rechtlichen Prinzip der Gleichbehandlung verpflichtet. Sie\nhaben daher den Gleichheitssatz auch bei Maßnahmen zu beachten, von denen kein\nGrundrechtstrager betroffen wird (Paehlke-Gartner, a.a.O. Art. 3 Rdnr. 34). Im\nGleichheitssatz kommt ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck, der bereits\naus dem Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit folgt. Insofern beansprucht der\nGleichheitssatz objektiv auch Geltung fur die Beziehungen innerhalb des\nhoheitlichen Staatsaufbaus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.1967, BVerfGE 23,\n12, 24 und Beschl. v. 24.06.1969, BVerfGE 26, 228, 244; OVG Nordrhein-Westf.,\nUrt. v. 03.09.2002 - 15 A 2777/00 - juris). Insbesondere ist das sich aus dem\nallgemeinen Gleichheitssatz ergebende Willkurverbot zu beachten (BVerfG,\nBeschl. v. 01.07.1987, BVerfGE 76, 130, 139) bzw. - als dessen positive Seite\n- das Objektivitatsgebot. Wahrend das Willkurverbot ein Unterlassen des\nUnrechts gebietet, fordert das Objektivitatsgebot die Verwirklichung des\nRechts (vgl. P. Kirchhof in Handbuch des Staatsrechts Band V, 2. Aufl. 2000, §\n124 Rdnr. 246 und 257; Paehlke-Gartner, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 54). \n--- \n| 20 \n--- \n| Dennoch folgt aus dem so verstandenen Gehalt des Art. 3 Abs. 1 GG der\ngeltend gemachte Anspruch nicht. \n--- \n| 21 \n--- \n| aa) Der Beklagte gewahrt Finanzhilfen fur Investitionen zum Aufbau neuer\nGanztagsschulen, zur Weiterentwicklung bestehender Schulen zu Ganztagsschulen,\nzur Schaffung zusatzlicher Ganztagsplatze an bestehenden Ganztagsschulen sowie\nzur qualitativen Weiterentwicklung bestehender Ganztagsschulen im Rahmen der\nnach der Verwaltungsvereinbarung Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und\nBetreuung" 2003 - 2007 zwischen dem Bund und den Landern verfugbaren Mittel\nnach Maßgabe der Bekanntmachung Investitionsprogramm des Bundes "Zukunft\nBildung und Betreuung" 2003 - 2007 (IZBB) vom 21.05. 2003. Die Bewilligung\nerfolgt durch Bewilligungsbescheid des Beklagten (Nr. 5 Abs. 3 IZBB). Das IZBB\nregelt im Einzelnen die Voraussetzungen fur die Gewahrung der Geldleistung.\nGefordert werden nach Nr. 3 IZBB erforderliche Investitionen im Sinne der Nr.\n1 IZBB. Dabei handelt es sich nach der Definition der Nr. 1.4 IZBB\ninsbesondere um erforderliche Neubau-, Ausbau-, Umbau- und\nRenovierungsmaßnahmen, Ausstattungsinvestitionen sowie die mit den\nInvestitionen verbundenen Dienstleistungen (IT-Installation), soweit die\nInvestitionen fur den Ganztagsbetrieb in engem Zusammenhang mit den\nForderzielen stehen. Durch Aktenvermerk des Kultusministeriums Baden-\nWurttemberg vom 30.03.2004 (a.a.O.) wurde der Kreis der Investitionen\nerweitert. Forderungsfahig kann danach unter bestimmten Voraussetzungen auch\nder Erwerb eines Gebaudes sein. Durch Nr. 3 IZBB werden die forderungsfahigen\nInvestitionen in zeitlicher Hinsicht begrenzt. Gefordert werden nur\nInvestitionsvorhaben, die ab Inkrafttreten der Verwaltungsvereinbarung\nzwischen dem Bund und den Landern, d.h. ab dem 01.01.2003 begonnen wurden.\nInvestitionsvorhaben, die am 01.01.2003 bereits begonnen, aber noch nicht\nabgeschlossen waren, konnen gefordert werden, wenn es sich um selbststandige\nAbschnitte eines laufenden Vorhabens handelt. Art, Form und Hohe der Zuwendung\nregelt Nr. 4 IZBB. Das Antrags- und Bewilligungsverfahren richtet sich nach\nNr. 5 IZBB. \n--- \n| 22 \n--- \n| Bei der Bewilligung der Zuwendungen folgt der Beklagte den Vorgaben des IZBB\nund des Aktenvermerks des Kultusministeriums vom 30.03.2004. Dies wird auch\nvon der Klagerin nicht in Zweifel gezogen. Die unterlassene Einbeziehung des\nVorhabens der Klagerin in den Kreis der forderungsfahigen Vorhaben verletzt\nden Gleichheitssatz in dem oben dargestellten Sinn nicht. Sie ist sachlich\ngerechtfertigt und nicht evident unvertretbar (vgl. dazu P. Kirchhof, a.a.O. §\n124 Rdnr. 254; Paehlke-Gartner, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 54). \n--- \n| 23 \n--- \n| bb) Es liegt zunachst unstreitig keine der in Nr. 1.4 IZBB ausdrucklich\ngenannten Investitionsmaßnahmen vor. Die Klagerin hat fur den Ganztagsbetrieb\nan der J.-P.-H.-Schule auch kein Gebaude erworben, wie es der Aktenvermerk des\nKultusministeriums Baden-Wurttemberg vom 30.03.2004 vorsieht. Sie erachtet\njedoch die zur Verfugung Stellung der ehemaligen Raume der Volkshochschule als\ngleichwertige Investition im Sinne des IZBB. Dabei knupft sie an den Wortlaut\nder Nr. 1.4 IZBB an, der den Kreis der Investitionen nicht abschließend\nregelt, sondern - wie das Wort „insbesondere" zeigt - nur Beispiele fur\nInvestitionen im Sinne des IZBB nennt. Damit begehrt die Klagerin eine\nErweiterung der forderungsfahigen Investitionen auf die Zurverfugungstellung\nbislang anderweitig genutzter Raume im Wege der Auslegung des IZBB. Die\nKlagerin verkennt dabei, dass das IZBB in seiner Eigenschaft als\nVerwaltungsvorschrift - anders als Rechtsnormen - keiner Auslegung durch die\nVerwaltungsgerichte zuganglich ist. Das Begehren der Klagerin kann folglich\nnur daraufhin uberpruft werden, ob die Leistungsabwicklung (Vergabepraxis) im\nkonkreten Einzelfall mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG in dem o.g.\nSinn vereinbar und der durch die Zweckbindung gezogene Leistungsrahmen\nbeachtet ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45). \n--- \n| 24 \n--- \n| cc) Die Versagung eines Zuschusses nach dem IZBB verstoßt nicht gegen das\nWillkurverbot bzw. das Objektivitatsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Es besteht ein\nsachlicher Grund dafur, die Klagerin mit der von ihr gewahlten Investition von\nder Gewahrung eines Zuschusses nach dem IZBB auszuschließen. Bei den in Nr.\n1.4 IZBB und in dem Aktenvermerk des Kultusministeriums Baden-Wurttemberg vom\n30.03.2004 genannten Maßnahmen handelt es sich um Investitionen, bei denen\ntatsachlich „Geld geflossen" ist. Demgegenuber stellt die Zurverfugungstellung\nder fruheren Volkshochschul-Raume nach der Vorstellung der Klagerin eine\nhaushaltstechnische „Umbuchung" dar. Diese „Umbuchung" mag haushaltsrechtlich\nwerthaltig sein. Sie ist im Lichte des IZBB jedoch nicht mit den dort\ngenannten Investitionen vergleichbar. Die Klagerin raumt dies selbst ein,\nsoweit es sich um Falle handelt, in denen bislang leer stehende Raume fur den\nGanztagsbetrieb genutzt werden. Anders soll die Situation nach Ansicht der\nKlagerin jedoch sein, wenn es sich - wie hier - um bislang fur andere\nkommunale Zwecke genutzte Raume handelt und fur die Umsiedlung der bisherigen\nRaumnutzer Kosten entstanden sind. Dieser Argumentation folgt die Kammer\nnicht. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kosten fur den Erwerb der neuen Volkshochschulraume und deren\nUmgestaltung sind keine Kosten, die unmittelbar fur die Einrichtung des\nGanztagsbetriebs an der J.-P.-H.-Schule entstanden sind. Es handelt sich\nvielmehr um Kosten, die nur mittelbar damit in Zusammenhang stehen.\nUnmittelbar sind es Kosten fur die Verlagerung der Volkshochschule. Dies sieht\nauch die Klagerin, denn einen Zuschuss zu den Erwerbs- und Umgestaltungskosten\nder Volkshochschulraume begehrt sie nicht. Die - ersatzweise - Bezuschussung\nnach dem IZBB der in den Jahren 1996/1997 entstandenen, noch nicht\nabgeschriebenen Baukosten fur den bislang nicht bezuschussten Teil des\nErweiterungstraktes der J.-P.-H.-Schule kann uber diesen Umweg jedoch auch\nnicht erreicht werden. Denn diese Fallgestaltung weicht ganz erheblich von den\nin Nr. 1.4 IZBB und dem Aktenvermerk des Kultusministeriums vom 30.03.2004\ngenannten Investitionen ab. Es stellt keine gleichheitswidrige Benachteiligung\ndar, sie anders zu behandeln. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die der Bekanntmachung des IZBB zugrunde liegende Verwaltungsvereinbarung\ndes Bundes und der Lander vom 29.4.2003 beinhaltet die politische Entscheidung\ndes Bundes, Investitionsmaßnahmen fur Ganztagsprojekte zu fordern, die\nzugleich einen unmittelbaren gesamtwirtschaftlichen Effekt auslosen. Dass ein\nsolcher Effekt bezweckt ist, zeigt sich an der Bezugnahme auf Art. 104a Abs. 4\nGG in Art. 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung. Nach Art. 104a Abs. 4 GG darf\nder Bund den Landern Finanzhilfen gewahren. Sie mussen jedoch erforderlich\nsein, um eines der in dieser Vorschrift genannten Forderungsziele zu erreichen\n(vgl. Jarass, a.a.O. Art. 104a Rdnr. 9). Forderungsziel ist danach neben der\nAbwehr einer Storung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und dem\nAusgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet die Forderung des\nwirtschaftlichen Wachstums. Verschiebungen von Vermogen innerhalb des\nGemeindehaushalts losen ein solches wirtschaftliches Wachstum nicht aus. Um\neine solche Verschiebung handelt es sich bei der Umnutzung der fruheren\nVolkshochschulraume. Anders mag es sich zwar bei dem Erwerb der neuen\nVolkshochschulraume verhalten. Dieser Erwerb diente jedoch - abgesehen davon\ndass er nicht durch die Klagerin, sondern durch die rechtlich selbststandigen\nStadtwerke B. erfolgte und vor dem Stichtag 01.01.2003 bereits abgeschlossen\nwar - nicht unmittelbar der Einrichtung des Ganztagsbetriebs. \n--- \n| 27 \n--- \n| dd) Die Versagung eines Zuschusses nach dem IZBB stellt auch nicht deshalb\neine gleichheitswidrige Behandlung dar, weil die Klagerin dadurch fur\nsparsames Handeln „bestraft" wurde. \n--- \n| 28 \n--- \n| (1) Der Gemeinderat der Klagerin hat sich zwar aus Grunden der Sparsamkeit\ngegen einen - nach dem IZBB nunmehr forderungsfahigen - Neubau entschlossen\nund stattdessen die Verlagerung der Volkshochschule beschlossen. Hierfur wird\nsie durch die Versagung des Zuschusses jedoch nicht „bestraft". Dies wird\nanhand der Historie deutlich: \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Gemeinderat der Klagerin hatte bereits in seiner Sitzung vom 14.05.2002\nbeschlossen, die Verwaltung zu beauftragen, beim Kultusministerium Baden-\nWurttemberg die Einrichtung einer Ganztagshauptschule an der J.-P.-H.-Schule\nab dem Schuljahr 2003/2004 zu beantragen und fur die Verlagerung der\nVolkshochschule die von den Stadtwerken erworbenen Raume „Am Seedamm"\nanzumieten. Dieser Zeitpunkt lag lange vor der Verwaltungsvereinbarung\nzwischen dem Bund und den Landern vom 29.04.2003. Die Verwaltungsvereinbarung\nwurde ruckwirkend zum 01.01.2003 in Kraft gesetzt und war Grundlage fur die\nBekanntmachung des Kultusministeriums Baden-Wurttemberg vom 21.05.2003. Diese\nzeitliche Abfolge zeigt, dass der Gemeinderat der Klagerin den Beschluss zur\nEinrichtung eines Ganztagsbetrieb an der J.-P.-H.-Schule in Kenntnis und trotz\ndes Umstandes fasste, dass Fordermittel hierfur nicht zur Verfugung standen.\nDie Alternative, mit Fordergeldern einen Neubau zu errichten, bestand zu\ndiesem Zeitpunkt nicht. Es war auch nicht absehbar, dass es zu einer solchen\nForderung kommen konnte. Selbst wenn im Zuge der bevorstehenden Bundestagswahl\nein solches Forderprogramm diskutiert worden sein sollte, ware sein Beschluss\nzum Zeitpunkt der maßgeblichen Gemeinderatssitzung am 14.05.2002 noch vollig\nungewiss gewesen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der\nGemeinderat im Vorgriff auf eine erwartete Forderung oder gar unter der\nBedingung einer Forderung die Einrichtung des Ganztagsbetriebes an der\nJ.-P.-H.-Schule auf den Weg gebracht hat. \n--- \n| 30 \n--- \n| Ein Neubau schied aus Sicht der Klagerin - abgesehen davon, ob er angesichts\nder ortlichen Verhaltnisse uberhaupt zu verwirklichen gewesen ware - deshalb\naus, weil er die teurere Losung gewesen ware. Dass die Klagerin von der spater\ngeschaffenen Forderungsmoglichkeit nicht mehr profitieren kann, stellt somit\nkeine „Bestrafung" fur ihren Entschluss dar, statt der Errichtung eines\nNeubaus vorhandene Raume umzunutzen. \n--- \n| 31 \n--- \n| (2) Die Klagerin wird allenfalls dadurch benachteiligt, dass sie bereits\nfruhzeitig auf den Bedarf reagiert und die Einrichtung von Ganztagsschulen\nbeschlossen hat. Diesen Nachteil haben jedoch alle Kommunen zu tragen, die\nbereits in der Vergangenheit Ganztagsschulen eingerichtet haben und deshalb\nnicht mehr in den Genuss einer Forderung kommen konnen. Es besteht weder von\nGesetzes noch von Verfassungs wegen eine Verpflichtung, bereits getroffene\nMaßnahmen nachtraglich zu subventionieren. Dies gilt selbst dann, wenn diese\nMaßnahmen wirtschaftlich sinnvoll und sparsam sind und denen entsprechen, die\nzukunftig als forderungswurdig erachtet werden. \n--- \n| 32 \n--- \n| (3) An diesem Ergebnis andert auch der Hinweis der Klagerin auf den in Nr. 4\nIZBB enthaltenen Verweis auf den 4. Abschnitt der\nSchulbauforderungsrichtlinien (SchBauFR) nichts. Nach Nr. 5 SchBauFR sind zwar\nauch Nutzungsanderungen unter bestimmten Voraussetzungen forderungsfahig. Dies\ngilt jedoch nur fur eine Forderung nach den Schulbauforderungsrichtlinien,\nnicht dagegen fur eine Forderung nach dem IZBB. Denn Nr. 5 SchBauFR zahlt zum\n3. Abschnitt der Schulbauforderungsrichtlinien. Nr. 4 IZBB verweist jedoch nur\nhinsichtlich des zuschussfahigen Bauaufwandes auf die\nSchulbauforderungsrichtlinien. Diese werden in dessen 4. Abschnitt geregelt.\nFur die Frage einer gleichheitswidrigen Behandlung der Investition der\nKlagerin lassen sich somit aus Nr. 5 SchBauFR keine Erkenntnisse erzielen. \n--- \n| 33 \n--- \n| (4) Auch der Hinweis der Klagerin auf ihre Verpflichtung, die Grundsatze der\nWirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, fuhrt zu keinem anderen\nErgebnis. Diese Verpflichtung bedeutet nicht, dass alle wirtschaftlichen und\nsparsamen Maßnahmen nach dem IZBB zu fordern waren. An der Erfullung dieser\nAnforderung hegt die Kammer auch keinen Zweifel. Die nach dem IZBB\nforderungsfahigen Investitionsmaßnahmen mussen jedoch daruber hinaus den dort\ngenannten Kriterien entsprechen. Daran fehlt es hier. \n--- \n| 34 \n--- \n| c) Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Klage auch\ndeshalb scheitern muss, weil die durch das IZBB und das zugrunde liegende\nVerwaltungsabkommen zwischen dem Bund und den Landern bereitgestellten Mittel\nverbraucht sind. \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kammer sah keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten fur\nvorlaufig vollstreckbar zu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Berufung war nicht zuzulassen, da keiner der in § 124 a Abs. 1 i. V. m.\n§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO genannten Grunde vorliegt. Die Sache hat\ninsbesondere keine grundsatzliche Bedeutung, sondern stellt eine\nEinzelfallentscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Besonderheiten dar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| 1\\. Die Klage ist zulassig. Insbesondere fehlt der Klagerin nicht die\nKlagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Denn es ist nicht von vornherein und\neindeutig ausgeschlossen, dass die Klagerin in eigenen Rechten verletzt sein\nkann. Die Klagerin ist als Gemeinde Tragerin der J.-P.-H.-Schule (§ 28 Abs. 1\nSchG). Sie tragt als solche nach § 27 Abs. 1 SchG die sachlichen Kosten der\nSchule und ist nach § 27 Abs. 2 SchG berechtigt und verpflichtet, die Schule\nfortzufuhren. Die Einrichtung der Schule und ihre Unterhaltung sind kommunale\nSelbstverwaltungsaufgaben (BVerfG, Beschl. v. 24.06.1967, BVerfGE 26, 228,\n240). Die Frage des Zuschusses zu den Kosten fur die Einrichtung des\nGanztagsbetriebs an der J.-P.-H.-Schule betrifft die Klagerin in ihrer\nEigenschaft als Schultragerin und damit in ihrem eigenen Wirkungskreis. \n--- \n| 16 \n--- \n| 2\\. Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen die Klagerin nicht in ihren Rechten. Die Klagerin hat\nkeinen Anspruch auf die begehrte weitere Forderung nach der Bekanntmachung des\nInvestitionsprogramms des Bundes "Zukunft Bildung und Betreuung" 2003 - 2007 -\nIZBB - vom 21.05.2003, KuU Nr. 11 v. 13.6.2003, S. 81 (§ 113 Abs. 5 Satz 1\nVwGO). Auch der hilfsweise gestellte Bescheidungsantrag hat keinen Erfolg. \n--- \n| 17 \n--- \n| a) Sowohl das IZBB als auch der Aktenvermerk des Kultusministeriums vom\n30.3.2004 (Gt-info elektronisch Nr. 10/04 vom 05.06.2004) scheiden als\nunmittelbare Anspruchsgrundlage aus. Denn es handelt sich dabei nicht um\nRechtsnormen. \n--- \n| 18 \n--- \n| b) Auch auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG kann die\nKlagerin ihren Anspruch nicht stutzen. Nach der standigen Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts lassen sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des\nArt. 3 Abs. 1 GG zwar Anspruche des Burgers gegen den Staat herleiten (vgl.\nBVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, BVerfGE 27, 220, 227; Beschl. v. 27.10.1970,\nBVerfGE 29, 283, 303); im Bereich der Leistungsverwaltung begrundet Art. 3\nAbs. 1 GG einen Anspruch auf gleiche Teilhabe (vgl. Paehlke-Gartner in\nUmbach/Clemens, GG, 2002, Art. 3 Rdnr. 76). Ein solcher Anspruch steht der\nKlagerin jedoch von vornherein nicht zu, da sie als juristische Person des\noffentlichen Rechts nicht Tragerin des subjektiven Grundrechts aus Art. 3 Abs.\n1 GG ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.03.1988, BVerfGE 78, 101, 102; Jarass in\nJarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3 Rdnr. 8). \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Grundrechtsadressaten, d.h. auch die vollziehende Gewalt, sind jedoch\nauch dem objektiv-rechtlichen Prinzip der Gleichbehandlung verpflichtet. Sie\nhaben daher den Gleichheitssatz auch bei Maßnahmen zu beachten, von denen kein\nGrundrechtstrager betroffen wird (Paehlke-Gartner, a.a.O. Art. 3 Rdnr. 34). Im\nGleichheitssatz kommt ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck, der bereits\naus dem Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit folgt. Insofern beansprucht der\nGleichheitssatz objektiv auch Geltung fur die Beziehungen innerhalb des\nhoheitlichen Staatsaufbaus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.1967, BVerfGE 23,\n12, 24 und Beschl. v. 24.06.1969, BVerfGE 26, 228, 244; OVG Nordrhein-Westf.,\nUrt. v. 03.09.2002 - 15 A 2777/00 - juris). Insbesondere ist das sich aus dem\nallgemeinen Gleichheitssatz ergebende Willkurverbot zu beachten (BVerfG,\nBeschl. v. 01.07.1987, BVerfGE 76, 130, 139) bzw. - als dessen positive Seite\n- das Objektivitatsgebot. Wahrend das Willkurverbot ein Unterlassen des\nUnrechts gebietet, fordert das Objektivitatsgebot die Verwirklichung des\nRechts (vgl. P. Kirchhof in Handbuch des Staatsrechts Band V, 2. Aufl. 2000, §\n124 Rdnr. 246 und 257; Paehlke-Gartner, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 54). \n--- \n| 20 \n--- \n| Dennoch folgt aus dem so verstandenen Gehalt des Art. 3 Abs. 1 GG der\ngeltend gemachte Anspruch nicht. \n--- \n| 21 \n--- \n| aa) Der Beklagte gewahrt Finanzhilfen fur Investitionen zum Aufbau neuer\nGanztagsschulen, zur Weiterentwicklung bestehender Schulen zu Ganztagsschulen,\nzur Schaffung zusatzlicher Ganztagsplatze an bestehenden Ganztagsschulen sowie\nzur qualitativen Weiterentwicklung bestehender Ganztagsschulen im Rahmen der\nnach der Verwaltungsvereinbarung Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und\nBetreuung" 2003 - 2007 zwischen dem Bund und den Landern verfugbaren Mittel\nnach Maßgabe der Bekanntmachung Investitionsprogramm des Bundes "Zukunft\nBildung und Betreuung" 2003 - 2007 (IZBB) vom 21.05. 2003. Die Bewilligung\nerfolgt durch Bewilligungsbescheid des Beklagten (Nr. 5 Abs. 3 IZBB). Das IZBB\nregelt im Einzelnen die Voraussetzungen fur die Gewahrung der Geldleistung.\nGefordert werden nach Nr. 3 IZBB erforderliche Investitionen im Sinne der Nr.\n1 IZBB. Dabei handelt es sich nach der Definition der Nr. 1.4 IZBB\ninsbesondere um erforderliche Neubau-, Ausbau-, Umbau- und\nRenovierungsmaßnahmen, Ausstattungsinvestitionen sowie die mit den\nInvestitionen verbundenen Dienstleistungen (IT-Installation), soweit die\nInvestitionen fur den Ganztagsbetrieb in engem Zusammenhang mit den\nForderzielen stehen. Durch Aktenvermerk des Kultusministeriums Baden-\nWurttemberg vom 30.03.2004 (a.a.O.) wurde der Kreis der Investitionen\nerweitert. Forderungsfahig kann danach unter bestimmten Voraussetzungen auch\nder Erwerb eines Gebaudes sein. Durch Nr. 3 IZBB werden die forderungsfahigen\nInvestitionen in zeitlicher Hinsicht begrenzt. Gefordert werden nur\nInvestitionsvorhaben, die ab Inkrafttreten der Verwaltungsvereinbarung\nzwischen dem Bund und den Landern, d.h. ab dem 01.01.2003 begonnen wurden.\nInvestitionsvorhaben, die am 01.01.2003 bereits begonnen, aber noch nicht\nabgeschlossen waren, konnen gefordert werden, wenn es sich um selbststandige\nAbschnitte eines laufenden Vorhabens handelt. Art, Form und Hohe der Zuwendung\nregelt Nr. 4 IZBB. Das Antrags- und Bewilligungsverfahren richtet sich nach\nNr. 5 IZBB. \n--- \n| 22 \n--- \n| Bei der Bewilligung der Zuwendungen folgt der Beklagte den Vorgaben des IZBB\nund des Aktenvermerks des Kultusministeriums vom 30.03.2004. Dies wird auch\nvon der Klagerin nicht in Zweifel gezogen. Die unterlassene Einbeziehung des\nVorhabens der Klagerin in den Kreis der forderungsfahigen Vorhaben verletzt\nden Gleichheitssatz in dem oben dargestellten Sinn nicht. Sie ist sachlich\ngerechtfertigt und nicht evident unvertretbar (vgl. dazu P. Kirchhof, a.a.O. §\n124 Rdnr. 254; Paehlke-Gartner, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 54). \n--- \n| 23 \n--- \n| bb) Es liegt zunachst unstreitig keine der in Nr. 1.4 IZBB ausdrucklich\ngenannten Investitionsmaßnahmen vor. Die Klagerin hat fur den Ganztagsbetrieb\nan der J.-P.-H.-Schule auch kein Gebaude erworben, wie es der Aktenvermerk des\nKultusministeriums Baden-Wurttemberg vom 30.03.2004 vorsieht. Sie erachtet\njedoch die zur Verfugung Stellung der ehemaligen Raume der Volkshochschule als\ngleichwertige Investition im Sinne des IZBB. Dabei knupft sie an den Wortlaut\nder Nr. 1.4 IZBB an, der den Kreis der Investitionen nicht abschließend\nregelt, sondern - wie das Wort „insbesondere" zeigt - nur Beispiele fur\nInvestitionen im Sinne des IZBB nennt. Damit begehrt die Klagerin eine\nErweiterung der forderungsfahigen Investitionen auf die Zurverfugungstellung\nbislang anderweitig genutzter Raume im Wege der Auslegung des IZBB. Die\nKlagerin verkennt dabei, dass das IZBB in seiner Eigenschaft als\nVerwaltungsvorschrift - anders als Rechtsnormen - keiner Auslegung durch die\nVerwaltungsgerichte zuganglich ist. Das Begehren der Klagerin kann folglich\nnur daraufhin uberpruft werden, ob die Leistungsabwicklung (Vergabepraxis) im\nkonkreten Einzelfall mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG in dem o.g.\nSinn vereinbar und der durch die Zweckbindung gezogene Leistungsrahmen\nbeachtet ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45). \n--- \n| 24 \n--- \n| cc) Die Versagung eines Zuschusses nach dem IZBB verstoßt nicht gegen das\nWillkurverbot bzw. das Objektivitatsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Es besteht ein\nsachlicher Grund dafur, die Klagerin mit der von ihr gewahlten Investition von\nder Gewahrung eines Zuschusses nach dem IZBB auszuschließen. Bei den in Nr.\n1.4 IZBB und in dem Aktenvermerk des Kultusministeriums Baden-Wurttemberg vom\n30.03.2004 genannten Maßnahmen handelt es sich um Investitionen, bei denen\ntatsachlich „Geld geflossen" ist. Demgegenuber stellt die Zurverfugungstellung\nder fruheren Volkshochschul-Raume nach der Vorstellung der Klagerin eine\nhaushaltstechnische „Umbuchung" dar. Diese „Umbuchung" mag haushaltsrechtlich\nwerthaltig sein. Sie ist im Lichte des IZBB jedoch nicht mit den dort\ngenannten Investitionen vergleichbar. Die Klagerin raumt dies selbst ein,\nsoweit es sich um Falle handelt, in denen bislang leer stehende Raume fur den\nGanztagsbetrieb genutzt werden. Anders soll die Situation nach Ansicht der\nKlagerin jedoch sein, wenn es sich - wie hier - um bislang fur andere\nkommunale Zwecke genutzte Raume handelt und fur die Umsiedlung der bisherigen\nRaumnutzer Kosten entstanden sind. Dieser Argumentation folgt die Kammer\nnicht. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kosten fur den Erwerb der neuen Volkshochschulraume und deren\nUmgestaltung sind keine Kosten, die unmittelbar fur die Einrichtung des\nGanztagsbetriebs an der J.-P.-H.-Schule entstanden sind. Es handelt sich\nvielmehr um Kosten, die nur mittelbar damit in Zusammenhang stehen.\nUnmittelbar sind es Kosten fur die Verlagerung der Volkshochschule. Dies sieht\nauch die Klagerin, denn einen Zuschuss zu den Erwerbs- und Umgestaltungskosten\nder Volkshochschulraume begehrt sie nicht. Die - ersatzweise - Bezuschussung\nnach dem IZBB der in den Jahren 1996/1997 entstandenen, noch nicht\nabgeschriebenen Baukosten fur den bislang nicht bezuschussten Teil des\nErweiterungstraktes der J.-P.-H.-Schule kann uber diesen Umweg jedoch auch\nnicht erreicht werden. Denn diese Fallgestaltung weicht ganz erheblich von den\nin Nr. 1.4 IZBB und dem Aktenvermerk des Kultusministeriums vom 30.03.2004\ngenannten Investitionen ab. Es stellt keine gleichheitswidrige Benachteiligung\ndar, sie anders zu behandeln. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die der Bekanntmachung des IZBB zugrunde liegende Verwaltungsvereinbarung\ndes Bundes und der Lander vom 29.4.2003 beinhaltet die politische Entscheidung\ndes Bundes, Investitionsmaßnahmen fur Ganztagsprojekte zu fordern, die\nzugleich einen unmittelbaren gesamtwirtschaftlichen Effekt auslosen. Dass ein\nsolcher Effekt bezweckt ist, zeigt sich an der Bezugnahme auf Art. 104a Abs. 4\nGG in Art. 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung. Nach Art. 104a Abs. 4 GG darf\nder Bund den Landern Finanzhilfen gewahren. Sie mussen jedoch erforderlich\nsein, um eines der in dieser Vorschrift genannten Forderungsziele zu erreichen\n(vgl. Jarass, a.a.O. Art. 104a Rdnr. 9). Forderungsziel ist danach neben der\nAbwehr einer Storung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und dem\nAusgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet die Forderung des\nwirtschaftlichen Wachstums. Verschiebungen von Vermogen innerhalb des\nGemeindehaushalts losen ein solches wirtschaftliches Wachstum nicht aus. Um\neine solche Verschiebung handelt es sich bei der Umnutzung der fruheren\nVolkshochschulraume. Anders mag es sich zwar bei dem Erwerb der neuen\nVolkshochschulraume verhalten. Dieser Erwerb diente jedoch - abgesehen davon\ndass er nicht durch die Klagerin, sondern durch die rechtlich selbststandigen\nStadtwerke B. erfolgte und vor dem Stichtag 01.01.2003 bereits abgeschlossen\nwar - nicht unmittelbar der Einrichtung des Ganztagsbetriebs. \n--- \n| 27 \n--- \n| dd) Die Versagung eines Zuschusses nach dem IZBB stellt auch nicht deshalb\neine gleichheitswidrige Behandlung dar, weil die Klagerin dadurch fur\nsparsames Handeln „bestraft" wurde. \n--- \n| 28 \n--- \n| (1) Der Gemeinderat der Klagerin hat sich zwar aus Grunden der Sparsamkeit\ngegen einen - nach dem IZBB nunmehr forderungsfahigen - Neubau entschlossen\nund stattdessen die Verlagerung der Volkshochschule beschlossen. Hierfur wird\nsie durch die Versagung des Zuschusses jedoch nicht „bestraft". Dies wird\nanhand der Historie deutlich: \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Gemeinderat der Klagerin hatte bereits in seiner Sitzung vom 14.05.2002\nbeschlossen, die Verwaltung zu beauftragen, beim Kultusministerium Baden-\nWurttemberg die Einrichtung einer Ganztagshauptschule an der J.-P.-H.-Schule\nab dem Schuljahr 2003/2004 zu beantragen und fur die Verlagerung der\nVolkshochschule die von den Stadtwerken erworbenen Raume „Am Seedamm"\nanzumieten. Dieser Zeitpunkt lag lange vor der Verwaltungsvereinbarung\nzwischen dem Bund und den Landern vom 29.04.2003. Die Verwaltungsvereinbarung\nwurde ruckwirkend zum 01.01.2003 in Kraft gesetzt und war Grundlage fur die\nBekanntmachung des Kultusministeriums Baden-Wurttemberg vom 21.05.2003. Diese\nzeitliche Abfolge zeigt, dass der Gemeinderat der Klagerin den Beschluss zur\nEinrichtung eines Ganztagsbetrieb an der J.-P.-H.-Schule in Kenntnis und trotz\ndes Umstandes fasste, dass Fordermittel hierfur nicht zur Verfugung standen.\nDie Alternative, mit Fordergeldern einen Neubau zu errichten, bestand zu\ndiesem Zeitpunkt nicht. Es war auch nicht absehbar, dass es zu einer solchen\nForderung kommen konnte. Selbst wenn im Zuge der bevorstehenden Bundestagswahl\nein solches Forderprogramm diskutiert worden sein sollte, ware sein Beschluss\nzum Zeitpunkt der maßgeblichen Gemeinderatssitzung am 14.05.2002 noch vollig\nungewiss gewesen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der\nGemeinderat im Vorgriff auf eine erwartete Forderung oder gar unter der\nBedingung einer Forderung die Einrichtung des Ganztagsbetriebes an der\nJ.-P.-H.-Schule auf den Weg gebracht hat. \n--- \n| 30 \n--- \n| Ein Neubau schied aus Sicht der Klagerin - abgesehen davon, ob er angesichts\nder ortlichen Verhaltnisse uberhaupt zu verwirklichen gewesen ware - deshalb\naus, weil er die teurere Losung gewesen ware. Dass die Klagerin von der spater\ngeschaffenen Forderungsmoglichkeit nicht mehr profitieren kann, stellt somit\nkeine „Bestrafung" fur ihren Entschluss dar, statt der Errichtung eines\nNeubaus vorhandene Raume umzunutzen. \n--- \n| 31 \n--- \n| (2) Die Klagerin wird allenfalls dadurch benachteiligt, dass sie bereits\nfruhzeitig auf den Bedarf reagiert und die Einrichtung von Ganztagsschulen\nbeschlossen hat. Diesen Nachteil haben jedoch alle Kommunen zu tragen, die\nbereits in der Vergangenheit Ganztagsschulen eingerichtet haben und deshalb\nnicht mehr in den Genuss einer Forderung kommen konnen. Es besteht weder von\nGesetzes noch von Verfassungs wegen eine Verpflichtung, bereits getroffene\nMaßnahmen nachtraglich zu subventionieren. Dies gilt selbst dann, wenn diese\nMaßnahmen wirtschaftlich sinnvoll und sparsam sind und denen entsprechen, die\nzukunftig als forderungswurdig erachtet werden. \n--- \n| 32 \n--- \n| (3) An diesem Ergebnis andert auch der Hinweis der Klagerin auf den in Nr. 4\nIZBB enthaltenen Verweis auf den 4. Abschnitt der\nSchulbauforderungsrichtlinien (SchBauFR) nichts. Nach Nr. 5 SchBauFR sind zwar\nauch Nutzungsanderungen unter bestimmten Voraussetzungen forderungsfahig. Dies\ngilt jedoch nur fur eine Forderung nach den Schulbauforderungsrichtlinien,\nnicht dagegen fur eine Forderung nach dem IZBB. Denn Nr. 5 SchBauFR zahlt zum\n3. Abschnitt der Schulbauforderungsrichtlinien. Nr. 4 IZBB verweist jedoch nur\nhinsichtlich des zuschussfahigen Bauaufwandes auf die\nSchulbauforderungsrichtlinien. Diese werden in dessen 4. Abschnitt geregelt.\nFur die Frage einer gleichheitswidrigen Behandlung der Investition der\nKlagerin lassen sich somit aus Nr. 5 SchBauFR keine Erkenntnisse erzielen. \n--- \n| 33 \n--- \n| (4) Auch der Hinweis der Klagerin auf ihre Verpflichtung, die Grundsatze der\nWirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, fuhrt zu keinem anderen\nErgebnis. Diese Verpflichtung bedeutet nicht, dass alle wirtschaftlichen und\nsparsamen Maßnahmen nach dem IZBB zu fordern waren. An der Erfullung dieser\nAnforderung hegt die Kammer auch keinen Zweifel. Die nach dem IZBB\nforderungsfahigen Investitionsmaßnahmen mussen jedoch daruber hinaus den dort\ngenannten Kriterien entsprechen. Daran fehlt es hier. \n--- \n| 34 \n--- \n| c) Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Klage auch\ndeshalb scheitern muss, weil die durch das IZBB und das zugrunde liegende\nVerwaltungsabkommen zwischen dem Bund und den Landern bereitgestellten Mittel\nverbraucht sind. \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kammer sah keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten fur\nvorlaufig vollstreckbar zu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Berufung war nicht zuzulassen, da keiner der in § 124 a Abs. 1 i. V. m.\n§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO genannten Grunde vorliegt. Die Sache hat\ninsbesondere keine grundsatzliche Bedeutung, sondern stellt eine\nEinzelfallentscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Besonderheiten dar. \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 38 \n--- \n| Rechtsmittelbelehrung: \n--- \n| 39 \n--- \n| Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zugelassen wird. Der Antrag auf\nZulassung der Berufung ist beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, Postfach 11 14\n51, 76064 Karlsruhe, oder Nordliche Hildapromenade 1, 76133 Karlsruhe,\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung des vollstandigen Urteils zu stellen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei\nMonaten nach Zustellung des vollstandigen Urteils sind die Grunde darzulegen,\naus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begrundung ist, soweit sie nicht\nbereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Wurttemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 103264,\n68032 Mannheim, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn \n--- \n| 41 \n--- \n| 1\\. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, \n--- \n| 42 \n--- \n| 2\\. die Rechtssache besondere tatsachliche oder rechtliche Schwierigkeiten\naufweist, \n--- \n| 43 \n--- \n| 3\\. die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung hat, \n--- \n| 44 \n--- \n| 4\\. das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshofe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht oder \n--- \n| 45 \n--- \n| 5\\. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender\nVerfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung\nberuhen kann. \n--- \n| 46 \n--- \n| Bei der Beantragung der Zulassung der Berufung muss sich jeder Beteiligte\ndurch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im\nSinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als\nBevollmachtigten vertreten lassen. \n--- \n| 47 \n--- \n| Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden konnen sich auch\ndurch Beamte oder Angestellte mit der Befahigung zum Richteramt sowie\nDiplomjuristen im hoheren Dienst, Gebietskorperschaften auch durch Beamte oder\nAngestellte mit Befahigung zum Richteramt der zustandigen Aufsichtsbehorde\noder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als\nMitglied zugehoren, vertreten lassen. \n--- \n| 48 \n--- \n| In Angelegenheiten der Kriegsopferfursorge und des Schwerbehindertenrechts\nsowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des\nSozialhilferechts sind vor dem Verwaltungsgerichtshof als\nProzessbevollmachtigte auch Mitglieder und Angestellte von Verbanden im Sinne\ndes § 14 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes und von Gewerkschaften\nzugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung\nbefugt sind. \n--- \n| 49 \n--- \n| In Abgabenangelegenheiten sind vor dem Verwaltungsgerichtshof als\nProzessbevollmachtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprufer zugelassen. \n--- \n| 50 \n--- \n| In Angelegenheiten, die Rechtsverhaltnisse aus einem gegenwartigen oder\nfruheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder\nZivildienstverhaltnis betreffen und Streitigkeiten, die sich auf die\nEntstehung eines solchen Verhaltnisses beziehen, in\nPersonalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem\nZusammenhang mit einem gegenwartigen oder fruheren Arbeitsverhaltnis von\nArbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen\neinschließlich Prufungsangelegenheiten, sind vor dem Verwaltungsgerichtshof\nals Prozessbevollmachtigte auch Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften\nzugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt\nsind. \n--- \n| 51 \n--- \n| Lasst der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren\nals Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Berufung ist innerhalb eines Monats\nnach Zustellung des Beschlusses uber die Zulassung der Berufung zu begrunden.\nDie Begrundung ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg,\nSchubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 103264, 68032 Mannheim,\neinzureichen. Die Begrundungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten\nAntrag von dem Vorsitzenden des Senats verlangert werden. Die Begrundung muss\neinen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzufuhrenden Grunde\nder Anfechtung (Berufungsgrunde). \n--- \n| 52 \n--- \n| Beschluss: \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Streitwert wird gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1GKG\nauf 267.000 EUR festgesetzt. \n--- \n| 54 \n--- \n| Hinsichtlich der Beschwerdemoglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird\nauf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 i. V m . Art. 4 Abs. 28 Nr. 3 KostRMoG verwiesen. \n---\n\n
128,460
fg-des-saarlandes-2005-09-19-1-v-17805
934
Finanzgericht des Saarlandes
fg-des-saarlandes
des Saarlandes
Saarland
Finanzgerichtsbarkeit
1 V 178/05
2005-09-19
2019-01-07 09:32:38
2019-02-12 12:11:00
Beschluss
## Tatbestand\n\nI. Die Antragstellerin ist eine Lebensversicherungsgesellschaft, die\ninsbesondere das Geschaft mit Kapital-, Renten- und Kollektivversicherungen\nbetreibt (Bl. 2). Sie beteiligt ihre Kunden an den von ihr erwirtschafteten\nÜberschussen. Insoweit bildet sie in ihrer Handelsbilanz eine Ruckstellung fur\nerfolgsabhangige Beitragsruckerstattungen (kunftig: RfB). Dabei wird der fur\ndie Überschussbeteiligung vorgesehene Teil des Gewinns, vermindert um die\nDirektgutschrift, zunachst in die RfB eingestellt.\n\nBezogen auf die Verwendung des Bruttouberschusses 1998 fasste der Aufsichtsrat\nder Antragstellerin am 19. November 1998 den Beschluss, von dem nach\nBerucksichtigung der Abschreibungen und Wertberichtigungen verbleibenden\nBruttouberschuss 1,2 Mio. DM als Jahresuberschuss auszuweisen. Der Restbetrag\nsollte in voller Hohe der RfB zugefuhrt werden (Bl. 21 f.). Nach der Bilanz\nzum 31. Dezember 1998 wurde ein Betrag von 45.261.918,19 DM der RfB zugefuhrt\n(Bilanz 1998, Erlauterungen; Bl. 26). Die RfB betrug zum 31. Dezember 1998\n124.951.363,84 DM (Bilanz 1998, Erlauterungen, Bl. 24).\n\nDie Antragstellerin reichte die Korperschaftsteuererklarung fur das Streitjahr\n1998 am 22. Dezember 1998 ein (KSt, Bl. 2). Der Antragsgegner folgte im\nKorperschaftsteuerbescheid vom 15. Juni 2001 (KSt, Bl. 18) den\nErklarungsangaben. Gleichzeitig setzte er auf der Basis eines\nNachzahlungsbetrages von 167.332 DM fur die Zeit vom 1. April 2000 bis 18.\nJuni 2001 Nachzahlungszinsen i.H. von 11.711 DM (= 14 Monate zu 0,5 % = 7 %)\nfest (KSt, Bl. 18 f.).\n\nNachdem die Antragstellerin am 3. Juni 2002 eine berichtigte\nKorperschaftsteuererklarung nebst geanderter Bilanz (KSt, Bl.19, 33)\neingereicht hatte, setzte der Antragsgegner mit Änderungsbescheid gemaß § 164\nAbs. 2 AO vom 26. Juni 2002 (Bl. 27) die Korperschaftsteuer 1998 auf\n265.085,41 Euro fest. Gleichzeitig erging auf der Grundlage eines\nNachzahlungsbetrages von 3.210,92 Euro ein andernder Zinsbescheid (Bl. 29)\nuber Nachzahlungszinsen i.H. von 416 Euro (= 26 Monate zu 0,5 % = 13 %).\n\nAufgrund einer Prufungsanordnung vom 1. Juli 2003 wurde am 22. September 2003\nbei der Antragstellerin mit einer Außenprufung begonnen. Nachdem der\nBetriebsprufer wahrend der Prufung diverse, aus seiner Sicht\nkorrekturbedurftige Punkte (Aktivierung von Anspruchen und nachtraglichen\nAnschaffungskosten, Änderung der Nutzungsdauer) angesprochen hatte (Bl. 31\nff.), fasste der Vorstand der Antragstellerin am 30. Marz 2004 den Beschluss,\ndie Handelsbilanz u.a. des Jahres 1998 zu andern (Bl. 36). Die sich aus den\nÄnderungen der Jahresabschlusse bei unverandertem Jahresuberschuss von 1,2\nMio. DM ergebenden Mehrergebnisse von 4.500.244,56 DM sollten jeweils der RfB\nzugefuhrt werden.\n\nDementsprechend legte die Antragstellerin dem Antragsgegner am 3. Juni 2004\ngeanderte Jahreabschlusse und Bilanzen u.a. fur 1998 vor (Bl. 45 ff.). Die\nAntragstellerin stellte gleichzeitig einen Antrag auf phasengleiche Anrechnung\nvon Kapitalertragsteuer und Solidaritatszuschlag. Der Antragsgegner erließ am\n5. Juli 2004 gemaß § 164 Abs. 2 AO unter Berucksichtigung der geanderten\nBilanzen einen Änderungsbescheid zur Korperschaftsteuer 1998 (Bl. 50). Dabei\nblieb es bei der Festsetzung der Korperschaftsteuer auf 265.085,41 Euro.\nAufgrund der Erhohung anrechenbarer Kapitalertragsteuer und\nSolidaritatszuschlag ergaben sich in dem gleichzeitig erlassenen Zinsbescheid\nErstattungszinsen von 48.064 Euro (Bl. 51 R).\n\nNach Abschluss der Außenprufung erließ der Antragsgegner am 3. Mai 2005 erneut\neinen geanderten Korperschaftsteuerbescheid. Hierbei wurde die\nKorperschaftsteuer auf 268.750,86 Euro festgesetzt (Bl. 53). Gleichzeitig\nerging, gestutzt auf § 164 Abs. 2 AO, ein geanderter Zinsbescheid (Bl. 54 R).\nDieser setzte Nachzahlungszinsen i.H. von 211.567 Euro fest. Der Vorbehalt der\nNachprufung wurde aufgehoben. Dabei ging der Antragsgegner davon aus, dass der\nBeschluss vom 30. April 2004 uber die Erhohung der RfB ein Ereignis mit\nsteuerlicher Wirkung fur die Vergangenheit i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1\nAO darstelle. Dementsprechend sei die festzusetzende Steuer aufgrund des\nMehrgewinns der Steuerbilanz ohne Berucksichtigung der Verminderung aufgrund\nder nachtraglichen Erhohung der RfB bis zum Eintritt des ruckwirkenden\nEreignisses zu verzinsen (Bl. 56 f.). Der Zinsbescheid vom 3. Mai 2005\nberucksichtigte diese Auffassung, indem zwei unterschiedliche Teil-\nUnterschiedsbetrage gebildet wurden. Einmal nahm der Antragsgegner an, der\nZinslauf fur die nachtragliche Aktivierung der Ertrage, die zur Erstellung\ngeanderter Bilanzen und zum Erlass des Änderungsbescheides vom 5. Juli 2004\ngefuhrt hatte, beginne 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres 1998, in dem\ndie Ertrage aktiviert wurden, demnach am 1. April 2000. Den Zinslauf fur die\nsteuermindernde Zufuhrung zur RfB ließ der Antragsgegner erst 15 Monate nach\nAblauf des Jahres 2004, demnach am 1. April 2006, enden.\n\nGegen den Zinsbescheid vom 2. Juni 2005 legte die Antragstellerin am 3. Juni\n2005 Einspruch ein (Rbh, Bl. 2). Über den Einspruch ist noch nicht\nentschieden. Einen am 2. Juni 2005 gestellten Antrag auf Aussetzung der\nVollziehung (Rbh, Bl. 2) lehnte der Antragsgegner am 10. Juni 2005 ab (Rbh,\nBl. 13).\n\nAm 4. Juli 2005 stellte die Antragstellerin beim Finanzgericht sinngemaß den\nAntrag (Bl. 2),\n\n> > die Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheides zur Korperschaftsteuer\n> 1998 vom 3. Mai 2005 bis einen Monat nach Bekanntgabe der\n> Einspruchsentscheidung zu gewahren.\n\n> > Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Regelung des § 233a Abs. 2a AO\n> komme schon allein deswegen nicht zur Anwendung, weil der Antragsgegner die\n> Änderung nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestutzt habe, sondern auf §\n> 164 Abs. 2 AO. Im Übrigen lage auch kein ruckwirkendes Ereignis vor.\n\nDesweiteren sei zu berucksichtigen, dass die von der Betriebsprufung\ngeforderte Bilanzberichtigung und die Anpassung der Zufuhrung zur RfB ein\nuntrennbarer Vorgang seien. Mithin sei die Bildung von Teil-\nUnterschiedsbetragen in dem streitigen Zinsbescheid unzulassig. Schließlich\nsei § 233a Abs. 2a AO teleologisch einzuschranken auf die Falle, in denen\ntatsachlich ein Liquiditatsvorteil abzuschopfen sei. Im Streitfall lage ein\nsolcher Vorteil aber aufgrund der Verpflichtung, nahezu alle Ertrage aus\nKapitalanlagen in die RfB einzustellen, nicht vor. Infolge der Änderungen im\nStreitjahr sei die entsprechende RfB in den Folgejahren vermindert worden.\n\nAuch fuhre der sofortige Vollzug des Zinsbescheides zu einer unbilligen Harte.\nDie Nichtverzinsung eines Erstattungsbetrages im Falle der erfolgreichen\nDurchfuhrung eines Klageverfahrens (vgl. § 233 Satz 2 AO) fuhre angesichts der\nzu erwartenden Prozessdauer zu einem Wettbewerbsnachteil gegenuber anderen\nVersicherungsunternehmen.\n\nDer Antragsgegner beantragt (Bl. 81),\n\n> > > den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegrundet\n> zuruckzuweisen.\n\n> > > Der Antragsgegner halt den Ansatz von Teil-Unterschiedsbetragen fur\n> rechtmaßig. In dem streitigen Bescheid sei zuungunsten der Antragstellerin\n> fur einen im Rahmen der Betriebsprufung festgestellten Sachverhalt\n> (nachtragliche Aktivierung der Ertrage) bzgl. eines Betrages von 851.284,62\n> Euro ein Zinslaufbeginn am 1. April 2000 angenommen worden. Zugunsten der\n> Antragstellerin sei fur einen Teil-Unterschiedsbetrag von 847.619,17 Euro\n> (wegen der Bilanzanderung im Jahre 2004 bzgl. der steuermindernden Zufuhrung\n> zur RfB) ein Zinslaufbeginn am 1. April 2006 anzunehmen. Der\n> Vorstandsbeschluss vom 30. Marz 2004 stelle dabei ein ruckwirkendes Ereignis\n> dar.\n\nEs sei insoweit unerheblich, dass die Änderung der Festsetzung auf § 164 Abs.\n2 AO gestutzt worden sei. Entscheidend sei nicht die zur Änderung\nherangezogene Korrekturnorm, sondern ob den Anlass fur die Änderung\n-unabhangig von der Änderungsnorm- ein ruckwirkendes Ereignis bilde. Der\nBeschluss der Antragstellerin vom 30. Marz 2004 in Verbindung mit der\nBilanzanderung stelle -im Gegensatz zu den von der Betriebsprufung\naufgegriffenen Sachverhalten- ein solches Ereignis dar. Ein Automatismus im\nSinne der Zuweisung eines Überschusses in die RfB bestehe nicht, so dass\nunabhangig von der Feststellung eines Überschusses es eines\nVorstandsbeschlusses bedurft habe, um die steuerliche Belastung zu vermeiden.\n\nEine unbillige Harte liege nicht vor, da die Zahlung des festgesetzten\nZinsbetrages angesichts der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit der\nAntragstellerin deren Existenz schwerlich gefahrden konne.\n\nWegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsatze der Beteiligten und die\nbeigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nII. 1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nach §§ 69 Abs. 3 Satz 1,\nAbs. 4 Satz 1 FGO zulassig; er ist jedoch unbegrundet.\n\n1\\. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an\nder Rechtmaßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die\nVollziehung fur den Betroffenen eine unbillige und nicht durch uberwiegende\noffentliche Interessen gebotene Harte zur Folge hatte (§ 69 Abs. 2 FGO). Ist\nder Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das\nGericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).\n\nNach der standigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat\nbisher immer angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der\nRechtmaßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides dann, wenn eine\nsummarische Prufung ergibt, dass neben den fur die Rechtmaßigkeit sprechenden\nUmstanden gewichtige gegen die Rechtmaßigkeit sprechende Umstande zutage\ntreten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der\nRechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei\nbrauchen die fur die Unrechtmaßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden\nBedenken nicht zu uberwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht\nnicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH - Beschlusse vom 30.\nJuni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967, 533; vom 28. November 1974 V B 52/73,\nBStBl. II 1975, 239).\n\nEine unbillige Harte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nach der\nRechtsprechung des BFH vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem\nSteuerpflichtigen Nachteile drohen wurden, die uber die eigentliche Zahlung\nhinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zumachen sind, oder wenn gar\ndie wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefahrdet ware. Der\nSteuerpflichtige muss substantiiert darlegen, dass diese Voraussetzungen in\nseinem Fall erfullt sind.\n\nIm Streitfall beruft sich die Antragstellerin zwar zu Recht auf die Regelung\ndes § 233 Satz 2 AO. Danach werden Anspruche auf steuerliche Nebenleistungen\nnicht verzinst. Dies bewirkt jedoch noch nicht ohne Weiteres eine unbillige\nHarte. Ansonsten ware im Falle streitiger Zinsen regelmaßig eine Aussetzung\nauszusprechen.\n\nDer Senat vermag unter Heranziehung der ublichen Kriterien (vgl. Graber/Koch,\nFGO, 5. Aufl., § 69 Anm. 105) im Fall der Antragstellerin keine unbillige\nHarte festzustellen. Es ist nicht erkennbar, dass angesichts der\nwirtschaftlichen Leistungsfahigkeit der Antragstellerin deren Existenz durch\ndie sofortige Vollziehung gefahrdet sein konnte. Auch der Hinweis auf einen\nbeachtlichen Wettbewerbsnachteil ist angesichts der Hohe des streitigen\nBetrages nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, zumal der Antragsgegner darauf\nverweist (Bl. 60), dass nach seinen Informationen in zwei gleich gelagerten\nFallen in anderen Bundeslandern ebenfalls Nachzahlungszinsen festgesetzt\nworden sind.\n\n2\\. Bei summarischer Prufung bestehen keine ernstliche Zweifel an der\nRechtmaßigkeit des streitigen Zinsbescheides.\n\n2.1. Rechtliche Grundlagen\n\nNach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die\nFestsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung fuhrt.\nMaßgebend fur die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der\nfestgesetzten Steuer einerseits und den anzurechnenden Steuerabzugsbetragen,\nder anzurechnenden Korperschaftsteuer und den bis zum Beginn des Zinslaufs\nfestgesetzten Vorauszahlungen andererseits (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO), wobei\nder Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die\nSteuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO).\n\nSoweit die Steuerfestsetzung auf der Berucksichtigung eines ruckwirkenden\nEreignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, beginnt der\nZinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem\ndas ruckwirkende Ereignis eingetreten ist. In einem derartigen Fall ist der\nfur die Zinsberechnung maßgebliche Unterschiedsbetrag in der Weise zu\nermitteln, dass er in Teil-Unterschiedsbetrage mit jeweils gleichem\nZinslaufbeginn aufzuteilen ist; fur jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen\ngesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbetrage zu\nberechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem\naltesten Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO 7).\n\n2.2. Anwendung im Streitfall\n\nBei summarischer Prufung vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der\nAntragsgegner die vorerwahnten Regelungen unzutreffend angewandt hat.\nInsbesondere hat der Antragsgegner darin -ausgehend von der Annahme zweier\nsich auswirkender Ereignisse- Teil-Unterschiedsbetrage nach § 233a Abs. 7 AO\nzugrunde gelegt.\n\nDer erste Teil-Unterschiedsbetrag bezieht sich auf die Feststellungen der\nAußenprufung. Diese betrafen unstreitig das Streitjahr 1998, so dass der\nZinsbeginn gemaß § 233 Abs. 2 Satz 1 AO auf den 1. April 2000 fallt. Auf die\nzu diesem Zeitpunkt begonnene Frist im Sinne von § 233a Abs. 2a hat der im\nJahre 2004 gefasste Beschluss der Antragstellerin, die Bilanzen zu andern und\ndie RfB um 4.500.244,56 DM zu erhohen, eingewirkt.\n\nHierbei ist es bereits nach dem Wortlaut des § 233a Abs. 2a AO unerheblich,\ndass die ursprungliche Festsetzung nicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (sondern\nnach § 164 Abs. 2 AO) geandert worden ist. § 233a Abs. 2 AO macht einen\nabweichenden Zinslauf lediglich vom Vorliegen eines nachtraglichen Ereignisses\nabhangig, nicht jedoch von einer Korrektur nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (so\noffenkundig auch BFH, Urteil vom 18. Mai 1999 I R 60/98, BStBl. II 1999, 634,\n635: "…bestimmt sich ... allein nach dem jeweils einschlagigen materiellen\nRecht"; s.a. Greulich/Krohn, DStR 2005, 14333, 1434). Dies entspricht auch dem\nSinn und Zweck der Vorschrift.\n\nDer Beschluss der Antragstellerin aus dem Jahr 2004 ist ein nachtragliches\nEreignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Insoweit verweist der Senat auf das\nUrteil des BFH vom 19. August 1999 IV R 73/98, BStBl. II 2000, 18. Darin\nbeurteilt der BFH eine Bilanzberichtigung oder Bilanzanderung als\nruckwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.\n\nDer Senat vermag der Auffassung der Antragstellerin, der Beschluss des Jahres\n2004 fuhre lediglich den ursprunglich im Jahr 1998 getroffenen Beschluss wegen\ndes unverandert gebliebenen Jahresuberschusses fort, nicht zu folgen. Denn mit\ndem Beschluss aus 2004 wurde auf die Hohe der RfB Einfluss genommen und so der\nvon der Betriebsprufung anderweitig festgestellte hohere Jahresuberschuss\n(nochmals) "zur Vermeidung steuerlicher Nachteile" korrigiert. Ware der\nBeschluss vom 30. Marz 2004 nicht gefasst worden, hatte der nach der\nBetriebsprufung geanderte Beschluss nicht unweigerlich die Erhohung der RfB\nzur Folge gehabt. Vielmehr hatte sich der Jahresuberschuss um 4.500.244,56 DM\nerhoht, dies mit entsprechenden steuerlichen Folgen. Es besteht also kein\nAutomatismus zwischen der Erhohung eines Jahresuberschusses und einer\nMehrzufuhrung zur RfB. Dies zeigt der Beschluss des Vorstand der\nAntragstellerin vom 30. Marz 2003 in Verbindung mit der Entscheidung des\nAufsichtsrats vom 14. Mai 2005, der ausdrucklich betont, dass mit\nentsprechenden Maßnahmen "Steuernachzahlungen von 0,5 Mio. Euro sowie\ngegebenenfalls Zinsen auf Steuerforderungen von 0,2 Mio. Euro vermieden werden\nkonnten" (Bl. 38). Die Satzung der Antragstellerin (Zinsakte, Bl. 52) belegt\nzusatzlich, dass eine bindende Verpflichtung zur Zufuhrung der Mehrgewinne\nlaut Betriebsprufung in die RfB nicht bestanden hat, es vielmehr in der\nDisposition der Organe der Antragstellerin stand, eine entsprechende\nEntscheidung zu treffen. Mithin war der Beschluss des Jahres 2004 uber die\nZufuhrung des Mehrgewinns zur RfB nicht nur ein Teil des ursprunglichen\nBeschlusses aus dem Jahre 1998.\n\nDer Hinweis der Antragstellerin auf nicht vorhandene Liquiditatsvorteile steht\nder Anwendung des § 233a Abs. 2 a, Abs. 7 AO gleichermaßen nicht entgegen.\nWare die Antragstellerin entsprechend der materiellen Rechtslage verfahren,\nhatte sie die von der Betriebsprufung festgestellte Mehrgewinne von vornherein\nvermieden. Insoweit ist wiederum festzustellen, dass es keinesfalls\nzwangslaufig war, dieses Mehrergebnis zur Erhohung der RfB zu verwenden. Von\ndaher hat die Antragstellerin infolge ihrer Handhabung sehr wohl einen\nLiquiditatsvorteil erreicht. Zumindest ist ein solcher nicht auszuschließen.\n\n3\\. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war somit als unbegrundet\nzuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.\n\nZur Zulassung der Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 115 Abs. 2 FGO\nbestand keine Veranlassung.\n\n## Gründe\n\nII. 1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nach §§ 69 Abs. 3 Satz 1,\nAbs. 4 Satz 1 FGO zulassig; er ist jedoch unbegrundet.\n\n1\\. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an\nder Rechtmaßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die\nVollziehung fur den Betroffenen eine unbillige und nicht durch uberwiegende\noffentliche Interessen gebotene Harte zur Folge hatte (§ 69 Abs. 2 FGO). Ist\nder Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das\nGericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).\n\nNach der standigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat\nbisher immer angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der\nRechtmaßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides dann, wenn eine\nsummarische Prufung ergibt, dass neben den fur die Rechtmaßigkeit sprechenden\nUmstanden gewichtige gegen die Rechtmaßigkeit sprechende Umstande zutage\ntreten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der\nRechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei\nbrauchen die fur die Unrechtmaßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden\nBedenken nicht zu uberwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht\nnicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH - Beschlusse vom 30.\nJuni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967, 533; vom 28. November 1974 V B 52/73,\nBStBl. II 1975, 239).\n\nEine unbillige Harte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nach der\nRechtsprechung des BFH vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem\nSteuerpflichtigen Nachteile drohen wurden, die uber die eigentliche Zahlung\nhinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zumachen sind, oder wenn gar\ndie wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefahrdet ware. Der\nSteuerpflichtige muss substantiiert darlegen, dass diese Voraussetzungen in\nseinem Fall erfullt sind.\n\nIm Streitfall beruft sich die Antragstellerin zwar zu Recht auf die Regelung\ndes § 233 Satz 2 AO. Danach werden Anspruche auf steuerliche Nebenleistungen\nnicht verzinst. Dies bewirkt jedoch noch nicht ohne Weiteres eine unbillige\nHarte. Ansonsten ware im Falle streitiger Zinsen regelmaßig eine Aussetzung\nauszusprechen.\n\nDer Senat vermag unter Heranziehung der ublichen Kriterien (vgl. Graber/Koch,\nFGO, 5. Aufl., § 69 Anm. 105) im Fall der Antragstellerin keine unbillige\nHarte festzustellen. Es ist nicht erkennbar, dass angesichts der\nwirtschaftlichen Leistungsfahigkeit der Antragstellerin deren Existenz durch\ndie sofortige Vollziehung gefahrdet sein konnte. Auch der Hinweis auf einen\nbeachtlichen Wettbewerbsnachteil ist angesichts der Hohe des streitigen\nBetrages nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, zumal der Antragsgegner darauf\nverweist (Bl. 60), dass nach seinen Informationen in zwei gleich gelagerten\nFallen in anderen Bundeslandern ebenfalls Nachzahlungszinsen festgesetzt\nworden sind.\n\n2\\. Bei summarischer Prufung bestehen keine ernstliche Zweifel an der\nRechtmaßigkeit des streitigen Zinsbescheides.\n\n2.1. Rechtliche Grundlagen\n\nNach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die\nFestsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung fuhrt.\nMaßgebend fur die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der\nfestgesetzten Steuer einerseits und den anzurechnenden Steuerabzugsbetragen,\nder anzurechnenden Korperschaftsteuer und den bis zum Beginn des Zinslaufs\nfestgesetzten Vorauszahlungen andererseits (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO), wobei\nder Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die\nSteuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO).\n\nSoweit die Steuerfestsetzung auf der Berucksichtigung eines ruckwirkenden\nEreignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, beginnt der\nZinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem\ndas ruckwirkende Ereignis eingetreten ist. In einem derartigen Fall ist der\nfur die Zinsberechnung maßgebliche Unterschiedsbetrag in der Weise zu\nermitteln, dass er in Teil-Unterschiedsbetrage mit jeweils gleichem\nZinslaufbeginn aufzuteilen ist; fur jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen\ngesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbetrage zu\nberechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem\naltesten Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO 7).\n\n2.2. Anwendung im Streitfall\n\nBei summarischer Prufung vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der\nAntragsgegner die vorerwahnten Regelungen unzutreffend angewandt hat.\nInsbesondere hat der Antragsgegner darin -ausgehend von der Annahme zweier\nsich auswirkender Ereignisse- Teil-Unterschiedsbetrage nach § 233a Abs. 7 AO\nzugrunde gelegt.\n\nDer erste Teil-Unterschiedsbetrag bezieht sich auf die Feststellungen der\nAußenprufung. Diese betrafen unstreitig das Streitjahr 1998, so dass der\nZinsbeginn gemaß § 233 Abs. 2 Satz 1 AO auf den 1. April 2000 fallt. Auf die\nzu diesem Zeitpunkt begonnene Frist im Sinne von § 233a Abs. 2a hat der im\nJahre 2004 gefasste Beschluss der Antragstellerin, die Bilanzen zu andern und\ndie RfB um 4.500.244,56 DM zu erhohen, eingewirkt.\n\nHierbei ist es bereits nach dem Wortlaut des § 233a Abs. 2a AO unerheblich,\ndass die ursprungliche Festsetzung nicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (sondern\nnach § 164 Abs. 2 AO) geandert worden ist. § 233a Abs. 2 AO macht einen\nabweichenden Zinslauf lediglich vom Vorliegen eines nachtraglichen Ereignisses\nabhangig, nicht jedoch von einer Korrektur nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (so\noffenkundig auch BFH, Urteil vom 18. Mai 1999 I R 60/98, BStBl. II 1999, 634,\n635: "…bestimmt sich ... allein nach dem jeweils einschlagigen materiellen\nRecht"; s.a. Greulich/Krohn, DStR 2005, 14333, 1434). Dies entspricht auch dem\nSinn und Zweck der Vorschrift.\n\nDer Beschluss der Antragstellerin aus dem Jahr 2004 ist ein nachtragliches\nEreignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Insoweit verweist der Senat auf das\nUrteil des BFH vom 19. August 1999 IV R 73/98, BStBl. II 2000, 18. Darin\nbeurteilt der BFH eine Bilanzberichtigung oder Bilanzanderung als\nruckwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.\n\nDer Senat vermag der Auffassung der Antragstellerin, der Beschluss des Jahres\n2004 fuhre lediglich den ursprunglich im Jahr 1998 getroffenen Beschluss wegen\ndes unverandert gebliebenen Jahresuberschusses fort, nicht zu folgen. Denn mit\ndem Beschluss aus 2004 wurde auf die Hohe der RfB Einfluss genommen und so der\nvon der Betriebsprufung anderweitig festgestellte hohere Jahresuberschuss\n(nochmals) "zur Vermeidung steuerlicher Nachteile" korrigiert. Ware der\nBeschluss vom 30. Marz 2004 nicht gefasst worden, hatte der nach der\nBetriebsprufung geanderte Beschluss nicht unweigerlich die Erhohung der RfB\nzur Folge gehabt. Vielmehr hatte sich der Jahresuberschuss um 4.500.244,56 DM\nerhoht, dies mit entsprechenden steuerlichen Folgen. Es besteht also kein\nAutomatismus zwischen der Erhohung eines Jahresuberschusses und einer\nMehrzufuhrung zur RfB. Dies zeigt der Beschluss des Vorstand der\nAntragstellerin vom 30. Marz 2003 in Verbindung mit der Entscheidung des\nAufsichtsrats vom 14. Mai 2005, der ausdrucklich betont, dass mit\nentsprechenden Maßnahmen "Steuernachzahlungen von 0,5 Mio. Euro sowie\ngegebenenfalls Zinsen auf Steuerforderungen von 0,2 Mio. Euro vermieden werden\nkonnten" (Bl. 38). Die Satzung der Antragstellerin (Zinsakte, Bl. 52) belegt\nzusatzlich, dass eine bindende Verpflichtung zur Zufuhrung der Mehrgewinne\nlaut Betriebsprufung in die RfB nicht bestanden hat, es vielmehr in der\nDisposition der Organe der Antragstellerin stand, eine entsprechende\nEntscheidung zu treffen. Mithin war der Beschluss des Jahres 2004 uber die\nZufuhrung des Mehrgewinns zur RfB nicht nur ein Teil des ursprunglichen\nBeschlusses aus dem Jahre 1998.\n\nDer Hinweis der Antragstellerin auf nicht vorhandene Liquiditatsvorteile steht\nder Anwendung des § 233a Abs. 2 a, Abs. 7 AO gleichermaßen nicht entgegen.\nWare die Antragstellerin entsprechend der materiellen Rechtslage verfahren,\nhatte sie die von der Betriebsprufung festgestellte Mehrgewinne von vornherein\nvermieden. Insoweit ist wiederum festzustellen, dass es keinesfalls\nzwangslaufig war, dieses Mehrergebnis zur Erhohung der RfB zu verwenden. Von\ndaher hat die Antragstellerin infolge ihrer Handhabung sehr wohl einen\nLiquiditatsvorteil erreicht. Zumindest ist ein solcher nicht auszuschließen.\n\n3\\. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war somit als unbegrundet\nzuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.\n\nZur Zulassung der Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 115 Abs. 2 FGO\nbestand keine Veranlassung.\n\n
137,114
vg-stuttgart-2008-04-10-4-k-589107
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 5891/07
2008-04-10
2019-01-07 12:06:08
2019-01-17 11:57:15
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid des Landratsamts Heilbronn vom 21.05.2007 und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 05.11.2007 werden\naufgehoben. Das beklagte Land wird verpflichtet, dem Klager unter Freistellung\nvon der Verpflichtung zur Fuhrung der Berufsbezeichnung „Heilpraktiker" die\nErlaubnis zu erteilen, Heilkunde nach Maßgabe von § 1 Heilpraktikergesetz\nselbststandig auszuuben, bezogen und beschrankt auf den Bereich der\nphysikalischen Therapie und der Physiotherapie im Sinne von §§ 3 und 8 des\nGesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie, mit Ausnahme von\nBehandlungen zur Traktion der Wirbelsaule und der Durchfuhrung von\nThermalbadern als Vollbader inklusive Stangerbadern.\n\nDas beklagte Land tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ... 1952 geborene Klager erhielt am 28.09.1995 von der\nBezirksregierung Weser-Ems die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung\n„Physiotherapeut" zu fuhren. Bereits am 22.02.1985 hatte er von der Regierung\nvon Schwaben die Erlaubnis erhalten, eine Tatigkeit unter der\nBerufsbezeichnung „Masseur und medizinischer Bademeister" auszuuben, nachdem\ner die 2 ½-jahrige Ausbildung hierfur absolviert hatte. Er ist freiberuflich\nin eigener Praxis tatig. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 24.03.2007 beantragte er die Erteilung der Erlaubnis zur\nAusubung der Heilkunde nach Maßgabe von § 1 Heilpraktikergesetz (HeilprG),\nbeschrankt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie,\nmit Ausnahme von Behandlungen zur Traktion der Wirbelsaule und der\nDurchfuhrung von Thermalbadern als Vollbader inklusive Stangerbader ohne\nweitere Eignungsprufung und unter Freistellung von der Verpflichtung, die\nBerufsbezeichnung „Heilpraktiker" zu fuhren. Zur Begrundung berief er sich\ndarauf, dass bei nichtarztlichen Fachberufen die durchgefuhrten Ausbildungen\nund abgelegten Prufungen eine weitere Überprufung der Kenntnisse nach der 1.\nDVO zum Heilpraktikergesetz entbehrlich machten. Nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts sei auch eine gegenstandlich beschrankte\nErlaubniserteilung nach § 1 HeilprG zulassig. Aufgrund seiner Ausbildung\nverfuge er uber die notwendigen Kenntnisse. Die vertragsarztlichen\nVerordnungen im Heilmittelbereich hatten in aller Regel allgemein\nrichtungsweisenden Charakter, wahrend der Physiotherapeut eine Untersuchung\nund Befundung selbststandig durchfuhre. Eine Gefahr fur die Volksgesundheit\nbestehe hierbei nicht. Die Gefahr, dass ein notwendiger Arztbesuch versaumt\nwerde, sei nur außerst unwahrscheinlich und mittelbar. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 21.05.2007 lehnte das zustandige Landratsamt Heilbronn den\nAntrag ab. Zur Begrundung hieß es, das Heilpraktikergesetz kenne nur die\neinheitliche Berufsbezeichnung „Heilpraktiker/in". Eine Ausnahme gelte nach\nden Richtlinien des Sozialministeriums Baden-Wurttemberg zur Durchfuhrung des\nHeilpraktikergesetzes (HP-RL) nur fur Inhaber einer auf das Gebiet der\nPsychotherapie beschrankten Erlaubnis. Es liege im besonderen Interesse der\nÖffentlichkeit, dass eindeutige Berufsbezeichnungen im Bereich der Heilkunde\nbestunden, damit der jeweilige Patient wisse, wie weit die Kompetenz des\nBehandelnden gehe. Unsicherheiten in diesem Bereich seien auf alle Falle zu\nvermeiden. Der Heilpraktiker habe den Auftrag und die Verpflichtung,\nKrankheiten und Leiden in eigener Verantwortung zu erkennen, sie zu lindern\nund zu heilen, er ube seinen Beruf in der Diagnose und Therapie\neigenverantwortlich aus. Die Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HeilprG berechtige zur\ngesamten nichtarztlichen Heilkundeausubung, daher sei die gesundheitsamtliche\nKenntnisuberprufung grundsatzlich unteilbar und nicht auf bestimmte\nFachgebiete beschrankbar. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 12.06.2007 hat der Klager Widerspruch erhoben und vorgetragen, nach der\nhochstrichterlichen Rechtsprechung sei von einer Überprufung der Kenntnisse\nund Fahigkeiten eines Antragstellers abzusehen, wenn aufgrund der\nnachgewiesenen, aufgrund einer staatlichen Ausbildung und Prufung erworbenen\nKenntnisse keine Gefahr fur die Volksgesundheit zu erwarten sei. Beim Klager\nsei dies der Fall. Es handele sich um einen ausdifferenzierten Teilbereich der\nMedizin, der aufgrund eines eigenen Berufsgesetzes geregelt sei, wobei die\nAusbildung mit einer staatlichen Prufung und der Zuerkennung der\nBerufsbezeichnung Masseur und Physiotherapeut ende. Dies ergebe auch die\nEntscheidung des OVG Koblenz vom 21.11.2006 - 6 A 10271/06 -. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2007, zugestellt am 07.11.2007, wies das\nRegierungsprasidium Stuttgart den Widerspruch mit der Begrundung zuruck, mit\nder Erlaubnis zur Fuhrung der Berufsbezeichnung Physiotherapeut ubernehme der\nStaat die Gewahr dafur, dass dieser Beruf vom Erlaubnisinhaber aller\nVoraussicht nach ordnungsgemaß ausgeubt werde. Diese Gewahr konne aber nicht\nmehr aufrecht erhalten werden, wenn einem Physiotherapeuten ohne Überprufung\nzusatzlich noch die Befugnisse eines Heilpraktikers zuerkannt wurden, da\ndieser zur Anwendung jeglicher, auch wissenschaftlich nicht anerkannter\nTherapien befugt sei. Entscheidend sei, dass der Heilpraktiker selbststandig\nDiagnosen stellen musse, wahrend beim Physiotherapeuten ein Arzt vorgeschaltet\nsei, der die Diagnosen gestellt und weitere Therapieanordnungen verordnet\nhabe. Ohne Überprufung sei ein Physiotherapeut fur diese Diagnosestellung und\neine differenzialdiagnostische Abwagung nicht ausreichend qualifiziert. In der\nAusbildung werde nur ein medizinisches Grundwissen vermittelt, von 4.500\nStunden entfielen lediglich 390 Stunden auf Krankheitslehre und 380 Stunden\nauf Anatomie und Physiologie sowie 100 Stunden fur Befund- und\nUntersuchungstechniken. Diese beschrankten sich auf physikalische Verfahren\n(Inspektion, Palpation, Reflexprufung). Die Heilpraktikererlaubnis sei auch\ngrundsatzlich unteilbar, methodenbezogene Teilzulassungen wurden zu einer\nvolligen Aufsplitterung des HeilprG in Einzelbereiche fuhren. Anders als bei\nder Psychotherapie seien alle anderen (somatischen) Fachbereiche nicht\ngegenstandlich abgrenzbar. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 21.11.2007 hat der Klager Klage erhoben. Zur Begrundung tragt er vor, aus\nder zu Psychotherapeuten ergangenen hochstrichterlichen Rechtsprechung ergebe\nsich allgemein, dass immer dann keine Gefahr fur die Volksgesundheit bestehe,\nwenn Zeugnisse und kontrollierte staatliche Prufungen vorhanden seien, die den\nNachweis entsprechender Kenntnisse auf dem Gebiet, auf dem der Anwarter tatig\nsein wolle, erlaubten. Eine Gefahr fur die Volksgesundheit bestehe auch nicht,\nweil angeblich differenzialdiagnostische Fahigkeiten bei Physiotherapeuten\nfehlten. Die Tatigkeiten des Physiotherapeuten, namlich Massage- und\nBewegungstherapie, seien ungefahrlich, wenn Kontraindikationen beachtet\nwurden; diese seien dem Physiotherapeuten aufgrund seiner Ausbildung bekannt.\nBefundung und Behandlung erfolgten selbststandig. Andere als die vom\nPhysiotherapeuten erlernten Diagnoseverfahren seien wie die Labordiagnostik\nentweder ohne Bedeutung oder - wie bildgebende Verfahren - auch einem\nHeilpraktiker nicht erlaubt. Eine weitere Kenntnisuberprufung konne eine\neventuell bestehende Gefahr daher nicht verringern. Die arztlichen\nVerordnungen im Bereich der Heilmittelversorgung seien oft nur sehr rudimentar\nund richtungsweisend, der Physiotherapeut stelle dann die genaue Diagnose. Bei\neiner nicht erkannten Erkrankung des Patienten, die sich dem\nBehandlungsspektrum des Klagers entziehe, sei es wahrscheinlicher, dass der\nPhysiotherapeut den Arztbesuch anempfehle, als dass der Patient von sich aus\neinen Arzt aufsuche. Fur den Bereich der physiotherapeutischen Behandlung und\ndie erforderliche Befundung seien die Kenntnisse eines Physiotherapeuten\nvollkommen ausreichend, um zu beweisen, dass medizinische Fehlvorstellungen\nnicht vorliegen. Eine vorherige arztliche Diagnostik sei nicht unabdingbar fur\ndie Berufsausubung. Auch Wellness- und Vorsorgebehandlungen erfolgten am\ngesunden Menschen und wurden daher ohnehin ohne arztliche Verordnung\ndurchgefuhrt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Erlaubnis sei auch teilbar, denn der Bereich der\nPhysiotherapie/physikalischen Therapie sei hinreichend differenziert, um eine\nklare Abgrenzung zu ermoglichen, all das, was Gegenstand der Ausbildungs- und\nPrufungsverordnung sei, gehore zum Berufsbild und sei damit Bestandteil der zu\nerteilenden Erlaubnis. Dies ergebe sich auch aus der „Kassenzulassung" im\nBereich der vertragsarztlichen Versorgung nach § 124 Abs. 2 Ziff. 1 SGB V.\nAuch aus Ziffer 17A der Heilmittelrichtlinie ergebe sich eine Definition des\nGebiets der physikalischen Therapie. Es gehe um von außen wirkende Mittel und\nKrafte, die nebenwirkungsfrei seien und deren Anwendung ungefahrlich sei. Die\nGefahr einer Zersplitterung der Erlaubnisse habe zuruckzutreten, wenn es um\ndie Verwirklichung von Grundrechten gehe. Die fur den Patienten\nunuberschaubare Situation sei vom Gesetzgeber so gewollt, indem er neue\nFachberufe im Gesundheitswesen geschaffen habe. Versteckte Tumore konne der\nPhysiotherapeut genau so wenig wie der Heilpraktiker diagnostizieren, da\nhierfur bildgebende Verfahren erforderlich seien. Erkenne ein Physiotherapeut,\ndass skeletare Symptome ihre Ursache außerhalb seiner Zustandigkeit hatten,\nwerde er dem Patienten arztliche Hilfe anraten. Gleiches gelte beim Verdacht\neiner Borreliose. Auch bei einer unerkannten Osteoporose, deren Symptome der\nPhysiotherapeut behandele, fuhre eine weitere Kenntnisprufung zu keinem Gewinn\nbei der Diagnose. Auch hier seien bildgebende Verfahren notwendig. Bei\nentwicklungsgestorten Kindern lagen immer arztliche Verordnungen von\nSpezialbehandlungen vor. Bei Bandscheibenvorfallen werde die Behandlung mit\nMitteln der physikalischen Therapie vorgenommen. Bei schweren Fallen sei der\nPatient nicht gehfahig und musse schon deshalb einen Arzt aufsuchen.\nHeilpraktiker hatten hier keinen Kenntnisvorsprung. Insgesamt sei es so, dass\nder Patient, der einen Physiotherapeuten aufsuche, keine Diagnostik von\nSpezialerkrankungen erwarte, sondern Diagnostik, Befundung und Therapie mit\nphysiotherapeutischer Ausrichtung. Eine Überprufung nach dem\nHeilpraktikergesetz konne keine Verbesserung bei der Diagnose herbeifuhren, im\nBereich der Physiotherapie/physikalischen Therapie sei der Therapeut\nwesentlich besser ausgebildet als ein Heilpraktiker. Auch die\nVertragsarzteschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung schulde keine\nDiagnostik, sondern lediglich die Feststellung einer Indikation. Medizinische\nFehlvorstellungen im eigenen Bereich der physiotherapeutischen Tatigkeit lagen\nbeim Klager nicht vor. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| den Bescheid des Landratsamts Heilbronn vom 21.05.2007 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 05.11.2007\naufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, dem Klager unter\nFreistellung von der Verpflichtung zur Fuhrung der Berufsbezeichnung\n„Heilpraktiker" die Erlaubnis zu erteilen, die Heilkunde nach Maßgabe von § 1\nHeilprG selbststandig auszuuben, bezogen und beschrankt auf den Bereich der\nphysikalischen Therapie und der Physiotherapie im Sinne von §§ 3 und 8 des\nGesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie, mit Ausnahme von\nBehandlungen zur Traktion der Wirbelsaule und der Durchfuhrung von\nThermalbadern als Vollbader inklusive Stangerbadern. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Das beklage Land beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Er ist der Auffassung, eine Beschrankung der Heilpraktikererlaubnisse fur\nverschiedene Teilbereiche wurde zu einer Zersplitterung des\nHeilpraktikerrechts mit erheblichen Problemen bei der Überprufung und im\nVerwaltungsvollzug fuhren. Angesichts der Vielzahl weiterer in Betracht\nkommender Heilhilfsberufe und denkbarer Differenzierungen innerhalb dieser\nBerufe werde der Verwaltungsaufwand uferlos. Fur den Patienten entstehe eine\nundurchschaubare Situation, da nicht mehr klar hervortrete, von welcher\nFachkompetenz des Behandelnden er ausgehen konne. Eine andere Handhabung in\nanderen Bundeslandern sei nicht Gegenstand des Verfahrens; dies sei eine\nlogische Folge der foderalistischen Struktur. Der Umstand, dass Therapeuten\naus dem EU-Ausland in Deutschland selbststandig praktizieren durften, fuhre zu\nkeinem anderen Ergebnis, denn dies sei Folge der\nBerufsqualifikationsrichtlinie 2005/36/EG. Die Ausnahme fur Psychotherapeuten\nsei gemacht worden, als es noch kein Psychotherapeutengesetz gegeben habe. Im\nvorliegenden Falle existiere aber das Gesetz zur Regelung der Berufe in der\nPsychotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG), so dass kein\nBedurfnis bestehe. Auch aus fachlich medizinischer Sicht bestehe ein\nUnterschied hinsichtlich der Beschrankbarkeit der Erlaubnis bei der\nPhysiotherapie, denn eine am Bewegungsapparat auftretende Symptomatik, die\neine physiotherapeutische Behandlung erforderlich mache, konne mannigfaltige\nUrsachen haben. Es metastasierten viele Tumore in die Wirbelsaule, so dass\neine primar physiotherapeutische Behandlung nicht nur nichts nutze, sondern\ndurch die Verzogerung und das Unterbleiben der Diagnostik und Behandlung das\nLeben des Patienten gefahrde. Gleiches gelte bei der Borreliose, wo ein\nUnterbleiben der Behandlung zu Schaden fuhren konne. Auch bei einer\nOsteoporose sei eine sichere Diagnose durch den Physiotherapeuten nicht\nmoglich, denn sie konne durch Hormonstorungen oder eine rheumatische Arthritis\nbedingt sein. Gefahren bestunden auch bei entwicklungsauffalligen Kindern. All\ndiese Bereiche seien in der Ausbildung der Physiotherapeuten nicht abgedeckt.\nNachdem keine klare Abgrenzung vorgenommen werden konnte, konne auch keine auf\nden Teilbereich der Physiotherapie beschrankte Erlaubnis erteilt werden. Damit\nbiete die erfolgreiche Ausbildung zum Physiotherapeuten keinen ausreichenden\nNachweis dafur, dass eine Gefahr fur die Volksgesundheit von vornherein nicht\nbestehe. Trotz des Berufsabschlusses fehlten die diagnostischen und\ndifferenzialdiagnostischen Kenntnisse zum Ausschluss von Gefahren. Leistungen\nder Massage- und Bewegungstherapie seien keinesfalls ungefahrlich, was sich\nauswirken konne, wenn ein Bandscheibenvorfall verkannt werde. Dies werde bei\nvorhergehender arztlicher Verordnung durch die arztliche Voruntersuchung\nvermieden, die Diagnostik verbleibe im Verantwortungsbereich des Arztes. Der\nHeilpraktiker sei durch seine Ausbildung in der Lage, zu erkennen, ob ein\naußerhalb seines Behandlungsbereichs liegendes diagnostisches Verfahren\nerforderlich sei. Komme ein Patient ohne Arztbesuch zum Physiotherapeuten,\nhege er eine Erwartungshaltung in die Fahigkeit des Behandelnden, die eine\nvorherige Überprufung erforderlich mache. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Akten des Beklagten und die Widerspruchsakten liegen dem Gericht vor.\nWegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird hierauf und auf die\nGerichtsakten verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten, denn dieser hat\nAnspruch auf Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis im beantragten Umfang (§\n113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 16 \n--- \n| Anspruchsgrundlage fur die begehrte Erlaubnis ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes\nuber die berufsmaßige Ausubung der Heilkunde ohne Bestallung vom 17.02.1939\n(HeilPrG) i.V.m. § 2 Abs. 1 HeilPrG i.V.m. § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilPrG\ni.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG. Nach § 1 Abs. 1 HeilPrG bedarf der Erlaubnis, wer\ndie Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausuben will; entgegen dem\nWortlaut des § 2 Abs. 1 HeilPrG steht die Erlaubniserteilung nicht im Ermessen\nder Behorden. Vielmehr ist nach verfassungskonformer Auslegung jeder\nAntragsteller zur berufsmaßigen Ausubung der Heilkunde ohne Bestallung\nzuzulassen, wenn kein sich aus § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilPrG ergebender -\nrechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund gegeben ist (BVerwG, Urt. v.\n24.01.1957 - 1 C 194.54 -, BVerwGE 4, 250 - standige Rechtsprechung). Nach § 2\nAbs. 1 lit. i der 1. DVO-HeilPrG darf die Heilpraktikererlaubnis nicht erteilt\nwerden, wenn sich aus einer Überprufung der Kenntnisse und Fahigkeiten des\nAntragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausubung der\nHeilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr fur die Volksgesundheit bedeuten\nwurde. In welcher Form und in welchem Umfang die Überprufung der Kenntnisse\nund Fahigkeiten des Heilpraktikeranwarters zu erfolgen hat, ist weder im\nHeilpraktikergesetz noch in der DVO hierzu geregelt, was im Hinblick auf Art.\n12 Abs. 1 GG bedenklich ist; diese Bedenken lassen sich aber im Wege der\nverfassungskonformen Auslegung mit Hilfe des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes\nausraumen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.1993 - 3 C 34.90 -, DVBl. 1993, 723;\nBVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 - 1 BvR 482/84 und 1166/85 - BVerfGE 78, 179 =\nNJW 1988, 2290). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach diesen Maßstaben bedarf der Klager einer derartigen Erlaubnis (1.),\nseine Tatigkeit bedeutet keine Gefahr fur die Volksgesundheit (2.). Die\nErlaubnis ist auch teilbar (3.). Schließlich muss der Klager auch nicht die\nBerufsbezeichnung „Heilpraktiker" fuhren (4.). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 1\\. Die vom Klager begehrte Tatigkeit ist Ausubung der Heilkunde . Nach der\ngesetzlichen Definition des § 1 Abs. 2 HeilPrG ist Ausubung der Heilkunde\ni.S.d. Gesetzes jede berufs- oder gewerbsmaßig vorgenommene Tatigkeit zur\nFeststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder\nKorperschaden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeubt\nwird. Weitere Voraussetzung nach der Rechtsprechung ist es, dass die\nbetreffende Behandlung nach allgemeiner Auffassung medizinische\n(heilkundliche) Fachkenntnisse erfordert (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1983 - 3\nC 21.82 - BVerwGE 66. 367 ff.; BVerwG, Urt. v. 11. November 1993 - 3 C 45.91 -\nNJW 1994, 3024) und dass sie gesundheitliche Schaden verursachen kann (u.a.\nBVerwG, Urt. v. 18.12.1972 - 1 C 2.69 - NJW 1973, 579). Nach der\nBegriffsbestimmung ubt der Klager die Heilkunde aus, denn seine Tatigkeit\ndient der Heilung und Linderung von Krankheiten und Leiden und wirkt\nunmittelbar auf den Korper des Patienten ein. Hierzu sind die erlernten\nFachkenntnisse notwendig, auch deshalb, um mit der Behandlung verbundene\nGefahren auszuschließen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Allerdings wird die Tatigkeit des Physiotherapeuten nach herkommlicher\nAuffassung nicht als Ausubung der Heilkunde aufgefasst, weil „ Hilfen zur\nEntwicklung, zum Erhalt oder zur Wiederherstellung aller Funktionen im\nsomatischen und psychischen Bereich" gegeben werden sollen (vgl. § 8 MPhG) und\ndies nach Maßgabe einer arztlichen Diagnose und aufgrund einer arztlichen\nHeilmittelverordnung erfolgt. Deshalb wird in diesen Fallen lediglich der\nbehandelnde Arzt als diejenige Person angesehen, die die Heilkunde ausubt. Im\nFalle des Klagers ist es allerdings so, dass er die Tatigkeit des\nPhysiotherapeuten eigenverantwortlich und selbststandig ausuben mochte.\nHierfur benotigt er die begehrte Erlaubnis, denn die Ausubung der Heilkunde\nist nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich Ärzten, Zahnarzten und\nPsychotherapeuten einerseits und Heilpraktikern andererseits vorbehalten.\nHieran mogen Zweifel bestehen, weil der Klager durch seine Ausbildung die\nErlaubnis zur Fuhrung der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut" gemaß § 1 Abs. 1\nMPhG erhalten hat und damit auch zur Erbringung von Leistungen dieses\nHeilhilfsberufs befugt ist (vgl. hierzu Dunisch-Bachmann, Das Recht des\nHeilpraktikerberufs und der nichtarztlichen Heilkundeausubung, Kommentar zum\nHeilpraktikergesetz, RdNr. 6.3.5 zu § 1 sowie die vom Klager mitgeteilte\nAuffassung des Ministeriums fur Justiz, Gesundheit und Soziales des\nSaarlandes, welches eine Erlaubnis fur entbehrlich halt), nach Auffassung der\nKammer ware hierfur jedoch eine Gesetzesanderung erforderlich.\nGenehmigungsrechtlich handelt es sich um ein „Aliud" (so die Auffassung des\nOVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.11.2006 - 6 A 10271/06. OVG -, MedR 2007,\n496). Dass heilkundliche Tatigkeit grundsatzlich nicht erlaubnisfrei sein\nsoll, hat im Hinblick auf die Volksgesundheit unterschiedslos seinen Sinn,\ngleichgultig welche Vor- und Ausbildung der Bewerber aufweist, denn es geht um\neine praventive Kontrolle (so BVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.). Dem folgt\ndie Kammer. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Die Kammer ist der Überzeugung, dass bei einer selbststandigen\nErbringung physiotherapeutischer Leistungen durch den Klager ohne vorgangige\nKenntnisuberprufung nach den Richtlinien des Sozialministeriums zur\nDurchfuhrung des Heilpraktikergesetzes (HP-RL) vom 21.11.2003 (GABl. 2003,\n983) keine Gefahren fur die Volksgesundheit bestehen. Eine solche Gefahr\nstellte nach § 2 Abs. 1 Buchstabe i 1. DVO-HeilPrG einen Versagungsgrund fur\ndie Erlaubnis nach § 1 Abs. 3 1. Halbsatz HeilprG dar. \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Diese Überprufung ist ihrer Rechtsnatur nach eine Maßnahme der\nGefahrenabwehr. Sie soll Personen von der Ausubung der Heilkunde ausschließen,\nbei denen schwerwiegende Fehlvorstellungen in medizinischer Hinsicht bestehen.\nSie bietet damit einen Minimalschutz fur Patienten und soll vor Kurpfuschertum\nschutzen (vgl. Kurtenbach, Erlauterungen zum Heilpraktikergesetz in: Das\nDeutsche Bundesrecht, I K 11, Anm. zu § 2 Abs. 1 Buchstabe i 1. DVO-HeilPrG).\nEine solche Überprufung erscheint im Regelfall erforderlich, weil fur den\nBeruf des Heilpraktikers kein gesetzlich fest umrissenes Berufsbild existiert,\nsondern nur ein Berufsfeld, fur das es keine staatlich reglementierte\nAusbildung gibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.). Anders ist dies\nim Falle des Physiotherapeuten, welcher die im Masseur- und\nPhysiotherapeutengesetz umschriebene Ausbildung durchlaufen und mit einer\nstaatlichen Prufung abgeschlossen haben muss. Damit ist dokumentiert, dass der\nPhysiotherapeut den beruflichen Anforderungen in Theorie und Praxis vollauf\ngewachsen ist und dass auf seinem Betatigungsfeld keine Fehlvorstellungen in\nmedizinischer Hinsicht bestehen (vgl. dazu uberzeugend OVG Rheinland-Pfalz,\nUrt. v. 21.11.2006, a.a.O.). Die so erworbene Berufsqualifikation berechtigt\nnur zur Ausubung der erlernten Tatigkeiten innerhalb des Berufsbilds. Von\nbesonderer Bedeutung ist dabei, dass der Physiotherapeut in der weit\nuberwiegenden Zahl der Falle auf Verordnung des Arztes und als dessen Helfer\ntatig werden wird. Er verfugt dabei nach seiner Ausbildung nach dem Masseur-\nund Physiotherapeutengesetz uber Kenntnisse, die durchweg in Übereinstimmung\nmit den Grundsatzen evidenzbasierter Medizin stehen. Mit anderen Worten\nbetatigt er sich - anders als der Heilpraktiker - innerhalb des Bereichs der\nSchulmedizin. Dagegen berechtigt die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz\ngrundsatzlich im gesamten heilkundlichen Bereich zur Erstellung von Diagnosen\nund Durchfuhrung von Therapien. Hierbei konnen eben wegen der fehlenden\ngeregelten Ausbildung und der Freiheit bei der Wahl der Behandlungsmethoden\nvielfaltige und unuberschaubare Gefahren fur die Gesundheit der Patienten\nauftreten. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Im Rahmen seiner Ausbildung werden dem Physiotherapeuten neben\nKenntnissen und Fertigkeiten in der physikalischen Therapie auch Kenntnisse in\nallgemeiner und spezieller Krankheitslehre sowie physiotherapeutische Befund-\nund Untersuchungstechniken vermittelt. Damit lernt der Auszubildende,\nBehandlungsindikationen und Kontraindikationen selbststandig zu erkennen. Der\nKlager weist uberzeugend darauf hin, dass er oftmals nicht aufgrund einer\nexakten Diagnose des Arztes, sondern nur wegen eines von diesem angegebenen\nBeschwerdebildes behandelt, weswegen er zunachst eine Befundung vornehmen\nmuss. Demgegenuber werden bei Heilpraktikern gemaß 4.3.3 HP-RL Grundkenntnisse\nin der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung von haufigen\nKrankheiten, insbesondere der Stoffwechselkrankheiten, der Herz-Kreislauf-\nKrankheiten, der degenerativen und ubertragbaren Krankheiten, der bosartigen\nNeubildungen sowie seelischer Erkrankungen und gemaß 4.3.6 Technik der\nAnamneseerhebung, Methoden der unmittelbaren Krankenuntersuchung uberpruft.\nEine bestimmte Zahl an Unterrichtsstunden ist nicht vorgeschrieben, Fehler bei\nden im Multiple-Choice-Verfahren gestellten Fragen konnen durch richtige\nAntworten auf anderen Gebieten ausgeglichen werden. Damit ist schon vom\nGrundsatz her nicht erkennbar, inwiefern der Physiotherapeut uber schlechtere\nFahigkeiten im Bereich der Differenzialdiagnose, d. h. bei der Erkennung von\nBeschwerdebildern, fur deren Behandlung er nicht befahigt ist, verfugte. Dies\ngilt gerade auch bei den vom Landratsamt Heilbronn angefuhrten\nKrankheitsbildern, bei denen der Patient an einer von ihm selbst nicht\nerkannten, aber durch einen Arzt behandlungsbedurftigen Krankheit leidet. Der\nKlager hat hierzu im Einzelnen uberzeugend ausgefuhrt, dass es fur die\nDiagnose derartiger Krankheiten entweder bildgebender Verfahren bedarf, uber\ndie auch ein Heilpraktiker nicht verfugt, oder es sind die Krankheitsbilder\nbereits so schwer oder so speziell, dass sich ein Arztbesuch ohnehin\naufdrangt; im Zweifelsfall wurde ein Physiotherapeut eben wegen seiner Nahe\nzur Schulmedizin nach Auffassung des Gerichts mit hoherer Wahrscheinlichkeit\nals ein Heilpraktiker den Besuch eines Arztes anempfehlen. \n--- \n| 23 \n--- \n| c) Es kann schließlich auch nicht außer Acht bleiben, dass es im\nvorliegenden Fall nur um mittelbare Gefahren fur die Volksgesundheit gehen\nkann, die darin liegen, dass eine verborgene Krankheit bei der Behandlung\ndurch den Physiotherapeuten nicht erkannt wird und sich dadurch die gebotene\nBehandlung des unerkannten Leidens durch den Arzt verzogert. Bei einer solchen\nmittelbaren Gefahr ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\n(Beschl. v. 17.07.2000 - 1 BvR 254/99 -, NJW 2000, 2736) bei der Abwagung\nbesondere Sorgfalt geboten, weil sich Verbot (im vorliegenden Fall:\nErfordernis der Kenntnisuberprufung) und Schutzgut weit voneinander entfernen.\nDie vom Landratsamt in diesem Zusammenhang genannten\nGefahrdungskonstellationen, zumal unerkannte Tumorerkrankungen, konnen aber\nauch im Falle der bei Heilpraktikern ublichen Kenntnisuberprufung nach den HP-\nRL nicht besser und einfacher erkannt und der weiteren Untersuchung durch den\nFacharzt zugefuhrt werden, weil auch Heilpraktiker nicht uber die\nerforderlichen Untersuchungsmethoden verfugen. Im Übrigen erlernt es der\nPhysiotherapeut in seiner Ausbildung, darauf zu achten, ob die durchgefuhrten\nBehandlungsmaßnahmen zum Erfolg fuhren oder eine andere, nicht abgeklarte\nUrsache der Erkrankung nahelegen. Im Lichte der Bedeutung des Grundrechts aus\nArt. 12 Abs. 1 GG ware eine Kenntnisuberprufung daher weder geeignet noch\nverhaltnismaßig. Von daher ist eine verfassungskonforme Reduktion (OVG\nRheinland-Pfalz a.a.O.) des Regelungsgehaltes des § 2 Abs. 1 Buchstabe i\nHeilPrG-DVO erforderlich. Dies macht zwar nicht die Überprufung an sich\nentbehrlich, stellt jedoch eine Prufung der vorgelegten Zeugnisse und\nsonstigen Nachweise „nach Aktenlage" an den Anfang, um dann die Art der\nweiteren Ermittlungen zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.1993 a.a.O.).\nAuch das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.) erwahnt die\nMoglichkeit, dass der Nachweis der abgeschlossenen Ausbildung ausreichen kann;\nebenso spricht das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 21.12.1995 - 3 C 24.94 -,\nDVBl. 1996, 811) davon, dass bei Diplompsychologen, die eine staatlich\nanerkannte und uberprufte akademische Ausbildung absolvierten, sich einer\nZusatzausbildung unterzogen haben und nur Psychotherapie ausuben wollen, von\neiner schriftlichen und mundlichen Überprufung der Kenntnisse und Fahigkeiten\nabgesehen werden konne. Diese Konstellation ist auf den vorliegenden Fall nach\nAuffassung des Gerichts ubertragbar, so dass - da nicht erforderlich - von\njeder weiteren Überprufung abzusehen ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Therapieformen, bei denen eine vorherige arztliche Untersuchung des\nPatienten unerlasslich ist, wie Traktionsbehandlungen der Wirbelsaule und\nVollbader als Thermalbader, hat der Klager bereits durch die Einschrankung\nseines Antrags von der selbststandigen Betatigung ausgenommen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Die begehrte Erlaubnis ist auch auf den bezeichneten Bereich\nbeschrankbar. Zwar sieht das Heilpraktikergesetz eine solche gegenstandlich\nbeschrankte Erlaubnis nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber seit\ndem Urteil vom 21.01.1993 (a.a.O.) in Änderung seiner Rechtsprechung von einer\nTeilbarkeit der Erlaubnis aus. Es weist in jener Entscheidung ausdrucklich\ndarauf hin, dass sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Heilberufe seit dem\nErlass des Heilpraktikergesetz in damals nicht voraussehbarer Weise\nausdifferenziert hatten, so dass Anlass bestehe, das Heilpraktikergesetz im\nWege der Auslegung an die gegenwartigen Gegebenheiten anzupassen. Dies gilt\nauch fur im Gesetz uber die Berufe in der Physiotherapie beschriebene\nAufgabenfelder des Masseurs und medizinischen Bademeisters einerseits, sowie\ndes Physiotherapeuten andererseits. Dieses Gesetz definiert und grenzt die\nAufgaben hinreichend ab. Eine Grenzziehung ist damit moglich und aufgrund der\nBerufsfreiheit auch geboten, auch wenn die Abgrenzung - wie vom Landratsamt\nvorgetragen - nicht ohne verwaltungstechnische Schwierigkeiten durchzufuhren\nsein wird. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. Der Klager hat schließlich auch nicht die Verpflichtung, nach § 1 Abs. 3\n2. Halbsatz HeilPrG die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker" zu fuhren. Bei\nverfassungskonformer Auslegung konzentriert sich die Titelfuhrungsvorschrift\nauf den Personenkreis der Heilpraktiker ohne spezielle heilkundliche\nBerufsausbildung, dem nur eine umfassende Heilpraktikererlaubnis erteilt\nwerden kann. Einen sachlichen Grund, die Berufsbezeichnung ohne Ausnahme auf\ndas gesamte Berufsfeld der nicht approbierten Heilbehandler anzuwenden, gibt\nes nicht; sie ware irrefuhrend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.).\nMit der Berufsbezeichnung „Heilpraktiker" verbinden sich namlich\nVorstellungen, deren Übertragung auf den Absolventen einer qualifizierten\nheilkundlichen Berufsausbildung diskriminierend sein kann, so dass es\ngerechtfertigt erscheint, den Titelfuhrungszwang jedenfalls insoweit zu\nlockern. Dies kann auch aus Grunden des Verkehrsschutzes angezeigt sein, um\nIrritationen zu vermeiden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Berufung war gemaß § 124 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO zuzulassen, da die Frage,\nob eine Kenntnisuberprufung bei Physiotherapeuten fur die selbststandige\nAusubung ihres Berufs erforderlich ist, grundsatzliche Bedeutung hat. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| \n--- \n**Beschluss vom 10. April 2008** \nDer Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf \n**EUR 15.000,00** \nfestgesetzt (Nr. 14.1 des Streitwertkataloges fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327). \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten, denn dieser hat\nAnspruch auf Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis im beantragten Umfang (§\n113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 16 \n--- \n| Anspruchsgrundlage fur die begehrte Erlaubnis ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes\nuber die berufsmaßige Ausubung der Heilkunde ohne Bestallung vom 17.02.1939\n(HeilPrG) i.V.m. § 2 Abs. 1 HeilPrG i.V.m. § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilPrG\ni.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG. Nach § 1 Abs. 1 HeilPrG bedarf der Erlaubnis, wer\ndie Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausuben will; entgegen dem\nWortlaut des § 2 Abs. 1 HeilPrG steht die Erlaubniserteilung nicht im Ermessen\nder Behorden. Vielmehr ist nach verfassungskonformer Auslegung jeder\nAntragsteller zur berufsmaßigen Ausubung der Heilkunde ohne Bestallung\nzuzulassen, wenn kein sich aus § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilPrG ergebender -\nrechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund gegeben ist (BVerwG, Urt. v.\n24.01.1957 - 1 C 194.54 -, BVerwGE 4, 250 - standige Rechtsprechung). Nach § 2\nAbs. 1 lit. i der 1. DVO-HeilPrG darf die Heilpraktikererlaubnis nicht erteilt\nwerden, wenn sich aus einer Überprufung der Kenntnisse und Fahigkeiten des\nAntragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausubung der\nHeilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr fur die Volksgesundheit bedeuten\nwurde. In welcher Form und in welchem Umfang die Überprufung der Kenntnisse\nund Fahigkeiten des Heilpraktikeranwarters zu erfolgen hat, ist weder im\nHeilpraktikergesetz noch in der DVO hierzu geregelt, was im Hinblick auf Art.\n12 Abs. 1 GG bedenklich ist; diese Bedenken lassen sich aber im Wege der\nverfassungskonformen Auslegung mit Hilfe des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes\nausraumen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.1993 - 3 C 34.90 -, DVBl. 1993, 723;\nBVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 - 1 BvR 482/84 und 1166/85 - BVerfGE 78, 179 =\nNJW 1988, 2290). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach diesen Maßstaben bedarf der Klager einer derartigen Erlaubnis (1.),\nseine Tatigkeit bedeutet keine Gefahr fur die Volksgesundheit (2.). Die\nErlaubnis ist auch teilbar (3.). Schließlich muss der Klager auch nicht die\nBerufsbezeichnung „Heilpraktiker" fuhren (4.). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 1\\. Die vom Klager begehrte Tatigkeit ist Ausubung der Heilkunde . Nach der\ngesetzlichen Definition des § 1 Abs. 2 HeilPrG ist Ausubung der Heilkunde\ni.S.d. Gesetzes jede berufs- oder gewerbsmaßig vorgenommene Tatigkeit zur\nFeststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder\nKorperschaden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeubt\nwird. Weitere Voraussetzung nach der Rechtsprechung ist es, dass die\nbetreffende Behandlung nach allgemeiner Auffassung medizinische\n(heilkundliche) Fachkenntnisse erfordert (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1983 - 3\nC 21.82 - BVerwGE 66. 367 ff.; BVerwG, Urt. v. 11. November 1993 - 3 C 45.91 -\nNJW 1994, 3024) und dass sie gesundheitliche Schaden verursachen kann (u.a.\nBVerwG, Urt. v. 18.12.1972 - 1 C 2.69 - NJW 1973, 579). Nach der\nBegriffsbestimmung ubt der Klager die Heilkunde aus, denn seine Tatigkeit\ndient der Heilung und Linderung von Krankheiten und Leiden und wirkt\nunmittelbar auf den Korper des Patienten ein. Hierzu sind die erlernten\nFachkenntnisse notwendig, auch deshalb, um mit der Behandlung verbundene\nGefahren auszuschließen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Allerdings wird die Tatigkeit des Physiotherapeuten nach herkommlicher\nAuffassung nicht als Ausubung der Heilkunde aufgefasst, weil „ Hilfen zur\nEntwicklung, zum Erhalt oder zur Wiederherstellung aller Funktionen im\nsomatischen und psychischen Bereich" gegeben werden sollen (vgl. § 8 MPhG) und\ndies nach Maßgabe einer arztlichen Diagnose und aufgrund einer arztlichen\nHeilmittelverordnung erfolgt. Deshalb wird in diesen Fallen lediglich der\nbehandelnde Arzt als diejenige Person angesehen, die die Heilkunde ausubt. Im\nFalle des Klagers ist es allerdings so, dass er die Tatigkeit des\nPhysiotherapeuten eigenverantwortlich und selbststandig ausuben mochte.\nHierfur benotigt er die begehrte Erlaubnis, denn die Ausubung der Heilkunde\nist nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich Ärzten, Zahnarzten und\nPsychotherapeuten einerseits und Heilpraktikern andererseits vorbehalten.\nHieran mogen Zweifel bestehen, weil der Klager durch seine Ausbildung die\nErlaubnis zur Fuhrung der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut" gemaß § 1 Abs. 1\nMPhG erhalten hat und damit auch zur Erbringung von Leistungen dieses\nHeilhilfsberufs befugt ist (vgl. hierzu Dunisch-Bachmann, Das Recht des\nHeilpraktikerberufs und der nichtarztlichen Heilkundeausubung, Kommentar zum\nHeilpraktikergesetz, RdNr. 6.3.5 zu § 1 sowie die vom Klager mitgeteilte\nAuffassung des Ministeriums fur Justiz, Gesundheit und Soziales des\nSaarlandes, welches eine Erlaubnis fur entbehrlich halt), nach Auffassung der\nKammer ware hierfur jedoch eine Gesetzesanderung erforderlich.\nGenehmigungsrechtlich handelt es sich um ein „Aliud" (so die Auffassung des\nOVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.11.2006 - 6 A 10271/06. OVG -, MedR 2007,\n496). Dass heilkundliche Tatigkeit grundsatzlich nicht erlaubnisfrei sein\nsoll, hat im Hinblick auf die Volksgesundheit unterschiedslos seinen Sinn,\ngleichgultig welche Vor- und Ausbildung der Bewerber aufweist, denn es geht um\neine praventive Kontrolle (so BVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.). Dem folgt\ndie Kammer. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Die Kammer ist der Überzeugung, dass bei einer selbststandigen\nErbringung physiotherapeutischer Leistungen durch den Klager ohne vorgangige\nKenntnisuberprufung nach den Richtlinien des Sozialministeriums zur\nDurchfuhrung des Heilpraktikergesetzes (HP-RL) vom 21.11.2003 (GABl. 2003,\n983) keine Gefahren fur die Volksgesundheit bestehen. Eine solche Gefahr\nstellte nach § 2 Abs. 1 Buchstabe i 1. DVO-HeilPrG einen Versagungsgrund fur\ndie Erlaubnis nach § 1 Abs. 3 1. Halbsatz HeilprG dar. \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Diese Überprufung ist ihrer Rechtsnatur nach eine Maßnahme der\nGefahrenabwehr. Sie soll Personen von der Ausubung der Heilkunde ausschließen,\nbei denen schwerwiegende Fehlvorstellungen in medizinischer Hinsicht bestehen.\nSie bietet damit einen Minimalschutz fur Patienten und soll vor Kurpfuschertum\nschutzen (vgl. Kurtenbach, Erlauterungen zum Heilpraktikergesetz in: Das\nDeutsche Bundesrecht, I K 11, Anm. zu § 2 Abs. 1 Buchstabe i 1. DVO-HeilPrG).\nEine solche Überprufung erscheint im Regelfall erforderlich, weil fur den\nBeruf des Heilpraktikers kein gesetzlich fest umrissenes Berufsbild existiert,\nsondern nur ein Berufsfeld, fur das es keine staatlich reglementierte\nAusbildung gibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.). Anders ist dies\nim Falle des Physiotherapeuten, welcher die im Masseur- und\nPhysiotherapeutengesetz umschriebene Ausbildung durchlaufen und mit einer\nstaatlichen Prufung abgeschlossen haben muss. Damit ist dokumentiert, dass der\nPhysiotherapeut den beruflichen Anforderungen in Theorie und Praxis vollauf\ngewachsen ist und dass auf seinem Betatigungsfeld keine Fehlvorstellungen in\nmedizinischer Hinsicht bestehen (vgl. dazu uberzeugend OVG Rheinland-Pfalz,\nUrt. v. 21.11.2006, a.a.O.). Die so erworbene Berufsqualifikation berechtigt\nnur zur Ausubung der erlernten Tatigkeiten innerhalb des Berufsbilds. Von\nbesonderer Bedeutung ist dabei, dass der Physiotherapeut in der weit\nuberwiegenden Zahl der Falle auf Verordnung des Arztes und als dessen Helfer\ntatig werden wird. Er verfugt dabei nach seiner Ausbildung nach dem Masseur-\nund Physiotherapeutengesetz uber Kenntnisse, die durchweg in Übereinstimmung\nmit den Grundsatzen evidenzbasierter Medizin stehen. Mit anderen Worten\nbetatigt er sich - anders als der Heilpraktiker - innerhalb des Bereichs der\nSchulmedizin. Dagegen berechtigt die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz\ngrundsatzlich im gesamten heilkundlichen Bereich zur Erstellung von Diagnosen\nund Durchfuhrung von Therapien. Hierbei konnen eben wegen der fehlenden\ngeregelten Ausbildung und der Freiheit bei der Wahl der Behandlungsmethoden\nvielfaltige und unuberschaubare Gefahren fur die Gesundheit der Patienten\nauftreten. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Im Rahmen seiner Ausbildung werden dem Physiotherapeuten neben\nKenntnissen und Fertigkeiten in der physikalischen Therapie auch Kenntnisse in\nallgemeiner und spezieller Krankheitslehre sowie physiotherapeutische Befund-\nund Untersuchungstechniken vermittelt. Damit lernt der Auszubildende,\nBehandlungsindikationen und Kontraindikationen selbststandig zu erkennen. Der\nKlager weist uberzeugend darauf hin, dass er oftmals nicht aufgrund einer\nexakten Diagnose des Arztes, sondern nur wegen eines von diesem angegebenen\nBeschwerdebildes behandelt, weswegen er zunachst eine Befundung vornehmen\nmuss. Demgegenuber werden bei Heilpraktikern gemaß 4.3.3 HP-RL Grundkenntnisse\nin der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung von haufigen\nKrankheiten, insbesondere der Stoffwechselkrankheiten, der Herz-Kreislauf-\nKrankheiten, der degenerativen und ubertragbaren Krankheiten, der bosartigen\nNeubildungen sowie seelischer Erkrankungen und gemaß 4.3.6 Technik der\nAnamneseerhebung, Methoden der unmittelbaren Krankenuntersuchung uberpruft.\nEine bestimmte Zahl an Unterrichtsstunden ist nicht vorgeschrieben, Fehler bei\nden im Multiple-Choice-Verfahren gestellten Fragen konnen durch richtige\nAntworten auf anderen Gebieten ausgeglichen werden. Damit ist schon vom\nGrundsatz her nicht erkennbar, inwiefern der Physiotherapeut uber schlechtere\nFahigkeiten im Bereich der Differenzialdiagnose, d. h. bei der Erkennung von\nBeschwerdebildern, fur deren Behandlung er nicht befahigt ist, verfugte. Dies\ngilt gerade auch bei den vom Landratsamt Heilbronn angefuhrten\nKrankheitsbildern, bei denen der Patient an einer von ihm selbst nicht\nerkannten, aber durch einen Arzt behandlungsbedurftigen Krankheit leidet. Der\nKlager hat hierzu im Einzelnen uberzeugend ausgefuhrt, dass es fur die\nDiagnose derartiger Krankheiten entweder bildgebender Verfahren bedarf, uber\ndie auch ein Heilpraktiker nicht verfugt, oder es sind die Krankheitsbilder\nbereits so schwer oder so speziell, dass sich ein Arztbesuch ohnehin\naufdrangt; im Zweifelsfall wurde ein Physiotherapeut eben wegen seiner Nahe\nzur Schulmedizin nach Auffassung des Gerichts mit hoherer Wahrscheinlichkeit\nals ein Heilpraktiker den Besuch eines Arztes anempfehlen. \n--- \n| 23 \n--- \n| c) Es kann schließlich auch nicht außer Acht bleiben, dass es im\nvorliegenden Fall nur um mittelbare Gefahren fur die Volksgesundheit gehen\nkann, die darin liegen, dass eine verborgene Krankheit bei der Behandlung\ndurch den Physiotherapeuten nicht erkannt wird und sich dadurch die gebotene\nBehandlung des unerkannten Leidens durch den Arzt verzogert. Bei einer solchen\nmittelbaren Gefahr ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\n(Beschl. v. 17.07.2000 - 1 BvR 254/99 -, NJW 2000, 2736) bei der Abwagung\nbesondere Sorgfalt geboten, weil sich Verbot (im vorliegenden Fall:\nErfordernis der Kenntnisuberprufung) und Schutzgut weit voneinander entfernen.\nDie vom Landratsamt in diesem Zusammenhang genannten\nGefahrdungskonstellationen, zumal unerkannte Tumorerkrankungen, konnen aber\nauch im Falle der bei Heilpraktikern ublichen Kenntnisuberprufung nach den HP-\nRL nicht besser und einfacher erkannt und der weiteren Untersuchung durch den\nFacharzt zugefuhrt werden, weil auch Heilpraktiker nicht uber die\nerforderlichen Untersuchungsmethoden verfugen. Im Übrigen erlernt es der\nPhysiotherapeut in seiner Ausbildung, darauf zu achten, ob die durchgefuhrten\nBehandlungsmaßnahmen zum Erfolg fuhren oder eine andere, nicht abgeklarte\nUrsache der Erkrankung nahelegen. Im Lichte der Bedeutung des Grundrechts aus\nArt. 12 Abs. 1 GG ware eine Kenntnisuberprufung daher weder geeignet noch\nverhaltnismaßig. Von daher ist eine verfassungskonforme Reduktion (OVG\nRheinland-Pfalz a.a.O.) des Regelungsgehaltes des § 2 Abs. 1 Buchstabe i\nHeilPrG-DVO erforderlich. Dies macht zwar nicht die Überprufung an sich\nentbehrlich, stellt jedoch eine Prufung der vorgelegten Zeugnisse und\nsonstigen Nachweise „nach Aktenlage" an den Anfang, um dann die Art der\nweiteren Ermittlungen zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.1993 a.a.O.).\nAuch das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.) erwahnt die\nMoglichkeit, dass der Nachweis der abgeschlossenen Ausbildung ausreichen kann;\nebenso spricht das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 21.12.1995 - 3 C 24.94 -,\nDVBl. 1996, 811) davon, dass bei Diplompsychologen, die eine staatlich\nanerkannte und uberprufte akademische Ausbildung absolvierten, sich einer\nZusatzausbildung unterzogen haben und nur Psychotherapie ausuben wollen, von\neiner schriftlichen und mundlichen Überprufung der Kenntnisse und Fahigkeiten\nabgesehen werden konne. Diese Konstellation ist auf den vorliegenden Fall nach\nAuffassung des Gerichts ubertragbar, so dass - da nicht erforderlich - von\njeder weiteren Überprufung abzusehen ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Therapieformen, bei denen eine vorherige arztliche Untersuchung des\nPatienten unerlasslich ist, wie Traktionsbehandlungen der Wirbelsaule und\nVollbader als Thermalbader, hat der Klager bereits durch die Einschrankung\nseines Antrags von der selbststandigen Betatigung ausgenommen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Die begehrte Erlaubnis ist auch auf den bezeichneten Bereich\nbeschrankbar. Zwar sieht das Heilpraktikergesetz eine solche gegenstandlich\nbeschrankte Erlaubnis nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber seit\ndem Urteil vom 21.01.1993 (a.a.O.) in Änderung seiner Rechtsprechung von einer\nTeilbarkeit der Erlaubnis aus. Es weist in jener Entscheidung ausdrucklich\ndarauf hin, dass sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Heilberufe seit dem\nErlass des Heilpraktikergesetz in damals nicht voraussehbarer Weise\nausdifferenziert hatten, so dass Anlass bestehe, das Heilpraktikergesetz im\nWege der Auslegung an die gegenwartigen Gegebenheiten anzupassen. Dies gilt\nauch fur im Gesetz uber die Berufe in der Physiotherapie beschriebene\nAufgabenfelder des Masseurs und medizinischen Bademeisters einerseits, sowie\ndes Physiotherapeuten andererseits. Dieses Gesetz definiert und grenzt die\nAufgaben hinreichend ab. Eine Grenzziehung ist damit moglich und aufgrund der\nBerufsfreiheit auch geboten, auch wenn die Abgrenzung - wie vom Landratsamt\nvorgetragen - nicht ohne verwaltungstechnische Schwierigkeiten durchzufuhren\nsein wird. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. Der Klager hat schließlich auch nicht die Verpflichtung, nach § 1 Abs. 3\n2. Halbsatz HeilPrG die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker" zu fuhren. Bei\nverfassungskonformer Auslegung konzentriert sich die Titelfuhrungsvorschrift\nauf den Personenkreis der Heilpraktiker ohne spezielle heilkundliche\nBerufsausbildung, dem nur eine umfassende Heilpraktikererlaubnis erteilt\nwerden kann. Einen sachlichen Grund, die Berufsbezeichnung ohne Ausnahme auf\ndas gesamte Berufsfeld der nicht approbierten Heilbehandler anzuwenden, gibt\nes nicht; sie ware irrefuhrend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.1988 a.a.O.).\nMit der Berufsbezeichnung „Heilpraktiker" verbinden sich namlich\nVorstellungen, deren Übertragung auf den Absolventen einer qualifizierten\nheilkundlichen Berufsausbildung diskriminierend sein kann, so dass es\ngerechtfertigt erscheint, den Titelfuhrungszwang jedenfalls insoweit zu\nlockern. Dies kann auch aus Grunden des Verkehrsschutzes angezeigt sein, um\nIrritationen zu vermeiden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Berufung war gemaß § 124 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO zuzulassen, da die Frage,\nob eine Kenntnisuberprufung bei Physiotherapeuten fur die selbststandige\nAusubung ihres Berufs erforderlich ist, grundsatzliche Bedeutung hat. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| \n--- \n**Beschluss vom 10. April 2008** \nDer Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf \n**EUR 15.000,00** \nfestgesetzt (Nr. 14.1 des Streitwertkataloges fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327). \n---\n\n
104,693
olgrost-2008-07-16-1-u-4808
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
1 U 48/08
2008-07-16
2018-11-24 03:30:19
2019-02-11 05:56:39
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom\n07.12.2007 - Az.: 5 O 84/06 - wie folgt geandert:\n\n \n\n1\\. Der Beklagte wird verurteilt, der Klagerin 225.000,00 € nebst 2 % Zinsen\naus 250.000,00 € vom 04.02.2005 bis zum 14.01.2006 sowie nebst 2 % Zinsen auf\n225.000,00 € vom 15.01.2006 bis 31.01.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die\nKlage abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Der Beklagte tragt 56 % und die Klagerin 44 % der Kosten der Berufung. Von\nden ubrigen Kosten des Rechtsstreits tragt die Klagerin 53 % und der Beklagte\n47 %.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Beide Parteien konnen die\nVollstreckung der jeweils anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Hohe von\n120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die\nvollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Hohe des zu vollstreckenden Betrages\ngeleistet hat.\n\n \n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n\n5\\. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 22.327,86 € festgesetzt.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Herausgabe von Goldbarren, die die Klagerin dem\nBeklagten im Jahre 2005 ubergeben hat.\n\n2\n\n \n\nWegen des Sachverhaltes und den in 1. Instanz gestellten Antragen wird auf das\nangefochtene Urteil gemaß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.\n\n3\n\n \n\nDurch das vom Beklagten angefochtene Urteil vom 07.12.2007 hat das Landgericht\nihn verurteilt, an die Klagerin 225.000,00 € nebst 2 % Zinsen auf 250.000,00 €\nvom 04.02.2005 bis zum 14.01.2006 sowie nebst 2 % Zinsen auf 225.000,00 € ab\ndem 15.01.2006 zu zahlen. Daruber hinaus wurde die Klage abgewiesen. Der\nKlagerin sind 1/3 und dem Beklagten 2/3 der Kosten des Verfahrens auferlegt\nworden. Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und\nrechtzeitig begrundete Berufung des Beklagten.\n\n4\n\n \n\nDer Beklagte macht mit seiner Berufung sowohl hinsichtlich des ausgeurteilten\nZinslaufes als auch bezuglich der Kostenentscheidung die fehlerhafte Anwendung\ndes materiellen Rechts geltend. Hierzu tragt er vor, dass Zinsen auf die\nausgeurteilten 225.000,00 € lediglich bis zum 31.01.2007 hatten zugesprochen\nwerden durfen, da zu diesem Zeitpunkt das Darlehen zur Ruckzahlung fallig\ngewesen und die Klagerin sich seit diesem Zeitpunkt in Glaubigerverzug\nbefunden habe. Der Annahmeverzug der Klagerin sei durch die Schreiben des\nBeklagten vom 18.01.2007 sowie 25.01.2007, in denen dieser der Klagerin den\nGegenwert der Goldbarren in Hohe von 225.000,00 € nebst Zinsen - zwischen den\nParteien unstreitig - angeboten hat, spatestens jedoch mit der schriftlichen\nAnnahmeverweigerung der Klagerin vom 25.01.2007 begrundet worden.\n\n5\n\n \n\nAuch sei die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils\nrechtsfehlerhaft. Wahrend des Glaubigerverzugs sei der Schuldner nicht fur\nKosten haftbar, die mit dem Verfahren in Zusammenhang stunden, soweit ihm\nnicht Vorsatz oder grobe Fahrlassigkeit vorzuwerfen seien. Daruber hinaus habe\ndas Landgericht fur den Fall der Abgabe eines Anerkenntnisses die Ausurteilung\neiner Kostenquote angekundigt, so dass ein sofortiges Anerkenntnis nicht\nangezeigt gewesen sei. Daruberhinaus sei der erstinstanzlichen\nKostenentscheidung ein falscher Streitwert zugrundegelegt worden. Dieser habe\nsich nach dem Goldkurswert bei Klageerhebung zu richten. Auch sei\nrechtsfehlerhaft bei der Ermittlung der Kostenquote nicht berucksichtigt\nworden, dass der Klagerin lediglich ein Teilbetrag aus dem von ihr gestellten\nHilfsantrag zugesprochen worden ist.\n\n6\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n7\n\n \n\n1\\. unter Abanderung des Landgerichtes Schwerin vom 07.12.2007 den Beklagten\nzu verurteilen, der Klagerin 225.000,00 € zu zahlen nebst 2 % Zinsen auf\n250.000,00 € vom 04.02.2005 bis zum 14.01.2006 sowie nebst 2 % Zinsen auf\n225.000,00 € seit dem 15.01.2006 bis zum 31.01.2007.\n\n8\n\n \n\n2\\. Der Klagerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.\n\n9\n\n \n\n3\\. Hilfsweise zum Antrag zu 2.):\n\n10\n\n \n\nDer Klagerin 2/3 und dem Beklagten 1/3 der Kosten des Verfahrens 1. Instanz\naufzuerlegen.\n\n11\n\n \n\nBeide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.\n\n12\n\n \n\nZur Erganzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten\nParteienschriftsatze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im Übrigen\nausdrucklich Bezug genommen.\n\n \n\n**II.**\n\n13\n\n \n\nDie zulassige Berufung ist zum Teil begrundet.\n\n14\n\n \n\n1\\. Die Berufung ist erfolgreich, soweit sie eine fehlerhafte Rechtsanwendung\nbei der Zins- und Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils rugt.\n\n15\n\n \n\na) Der Klagerin steht kein uber den 31.01.2007 hinausgehender Zinsanspruch auf\ndie Summe von 225.000,00 € gegen den Beklagten zu, da der Zahlungsverzug des\nBeklagten durch die in einer den Glaubigerverzug begrundenden Art und Weise\nangebotene Leistung der 225.000,00 € am 18.01.2007 sowie 25.01.2007 geheilt\nworden ist (Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl., § 286 Rn. 34; BGH NJW 2007,\n2761; OLG Dusseldorf, NJW-RR 1999, 1396).\n\n16\n\n \n\nBefindet sich der Glaubiger im Annahmeverzug gemaß § 293 BGB, so ist der\nSchuldner wahrend des Glaubigerverzugs von jeder Zinspflicht befreit\n(Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 301 Rn. 1). Dies gilt fur alle Arten von Zinsen\ngleichgultig ob diese kraft Gesetzes oder Rechtsgeschaft geschuldet werden\n(vgl. Prutting/Wegen/Weinreich, BGB 1. Aufl., § 301 Rn. 2). Voraussetzung fur\ndie Begrundung des Annahmeverzugs des Glaubigers ist ein Angebot der Leistung,\nso wie sie geschuldet wird am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten\nWeise (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 294 Rn. 3). Sie muss sowohl nach Art, Gute\nund Menge dem Inhalt des Schuldverhaltnisses entsprechen.\n\n17\n\n \n\nVorliegend hat der Beklagte der Klagerin unstreitig sowohl am 18.01.2007 als\nauch am 25.01.2007 die Ruckzahlung von 225.000,00 € als Gegenwert fur die\nGoldbarren nebst Zinsen in Hohe von 9.361, 65 € angeboten, woraufhin die\nKlagerin die Annahme dieses Geldes ausdrucklich mit Schreiben vom 25.01.2007\nverweigerte. Wie sich aus dem unangefochtenen Teil des erstinstanzlichen\nUrteils ergibt, entsprechen die angebotenen 225.000 € der Leistung, wie sie\naus dem Darlehensvertrag geschuldet ist. Indem der Beklagte die Zahlung dieses\nBetrages in voller Hohe angeboten hat, genugte er den Vorschriften der §§ 293\nff. BGB. Das wortliche Angebot des Beklagten war gemaß § 295 Satz 1 BGB auch\ngeeignet, den Glaubigerverzug auszulosen, da die Klagerin schriftlich erklart\nhat, die Leistung nicht anzunehmen. Der Annahmeverzug der Beklagten hat somit\nspatestens ab dem 25.01.2007 - mit der Verweigerung der Annahme der Leistung -\nvorgelegen. Das Urteil ist fehlerhaft, da es Zinsen uber diesen Zeitpunkt\nhinausgehend ohne Rechtsgrund zuerkannt hat.\n\n18\n\n \n\n2\\. Die Berufung ist nur teilweise erfolgreich soweit sie eine fehlerhafte\nRechtsanwendung bei der Kostenentscheidung rugt.\n\n19\n\n \n\na) Die Kosten des Rechtsstreits sind gemaß § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend dem\njeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien verhaltnismaßig zu teilen.\nDie Kostenentscheidung der 1. Instanz ist fehlerhaft, da sie nicht\nentsprechend dem Verhaltnis des Obsiegens zum Unterliegen der Parteien\nentspricht. Verteilungsmaßstab ist dabei der Gebuhrenstreitwert (Landgericht\nMunchen I, WUM 1994, 337), welcher wiederum vom Streitgegenstand abhangt. Das\nLandgericht Schwerin hat den Gebuhrenstreitwert fehlerhaft auf 350.000,00 €\nfestgesetzt. Der Betrag von 350.000,00 € entspricht dem durch die Parteien\nubereinstimmend angegebenen Wert der 28 Goldbarren zum Zeitpunkt des\nVertragsabschlusses im Jahre 2005. Tatsachlich wird bei einer Herausgabeklage\nder Streitwert nach § 6 ZPO nach dem Wert der Sache bestimmt (vgl.\nSchneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 2698), wobei sich der\nWert einer auf die Herausgabe von Goldbarren gerichteten Klage durch den an\nder Borse geltenden Ankaufskurs fur Goldbarren richtet (BGH, WM 1991, 1656;\nSchneider/Herget a.a.O., Rn. 2743; OLG Dusseldorf, JUR-Buro 1969, 175). Der\nZeitpunkt fur die Bemessung des Gebuhrenstreitwertes ist in § 40 GKG geregelt.\nDanach ist fur die Wertberechnung ausschließlich der Zeitpunkt der die Instanz\neinleitenden Antragstellung maßgebend. Der Grund liegt darin, dass\nNeuberechnungen bei Beendigung des Verfahrens weitgehend uberflussig sein\nsollen (Meyer, GKG-Kommentar, 8. Aufl., § 40 Rn. 2). Fur die Berechnung des\nGebuhrenstreitwertes zu Beginn der Instanz ist in der Regel der Zeitpunkt des\nEingangs der Klageschrift maßgebend (OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 942; Meyer,\na.a.O., § 40 Rn. 3). Somit ist vorliegend fur die Bemessung des\nHerausgabeanspruches der Borsengoldankaufskurs vom 08.05.2006 - entspricht dem\nEingang der Klage beim Landgericht Schwerin - maßgebend. Der Borsenankaufswert\nbetrug an diesem Datum - was gerichtsbekannt ist - 17,155 € je Gramm Goldes.\nBezuglich des Herausgabebegehrens der Klagerin, welches sich gemaß dem Antrag\nzu 1. auf 28 Goldbarren bezog, betragt der Gebuhrenstreitwert somit 480.340,00\n€ (17,155 x 28.000 Gramm).\n\n20\n\n \n\nDie durch die Klagerin weiterhin geltend gemachten Hilfsantrage haben sich\nnicht gebuhrenstreitwerterhohend ausgewirkt. Gemaß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG\nwerden hilfsweise geltend gemachte Anspruche soweit eine Entscheidung uber sie\nergeht, zwar grundsatzlich mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, dies gilt\ngemaß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG jedoch dann nicht, wenn die Anspruche den selben\nGegenstand betreffen. So liegt der Fall hier. Der selbe Streitgegenstand ist\nimmer dann gegeben, wenn sich die geltend gemachten Anspruche gegenseitig\nausschließen mit der Folge, dass die Zuerkennung des einen Anspruchs\nnotwendigerweise die Aberkennung des anderen Anspruchs zur Folge hat (Meyer\na.a.O., § 45 Rn. 12; BGH, NJW-RR 1992, 1404). Maßgebend ist dabei das\nRechtsverhaltnis soweit es - auch unter Einbeziehung einer wirtschaftlichen\nBetrachtungsweise - das selbe Interesse betrifft.\n\n21\n\n \n\nVorliegend macht die Klagerin primar die Herausgabe der 28 Goldbarren und\nsekundar Wertersatz fur die Goldbarren geltend. Die Antrage betreffen somit\nden identischen Streitgegenstand, so dass gemaß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der\nWert des hoheren Anspruchs maßgebend ist. Der wertmaßig hochste Anspruch ist\nder Klageanspruch zu 1. mit dem die Klagerin die Herausgabe der 28 Goldbarren\nbegehrt, da sich insoweit wie bereits ausgefuhrt der Gebuhrenstreitwert nach\ndem Borsenankaufswert zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bemißt. Der erste\nHilfsantrag ist demgegenuber nicht hoher zu bewerten, obwohl die Klagerin in\ndiesem Antrag den Wertersatz nach den aktuellen Notierungen der\nEdelmetallkurse ersetzt verlangt, da die Edelmetallkurse im gesamten Jahr 2007\n(Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Urteils) nicht uber den am\n08. Mai 2006 geltenden Ankaufswert gestiegen sind.\n\n22\n\n \n\nGemessen an dem so ermittelten Gebuhrenstreitwert in Hohe von 480.340,00 € hat\ndie Klagerin, die mit ihrer Klage lediglich in Hohe von 225.000,00 €\ndurchdringt, gemaß § 92 Abs. 1 ZPO 53 % der Kosten der ersten Instanz zu\ntragen.\n\n23\n\n \n\nb) Entgegen der Ansicht des Beklagten in der Berufungsbegrundung ist eine\nweitere Verschiebung der Kostenquotelung zu Lasten der Klagerin nicht allein\nwegen der Verurteilung aufgrund eines Hilfsantrages berechtigt. Das\nTeilunterliegen ergibt sich vorliegend bereits aus der Abweisung des\nHauptanspruches. Soweit das Gericht nicht nach dem weitergehenden Hauptantrag,\nsondern nur nach dem aufgrund des Kostenstreitwerts geringerwertigen\nHilfsantrag verurteilt, handelt es sich zwar um ein Teilunterliegen (siehe\nHartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 92 Rn. 12).\nDas Teilunterliegen bemißt sich jedoch dann aus dem vom Hauptantrag\nabweichenden Streitwert.\n\n24\n\n \n\nc) Der Rechtsauffassung des Beklagten, wahrend des Glaubigerverzuges habe er\nkeine Prozesskosten zu tragen, kann nicht gefolgt werden. Dass der Schuldner\nwahrend des Glaubigerverzuges gemaß § 300 BGB lediglich Vorsatz und grobe\nFahrlassigkeit zu vertreten hat, befreit ihn nicht von der\nKostentragungspflicht im Prozess. Grundsatzlich richtet sich die Pflicht zur\nKostentragung gemaß § 92 Abs. 1 ZPO nach dem Verhaltnis von Obsiegen und\nUnterliegen, lediglich im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses kann die\nKostenentscheidung gemaß § 93 ZPO unabhangig hiervon in voller Hohe zu Lasten\ndes Klagers ausfallen. Voraussetzung ist jedoch nicht allein der\nGlaubigerverzug, der als Indiz fur den fehlenden Anlass zur Klage geeignet\nist, sondern auch ein sofortiges Anerkenntnis im Prozess. Ein solches hat der\nBeklagte zu keinem Zeitpunkt erklart.\n\n25\n\n \n\n3\\. Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten der Berufung aus §\n92 Abs. 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO, und hinsichtlich der Vollstreckbarkeit aus\n§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Teilunterliegen des Beklagten in der Berufung\nbemisst sich nach den erstinstanzlich zu tragenden Kosten in Hohe von 47 % =\n12.568,69 € gemessen an dem unter 5. ermittelten Streitwert der Berufung.\n\n26\n\n \n\n4\\. Grunde fur die Zulassung der Revision gemaß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht\ngegeben.\n\n27\n\n \n\n5\\. Der Streitwert der Berufung setzt sich zusammen aus 17.827,86 € fur den\nAntrag auf Änderung der Kostenentscheidung und 4.500 € fur die Änderung der\nZinsentscheidung:\n\n28\n\n \n\na) Die gesamten in 1. Instanz angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten hat der\nSenat mit 26.741,80 € ermittelt. Die sich aus der Kostenentscheidung der 1.\nInstanz ergebende Beschwer des Beklagten betragt somit 17.827,86 €.\n\n29\n\n \n\nb) Bezuglich des Antrags auf Änderung der Zinsentscheidung hat der Senat das\nInteresse des Beklagten gemaß § 3 ZPO auf 4.500,00 € = Zinsanfall fur ein Jahr\ngeschatzt. Es ergibt sich ein Gesamtstreitwert in Hohe von 22.327,86 € fur die\nBerufung.\n\n
104,863
ovgmv-2008-06-17-3-k-1307
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 K 13/07
2008-06-17
2018-11-24 06:30:16
2019-02-14 07:02:12
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDer Bebauungsplan Nr. 7 "Sportanlage am Geschwister-Scholl-Platz" der\nAntragsgegnerin wird für unwirksam erklärt.\n\n \n\nDie Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin\ndarf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach\nMaßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der\nVollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 7 "Sportanlage am\nGeschwister-Scholl-Platz" der Antragsgegnerin vom 09.03.2006.\n\n2\n\n \n\nEr ist Eigentümer der im Plangebiet belegenen Flurstücke .../1 und .../2 der\nFlur 27 der Gemarkung C., auf denen er Kleintierhaltung betreibt. Auf dem\nFlurstück .../2 steht ein Wohnhaus mit angeschlossenem Stall und ein\nWerkstattgebäude.\n\n3\n\n \n\nAm 16.06.2003 beschloss die Stadtvertretung der Antragsgegnerin die\nAufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 7 "Sportanlage am Geschwister Scholl\nPlatz".\n\n4\n\n \n\nAm 13.10.2003 fand eine vorzeitige Bürgerbeteiligung statt und auf Grundlage\ndes Auslegungsbeschlusses der Stadtvertretung vom 02.05.2005 wurde der\nPlanentwurf Stand April 2005 mit Begründung, Grünordnungsplan und\nGeräuschprognose des Ingenieurbüros für Umwelttechnik P. H. vom 19.12.2003\nnach öffentlicher Bekanntmachung öffentlich ausgelegt. Die Träger öffentlicher\nBelange wurden aufgrund Beschlusses vom 26.08.2004 zur Beteiligung\naufgefordert. Der Landkreis Parchim wies mit Schreiben vom 15.10.2004 u.a. auf\ndas Fehlen der städtebaulichen Begründung für die Einbeziehung eines\nWohnhauses in den Geltungsbereich der Planung und das Konfliktpotential mit\nder Sportplatznutzung hin.\n\n5\n\n \n\nDer Antragsteller wandte mit Schreiben vom 28.07.2005 u.a. ein, mit der\nPlanung werde in sein Flurstück .../2 eingegriffen, es bestehe kein Bedarf für\ndie Ausweisung eines Wohnbaugrundstücks auf dem Flurstück 42/5, die\nVerkehrsflächen würden seine Grundstücke .../1 und 33 betreffen bzw.\nbeeinträchtigen und eine Anbindung dieser Grundstücke sei nicht vorgesehen.\nZudem sei eine Lärmschutzwand auch zu seinem Grundstück hin erforderlich. Mit\nder Sportplatznutzung werde die durch ihn betriebene Tierhaltung - neben dem\nbereits vorhandenen Schießplatz - weiter beeinträchtigt und für die Errichtung\nder Sportanlage biete sich der Platz um das vorhandene Gymnasium an.\n\n6\n\n \n\nAm 09.03.2006 fasste die Stadtvertretung der Antragsgegnerin den Abwägungs-\nund Satzungsbeschluss.\n\n7\n\n \n\nDer so beschlossene Bebauungsplan sieht für das im westlichen Gemeindegebiet\nder Antragsgegnerin belegene Plangebiet im wesentlichen die Festsetzung des\nbereits vorhandenen Sportplatzes sowie einer weiteren Fläche auf den\nFlurstücken 38/1 und 40/3 als Sportanlage vor. Auf dem Flurstück des\nAntragstellers .../2 sowie auf dem am westlichen Rand des Plangebietes\nbelegenen Flurstück 42/6 sind Flächen für die Landwirtschaft festgesetzt. Das\nin der äußersten südwestlichen Ecke des Plangebiets belegene Flurstück 43/2\n(ehem. Teil des 42/5) ist als allgemeines Wohngebiet mit einem Baufenster für\nein eingeschossiges Einzelhaus mit einer Grundfläche von 250 qm festgesetzt.\nDie verkehrliche Erschließung des Plangebietes erfolgt zum einen von der\n(ehemaligen) B 321/Weinbergstraße aus am südlichen Rand über den Geschwister-\nScholl-Platz mit Fuß- bzw. Anliegerwegen zum Sportplatz. Von der Bundesstraße\nzweigt zum anderen am nördlichen Rand und dort parallel verlaufend eine\nPlanstraße A ab, von der wiederum ein Fußweg parallel zum Grundstück des\nAntragstellers .../2 zu einem in einer öffentlichen Grünfläche festgesetzten\nSchießplatz und weiteren Sportplatz führt. Weiter zweigt von der Planstraße A\nin südlicher Richtung die Planstraße B entlang des Erweiterungsplatzes ab, an\ndie sich nördlich und südlich des Erweiterungsplatzes jeweils Parkplatzflächen\nanschließen. Der vorhandene Sportplatz und die Sporterweiterungsfläche sind\nmit einem Fußweg verbunden. Schließlich wird aus der äußersten südwestliche\nEcke des Plangebietes herausführend eine Verkehrsfläche mit anschließendem\nEinmündungsbereich in die Straße "Geschwister-Scholl-Platz" als Anliegerweg zu\nder Wohnbaufläche festgesetzt. Ebenfalls zum Plangebiet erklärt werden 33.000\nqm des Flurstücks 44/1 der Flur 3 der Gemarkung C. als Ausgleichsfläche für\nEingriffe in Natur und Landschaft.\n\n8\n\n \n\nIn der Begründung zum Bebauungsplan werden als Anlass der Planung (Ziff. 1)\ndie schlechten Verhältnisse des auch für den Schul- und Breitensport genutzten\nalten Sportplatzes und die unzureichende verkehrstechnische Erschließung\nangeführt. Eine nachhaltige Verbesserung sei nur zu erreichen, wenn einerseits\ndurch die Schaffung weiterer Spiel- und Sportflächen die Nutzung des\nSportplatzes reduziert werde und andererseits der Platz nach modernen\nGesichtspunkten regelgerecht umgebaut werde. Die Bestandsaufnahme (Ziff. 2)\nerwähnt im Plangebiet teilweise bewaldete, teilweise landwirtschaftliche\nBrachflächen und innerhalb der bewaldeten Flächen den Schießplatz der\nAntragsgegnerin. Das Plangebiet selbst wird dem Außenbereich zugeordnet\n(Ziff.5). Als Ziele und Zwecke der Planung (Ziff. 3) werden die Schaffung der\nbauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für den Umbau und die Erweiterung der\nbestehenden Sportanlage und für ein Wohnbaugrundstück zur besseren Auslastung\nder vorhandenen Erschließungsanlagen gegenüber der bestehenden\ngegenüberliegenden Wohnbebauung genannt. Ein rechtswirksamer\nFlächennutzungsplan bestehe zur Zeit noch nicht. Die Gemeinde habe die\nVoraussetzungen für einen vorzeitigen Bebauungsplan gem. § 8 Abs. 4 BauGB\ngeprüft und als erfüllt angesehen. Im Zusammenhang mit der Ausweisung von\nFlächen für die Landwirtschaft (Ziff. 7.5) wird auf ein nordwestlich des\nSchießplatzes befindliches Wohngebäude (des Antragstellers) mit\nKleintierhaltung (Gänse) hingewiesen. Eine Entwicklung der Wohnbebauung in\ndiesem Bereich sei von der Stadt nicht gewünscht. Deshalb werde das Grundstück\nals Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen, um den Übergang vom Stadtrand\nzur Feldflur zu erhalten. Die Ausführungen zum Lärmimmissionsschutz (Ziff.\n11.1) beziehen sich auf das eingeholte Gutachten H., wobei die Schießanlage\neine bestehende und nach dem BImSchG genehmigte Anlage sei und daher als\nVorbelastung im Gutachten berücksichtigt sei.\n\n9\n\n \n\nIn der Abwägungsdokumentation wird zur Frage der Einordnung eines Wohnhauses\nin das Plangebiet neben der Wiederholung der Begründung (Auslastung\nErschließungsanlage) angeführt, die Festsetzung des geplanten Wohngebietes\ngehe konform mit der Darstellung im Entwurf des Flächennutzungsplanes.\nEntgegen dem Einwand des Antragstellers stehe die Planung der vorhandenen\nNutzung des Flurstücks .../2 nicht entgegen. Zur weiter bemängelten fehlenden\nLärmschutzwand zu seinem Grundstück hin wird darauf hingewiesen, dass der\nLärmschutzwall Wohnbauflächen schütze und das Immissionsschutzgutachten keine\nweiter erforderlichen Maßnahmen ausweise. Die Schießanlage sei durch das StAUN\ngenehmigt und stehe unter Bestandsschutz; der Bebauungsplan sehe für diesen\nBereich keine Änderungen vor.\n\n10\n\n \n\nMit Bescheid des Landrates des Landkreises Parchim vom 29.06.2006 wurde der\nBebauungsplan unter Auflagen zu Verfahrensvermerken genehmigt und die\nGenehmigung am 14.07.2006 bekannt gemacht.\n\n11\n\n \n\nEbenfalls am 14.07.2006 wurde die Genehmigung des Flächennutzungsplanes der\nAntragsgegnerin bekannt gemacht. Dieser zeichnet im Gebiet des\nstreitgegenständlichen Bebauungsplanes dessen Festsetzungen nach.\n\n12\n\n \n\nAm 10.07.2007 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag\ngestellt. Zur Begründung wird geltend gemacht, ein ausreichender Bedarf für\ndie Planung der Sportanlage, des Wohnbaugrundstück und der Schießanlage werde\nnicht nachgewiesen, so dass es an der Planrechtfertigung fehle. Es bestehe\nkein rechtswirksamer Flächennutzungsplan, so dass der Bebauungsplan gegen das\nEntwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB verstoße. Er reiche für sich\ngenommen für eine Ordnung der städtebaulichen Entwicklung nicht aus. Die\nVoraussetzungen des § 8 Abs. 4 BauGB lägen - insbesondere wegen der\nverzögerten Flächennutzungsplanung - nicht vor. Große Flächen würden für die\nErweiterung der Sportanlage nicht benötigt. Die für die Abwägung maßgeblichen\nBelange seien nicht hinreichend ermittelt und bewertet worden. So gehöre die\nSchießplatzanlage nicht zum Sportplatz. Für die Anlage bestehe auch weder eine\nimmissionsschutzrechtliche noch eine Baugenehmigung. Der Schießplatz liege nur\n80 m von seinem Wohngebäude entfernt, so dass der Betrieb ihn rücksichtslos\nbeeinträchtige. In einem als öffentliche Grünfläche ausgewiesenen Gebiet sei\neine Schießanlage unzulässig. Der öffentliche Belang des Umweltschutzes, hier\nder Einhaltung der Vorgaben des BImSchG, würden dem Betrieb einer Schießanlage\nentgegenstehen. Maßnahmen zum Schutz des Flurstücks .../2 vor Lärmimmissionen\ndurch den Schießplatz sowie deren Erheblichkeit seien nicht untersucht worden.\nDas Wohnhaus auf dem Flurstück .../2 sei ebenfalls nicht berücksichtigt\nworden. Seine schutzwürdigen Belange seien nicht abgewogen worden und dieser\nFehler sei auch beachtlich. Das Geräuschprognosegutachten H. sei fehlerhaft,\nweil es für die Bemessung der Schießplatzemissionen die TA Lärm 1998 zugrunde\nlege. Die weiter zugrunde gelegte VDI-Richtlinie 3770 enthalte keine Regelung\nüber den Lärm von Schießanlagen. Die Ausweisung des Flurstücks .../2 als\nFläche für Wald bzw. für Landwirtschaft stelle einen Eingriff in sein\nEigentumsrecht dar, weil ein Wohngebäude nicht mehr errichtet werden könne.\nDas Flurstück sei im südlichen Bereich auch in die Planung des Sportplatzes\neinbezogen worden, so dass sich die Nutzungsmöglichkeiten gravierend verändert\nhätten. Das Flurstück .../1 sei vor der Überplanung katastermäßig als\nErholungsfläche/Ackerland ausgewiesen gewesen und nunmehr abgestuft worden.\nDie Nutzung der Sportanlage solle über einen Weg führen, der auf seinem\nFlurstück .../2 liege. Es lägen auch Abwägungsfehler vor. Die mit der Nutzung\nund dem Betrieb des ausgewiesenen Schießplatzes verbundenen Immissionen seien\nunzumutbar.\n\n13\n\n \n\nDer Antragsteller beantragt,\n\n14\n\n \n\nden Bebauungsplan Nr. 7 der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.\n\n15\n\n \n\nDie Antragsgegnerin beantragt,\n\n16\n\n \n\nden Antrag zurückzuweisen.\n\n17\n\n \n\nSie sieht die Voraussetzungen für die Aufstellung eines vorzeitigen\nBebauungsplanes gem. § 8 Abs.4 BauGB als gegeben an. Wegen des am 15.07.2006\nin Kraft getretenen Flächennutzungsplans sei die städtebauliche Entwicklung\ndes Plangebietes absehbar gewesen. Die öffentliche Grünfläche nördlich des\nvorhandenen Sportplatzes sei aus städtebaulichen Gründen, nämlich der\nErweiterung des Sportplatzes, ausgewiesen. Eine Veränderung des Standortes des\nSchießplatzes erfolge durch den Bebauungsplan nicht. Die Zulässigkeit der\nAnlage sei im Planaufstellungsverfahren nicht zu prüfen. Der Hinweis des\nAntragstellers auf die im Jahre 1992 durch die Antragsgegnerin angegebene\nbefristete Nutzung des Schießplatzes sei als Belang nicht bekannt gewesen. In\nder Fläche für die Landwirtschaft sei generell ein Wohnhaus für einen Landwirt\nzulässig. Bei der Geräuschprognose könne ein Zusammenhang zwischen Schießplatz\nund Bebauungsplan nicht gesehen werden. Der Schießplatz genieße Bestandsschutz\nund sei nicht Anlass der Planung gewesen. Die Entstehung einer\nSplittersiedlung solle durch die Planung und Festsetzung eines Wohngebietes\ngerade verhindert werden.\n\n18\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakte sowie auf den von der Antragsgegnerin übersandten\nVerwaltungsvorgang Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen\nVerhandlung waren.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n19\n\n \n\nDer zulässige Antrag ist begründet. Zwar fehlt es dem streitgegenständlichen\nBebauungsplan weder an der Erforderlichkeit (1.) noch steht er der\nbeabsichtigten städtebaulichen Entwicklung der Antragsgegnerin entgegen (2.).\nDagegen erweist sich die vorliegend getroffene Festsetzung der vorhandenen\nSchießplatzanlage in einer öffentlichen Grünfläche als unzulässig (3.). Die\nmangelnde Erfassung und Abwägung des Zusammenwirkens der insgesamt drei\nwesentlichen Lärmemissionsquellen der Schießplatzanlage, des vorhandenen\nSportplatzes und des Erweiterungsfeldes einschließlich der verkehrlichen\nErschließung und deren Konfliktbewältigung in Bezug auf die (Wohn-)Nutzung des\nAntragstellers sowie deren Sicherung in der Planung (4.) wie auch die\nFestsetzung des allgemeinen Wohngebietes (5.) begründen beachtliche\nAbwägungsfehler, die zur Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplanes führen.\n\n20\n\n \n\n1\\. Bauleitpläne sind erforderlich i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, soweit sie\nnach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich sind (BVerwG , U.\nv. 07.05.1971 - 4 C 76.68 -, BVerwGE 38, 152). Planerisches Konzept der\nGemeinde bedeutet eine begriffbildende, administrative Entscheidung, die nur\nbeschränkt gerichtlich überprüft werden kann. Es reicht aus, wenn aus der\nPlanung auf ein Konzept geschlossen werden kann und dies den Beteiligten und\nder Öffentlichkeit erkennbar ist. Die Bauleitplanung muss einen\nbodenrechtlichen Bezug haben, d.h. sie bedarf einer städtebaulichen\nRechtfertigung (Söffker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 31 f\nm.w.N.). Die Erforderlichkeit ist auch zu verneinen, wenn die Bauleitplanung\naus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Aussicht auf Verwirklichung\nhat (BVerwG, B. v. 28.01.1999 - 4 CN 4.98 -, BVerwGE 108, 248).\n\n21\n\n \n\nHiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin mit dem angegebenen Planziel der\nErweiterung der Sportplatzfläche für den Schul- und Breitensport, der\nVerbesserung der schlechten Verhältnisse des vorhandenen Sportplatzes und die\nverkehrliche Erschließung der Anlage hinreichende städtebauliche\nAllgemeinbelange angeführt, die eine Planungsbefugnis der Antragsgegnerin\nbegründen. Die Frage des Bedarfs einer konkreten Planung (einschließlich der\nDimensionierung) ist dagegen nicht auf der Ebene des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB\nsondern im Rahmen der Abwägung zu ermitteln und zu gewichten (vgl.\nKrautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 1 Rn. 26). Es ist\nweder ersichtlich noch vom Antragsteller substantiiert dargetan, dass es für\ndie Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes auf dem Flurstück 43/2 an einer\nplanerischen Konzeption im o.g. Sinne fehlt. Ob die angegebene Begründung der\nbesseren Auslastung der Erschließungsanlagen trägt, ist ebenfalls abzuwägen.\nEs ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass sich die Planung aus\nrechtlichen oder tatsächlichen Gründen überhaupt nicht verwirklichen ließe.\n\n22\n\n \n\n2\\. Ein Bebauungsplan ist i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB dann aus dem\nFlächennutzungsplan entwickelt, wenn er sich zur Zeit seiner Inkraftsetzung\nals inhaltliche Konkretisierung des zu dieser Zeit wirksamen\nFlächennutzungsplans darstellt (BVerwG, U. v. 29.09.1978 - IV C 30.76 -,\nBVerwGE 56, 283). Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bebauungsplanes gab\nes noch keinen wirksamen Flächennutzungsplan. Dieser ist vielmehr nach\nBekanntmachung der Genehmigung am 14.07.2006 - parallel mit dem Bebauungsplan\n- am 15.07.2006 in Kraft getreten. Hiervon ausgehend stellt sich zunächst\nnicht die vom Antragsteller wohl aufgeworfenen Frage, ob es für den\nBebauungsplan überhaupt eines Flächennutzungsplanes bedurfte (§ 8 Abs. 2 Satz\n2 BauGB, sog. selbständiger Bebauungsplan).\n\n23\n\n \n\nAuszugehen ist objektiv, also ungeachtet der tatsächlichen Vorstellungen der\nAntragsgegnerin (vgl. BVerwG, B. v. 18.12.1991 - 4 N 2/89 -, DVBl. 1992, 574),\nim Hinblick auf die geschilderte zeitliche Abfolge von einem Parallelverfahren\nnach § 8 Abs. 3 BauGB, auch wenn die Antragsgegnerin von der nach dieser\nVorschrift bestehenden Möglichkeit der vorzeitigen Bekanntmachung des\nBebauungsplanes gerade keinen Gebrauch gemacht hat. Nach § 8 Abs. 3 Satz1\nBauGB können Flächennutzungsplan und Bebauungsplan gleichzeitig aufgestellt,\ngeändert, ergänzt oder aufgehoben werden. Die inhaltlichen Anforderungen an\nden Bebauungsplan hinsichtlich seines "Entwickeltseins" aus dem\nFlächennutzungsplan werden dadurch allerdings nicht berührt. Kennzeichnend für\ndas Parallelverfahren ist es, dass die Aufstellung oder Änderung des\nFlächennutzungs- und Bebauungsplanes derart aufeinander bezogen ist, dass für\ndas Gebiet des Bebauungsplanes und die hier zu lösenden Konflikte eine\ngrundsätzliche Gleichzeitigkeit der Planerarbeitung und eine inhaltlich\nAbstimmung beider Planungen gegeben ist (Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr,\nBauGB, 9. Aufl., § 8 Rn. 8 m.w.N.). Da der Flächennutzungsplan der\nAntragsgegnerin für das Gebiet des streitgegenständlichen Bebauungsplanes\ndessen Festsetzungen mit der Grünfläche mit Schießplatzanlage, den\nSportplätzen und dem Wohngebiet identisch übernimmt, ist dem Entwicklungsgebot\nim o.g. Sinne offensichtlich Rechnung getragen.\n\n24\n\n \n\n3\\. Die von der Antragsgegnerin in Ansehung der bereits vorhandenen baulichen\nAnlagen bzw. Nutzungen getroffene Festsetzung einer Schießplatzanlage in einer\nöffentlichen Grünfläche kombiniert mit der Zweckbestimmung "Sportanlage"\nerweist sich als unzulässig.\n\n25\n\n \n\nGrünflächen können gem. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB auch mit dem im Einzelfall\nkonkretisierten Verwendungszweck als Sportplatz festgesetzt werden. Bei der\nFestsetzung einer Grünfläche muss der Verwendungszweck auch bereits im\nEinzelnen konkretisiert sein, sofern ein solcher und nicht etwa eine\n"Auffangfläche" vorgesehen ist (vgl. Löhr, a.a.O., § 9 Rn. 56 a m.w.N.). Zu\nberücksichtigen ist, dass die Festsetzung von Grünflächen mit einer\nZweckbestimmung, die zu einer mehr als nur geringfügigen Bebauung oder sogar\nzu einem Baugebiet führen, nicht möglich ist (Söfker in\nErnst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 9 Rn. 124).\n\n26\n\n \n\nHiervon ausgehend ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Schießplatzanlage\nin der - nicht abschließenden - Aufzählung der Nutzungszwecke in § 9 Abs. 1\nNr. 15 BauGB nicht enthalten ist. Dementsprechend sieht etwa auch die\nPlanzeichenverordnung in Ziff. 9. der Anlage die Darstellung eines derartigen\nNutzungszwecks für eine Grünfläche nicht vor. Wegen der gegenüber üblichen\nSportanlagen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB bestehenden Nutzungskonflikte,\ninsbesondere in Bezug auf die Lärmimmissionen bei der Festsetzung einer\nSchießplatzanlage käme wegen des Unterschieds zu sonstigen Baugebieten die\nFestsetzung eines Sondergebietes nach § 11 BauNVO in Betracht. Es erscheint\nauch fraglich, ob bei der Festsetzung der Schießplatzanlage wegen ihrer Größe\nund den baulichen Anlagen im Verhältnis zur Gesamtgröße der festgesetzten\nGrünfläche deren eigentliche Zweckbestimmung noch erhalten bleiben kann.\nUngeachtet dessen ist bei den vorliegend vorgenommenen Festsetzungen jedoch\nausschlaggebend, dass die Schießplatzanlage als Zweckbestimmung der\nöffentlichen Grünfläche mit der Folge, dass auf der gesamten Grünfläche auch\nzukünftig - vorbehaltlich der erforderlichen Einzelgenehmigung - eine\nderartige Anlage errichtet werden kann. Das Verhältnis zu der nach der\nfestgesetzten Zweckbestimmung auf der gesamten Grünfläche ebenfalls möglichen\nweiteren Sportanlage (wie der bereits im südlichen Bereich der Grünfläche\nvorhandene Volleyballplatz) ist durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes\nallerdings nicht verbindlich geregelt. Auch der Standort des Schießplatzes ist\nnicht festgesetzt. Möglicherweise kann man ihn wegen der gleichzeitig\nfestgesetzten Flächen mit Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung\nvon Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen und auch der im Süden der\nGrünfläche festgesetzten Bäumen mit Erhaltungsgebot noch eingrenzen. Es wäre\naber möglich, einen Schießplatz zukünftig im südlichen Bereich der Grünfläche\nzu errichten. Auch wäre es wegen der fehlenden Standortfestsetzung innerhalb\nder Grünfläche etwa möglich, die Schießstände der Anlage in den nördlichen\nBereich und den Kugelfang nach Süden zu verlagern mit der Folge, dass die\nwesentliche Immissionsquelle an das Wohnhaus des Antragstellers heranrückt.\nSelbst wenn man danach die Festsetzung einer Schießplatzanlage in einer\nGrünfläche grundsätzlich als zulässig erachten will, ist hier eine Festsetzung\ndes konkreten Standortes innerhalb der Grünfläche erforderlich ist (vgl. VGH\nMannheim, B. v. 26.07.1983 - 5 S 433.83 -, BauR 1983, 549; U. v. 05.07.1985 -\n8 S 2659.84 -, VBlBW 1986, 349). In Ermangelung dessen erweist sich damit die\nhier getroffene Festsetzung der Schießplatzanlage innerhalb einer öffentlichen\nGrünfläche in Kombination mit einer darüber hinaus zulässigen weiteren\nSportanlage ohne Festlegung konkreter Standorte wegen Verstoßes gegen das\nBestimmtheitsgebot als unzulässig. Bei dieser fehlerhaften Festsetzung handelt\nes sich nach den Grundsätzen der Planerhaltung auch nicht um einen\nunbeachtlichen Mangel des Bebauungsplanes. Es handelt sich weder um die\nVerletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften i.S.v. § 214 Abs. 1 BauGB\nnoch wird sie von den Unbeachtlichkeitsregeln in § 214 Abs. 2 und 2 a BauGB\nerfasst und es handelt sich auch nicht um einen bloßen Abwägungsfehler i.S.v.\n§ 214 Abs. 3 BauGB.\n\n27\n\n \n\n4\\. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne alle\nöffentlichen und privaten Belange gegeneinander abzuwägen. Das Abwägungsverbot\nwird verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, in\ndie Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in\nsie eingestellt werden muss, die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt\noder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer\nWeise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange\naußer Verhältnis steht (BVerwG, U. v. 12.12.1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34,\n301; U. v. 14.02.1975 - 4 C 21.74 -, BVerwGE 48, 56). Innerhalb des vorstehend\nbeschriebenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich\ndie zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen\nBelangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendiger Weise für die\nZurückstellung des anderen entscheidet. Innerhalb jenes Rahmens ist nämlich\ndas Vorziehen oder Zurücksetzen bestimmter Belange überhaupt kein\nnachvollziehbarer Vorgang der Abwägung, sondern eine geradezu elementare\nplanerische Entscheidung, die zum Ausdruck bringt, wie und in welcher Richtung\nsich eine Gemeinde städtebaulich geordnet fortentwickeln will. Damit ist\nnotwendig der Planungskontrolle der Verwaltungsgerichte eine Grenze gezogen\n(vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1969, a.a.O.).\n\n28\n\n \n\na) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Antragsgegnerin zunächst zutreffend\nerkannt, dass der Schießplatzanlage mit der sog. Altanlagenanzeige nach § 67 a\nBImSchG ein gewisser Bestandsschutz zukommt, der in der Abwägung zu\nberücksichtigen war. Allerdings bleibt die durch die Anzeige vermittelte, auf\nGründen des Vertrauensschutzes beruhende Rechtsposition des Betreibers - hier\nder Antragsgegnerin - hinter derjenigen des Inhabers einer\nimmissionsschutzrechtlichen Genehmigung zurück (vgl. BVerwG, U. v. 25.08.2005\n- 7 C 25.04 -, BVerwGE 124, 156; U. v. 09.12.1983 - 7 C 68.82 -, NVwZ 1984,\n474). Insoweit überdehnt der - in der mündlichen Verhandlung insoweit nochmals\nbestätigte - Ansatz der Antragsgegnerin, wonach die Schießplatzanlage\nBestandsschutz genieße und deshalb keine weiteren planerischen Überlegungen\nangestellt worden seien, den berücksichtigungsfähigen Bestandsschutz. Dass\nvorliegend weitere planerische Überlegungen zur Konfliktbewältigung zwischen\nden bestehenden und geplanten Anlagen erforderlich waren, wird etwa deutlich\naus der fehlenden Planung zur verkehrlichen und stellplatzmäßigen Erschließung\nder Schießplatzanlage und der oben unter 3. problematisierten fehlenden\nFestlegung eines Standortes.\n\n29\n\n \n\nWeiter hat die Antragsgegnerin ausweislich Ziff. 11.1 der Begründung des\nBebauungsplanes erkannt, dass durch die Errichtung des zweiten Sportplatzes\nbezüglich der benachbarten Wohngebäude eine Zunahme der Geräuscheinwirkungen\nzu erwarten ist, die zu erheblichen Belästigungen führen könnte. Hierbei legt\nsie die gutachterlichen Feststellungen des Ingenieurbüros H. zugrunde, bei der\nu.a. die Schießanlage als bestehende Anlage mit einer "Vorbelastung"\nberücksichtigt wird, und spricht ein bestimmtes Nutzungsregime für die\nSportplatzanlagen an. Ausweislich der Geräuschprognose des Dipl.-Ing. P. H.\nvom 19.12.2003 werden an dem am Wohnhaus des Antragstellers festgelegten, zum\nSchießplatz hinweisenden Immissionspunkt IP 1 nach den in der Tabelle 2.1.3\n(S. 6) angegebenen Werten bei einer "Ausgangsituation" mit Betrieb der\nSportstätten und unter Berücksichtigung einer "Vorbelastung" durch den\nSchießplatz an Sonntagen in der Zeit von 09.00 - 20.00 Uhr der für ein Kern-,\nDorf- oder Mischgebiet nach der 18. BImSchV (Sportanlagenlärmschutzverordnung)\nangenommene Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags mit 59,9 dB(A) nur\ngeringfügig unterschritten. Bei einer (nicht näher spezifizierten) "weiteren\nReduzierung der Nutzungszeiten und mit Schallschutzwand 3,0 m" soll ein Wert\nvon 59,5 dB(A) erreicht werden. Ausweislich der in Anlage 4, S. 10 der\nPrognose ausgewiesenen Isoflächen der Beurteilungspegel werden in dem\ngenannten Zeitraum an dem IP 1 indes Werte zwischen 60 und 70 dB(A) erreicht.\nSelbst wenn man ungeachtet dieser widersprüchlichen Feststellungen davon\nausgeht, dass die genannten Immissionsrichtwerte nach der Prognose eingehalten\nwerden, ist diese aber deshalb keine hinreichende Grundlage für eine gerechte\nAbwägung der durch die Planung berührten Belange, weil die Einhaltung der\nVoraussetzungen, auf denen die Prognose beruht, nicht durch die Festsetzungen\ndes Bebauungsplanes oder auf andere Weise gesichert ist (vgl. OVG Münster, B.\nv. 16.10.2003 - 10a B 2515/02.NE -, BauR 2004, 452). Dies kann auch nicht den\nEinzelgenehmigungen für die genannten Anlagen überlassen werden. Hier kann der\nKonflikt nicht gelöst werden, der sich aus dem Zusammenwirken der\nSchallquellen beider Sportanlagen und des Schießplatzes ergibt. Die\nSportanlagen sind an der 18. BImSchV, der Schießplatz an der TA-Lärm zu\nmessen. Beide Beurteilungsgrundlagen schließen jeweils die Anrechnung der\nanderen Lärmquellen aus (vgl. BVerwG, U. v. 16.05.2001 - 7 C 16/00 - NVwZ\n2001, 1167). Hieraus wird deutlich, dass es zur Bewältigung dieser\nKonfliktsituation einer planerischen Gesamtlösung - etwa durch die Festsetzung\nvon Schalleistungspegeln (vgl. BVerwG, U. v. 18.12.1990 - 4 N 6/88 -) -\nund/oder einer sonstigen Sicherung der Einhaltung der Immissionsrichtwerte\ndurch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan bedurft hätte, an denen es\nvorliegend fehlt.\n\n30\n\n \n\nb) Schließlich erweist sich auch die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets\nals abwägungsfehlerhaft. Trotz des im Planaufstellungsverfahren gegebenen\nHinweises, dass eine solche Ausweisung an dieser Stelle einer besonderen\nstädtebaulichen Rechtfertigung bedarf, bleibt die Antragsgegnerin bei der\nalleinigen Begründung der besseren Auslastung der Erschließungsanlagen. Diese\nerscheint als städtebauliche Rechtfertigung für die Ausweisung eines\nWohngebietes schon deshalb zweifelhaft, weil sie im Ergebnis nur zu einer\nEntlastung der privaten Anlieger führt und damit nicht im öffentlichen\nInteresse liegt (vgl. OVG Saarlouis, U. v. 10.11.1989 - 2 R 415/86 -, BauR\n1990, 184). Jedenfalls fehlt es an einer Rechtfertigung für die Ausweisung\neines allgemeinen Wohngebietes mit einem Baufeld für (lediglich) ein\nEinzelhaus, das nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin von Beginn der\nPlanungen an auch nur mit einem Wohnhaus bebaut werden sollte. Eine derartige\nreine Wohnnutzung entspricht dem Gebietstyp des reinen Wohngebietes i.S.v. § 3\nBauNVO, in dem nur ausnahmsweise eine andere als die Wohnnutzung zulässig ist.\nIn dem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO sind dagegen auch\ndie in Abs. 2 genannten andere Nutzungen zulässig, die vorliegend aber nicht\nbeabsichtigt sind. Damit wird der eigentliche Zweck der Ausweisung als\nallgemeines statt als tatsächlich gewolltes reines Wohngebiet deutlich, der\nauch aus den Planunterlagen ersichtlich wird: Es soll das Schutzniveau im\nHinblick auf die Lärmimmissionen der benachbarten Anlagen reduziert werden.\nDie Gemeinde ist indes verpflichtet, den wahren Gebietscharakter festzusetzen\n(OVG Münster, U. v. 21.08.1997 - 11a D 156/93.NE - BRS 59 Nr. 40 -\n"Etikettenschwindel").\n\n31\n\n \n\nc) Die unter Ziff. 4 dargelegten Abwägungsfehler sind entweder wegen\nmangelhafter Ermittlung und Bewertung nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB oder nach\n§ 214 Abs. Satz 2, 2. Halbsatz BauGB beachtlich. Da hiervon sowohl das\nWohngebiet als auch die zentralen, den Anlass der Planung bietenden\nSportanlagen und der vorhandene Bestand der Schießplatzanlage und das Wohnhaus\ndes Antragstellers betroffen sind, kommt eine Teilunwirksamkeit des\nBebauungsplanes nicht in Betracht.\n\n32\n\n \n\nErweist sich der streitgegenständliche Bebauungsplan danach wegen fehlerhafter\nFestsetzungen und wegen beachtlichen Abwägungsfehlern insgesamt als ungültig,\nist er gem. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären. Auf die\nweiteren, vom Antragsteller erhobenen Einwände kommt es damit\nentscheidungserheblich nicht mehr an.\n\n33\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die zur vorläufigen\nVollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe\nfür die Zulassung der Revision i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht\nersichtlich.\n\n
105,333
lagmv-2008-04-30-2-sa-5908
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 59/08
2008-04-30
2018-11-24 10:30:14
2019-02-26 18:30:14
Urteil
#### Tenor\n\n **I.** | | **Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock – 4 Ca 795/07 – dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt werden.** \n---|---|--- \n \n \n\n **II.** | | **Die Revision wird zugelassen.** \n---|---|--- \n \n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die richtige Eingruppierung des Klägers. Dieser ist\nbei dem beklagten Land seit dem 01.06.2006 als Assistenzarzt beschäftigt. In\nder Zeit vom 01.01.2002 bis 30. Juni 2003 war er als Arzt im Praktikum (AiP)\nbeschäftigt.\n\n2\n\n \n\nMit Schreiben vom 13.12.2006 teilte das Personaldezernat des\nUniversitätsklinikums allen Ärzten mit, dass AiP-Zeiten aus Rechtsgründen\nnicht bei Vordienstzeiten zu berücksichtigen seien. Der Kläger wurde daraufhin\nin die Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 4 eingruppiert. Dem hat der Kläger mit\nSchreiben vom 20.12.2006 und 08.01.2007 widersprochen.\n\n3\n\n \n\nMit einer am 02. Mai 2007 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,\n\n4\n\n \n\nfestzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger ab dem\n01.10.2006 Entgelt nach der Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 5 des Tarifvertrages für\nÄrztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.06 nebst Zinsen in Höhe\nvon 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die beginnend mit dem 30.\nNovember 2006 jeweils monatlich fälligen Differenzbeträge zwischen den\nZahlungen gemäß Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 4 und der Stufe 5 brutto seit dem\n01.06.07 zu zahlen.\n\n5\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Rostock hat daraufhin durch Urteil vom 14.12.2007 - 4 Ca\n759/07 - für Recht erkannt:\n\n6\n\n \n\n1\\. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger\nab dem 01.10.06 Entgelt nach der Vergütungsgruppe Ä 1 Stufe 5 des\nTarifvertrages Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.06 (TV-\nÄrzte) zu zahlen.\n\n7\n\n \n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n8\n\n \n\n3\\. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/3 und das beklagte Land\nzu 2/3.\n\n9\n\n \n\n4\\. Der Streitwert wird auf 10.800,00 EUR festgesetzt.\n\n10\n\n \n\nDieses Urteil ist dem beklagten Land am 14.01.2008 zugestellt worden. Es hat\ndagegen Berufung eingelegt, die mit Begründung am 14.02.2008 beim\nLandesarbeitsgericht eingegangen ist.\n\n11\n\n \n\nDas beklagte Land ist der Auffassung, die AiP-Zeit hätte gem. § 16 Abs. 2 TV-\nÄrzte weder nach Satz 1 noch nach Satz 2 der Vorschrift berücksichtigt werden\ndürfen.\n\n12\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n13\n\n \n\ndie Klage teilweise abändernd in vollem Umfang abzuweisen.\n\n14\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n15\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n16\n\n \n\nEr tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Die von dem Kläger absolvierte\nAiP-Zeit sei bei der Stufenfindung im Rahmen des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL\nhinsichtlich beider in dieser Vorschrift genannten Alternativen zu\nberücksichtigen.\n\n17\n\n \n\nHinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden\nSchriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n18\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist begründet.\n\n19\n\n \n\nDer Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der AiP-Zeit gem. § 16\nAbs. 2 TV-Ärzte/TdL.\n\n20\n\n \n\n1\\. Für die Stufenzuordnung innerhalb der Entgeltgruppe Ä 1 kommt es\nentscheidend auf die Zeiten ärztlicher Tätigkeiten an, die der Arzt nachweisen\nkann. Hierfür enthält der maßgebliche Tarifvertrag TV-Ärzte/TdL mit § 16 Abs.\n2 eine besondere Regelung:\n\n21\n\n \n\nFür die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes:\n\n22\n\n \n\nBei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als\nförderliche Zeiten berücksichtigt. Zeiten von Berufserfahrung aus\nnichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.\n\n23\n\n \n\nEine Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1\nTV-Ärzte kommt nicht in Betracht. Mit der Formulierung "Zeiten mit\neinschlägiger Berufserfahrung" sind Zeiten aus ärztlicher Tätigkeit gemeint.\nDies ergibt sich spätestens aus der Gegenüberstellung zu § 16 Abs. 2 Satz 2\nTV-Ärzte, der Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit regelt.\n\n24\n\n \n\nDie AiP-Zeit ist keine Zeit ärztlicher Tätigkeit. Es kann dabei auf die\nbereits in der angefochtenen Entscheidung zitierte Rechtsprechung des\nBundesarbeitsgerichts Bezug genommen werden. Diese Rechtsprechung ist zwar zum\nBAT ergangen, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Tarifparteien des TV-\nÄrzte einen anderen Begriff von ärztlicher Tätigkeit verwenden wollten, als er\nim BAT enthalten ist. Es kann vielmehr umgekehrt davon ausgegangen werden,\ndass den Tarifparteien die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der\nAuslegung des Begriffes ärztliche Tätigkeit bekannt war und dass der Umstand,\ndass sie diesen Begriff weiter verwendet haben, dafür spricht, dass sie an\ndieser Auslegung festhalten wollten. Dies gilt umso mehr, als die\nArbeitnehmerseite versucht hat, in den Tarifverhandlungen eine ausdrückliche\nRegelung dahingehend zu erreichen, dass die AiP-Zeit als ärztliche Tätigkeit\nbei der Stufenzuordnung berücksichtigt wird.\n\n25\n\n \n\n2\\. Ein Anspruch auf Anrechnung der AiP-Zeit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte\nbesteht nicht.\n\n26\n\n \n\nEs fehlt bereits an dem Merkmal Berufserfahrung. Dies setzt voraus, dass es\nsich um Erfahrungen in einem bereits erlernten Beruf handelt. Als solche\nkönnen jedoch nicht Erfahrungen angesehen werden, die in und während der\nAusbildung erworben und gesammelt werden. Die AiP-Zeit war aber nach der dafür\nmaßgebenden Bundesärzteordnung gerade noch Teil der Ausbildung zum Arzt. Dies\nfolgt unmittelbar aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 10 Abs. 4 Satz 2 der\nBundesärzteordnung in der Fassung vom 16. April 1987, wonach die Zeit als AiP\nals weiterer Teil der Ausbildung galt und der es "zum Abschluss der\nAusbildung" bedurfte (vgl. ebenso m. w. N. Rambach/Feldmann AiP als\nanrechnungsfähige ärztliche Tätigkeit in ZTR 2008 Seite 85 m. w. N). Darüber\nhinaus ist nicht davon auszugehen, dass die Tarifparteien bei der Regelung des\n§ 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte die AiP-Zeit erfassen wollten. Die Regelung\nbeinhaltet eine Ermessensvorschrift. Derartige Regelungen sind regelmäßig\ngedacht für Fälle, die seltener vorkommen und einer individuellen Handhabung\nbedürfen.\n\n27\n\n \n\nDie Tätigkeit als AiP wurde mit dem Vierten Gesetz zur Änderung der\nBundesärzteordnung vom 14. Mai 1985 eingeführt und ist ab dem 01. Oktober 2004\nersatzlos gestrichen worden. Bei dieser Sachlage kann davon ausgegangen\nwerden, dass eine Vielzahl der gegenwärtig tätigen Ärzte einmal Arzt im\nPraktikum gewesen sind.\n\n28\n\n \n\nNachdem nun unstreitig die Arbeitnehmerseite bei den Tarifverhandlungen\nversucht hat, die AiP-Zeit als berücksichtigungsfähige Zeit ärztlicher\nTätigkeit durchzusetzen, ist auszuschließen, dass die Tarifparteien die AiP-\nZeit gerade bei der Ermessensregelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte im Blick\nhatten. Schließlich ist der Arbeitgeber aber auch befugt, bei einer\nErmessensvorschrift eine generelle Vorentscheidung zu treffen, wie er eine\nTarifnorm in der Praxis handhaben will (vgl. BAG vom 12.12.2000 - 9 AZR\n706/99). Dies hat das beklagte Land offensichtlich im vorliegenden Fall getan,\nindem es sich entschlossen hat, die AiP-Zeit nicht als Zeit im Sinne des § 16\nAbs. 2 Satz 2 TV-Ärzte anzuerkennen.\n\n29\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.\n\n30\n\n \n\nDas Gericht hat in Hinblick auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision\nzugelassen.\n\n
105,996
lagmv-2008-02-29-3-tabv-1207
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
3 TaBV 12/07
2008-02-29
2018-11-24 16:30:10
2019-02-26 18:50:45
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des\nArbeitsgerichts Stralsund vom 05.09.2007 - 4 BV 1/07 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beteiligten zu 2, die für\ndas Teilinstitut in G. abgeschlossene Betriebsvereinbarung Arbeitszeit (gültig\nmit Wirkung zum 01.10.2005; inzwischen mit Wirkung zum 12.02.2007 gekündigt)\nauch hinsichtlich der Festlegung, dass die Arbeitszeit über die entsprechende\nErfassung über ein Zeiterfassungsgerät am Werktor beginnt und endet, auch für\ndie Leiharbeitnehmer anzuwenden.\n\n2\n\n \n\nHintergrund ist der Umstand, dass für die Leiharbeitnehmer täglich 25 oder 30\nMinuten (Wegezeiten vom Werktor bis zum Arbeitsplatz) von der vom\nZeiterfassungsgerät erfassten Arbeitszeit abgezogen und mithin - anders als\nbei der Stammbelegschaft - nicht vergütet werden (Blatt 78 d. A.).\n\n3\n\n \n\nDer Beteiligte zu 1 hat beantragt:\n\n4\n\n \n\n1\\. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Betriebsvereinbarung zur\nArbeitszeit im Teilinstitut G. ihrem Inhalt entsprechend durchzuführen und die\nbei gewerblichen, der Gleitzeitregelung unterfallenden Leiharbeitnehmern im\nMontagebereich durch das Zeiterfassungsgerät (ZEG) erfasste Arbeitszeit als\nArbeitszeit unverändert zu übernehmen;\n\n5\n\n \n\n2\\. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1\nwird dem Beteiligten zu 2 pro Abzug von der durch das Zeiterfassungsgerät\nfestgestellten Arbeitszeit und pro Leiharbeitnehmer ein Ordnungsgeld\nangedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird sowie\nersatzweise Ordnungshaft zu vollstrecken an Herrn Dr. Ing. T., Geschäftsführer\ndes Max-Planck-Institutes für ..., ..., ...\n\n6\n\n \n\nDer Beteiligte zu 2 hat beantragt,\n\n7\n\n \n\ndie Anträge zu 1 und 2 zurückzuweisen.\n\n8\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Stralsund hat die Anträge des Beteiligten zu 1\nzurückgewiesen und im Wesentlichen argumentiert, der Antrag zu 1 sei wegen\nVerstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unzulässig. Der Antrag lasse nicht\nhinreichend deutlich erkennen, welche konkreten Handlungen dem Beteiligten zu\n2 auferlegt werden sollen. Eine Auslegung des Antrages komme nicht in\nBetracht, da der Antrag zu 1 primär vermeintliche individualrechtliche\nAnsprüche der betroffenen Leiharbeitnehmer betreffe.\n\n9\n\n \n\nGegen den am 10.09.2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund\nvom 05.09.2007 richtet sich die am 05.10.2007 bei dem Landesarbeitsgericht\nMecklenburg-Vorpommern eingegangene Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom\n05.10.2007. Der Eingang der Beschwerdebegründung bei dem Landesarbeitsgericht\nMecklenburg-Vorpommern ist datiert auf den 09.11.2007.\n\n10\n\n \n\nDer Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, der Beschluss des Arbeitsgerichts\nStralsund vom 05.09.2007 stelle für ihn eine Überraschungsentscheidung dar.\nDie Kammer habe zu keinem Zeitpunkt auf eine Unzulässigkeit der Antragstellung\nhingewiesen. Von einer Unzulässigkeit der Antragstellung könne im Übrigen\nkeine Rede sein. Diese sei hinreichend konkret vorgenommen worden. Der Antrag\nsei auch begründet. Die vertragliche Grundlage zwischen dem Beteiligten zu 2\nund dem Verleiher bestimme eine Anwendbarkeit der geltenden\nBetriebsvereinbarungen im Teilinstitut des Beteiligten zu 2 in G.. Mithin sei\nder Zuständigkeitsbereich und damit der Regelungsbereich des Beteiligten zu 1\nauch für die Leiharbeitnehmer zu der Frage eröffnet, wo die\nvergütungspflichtige Arbeitszeit beginne und ende.\n\n11\n\n \n\nDer Beteiligte zu 1 beantragt nunmehr:\n\n12\n\n \n\n1\\. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund Az. - 4 BV 1/07 - vom\n05.09.2007 wird geändert.\n\n13\n\n \n\n2\\. Es wird festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit im\nTeilinstitut G. auf die dort beschäftigten gewerblichen, der Gleitzeitregelung\nunterfallenden Leiharbeitnehmer im Montagebereich Anwendung findet und die\nanrechnungsfähige Arbeitszeit über das Zeiterfassungsgerät erfasst wird, bis\ndie Betriebsvereinbarung durch eine andere Abmachung ersetzt ist.\n\n14\n\n \n\nDer Beteiligte zu 2 beantragt,\n\n15\n\n \n\ndie Beschwerde zurückzuweisen.\n\n16\n\n \n\nWegen des weiteren Vortrages der Beteiligten zu 1 und 2 wird auf die zwischen\nihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in der Beschwerdeinstanz Bezug\ngenommen.\n\n \n\nII.\n\n17\n\n \n\nDie Anträge des Beteiligten zu 1 sind zwar zulässig (1.), jedoch nicht\nbegründet (2.).\n\n18\n\n \n\n1\\. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Stralsund ist die durch den\nBeteiligten zu 1 gewählte Antragstellung - jedenfalls in der im Rahmen der\nBeschwerdeinstanz geänderten Fassung - nicht unzulässig.\n\n19\n\n \n\nDie in der Beschwerdebegründung gewählte Antragsfassung beschreibt das Ziel\ndes Beteiligten zu 1, jedenfalls unter Berücksichtigung der insoweit\nabgegebenen Erklärung anlässlich der Anhörung der Beteiligten vom 29.02.2008,\nhinreichend genau. Danach begehrt der Beteiligte zu 1 mit seiner\nAntragstellung die Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung Arbeitszeit\nauch hinsichtlich der Regelung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit am\nWerktor auch für die jeweils tätigen Leiharbeitnehmer Anwendung findet.\n\n20\n\n \n\nDiesbezüglich besteht für die begehrte Feststellung ebenfalls dass nach § 256\nZPO notwendige Feststellungsinteresse, denn die Frage des persönlichen und\nsachlichen Geltungsbereiches einer Betriebsvereinbarung kann bezogen auf\nLeiharbeitnehmer vor dem Hintergrund der Regelung des § 14 Abs. 2/Abs. 3 AÜG\ndurch den Betriebsrat des Entleihers mit einem Feststellungsantrag zur\ngerichtlichen Entscheidung gestellt werden.\n\n21\n\n \n\nDemgegenüber ist das Feststellungsbegehren des Beteiligten zu 1 nicht\nbegründet.\n\n22\n\n \n\nDie Betriebsvereinbarung Arbeitszeit ist jedenfalls hinsichtlich der\nFestlegung des vergütungspflichtigen Beginns und des Endes der Arbeitszeit\nnicht auf Leiharbeitnehmer anwendbar. Insoweit ist der Zuständigkeitsbereich\nund mithin die Regelungsmöglichkeit für die Betriebsparteien bei den\nBeteiligten zu 2, bezogen auf Leiharbeitnehmer, nicht eröffnet.\n\n23\n\n \n\nGemäß § 14 Abs. 1 AÜG ist als Grundsatz zunächst die Zuordnung der\nLeiharbeitnehmer zum Verleiherbetrieb geregelt. Grundsätzlich ist\ndiesbezüglich mithin der Betriebsrat des Verleiherbetriebes zur Wahrnehmung\nder sich aus dem BetrVG ergebenden Rechte und Pflichten berufen.\n\n24\n\n \n\nAllerdings sind die Leiharbeitnehmer im Rahmen ihrer Tätigkeit für den\nEntleiherbetrieb in die dortige Betriebsorganisation eingebunden. Diesem\nUmstand hat der Gesetzgeber mit den Vorgaben in § 14 Abs. 2/Abs. 3 AÜG\nRechnung getragen, wonach ausnahmsweise eine betriebsverfassungsrechtliche\nRepräsentation von Leiharbeitnehmern durch den Betriebsrat des\nEntleiherbetriebes in Betracht zu ziehen ist, und zwar über den Wortlaut\nhinaus bezogen auf alle Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbestände (BAG vom\n19.06.2001, 1 ABR 43/00, JURIS m. w. N.).\n\n25\n\n \n\nEine Doppelzuständigkeit sowohl des Betriebsrates des Verleiherbetriebes als\nauch des Betriebsrates des Entleiherbetriebes ist in diesem Zusammenhang\nausgeschlossen. Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Wahrnehmung von\nMitbestimmungsrechten/Mitwirkungsrechten in Bezug auf Leiharbeitnehmer ist der\nGegenstand des Mitbestimmungsrechts/Mitwirkungsrechts und die damit\nnotwendigerweise verbundene Entscheidungsmacht des jeweiligen Arbeitgebers zur\nRegelung der konkreten Fragestellung (BAG vom 19.06.2001 a. a. O.).\n\n26\n\n \n\nUnter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist der Zuständigkeitsbereich\nfür die Beteiligten zu 1 und 2, jedenfalls bezogen auf den konkreten\nStreitgegenstand, nicht eröffnet.\n\n27\n\n \n\nDie Betriebsparteien streiten vorliegend nicht um die Anwendbarkeit der\nBetriebsvereinbarung Arbeitszeit auf Leiharbeitnehmer insgesamt, sondern\nlediglich auszugsweise um die Anwendbarkeit der punktuellen Regelung mit dem\nInhalt des Beginns und des Endes der vergütungspflichtigen Arbeitszeit am\nWerktor.\n\n28\n\n \n\nDiesbezüglich kann die Frage, ob eine derartige Regelung überhaupt dem\nMitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterfällt oder aber vielmehr\n- wie der Beteiligte zu 2 meint - insoweit lediglich eine freiwillige Regelung\nmit der Folge des Wegfalles einer zwingenden Nachwirkung darstellt, hier\noffenbleiben. Unabhängig davon betrifft die Festlegung der Örtlichkeit des\nvergütungspflichtigen Beginns und des Endes der Arbeitszeit nicht lediglich\narbeitsorganisatorische Gesichtspunkte, sondern vielmehr darüber hinaus\nunmittelbar das vertragliche Austauschverhältnis von Leistung und\nGegenleistung.\n\n
107,000
lagmv-2007-11-27-5-sa-12907
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Sa 129/07
2007-11-27
2018-11-25 07:30:06
2019-02-26 19:45:49
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes\nteilweise abgeändert.\n\n \n\n2\\. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende\nArbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 26.06.2006 nicht\nbeendet wurde.\n\n \n\n3\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.573,30 € brutto abzüglich\nausgeurteilter 1.418,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten\nüber dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2006 zu zahlen.\n\n \n\n4\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere Urlaubsabgeltung in\nHöhe von 320,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem\nBasiszinssatz ab dem 16.07.2006 zu zahlen.\n\n \n\nIm Übrigen wird die Berufung wegen der Zahlung von Urlaubsabgeltung\nzurückgewiesen.\n\n \n\n5\\. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 4/10 und im Übrigen die\nBeklagte.\n\n \n\n6\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen\naußerordentlichen Kündigung, die während des Laufs der Kündigungsfrist einer\nordentlichen Arbeitnehmerkündigung ausgesprochen wurde sowie um offene\nZahlungsansprüche aus Anlass der Vertragsbeendigung und weitgehend in\nAbhängigkeit vom Erfolg der Kündigungsschutzklage.\n\n2\n\n \n\nDer Kläger war bei der ursprünglichen Beklagten mit einem Stundenlohn von\n10,00 € brutto vollbeschäftigt (40-Stunden-Woche). Die ursprüngliche Beklagte\n(B. Kraftwerke GmbH) hat Dienstleistungen rund um den Bau und das Betreiben\nvon Blockheizkraftwerken angeboten, die mit Biogas betrieben werden. Die\nGesellschafter der Beklagten waren in der Zeit vor der Kündigung Herr T. und\neine Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft aus V. zu je 50 Prozent.\nHerr T. war neben Herrn H. seinerzeit auch Geschäftsführer der GmbH.\n\n3\n\n \n\nHerr T. hatte ein Konkurrenzunternehmen im selben Marktsegment wie die\nBeklagte in W. gegründet, dass ab Juli 2006 werbend tätig geworden ist (C.\nGmbH). Praktisch die gesamte Belegschaft der Beklagten und des im selben\nGebäude untergebrachten Schwesterunternehmens sind im Laufe der Monate Juni\n2006 und Juli 2006 auf Basis von Eigenkündigungen zum Unternehmen des\nehemaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn T., gewechselt.\n\n4\n\n \n\nDas Schwesterunternehmen war die A. GmbH. Die ursprüngliche Beklagte B.\nKraftwerke GmbH und dieses Unternehmen sind während des Laufs des hiesigen\nRechtsstreites nach dem Umwandlungsgesetz unter dem Namen der A. GmbH\nzusammengeführt worden.\n\n5\n\n \n\nDie Beklagte wirft dem Kläger vor, er sei bereits während des Laufs der\nKündigungsfrist für seinen neuen Arbeitgeber tätig geworden. Wegen der\nEinzelheiten, die sich auf diesen Vorwurf beziehen, wird auf die\narbeitsgerichtlichen Feststellungen Bezug genommen.\n\n6\n\n \n\nHerr T. ist auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der\nursprünglichen Beklagten (B. Kraftwerke GmbH) Anfang Mai 2006 als\nGeschäftsführer abberufen worden. Herr T. und die andere Gesellschafterin\nhaben - auch vor verschiedenen Gerichten - um die Wirksamkeit der Abberufung\ngestritten, haben sich jedoch dann durch außergerichtlichen notariellen\nVergleich verständigt. Der Vergleich hat die Abberufung vom 03.05.2006\nbestätigt und hat das zugrundeliegende Dienstverhältnis mit Ablauf des\n31.05.2006 enden lassen. Zumindest bis zum Zeitpunkt dieses Vergleiches am\n23.05.2006 war Herr T. noch in dem Betrieb anwesend und hat sich als\nMitgeschäftsführer ausgegeben und verhalten.\n\n7\n\n \n\nIm Mai 2006 ist für die ursprüngliche Beklagte (B. Kraftwerke GmbH) mit\nFörderung und Begleitung durch Herrn T. versucht worden, einen Betriebsrat zu\ngründen. Nach den betrieblichen Verhältnissen konnte nur ein einköpfiger\nBetriebsrat gebildet werden. Der Kläger ist der aus dem Gründungsverfahren\nhervorgegangene Betriebsrat. Weitere Wahlbewerber gab es nicht, so dass es\nauch keine Ersatzmitglieder gibt.\n\n8\n\n \n\nDie Beklagte hält die gesamte Wahl für nichtig und hat daher die\nstreitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 26.06.2006 ausgesprochen,\nohne zuvor das Arbeitsgericht anzurufen.\n\n9\n\n \n\nDie Beklagte hat für den gesamten Monat Juni 2006 keine Vergütung bezahlt.\n\n10\n\n \n\nDer Kläger begehrt neben dem Kündigungsschutz die volle Vergütung für Juni\n2006 (1.733,30 € brutto).\n\n11\n\n \n\nDas Arbeitsverhältnis der Parteien hat spätestens zum 15.07.2006 durch die\nEigenkündigung des Klägers geendet. Weitere anteilige Vergütung für Juli 2006\nist allerdings nicht gerichtlich geltend gemacht worden. Allerdings begehrt\nder Kläger Abgeltung des vollen Jahresurlaubsanspruchs (nach Vertrag 28\nArbeitstage) auf Basis seines Ausscheidens nach dem 30.06.2006 in Höhe von\n2.240,00 € brutto. Schließlich begehrt der Kläger 1.839,20 €\nÜberstundenvergütung.\n\n12\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.02.2007 die außerordentliche\nKündigung für wirksam erachtet und daher dem Kündigungsschutzantrag nur\nstattgegeben bis zu dem Tag des Zugangs der Kündigung am 28.06.2006.\n\n13\n\n \n\nDen Vergütungsanspruch für Juni 2006 hat es nur in Höhe von 1.418,15 € brutto\n(Tenor 2. a.) zugesprochen, da das Arbeitsverhältnis am 28.06.2006 geendet\nhabe und da der Kläger für den 15.06.2006 und 20.06.2006 keinen Anspruch auf\nEntgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit habe, da er an diesen beiden Tagen\nfür das neue Unternehmen des Herrn T. gearbeitet habe.\n\n14\n\n \n\nMit dem Urteilstenor zu 2. b. hat das Arbeitsgericht weitere 2.959,20 € brutto\nzugesprochen, nämlich 1.839,20 € brutto für die Überstunden (vollständige\nStattgabe) sowie 1.120,00 € Urlaubsabgeltung. Die Urlaubsabgeltung hat das\nGericht, da der Kläger in der ersten Jahreshälfte ausgeschieden sei, lediglich\nin Höhe von 14 abzugeltenden Urlaubstagen als begründet erachtet.\n\n15\n\n \n\nDie ausgeurteilten Zahlungsansprüche sind inzwischen vollständig erfüllt.\n\n16\n\n \n\nDas Urteil ist dem Kläger am 20.03.2007 zugestellt worden. Die hiergegen\ngerichtete Berufung vom 20.04.2007 ist hier per Fax am selben Tag eingegangen\nund mit Schriftsatz vom 15.05.2007, Gerichtseingang per Fax am selben Tag,\nbegründet worden.\n\n17\n\n \n\nDer Kläger verfolgt seine ursprünglichen Klageziele in vollem Umfang weiter,\nerkennt aber an, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 160,00 € für\nzwei Abgeltungstage unschlüssig ist, da ihm im Mai 2006 bereits zwei\nUrlaubstage in natura gewährt wurden.\n\n18\n\n \n\nDer Kläger bestreitet nach wie vor, bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist am\n15.07.2006 für seinen neuen Arbeitgeber tätig geworden zu sein.\n\n19\n\n \n\nDie Frage brauche jedoch letztlich nicht entschieden werden, da er jedenfalls\nals Betriebsrat den Kündigungsschutz nach § 15 KSchG in Verbindung mit § 103\nBetrVG genieße und die Kündigung daher der vorherigen Zustimmung durch das\nArbeitsgericht bedurft hätte.\n\n20\n\n \n\nDa das Arbeitsgericht dies verkannt habe, habe es auch seinen\nVergütungsanspruch für Juni 2006 falsch ausgeurteilt und die Urlaubsabgeltung\nfalsch berechnet.\n\n21\n\n \n\nDer Kläger beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils\n\n22\n\n \n\n1\\. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis\ndurch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.06.2006 nicht\nbeendet worden ist.\n\n23\n\n \n\n2\\. a. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.733,30 € brutto abzüglich\nzwischenzeitlich geleisteter 1.418,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf\nProzentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16.07.2006 zu zahlen.\n\n24\n\n \n\nb. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.079,20 € brutto abzüglich\nzwischenzeitlich gezahlter 2.959,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf\nProzentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.07.2006 zu zahlen.\n\n25\n\n \n\nZur Anschlussberufung der Beklagten hat der Kläger keinen Antrag gestellt.\n\n26\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n27\n\n \n\n1\\. die Berufung zurückzuweisen;\n\n28\n\n \n\n2\\. im Wege der Anschluss-Berufung das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin\nvom 14. Februar 2007 insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt worden\nist, dem Kläger mehr als 960,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten\nüber dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2006 als Urlaubsabgeltung zu zahlen,\nmithin Ziffer 2. lit. b. des Urteilstenors dahingehend abzuändern, dass die\nBeklagte nur zur Zahlung in Höhe von 2.799,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe\nvon fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2006\nverurteilt wird.\n\n29\n\n \n\nDie Beklagte ist ursprünglich davon ausgegangen, dass es tatsächlich keine\nBemühungen um die Bildung eines Betriebsrates gegeben hätte, sondern dies nur\nwährend des Rechtsstreites so dargestellt werden sollte ("Schutzbehauptung\nohne Substanz", vgl. Blatt 49 d. A.).\n\n30\n\n \n\nInzwischen geht auch die Beklagte davon aus, dass es tatsächlich Bemühungen\ngab, einen Betriebsrat zu gründen. Sie hält die Wahl allerdings wegen der\nVielzahl der Verstöße gegen das Gesetz und die Wahlordnung für nichtig.\n\n31\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst\nAnlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n32\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Die Anschluss-Berufung hat sich\ndurch die teilweise Abweisung des Urlaubsabgeltungsanspruches des Klägers\ninzidenter erledigt.\n\n \n\nI.\n\n33\n\n \n\nDie Berufung ist erfolgreich, soweit sich der Kläger gegen die teilweise\nAbweisung seines Kündigungsschutzantrages wendet.\n\n34\n\n \n\nDer Kündigungsschutzantrag ist erfolgreich, da die Kündigung wegen Verfehlung\ndes Formerfordernisses aus § 103 BetrVG nichtig ist (§ 134 BGB).\n\n35\n\n \n\nAlle Voraussetzungen von § 103 BetrVG liegen vor.\n\n36\n\n \n\n1\\. Der Kläger ist die Person, die aus dem Betriebsratsgründungsverfahren als\nder Betriebsrat für die ursprüngliche Beklagte hervorgegangen ist. Wenn einer\nPerson der Schutz von § 103 BetrVG zusteht, dann ist diese Person der Kläger.\n\n37\n\n \n\n2\\. Der Schutz aus § 103 BetrVG beginnt mit dem Beginn der Amtszeit des\nBetriebsrates (vgl. ErfK-Kiel § 15 KSchG Rn. 15). Die Amtszeit des\nBetriebsrates beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses im Sinne von §\n18 Wahlordnung. Danach hat die Amtszeit des Klägers zum Zeitpunkt der\nstreitgegenständlichen Kündigung bereits begonnen gehabt. Die Bekanntgabe des\nWahlergebnisses im Sinne von § 18 Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz\nist die Mitteilung des Wahlergebnisses an die Belegschaft, die durch Aushang\nzu erfolgen hat. Es kann dahinstehen, ob es tatsächlich zu einem\nordnungsgemäßen Aushang des Ergebnisses der Betriebsratswahl gekommen ist, da\njedenfalls auch nach dem Vortrag der Beklagten feststeht, dass die Belegschaft\nder ursprünglichen Beklagten über das Wahlergebnis in Kenntnis gesetzt wurde.\nDas muss für den Beginn der Amtszeit ausreichen.\n\n38\n\n \n\n3\\. Bei der Beklagten hat selbst nach ihrem eigenen Vortrag am 5. Mai 2006\neine Betriebsversammlung stattgefunden, in deren Ergebnis der Kläger zum\nBetriebsrat gewählt worden ist.\n\n39\n\n \n\nFür diese Feststellung greift das Gericht auf den eigenen Sachvortrag der\nBeklagten zurück. Denn die Beklagte schildert selbst, dass in der\nBetriebsversammlung von den wahlberechtigten Arbeitnehmern Stimmzettel\nausgefüllt worden sind.\n\n40\n\n \n\nDies reicht unter den gegebenen Umständen aus, um die Feststellung treffen zu\nkönnen, dass der Kläger zum Betriebsrat gewählt worden ist. Denn ausweislich\ndes beiderseitigen unstreitigen Parteivortrages stand allein der Kläger als\nWahlbewerber zur Verfügung, so dass er nach den Regeln des\nBetriebsverfassungsgesetzes bereits dann als gewählt gilt, wenn er auch nur\neine Stimme eines Wählers erhalten hat. Hier ist sogar davon auszugehen, dass\nder Kläger wesentlich mehr Stimmen bekommen hat, denn die weitere Kritik der\nBeklagten an der Durchführung der Wahl und der Auswertung der Stimmzettel\nergibt, dass mehrere Stimmzettel mit einem Kreuz in der Position des Klägers\nvorgelegen haben müssen.\n\n41\n\n \n\n4\\. Vorliegend konnte die Beklagte zwar nicht die Zustimmung des bei ihr\ngebildeten Betriebsrates zur Kündigung des Klägers erwirken, da der Kläger\nwegen Befangenheit in eigenen Angelegenheiten an der Wahrnehmung seines Amtes\nverhindert war und es kein Ersatzmitglied gab, dass statt seiner hätte\nbeteiligt werden können. In dieser Situation hätte die Beklagte allerdings in\nanaloger Anwendung von § 103 BetrVG die Zustimmung direkt beim Arbeitsgericht\nbeantragen müssen (vgl. BAG 14.09.1994 EZA Betriebsverfassungsgesetz § 103 Nr.\n36).\n\n42\n\n \n\n5\\. Die Einholung der Zustimmung wäre auch erforderlich gewesen, denn es kann\nnicht festgestellt werden, dass die Wahl, aus der der Kläger als Betriebsrat\nhervorgegangen ist, nichtig ist.\n\n43\n\n \n\na) Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Betriebsratswahlen unter so\ngravierenden Fehlern leiden können, dass sie nicht nur anfechtbar, sondern\nschlechthin nichtig sind. Im Vordergrund stehen dabei Wahlen, die im\nWiderspruch zu dem ordnungspolitischen Rahmen des Betriebsverfassungsrechtes\ndurchgeführt wurden, also insbesondere Betriebsratswahlen im kirchlichen\nBereich (vgl. BAG 09.02.1982 - 1 ABR 36/80 - BAGE 41, 5 = DB 1982, 1414),\nBetriebsratswahlen im öffentlichen Dienst oder Wahlen in einem Betrieb, der\nbereits über einen Betriebsrat verfügt (vgl. BAG 11.04.1978 - 6 ABR 22/77 - DB\n1978, 1452). Auf derartige Überlegungen lässt sich die Nichtigkeit der\nvorliegenden Wahl nicht stützen.\n\n44\n\n \n\nDaneben ist aber auch anerkannt, dass eine Betriebsratswahl wegen gravierender\nVerstöße gegen sonstige Wahlvorschriften nichtig sein kann. Dabei ist jedoch\nein strenger Maßstab zu Grunde zu legen, da bereits die Wahlanfechtung nach §\n19 BetrVG nur dann durchgreifen kann, wenn gegen "wesentliche"\nWahlvorschriften verstoßen wurde. Daher ist eine Betriebsratswahl nur nichtig\nbei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des\ngesetzlichen Wahlrechtes, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein\neiner dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht (BAG 19.11.2003 - 7\nABR 25/03 - AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972).\n\n45\n\n \n\nb) Gemessen hieran kann vorliegend bereits auf Grund des Parteivortrages der\nBeklagten die Nichtigkeit der Wahl nicht festgestellt werden.\n\n46\n\n \n\nNach der Betriebsgröße war der Betriebsrat für den Betrieb der ursprünglichen\nBeklagten im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14 a BetrVG zu wählen. Es\nmussten also zwei Betriebsversammlungen im Abstand von einer Woche\ndurchgeführt werden. Auf der ersten Versammlung müsste der Wahlvorstand und\nauf der zweiten Versammlung der Betriebsrat selbst gewählt worden sein.\n\n47\n\n \n\naa) Es kann nicht festgestellt werden, dass bereits die Wahl des\nWahlvorstandes nichtig war.\n\n48\n\n \n\nDer Sachvortrag der Beklagten in diesem Punkt ist etwas unscharf. Die Beklagte\nbehauptet einerseits immer wieder, eine Betriebsversammlung zur Wahl eines\nWahlvorstandes habe es nie gegeben, der Wahlvorstand sei sozusagen auf Zuruf\ngebildet worden. Andererseits spricht die Beklagte selbst mehrfach von den\nBetriebsversammlungen im Plural (Schriftsatz vom 22.08.2006 Seite 8 oben,\nBlatt 50 d. A.). Diese Widersprüchlichkeit ließ sich im Rahmen der mündlichen\nVerhandlung nicht klären.\n\n49\n\n \n\nAlso kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betriebsversammlung zur\nWahl des Wahlvorstandes überhaupt nicht stattgefunden hat. Wenn der von der\nBeklagten befragte Zeuge den Eindruck hatte, er sei zum Wahlvorstand bestimmt\nworden, so muss das dem nicht widersprechen, denn auch im Rahmen einer\nBetriebsversammlung kann alles so schnell und vorabgesprochen abgelaufen sein,\ndass der von der Beklagten befragte Zeuge den Eindruck hatte, eine Wahl habe\nnicht stattgefunden. Es ist jedenfalls nicht Aufgabe des Gerichtes in einem\nKündigungsschutzprozess die verbleibenden Zweifel durch weitere amtswegige\nAufklärung auszuräumen.\n\n50\n\n \n\nbb) Auch der Vorwurf der Beklagten zu "verspäteten Versammlungen" und\n"rückdatierten Aushängen" kann nicht zur Nichtigkeit der Wahl führen, da es um\ntypische Durchführungsfehler handelt, die dem Wahlanfechtungsverfahren\nvorbehalten sind. Dies gilt auch für den Vorwurf, die Aushänge seien so\nausgelegt worden, dass außer Herrn T. aus der Hausleitung niemand ohne\nweiteres von der Wahl Kenntnis nehmen konnte. Die Wahl richtet sich in erster\nLinie an die Belegschaft, sofern diese in ausreichendem Maße Kenntnis nehmen\nkonnte, reicht das aus.\n\n51\n\n \n\ncc) Auch der Sachvortrag der Beklagten zur zweiten Betriebsversammlung mit der\nWahl des Klägers zum Betriebsrat am 5. Mai 2006 reicht zur Darlegung einer\nnichtigen Wahl nicht aus.\n\n52\n\n \n\nDie Beklagte stellt nicht in Frage, dass die Wahl durch die Abgabe von\nStimmzetteln erfolgt ist. Sie rügt lediglich, dass der Wahlvorstand angeblich\nnach Beendigung der Stimmabgabe und nach Sichtung der abgegebenen Stimmen\neinige Stimmzettel ausgetauscht habe. Dazu wird ausgeführt, bei einigen\nStimmzetteln sei das Kreuz des Wählers nicht in dem Kreis gewesen, der dem\nBewerber auf dem Stimmzettel zuzuordnen ist. Da man befürchtet habe, auf diese\nWeise den Stimmzettel nicht verwerten zu können, habe man entweder den\nStimmzettel an den Wähler zurückgegeben, mit der Bitte um Korrektur oder man\nhabe teilweise sogar die Stimmzettel selber neu erstellt und sodann den alten\nStimmzettel vernichtet. Sollte dies zutreffen, wäre das gewiss ein\nungeheuerlicher Vorgang, der wegen der Vernichtung der angeblich fehlerhaft\nausgefüllten Stimmzettel, die Urkunden im Rechtssinne darstellen, durchaus\nstrafrechtliche Aufmerksamkeit verdienen würde.\n\n53\n\n \n\nBei allem Respekt für die dadurch entstandene Empörung muss jedoch\nfestgehalten werden, dass der Wählerwille durch diese Aktion weder verfälscht\nwerden konnte noch tatsächlich verfälscht wurde. Nach dem eigenen Sachvortrag\nder Beklagten stand nur der Kläger zur Wahl, so dass der Austausch der\nStimmzettel nicht das Ziel verfolgt haben kann, Kandidaten zu benachteiligen\noder zu bevorzugen. Das ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auch nicht\ngeschehen. Vielmehr hat die fragwürdige Aktion das Ziel verfolgt, Stimmzettel,\nbei denen der Wähler das Kreuz nicht exakt in den dafür vorgesehenen Kreis\ngesetzt hat, durch Stimmzettel mit korrekt gesetztem Kreuz zu ersetzen. Der\nWählerwille wird dadurch nicht manipuliert.\n\n54\n\n \n\ndd) Die Wahl ist selbstverständlich auch nicht deshalb nichtig, weil die\nBeklagte über den Ausgang der Wahl nicht ordnungsgemäß unterrichtet wurde.\n\n55\n\n \n\n6\\. Das Arbeitsgericht hat angenommen, es könne dahinstehen, ob die Wahl\nnichtig gewesen war, denn jedenfalls könne sich der Kläger auf den Schutz aus\n§ 103 BetrVG nicht berufen, da dies treuwidrig sei. Denn da er aktiv daran\nmitgewirkt habe, den Umstand der Betriebsratswahl vor der legitimen\nGeschäftsführung zu verheimlichen, könne er sich nunmehr nicht auf den Schutz\ndes Gesetzes berufen, denn die Beklagte hatte wegen ihrer Unkenntnis der Wahl\nüberhaupt keine Chance, sich ordnungsgemäß zu verhalten.\n\n56\n\n \n\nDiese Bewertung teilt das Berufungsgericht nicht. Die Berufung des Klägers auf\nseinen Schutz aus § 103 BetrVG verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242\nBGB).\n\n57\n\n \n\na) In seiner Hauptbegründung geht das Gericht davon aus, dass die\nUnterrichtung des Herrn T. über den Ausgang der Betriebsratswahl nach der\nWahlversammlung vom 5. Mai 2006 als Unterrichtung der Arbeitgeberin im Sinne\nvon § 18 Satz 2 Wahlordnung zum BetrVG als ausreichend angesehen werden muss.\n\n58\n\n \n\nDenn aus der Sicht der Belegschaft war Herr T. seinerzeit noch Geschäftsführer\nder ursprünglichen Beklagten.\n\n59\n\n \n\nEs ist zwar richtig, dass der andere Geschäftsführer der ursprünglichen\nBeklagten, Herr H., die Belegschaft mündlich und schriftlich am 5. Mai 2006\ndavon in Kenntnis gesetzt hat, dass die Gesellschafter Herrn T. am 3. Mai 2006\nmit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Geschäftsführer abberufen haben.\n\n60\n\n \n\nAndererseits muss aber auch beachtet werden, dass Herr T. diese Absetzung für\nunwirksam erachtet hat und dies der Belegschaft auch mitgeteilt hat. Da Herr\nT. 50 Prozent der Gesellschaftsanteile besaß, bestand für die Belegschaft auch\nkein Anlass, dem einen Geschäftsführer und Gesellschafter mehr zu glauben als\ndem anderen.\n\n61\n\n \n\nAußerdem hatte Herr T. auch nach dem 3. Mai 2006 noch Zugang zum Betrieb, war\ndort anwesend und verhielt sich nach wie vor wie ein Geschäftsführer.\n\n62\n\n \n\nEs kann einem nicht juristisch gebildeten Laien wie dem Wahlvorstand oder dem\nKläger nicht vorgehalten werden, wenn er in dieser Situation es nach wie vor\nfür ausreichend erachtet, den Geschäftsführer zu unterrichten, mit dessen\nBegleitung das gesamte Wahlverfahren durchgeführt wurde.\n\n63\n\n \n\nb) Selbst wenn man sich hilfsweise auf den Standpunkt stellt, in der gegebenen\nStreitsituation zwischen den Gesellschaftern wäre es geboten gewesen, auch den\nanderen Geschäftsführer, der die Interessen des anderen Gesellschafters\nvertritt, über den Ausgang der Wahl zu unterrichten, würde aus diesem Säumnis\nnicht folgen, dass der gewählte Betriebsrat sich nicht auf seinen Schutz aus §\n103 BetrVG berufen dürfte.\n\n64\n\n \n\nDa der andere Geschäftsführer, der seit dem außergerichtlichen Vergleich vom\n23.05.2006 auch rechtlich der einzige Geschäftsführer der ursprünglichen\nBeklagten war, von der Betriebsratswahl keinerlei Kenntnisse hatte, hatte er\nkeine Chance, die Kündigung des Klägers auch formal so einzuleiten, dass sie\nvor dem Gesetz Bestand haben könnte.\n\n65\n\n \n\nBei der Bewertung hat das Arbeitsgericht jedoch übersehen, dass dieser\nMissstand auch darauf zurückzuführen ist, dass der ehemalige\nMitgeschäftsführer Herr T. weder seine anderen Mitgeschäftsführer noch die\nGesellschafter über die von ihm geförderte und begleitete Gründung des\nBetriebsrates im Betrieb unterrichtet hatte.\n\n66\n\n \n\nBei der notwendigen Bewertung der Verursachungsbeiträge für die Unkenntnis der\nGeschäftsführung sieht das Berufungsgericht den Schwerpunkt des Unrechts\neindeutig in dem Verhalten des ehemaligen Geschäftsführers Herrn T.. Er hat in\nder Angelegenheit Betriebsratswahl die Fäden gezogen und ihm hätte es daher in\nerster Linie oblegen, seinem Mitgeschäftsführer und seinem Mitgesellschafter\ndarauf hinzuweisen, welche neue Entwicklung er da eingeleitet hat.\n\n67\n\n \n\nDa in der Bewertung der Verursachungsbeitrag des ehemaligen\nMitgeschäftsführers eindeutig überwiegt, kann die Berufung des Klägers auf\nseine Rechte aus § 103 BetrVG nicht als treuwidrig bewertet werden.\n\n \n\nII.\n\n68\n\n \n\nDie klägerische Berufung wegen der teilweisen Abweisung seiner Zahlungsanträge\nist nur zum Teil begründet.\n\n69\n\n \n\n1\\. Auf Grund seines Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag steht dem Kläger\nweitere Vergütung für Juni 2006 zu. Allerdings hat er nicht den vollen\nMonatsvergütungsanspruch in Höhe von 1.733,30 €, da das Arbeitsgericht zu\nRecht ihm die Entgeltfortzahlungsvergütung für den 15.06.2006 und den\n20.06.2006 versagt hat. Daher ist sein Vergütungsanspruch für den Monat Juni\num 160,00 (16 Stunden je 10,00 € brutto) auf 1.573,30 € zu kürzen.\n\n70\n\n \n\nDer Kläger räumt selbst ein, dass er am 15.06.2006 für mehrere Stunden sowie\nam 20.06.2006 ganztägig sich am Firmensitz seiner neuen Arbeitgeberin in W.\naufgehalten hat. Zutreffend hat das Arbeitsgericht daraus den Schluss gezogen,\ndass jedenfalls für diese zwei Tage der Beweiswert der vorgelegten\nArbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist. Für diese Feststellung kann\noffen bleiben, ob während dieser Zeit - so wie der Kläger behauptet -\ntatsächlich Bewerbungsgespräche stattgefunden haben oder ob während dieser\nZeit der Kläger bereits für seinen neuen Arbeitgeber gearbeitet hat. Denn\njedenfalls hat sich der Kläger an diesen beiden Tagen in der Lage gefühlt,\nentweder beruflich tätig zu sein oder sich um seine beruflichen Belange durch\nPersonalgespräche zu kümmern. Dies reicht aus, um von einer Arbeitsfähigkeit\ndes Klägers auszugehen. Das Gericht hat dem Kläger im Vorwege darauf\nhingewiesen und ihm anheimgestellt, medizinischen Nachweis für seine\nArbeitsunfähigkeit auch an diesen zwei Tagen zu führen. Darauf hat der Kläger\nlediglich hingewiesen, dass er an einem Erschöpfungszustand gelitten habe.\nWill man dies als wahr unterstellen, wird dadurch der Beweiswert der\nvorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst recht erschüttert, denn die\nDiagnose des Erschöpfungszustandes verträgt sich nicht mit dem Verhalten des\nKlägers an diesen beiden Tagen.\n\n71\n\n \n\nDas Gericht weist an dieser Stelle gesondert darauf hin, dass der Urteilstenor\nhinsichtlich des Juni-Gehaltes im vorliegenden Urteil von den verkündeten\nTenor abweicht. Verkündet wurde der Tenor in Höhe von 1.733,30 € brutto und im\nvorliegenden Urteil lautet der Tenor auf 1.573,30 € brutto. Diese Korrektur\nhat das Gericht von Amts wegen nach § 319 ZPO vorgenommen, da der verkündete\nUrteilstenor insofern unter einer offenbaren Unrichtigkeit gelitten hat, denn\ndie Richtigkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils hinsichtlich des Abzugs des\nEntgelts für diese zwei Tage hat für die Kammer nie außer Frage gestanden.\n\n72\n\n \n\n2\\. Weitere Urlaubsabgeltung steht dem Kläger lediglich noch in Höhe von\n320,00 € zu und nicht wie von ihm verlangt in Höhe von weiteren 1.120,00 €.\n\n73\n\n \n\nDer klägerische Urlaubsabgeltungsanspruch lässt sich entgegen der Auffassung\ndes Klägers nicht auf seinen Arbeitsvertrag stützen, denn dort ist für das\nAusscheiden im laufenden Jahr eine monatliche anteilige Kürzung des\nGesamtjahresanspruchs vorgesehen. Da der Kläger Mitte Juli 2006 aus dem\nArbeitsverhältnis ausgeschieden ist, hätte er also allenfalls einen Anspruch\nin Höhe von 7/12 von 28 Arbeitstagen, was 16, möglicherweise 17 Arbeitstagen\nentspricht.\n\n74\n\n \n\nNach dem Bundesurlaubsgesetz stehen dem Kläger, wenn er in der zweiten\nJahreshälfte ausscheidet, 24 Werktage Urlaub bzw. 20 Arbeitstage Urlaub zu. Da\nder gesetzliche Anspruch für den Klägers günstiger ist, geht dieser vor.\n\n75\n\n \n\nVon dem Gesamturlaubsanspruch für das Jahr 2006 in Höhe von 20 Arbeitstagen\nsind dem Kläger bereits durch das Arbeitsgericht 14 Arbeitstage zugesprochen\nworden, so dass sich der weitere Anspruch auf 6 Arbeitstage reduziert. Davon\nist ein weiterer Abzug in Höhe von zwei Arbeitstagen vorzunehmen, da selbst\nnach dem klägerischen Vortrag ihm im Jahre 2006 für das Jahr 2006 bereits zwei\nUrlaubstage in natura gewährt worden sind.\n\n76\n\n \n\nDie Berufung ist also lediglich erfolgreich, soweit der Kläger vier weitere\nUrlaubstage je 80,00 € entsprechend 320,00 € brutto verlangt. Im Übrigen ist\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n77\n\n \n\nMit dieser Reduzierung des vom Kläger geltend gemachten\nUrlaubsabgeltungsanspruches hat sich auch die Anschluss-Berufung der Beklagten\nerledigt, die lediglich darauf abzielte, die zwei in natura gewährten\nUrlaubstage in die Berechnung mit einzubeziehen.\n\n78\n\n \n\n3\\. Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der weitere\nZahlungsanspruch, der auf Überstunden des Klägers zurückzuführen ist und dem\ndas Arbeitsgericht in vollem Umfang entsprochen hat (1.839,20 € brutto), von\nkeiner Seite in Frage gestellt wurde.\n\n \n\nIII.\n\n79\n\n \n\nDie Kosten des Berufungsverfahrens und des gesamten Rechtsstreits hat das\nGericht nach den Anteilen des Obsiegens und Unterliegens nach § 92 ZPO\nverteilt.\n\n80\n\n \n\nGegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht mehr gegeben, da ein Anlass für\ndie Zulassung der Revision nicht besteht.\n\n
107,653
lagmv-2007-09-07-3-sa-9407
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
3 Sa 94/07
2007-09-07
2018-11-25 16:30:08
2019-02-14 07:50:31
Urteil
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten im Berufungsrechtsverfahren zuletzt noch um die\nRechtmäßigkeit der vorsorglichen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom\n04.05.2006 zum 30.06.2006.\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin war auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der\nBeklagten ohne Unterbrechung seit dem 01.05.2004 - zuletzt befristet bis zum\n31.12.2006 - in der Funktion als Verkaufsstellenverwalterin (künftig VSV)\ntätig.\n\n3\n\n \n\nGemäß §§ 4, 5 des Arbeitsvertrages vom 19.12.2005 (Bl. 16 - 21 d. A.) betrug\ndie Vergütung monatlich € 1.800,00 bei einer monatlichen Arbeitszeit von 169\nStunden im Jahresdurchschnitt. Etwaige Mehrarbeitsstunden sollten mit der\nVergütung abgegolten sein.\n\n4\n\n \n\nMit Schreiben vom 04.05.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis\nfristlos und hilfsweise fristgemäß zum 30.06.2006 wegen von ihr behaupteter\nArbeitszeitmanipulationen durch die Klägerin.\n\n5\n\n \n\nDagegen richtet sich die Kündigungsschutzklage der Klägerin vom 05.05.2006,\nbei dem Arbeitsgericht Schwerin eingegangen am gleichen Tag.\n\n6\n\n \n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n7\n\n \n\nfestzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis\ndurch die von der Beklagten am 05.05.2006 ausgesprochene außerordentliche\nKündigung nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen\nfortbesteht.\n\n8\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n10\n\n \n\nMit Urteil vom 05.01.2007 hat das Arbeitsgericht Schwerin der Klage\nhinsichtlich der fristlosen Kündigung stattgegeben, diese jedoch nach\nDurchführung einer Beweisaufnahme (Bl. 251 in Verbindung mit 285 - 291 d. A.)\nbezüglich der vorsorglichen ordentlichen Kündigung der Beklagten zum\n30.06.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht Schwerin im\nWesentlichen ausgeführt, nach Aussage der glaubwürdigen Zeuginnen R. und G.\nsei davon auszugehen, dass die Klägerin trotz der Angaben im Dienstplan am\n25.01.2006, am 06.04.2006 sowie am 19.04.2006 jeweils nicht bis 20.00 Uhr,\nsondern jeweils lediglich bis ca. 18.00 Uhr gearbeitet habe. Die damit\nverbundene Manipulation der betrieblichen Arbeitszeit stelle einen\nverhaltensbedingten Kündigungsgrund für eine außerordentliche Kündigung dar.\nDie "Orga-Anweisung Personaleinsatzplanung und Zeiterfassung" der Beklagten\nstehe dem nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe diese mit\nSetzung des Hakens hinter der angegebenen Arbeitszeit auf dem monatlichen\nEinsatzplan nicht lediglich ihre Anwesenheit, sondern ihre tatsächliche\nArbeitszeit bestätigt. Im Rahmen des Ultima-Ratio-Prinzipes sei zwar die\nfristlose Kündigung unwirksam. Jedoch sei die ordentliche Kündigung auch unter\nBerücksichtigung der vorzunehmenden Interessenabwägung rechtlich nicht zu\nbeanstanden, zumal der Ausspruch einer vorhergehenden Abmahnung vorliegend\nausnahmsweise entbehrlich gewesen sei.\n\n11\n\n \n\nGegen das am 21.02.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin - anwaltlich\nvertreten - Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist nebst Begründung am\n13.03.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.\n\n12\n\n \n\nIn der Berufungsbegründung hält die Klägerin im Wesentlichen an ihrer\nRechtsauffassung fest. Auch die vorsorgliche ordentliche Kündigung zum\n30.06.2006 sei rechtsunwirksam. Die Klägerin meint insoweit, sie habe sich\nkein vorwerfbares Verhalten zu Schulden kommen lassen. Nach der\nArbeitszeitregelung vom 30.01.2006 in Verbindung mit der\nPersonaleinsatzplanung und Zeiterfassung vom 30.01.2006 sei sie nicht\nverpflichtet gewesen, ihre konkrete tägliche Arbeitszeit zu dokumentieren. In\nihrer Funktion als VSV sei die Personaleinsatzplanung so vorgenommen worden,\ndass regelmäßig über die vertragliche Arbeitszeit von 169 Monatsstunden\nMehrarbeit angefallen sei. So habe die Klägerin im Januar 2006 200 Stunden, im\nFebruar 2006 163 Stunden, im Mai 2006 197 Stunden und im April 2006 204,5\nStunden gearbeitet. Entsprechend diene die tägliche Gegenzeichnung per Haken\nim Falle einer VSV nach der "Orga-Anweisung Personaleinsatzplanung und\nZeiterfassung" lediglich als Dokumentation der tatsächlichen Anwesenheit und\nkeinesfalls als Bestätigung der konkret erbrachten täglichen Arbeitsstunden.\n\n13\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n14\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 05.01.2007, Aktenzeichen 1 C\n2734/06 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der\nProzessparteien durch die Kündigung der Beklagten und Berufungsbeklagten vom\n04.05.2006 nicht beendet ist, sondern über den 30.06.2006 hinaus fortbesteht.\n\n15\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n16\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n17\n\n \n\nDie Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil in dem hier noch im Streit\nbefindlichen Umfang. Die Klägerin könne sich zur Rechtfertigung ihres\nVerhaltens nicht auf die Orga-Anweisung berufen. Denn diese habe der Klägerin\njedenfalls nicht das Recht gegeben, den Arbeitsort frühzeitig vor Ablauf der\nfür sie eingeteilten (Schicht-) Arbeitszeit zu verlassen. Sie - die Klägerin -\nhabe mithin der Beklagten mehrfach wahrheitswidrig vorgespiegelt, bis jeweils\n20.00 Uhr gearbeitet zu haben.\n\n18\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien in der\nBerufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n19\n\n \n\nDie statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das\nArbeitsgericht Schwerin hat die Klage hinsichtlich der hier noch\nstreitbefangenen ordentlichen Kündigung zum 30.06.2006 zu Recht abgewiesen.\nDas Landesarbeitsgericht macht sich die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe\nausdrücklich zu Eigen, wobei es in Ansehung der Berufungsbegründung einiger\nErgänzungen bedarf.\n\n20\n\n \n\n1\\. Die ordentliche Kündigung der Beklagten zum 30.06.2006 ist nicht gemäß § 1\nAbs. 2 Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam.\n\n21\n\n \n\nIm Anwendungsbereich - wie hier gegeben - des Kündigungsschutzgesetzes ist\neine Kündigung unter anderem dann sozialwidrig, wenn sie nicht durch Gründe in\ndem Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist.\n\n22\n\n \n\nEine verhaltensbedingte arbeitgeberseitige Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2\nKündigungsschutzgesetz kommt immer dann in Betracht, wenn der betroffene\nArbeitnehmer durch ein schuldhaftes und steuerbares Verhalten\narbeitsvertragliche Hauptpflichten oder nicht unwesentliche\narbeitsvertragliche Nebenpflichten verletzt.\n\n23\n\n \n\nIn Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes setzt eine ordentliche\nverhaltensbedingte Kündigung weiterhin voraus, dass dem Arbeitgeber nicht\nweniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen, um das angestrebte Ziel\neiner angemessenen Reaktion auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung\ndurch den Arbeitnehmer zu erreichen.\n\n24\n\n \n\nSchließlich ist im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung eine solche\nKündigung nur dann als rechtswirksam zu erachten, wenn insgesamt ein\nTatbestand festzustellen ist, der bei gewissenhafter Abwägung der\nbeiderseitigen Interessen einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur\nKündigung veranlassen würde.\n\n25\n\n \n\nUnter Berücksichtigung der vorgenannten Voraussetzungen ist auch das\nBerufungsgericht im Ergebnis zur Rechtswirksamkeit der ordentlich\nverhaltensbedingten Kündigung der Beklagten zum 30.06.2006 gelangt.\n\n26\n\n \n\na) Das Arbeitsgericht Schwerin hat in Auswertung der durchgeführten\nBeweisaufnahme festgestellt, dass die Klägerin jeweils für den 25.01.2006,\n06.04.2006 sowie 10.04.2006 eine Anwesenheitszeit bis 20.00 Uhr bestätigte,\nobwohl diese jeweils tatsächlich an den benannten Tagen nur bis ca. 18.00 Uhr\ngearbeitet hatte. Diesen Tatbestand hat das Arbeitsgericht Schwerin als\nschwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung und mithin als\nhinreichenden verhaltensbedingten Kündigungsgrund gewertet. Dem ist sowohl in\nder Begründung als auch im Ergebnis beizupflichten.\n\n27\n\n \n\naa) Soweit die Klägerin dem in der Berufungsbegründung entgegenhält, das\nArbeitsgericht Schwerin habe hinsichtlich der Arbeitszeit am 19.04.2006 auf\nGrund der Aussage der Zeugin F. die Darlegungs- und Beweislast verkannt, so\nist dieser Einwand für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar. Denn die\nEntscheidung beruht bezüglich der konkreten Beendigung der Arbeit durch die\nKlägerin am 19.04.2006 gegen ca. 18.00 Uhr auf der Aussage der Zeugin R.,\nwährend die Zeugin F. sich an das Datum der Einweisung durch die Klägerin\nnicht erinnern konnte. Weshalb und auf welcher Grundlage Zweifel an der\nGlaubwürdigkeit der Zeugin R. bzw. an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage\nbestehen sollen, ist zum einen nach dem Sach- und Streitstand nicht\nersichtlich und derartige Umstände werden zum anderen durch die\nberufungsführende Klägerin auch gar nicht vorgetragen. Vorstehende Erwägungen\ngelten im Übrigen auch hinsichtlich der Aussage der Zeugin G..\n\n28\n\n \n\nDer Einwand der Klägerin betreffend die Berücksichtigung der Beendigung der\nArbeit am 25.01.2006 gegen ca. 18.00 Uhr unter Hinweis auf die\narbeitsvertraglich vereinbarte dreimonatige Ausschlussfrist ist rechtlich\nnicht haltbar. Es ist bereits nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen\nGrundlage Anspruchsausschlussfristen zum Verbrauch gegebener Kündigungsgründe\nführen sollen.\n\n29\n\n \n\nbb) Die Klägerin kann sich zu ihrer Entlastung auch nicht auf Ziffer 2. in\nVerbindung mit Ziffer 2.3. Orga-Anweisung Personaleinsatzplanung und\nZeiterfassung in Verbindung mit Ziffer 3.1. Orga-Anweisung Arbeitszeitregelung\nSchreibwarenfilialen berufen. Die genannten Regelungen lauten - soweit hier\nvon Bedeutung - wie folgt:\n\n30\n\n \n\n"2. ... \nJede VSV, auch diejenigen mit Teilzeitverträgen, erfasst ihre eigene täglichen\nArbeitszeit lediglich mit einem Haken, ohne Angabe der genauen Stunden. \n2.3. ... \nAchtung! \nDie VSV erfasst ihre Anwesenheit mit einem Haken, unabhängig von der Länge der\nAnwesenheit. Bei der VSV entspricht also die Gesamt-Stundenzahl immer der\nvertraglichen Arbeitszeit pro Monat. \n... \n3.1. ... \nEine VSV bildet keine Plus-/Minusstunden, da deren Anwesenheit auf der\nStundenliste (Stundenliste Stammpersonal) mit einem Haken erfasst wird."\n\n31\n\n \n\nEntgegen der Auffassung der Klägerin ist den genannten innerbetrieblichen\nRegelungen keineswegs zu entnehmen, dass eine VSV mit dem Abhaken der\ntäglichen Arbeitszeit lediglich eine zeitlich unbestimmte Anwesenheit zu\nbestätigen hat. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Erwägungen\nin der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.\n\n32\n\n \n\nErgänzend ist anzumerken, dass nach Sinn und Zweck der benannten\ninnerbetrieblichen Regelungen der Beklagten lediglich dem Umstand Rechnung\ngetragen werden soll, dass für eine VSV keine Plusstunden bzw. Minusstunden\n(Ziffer 3.1. Organisationsanweisung Arbeitszeitregelung Schreibwarenfilialen)\ngeschrieben werden. Bestätigt wird dieser Umstand durch Ziffer 2.1. Orga-\nAnweisung Personaleinsatzplanung und Zeiterfassung, wonach für eine VSV keine\nStunden aus dem Vormonat übernommen werden. Es ist deshalb nicht erforderlich,\nauf den entsprechenden Arbeitszeitlisten für eine VSV in der "Ergebnisspalte"\ndie konkret geleisteten Arbeitsstunden aufzuführen. Vielmehr ist es\nausreichend, dass eine VSV bei der Beklagten die in der Arbeitszeitliste\naufgeführten Zeiten durch einen Haken quittiert. Damit bestätigt eine VSV -\nentgegen der Ansicht der Klägerin - dann aber zugleich, zu den täglich\nangegebenen Zeiten auch tatsächlich gearbeitet zu haben.\n\n33\n\n \n\nWelche Anzahl an wöchentlichen und monatlichen Arbeitsstunden die Klägerin in\ndem benannten Zeitraum (Januar bis April 2006) tatsächlich gearbeitet haben\nwill, ist dagegen ohne Belang. Denn vorliegend ist rechtlich nicht zu\nbeurteilen, ob die vereinbarte Abgeltung von Überstunden mit Zahlung des\nmonatlichen Bruttobetrages einer entsprechenden Vertragskontrolle standhält.\n\n34\n\n \n\nMaßgeblich ist vielmehr - und darauf hat das Arbeitsgericht Schwerin in der\nangefochtenen Entscheidung zutreffend abgestellt -, dass die Klägerin entgegen\nihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachweisbar in drei Fällen durch\nAbhaken in der jeweiligen Arbeitszeitliste der Beklagten wahrheitswidrig die\nErbringung einer Arbeitsleistung über ca. 18.00 Uhr hinaus bis 20.00 Uhr\nvorspiegelte.\n\n35\n\n \n\nb) Die Rechtmäßigkeit der im Streit befindlichen Kündigung scheitert auch\nnicht unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.\n\n36\n\n \n\nInsbesondere ergibt sich aus dem festgestellten Kündigungssachverhalt hier\nausnahmsweise die Entbehrlichkeit einer vorhergehenden Kündigungsandrohung,\nalso einer Abmahnung. Diesbezüglich kann zur weiteren Begründung auf die\nzutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen\nwerden, zumal in der Berufungsinstanz durch die Parteien - und insbesondere\ndurch die berufungsführenden Klägerin - insoweit keine neuen\nentscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen worden sind.\n\n37\n\n \n\nc) Schließlich ergibt sich aus der notwendigerweise durchzuführenden\nInteressenabwägung ebenfalls nach Auffassung der Kammer kein abweichendes\nErgebnis.\n\n38\n\n \n\nUnter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes überwiegen die Interessen\nder Klägerin an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2006\nnicht die Interessen der Beklagten an einer fristgemäßen Beendigung des\nArbeitsverhältnisses zum 30.06.2006 in Ansehung des vorgefundenen\nKündigungssachverhaltes. Auch insoweit kann in Ermangelung eines\nentscheidungserheblichen neuen Sachvortrages in der Berufungsinstanz auf die\numfassenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes Schwerin in der Entscheidung vom\n05.01.2007 verwiesen werden.\n\n39\n\n \n\nNach alledem war wie erkannt zu entscheiden.\n\n40\n\n \n\n2\\. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat gemäß § 97 ZPO die Klägerin\nzu tragen.\n\n41\n\n \n\nGründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.\n\n
108,900
lsgsh-2006-04-26-l-5-kr-14304
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 KR 143/04
2006-04-26
2018-11-26 04:30:19
2019-02-14 08:42:08
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2006:0426.L5KR143.04.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig\nvom 13. August 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.\n\n \n\nAußergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten in beiden Rechtszügen\nnicht zu erstatten.\n\n \n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für Behandlungspflege im\nRahmen der häuslichen Krankenpflege.\n\n2\n\n \n\nDie ... 1960 geborene und ... 2005 verstorbene Klägerin war bei der Beklagten\nals Familienversicherte krankenversichert. Sie war seit dem 1. März 1997 im\nWohnheim für Behinderte, H., untergebracht und erhielt von der Pflegekasse der\nBeklagten (Beigeladene zu 1) seit Juli 1996 Leistungen der Pflegeversicherung\nnach der Pflegestufe III. Das Wohnheim ist eine vollstationäre Einrichtung der\nBehindertenhilfe nach § 43a des Elften Sozialgesetzbuches (SGB XI). Auf der\nGrundlage einer am 1. November 2000 zwischen der Wohnstätte für Menschen mit\nbesonderem Hilfebedarf, vertreten durch den Kirchenkreis H.-B., und dem\nMinisterium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein\ngeschlossenen Leistungsvereinbarung trug der Beigeladene zu 2) die Kosten der\nUnterbringung der Klägerin. Nach § 2 der Vereinbarung leistete die Wohnstätte\nEingliederungshilfe gemäß §§ 39/40 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und\nHilfe zur Pflege nach § 68 BSHG. Die Förder-, Betreuungs- und\nBeschäftigungsangebote sowie die individuelle Pflege umfassten nach § 4 der\nLeistungsvereinbarung insbesondere folgende Bereiche: Tagesstrukturierende\nMaßnahmen, Alltagskompetenzen und lebenspraktischer Bereich, Körperliches Wohl\nund Gesundheitsfürsorge, Pflegerische Leistungen, soziale Kompetenz und\nsoziale Kontakte, Psychosozialer Bereich, Freizeitgestaltung, Gemeinsame\nAktivitäten wie einfache Spiele und Bewegung. Die Wohnstätte war aufgrund der\nLeistungsvereinbarung verpflichtet, pflegerische Leistungen in Form der\nkörperlichen Grundpflege, Genesungspflege und Wundpflege (§§ 39/68 BSHG) zu\nerbringen.\n\n3\n\n \n\nDie Klägerin litt an einer schweren Intelligenzminderung bei pränataler\nHirnschädigung sowie einem cerebralen Anfallsleiden. Ihre Mutter war zu ihrer\nBetreuerin bestellt worden. Ab dem 14. August 2001 befand sich die Klägerin\nwegen anhaltender Durchfälle fast durchgehend im Krankenhaus. Bei zwei\nOperationen wurden ihr die Gallenblase sowie ein Polyp im Darm entfernt. Nach\nder zweiten Operation konnte die Klägerin keine Nahrung aufnehmen. Im\nSeptember 2001 wurde deshalb bei ihr eine Magensonde gelegt. Die Entlassung in\nihr Wohnheim erfolgte am 1. November 2001. Die Sondenernährung wurde durch das\nDeutsche Rote Kreuz durchgeführt. Die Diakonie-Station H. übernahm die\nBehandlungspflege der Klägerin im Zeitraum vom 1. November 2001 bis 31.\nDezember 2001.\n\n4\n\n \n\nAm 19. November 2001 beantragte die Behinderteneinrichtung unter Vorlage einer\nVerordnung der Fachärztin für innere Medizin W. die Übernahme der Kosten für\nhäusliche Krankenpflege. Mit Bescheiden vom 26. November 2001 und 18. Dezember\n2001 teilte die Beklagte dem Vater der Klägerin mit, die Bewilligung von\nhäuslicher Krankenpflege könne nicht erfolgen. Denn die verordnete Leistung\nsei Versicherten für ihren Haushalt vorbehalten. Die Klägerin verfüge jedoch\nnicht über einen "eigenen Haushalt", da sie in einer vollstationären\nEinrichtung untergebracht sei. Zahlungspflichtig sei die vollstationäre\nEinrichtung.\n\n5\n\n \n\nDer Vater der Klägerin legte am 25. Januar 2002 gegen die Bescheide\nWiderspruch ein und schilderte darin den Krankheitsverlauf seiner Tochter.\nNach ihrer Entlassung am 1. November 2001 sei eine sorgfältige Dosierung der\nSondennahrung, die Pflege der Magensonde, eine medikamentöse Versorgung gegen\nKrampfanfälle und Thrombose erforderlich gewesen. Wäre seine Tochter noch\nlänger im Krankenhaus verblieben, so hätte mit einer weiteren Verschlechterung\nihres Gesundheitszustandes gerechnet werden müssen. Deshalb hätten sie - die\nEltern - sich bereit erklärt, notfalls die Kosten für die Pflege ihrer Tochter\nselbst zu übernehmen. Die Versorgung durch die Diakonie-Station habe dann auch\nzur Genesung der Klägerin am 4. Dezember 2001 geführt.\n\n6\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch\nzurück und führte zur Begründung aus, häusliche Krankenpflege werde nur an\nVersicherte erbracht, die sich in ihrem Haushalt oder ihrer Familie\naufhielten. Bei der Klägerin sei jedoch die Grundvoraussetzung einer\nselbstständigen eigenen hauswirtschaftlichen Versorgung nicht gegeben. Auf der\nGrundlage des § 43a des Elften Sozialgesetzbuches (SGB XI) übernehme die\nPflegeversicherung die pflegebedingten Aufwendungen in dem dort gesetzlich\ngeregelten Umfange.\n\n7\n\n \n\nHiergegen hat sich die Betreuerin der Klägerin mit ihrer am 19. August 2002\nbeim Sozialgericht Schleswig erhobenen Klage gewandt und vorgetragen, ihre\nTochter habe damals nicht ohne qualifizierte Hilfe von außen in ihr Wohnheim\nentlassen werden können. Die Entlassung sei auf dringende Empfehlung des\nStationsarztes geschehen, um weitere Infektionen zu vermeiden. Die Betreuerin\nder Klägerin hat zudem eine Erklärung des Deutschen Vereins zur Finanzierung\nbehandlungspflegerischer Leistungen zur Akte gereicht.\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n9\n\n \n\ndie Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. November 2001 in der\nFassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2002 zu verurteilen, ihr\nKosten für Behandlungspflege in Höhe von 1.946,46 € zu erstatten.\n\n10\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n11\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n12\n\n \n\nSie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide berufen\nund ergänzend vorgetragen, Voraussetzung der begehrten Leistung sei nach wie\nvor ein zumindest überwiegender Aufenthalt in der Familie oder dem eigenen\nHaushalt. Diese Voraussetzung sei eindeutig nicht gegeben. Die Beigeladene zu\n1) beteilige sich bereits an den Pflegeaufwendungen der Einrichtung mit einem\npauschalen Abgeltungsbetrag. Mit diesem seien auch die Leistungen der\nmedizinischen Behandlungspflege abgegolten. Ein weiter gehender Anspruch\nbestehe nicht. Zudem dürfe nach den Richtlinien des Bundesausschusses der\nÄrzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" für\ndie Zeit des voll- oder teilstationären Aufenthaltes in Krankenhäusern oder\nBehindertenheimen häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden.\n\n13\n\n \n\nMit Urteil vom 13. August 2004 hat das Sozialgericht der Klage teilweise\nstattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe\nein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 853,53 € zu. Denn die Beklagte habe\nLeistungen der häuslichen Krankenpflege zu Unrecht nicht übernommen. Der\nKlägerin habe während der Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 1.\nNovember 2001 ein Sachleistungsanspruch auf Gewährung von Behandlungspflege\nzugestanden. Die Einwände der Beklagten würden nicht durchgreifen. Denn der\nBegriff "in ihrer Familie" lasse sich nicht räumlich begrenzen. Schon die\nFormulierung "in ihrer Familie" statt "in dem ihrer Familie" lege nicht die\nBeschränkung auf einen Haushalt der Familie nahe, sondern spreche dafür, dass\nes auch auf den jeweiligen Aufenthaltsort eines von u. U. mehreren ankomme.\nHätte die Betreuerin der Klägerin diese mit Hilfe z. B. von ambulanten\nPflegediensten zu Hause betreut, so wäre ohne weiteres die Kostenübernahme\nseitens der Beklagten erfolgt. Der Beklagten wären erhebliche Mehrkosten durch\neine Verlängerung des stationären Aufenthaltes der Klägerin im Krankenhaus\nentstanden. Die häusliche Krankenpflege solle als Sachleistung der Beklagten\ngerade dazu dienen, teure stationäre Aufenthalte zu vermeiden. Zwar hätten die\nEltern der Klägerin die Verrichtungen der Grundpflege sowie das An- und\nAbstöpseln der PEG-Sonde nicht selbstständig bewerkstelligen können. Jedoch\nseien sie jeden Tag gegen 10.00 Uhr gekommen und hätten sich intensiv um ihre\nTochter gekümmert. Damit seien alle Voraussetzungen einer häuslichen\nKrankenpflege erfüllt. Da die Formulierung "in ihrer Familie" lediglich zur\nAbgrenzung der Leistungserbringung im stationären Bereich diene, könne § 37\nAbs. 2 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) nach Sinn und Zweck\nversichertenfreundlich ausgelegt werden. Diese Auslegung sei auch durch Art. 3\nAbs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) geboten.\n\n14\n\n \n\nGegen die ihr am 5. November 2004 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am\n26. November 2004 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht\neingelegt. Sie trägt vor, der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts\nwürden gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Entgegen der Ansicht des\nSozialgerichts sei der Kostenanteil, den die Beigeladene zu 1) gemäß § 43a SGB\nXI an die Behinderteneinrichtung zahle, nicht als Zuschuss für die\nUnterbringung der Klägerin anzusehen. Vielmehr übernehme die Pflegekasse die\npflegebedingten Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie in der Zeit vom 1.\nJuli 1996 bis zum 31. Dezember 2004 die Aufwendungen für Leistungen der\nmedizinischen Behandlungspflege. Falls sich eine Behinderteneinrichtung aus\npersonellen oder finanziellen Gründen nicht dazu in der Lage sehe, die\nBehandlungspflege zu übernehmen, könne es nicht Aufgabe der Beklagten sein,\nstattdessen häusliche Krankenpflege zu bewilligen. Im Übrigen sei zwischen den\nEinrichtungsträgern und dem Land Schleswig-Holstein eine Vereinbarung nach §\n93 Abs. 2 BSHG geschlossen worden. In dieser seien unter Punkt 4 pflegerische\nLeistungen vereinbart worden, ohne dass die Beklagte als Leistungsträger\nberührt sei.\n\n15\n\n \n\nDer Senat hat den Kreis Nordfriesland, Amt für Jugend, Familie und Soziales,\nzu diesem Verfahren beigeladen (zunächst Beigeladener zu 3), jetzt\nBeigeladener zu 2)).\n\n16\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 13. August 2004 aufzuheben und die\nKlage abzuweisen.\n\n18\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n19\n\n \n\ndie Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom\n13. August 2004 zurückzuweisen,\n\n20\n\n \n\nhilfsweise,\n\n21\n\n \n\nden Beigeladenen zu 3) (jetzt 2)) zu verurteilen, die Kosten für die\nBehandlungspflege der Klägerin ausweislich der Rechnungen der DIASO vom\n10.12.2001 und 10.1.2001 in Höhe von 853,53 Euro zu zahlen.\n\n22\n\n \n\nDie Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt vor, die Rechnungen der DIASO\n(Abrechnungsstelle der Diakonie) seien in vollem Umfange vom Vater der\nKlägerin beglichen worden. Aufgrund der Leistungsvereinbarung nach § 93 Abs. 2\nBSHG sei der Einrichtungsträger nicht verpflichtet, die Kosten der\nBehandlungspflege zu übernehmen. Denn diese beinhalte nur pflegerische\nLeistungen nach den §§ 39 und 68 BSHG. Die Hilfe bei Krankheit gemäß § 37 BSHG\n(jetzt § 48 des Zwölften Sozialgesetzbuches - SGB XII -) werde von der\nLeistungsvereinbarung nicht erfasst. Die Beklagte müsse auf dem Hintergrund\nder §§ 14, 15 des Neunten Sozialgesetzbuches - SGB IX - zur Leistung\nverurteilt werden. Denn sie habe den Antrag nicht binnen zwei Wochen an den\nihrer Auffassung nach zuständigen Träger weitergeleitet. Auf alle Fälle sei\naber entweder die Beklagte oder der Beigeladene zu 2) zur Leistung\nverpflichtet.\n\n23\n\n \n\nDer Beigeladene zu 2) stellt keinen Sachantrag. Schriftsätzlich beantragt er,\nfür den Fall seiner Verurteilung die Revision zuzulassen.\n\n24\n\n \n\nEr trägt vor, die sozialhilferechtlichen Ansprüche der Klägerin seien dadurch\nerfüllt, dass er die stationäre Betreuung der Klägerin in der Wohnstätte\nsichergestellt habe. Die Wohnstätte sei nach der geschlossenen\nLeistungsvereinbarung verpflichtet, die Kosten für pflegerische Leistungen zu\nübernehmen. Außerdem sei der streitgegenständliche Bedarf der Klägerin ihm -\ndem Beigeladenen zu 2) - erst am 17. Januar 2002 durch ein Telefonat bekannt\ngeworden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Zusatzbedarf schon erfüllt bzw. der\nBedarfszeitraum beendet gewesen. Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 des\nErsten Sozialgesetzbuches (SGB I) könne nicht herangezogen werden. Auch stehe\ndem Anspruch der Klägerin die Vorschrift des § 59 SGB I entgegen. Zudem erhebt\ner die Einrede der Verjährung.\n\n25\n\n \n\nDie Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakte haben dem Senat\nvorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2006\ngewesen; zur Ergänzung wird auf diese Bezug genommen.\n\n26\n\n \n\nDie Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne\nerneute mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n27\n\n \n\nDie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§\n143,151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).\n\n28\n\n \n\nFür die verstorbene Klägerin wird der Rechtsstreit von ihren Eltern als\nRechtsnachfolger fortgesetzt (§ 58 SGB I).\n\n29\n\n \n\nDie Berufung ist auch begründet. Das angefochtenen Urteil ist aufzuheben, denn\nzu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben. Die\nBescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Zwar kommt statt der Beklagten der\nBeigeladene zu 2) als leistungspflichtig in Betracht. Er kann in diesem\nRechtsstreit aber nicht verurteilt werden.\n\n30\n\n \n\nGrundlage des geltend gemachten Anspruchs bildet § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V.\nHiernach sind Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, die dadurch\nanfallen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht\nrechtzeitig erbringen konnte (Variante 1) oder eine Leistung zu Unrecht\nabgelehnt hat (Variante 2) und sich der Versicherte die notwendige Leistung\ndeshalb selbst beschafft hat. Zwar sind die Rechnungen der DIASO von dem Vater\nder verstorbenen Klägerin für diese in vollem Umfange beglichen worden. Ein\nKostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte besteht aber nicht, da ein\nSachleistungsanspruch der Klägerin auf Gewährung häuslicher Krankenpflege\nnicht gegeben war.\n\n31\n\n \n\nNach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder\nihrer Familie neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch\ngeeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht\nausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder\nverkürzt wird. Die häusliche Krankenpflege umfasst die im Einzelfall\nerforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche\nVersorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall (§ 37\nAbs. 1 Satz 3 SGB V). Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des\nGesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1211) erhalten Versicherte in ihrem\nHaushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege,\nwenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.\nDie Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur\nBehandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und\nhauswirtschaftliche Versorgung erbringt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Weder die\nVoraussetzungen des Abs. 1 noch des Abs. 2 des § 37 SGB V liegen vor.\n\n32\n\n \n\nDie Beklagte geht allerdings zu Unrecht davon aus, dass die Bestimmungen des §\n43a SGB XI in Verbindung mit § 43 Abs. 2 SGB XI dem Anspruch entgegenstehen.\nDenn die in § 43 Abs. 2 SGB XI normierte Übernahme von Leistungen der\nmedizinischen Behandlungspflege durch die Pflegekasse gilt für die\nEinrichtungen der Behindertenhilfe (§ 71 Abs. 4 SGB XI) nicht; deshalb sind\nLeistungen der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich auch beim\nAufenthalt in einer Einrichtung nach den §§ 71 Abs. 4, 43a SGB XI zu gewähren\n(vgl. hierzu insbesondere BSG Urteil vom 1. September 2005, Az.: B 3 KR 19/04\nR). Die pauschale Abgeltung der Pflegeleistungen nach § 43a SGB XI steht dem\nAnspruch eines krankenversicherten Pflegebedürftigen auf Leistungen der\nhäuslichen Krankenpflege ebenfalls nicht entgegen.\n\n33\n\n \n\nEin Anspruch gegen die Beklagte ist aber deshalb nicht gegeben, weil der\nKlägerin kein eigener Haushalt in der Behinderteneinrichtung zur Verfügung\nstand. Haushalt ist die häusliche, wohnungsmäßige und familienhafte\nWirtschaftsführung; er wird zum "eigenen Haushalt", wenn der Betreffende die\nKosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt (vgl.\nhierzu BSG Urteil vom 23. März 1983 Az.: 3 RK 66/81 sowie Urteil vom 21.\nNovember 2002, Az.: B 3 KR 13/02 R). Entscheidend ist, ob dem Versicherten\neine eigenständige und eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist.\nDem Gesetzgeber geht es bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes des\nVersicherten im Rahmen der Behandlungspflege vor allem um die Abgrenzung zur\nLeistungserbringung im stationären Bereich. Aus dem Erfordernis eines eigenen\nHaushalts ist zu schließen, dass bei einem Daueraufenthalt z. B. in\nEinrichtungen der Behindertenhilfe ein Leistungsanspruch nur besteht, wenn\nkeine umfassende Versorgung des Versicherten von der Einrichtung durchgeführt\nwird. Diese Ausnahme traf auf die Klägerin nicht zu.\n\n34\n\n \n\nDie Klägerin führte keinen eigenen Haushalt im Sinne des § 37 SGB V. Ihr\nAufenthalt im Wohnheim fand nicht auf der Grundlage eines frei ausgehandelten\nund von ihr selbst finanziell getragenen Mietvertrages statt. Es handelte sich\ninsgesamt nicht um ein reguläres Mietverhältnis, sondern um eine vom\nBeigeladenen zu 2) getragene Maßnahme der Eingliederungshilfe nach den §§ 53\nff. des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII). Die Klägerin war aufgrund ihrer\nschweren Behinderungen zur eigenverantwortlichen und selbständigen Führung\neines Haushalts nicht in der Lage. Auch aus der Entscheidung des BSG vom 21.\nNovember 2002, Az.: B 3 KR 13/02 R, lässt sich nach Auffassung des Senats zu\nGunsten der Klägerin nichts herleiten. Zwar hat das BSG in diesem Zusammenhang\nausgeführt, § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V begrenze die Leistungspflicht der\nKrankenkasse nicht räumlich auf den Haushalt des Versicherten oder "seine\nFamilie" als Leistungsort. Medizinisch erforderliche Maßnahmen, die bei\nvorübergehenden Aufenthalten außerhalb der Familienwohnung anfielen, seien\ndann nicht von der Leistungspflicht ausgeschlossen, wenn sich der Versicherte\nansonsten ständig in seinem Haushalt bzw. in seiner Familie aufhalte und dort\nseinen Lebensmittelpunkt habe. Bei der Klägerin handelte es sich aber nicht um\neinen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb der Familie, sondern um eine\ndauerhafte Unterbringung in einer Wohnstätte für Schwerst- und\nMehrfachbehinderte.\n\n35\n\n \n\nDer Gesetzgeber hat anlässlich der jüngsten Änderung des § 37 Abs. 2 Satz 2\nSGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I 2190)\nkeinen Handlungsbedarf gesehen, häusliche Krankenpflege für Menschen in\nEinrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt zu ermöglichen. In\nder Gesetzesbegründung wird vielmehr klargestellt, dass bei derartigen\nDaueraufenthalten in Heimen weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der\nBehandlungspflege nach dem SGB V besteht (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 5, 90\nsowie BSG Urteil vom 1. September 2005, B 3 KR 19/04 R).\n\n36\n\n \n\nÜber die am Urteil des BSG vom 1. September 2005, insbesondere an der\nAuslegung des Begriffs "eigener Haushalt", geübte Kritik brauchte der Senat\nnicht zu befinden. Denn auch nach der von der abweichenden Meinung vertretenen\nAuffassung zur Abgrenzung des Begriffs wäre eine eigene Haushaltsführung der\nKlägerin nicht zu bejahen (vgl. hierzu ausführlich z.B. SG Dresden vom 15.\nDezember 2005, Az.: S 18 KR 470/03).\n\n37\n\n \n\nDer Senat stimmt der Auffassung des BSG zu, dass der Ausschluss von Bewohnern\neiner Einrichtung der Behindertenhilfe von der häuslichen Krankenpflege nicht\nverfassungswidrig ist. Es liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen\nGleichheitssatz oder gegen das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2\ndes Grundgesetzes (GG) vor. Denn der Gesetzgeber verfügt über einen weiten\nGestaltungsspielraum bei der Entscheidung der Frage, welche Lebensrisiken er\nmit bestimmten sozialen Leistungen absichert und welche nicht. Das\nTatbestandmerkmal "eigener Haushalt" stellt kein sachfremdes oder\nsystemwidriges Abgrenzungskriterium für die Behandlungspflege nach § 37 SGB V\ndar.\n\n38\n\n \n\nDer Senat teilt die Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht,\ndie Beklagte könne gemäß den §§ 14,15 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX)\nzur Leistung verurteilt werden. Zwar hat die Beklagte den Antrag der Klägerin\nnicht binnen zwei Wochen an den Beigeladenen zu 2) oder einen anderen Träger\nweitergeleitet. Die in § 14 Abs. 1 SGB IX normierte Frist ist jedoch hier\nnicht einschlägig, da es sich bei der beantragten Leistung nicht um eine\nsolche zur Teilhabe i. S. von § 4 SGB IX handelte. Die die hier streitigen\nKosten verursachende akute Erkrankung dauerte weniger als sechs Monate und\nstellte - für sich genommen, und nur darauf kommt es an - keine Behinderung im\nSinne von § 2 Abs. 1 SGB IX dar. Deshalb ist das SGB IX hier nicht anwendbar\n(§ 1 SGB IX).\n\n39\n\n \n\nDie Beklagte kann auch nicht zur vorläufigen Leistungserbringung gemäß § 43\nAbs. 1 Satz 2 SGB I verpflichtet werden. Denn die Klägerin bzw. ihre\nBevollmächtigten haben bei der Beklagten keinen entsprechenden Antrag\ngestellt. Da ein Anspruch gegen die Beklagte grundsätzlich nicht besteht,\nkonnte die Frage offen bleiben, ob dieser zum Teil wegen der erst nach Beginn\nder Behandlungspflege, nämlich am 19. November 2001, bei der Beklagten\neingereichten ärztlichen Verordnung über häusliche Behandlungspflege zu\nverneinen wäre.\n\n40\n\n \n\nAllerdings könnte die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der angefallenen\nKosten gegen den Beigeladenen zu 2) haben. Dieser scheitert nicht - wie der\nBeigeladene zu 2) meint - bereits daran, dass ihm der Behandlungsbedarf der\nKlägerin nicht im Sinne des § 5 Abs. 2 BSHG bekannt geworden ist. Denn die\nRechtsprechung zur analogen Anwendung von § 16 Abs. 2 Satz 2 des Ersten\nSozialgesetzbuches (SGB I) im Sozialhilferecht (vgl. hierzu Urteil des\nBundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 1995, Az.: 5 C 1/93) gilt auch nach\nEinfügung des Absatzes 2 durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom\n23. Juli 1996 (BGBl. 1 S. 1088) fort (Niedersächsisches\nOberverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Januar 1999 Az.: 4 L 2970/99 und\nBeschluss vom 21. Oktober 1999, Az.: 12 L 3780/99; Verwaltungsgericht\nBraunschweig, Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2002, Az.: 4 A 318/00\nVerwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 26. Juni 2002, Az.: 13 VG 2074/2002).\n\n41\n\n \n\nAuch teilt der Senat die Auffassung des Beigeladenen zu 2) nicht, dass\nAnsprüche der Klägerin ihr gegenüber wegen der zwischen der Wohnstätte und dem\nMinisterium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nach § 93 Abs. 2 BSHG\ngeschlossenen Leistungsvereinbarung nicht mehr bestanden. Denn in der\nLeistungsvereinbarung sind in § 4 Nr. 4 als pflegerische Leistungen lediglich\ndie körperliche Grundpflege, die Genesungspflege und die Wundpflege genannt.\nDie Hilfe bei Krankheit nach § 37 BSHG (jetzt § 48 SGB XII) wird von der\nLeistungsvereinbarung nicht mit erfasst.\n\n42\n\n \n\nDer Senat kann über den Anspruch des Klägerin gegen den Beigeladenen zu 2)\njedoch nicht abschließend entscheiden, da eine Verurteilung zur Leistung nicht\nmöglich ist. Denn nach § 75 Abs. 5 SGG kann nur ein Versicherungsträger oder\nin Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung\nverurteilt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kommt eine\nVerurteilung des Beigeladenen zu 2) nicht in Betracht. Zwar könnte es nach dem\nSinn und Zweck der Vorschrift geboten sein, eine eventuelle Regelungslücke\ndurch eine analoge Anwendung zu schließen, zumal die Sozialgerichtsbarkeit\nseit dem 1. Januar 2005 auch für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in\nAngelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitslose (Zweites Sozialgesetzbuch\n-SGB II-) und in Angelegenheiten der Sozialhilfe (SGB XII) zuständig ist. Das\nBSG hat in seinem Urteil vom 26. Oktober 2004, Az.: B 7 Al 16/04 R die Frage\nder analogen Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG ausdrücklich offen gelassen. Im\nSinne einer zügigen und umfassenden Erledigung der Verfahren und auch wegen\nder Gefahr sich widersprechender Entscheidungen spricht vieles dafür, die\nVerurteilung eines beigeladenen Sozialhilfeträgers im SGG vorzusehen. Gerade\nin Fällen, in denen die Zuständigkeit des jeweiligen Trägers streitbefangen\nist, besteht die Gefahr, dass ohne analoge Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG die\nBetroffenen keinen effektiven Rechtschutz erhalten. Dennoch ist der Senat der\nAuffassung, dass eine analoge Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG nicht in Betracht\nkommt. Hierbei ist vor allem der Ausnahmecharakter der Vorschrift zu\nberücksichtigen. In § 75 Abs. 5 SGG wird von der Regel abgewichen, dass nur\nBeklagte und - auf Widerklage - der Kläger verurteilt werden können, nicht\naber ein anderer Verfahrensbeteiligter, und damit grundsätzlich auch nicht ein\nBeigeladener (Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Komm. 8.\nAufl., § 75 Rn 18ff). Als Ausnahmevorschrift ist sie eng auszulegen, da die\nVerurteilung eines Beigeladenen - ggf. ohne vorausgegangenes Vorverfahren -\neinen erheblichen Eingriff in seine Rechte darstellt. In der\nhöchstrichterlichen Rechtsprechung wurde bislang eine entsprechende Anwendung\ndes § 75 Abs. 5 SGG auch nur in wenigen Ausnahmefällen angenommen (vgl. Urteil\ndes BSG vom 24. November 1965, BSGE 24, 103, 104, Urteil vom 3. April 1986,\nAz.: 4a RJ 1/85; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 24. Oktober 1996, L 5 Ka\n51/96 eR, Breithaupt 1997, 381ff).\n\n43\n\n \n\nNach Auffassung des Senats kann eine planwidrige Regelungslücke oder ein\nRedaktionsversehen nicht unterstellt werden (andere Auffassung: SG Stuttgart,\nBeschluss vom 29. September 2005, Az.: S 21 SO 5122/05. Der Gesetzgeber hat\ndurch das 7. Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 9. Dezember\n2004 (BGBl. I, S. 3302) eine Vielzahl von Vorschriften im SGG im Hinblick auf\ndie Zuständigkeiten für das SGB II und SGB XII geändert. § 75 Abs. 5 SGG ist\njedoch nicht neu gefasst worden. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt und\nkönnen weder aus der amtlichen Gesetzesbegründung noch aus sonstigen\nMaterialien in Erfahrung gebracht werden. Bei dieser Konstellation hält es der\nSenat nicht für zulässig, den Ausnahmecharakter der Vorschrift zu\nvernachlässigen und vom eindeutigen Wortlaut abzuweichen. Falls es der\nGesetzgeber für sinnvoll und notwendig erachtet, den Sozialgerichten im Rahmen\nder Beiladung die Befugnis zur Verurteilung der Sozialhilfeträger einzuräumen,\nso muss er § 75 Abs. 5 SGG entsprechend ändern (vgl. auch den Beschluss des 9.\nSenats des erkennenden Gerichts vom 9. November 2005 - L 9 B 268/05 SO ER)\nsowie Beschluss vom 14. November 2005 - L 9 B 260/05 SO ER).\n\n44\n\n \n\nDer Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da der\nRechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Denn soweit ersichtlich ist die\nFrage der analogen Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG auf Sozialhilfeträger\nhöchstrichterlich noch nicht entschieden worden.\n\n \n\n
108,914
lsgsh-2006-04-27-l-2-vs-2905
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 2 VS 29/05
2006-04-27
2018-11-26 04:30:21
2019-02-14 08:43:09
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2006:0427.L2VS29.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel\nvom 1. Juni 2005 aufgehoben.\n\n \n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n \n\nAußergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.\n\n \n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Kläger macht gegenüber dem beklagten Land die Erstattung von Beiträgen zur\nprivaten Krankenversicherung geltend, die er für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis\nzum 6. Oktober 2002 gezahlt hat.\n\n \n\n2\n\n \n\nDas damals zuständige Land Rheinland-Pfalz hat bei dem 1956 geborenen Kläger\nin Ausführung eines vor dem Sozialgericht Koblenz (S 4 V 7/96) abgegebenen\nAnerkenntnisses mit Bescheid vom 25. April 1997 einen Wirbelsäulenschaden als\nWehrdienstbeschädigung anerkannt und diese mit einer MdE von 25 bewertet. Als\nErgebnis eines weiteren vor dem Sozialgericht Kiel (S 11 VS 111/00) und dem\nSchleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (L 2 VS 5/02) geführten\nRechtsstreits hat das Land Rheinland-Pfalz eine somatoforme Störung als\nweitere (mittelbare) Schädigungsfolge rückwirkend für die Zeit seit dem 1.\nJuni 1997 anerkannt und die MdE mit 50 v.H. bewertet. Diese ist wegen\nbesonderer beruflicher Betroffenheit des Klägers nach § 30 Abs. 2\nBundesversorgungsgesetz (BVG) auf 60 v.H. erhöht worden (Ausführungsbescheid\ndes Landes Rheinland-Pfalz vom 30. August 2002).\n\n \n\n3\n\n \n\nAm 21. August 2002 beantragte der Kläger, der bereits seit 1986 in der private\nKrankenversicherung versichert war, bei dem beklagten Land die Erstattung der\nseit dem 1. Juni 1997 geleisteten Beiträge zur privaten Krankenversicherung\nsowie die Erstattung der seit dem 1. Juni 1997 geleisteten Eigenanteile zu der\nihm gewährten Beihilfe. Ferner bat er zu prüfen, ob es möglich sei, ihm die\nmonatlichen Krankenkassenbeiträge auch zukünftig zu erstatten, anstatt ihn von\nder AOK betreuen zu lassen.\n\n \n\n4\n\n \n\nMit Bescheid vom 7. Oktober 2002 erkannte das beklagte Land den Anspruch des\nKlägers und seiner Familienangehörigen auf Heilbehandlung dem Grunde nach an.\nFerner gab das beklagte Land dem Antrag des Klägers auf Erstattung der\nEigenanteile zur Beihilfe mit Bescheid vom 15. März 2004 statt.\n\n \n\n5\n\n \n\nDen Antrag des Klägers, ihm die Beiträge zur privaten Krankenversicherung zu\nerstatten, lehnte das beklagte Land mit Bescheid vom 31. Januar 2003 und\nWiderspruchsbescheid vom 30. Oktober 2003 ab. Zur Begründung führte es im\nWesentlichen aus: Nach § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG bestehe ein Anspruch auf\nErstattung von Aufwendungen für die Versicherung nur, wenn der Berechtigte\noder Leistungsempfänger nach Wegfall des Anspruchs auf Heil- oder\nKrankenbehandlung eine Krankenversicherung abgeschlossen habe oder einer\nKrankenkasse beigetreten sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da\nweder bei dem Kläger noch seiner Ehefrau oder seinem Sohn der Anspruch auf\nHeil- bzw. Krankenbehandlung weggefallen sei. Vielmehr sei im Rahmen des\nsozialgerichtlichen Verfahrens durch Anerkenntnis festgestellt worden, dass\nihm ab 1. Juni 1997 Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60\nv. H. zu gewähren sei. Der Anspruch auf Heil- bzw. Krankenbehandlung sei dem\nKläger nicht zuvor entzogen worden. Das Bundesversorgungsgesetz kenne\ngrundsätzlich keine Beihilfe zu den Aufwendungen für die private\nKrankenversicherung. Allein in Form eines pauschalen Schadenersatzes finde\nsich ein derartiger Anspruch in § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG für den Fall, dass der\nEntschluss zum Abschluss einer Privatversicherung durch ein rechtswidriges\nHandeln der Verwaltung verursacht werde. Verneine die Behörde einen vordem\nbestehenden Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung, habe der\nVersorgungsberechtigte zu entscheiden, wie er den Zeitraum überbrücke, in dem\nüber die Rechtmäßigkeit der Ablehnung gestritten werde. Er könne die\nBehandlungskosten in voller Höhe selbst tragen und ihre Erstattung in\nangemessenem Umfang verlangen, sofern ihm der Anspruch auf Heil- oder\nKrankenbehandlung rechtsverbindlich rückwirkend wieder zuerkannt werde. Er\nkönne aber auch durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung die\nKostenbelastung während des Streits in überschaubaren Grenzen halten. Geschehe\ndies, so werte der Gesetzgeber in § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG die hierdurch\nentstehenden Aufwendungen als Teil des durch die rechtswidrige Ablehnung\nentstandenen Schadens, der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung\nübernommen werde. Es bestehe keine Veranlassung, die abschließende gesetzliche\nRegelung ausdehnend auszulegen. Der Gesetzgeber habe den Anspruch auf\nErstattung der Beiträge auf solche Sachverhalte beschränkt, in denen die\nKausalität nicht zweifelhaft sei, weil die Krankenversicherung erst nach\nWegfall eines vorbestehenden Versorgungsanspruchs abgeschlossen werde. Eine\nausdehnende Analogie der Vorschrift sei demnach nicht geboten.\n\n \n\n6\n\n \n\nDagegen hat sich der Kläger mit der am 27. November 2003 vor dem Sozialgericht\nKiel erhobenen Klage gewandt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:\nAngesichts der rückwirkenden Geltung des Bescheides vom 30. August 2002, mit\ndem die MdE für die Zeit seit dem 1. Juni 1997 auf 60 festgesetzt worden sei,\nwerde der Bescheid vom 25. April 1997, mit dem die MdE auf 25 v. H.\nfestgesetzt worden war, überlagert. Der Bescheid vom 25. April 1997 sei\ninsoweit hinfällig bzw. inzident aufgehoben worden. Damit sei gleichzeitig ein\nAnspruch auf Heilbehandlung rückwirkend für die Zeit seit dem 1. Juni 1997\nbegründet. Dies reiche zur Begründung des Erstattungsanspruchs nach § 18 Abs.\n4 Satz 3 BVG aus. Zwar sei nach dem Wortlaut ein "Wegfall" des Anspruchs auf\nHeilbehandlung Voraussetzung. Werde der Anspruch indessen von vornherein\nunzulässigerweise versagt und werde der Berechtigte dadurch gezwungen, eine\nergänzende Krankenversicherung abzuschließen, könne nach dem gesetzgeberischen\nZiel des § 18 Abs. 4 BVG nichts anderes gelten als bei einem nachträglichen\n"Wegfall" einer ausdrücklich eingeräumten Rechtsposition. Sinn und Zweck des §\n18 Abs. 4 BVG sei es, den Berechtigten von solchen Lasten freizustellen, die\ndadurch entstanden seien, dass ihm eine Rechtsposition unzulässigerweise\nentzogen worden sei. Von einem solchen "Entziehen" könne im weitesten Sinne\nauch dann gesprochen werden, wenn ein Anspruch von Anfang an nicht anerkannt\nwerde. Für den Betroffenen mache es keinen Unterschied, ob ihm ein\nvorübergehend eingeräumtes Recht wieder entzogen werde oder ob ihm die\nAusnutzung desselben von Anfang an verwehrt werde. In beiden Fällen habe er\ndurch den Abschluss einer Versicherung zu reagieren, für deren Kosten er\nnunmehr Ersatz beanspruche. Das Interesse an dem Ausgleich bestehe bei\nanfänglicher Verweigerung einer Kostenübernahme in gleicher Weise wie bei\nnachträglichem Wegfall. Hinzu komme, dass der Beklagte fünf Jahre gebraucht\nhabe, bevor er die Schwerbeschädigung des Klägers anerkannt habe. Die aus\ndieser Verzögerung der Bescheidung folgenden Kosten in Gestalt der Beiträge\nzur privaten Krankenversicherung dürften ihm nicht aufgebürdet werden. Der\nentgegenstehenden Auffassung des Beklagten liege eine zu enge Auslegung des §\n18 Abs. 4 BVG zugrunde.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Kläger hat beantragt,\n\n \n\n8\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 31.\nJanuar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2003 die\nprivaten Krankenversicherungsbeiträge vom 1. Juni 1997 bis 6. Oktober 2002 zu\nerstatten.\n\n \n\n9\n\n \n\nDas beklagte Land hat beantragt,\n\n \n\n10\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n11\n\n \n\nEs hat sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen\nWiderspruchsbescheides bezogen.\n\n \n\n12\n\n \n\nMit Urteil vom 1. Juni 2005 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und\nzur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar seien die Voraussetzungen des\n§ 18 Abs. 4 BVG nicht erfüllt, weil der Heil- oder Krankenbehandlungsanspruch\ndes Klägers nicht weggefallen war. Es sei unbeachtlich, ob der geltend\ngemachte Anspruch bei analoger Anwendung aus § 18 Abs. 4 BVG abzuleiten sei.\nJedenfalls ergebe sich der geltend gemachte Anspruch aus § 18 Abs. 3 Satz 1\nBVG. Danach habe der Berechtigte, der eine Heilbehandlung, Krankenbehandlung\noder Badekur vor der Anerkennung selbst durchgeführt habe, Anspruch auf\nErstattung der Kosten für die notwendige Behandlung in angemessenem Umfang.\nDiese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Schwerbeschädigteneigenschaft\ndes Klägers sei im Jahr 2002 rückwirkend anerkannt worden. Der Kläger habe\nsich in der Zeit von 1997 bis 2002 selbst versichern müssen, da ihm der\nSchwerbeschädigtenstatus in dieser Zeit noch nicht zuerkannt worden war. Der\nBeklagte habe dem Kläger die dadurch entstandenen Kosten zu erstatten, da der\nKläger tatsächlich - wenn auch nachträglich anerkannt - schwerbeschädigt war\nund somit - wie es § 18 Abs. 3 BVG verlange - eine Behandlung vor der\nAnerkennung selbst durchgeführt hatte.\n\n \n\n13\n\n \n\nGegen das ihm am 7. Juni 2005 zugestellte Urteil wendet sich das beklagte Land\nmit der am 30. Juni 2005 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht\neingegangenen Berufung und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Nach § 18\nAbs. 3 Satz 1 BVG seien einem Berechtigten, der vor der Anerkennung einer\nGesundheitsstörung als Schädigungsfolge eine Heilbehandlung, Krankenbehandlung\noder Badekur selbst durchgeführt habe, die Kosten für die notwendige\nBehandlung in angemessenem Umfang zu erstatten. Nach der eindeutigen und\nabschließenden Aufzählung in dieser Vorschrift gehörten die Beitragsleistungen\nzu einer privaten Krankenversicherung nicht zu den Kosten für eine notwendige\nBehandlung. Dies ergebe sich aus der Beschreibung der Begriffe Heil- und\nKrankenbehandlung sowie Badekur in §§ 11 bis 13 BVG. Hier werde im Einzelnen\ngeregelt, welche Leistungen zu gewähren und in welcher Weise diese zu\nerbringen seien. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 1975\n(10 RV 63/74) gehörten Aufwendungen für private Versicherungen grundsätzlich\nnicht zu den im BVG vorgesehenen Leistungen. Hierzu fehle es zum einen an\neiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Zum anderen habe der Gesetzgeber\nmit der Vorschrift des § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG eine Regelung geschaffen, die\nsich mit dem Ersatz von Aufwendungen für eine private Krankenversicherung\nbefasse. Dieser Aufwendungsersatz sei ausdrücklich auf den Fall beschränkt,\ndass der Berechtigte nach Wegfall (Aberkennung) des Anspruchs auf Heil- und\nKrankenbehandlung eine (private) Krankenversicherung abgeschlossen habe oder\ndem Träger einer gesetzlichen Krankenversicherung beigetreten sei und dass\ndieser Anspruch im Vorverfahren oder durch gerichtliche Entscheidung\nrechtsverbindlich wieder zuerkannt werde. Durch diese gesetzliche Regelung\nwerde deutlich, dass der Gesetzgeber das Problem der Erstattung von\nKrankenversicherungsbeiträgen durchaus gesehen habe und eine Erstattung auf\nden dargelegten Sonderfall beschränkt wissen wolle. Ein Fall des § 18 Abs. 4\nSatz 3 BVG liege bei dem Kläger, der bereits seit 1986 privat versichert sei,\nnicht vor. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift könne auch unter\nZugrundelegung der oben genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht\nerfolgen.\n\n \n\n14\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n \n\n15\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 1. Juni 2005 aufzuheben und die Klage\nabzuweisen.\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n \n\n17\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n \n\n18\n\n \n\nEr habe bereits im Juni 1997 die Anerkennung einer höheren MdE beantragt. Er\nhabe alles getan, um das Verfahren zu beschleunigen. Das beklagte Land habe\nihm durch die Verzögerung des Verfahrens und die rückwirkende Anerkennung der\nMdE von 60 erst im August 2002 einen Schaden zugefügt. Das Sozialgericht habe\nden Erstattungsanspruch zu Recht auf § 18 Abs. 3 BVG gestützt. Zu den "Kosten\nder notwendigen Behandlung" seien bei richtiger Auslegung auch die\nBeitragskosten für die private Krankenversicherung zu zählen. Sinn des § 18\nAbs. 3 BVG sei es, den Berechtigten von denjenigen Kosten frei zu stellen, die\ndadurch entstanden seien, dass die Anerkennung der\nSchwerbeschädigteneigenschaft zu spät erfolgt und ihm dadurch Kosten\nentstanden seien, die bei zeitgemäßer Anerkennung vom Leistungsträger zu\nübernehmen gewesen wären. Vor diesem Hintergrund könne es keinen Unterschied\nmachen, ob der Berechtigte die Behandlungskosten selbst übernehme oder aber\ndurch Abschluss einer Versicherung die Behandlungskosten nur mittelbar,\nnämlich in Form von Versicherungsbeiträgen, trage. Wenn § 18 Abs. 3 BVG so\nausgelegt würde, dass Versicherungsbeiträge vom Anwendungsbereich\nausgeschlossen seien, hätte dies zur Folge, dass ein wirtschaftlich\nsinnvolles, kostenbegrenzendes Verhalten des Schwerbeschädigten in Gestalt des\nAbschlusses eines Versicherungsvertrags bestraft würde. Die Behörde würde von\ndem Abschluss einer angemessenen Versicherung unbillig profitieren. Im Übrigen\nhätte er die Behandlungskosten finanziell gar nicht bewältigen können und sei\ndeshalb gezwungen gewesen, die private Krankenversicherung fortzuführen.\nJedenfalls ergebe sich der geltend gemachte Anspruch aus einer analogen\nAnwendung des § 18 Abs. 4 BVG. Dazu wiederholt und vertieft der Kläger sein\nVorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Die Ähnlichkeit des\nvorliegenden Sachverhalts mit dem in § 18 Abs. 4 BVG wörtlich geregelten\nSachverhalt rechtfertige eine analoge Anwendung. Aufgrund der Ähnlichkeit der\nSachverhalte sei eine Gleichbehandlung geboten. Hier sei weiter zu\nberücksichtigen, dass das beklagte Land ihm die Anerkennung als\nSchwerbeschädigter über fünf Jahre vorenthalten und er keine andere Wahl\ngehabt habe, als eine Versicherung abzuschließen. Das Verhalten des beklagten\nLandes sei auch unter dem Aspekt von Treu und Glauben zu berücksichtigen. Das\nbeklagte Land verstoße gegen diesen Grundsatz, wenn es ihm die durch die späte\nAnerkennung als Schwerbeschädigten entstandenen Kosten aufbürde. Dem stehe\nauch die Rechtsprechung der Sozialgerichte entgegen. Zwar habe das Bayerische\nLandessozialgericht in einem Urteil vom 12. Dezember 2002 (L 18 V 16/01)\nausgeführt, dass es grundsätzlich in der Entscheidung des Schwerbeschädigten\nliege, wie er den Zeitraum überbrücke, in dem über die Rechtmäßigkeit der\nAblehnung seiner Anerkennung gestritten werde. Dies könne jedoch nicht\nunbegrenzt gelten, wenn die Behörde den Entscheidungsvorgang auf fünf Jahre\nausdehne und im Ergebnis die grundsätzlich von ihr zu tragenden Kosten durch\nschlichte Verzögerung dem Berechtigten auferlege. Der Anspruch auf die\nKrankenbehandlung sei bereits mit Eintritt der Schwerbeschädigung am 1. Juni\n1997 entstanden und nicht erst mit dem Bescheid über die rückwirkende\nAnerkennung vom 7. Oktober 2002. Weder das oben genannte Urteil des\nLandessozialgerichts München vom 12. Dezember 2002 noch das Urteil des\nLandessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 2005 (L 8 VG 1060/04)\nstünden einer analogen Anwendung des § 18 Abs. 4 BVG auf die vorliegende\nFallgestaltung entgegen.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des beklagten Landes (drei Band\nRentenakten, zwei Band Heilbehandlungsakten, ein Band Schwerbehindertenakte),\ndie den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Wehrbereichsverwaltung sowie\ndie Gerichtsakten des Sozialgerichts Kiel zu den Aktenzeichen S 11 VS 309/03,\nS 11 VS 314/01 und S 11 VS 111/00 (= L 2 VS 5/02) sowie die Prozessakte haben\ndem Senat vorgelegen. Diese sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen\nweiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n20\n\n \n\nDer Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche\nVerhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten übereinstimmend ihr\nEinverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie statthafte (§ 143 SGG) und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung\nist zulässig.\n\n \n\n22\n\n \n\nDie Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht\nstattgegeben. Die angefochtenen Bescheide des beklagten Landes sind nicht zu\nbeanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der für die Zeit\nseit dem 1. Juni 1997 geleisteten Beiträge zur privaten Krankenversicherung\nhat.\n\n \n\n23\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Sozialgerichts folgt ein Anspruch des Klägers auf\nErstattung der geleisteten Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht aus\n§ 18 Abs. 3 BVG, weil diese Vorschrift ausschließlich Ansprüche auf\nHeilbehandlung, Krankenbehandlung oder eine Badekur betrifft. Der Inhalt des\nAnspruchs auf Heilbehandlung und Krankenbehandlung ist in §§ 11, 12 BVG\ngeregelt. Die Erstattung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung ist\ndanach nicht Inhalt des Anspruchs auf Heilbehandlung oder Krankenbehandlung.\nDies entspricht auch der Systematik des BVG, nach der die ärztliche Behandlung\ngrundsätzlich als Sachleistung gewährt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar\n1975 - 10 RV 63/74 - SozR 3100 § 18 Nr. 3). Auch eine analoge Anwendung der in\n§ 18 Abs. 3 BVG geregelten Voraussetzungen zur Erstattung von\nBehandlungskosten auf die Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung\nkommt nicht in Betracht, weil mit § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG eine eigenständige\nRegelung speziell zur Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung\ngetroffen wurde.\n\n \n\n24\n\n \n\nEin Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung besteht nach\ndem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG nur, wenn der\nBerechtigte oder Leistungsempfänger nach Wegfall des Anspruchs auf Heil- oder\nKrankenbehandlung eine Krankenversicherung abgeschlossen hat oder er einem\nTräger der gesetzlichen Krankenversicherung beigetreten ist und wenn der\nAnspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung im Vorverfahren oder im\ngerichtlichen Verfahren rückwirkend wieder zuerkannt wird. Ein Anspruch des\nKlägers auf Heil- oder Krankenbehandlung ist jedoch mit Bescheid vom 7.\nOktober 2002 erstmals anerkannt worden. Der Anspruch kann deshalb nicht\n„weggefallen“ sein.\n\n \n\n25\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Klägers kann die Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 3\nBVG auch nicht entsprechend auf Fälle angewandt werden, in denen ein Anspruch\nauf Heil- oder Krankenbehandlung nicht weggefallen ist, sondern in denen die\nVoraussetzungen erstmals rückwirkend festgestellt werden. Der Wortlaut des §\n18 Abs. 4 Satz 3 BVG ist eindeutig, und es gibt auch keine Anhaltspunkte\ndafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine weitergehende Regelung\nbeabsichtigt gewesen sein könnte. Unbeschadet der Aufgabe und Befugnis der\nGerichte zu richterlicher Rechtsfortbildung sind die durch den Grundsatz der\nBindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht durch Art. 20 Abs. 3\nGrundgesetz (GG) gesetzten Grenzen zu beachten. Keinesfalls darf sich der\nRichter über das gesetzte Recht hinwegsetzen, weil es seinem Rechtsempfinden\nnicht entspricht (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 44/84 - BSGE 58, 83 =\nSozR 2200 § 555a Nr. 2 m.w.N). Das Bundessozialgericht (Urteil vom 28. Januar\n1975, a.a.O.) hat speziell bezogen auf die in § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG\ngetroffene Regelung (damals als § 18 Abs. 2 Satz 3 in der Fassung des 5.\nAnpassungsgesetzes zum BVG vom 18. Dezember 1973 - BGBl. I S. 1909)\nentschieden, dass der Aufwendungsersatz ausdrücklich auf Fälle beschränkt ist,\nin denen der Berechtigte oder Leistungsempfänger nach Wegfall (Aberkennung)\ndes Anspruchs auf Heil- oder Krankenbehandlung eine (private)\nKrankenversicherung abgeschlossen hat oder einem Träger der gesetzlichen\nKrankenversicherung beigetreten war und dass dieser Anspruch im Vorverfahren\noder durch gerichtliche Entscheidung rechtsverbindlich rückwirkend wieder\nzuerkannt wird. Die mit dem 5. Anpassungsgesetz zum BVG vom 18. Dezember 1973\ngetroffene Regelung lässt eindeutig erkennen, dass der Gesetzgeber das Problem\nder Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen gesehen hat, dass die\nErstattung auf den dargelegten Sonderfall beschränkt sein sollte und dass\ndamit eine durch Richterrecht zu ergänzende Lücke im Gesetz nicht besteht. In\neinem Urteil vom 27. November 1991 (9a RV 1/90) hat das Bundessozialgericht\nunter Bezugnahme auf die oben genannte Entscheidung vom 28. Januar 1975 noch\neinmal bestätigt, dass es sich bei § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG um eine\nSonderregelung handelt, durch die die Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs\nder Verwaltung in ein bestehendes Versorgungsrechtsverhältnis ausgeglichen\nwerden.\n\n \n\n26\n\n \n\nDer Senat schließt sich der genannten Rechtsprechung des BSG an (ebenso:\nLandessozialgericht Baden-Württemberg, Urteile vom 13. Mai 2005 - L 8 VG\n1060/04 und L 8 VG 1018/04; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 12.\nDezember 2002 - L 18 V 16/01 - E-LSG V-043). Danach kommt ein Anspruch auf\nErstattung der geltend gemachten Beiträge zur privaten Krankenversicherung\nnicht in Betracht, weil der in § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG vorausgesetzte Eingriff\nin ein bestehendes Versorgungsrechtsverhältnis bei dem Kläger nicht\nstattgefunden hat.\n\n \n\n27\n\n \n\nDer Senat verkennt nicht, dass ein Fall, in dem die Regelung des § 18 Abs. 4\nSatz 3 BVG zur Anwendung kommt, kaum eintreten dürfte, weil Rechtsmittel gegen\neinen den Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung entziehenden Bescheid\ngemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung haben.\n\n \n\n28\n\n \n\nFerner verkennt der Senat nicht, dass dem Anspruchsteller in der Zeit bis zur\nEntscheidung über seinen Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung praktisch\nkeine andere Wahl bleibt, als sich selbst gegen das Risiko der Krankheit zu\nversichern. Der Versorgungsberechtigte erleidet also einen Nachteil in\nAbhängigkeit von der Dauer des Verfahrens, obwohl er darauf vielfach keinen\nEinfluss hat, und die Versorgungsverwaltung wird entsprechend entlastet. Den\nim gerichtlichen Verfahren rückwirkend zuerkannten Anspruch kann der\nBerechtigte teilweise nicht mehr verwirklichen. Gleichwohl hat der\nVersorgungsberechtigte keinen Anspruch darauf, dass ihm jeder Nachteil, der\nihm durch eine lange Verfahrensdauer entsteht, ausgeglichen wird. Dies hat das\nBSG (Urteil vom 7. November 2001 - B 9 SB 3/01 R - BSGE 89, 79 = SozR 3-3870 §\n59 Nr. 1) bereits im Zusammenhang mit der rückwirkenden Zuerkennung des\nMerkzeichens „G“ im Schwerbehindertenrecht entschieden. Ähnlich wie in der\nvorliegenden Fallgestaltung entsteht dem behinderten Menschen, dem das\nMerkzeichen „G“ nach einem längeren Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren für\neinen bereits abgelaufenen Zeitraum zuerkannt wird, ein Nachteil dadurch, dass\ner die unentgeltliche Personenbeförderung, die nur nach Vorlage des\nSchwerbehindertenausweises gewährt wird, nicht mehr rückwirkend in Anspruch\nnehmen kann. Gleichwohl hat der Behinderte in Ermangelung einer entsprechenden\nRechtsgrundlage keinen Anspruch auf Ausgleich der ihm durch die\nVerfahrensdauer entstandenen Nachteile.\n\n \n\n29\n\n \n\nWenn der langen Verfahrensdauer eine Amtspflichtverletzung zugrunde liegt, hat\nder Versorgungsempfänger die Möglichkeit, Schadenersatz unter den in § 839\nBürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelten Voraussetzungen geltend zu machen.\nVoraussetzung ist danach eine vorsätzliche oder zumindest fahrlässige\nVerletzung von Amtspflichten. Für eine Entscheidung über einen Anspruch nach §\n839 BGB sind die Sozialgerichte nicht zuständig. Der Kläger hat auf Nachfrage\nim Termin zur Erörterung am 18. April 2006 ausdrücklich erklärt, dass er einen\nentsprechenden Anspruch im vorliegenden Verfahren nicht geltend macht, sodass\nes einer Verweisung an das zuständige Landgericht nicht bedurfte. Im Übrigen\nsind Anhaltspunkte für eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung vom\nAmtspflichten nicht ersichtlich, da die lange Verfahrensdauer bis zur\nrückwirkenden Anerkennung des Klägers als Schwerbeschädigter im Wesentlichen\nauf einem Gerichtsverfahren beruhte, in dem ausgesprochen schwierige\nKausalitätsfragen zu klären waren.\n\n \n\n30\n\n \n\nEin Anspruch des Klägers auf Erstattung der Beiträge zur privaten\nKrankenversicherung besteht auch nicht nach den in der Rechtsprechung\nentwickelten Grundsätzen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Zum einen\nist ein Beratungsfehler oder ein anderes pflichtwidriges Handeln des beklagten\nLandes nicht ersichtlich und zum anderen kommt das Rechtsinstitut des\nHerstellungsanspruchs nur zum Tragen, wenn das pflichtwidrige\nVerwaltungshandeln durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Da\naber die Zahlung von Versicherungsprämien für eine private Versicherung - vom\nSonderfall des § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG abgesehen - im BVG nicht vorgesehen ist,\nkönnte das beklagte Land auch nicht im Wege eines Herstellungsanspruchs dazu\nverurteilt werden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O.;\nBayerisches Landessozialgericht, a.a.O., m.w.N.).\n\n \n\n31\n\n \n\nIn dem Fehlen einer Regelung, die Nachteile für den Fall der rückwirkenden\nZuerkennung des Anspruch auf Krankenbehandlung nach längerer Verfahrensdauer\numfassend ausgleicht, kann der Senat auch keinen Verstoß gegen die Verfassung\nund insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz erkennen. Wie das BSG\n(Urteil vom 7. November 2001, a.a.O.) bereits im Zusammenhang mit dem\nAusgleich von Nachteilen durch die rückwirkende Zuerkennung des Merkzeichens\n„G“ im Schwerbehindertenausweis entschieden hat, handelt es sich dabei um\neinen Bereich, der im Regelungsermessen des Gesetzgebers steht. Die\nZweckmäßigkeit der in § 18 Abs. 4 Satz 3 BVG getroffenen Regelung mit der\nBegrenzung des Anspruchs auf Fälle, in denen ein Anspruch auf Heil- oder\nKrankenbehandlung weggefallen war, unterliegt nicht der Nachprüfung durch die\nGerichte.\n\n \n\n32\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.\n\n \n\n33\n\n \n\nGründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG\nliegen nicht vor, nachdem das Bundessozialgericht über die maßgebende\nRechtsfrage bereits mit Urteil vom 28. Januar 1975 (a.a.O.) entschieden, diese\nRechtsprechung mit Urteil vom 27. November 1991 (a.a.O.) bestätigt hat und\nnachdem auch die Landessozialgerichte der Rechtsprechung des\nBundessozialgerichts soweit ersichtlich einvernehmlich (vgl.\nLandessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O.; Bayerisches\nLandessozialgericht, a.a.O.) gefolgt sind.\n\n \n\n
111,709
olgsh-2004-06-29-8-uf-21303
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
8 UF 213/03
2004-06-29
2018-11-27 02:30:18
2019-01-17 11:35:38
Urteil
ECLI:DE:OLGSH:2004:0629.8UF213.03.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Klagerin wird das am 8. Oktober 2003 verkundete\nSchlussurteil des Amtsgerichts Familiengericht Rendsburg teilweise geandert\nund insgesamt wie folgt neu gefasst:\n\n \n\n \n\nDer Beklagte wird verurteilt, in Abanderung des vor dem Familiengericht\nRendsburg geschlossenen Vergleichs vom 8. Mai 02 folgende Unterhaltsbetrage zu\nzahlen:\n\n \n\n ab September 02 | monatlich | 777,- € \n---|---|--- \nfur Januar 03 | | 872,- € \nab Februar 03 | monatlich | 755,- € \nab Juni 03 | monatlich | 826,- € \nab September 03 | monatlich | 573,- € \nab Januar 04 | monatlich | 600,- € \nfur Marz 04 | | 929,- € \nab April 04 | monatlich | 847,- € \nab Juni 04 | monatlich | 698,- € \nab Januar 05 | monatlich | 582,- €. \n \n \n\n \n\nDie weitergehende Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie daruber hinausgehende Berufung wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Berufung des Beklagten insgesamt wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Kosten des ersten Rechtszuges tragen zu 7/10 der Beklagte und zu 3/10 die\nKlagerin. Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.\n\n \n\n \n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nDie Parteien sind seit Oktober 1996 miteinander verheiratet. Zwischen ihnen\nschwebt ein Ehescheidungsverfahren, welches noch nicht abgeschlossen ist. Aus\nder Ehe ist der am 27. Marz 1996 geborene Sohn Marcel-Andre hervorgegangen,\nder bei der nicht berufstatigen Klagerin lebt. Der Beklagte ist Berufssoldat\nim Range eines Oberfeldwebels. In der Zeit von September 2002 bis Mitte Januar\n2003 ist er in Kabul/Afghanistan stationiert gewesen und hat in dieser Zeit\neinen steuerfreien Auslandsverwendungszuschlag von 12 424,05 € erhalten.\nDanach ist er wieder an seinem Standort in Schleswig tatig gewesen, seit\nSeptember 2003 ist er in Hamburg stationiert.\n\n \n\n2\n\n \n\nAufgrund eines Vergleiches vor dem Familiengericht Rendsburg vom 8. Mai 2002\nist der Beklagte verpflichtet, 385 € monatlich als Ehegattenunterhalt zu\nzahlen. Dieser Betrag beruht auf einer Mangelfallberechnung.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Klagerin hat im ersten Rechtszuge die Abanderung des Vergleichsbetrages im\nHinblick auf die Auslandsverwendungszulage begehrt, hat diese im Wege der\nStufenklage zunachst unbeziffert und sodann nach entsprechender\nAuskunftserteilung in der Weise geltend gemacht, dass sie den Gesamtbetrag von\n12 424 € auf ein Jahr umgelegt und hiervon allein einen 3/7-Anteil von 511 €\nmonatlich errechnet hat. Diesen Betrag hat sie dem Betrag des abzuandernden\nUrteils hinzugerechnet und den Gesamtbetrag von 896 € monatlich fur die Zeit\nab September 2002 ohne zeitliche Begrenzung in der zweiten Stufe eingeklagt.\n\n \n\n4\n\n \n\nDer Beklagte ist dem entgegengetreten mit der Begrundung, die\nAuslandsverwendungszulage durfe unterhaltsrechtlich gar nicht berucksichtigt\nwerden, weil hiermit sein besonderer gefahrentrachtiger Einsatz in einem\nKrisengebiet und die damit bedingten Mehraufwendungen abgegolten werden\nsollten.\n\n \n\n5\n\n \n\nDas Familiengericht hat der Klagerin eine Erhohung des Vergleichsbetrages auf\n714 € monatlich nur fur die Dauer eines Jahres, und zwar von September 2002\nbis August 2003 zugesprochen, die weitergehende Klage fur die Zeit danach\njedoch abgewiesen mit der Begrundung, insoweit liege keine wesentliche\nÄnderung zugunsten der Klagerin vor, weil eine Auslandsverwendung und die\ngleichzeitige Ersparnis von Fahrtkosten nicht mehr anfielen. Die\nAuslandsverwendung fur das Abanderungsjahr hat das Familiengericht zur Halfte\nberucksichtigt.\n\n \n\n6\n\n \n\nGegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Klagerin\nmochte die Auslandsverwendungszulage in vollem Umfange berucksichtigt wissen\nund halt auch eine Begrenzung des erhohten Unterhalts auf nur ein Jahr nicht\nfur gerechtfertigt. Der Beklagte dagegen mochte erreichen, dass die\nAuslandsverwendungszulage aus den bereits genannten Grunden uberhaupt nicht\nberucksichtigt wird. Insoweit verweist er auf seinen weiteren Vortrag erster\nInstanz, wonach er die Zulage teilweise zur Abdeckung von Defiziten bei seinen\nMieteinnahmen habe verwenden mussen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Klagerin beantragt,\n\n \n\n8\n\n \n\ndas angefochtene Urteil zu andern und den Beklagten in Abanderung des\nVergleichs vom 8. Mai 2002 zur Zahlung folgenden Trennungsunterhalts zu\nverurteilen:\n\n \n\n9\n\n \n--- \nab September 02 monatlich | 860 € \nfur Januar 03 | 950 € \nab Februar 03 monatlich | 850 € \nab Juli 03 monatlich | 840 € und \nab September 03 monatlich | 600 €, \nab Marz 04 monatlich | 950 €, \n \n \n\n10\n\n \n\nferner,\n\n \n\n11\n\n \n\ndie Berufung des Beklagten zuruckzuweisen.\n\n \n\n12\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n \n\n13\n\n \n\ndas angefochtene Urteil zu andern und die Klage um weitere 700 € abzuweisen,\n\n \n\n14\n\n \n\nferner,\n\n \n\n15\n\n \n\ndie Berufung der Klagerin zuruckzuweisen.\n\n \n\n16\n\n \n\nWahrend des Berufungsverfahrens hat sich ergeben, dass die Klagerin ab April\n2004 22 Stunden monatlich auf der Basis geringfugiger Beschaftigung im\nSeniorenzentrum S. als Wohngruppenhilfe beschaftigt ist und eine Vergutung von\n137 € brutto monatlich erhalt (Bl. 129). Auf Seiten des Beklagten haben sich\nVeranderungen insoweit ergeben, als er in der Zeit vom 3. Marz bis zum 24. Mai\n2004 erneut wegen eines Auslandseinsatzes in Bosnien-Herzegowina einen\nAuslandsverwendungszuschlag in Hohe von 5389,21 € erhalten hat (Bl. 159 d.\nA.). Ferner ist er seiner außerehelich geborenen Tochter Julia B., geboren am\n14. April 2004, unterhaltspflichtig.\n\n \n\n17\n\n \n\nWegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszuge wird auf den\nvorgetragenen Inhalt der insoweit gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen\nBezug genommen.\n\n18\n\n \n\nDie Berufung der Klagerin hat teilweise Erfolg, diejenige des Beklagten bleibt\nerfolglos.\n\n \n\n19\n\n \n\n1\\. Die Abanderungsklage, mit welcher die Klagerin eine Erhohung des im\nVergleich vom 8. Mai 2002 festgelegten Unterhaltsbetrages (385 € monatlich)\nbegehrt, ist zulassig, weil sich seither die finanziellen Verhaltnisse des\nBeklagten durch die teilweise Zahlung von Auslandsverwendungszuschlagen\nwesentlich verandert haben. Im Hinblick auf die erleichterten\nVerzugsvoraussetzungen gemaß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 323\nAbs. 3 Satz 2 ZPO kann die Klagerin die Erhohung ab Anfang September 2002\ngeltend machen, weil sie den Beklagten unter dem 12. September 2002 (Bl. 4 d.\nA.) zur Einkommensauskunft aufgefordert hat. Sie selbst ist vollen Umfanges\nbedurftig. Eigene Einkunfte bezieht sie in der hier entscheidungserheblichen\nZeit erst ab April 2004, dies jedoch mit 137 € monatlich in einer Hohe, die im\nVerhaltnis zum Beklagten bedarfsmindernd nicht angerechnet werden kann, weil\nsie im Hinblick auf die Betreuung des gemeinsamen acht Jahre alten Sohnes aus\neiner uberobligatorischen Tatigkeit erzielt werden.\n\n \n\n20\n\n \n\n2\\. Demgegenuber stellen sich die Einkommensverhaltnisse des Beklagten wie\nfolgt dar:\n\n \n\n21\n\n \n\na) Das laufende Einkommen des Beklagten hat das Familiengericht fur das Jahr\n2002 unbeanstandet in Auswertung der Verdienstabrechnung fur Mai 2002 (Bl. 87\nder Beiakten 23 F 44/02) auf 1924 € monatlich angenommen, wobei wegen der\njahrlichen Sonderzahlungen ein Zuschlag von 13/12tel gemacht worden ist.\nDieser Betrag ist auch fur die folgende Unterhaltsberechnung zugrunde zu\nlegen.\n\n \n\n22\n\n \n\nFur das Jahr 2003 ergibt die Auswertung der Dezember-Bescheinigung (Bl. 117 d.\nA.) Folgendes:\n\n \n\n23\n\n \n--- \nsteuerpflichtiges Brutto | 30.666,30 € \n\\- Lohnsteuer | 4.407,13 € \n\\- Solidaritatszuschlag | 196,47 € \n\\- Kirchensteuer | 321,55 € \n| 25.741,15 € \n: 12 = monatlich | 2.145,00 € \n \n \n\n24\n\n \n\nFur das Jahr 2004 ergibt die Auswertung der Gehaltsbescheinigung fur Marz 2004\n(Bl. 135 d. A.):\n\n \n\n25\n\n \n--- \nsteuerpflichtiges Brutto | 7.590,34 € \n\\- Lohnsteuer | 637,48 € \n\\- Solidaritatszuschlag | 24,82 € \n\\- Kirchensteuer | 40,62 € \n| 6.887,42 € \n: 3 = | 2.295,80 € \n \n \n\n26\n\n \n\nDieser Betrag ist mit dem Faktor 12,33 : 12 wegen der jahrlichen\nWeihnachtszuwendung hochzurechnen auf\n\n \n\n27\n\n \n\n**2.358,00 €**\n\n \n\n28\n\n \n\nb) Die vorgenannten Einkunfte sind um folgende Abzuge zu vermindern:\n\n \n\n29\n\n \n\naa) Das Familiengericht hat unbeanstandet wie im Vorprozess einen\nKrankenversicherungsbeitrag von 119 € berucksichtigt. Dieser Betrag ist daher\nauch fur die nachfolgende Unterhaltsberechnung anzusetzen. Ferner sind fur\nVermogensbildung 6 € abgezogen worden, und der Beklagte hat inzwischen\nnachgewiesen, dass er fur den Bundeswehrverband 18 € monatlich abfuhrt (Bl.\n150 d. A.). Der Gesamtbetrag von 143 € monatlich ist einkommensmindernd zu\nberucksichtigen.\n\n \n\n30\n\n \n\nbb) Daruber hinaus hat das Familiengericht wie auch im Vorprozess einen Kredit\nbei der Vereins- und Westbank in Hohe von 165 € monatlich berucksichtigt.\nDieser Kredit ist ausweislich des eingereichten Kreditvertrages vom 17. Mai\n1999 (Bl. 166/167 d. A.) zur Zeit des Zusammenlebens der Parteien aufgenommen\nworden und damit ehepragend. Die Parteien haben sich ausweislich der\nFeststellung im Tatbestand des Urteils des Familiengerichts Rendsburg vom 18.\nOktober 2000 (Bl. 13 d. A.) - 13 F 44/02 - erst Ende Marz 2000 getrennt. Die\nerste Rate des Kredits war im Juni 1999 fallig (Bl. 166 d. A.). Im Hinblick\nauf die vertragliche Laufzeit von 48 Monaten musste diese Belastung, soll sie\nnoch als ehepragend gelten, im Monat Mai 2003 mit der letzten Rate getilgt\nworden sein. Soweit der Beklagte durch eine Bescheinigung der HypoVereinsbank\nvom 27. Mai 2004 (Bl. 149 d. A.) den Nachweis fuhrt, dass der Kredit noch uber\nMarz 2004 hinaus, nunmehr in Hohe von 174 € monatlich bedient wird, muss die\nUrsache in Grunden liegen, die nicht als ehepragend anzusehen sind. Die\nKreditbelastung ist daher nur bis einschließlich Mai 2003 zu berucksichtigen.\n\n \n\n31\n\n \n\ncc) Fahrtkosten sind dem Beklagten in der hier entscheidungserheblichen Zeit\nab September 2002 wegen seines Einsatzes in Afghanistan bis einschließlich\nJanuar 2003 nicht entstanden. Ab Februar 2003 ist er sodann wieder in\nSchleswig eingesetzt worden. Hier sind in dem abzuandernden Vergleich mit dem\nAusgangsverfahren 13 F 44/02 durch das Familiengericht 273 € monatlich\nangesetzt worden, die auch nach der Ruckkehr aus Afghanistan fur die Fahrten\nvom Wohnort des Beklagten in N. bis zur Kaserne in Schleswig anzusetzen sind.\n\n \n\n32\n\n \n\nAb September 2003 ist der Beklagte nunmehr in Hamburg stationiert. Bei 110 km\neinfacher Fahrt an drei Tagen in der Woche entstehen monatlich folgende\nFahrtkosten: Die ersten 30 km einfacher Fahrt sind mit dem Faktor 0,26 € pro\nKilometer zu berechnen, also (30 x 2 x 0,26 x 220 : 12 x 3/5) = 171,60 €.\n\n \n\n33\n\n \n\nDie uber 30 km einfache Fahrt hinausgehenden Kosten sind nur mit 0,10 € pro\nKilometer zu berucksichtigen, weil die Abschreibung im Hinblick auf die hohere\nFahrleistung entsprechend geringer ist. Es ergibt sich insoweit daher folgende\nRechnung: 80 x 2 x 0,10 x 220 : 12 x 3/5 = 176 €, gesamt also aufgerundet 348\n€ monatlich.\n\n \n\n34\n\n \n\nIn den Monaten Marz bis Mai 2004 entfallen Fahrtkosten wegen der\nAuslandsverwendung in Bosnien, so dass Fahrtkosten in Hohe von 348 € monatlich\nerst wieder ab Juni 2004 anfallen.\n\n \n\n35\n\n \n\ndd) An Kindesunterhalt hat der Beklagte fur den gemeinsamen Sohn Marcel-Andre\nmonatlich 241 € gezahlt. Dies entspricht dem Bedarfssatz der ersten\nEinkommensgruppe der Dusseldorfer Tabelle vom Stande Juli 2003. Fur den\nEhegattenunterhalt ist er hochzurechnen um eine Kindergeldhalfte auf 318 €\nmonatlich.\n\n \n\n36\n\n \n\nAb April 2004 ist die weitere Unterhaltspflicht gegenuber der Tochter Julia B.\nzu berucksichtigen. Im Hinblick auf die 135 %-Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB\nergibt sich nach Anrechnung des Kindergeldes eine Effektivbelastung von 192 €\nmonatlich, die fur den Ehegattenunterhalt zu berucksichtigen sind.\n\n \n\n37\n\n \n\n3\\. Daraus ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung, soweit das laufende\nEinkommen des Beklagten und seine laufenden Belastungen maßgebend sind (zu den\nMehreinnahmen aus der Auslandsverwendung unten 4):\n\n \n\n38\n\n \n--- \na) Ab September 02: \nNettoeinkommen des Beklagten | 1.924,00 € \n\\- Abzuge Krankenversicherung, Vermogensbildung und Bundeswehrverband | 143,00 € \n\\- Kredit | 165,00 € \n\\- Unterhalt Marcel-Andre | 318,00 € \nverbleiben | 1298,00 € \nx 3/7 = | 556,00 € \nb) Januar 03: \nDas Nettoeinkommen ist von 1924 € auf 2145 € gestiegen, so dass der fur den\nEhegattenunterhalt maßgebende Betrag sich um das Mehreinkommen von 221 € auf\n1519 € erhoht. \nDaraus folgt ein Unterhaltsanspruch von 3/7 = | 651,00 € \nc) Ab Februar 03 sind Fahrtkosten in Hohe von 273 € monatlich zu\nberucksichtigen, so dass sich das maßgebende Einkommen von 1519 € auf 1246 €\nmonatlich vermindert. \n3/7 hiervon ergibt einen Unterhaltsanspruch von | 534,00 € \nd) Ab Juni 03 entfallt der Kredit in Hohe von 165 €, so dass das maßgebende\nEinkommen von 1246 € auf 1411 € monatlich steigt. \nUnterhaltsanspruch = 3/7 = aufgerundet | 605,00 € \ne) Ab September 03 steigen die Fahrtkosten wegen der Fahrten nach Hamburg von\n273 € auf 348 € monatlich, also um 75 €, so dass sich das maßgebende Einkommen\nvon 1411 € auf 1336 € vermindert. \nx 3/7 = Ehegattenunterhalt aufgerundet | 573,00 € \nf) Ab Januar 04 ergibt sich Folgendes: \nEinkommen des Beklagten | 2.358,00 € \n\\- Abzuge Krankenversicherung, Vermogensbildung und Bundeswehrverband | 143,00 € \n\\- Fahrtkosten | 348,00 € \n\\- Kindesunterhalt Marcel-Andre | 318,00 € \nverbleiben | 1.549,00 € \nx 3/7 = | 664,00 € \ng) Ab Marz 04 entfallen die Fahrtkosten in Hohe von 348 €, erhoht sich also\ndas maßgebende Einkommen auf 1897 €, \nx 3/7 = | 813,00 € \nh) Ab April 04 ist die zusatzliche Unterhaltspflicht gegenuber der Tochter\nJulia B. zu berucksichtigen, vermindert sich also das Einkommen um 192 € auf\n1705 €, \nx 3/7 = aufgerundet | 731,00 € \ni) Ab Juni 04 entstehen dem Beklagten wieder Fahrtkosten in Hohe von 348 €\nmonatlich, vermindert sich also sein Einkommen von 1705 € auf 1357 €\nmonatlich. \n3/7 = aufgerundet | 582,00 € \nmonatlich. | \n \n \n\n39\n\n \n\n4\\. Daruber hinaus nimmt die Klagerin auch an den Einkunften des Beklagten aus\nder Auslandsverwendungszulage teil. Grundsatzlich ist sie\nEinkommensbestandteil (BGH FamRZ 1980, Seite 342, 344). Dabei ist der konkret\nnachgewiesene Mehrbedarf vorweg abzusetzen (BGH a. a. O.). Hier dient der\nAuslandszuschlag dem Ausgleich der besonderen materiellen und immateriellen\nBelastungen gerade infolge des Dienstes im Ausland, § 1 Abs. 2 der Verordnung\nvom 27. 3. 2002 (Bl. 44 ff. d. A.). Die darin liegende Krisenzulage ist als\nErschwerniszulage bei der Unterhaltsbemessung prinzipiell zu berucksichtigen.\nDie Tatigkeit in einem Krisengebiet ist fur einen Angehorigen des Auswartigen\nAmtes oder eines vergleichbar eingesetzten Bediensteten (wie hier des\nBeklagten im Rahmen der Auslandsaufgaben der Bundeswehr) nicht unzumutbar,\nweil es zum allgemeinen Berufsbild dergestalt Tatiger gehort,\nerforderlichenfalls auch in Krisengebieten eingesetzt zu werden (Kalthoener-\nButtner-Niepmann, Die Rechtsprechung zur Hohe des Unterhalts, 8. Auflage,\nRdnr. 715).\n\n \n\n40\n\n \n\nKonkreten Mehraufwand hat der Beklagte außer einigen allgemein gehaltenen\nAusfuhrungen (Bl. 40 d. A.) nicht vorgetragen. Er hat lediglich gemeint, Teile\nseiner Zulage zum Ausgleich von Verlusten bei der Vermietung seines\nZweifamilienhauses verwenden zu mussen (Bl. 41 ff.). Die Mietausfalle haben\nindes mit seiner Auslandsverwendung nichts zu tun. Da die Auslandsverwendung\nmit dem Berufsbild des Soldaten zusammenhangt, kann sich der Beklagte auch\nnicht darauf berufen, dass diese außergewohnliche Verwendung im Ausland etwa\nnicht eheangelegt gewesen sei, weil sie nach der Trennung der Parteien erfolgt\nist. Im Übrigen steht nunmehr fest, dass auch in der Ehe solche\nAuslandsverwendungen stattgefunden haben.\n\n \n\n41\n\n \n\nAllerdings ist die immaterielle Belastung und der Verzicht des Beklagten auf\ndie gewohnten vergleichsweise komfortablen Lebensverhaltnisse in der\nBundesrepublik im Vergleich zu denen eines Militarlagers im Krisengebiet\ndurchaus durch einen entsprechenden Abschlag von diesem Zusatzeinkommen zu\nberucksichtigen. Dabei sind die Mehrbelastungen einerseits gegen die\nErsparnisse wegen geringerer Konsummoglichkeiten im Krisengebiet andererseits\nabzuwagen, wobei auch die Ersparnisse aus einem erzwungenen Konsumverzicht\nfolgen, der seinerseits als Belastung mit zu berucksichtigen ist. Das\nFamiliengericht hat insgesamt einen Billigkeitsabschlag in Hohe der Halfte der\nZulage vorgenommen. Das erscheint auch nach der Beurteilung des Senats\nsachgerecht. Daher sind die Einkunfte aus der Auslandsverwendungszulage sowohl\naus dem Einsatz in Afghanistan als auch aus dem Einsatz in Bosnien jeweils zur\nHalfte zu berucksichtigen.\n\n \n\n42\n\n \n\nDabei erscheint es sachgerecht, dass die Mehreinkunfte aus der Verwendung in\nAfghanistan ab September 2002 auf die Dauer eines Jahres umgelegt werden, so\ndass ein zusatzlicher Unterhaltsanspruch der Klagerin fur die Monate September\n2002 bis August 2003 zu berucksichtigen ist. Der an den Beklagten gezahlte\nGesamtbetrag von 12 424 € ist somit nach den obigen Billigkeitsuberlegungen\nauf die Halfte = 6212 € zu vermindern, so dass in der genannten Zeit der\nzwolfte Teil = monatlich 517 € als zusatzliches Einkommen zu berucksichtigen\nsind. 3/7 hiervon sind 221 € monatlich.\n\n \n\n43\n\n \n\nDer Einsatz in Bosnien ist nur fur eine kurzere Zeit erfolgt und hat wegen der\ngeringeren Gefahrenstufe auch nur einen Gesamtbetrag an\nAuslandsverwendungszuschlag in Hohe von 5389 € ergeben. Mit den obigen\nBilligkeitserwagungen ist hiervon die Halfte, also 2694 € anrechenbar. Der\nEinsatz erfolgte ab Marz 2004. Es erscheint gerechtfertigt, diesen Betrag auf\ndie Monate Marz bis Dezember 04 umzulegen, so dass sich ein Mehreinkommen von\nmonatlich knapp 270 € ergibt. Dies fuhrt zu einem erganzenden\nUnterhaltsanspruch von 3/7 = 116 € monatlich.\n\n \n\n44\n\n \n\n5\\. Dies fuhrt zu folgender abschließenden Unterhaltsberechnung:\n\n \n\n45\n\n \n--- \nAb September 02: \nUnterhalt gemaß oben 3 a = | 556,00 € \n\\+ erganzender Unterhalt gemaß 4 = | 221,00 € \ninsgesamt | 777,00 € \nAb Januar 03: \nUnterhalt gemaß oben 3 b = | 651,00 € \n\\+ erganzender Unterhalt gemaß 4 = | 221,00 € \ninsgesamt | 872,00 € \nAb Februar 03: \nUnterhalt gemaß oben 3 c = | 534,00 € \n\\+ erganzender Unterhalt gemaß 4 = | 221,00 € \ninsgesamt | 755,00 € \nAb Juni 03: \nUnterhalt gemaß oben 3 d = | 605,00 € \n\\+ erganzender Unterhalt gemaß 4 = | 221,00 € \ninsgesamt | 826,00 € \nAb September 03 beschrankt sich der Unterhalt auf den oben zu 3 e errechneten Betrag von | 573,00 € \nAb Januar 04 sind wegen des Mehreinkommens die beantragten 600 € monatlich\ngerechtfertigt. \nFur Marz 04 wirkt sich wieder die erneute Auslandsverwendungszulage aus: \nUnterhalt gemaß oben 3 g = | 813,00 € \n\\+ Zusatzanspruch gemaß 4 = | 116,00 € \ninsgesamt | 929,00 € \nAb April 04: \nUnterhalt gemaß oben 3 h = | 731,00 € \n\\+ Zusatzanspruch gemaß 4 = | 116,00 € \ninsgesamt | 847,00 € \nmonatlich. | \nAb Juni 04: \nUnterhalt gemaß oben 3 i = | 582,00 € \n\\+ Zusatzanspruch gemaß 4 = | 116,00 € \ninsgesamt | 698,00 € \nmonatlich. | \nAb Januar 05 entfallt der Zusatzanspruch. Die Auslandsverwendung ist nicht\nprognosefahig, so dass mit einem entsprechenden Mehreinkommen fur das Jahr\n2005 nicht gerechnet werden kann. Es verbleibt daher bei dem Anspruch, wie er\noben zu 3 i errechnet worden ist, also bei 582 € monatlich. \n \n \n\n46\n\n \n\n6\\. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 713\nZPO.\n\n \n\n \n\n
128,369
fg-des-saarlandes-2005-05-24-1-k-7305
934
Finanzgericht des Saarlandes
fg-des-saarlandes
des Saarlandes
Saarland
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 73/05
2005-05-24
2019-01-07 09:31:30
2019-02-12 12:10:45
Urteil
## Tatbestand\n\nDer Klager streitet mit dem Beklagten um die Wirksamkeit der Bekanntgabe des\nFeststellungsbescheides 1996 betreffend die "aufgeloste A und B BG".\n\nNachdem am 24. Juli 1998 durch die X Steuerberatungsgesellschaft mbH fur die\n"Rechtsanwaltssozietat A u. B" eine Erklarung zur gesonderten Feststellung\n1996 eingereicht worden war (Fest, Bl. 17 ff.), erließ der Beklagte am 28.\nAugust 1998 auf der Grundlage der Erklarungsangaben einen Bescheid uber die\ngesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen fur die\nEinkommensbesteuerung 1996 (Fest, Bl. 31 ff.). Der festgestellte Gewinn betrug\n66.462 DM, der Anteil des Klagers hieran 30.940 DM. Die inhaltliche\nRichtigkeit wird vom Klager bestritten.\n\nNachdem der Beklagte bemerkte, dass der Feststellungsbescheid vom 28. August\n1998 dem Klager nicht ordnungsgemaß bekannt gegeben worden war, erließ er am\n8. August 2003 (Fest, Bl. 35 ff.) gegenuber dem Klager einen inhaltsgleichen\nBescheid. Der Beklagte verfugte die formliche Bekanntgabe im Wege der\nZustellung durch Postzustellungsurkunde (Fest, Bl. 35 R). Ausweislich der\nPostzustellungsurkunde (Fest, Bl. 34) unternahm der Postzusteller am 11.\nAugust 2003 unter der Adresse "A-Straße 11, 66127 Saarbrucken" einen\nvergeblichen Zustellversuch und legte ausweislich der Postzustellungsurkunde -\nweil die Übergabe des Schriftstucks in der Wohnung nicht moglich war - das\nSchriftstuck in den zur Wohnung gehorenden Briefkasten oder in eine ahnliche\nVorrichtung ein.\n\nMit Schreiben vom 3. Februar 2005 legte der Klager gegen den\nFeststellungsbescheid vom 11. August 2003 Einspruch ein und beantragte die\nWiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er machte geltend, den\nFeststellungsbescheid 1996 nicht erhalten zu haben. Erst im Klageverfahren\nwegen Einkommensteuer 1996 habe er von dessen Existenz erfahren.\n\nMit Entscheidung vom 24. Februar 2005 verwarf der Beklagte den Einspruch als\nunzulassig. Die Zustellung der Einspruchsentscheidung erfolgte am 26. Februar\n2005 unter der Anschrift des Klagers "A-Straße 11, 66127 Saarbrucken" (Rbh,\nBl. 52).\n\nMit Schreiben vom 15. Marz 2005 erhob der Klager Klage\n\nEr beantragt,\n\n> > > die Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2005 aufzuheben und den\n> Beklagten zu verpflichten, uber den Einspruch erneut zu entscheiden.\n\n> > > Der Klager macht geltend, den streitigen Bescheid nicht erhalten zu\n> haben. Im Anwesen A-Straße 11 in Saarbrucken befinde sich kein Briefkasten\n> mit seiner Namensangabe. Mithin sei die Zustellung nicht ordnungsgemaß\n> bewirkt, was zur Folge habe, dass eine ordnungsmaßige Bekanntgabe nicht\n> erfolgt sei. Demzufolge habe der Beklagte den Einspruch vom 3. Februar 2005\n> zu Unrecht als unzulassig verworfen.\n\nDer Klager erklarte, er habe gegen den Beschluss des Senats vom 12. April 2005\nim Verfahren 1 K 350/04 betreffend die Gewahrung von Prozesskostenhilfe\nVerfassungsbeschwerde eingereicht. Auf diese Weise wolle er gegen die\nRechtsprechung vorgehen, die es einem Betroffenen unmoglich mache, die\nBeweiskraft einer Postzustellungsurkunde erfolgreich anzugehen.\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n> > > die Klage als unbegrundet abzuweisen.\n\n> > > Er verweist auf den Beweiswert der Postzustellungsurkunde. Im Übrigen\n> habe der Beklagte unter der Anschrift A-Straße 11 in Saarbrucken sowohl\n> nichtformliche wie auch formliche Zusendungen erhalten.\n\nWegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsatze der Beteiligten, die\nbeigezogenen Verwaltungsakten und das Protokoll der mundlichen Verhandlung\nverwiesen. Der Senat hat zudem die Akten des Verfahrens 1 K 393/03 beigezogen.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDie Klage ist zulassig, jedoch nicht begrundet. Der Beklagte hat zu Recht den\nEinspruch des Klagers wegen Verfristung als unzulassig verworfen.\n\n1\\. Rechtliche Grundlagen\n\n1.1. Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach\nBekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt,\nder durch die Post ubermittelt wird, gilt bei einer Übermittlung im Inland am\ndritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht\noder zu einem spateren Zeitpunkt zugegangen ist. Ordnet jedoch das Finanzamt\ndie Bekanntgabe durch (formliche) Zustellung (§ 122 Abs. 5 AO) an, ist der\nVerwaltungsakt im Zeitpunkt der Bewirkung der Zustellung dem Adressaten\nbekannt gemacht. Die Dreitagesvermutung gilt demzufolge in einem solchen Fall\nnicht (BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BStBl. II 1991, 826).\n\nBei Anordnung der Zustellung durch die Post mit Postzustellungsurkunde (§ 3\nVwZG) gelten die Vorschriften der §§ 180 bis 186 ZPO entsprechend. Ist die\nZustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausfuhrbar, kann das\nSchriftstuck in einen zu der Wohnung oder dem Geschaftsraum gehorenden\nBriefkasten oder in eine ahnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der\nAdressat fur den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein\nublichen Art fur eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung\ngilt das Schriftstuck als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag\ndes zuzustellenden Schriftstucks das Datum der Zustellung (§ 180 ZPO).\n\nDie Postzustellungsurkunde als offentliche Urkunde i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO\nliefert regelmaßig den Beweis fur den Zustellungsvorgang. Durch die bloße\nBehauptung, keine Kenntnis von der Zustellung eines Schriftstuckes erlangt zu\nhaben, kann dieser nicht entkraftet werden (BFH-Beschluss vom 21. August 2002\nVIII B 58/02, BFH/NV 2003, 176). Hierzu ist vielmehr erforderlich, einen\nanderen Geschehensablauf substantiiert darzulegen und zu beweisen. Das kann\ninsbesondere dadurch geschehen, dass ein Verfahrensbeteiligter Umstande\ndarlegt, die geeignet sind, ein Fehlverhalten des Postbediensteten bei der\nZustellung und damit eine falsche Beurkundung in der Postzustellungsurkunde zu\nbelegen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Mai 2003 III B 146/02, BFH/NV 2003, 1207).\n\n1.2. Nach § 110 AO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren, wenn\njemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.\nDer Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu\nstellen. Die Tatsachen zur Begrundung des Antrags sind bei der Antragstellung\noder im Verfahren uber den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der\nAntragsfrist ist die versaumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so\nkann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewahrt werden. Nach einem Jahr seit\ndem Ende der versaumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt\noder die versaumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor\nAblauf der Jahresfrist infolge hoherer Gewalt unmoglich war (§ 110 Abs. 3 AO).\n\n2\\. Anwendung im Streitfall\n\nDer Senat ist davon uberzeugt, dass dem Klager der streitige Bescheid am 11.\nAugust 2003 bekannt gegeben worden ist, so dass die Einlegung des Einspruchs\nam 3. Februar 2005 verfristet war. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand\nscheidet bereits deshalb aus, weil der entsprechende Antrag außerhalb der\nJahresfrist gestellt worden ist.\n\n2.1. Die formliche Zustellung des Feststellungsbescheides erfolgte ausweislich\nder von dem Postzusteller erstellten Postzustellungsurkunde am 11. August\n2003. Es bestehen keine Anhaltspunkte fur eine nicht ordnungsgemaße\nZustellung.\n\nSo ist insbesondere der Einwand des Klagers, er unterhalte in dem Anwesen\nA-Straße 11 in Saarbrucken keinen Briefkasten oder eine ahnliche Vorrichtung,\noffenkundig nicht zutreffend. Ausweislich der Verwaltungsakten hat der Klager\nunter dieser Anschrift sowohl formliche wie auch nicht formliche Zusendungen\nerhalten.\n\nBeispielsweise wurde die Einspruchsentscheidung betreffend den\nFeststellungsbescheid 1997 dem Klager unter der Anschrift A-Straße 11 in\nSaarbrucken mittels Postzustellungsurkunde zugestellt (Rbh, Bl. 37). Auch hier\nkam es am 8. November 2003 zu einem Übergabeversuch, dessen Scheitern\nausweislich der Postzustellungsurkunde die Einlage des Schriftstucks in den\nzur Wohnung gehorenden Briefkasten oder in eine ahnliche Vorrichtung zur Folge\nhatte. Im Anschluss daran hat der Klager am 3. Dezember 2003 Klage erhoben,\nwobei er die Zustellung als am 7. November 2003 erfolgt bezeichnete (1 K\n393/03, Bl. 1). Auch die Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2005 wurde dem\nKlager durch personliche Übergabe am 26. Februar 2005 zugestellt (Rbh, Bl.\n52). Auch diese Zustellung hat der Klager in seiner Klageschrift vom 15. Marz\n2005 bestatigt (Bl. 1). Desweiteren werden Schreiben des Gerichts dem Klager\nunter dieser Anschrift ohne ersichtliche Schwierigkeiten ubermittelt.\n\nDer Klager hat uberdies in der Klageschrift die Anschrift "A-Straße 11, 66127\nKlarenthal" erneut als Wohnanschrift angegeben. Er hat uberdies in der\nmundlichen Verhandlung angegeben, unter dieser Adresse zusammen mit seiner\nMutter zu wohnen. Dort befande sich auch ein Briefkasten, der jedoch keinen\nHinweis auf seine Person aufweise. Der Klager hat eingeraumt, an ihn\ngerichtete Briefsendungen wurden sich regelmaßig in diesem Briefkasten finden.\n\nDer Klager hat damit die von der Postzustellungsurkunde als offentliche\nUrkunde ausgehende Beweiskraft jedenfalls nicht erschuttert. Er hat nicht\nansatzweise einen anderen Geschehensablauf dargelegt und glaubhaft gemacht,\nsondern sich lediglich auf den allgemeinen Hinweis beschrankt, es sei bekannt,\ndass nach der Umorganisation der Post die fruher ubliche Sorgfalt bei der\nZustellung von Briefsendungen fehle. Demzufolge geht der Senat davon aus, dass\ndem Klager der streitige Bescheid am 11. August 2003 zugestellt worden ist.\nDies hat zur Folge, dass die Einspruchsfrist am 12. August 2003 gemaß §§ 108\nAbs. 1 AO, 187 Abs. 1 BGB zu laufen begann und am 11. September 2003 endete\n(§§ 108 Abs. 1 AO, 188 Abs. 1 BGB). Der am 3. Februar 2005 eingelegte\nEinspruch war damit verfristet.\n\nDie Verfassungsbeschwerde, auf die der Klager in der mundlichen Verhandlung\nhingewiesen hat, hat nach Auffassung des Senats aus formellen und materiellen\nGrunden keine Aussicht auf Erfolg.\n\n2.2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus, da zwischen dem\nAblauf der versaumten Frist und der Nachholung der versaumten Handlung mehr\nals ein Jahr verstrichen ist (vgl. § 110 Abs. 3 AO).\n\n3\\. Die Klage konnte somit keinen Erfolg haben.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.\n\nZur Zulassung der Revision gemaß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine\nVeranlassung.\n\n## Gründe\n\nDie Klage ist zulassig, jedoch nicht begrundet. Der Beklagte hat zu Recht den\nEinspruch des Klagers wegen Verfristung als unzulassig verworfen.\n\n1\\. Rechtliche Grundlagen\n\n1.1. Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach\nBekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt,\nder durch die Post ubermittelt wird, gilt bei einer Übermittlung im Inland am\ndritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht\noder zu einem spateren Zeitpunkt zugegangen ist. Ordnet jedoch das Finanzamt\ndie Bekanntgabe durch (formliche) Zustellung (§ 122 Abs. 5 AO) an, ist der\nVerwaltungsakt im Zeitpunkt der Bewirkung der Zustellung dem Adressaten\nbekannt gemacht. Die Dreitagesvermutung gilt demzufolge in einem solchen Fall\nnicht (BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BStBl. II 1991, 826).\n\nBei Anordnung der Zustellung durch die Post mit Postzustellungsurkunde (§ 3\nVwZG) gelten die Vorschriften der §§ 180 bis 186 ZPO entsprechend. Ist die\nZustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausfuhrbar, kann das\nSchriftstuck in einen zu der Wohnung oder dem Geschaftsraum gehorenden\nBriefkasten oder in eine ahnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der\nAdressat fur den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein\nublichen Art fur eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung\ngilt das Schriftstuck als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag\ndes zuzustellenden Schriftstucks das Datum der Zustellung (§ 180 ZPO).\n\nDie Postzustellungsurkunde als offentliche Urkunde i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO\nliefert regelmaßig den Beweis fur den Zustellungsvorgang. Durch die bloße\nBehauptung, keine Kenntnis von der Zustellung eines Schriftstuckes erlangt zu\nhaben, kann dieser nicht entkraftet werden (BFH-Beschluss vom 21. August 2002\nVIII B 58/02, BFH/NV 2003, 176). Hierzu ist vielmehr erforderlich, einen\nanderen Geschehensablauf substantiiert darzulegen und zu beweisen. Das kann\ninsbesondere dadurch geschehen, dass ein Verfahrensbeteiligter Umstande\ndarlegt, die geeignet sind, ein Fehlverhalten des Postbediensteten bei der\nZustellung und damit eine falsche Beurkundung in der Postzustellungsurkunde zu\nbelegen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Mai 2003 III B 146/02, BFH/NV 2003, 1207).\n\n1.2. Nach § 110 AO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren, wenn\njemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.\nDer Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu\nstellen. Die Tatsachen zur Begrundung des Antrags sind bei der Antragstellung\noder im Verfahren uber den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der\nAntragsfrist ist die versaumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so\nkann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewahrt werden. Nach einem Jahr seit\ndem Ende der versaumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt\noder die versaumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor\nAblauf der Jahresfrist infolge hoherer Gewalt unmoglich war (§ 110 Abs. 3 AO).\n\n2\\. Anwendung im Streitfall\n\nDer Senat ist davon uberzeugt, dass dem Klager der streitige Bescheid am 11.\nAugust 2003 bekannt gegeben worden ist, so dass die Einlegung des Einspruchs\nam 3. Februar 2005 verfristet war. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand\nscheidet bereits deshalb aus, weil der entsprechende Antrag außerhalb der\nJahresfrist gestellt worden ist.\n\n2.1. Die formliche Zustellung des Feststellungsbescheides erfolgte ausweislich\nder von dem Postzusteller erstellten Postzustellungsurkunde am 11. August\n2003. Es bestehen keine Anhaltspunkte fur eine nicht ordnungsgemaße\nZustellung.\n\nSo ist insbesondere der Einwand des Klagers, er unterhalte in dem Anwesen\nA-Straße 11 in Saarbrucken keinen Briefkasten oder eine ahnliche Vorrichtung,\noffenkundig nicht zutreffend. Ausweislich der Verwaltungsakten hat der Klager\nunter dieser Anschrift sowohl formliche wie auch nicht formliche Zusendungen\nerhalten.\n\nBeispielsweise wurde die Einspruchsentscheidung betreffend den\nFeststellungsbescheid 1997 dem Klager unter der Anschrift A-Straße 11 in\nSaarbrucken mittels Postzustellungsurkunde zugestellt (Rbh, Bl. 37). Auch hier\nkam es am 8. November 2003 zu einem Übergabeversuch, dessen Scheitern\nausweislich der Postzustellungsurkunde die Einlage des Schriftstucks in den\nzur Wohnung gehorenden Briefkasten oder in eine ahnliche Vorrichtung zur Folge\nhatte. Im Anschluss daran hat der Klager am 3. Dezember 2003 Klage erhoben,\nwobei er die Zustellung als am 7. November 2003 erfolgt bezeichnete (1 K\n393/03, Bl. 1). Auch die Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2005 wurde dem\nKlager durch personliche Übergabe am 26. Februar 2005 zugestellt (Rbh, Bl.\n52). Auch diese Zustellung hat der Klager in seiner Klageschrift vom 15. Marz\n2005 bestatigt (Bl. 1). Desweiteren werden Schreiben des Gerichts dem Klager\nunter dieser Anschrift ohne ersichtliche Schwierigkeiten ubermittelt.\n\nDer Klager hat uberdies in der Klageschrift die Anschrift "A-Straße 11, 66127\nKlarenthal" erneut als Wohnanschrift angegeben. Er hat uberdies in der\nmundlichen Verhandlung angegeben, unter dieser Adresse zusammen mit seiner\nMutter zu wohnen. Dort befande sich auch ein Briefkasten, der jedoch keinen\nHinweis auf seine Person aufweise. Der Klager hat eingeraumt, an ihn\ngerichtete Briefsendungen wurden sich regelmaßig in diesem Briefkasten finden.\n\nDer Klager hat damit die von der Postzustellungsurkunde als offentliche\nUrkunde ausgehende Beweiskraft jedenfalls nicht erschuttert. Er hat nicht\nansatzweise einen anderen Geschehensablauf dargelegt und glaubhaft gemacht,\nsondern sich lediglich auf den allgemeinen Hinweis beschrankt, es sei bekannt,\ndass nach der Umorganisation der Post die fruher ubliche Sorgfalt bei der\nZustellung von Briefsendungen fehle. Demzufolge geht der Senat davon aus, dass\ndem Klager der streitige Bescheid am 11. August 2003 zugestellt worden ist.\nDies hat zur Folge, dass die Einspruchsfrist am 12. August 2003 gemaß §§ 108\nAbs. 1 AO, 187 Abs. 1 BGB zu laufen begann und am 11. September 2003 endete\n(§§ 108 Abs. 1 AO, 188 Abs. 1 BGB). Der am 3. Februar 2005 eingelegte\nEinspruch war damit verfristet.\n\nDie Verfassungsbeschwerde, auf die der Klager in der mundlichen Verhandlung\nhingewiesen hat, hat nach Auffassung des Senats aus formellen und materiellen\nGrunden keine Aussicht auf Erfolg.\n\n2.2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus, da zwischen dem\nAblauf der versaumten Frist und der Nachholung der versaumten Handlung mehr\nals ein Jahr verstrichen ist (vgl. § 110 Abs. 3 AO).\n\n3\\. Die Klage konnte somit keinen Erfolg haben.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.\n\nZur Zulassung der Revision gemaß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine\nVeranlassung.\n\n
131,245
lsgsl-2006-12-19-l-5b-vg-999
936
Landessozialgericht für das Saarland
lsgsl
Saarland
Sozialgerichtsbarkeit
L 5b VG 9/99
2006-12-19
2019-01-07 10:01:25
2019-02-12 12:15:34
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Sozialgerichts\nfur das Saarland vom 20. Mai 1999 wird zuruckgewiesen mit der Maßgabe, dass\nder Bescheid des Beklagten vom 17\\. Februar 1998 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 aufgehoben und dass festgestellt\nwird, dass die nachfolgend aufgefuhrten Verletzungen der Beigeladenen zu 2.,\nnamlich\n\na) Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und\nRadiuskopfchenfraktur sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li,\n\nb) Fraktur der 8. und 9. Rippe li.,\n\nc) Prellung re. Flanke,\n\nd) idealstehende Fraktur des Os metacarpale V.\n\nFolge des vorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen Angriffs des Beigeladenen zu\n1. vom 23. Februar 1997 sind.\n\n2\\. Der Beigeladene zu 1. hat die der Beigeladenen zu 2. im Berufungsverfahren\nentstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.\n\nIm Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. aus.\n\n3\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten daruber, ob ein Vorfall vom 23. Februar 1997 als\nvorsatzlicher, rechtswidriger tatlicher Angriff im Sinne des Gesetzes uber die\nEntschadigung fur Opfer von Gewalttaten (OEG) anzusehen ist und -\ngegebenenfalls - ob Grunde bestehen, die Leistung zu versagen.\n\nDer Beigeladene zu 1. ist der fruhere Ehemann der Geschadigten und\nBeigeladenen zu 2. Die Ehe der Beigeladenen ist durch Urteil des Amtsgerichts/\nFamiliengerichts S. vom 15. Juni 1998 (Az. 41 F 160/97) geschieden worden. Der\nBeigeladene zu 1. greift im Rechtsstreit der Krankenversicherung der\nBeigeladenen zu 2. gegen den Beklagten - unter Berufung auf Verfahrensmangel\nund Versagungsgrunde - die in erster Instanz erfolgte Feststellung der\nVersorgungspflichtigkeit des Beklagten nach dem OEG im Hinblick auf die Folgen\naus dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 an. In einem Rechtsstreit bzgl.\neines weiteren Tatgeschehens vom 28. Dezember 1996 ist die Klage\nzuruckgenommen worden. Die Parallelsache S 18 VG 172/99 (Klage der\nBeigeladenen zu 2. gegen den Beklagten wegen der Folgen aus dem\nstreitgegenstandlichen Angriff vom 23. Februar 1997) ist im Hinblick auf die\nhiesige Berufungssache mit Beschluss vom 17. September 1999 gemaß § 114 des\nSozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgesetzt worden.\n\nDas streitgegenstandliche Schadensereignis vom 23. Februar 1997 steht im\nzeitlichen Zusammenhang mit insgesamt 5 fruheren zur Anzeige gebrachten\nVorfallen (25. Dezember 1996 - Strafanzeige wegen Sachbeschadigung,\nHausfriedensbruch; 28. Dezember 1996 _-_ Verdacht der Korperverletzung und\nversuchten Notigung; 26. Januar 1997/ 27. Januar 1997 - Sachbeschadigung am\nAuto der Beigeladenen zu 2. und ihres Freundes; 02. Februar 1997 - Verdacht\nder Bedrohung) und zwei spateren Schadensereignissen (25. Juli 1998 -\nHausfriedensbruch, Notigung, Bedrohung, Verstoße gegen das Waffengesetz; 17.\nOktober 1998 - Verdacht der Bedrohung). Wegen des Verstoßes gegen das\nWaffengesetz ist gegen den Beigeladenen zu 1. durch Strafbefehl des\nAmtsgerichts S. (Az. 24 Js 1270/98) eine Geldstrafe von 30 Tagessatzen zu je\n40,00 DM, zusammen 1.200,00 DM verhangt worden. Die Tathandlungen vom 23.\nDezember 1997 (in der Anklageschrift vom 09. Februar 1999 ist das Datum\nfehlerhaft bezeichnet, gemeint war offensichtlich der **23\\. Februar 1997** ),\n28. Dezember 1997, 02. Februar 1997, 25. Juli 1998 und 17. Oktober 1998 -\ndarunter der streitgegenstandliche Angriff - sind unter dem 09. Februar 1999\nim Verfahren 2 Js 278/97 zur Anklage gelangt. Mit Beschluss des Amtsgerichts\nS. vom 14. Dezember 1999 (Az. 35- 242/99) ist das Verfahren gegen den\nBeigeladenen zu 1. endgultig eingestellt worden (§§ 153,153a der\nStrafprozessordnung <stopp>), nachdem er eine Geldbuße in Hohe von insgesamt\n1.000,00 DM gezahlt hat.\n\nDer Vorfall vom 23. Februar 1997 ist von der Zeugin L., einer Nachbarin der\nBeigeladenen zu 2., am selben Tage zur Anzeige gebracht worden. Im Bericht der\nPolizeiinspektion K. vom 23. Februar 1997 heißt es, die Beigeladene zu 2. habe\nerklart, sie sei im Begriff gewesen, im Hausflur des Anwesens „W. G." die\nFlurtreppe hinunterzugehen, als der hinter ihr gehende Beigeladene zu 1. ihr\nmit dem Fuß in den Rucken getreten habe, so dass sie die steile Holztreppe\nhinuntergefallen sei. Der Beigeladene zu 1. hat ausweislich des\nPolizeiberichts ausgesagt, die Beigeladene zu 2. sei mit einem Waschekorb in\nden Armen die Treppe hinunter gegangen und hierbei gesturzt. Die bei dem\nBeigeladenen zu 1. entnommene Blutprobe ergab eine BAK im Mittelwert von 1,25\nPromille. In seiner Vernehmung durch die Polizeiinspektion K. vom 26. Februar\n1997 leugnete der Beigeladene zu 1. jede Beteiligung an dem „Unfall".\n\nDie Beigeladene zu 2. hat in ihrer Vernehmung durch die Polizeiinspektion K.\nvom 27. Februar 1997 den Inhalt des Polizeiberichts vom 23. Februar 1997\nbekraftigt. Die Niederschrift ihrer im Krankenhaus gemachten Aussage\ngenehmigte die Beigeladene zu 2. am 19. Marz 1997. In ihrer Unfallanzeige\ngegenuber der Klagerin mit Datum vom 11. Marz 1997 gab die Beigeladene zu 2.\nan, der Beigeladene zu 1. habe sie mit voller Absicht 18 Stufen der Treppe\nhinunter getreten. So außerte sich die Beigeladene zu 2. auch gegenuber dem\nBeklagten in dem am 18. April 1997 eingegangenen Formularantrag auf\nBeschadigtenversorgung nach dem OEG.\n\nDie Beigeladene zu 2. befand sich vom 23. Februar 1997 bis 19. Marz 1997 in\nstationarer Behandlung in der C.-Klinik St. T., S.. Im Entlassungsbericht vom\n19. Marz 1997 ist als Diagnose vermerkt:\n\n> 1\\. Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und\n> Radiuskopfchenfraktur sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li. (813.0),\n\n> 2\\. Fraktur der 8. und 9. Rippe li. (807.0),\n\n> 3\\. Prellung re. Flanke (849.9),\n\n> 4\\. idealstehende Fraktur des Os metacarpale V.\n\nAls Therapie erfolgte eine „1\\. offene Reposition, Verschraubung Proc.\ncoronoideus und des Radiuskopfchens, Naht des ulnaren Bandapparates am 04.\nMarz 1997; 2. u. 3. symptomatisch; 4. Gipsruhigstellung, konservativ".\n\nEs ergab sich ein komplikationsloser postoperativer Verlauf mit reizlosen\nWundverhaltnissen.\n\nAbschließend heißt es im Entlassungsbericht :\n\n> „Die Gipsruhigstellung sollte insgesamt vier Wochen betragen, danach\n> vorsichtig gefuhrte Krankengymnastik im mittleren Flexionsbereich,\n> Bewegungsmaße Extension/Flexion O-40-90, geringe Rotation."\n\nDie Beigeladene zu 2. hatte bereits am 14. Marz 1997 auf Veranlassung der\nKlagerin bei ihr Versorgungsleistungen nach dem OEG beantragt. Gleichzeitig\nwar von der Klagerin gegenuber dem Beklagten ein Ersatzanspruch angemeldet und\ndie Beiladung (der Klagerin) als Beteiligte zum Verfahren beantragt worden.\n\nMit Bescheid vom 17. Februar 1998 lehnte der Beklagte nach Einsicht in die\nErmittlungsakte 02 Js 278/97 den Antrag der Beigeladenen zu 2. auf Gewahrung\nvon Beschadigtenversorgung nach § 1 OEG mit der Begrundung ab, es stehe\nAussage gegen Aussage. Ein vorsatzlicher, rechtswidriger tatlicher Angriff im\nSinne des § 1 Abs. 1 OEG sei nicht erwiesen. Aufgrund der vorliegenden\nUnterlagen konne nicht festgestellt werden, unter welchen konkreten Umstanden\ndie Beigeladene zu 2. tatsachlich zu Schaden gekommen sei. Das schadigende\nEreignis musse nachgewiesen sein; das heißt, alle fur eine OEG-Entschadigung\nanspruchsbegrundenden Tatsachen mussten zur Überzeugung der Behorden\nbeziehungsweise Gerichte erwiesen sein. Fehle es daran, gehe dies zu Lasten\neines Antragstellers, da der Grundsatz der objektiven Beweislast gelte. Dieser\nGrundsatz besage, dass ein Antragsteller, der aus einer bestimmten Tatsache\nRechte herleiten wolle, die nachteiligen Folgen zu tragen habe, wenn die\nrechtserheblichen Tatsachen nicht festgestellt werden konnten.\nBeweisschwierigkeiten rechtfertigten keine generelle Beweiserleichterung -\netwa im Sinne einer Beweislastumkehr. Es mussten die allgemein anerkannten\nBeweisgrundsatze zur Anwendung kommen. Die strafrechtliche Beweisregel "zu\nGunsten des Angeklagten" lasse sich im sozialen Entschadigungsrecht nicht\numdeuten in eine Beweisregel "zu Gunsten des Opfers". Die Staatsanwaltschaft\nhabe das Ermittlungsverfahren eingestellt. Tatzeugen seien nicht vorhanden.\nDie personliche Aussage der Beigeladenen zu 2. sei als Nachweis fur einen\nvorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen Angriff nicht ausreichend.\n\nIn der Folgezeit bekraftigte die Beigeladene zu 2. am 17. August 1998 ihren\nfruheren Antrag vom 18. April 1998 und legte am 11. September 1998 Widerspruch\ngegen die ablehnende Entscheidung vom 17. Februar 1998 ein. Sie stellte eine\nZustellung des Bescheides vom 17. Februar 1998 in Abrede und machte geltend,\ndas Verhalten des Beigeladenen zu 1. habe sich nahtlos in eine ganze Kette\ngewaltsamer Übergriffe gegen sie eingegliedert, wobei sie sich immer wieder\ngeradezu unverstandlich rucksichtsvoll verhalten habe, so dass kaum\nvorstellbar sei, dass sie sich die Vorwurfe gegen den Beigeladenen zu 1.\nausgedacht habe, um diesem zu schaden. Die Verletzungen hatten zu einer\nbleibenden Behinderung des linken Armes und einer entsprechenden dauerhaften\nEinschrankung der Erwerbsfahigkeit gefuhrt. Nur wegen ihrer Rucksichtnahme sei\ndie Sache fur den Beigeladenen zu 1. so glimpflich ausgegangen. Ware das\nStrafverfahren weiter durchgefuhrt worden, so ware der Beigeladene zu 1.\nsicherlich verurteilt worden.\n\nGegen die Einstellung des Strafverfahrens habe sie nichts unternommen, um die\nendlich einmal friedlich und vernunftig angelaufene Auseinandersetzung des\nEigentums an dem Hausanwesen nicht zu storen. Den Einlassungen des\nBeigeladenen zu 1. konne nicht gefolgt werden. Zunachst habe er angegeben, bei\ndem Sturz sei er nicht anwesend gewesen. Dagegen habe er in einer\nStellungnahme seiner Prozessbevollmachtigten mit Datum vom 06. Juni 1997 vor\ndem Familiengericht in Bezug auf das Schadensereignis vortragen lassen, es\nkonne nicht die Rede davon sein, dass er sie, die Beigeladene zu 2., habe\ntoten wollen. Sie sei bei einer Auseinandersetzung der Beigeladenen\nhingefallen und habe sich verletzt. Der Beklagte hat auf die Geltendmachung\nder Verfristung verzichtet und der Beigeladenen zu 2. unter dem 06. Oktober\n1998 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewahrt, den Rechtsbehelf jedoch in\nder Sache durch Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1998 zuruckgewiesen.\nNach wie vor stehe Aussage gegen Aussage. Ein vorsatzlicher, rechtswidriger\ntatlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG sei nicht erwiesen. Entgegen der\nBehauptung der Beigeladenen zu 2. konne in Anbetracht des Vortrags des\nBeigeladenen zu 1. im familiengerichtlichen Verfahren von einem Eingestandnis\nseiner Tat nicht die Rede sein. Auch die erlittenen Verletzungen der\nBeigeladenen zu 2. ließen keine Ruckschlusse auf den Geschehensablauf zu. Sie\nhatten auch durch einen Sturz ohne fremde Einwirkung entstehen konnen.\n\nDer Klagerin ist sowohl der ablehnende Bescheid vom 17. Februar 1998 als auch\nder Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1998 in Kopie mitgeteilt worden.\nEine formliche Zustellung der genannten Entscheidungen an die Klagerin ist\nnicht erfolgt.\n\nMit ihrer am 23. Marz 1998 erhobenen Klage hat die Klagerin in der Eigenschaft\nals dem Beklagten gegenuber denkbar nachrangig verpflichtete\nKrankenversicherung der Beigeladenen zu 2. - aus dem Recht ihrer Versicherten,\nder Beigeladenen zu 2. - die Feststellung der bei dem Schadensereignis am 23.\nFebruar 1997 in W. erlittenen Verletzungen der Beigeladenen zu 2. als\nSchadigungsfolgen i.S.d. OEG begehrt sowie die Verurteilung des Beklagten\nerstrebt, die von der Klagerin fur die Beigeladene zu 2. anlasslich des\nSchadensereignisses vom 23. Februar 1997 in W. bereits erbrachten und kunftig\nnoch zu erbringenden Aufwendungen zu erstatten - dies unter Aufhebung des\nBescheides des Beklagten vom 17. Februar 1998. Im Zusammenhang mit der\nBehandlung der Verletzungen der Beigeladenen zu 2. aus dem Schadensereignis\nvom 23. Februar 1997 habe sie, die Klagerin, bisher mehr als 25.000,00 DM\naufwenden mussen. Der Beigeladene zu 1. habe ausweislich des Schreibens seiner\nProzessbevollmachtigten mit Datum vom 27. November 1997 (Blatt... der GA)\neingeraumt, einen Tatbeitrag zu dem Sturz der Beigeladenen zu 2. geleistet zu\nhaben. Auch die von der Beigeladenen zu 2. erlittenen Verletzungen legten den\nvon ihr berichteten Geschehensablauf nahe. Verletzungen der hier vorliegenden\nArt wurden regelmaßig nur dann auftreten, wenn ein Sturz durch Fremdeinwirkung\nverursacht worden sei.\n\nDer Beklagte hat die Auffassung vertreten, die von der Beigeladenen zu 2.\nerlittenen Verletzungen konnten durchaus auf einen Sturz ohne Fremdeinwirkung\nzuruckzufuhren sein.\n\nDer Beigeladene zu 1. hat bestritten, die Beigeladene zu 2. in den Rucken\ngestoßen oder sie getreten zu haben. Die Beigeladene zu 2. sei vielmehr von\nselbst hingefallen und habe sich verletzt; moglicherweise sei sie an der - von\noben gesehen - 4\\. Stufe, wo die Gummileiste beschadigt gewesen sei,\nhangengeblieben. Ausweislich des in der offentlichen Sitzung des Amtsgerichts\nS. vom 12. November 1998 im Verfahren 37 C 631/98 zu Protokoll festgestellten\nVergleichs habe er sich zwischenzeitlich mit der Beigeladenen zu 2. geeinigt.\nIm Übrigen entspreche es einem Mindestmaß an Selbstverantwortung, einen\ngewaltbereiten Ehepartner durch Beleidigungen oder Tatlichkeiten nicht\nherauszufordern. Die Beigeladene zu 2. habe es in der Vergangenheit stets\ndarauf angelegt, ihn zu provozieren.\n\nDas Sozialgericht fur das Saarland (SG) hat in der offentlichen Sitzung vom\n20. Mai 1999 Beweis erhoben uber den Hergang des Unfallereignisses vom 23.\nFebruar 1997 durch Vernehmung der Beigeladenen zu 2. als Zeugin. Wegen des\nErgebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20. Mai 1999\nBezug genommen.\n\nDurch Urteil vom 20. Mai 1999 hat das SG auf der Grundlage der Vernehmung der\nBeigeladenen zu 2. unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 17.\nFebruar 1998 der Klage stattgegeben und festgestellt, der Beigeladene zu 1.\nhabe die Beigeladene zu 2. mit einem heftigen Fußtritt in den rechten\nRuckenbereich die zur Wohnung fuhrende Treppe hinunter gestoßen, als die\nBeigeladene zu 2. im Begriff gewesen sei, die erste Stufe hinab zusteigen. Da\ndie Beigeladene zu 2. in der rechten Hand eine Tasche mit sich gefuhrt und mit\ndem linken Arm Kleidungsstucke getragen habe, sei sie nicht in der Lage\ngewesen, sich am Treppengelander festzuhalten, um dem Sturz entgegenzuwirken.\nDie Wucht des Fußtritts habe zur Folge gehabt, dass die Beigeladene zu 2. uber\ndie Treppenstufen hinweg geflogen und am Fußende der Treppe mit der linken\nKorperhalfte auf dem Boden aufgeprallt sei. Hierdurch hatten sich die\nanschließend im Krankenhaus diagnostizierten Verletzungen ergeben. In\nAnbetracht der Tatsache, dass durch den Aufprall ausschließlich die linke\nKorperhalfte der Beigeladenen zu 2. zu Schaden gekommen sei, komme dem in der\nrechten Flanke festgestellten Hamatom besondere Bedeutung zu. Zur Überzeugung\nder Kammer handele es sich hierbei um die Folgen des von der Beigeladenen zu\n2. beschrieben Fußtritts in den rechten Ruckenbereich. Die Glaubwurdigkeit der\nBeigeladenen zu 2. werde durch die polizeiliche Aussage der Zeugin L. vom 18.\nMarz 1997 gestutzt, zu welcher sich die Beigeladene zu 2. unverzuglich nach\ndem schadigenden Ereignis begeben habe. Fur die Kammer sei es einleuchtend,\ndass die nach dem schweren Sturz unter Schock stehende Beigeladene zu 2. -\nunter dem Eindruck des unmittelbaren Geschehens - eine wahrheitsgetreue\nSchilderung abgegeben habe. Sie sei nicht dazu in der Lage gewesen, eine\nGeschichte zu erfinden, in welche die erkennbaren Fakten passgenau hatten\neingeordnet werden mussen. Besonders die spontane Bezeichnung des Beigeladenen\nzu 1. als „Morder" deute darauf hin, welche Rolle sie dem Beigeladenen zu 1.\nbeim Ablauf des Geschehens zugemessen habe. Die Richtigkeit des von der\nBeigeladenen zu 2. geschilderten Geschehensablaufes erfahre auch dadurch eine\nBestatigung, dass ihr insbesondere die Reaktion des Beigeladenen zu 1. nach\ndem tatlichen Angriff erinnerlich gewesen sei. Dieser habe zu der hilflos und\nverletzt am Boden liegenden Beigeladenen zu 2. sinngemaß gesagt: "Marie, warum\nrennst du auch so", ohne ihr Hilfe zu leisten. Die zynische Haltung des\nBeigeladenen zu 1., der die gesamte Situation offenbar als Erfolgserlebnis\nempfunden habe, beherrsche die Erinnerung der Beigeladenen zu 2. an das\nschadigende Ereignis. Zwar habe die Beigeladene zu 2. in ihrer polizeilichen\nAussage angegeben, die linke Hand sei frei gewesen, als der Beigeladene zu 1.\nsie die Treppe hinunter gestoßen habe. Diese fehlende Übereinstimmung sei\njedoch nicht geeignet, Zweifel an der Glaubwurdigkeit der Beigeladenen zu 2.\nzu wecken. Die Beigeladene zu 2. habe in der rechten Hand eine Tasche getragen\nund sich folglich an dem rechtsseitigen Treppengelander nicht festhalten\nkonnen. Sie sei damit gehalten gewesen, freihandig die Treppe hinab zu gehen,\nwas die Tatausfuhrung durch den Beigeladenen zu 1. erleichtert habe.\n\nGegen das ihm am 04. Juni 1999 zugestellte Urteil hat der Beigeladene zu 1.\nmit einem am 28. Juni 1999 beim hiesigen Gericht eingegangenen Schriftsatz\nBerufung eingelegt, mit der er die Aufhebung des angegriffenen Urteils\nerstrebt.\n\nEr erhebt die Ruge mangelnder Sachaufklarung und macht im Weiteren geltend,\ndas SG habe bei seinem Urteil die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG)\nvom 12. Mai 1997 (Az. B 9 VG 8/97) nicht berucksichtigt. Das SG habe die\nFrage, ob ein Versagungsgrund nach § 2 OEG vorliege, uberhaupt nicht gepruft.\nDas BSG habe entschieden, dass einem Opfer dann ein Mitverursachungsbeitrag an\nseiner Schadigung zugerechnet werden musse, wenn es sich bewusst oder\nleichtfertig der Gefahr einer Schadigung ausgesetzt habe. Er halte daran fest,\ndie Beigeladene zu 2. weder in den Rucken gestoßen noch getreten zu haben. Fur\nden Fall, dass sich der Sachverhalt so darstelle, wie ihn die Beigeladene zu\n2. wiedergegeben habe, konne er sich die Diskrepanz zu seiner eigenen Aussage\nnur so erklaren, dass es ihm infolge des erheblichen Alkoholgenusses an einem\nhinreichenden Erinnerungsvermogen an den Ablauf der Tat fehle. Auf jeden Fall\nmusse von einer Beziehungstat ausgegangen werden. Er und die Beigeladene zu 2.\nseien verheiratet gewesen. Die Beigeladene zu 2. habe sich einem anderen Mann\nzugewandt. Es sei durch diese Handlungsweise enttauscht und gekrankt worden.\nVon dem Verhaltnis der Beigeladenen zu 2. habe er in der Gaststatte „B."\nerfahren, wo sie abends als Bedienung tatig gewesen sei. Die Beigeladene zu 2.\nhabe zumindest leichtfertig gehandelt, als sie an dem fraglichen Tag in die\nWohnung gegangen sei, um ihre Kleider mitzunehmen. Im Hinblick auf die kurz\nzuvor stattgefundenen Vorfalle und seine offensichtliche Alkoholisierung hatte\nsie davon absehen mussen, mit ihm in die Wohnung zu fahren. Er sei kein\nschlechter Mensch und habe der Beigeladenen zu 2. das gemeinsame Anwesen\nuberlassen, ohne einen Zugewinnausgleich zu fordern. Zurzeit wohne er mit ihr\nunter einem Dach, wobei er Miete zahle. Soweit die Beigeladene zu 2. zuvor\nerklart habe, sie wolle ihn in ihrem Leben nicht mehr sehen\n(Vernehmungsprotokoll vom 27. Februar 1997), habe sie diesen Willen nicht\ndauerhaft verwirklicht. Es bestehe deshalb sehr wohl die Moglichkeit, dass\nihre damalige Aussage ubertrieben oder ganz falsch gewesen sei. Jedenfalls\nhabe das SG zu Unrecht davon Abstand genommen, ihn als Zeugen zu dem Vorfall\nzu vernehmen.\n\nSoweit der Sachverstandige Prof. Dr. W. in seinem vom erkennenden Senat im\nLaufe des Berufungsverfahrens angeforderten Gutachten vom 26. Oktober 2006\nausgefuhrt habe, ein akzidenteller Treppensturz ohne Tritteinwirkung sei etwas\nwahrscheinlicher als ein Treppensturz mit Tritteinwirkung, spreche dies fur\nihn (den Beigeladenen zu 1.). Er habe stets in Abrede gestellt, die\nBeigeladene zu 2. getreten zu haben. Es bestehe die Moglichkeit, dass die\nBeigeladene zu 2. an der beschadigten Gummileiste der 4. Treppenstufe hangen\ngeblieben sei.\n\nDer Beigeladene zu 1. beantragt,\n\n> das Urteil des Sozialgerichts fur das Saarland vom 20. Mai 1999 aufzuheben\n> und die Klage abzuweisen.\n\nDer Beklagte schließt sich diesem Antrag an.\n\nEr fuhrt aus, das SG habe in seinen Entscheidungsgrunden zu Unrecht das\nVorliegen von Versagungsgrunden nach § 2 OEG nicht gepruft. Bei dem\ngeschilderten Sachverhalt musse davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene\nzu 2. zumindest leichtfertig gewesen sei, als sie am 23. Februar 1997 ihre\nKleidung aus der fruheren Ehewohnung mitgenommen habe. Im Übrigen konne den\nAusfuhrungen des Sachverstandigen Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 26.\nOktober 2006 gefolgt werden. Danach sei ein vorsatzlicher, rechtswidriger und\ntatlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht erwiesen.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n> die Berufung zuruckzuweisen mit der Maßgabe, dass der Bescheid des Beklagten\n> vom 17. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.\n> Dezember 1998 aufgehoben, und dass festgestellt wird, dass die bei der\n> Beigeladenen zu 2. aufgetretenen Verletzungen, namlich eine\n> Ellenbogenluxationsfraktur links, eine Fraktur der 8. und 9. Rippe links,\n> eine Prellung der rechten Flanke und eine idealstehende Fraktur des Os\n> metacarpale V. Folgen des vorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen Angriffs\n> des Beigeladenen zu 1. vom 23. Februar 1997 sind.\n\nSie halt die Feststellungen des angegriffenen Urteils fur zutreffend. Es lagen\nkeine Grunde vor, welche die Entschadigung als unbillig i.S.d. § 2 OEG\nerscheinen lassen konnten. Zwar sei es zutreffend, dass das SG die Frage des\nVorliegens eines Versagungsgrundes im Sinne des § 2 OEG nicht expressis verbis\ngepruft habe. Den Urteilsgrunden musse jedoch indiziell entnommen werden, dass\ndie Kammer aufgrund der eindeutigen und widerspruchsfreien Aussage der\nBeigeladenen zu 2. keinerlei Anhaltspunkte fur eine Unbilligkeit der\nEntschadigung gesehen habe. Der Einwand des Beigeladenen zu 1., die\nBeigeladene zu 2. habe es in der Vergangenheit stets darauf angelegt, ihn zu\nprovozieren, sei von ihm erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt naher\nthematisiert worden. Unabhangig davon habe sich die Beigeladene zu 2. auch\nnicht leichtfertig in Gefahr begeben. Da die Beigeladene zu 2. nicht mehr in\nder ehelichen Wohnung gewohnt habe, sei sie nicht umhin gekommen, ihre\npersonlichen Sachen zu holen. Sie habe sich deshalb mit dem Beigeladenen zu 1.\nuber den Abholzeitpunkt der Kleider verstandigt. Hierzu sei es zunachst\nerforderlich gewesen, den Beigeladenen zu 1. am Sportplatz abzuholen, um\nuberhaupt in die Wohnung gelangen zu konnen. Soweit ihr vorgeworfen werde, sie\nhabe die Alkoholisierung des Beigeladenen zu 1. erkennen mussen, hatten sich\nAnhaltspunkte fur Ausfallerscheinungen nicht ergeben. Der Beigeladene zu 1.\nsei haufig alkoholisiert gewesen. Im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen\nFall habe sie am Tattag keinerlei Veranlassung zu Gewalttatigkeiten gegeben.\n\nDer von dem Sachverstandigen Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 26. Oktober\n2006 gezogenen Schlussfolgerung, ein akzidenteller Treppensturz ohne\nTritteinwirkung sei etwas wahrscheinlicher als ein Treppensturz mit\nTritteinwirkung konne nicht gefolgt werden. Zum einen relativiere der\nSachverstandige diesen Ansatz selbst, indem er deutlich mache, dass in dieser\ndenkbaren Variante die Prellung in der rechten Flanke nicht nachvollziehbar\nsei. Zum anderen ergebe sich aus den Ausfuhrungen des Gutachters, dass die\nvorhandenen Verletzungen der Beigeladenen zu 2. durch ein unterstelltes\nAusrutschen auf der Treppe kaum erklart werden konnten. Das vom Beigeladenen\nzu 1. in den Raum gestellte Hangenbleiben an der beschadigten Gummileiste der\n4. Stufe erklare - so der Sachverstandige - die erlittenen Verletzungen\nebenfalls nicht.\n\nSofern der Gutachter als weitere Alternative darauf hinweise, dass die Treppe\nim unteren Bereich eine Wendelung von 45° aufweise, dadurch die Treppenstufen\nrechtsseitig schmaler seien als links und es deshalb denkbar sei und auch mit\ndem Verletzungsmuster in Einklang gebracht werden konne, dass sich in diesem\nBereich ein Stolpern zugetragen habe, lasse diese Annahme des Gutachters\nwesentliche Umstande außer Acht. Der Sachverstandige fuhre selbst aus, dass\ndie Treppe ausweislich der in der Ermittlungsakte niedergelegten Daten\nlediglich ca. 1 m breit sei. Werde dann noch berucksichtigt, dass die\nBeigeladene zu 2. unstreitig in der rechten Hand eine Reisetasche mit\nKleidungsstucken getragen habe, sei es außerst unwahrscheinlich, dass sie die\nTreppe rechtsseitig begangen habe. Es liege viel naher, dass sie sich in der\nBiegung links gehalten habe, um mit der Reisetasche nicht anzustoßen und sich\ngegebenenfalls links festhalten zu konnen. Zu berucksichtigen sei auch, dass\nsie die Treppe gekannt habe. Hinzu komme, dass erfahrungsgemaß gewendelte\nTreppen regelmaßig nicht innen, sondern außen begangen wurden, gerade um\nSturze durch die inneren schmaleren Stufen zu vermeiden.\n\nSchließlich mache der Sachverstandige darauf aufmerksam, dass die Lage der\nPrellung in der rechten Flanke und ihr Ausmaß nicht naher beschrieben worden\nsei. Es werde auch nicht mitgeteilt, ob es sich um eine frische Verletzung\ngehandelt habe. Da die Prellung in der rechten Flanke in den arztlichen\nUnterlagen jedoch im Zusammenhang mit den weiteren in jedem Fall frischen\nVerletzungen genannt werde und ein Hinweis darauf fehle, dass es sich dabei um\neine alte Verletzung gehandelt habe, musse davon ausgegangen werden, dass es\nauch insoweit eine frische Verletzung gewesen sei. Bei dieser Sachlage spreche\nmehr dafur, dass sich das schadigende Ereignis so wie von der Beigeladenen zu\n2. geschildert zugetragen habe. In diesem Zusammenhang durfe nicht verkannt\nwerden, dass der Beigeladene zu 1. in weiteren Fallen gegenuber der\nBeigeladenen zu 2. gewalttatig gewesen sei.\n\nDie Beigeladene zu 2. schließt sich dem Antrag der Klagerin an.\n\nSie tragt vor, sie habe sich nur wegen des gemeinsamen Kindes und aus\nfinanziellen Grunden sowie in der Befurchtung, der Beigeladene zu 1. konne in\nder Folgezeit noch gewalttatiger werden, auf ein weiteres Zusammenleben mit\nihm unter einem Dach bei getrennten Wohnungen eingelassen. Die durch den Tritt\ndes Beigeladenen zu 1. mit nachfolgendem Treppensturz erlittenen Verletzungen\nhatten ihre bleibende Erwerbsunfahigkeit ausgelost. In den Bruchbereichen habe\nsich inzwischen eine Arthrose entwickelt, wegen der sie in standiger\narztlicher Behandlung sei. Der behandelnde Chefarzt der chirurgischen\nAbteilung der C.-Klinik R. in S., welcher gegebenenfalls als sachverstandiger\nZeuge gehort werden konne, habe aufgrund seiner eigenen Untersuchung und der\ngefertigten Rontgenbilder noch Jahre nach dem Sturz ohne weiteres feststellen\nkonnen, dass hier der Art nach ein lebensgefahrlicher Sturz uberlebt worden\nsei, der mit einem Ausgleiten auf der Treppe schlechterdings nicht erklart\nwerden konne. Im Übrigen habe das Gutachten des Sachverstandigen Prof. Dr. W.\nvom 26. Oktober 2006 das Unfallereignis vom 23. Februar 1997 nicht aufklaren\nkonnen. Soweit vom Sachverstandigen ihre (der Beigeladenen zu 2.) Schilderung\ndes Treppensturzes vor dem Hintergrund der „Endlage" nach dem Sturz\nproblematisiert werde, musse beachtet werden, dass sie nach dem Sturz nicht\ndas Bewusstsein verloren habe, sondern spater, wenn auch mit Muhe,\nselbststandig aufgestanden sei. Nach einem solchen Sturz bestehe die erste\nunwillkurliche Reaktion aber darin, die etwa noch auf den letzten\nTreppenstufen liegenden Fuße anzuziehen, um sich in eine stabilere Lage zu\nbringen. Sofern von ihr (der Beigeladenen zu 2.) stets ausgesagt worden sei,\nsie habe nach dem Sturz am Ende der Treppe auf dem gefliesten Boden gelegen,\nhabe sich diese Angabe schlechterdings nur auf ihren Oberkorper beziehen\nkonnen.\n\nWegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt\nder Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte und der Ermittlungsakte der\nStaatsanwaltschaft S. (Az. 02 Js 278/97) sowie der Gerichtsakte im\nParallelverfahren S 18 VG 172/99.\n\nDer Senat hat der notwendigen Beteiligung der Beigeladenen zu 2. mit Beschluss\nvom 10. August 2006 Rechnung getragen.\n\nMit Beweisanordnung vom 10. August 2006 ist das oben erwahnte schriftliche\nGutachten des Leiters des Instituts fur Rechtsmedizin der Universitat des\nSaarlandes Prof. Dr. J. W. eingeholt worden zu der Frage, ob aus dem\nVerletzungsmuster der Beigeladenen zu 2. Ruckschlusse auf den\nUnfallmechanismus gezogen werden konnen bzw. inwieweit das sich nach Aktenlage\ndarstellende Unfallgeschehen vom 23. Februar 1997 und der diesbezugliche\nVortrag der Beigeladenen zu 2. zu Ursache und Hergang des Sturzes auf der\nTreppe in der fruheren Ehewohnung in W. schlussig erscheinen.\n\nIn der mundlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 sind die Beteiligten zu 1.\nund 2. informatorisch zum Hergang des Unfallereignisses vom 23. Februar 1997\nbefragt worden.\n\nHinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der informatorischen\nBefragung der Beteiligten zu 1. und 2. wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.\nDezember 2006 verwiesen und auf die Ausfuhrungen des Sachverstandigen in\nseinem Gutachten vom 26. Oktober 2006 nebst erganzender Stellungnahme vom 12.\nDezember 2006.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDie Entscheidung uber die Berufung des Beigeladenen zu 1. hat die Beiladung\nder Beigeladenen zu 2. erforderlich gemacht.\n\nNach § 75 Abs. 2 Alternative 1 SGG sind Dritte beizuladen, die an dem\nstreitigen Rechtsverhaltnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch\nihnen gegenuber nur einheitlich ergehen kann. Dies setzt die Identitat des\nStreitgegenstandes im Verhaltnis beider Parteien und dem Dritten voraus (BSG,\nBeschluss vom 30. November 1982, Az. 2 BU 73/82; Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 75 Rdnr. 10).\n\nDie notwendige Beiladung beinhaltet einen prozessualen Anspruch auf Beiladung.\nUnterbleibt sie, so ist eine das Verfahren betreffende Vorschrift verletzt,\nauf deren Befolgung ein Beteiligter nach § 202 SGG i. V. m. § 295 der\nZivilprozessordnung (ZPO) nicht wirksam verzichten kann (vgl. BSGE Bd. 13 S.\n220). Ein Urteil bei unterbliebener notwendiger Beiladung bleibt unwirksam\n(vgl. OVG Munster in OVGE Bd. 4 S. 10; BayerVGH in DÖV 1950 S. 275); es kann\nnur formelle Rechtskraft erlangen. Es bindet die Prozessbeteiligten also nur\ndurch die Unanfechtbarkeit. Es tritt keine materielle Rechtskraft ein, so dass\nder Streitgegenstand unter denselben Beteiligten nach materiellem und\nProzessrecht zum Gegenstand eines neuen Prozesses gemacht werden kann.\n\nDie Entscheidung daruber, ob die bei der Beigeladenen zu 2. vorliegenden\nGesundheitsschaden auf einen am 23. Februar 1997 vom Beigeladenen zu 1.\nverubten vorsatzlichen tatlichen Angriff zuruckzufuhren sind, kann auch\ngegenuber der Beigeladenen zu 2. nur einheitlich ergehen.\n\nDenn Streitgegenstand ist der Anspruch der Klagerin auf Erstattung der Kosten\nder Krankenhausbehandlung der Beigeladenen zu 2. in Hohe von mehr als\n25.000,00 DM, welche die Klagerin im Rahmen der Familienversicherung nach dem\n5. Buch des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V)\nerbracht hat, sowie weiterer zukunftiger Kosten. Die Entscheidung hieruber\ngreift in die Rechtssphare der Beigeladenen zu 2. unmittelbar ein.\nDementsprechend hat die Beigeladene zu 2. im Parallelverfahren S 18 VG 172/99\nvor dem SG selbst Anspruche auf Entschadigung fur die Folgen des „Ereignisses"\nvom 23. Februar 1997 geltend gemacht und daher ein eigenes Interesse daran,\nfeststellen zu lassen, dass die ihr entstandenen, im Entlassungsbericht der\nC.-Klinik St. T., S., vom 19. Marz 1997 aufgefuhrten Verletzungen auf einen\nvorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen Angriff des Beigeladenen zu 1.\nzuruckzufuhren sind.\n\nDie somit notwendige, in I. Instanz unterbliebene Beiladung der Beigeladenen\nzu 2. hat der Senat mit Beschluss vom 10.April 2006 nachgeholt (vgl. hierzu:\nPeters-Sautter-Wolff, § 75 Anm. 6a).\n\nDie Berufung des nach § 75 Abs. 1 SGG von Amts wegen „einfach" Beigeladenen zu\n1. ist zulassig (§§ 151, 143 SGG). Insbesondere bindet das angegriffene\nerstgerichtliche Urteil vom 20. Mai 1999 den Beigeladenen zu 1., der sich nach\nder kraft Beschlusses des SG vom 06. Juli 1998 erfolgten Beiladung mit\nSchriftsatz seiner Prozessbevollmachtigten vom 25. Februar 1999 am Verfahren\nerster Instanz beteiligt hat und auch im Beweisaufnahmetermin vom 20. Mai 1999\nanwaltlich vertreten war, wie einen Hauptbeteiligten (§§ 69, 141 Abs. 1 SGG),\nvgl. hierzu Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 75\nAnm. 7a). In materieller Hinsicht ist der Beigeladene zu 1. durch die\nBindungswirkung des angefochtenen Urteils in Ansicht seiner Person beschwert.\nDie Feststellung der Versorgungspflichtigkeit des Beklagten nach dem OEG im\nHinblick auf die Folgen aus dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 fuhrt zu\neinem denkbaren Ruckgriff gegen den Beigeladenen zu 1. im Sinne einer cessio\nlegis (§§ 4, 5 Abs. 1 OEG, 81a des Gesetzes uber die Versorgung der Opfer des\nKrieges (Bundesversorgungsgesetz-BVG) in der Fassung vom 22. Februar 1982,\nBGBl. I 21/20. Dezember 1982, BGBl. I 1857, zuletzt geandert durch das\nGesundheitsreformgesetz <GRG> vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477).\n\nZur Zulassigkeit seiner Berufung haben sich im Übrigen keine Bedenken ergeben.\n\nDie Berufung des Beigeladenen zu 1. bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das SG\nhat der Klage zu Recht stattgegeben.\n\nDie Klagerin ist berechtigt, den Anspruch der Beigeladenen zu 2. und die\nAufhebung des ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 17. Februar 1998 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 im eigenen Namen und\nrechtlichen Interesse geltend zu machen, und zwar als Bedingung des Erfolges\nihres Ersatzanspruchs (BSGE 34, 289,290 = SozR Nr. 13 zu § 19 BVG mw.N.).\n\nNach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG werden den Krankenkassen, die ihren Versicherten\nLeistungen erbringen, die Aufwendungen erstattet, die durch Behandlung\nanerkannter Schadigungsfolgen entstanden sind (vgl. BSG SozR 3100 § 19 Nrn. 7\nund 9). Schadigungsfolgen sind auch solche, die auf einem vorsatzlichen,\nrechtswidrigen tatlichen Angriff beruhen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Obwohl der\nBeklagte einen Versorgungsanspruch der Beigeladenen zu 2. in diesem\nRechtsverhaltnis bisher nicht anerkannt hat, ist die Klagerin berechtigt, ihre\ndenkbaren Erstattungsanspruche gegenuber dem Beklagten zu verfolgen. Zwar kann\neine Krankenkasse ohne den Antrag des Opfers ihren Erstattungsanspruch nicht\ndurchsetzen (BSGE 63, 204, 206 = SozR 3100 § 19 Nr. 17 und BSGE 63, 204, 206 =\nSozR 3100 § 19 Nr. 19). Ist jedoch ein solcher Antrag - wie hier - einmal\ngestellt, darf ihn die Krankenkasse weiter verfolgen (BSG SozR 2200 § 205 Nr.\n55; USK 82124; BSGE 52, 281, 283 = SozR 3800 § 2 Nr. 3). Dies hatte schon in\ndem Verwaltungsverfahren zwischen der Beigeladenen zu 2. und dem Beklagten\ngeschehen konnen, soweit die Klagerin hieran, was nach § 12 Abs. 2 Satz 2 des\n10. Buchs des Sozialgesetzbuchs - jetzt: Sozialverwaltungsverfahren und\nSozialdatenschutz - (SGB X) geboten ist, beteiligt worden ware (vgl. BSGE 52,\n281, 283 und USK 82124). Eine solche Beteiligung ist zum damaligen Zeitpunkt\nunterblieben. Der Beklagte hat der Klagerin lediglich Mitteilung vom\nVerfahrensstand gemacht, ihr jedoch weder seinen Bescheid vom 17. Februar 1998\nnoch den Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1998 zugestellt. Im\nanschließenden Parallelrechtsstreit der Beigeladenen zu 2. gegen den Beklagten\nvor dem SG ist bis zur Aussetzung des Verfahrens eine Beiladung der Klagerin\nnicht erfolgt, so dass auch dort fur die Klagerin keinerlei Moglichkeit\nbestand, ihre Rechtsposition durch eigene Antrage zu verfolgen.\n\nMangels Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 an die\nKlagerin ist Letztere neben der Durchsetzung ihrer Erstattungsanspruche auch\nbefugt, die der Beigeladenen zu 2. erteilten ablehnenden Bescheide insoweit\nanzufechten, als dies fur eine erfolgreiche Klage erforderlich sein sollte;\ndie Klagefrist hat namlich im Verhaltnis zur Klagerin nicht zu laufen begonnen\n(§§ 87, 85 Abs. 3 SGG). Der Klagerin gegenuber sind die streitgegenstandlichen\nBescheide nicht materiell rechtskraftig geworden. Mithin steht der Anfechtung\ndes Bescheides des Beklagten vom 23. Februar 1998 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 kein prozessuales Hindernis im\nWege.\n\nIn der mundlichen Verhandlung vor dem Senat vom 19. Dezember 2006 hat die\nKlagerin ihr Leistungsbegehren ausdrucklich auf die Anerkennung ganz\nbestimmter Schadigungsfolgen erstreckt. Dementsprechend bedurfte der Tenor des\nangegriffenen Urteils vom 20. Mai 1999 hinsichtlich der einzelnen\nVerletzungen, die die Beigeladene zu 2. als Folge der Schadigung vom 23.\nFebruar 1997 erlitten hat, und der bei ihr (der Beigeladenen zu 2.)\neingetretenen Schadensfolgen einer entsprechenden Klarstellung. Im Weiteren\nwar der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 1998 (als jungste\nFassung des angefochtenen Bescheides vom 17. Februar 1998) in den\nEntscheidungsausspruch mit aufzunehmen.\n\nMit dieser Maßgabe war die Berufung zuruckzuweisen, denn nach dem Ergebnis der\nBeweisaufnahme durch Einholung des schriftlichen Sachverstandigengutachtens\nProf. Dr. W. vom 26. Oktober 2006 nebst erganzender Stellungnahme vom 12.\nDezember 2006 sowie in Anbetracht der Angaben der Beigeladenen in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat vom 19. Dezember 2006 steht zur\nÜberzeugung des Senats fest, dass die im Entlassungsbericht der C.-Klinik St.\nT., S., vom 19. Marz 1997 aufgefuhrten Verletzungen der Beigeladenen zu 2.,\nnamlich\n\n> 1\\. Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und\n> Radiuskopfchenfraktur sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li.,\n\n> 2\\. Fraktur der 8. und 9. Rippe li.,\n\n> 3\\. Prellung re. Flanke,\n\n> 4\\. dealstehende Fraktur des Os metacarpale V.\n\nFolge eines vorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen Angriffs des Beigeladenen\nzu 1. vom 23. Februar 1997 sind.\n\nDemgemaß hat die Klagerin einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen, die\nihr durch die Behandlung der bei der Beigeladenen zu 2. eingetretenen\nSchadigungsfolgen entstanden sind und noch entstehen werden\n(Heilbehandlungskosten). Mithin wendet sie sich auch zu Recht gegen den\nBescheid des Beklagten vom 17. Februar 1998 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998.\n\nZur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Beigeladene zu 1. die\nBeigeladene zu 2. am 23. Februar 1997 mit einem heftigen Fußtritt in den\nBereich der rechten Flanke die zur fruheren Ehewohnung in W. gehorende Treppe\nhinunter gestoßen hat, als die Beigeladene zu 2. im Begriff war, die erste\nStufe hinab zu steigen. Die Wucht des Fußtritts hatte zur Folge, dass die\nBeigeladene zu 2. die Treppe hinunterfiel und hierbei mit der linken\nKorperhalfte auf die Treppe bzw. den Boden prallte. Hierdurch zog sie sich die\nim Entlassungsbericht der C.-Klinik St. T., S., vom 19. Marz 1997 aufgefuhrten\nFrakturen und Prellungen zu.\n\nDie Überzeugung des Senats beruht auf den gutachtlichen Äußerungen des\nSachverstandigen Dr. W., auf der informatorischen Anhorung der Beigeladenen in\nder mundlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 sowie auf dem von den\nBeigeladenen gewonnenen personlichen Eindruck.\n\nEntgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 1. kommt eine Vernehmung seiner\nPerson als Zeuge zu den Vorgangen in der ehelichen Wohnung am 23. Februar\n1997, die zu dem Treppensturz der Beigeladenen zu 2. gefuhrt haben, nicht in\nBetracht. Ein Beteiligter kann nicht als Zeuge vernommen werden, vgl. hierzu\nPeters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 75 Anm. 7 a).\n\nIn I. Instanz ist die notwendige Beiladung der Geschadigten/ Versicherten und\nspateren Beigeladenen zu 2. unterlassen worden; deren Vernehmung als Zeugin\nhatte nicht erfolgen durfen, insoweit beruht das erstgerichtliche Urteil auf\neinem Verfahrensmangel; wird im sozialgerichtlichen Verfahren ein notwendig\nBeizuladender erst in der II. Instanz beigeladen, so konnen die von ihm in der\nI. Instanz als Zeuge gemachten Aussagen allerdings als solche verwertet\nwerden; das sozialgerichtlichen Verfahren kennt nicht die Parteivernehmung, es\ngibt auch keine Vorschriften uber einen etwaigen unterschiedlichen Beweiswert\nzwischen Zeugenaussage und der Anhorung eines Beigeladenen, vgl. hierzu BSG 3.\nSenat (Az. 3/12 RK 47/74, Beschluss vom 29. August 1975).\n\nDie Angaben des Beigeladenen zu 1. anlasslich seiner informatorischen\nBefragung im Termin vom 19. Dezember 2006 waren im Wesentlichen davon gepragt,\ndass er vortrug, er konne sich an die damaligen Vorgange konkret nicht\nerinnern und keine Angaben zu seinen fruheren Einlassungen im Rahmen der\npolizeilichen Vernehmungen machen. Damit konnten zahlreiche sich im Lichte\nseiner fruheren Schilderungen des Vorfalls vom 23. Februar 1997 ergebenden\nWiderspruchlichkeiten seiner Angaben nicht mehr aufgeklart werden.\n\nAusweislich des Berichts der Polizeiinspektion K. vom 23. Februar 1997 hat der\nBeigeladene zu 1. am Tag des zu bewertenden Ereignisses gegenuber den POM La.\nund Be. erklart, die Beigeladene zu 2. sei mit einem Waschekorb in den Armen\ndie Treppe hinunter gegangen und hierbei gesturzt. Die Zeugin L. hat bei ihrer\ndamaligen Vernehmung angegeben, der Beigeladene zu 1. habe ihr am 23. Februar\n1997 (gegen 21.00 Uhr) gesagt, der Sturz der Beigeladenen zu 2. sei dadurch zu\nStande gekommen, dass sie (die Beigeladene zu 1.) in Badelatschen vollbepackt\nmit Kleidern die Treppe habe hinab gehen wollen. Am 26. Februar 1997 hat der\nBeigeladene zu 1. als Beschuldigter laut des von ihm unterschriebenen\nVernehmungsprotokolls des PHM Fr. wieder von Kleidern gesprochen, welche von\nder Beigeladenen zu 2. die Treppe hinunter getragen worden seien. Soweit der\nBeigeladene zu 2. im Weiteren zunachst angegeben hatte, vor dem\nUnfallereignis, zu Hause und auf dem Sportplatz in W., 11 Flaschen Bier a 0,33\nl getrunken zu haben (Polizeibericht des POM Be. vom 23. Februar 1997), ist\nhernach von 9 Flaschen Bier die Rede gewesen (6 Flaschen auf dem Sportplatz, 2\nFlaschen zu Hause vor, und 1 Flasche nach dem Vorfall). Er (der Beigeladene zu\n1.) sei nicht betrunken gewesen (Protokoll uber die Beschuldigtenvernehmung\nvom 26. Februar 1997).\n\nDem Inhalt der protokollierten Vernehmungen ist von dem Beigeladenen zu 1.\nhernach mehrfach widersprochen worden (er konne sich wegen des erheblichen\nAlkoholgenusses nicht mehr an den Ablauf der Tat erinnern <Seite 2 des\nSchriftsatzes mit Datum vom 10. Februar 2000> zu der Aussage bei der\npolizeilichen Vernehmung vom 26. Februar 1997, er sei nicht betrunken gewesen;\ndie Beigeladene zu 2. sei mit einem Waschekorb in den Armen die Treppe\nhinunter gegangen <Bericht der Polizeiinspektion K. vom 23. Februar 1997> zu\nden Angaben bei der Vernehmung vom 26. Februar 1997, das habe er nicht\ngesagt).\n\nUnklar ist auch geblieben, wie der Beigeladene zu 1. im Rahmen seiner fruheren\nVernehmungen davon gewusst haben will, was die Beigeladene zu 2. zum Zeitpunkt\ndes Sturzes bzw. kurz zuvor in den Handen getragen hat, wenn er - wie spater\nangegeben - auf der Toilette saß. Hierzu hat der Beigeladene zu 1. in der\nmundlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 - ausweichend - angegeben, seine\nfruhere Frau sei mehrfach die Treppe hinauf und hinunter gegangen, er habe nur\ngesehen, dass sie Kleidungsstucke getragen habe.\n\nAuf Vorhalt seines Vortrags im Scheidungsverfahren vor dem\nAmtsgericht/Familiengericht S. (Schriftsatz mit Datum vom 06. Juni 1997 als\nAnlage zum Widerspruchsschriftsatz der Beigeladenen zu 2. vom 10. September\n1998) - es konne nicht die Rede davon sein, das er die Beigeladene zu 2. habe\ntoten wollen; es sei so gewesen, dass die Beigeladene zu 2. bei einer\nAuseinandersetzung der Beigeladenen hingefallen sei und sich verletzt habe -\nhat der Beigeladene zu 1. im Termin vom 19. Dezember 2006 auch auf mehrfaches\nBefragen hin erklart, er konne nicht mehr sagen, was damals los gewesen sei.\n\nIm Weiteren hat der Beigeladene zu 1. eingeraumt, der besagte Tag sei nicht\nharmonisch gewesen. Er sei zwar nicht wutend gewesen, habe sich aber geargert,\nweil er vom Sportplatz nach Hause musste. Er und die Beigeladene zu 2. hatten\nsich nicht gestritten. Dass die Beigeladene zu 2. ihre Sachen abgeholt habe,\nsei fur ihn nicht aufregend gewesen. Er habe die Sachen ja nicht wegwerfen\nkonnen.\n\nAuf weiteres Befragen hat der Beigeladene zu 1. hinzugefugt, er habe deshalb\nmit der Beigeladenen zu 2. fahren mussen, weil er im Besitz des Schlussels zum\nHaus gewesen sei. Die Beigeladene zu 2. habe keinen Schlussel mehr gehabt. Auf\nVorhalt, dass er seinen Schlussel der Beigeladenen zu 2. hatte geben konnen\nund warum er das nicht gemacht habe, hat der Beigeladene zu 1. erklart, das\nwisse er auch nicht mehr; das hatte man auch so machen konnen. Alsdann hat er\nausgefuhrt, er habe schon dabei sein wollen, wenn die Beigeladene zu 2. Sachen\nherausholt, damit sie keine Sachen mitnimmt, die ihm gehoren. An dieser\nÄußerung muss sich der Beigeladene zu 1. festhalten lassen, auch wenn seine\nsonstigen Angaben wenig ergiebig gewesen sind.\n\nDie Beigeladene zu 2. hat bei ihrer Anhorung in der mundlichen Verhandlung vom\n19. Dezember 2006 ausgesagt, der Beigeladene zu 1. sei vor dem besagten\nVorfall auf Schritt und Tritt hinter ihr her gewesen und habe zwischendurch\ndie Toilette nicht aufgesucht.\n\nDie Aussage der Beigeladenen zu 2. ist im Gegensatz zu den Angaben des\nBeigeladenen zu 1. schlussig, weitgehend frei von Widerspruchen und fugt sich\nnachvollziehbar in den Gesamtzusammenhang ein. Insoweit ist glaubhaft, dass es\nder Beigeladenen zu 2. nicht daran gelegen ist, den Beigeladenen zu 1. zu\nUnrecht fur ein hypothetisches, ohne Fremdeinwirkung verursachtes Stolpern in\nAnspruch zu nehmen.\n\nDie Glaubwurdigkeit der Beigeladenen zu 1. fußt im Wesentlichen auf ihrer\nAussagekonstanz im Kernbereich des Geschehens.\n\nDie Beigeladene zu 2. hat bei ihrer Vernehmung im R.-Krankenhaus S. durch den\nPHM Fr. nach dem Wortlaut des von ihr unterschriebenen Protokolls vom 27.\nFebruar 1997 ausgesagt, eine mit Pullovern bepackte Reisetasche in der rechten\nHand getragen zu haben, die linke Hand sei frei gewesen, als sie - auf der\nobersten Treppenstufe stehend - einen heftigen Tritt oder Schlag oberhalb der\nrechten Gesaßhalfte verspurt habe, gerade als sie im Begriff gewesen sei,\neinen Schritt nach unten zu machen. Der hinter ihr stehende Beigeladene zu 1.\nhabe zu ihr gesagt, jetzt werde er ihr das Genick brechen. Sie habe sich nicht\nmehr halten konnen und sei in hohem Bogen die Treppe hinunter geflogen.\n\nDie Zeugin L. konnte im Rahmen ihrer Vernehmung vom 18. Marz 1997 angeben, die\nBeigeladene zu 2. habe gegen 19:00 Uhr bei ihr (der Zeugin) ans Fenster\ngeklopft und nach Betreten ihres (der Zeugin) Hauses einen sehr verstorten\nEindruck gemacht und geweint. Es sei ihr (der Beigeladenen zu 2.) anzumerken\ngewesen, dass sie starke Schmerzen hatte; auch habe sie mit der rechten Hand\nihren schlaff herunterhangenden linken Oberarm festgehalten. Die Beigeladene\nzu 2. habe sehr viel gesprochen und sei mit den Nerven am Ende gewesen. Sie\nhabe behauptet, der Beigeladene zu 1. sei ein Morder. Nach und nach habe die\nBeigeladene zu 2. erzahlt, sie sei in ihrer fruheren Wohnung gewesen und habe\nsich mit dem Beigeladenen zu 1. uber das Haus und den Unterhalt unterhalten.\nSie (die Beigeladene zu 2.) habe angegeben, oberhalb der Treppe gestanden zu\nhaben, der Beigeladene zu 1. habe sie getreten und die Treppe hinunter\ngestoßen. Danach habe er ihr nicht geholfen, sondern sich neben sie\nhingestellt und nur gelacht.\n\nWie bereits das SG in seinem angefochtenen Urteil vom 20. Mai 1999 ausgefuhrt\nhat, ist es einleuchtend, dass die nach dem schweren Sturz unter Schock\nstehende Beigeladene zu 2. unter dem Eindruck des unmittelbaren Geschehens\neine wahrheitsgetreue Schilderung der Ereignisse abgegeben hat. Der Senat\nkonnte sich in Anbetracht des personlichen Eindrucks der Beigeladenen zu 2. in\nder mundlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 davon uberzeugen, wie sehr\ndas damalige Ereignis vom 23. Februar 1997 bei der Beigeladenen zu 2. noch\nheute im Sinne einer starken Einschuchterung und seelischen Belastung\nzuruckwirkt.\n\nEine Bestatigung dieser Angaben durch Aussagen der Zeugin L. war indessen\nnicht mehr moglich, da die Zeugin nach Mitteilungen der Post und der\nBeigeladenen zu 2. mittlerweile verstorben ist.\n\nDer Beigeladene zu 1. hat daruber hinaus in diesem Zusammenhang im\nfamiliengerichtlichen Verfahren schriftsatzlich eingeraumt, es konne nicht die\nRede davon sein, dass er die Beigeladene zu 2. habe toten wollen. Sie (die\nBeigeladene zu 2.) sei bei einer Auseinandersetzung der Beigeladenen\nhingefallen und habe sich verletzt. Auch das spricht letzten Endes fur den\nVortrag der Beigeladenen zu 2., zumal der Beigeladene zu 1. nichts zu sagen\nwusste, was eine andere Interpretation hatte naheliegend erscheinen lassen.\n\nDas streitgegenstandliche Schadensereignis vom 23. Februar 1997 steht im\nzeitlichen Zusammenhang mit insgesamt 5 fruheren zur Anzeige gebrachten\nVorfallen (25. Dezember 1996 - Strafanzeige wegen Sachbeschadigung,\nHausfriedensbruch; 28. Dezember 1996 _-_ Verdacht der Korperverletzung und\nversuchten Notigung; 26. Januar 1997/ 27. Januar 1997 - Sachbeschadigung am\nAuto der Beigeladenen zu 2. und ihres Freundes; 02. Februar 1997 - Verdacht\nder Bedrohung) und zwei spateren Schadensereignissen (25. Juli 1998 -\nHausfriedensbruch, Notigung, Bedrohung, Verstoße gegen das Waffengesetz; 17.\nOktober 1998 - Verdacht der Bedrohung). Wegen des Verstoßes gegen das\nWaffengesetz ist gegen den Beigeladenen zu 1. durch Strafbefehl des\nAmtsgerichts S. (Az. 24 Js 1270/98) eine Geldstrafe von 30 Tagessatzen zu je\n40,00 DM, zusammen 1.200,00 DM verhangt worden. Die Tathandlungen vom 23.\nDezember 1997 (in der Anklageschrift vom 09. Februar 1999 ist das Datum\nfehlerhaft bezeichnet, gemeint war offensichtlich der 23. Februar 1997), 28.\nDezember 1997, 02. Februar 1997, 25. Juli 1998 und 17. Oktober 1998 - darunter\nder streitgegenstandliche Angriff - sind unter dem 09. Februar 1999 im\nVerfahren 2 Js 278/97 zur Anklage gelangt. Mit Beschluss des Amtsgerichts S.\nvom 14. Dezember 1999 (Az. 35- 242/99) ist das Verfahren gegen den\nBeigeladenen zu 1. endgultig eingestellt worden (§§ 153,153a der\nStrafprozessordnung <StPO>), nachdem er eine Geldbuße in Hohe von insgesamt\n1.000,00 DM gezahlt hat.\n\nDiese Vorfalle zeigen, dass sich der Beigeladene zu 1. sowohl vor als auch\nnach dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 gewaltsam gegenuber der\nBeigeladenen zu 2. verhalten hat, und lassen die Angaben der Beigeladenen zu\n2. insgesamt plausibel erscheinen.\n\nAm 23. Februar 1997 fehlte es aus Sicht des Beigeladenen zu 1. auch nicht an\neinem konkreten Anlass fur eine Auseinandersetzung. Er hatte sich laut seiner\nEinlassung in der offentlichen Sitzung vom 19. Dezember 2006 daruber geargert,\nwegen des Wunsches der Beigeladenen zu 2., aus der fruheren Ehewohnung\nKleidungsstucke abzuholen, fruher als geplant vom Sportplatz nach Hause zu\nmussen.\n\nDie Schilderung des Sturzgeschehens durch die Beigeladene zu 2. wird durch die\nAusfuhrungen des Sachverstandigen Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 26.\nOktober 2006 nebst erganzender Stellungnahme vom 12. Dezember 2006 nicht\nwiderlegt.\n\nDer Sachverstandige hat zum Beweisthema ausgefuhrt, bei den nur unzureichenden\nAnknupfungspunkten und Feststellungen zu den Verletzungen sei eine sichere\nZuordnung der diagnostizierten Verletzungen zu einem bestimmten\nGeschehensablauf nicht moglich. Aus gutachtlicher Sicht erscheine ein\nakzidenteller Treppensturz ohne Dritteinwirkung etwas wahrscheinlicher, wobei\ndann allerdings die Prellung in der rechten Flanke nicht ausreichend erklart\nwerden konne. Andererseits fehlten Verletzungsmuster, die bei einem durch\nTritt verursachten Sturz eher zu erwarten gewesen waren, und gleichzeitig\nstutze auch die Endlage der Beigeladenen zu 2. nicht ausreichend einen solchen\nVorgang.\n\nVon den Beigeladenen werde ubereinstimmend angegeben, die Beigeladene zu 2.\nhabe nach dem Sturz am Ende der Treppe auf dem gefliesten Boden gelegen. Gehe\nman davon aus, dass der Sturz von der obersten Treppenstufe aus erfolgt sei,\nso hatte die Beigeladene zu 2. aufgrund der ortlichen Gegebenheiten und der\nBeschaffenheit der Treppe mit Kopf und Oberkorper voraus auf den Fliesen, mit\nden Beinen jedoch noch auf den unteren Treppenstufen zum Liegen kommen mussen.\nWeiterhin ware wegen der erheblichen Beschleunigung durch einen Tritt mit\nnachfolgendem Sturz kopfuber nach vorne ein Anprall an der Glasscheibe in\nVerlangerung der Treppe zu erwarten gewesen. Die Beigeladene zu 2. habe\ninsoweit angegeben, in hohem Bogen uber die gesamte Treppe hinweg geflogen zu\nsein, ohne einzelne Stufen zu beruhren. Ein solcher Anprall an die Glasscheibe\nsei jedoch weder beschrieben noch aus den Verletzungen bzw. aus der Endlage\nerkennbar.\n\nEine vollstandige Endlage auf dem Fliesenboden vor der Treppe erscheine\nhingegen nachvollziehbar, wenn man ein Sturzgeschehen erst kurz vor oder in\nder Biegung der Treppe annehme. Andererseits lasse die Prellung im rechten\nFlankenbereich durchaus daran denken, dass es sich hierbei um eine Trittfolge\ngehandelt habe. In dem zuletzt ausgefuhrten moglichen Verlauf des\nUnfallgeschehens konne die Prellung jedoch nicht problemlos erklart werden.\nÜber das Alter dieser Verletzung sowie ihre Ausdehnung oder Form fehle es an\nAngaben. Eine solche Verletzung habe beispielsweise auch durch einen Anstoß\nohne direkten Zusammenhang mit dem gegenstandlichen Treppensturz zustande\nkommen konnen.\n\nDiese Ausfuhrungen des Sachverstandigen schließen gleichwohl die Feststellung\ndes von der Klagerin behaupteten Geschehensablaufs eines Treppensturzes der\nBeigeladenen zu 2. infolge eines Fußtritts des Beigeladenen zu 1. als\nvorsatzlicher rechtswidriger und tatlicher Angriff i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1\nOEG nicht aus. Der Gutachter konnte im Rahmen seiner Einschatzung im\nWesentlichen nur von dem Vorbringen der Beigeladenen zu 2. bzw. ihren Aussagen\nzum konkreten Sturzereignis ausgehen. Die Schlussfolgerungen des\nSachverstandigen sind in Anbetracht der durch vier Farbfotos dokumentierten\nUnfallstelle und des im Tatortbericht des PHM Fr. vom 13. Marz 1997\nwiedergegebenen Aufmasses der Treppe nicht zwingend.\n\nNach Auffassung des Senats bedarf schon das von der Beigeladenen zu 2.\ngeschilderte subjektive Erleben des „Hinabfliegens der Treppe in hohem Bogen"\neiner zuruckhaltenden Bewertung, zumal die Beigeladene zu 2. - wohl infolge\ndes Schocks - weder unmittelbar nach dem Sturz noch spater dazu in der Lage\nwar, Angaben daruber zu machen, ob sie sich dabei mehrmals uberschlagen hat\noder ob sie die Treppe hinab gerollt ist. Gleiches gilt in Bezug auf die\nEndlage der Beigeladenen zu 2. nach dem Sturz (Kopf nach vorne zur Glasture\nhin oder zur Treppe hin, Liegen auf dem Bauch, auf der Seite oder auf dem\nRucken). Soweit die Beigeladene zu 2. erstmals im Termin vor dem Senat vom 19.\nDezember 2006 gemutmaßt hat, sie musse etwa auf halber Hohe der Treppe\naufgeschlagen sein, da ihr im Nachhinein dort eine Beschadigung aufgefallen\nsei, die es vorher an der Treppe nicht gegeben habe und die sie sich nicht\nanders erklaren konne, erscheint diese Annahme nach der allgemeinen\nlebenspraktischen Erfahrung - bei einem wuchtigen Tritt in die Flanke -\ndurchaus wahrscheinlicher, als ein „Abheben" des Korpers der Beigeladenen zu\n2. uber die gesamte Lange der Treppe, ohne einzelne Stufen zu beruhren. Der\nAusdruck „im hohen Bogen" ist nach Auffassung des Senats eher\numgangssprachlicher Übertreibung als konkreter Sachverhaltsschilderung\nzuzuschreiben. Auf Seite 10 des Gutachtens vom 26. Oktober 2006 fuhrt der\nSachverstandige hierzu aus, ein Sturz mit primarem Aufkommen auf den linken\nuberstreckten Arm und darauf folgendem Aufprall mit der linken Brustkorbseite\nund der linken Schulter (auf einer Treppenstufe) ware als Unfallmechanismus\nmit den klinisch diagnostizierten Knochenbruchen vereinbar. Ein einfaches\nAusrutschen auf der Treppe sei kaum geeignet, die vorhandenen Verletzungen zu\nerklaren. Es musse weit eher davon ausgegangen werden, dass es sich um ein\nNach-Vorne-Fallen gehandelt habe.\n\nWenngleich ein vollstandiges Aufklaren der Endlage der Beigeladenen zu 2. nach\ndem Treppensturz aus den zuvor genannten Grunden nicht mehr moglich erscheint,\nergibt sich nach Auffassung des Senats dennoch als wahrscheinlichste Annahme\nein Nach-Vorne-Fallen der Beigeladenen zu 2. mit Aufschlagen auf der Treppe\nnach verabreichtem Tritt. Hierdurch - und nur so - lassen sich in jedem Fall\nschlussig die Prellung in der rechten Flanke der Beigeladenen zu 2. erklaren,\nwie auch die Verletzungen auf der linken Korperseite durch Aufprall auf\ndieselbe (geringere Rotationskomponente um die Hochachse bei Schragstellung\ndes Korpers zum Zeitpunkt des Trittes oder Stoßes) sowie das Verzogern der\nVorwartsbewegung durch Aufschlagen auf der Treppe, so dass ein mit dem\nVerletzungsbild nicht in Einklang zu bringender Anprall an der sich in\nunmittelbarer Nahe zum Ende der Treppe befindlichen Glasture nachvollziehbar\nausscheidet.\n\nHiergegen spricht auch nicht, dass die Beigeladene zu 2. in der mundlichen\nVerhandlung vor dem SG vom 20. Mai 1999 als Zeugin erstmals ausgesagt hat, sie\nhabe in der rechten Hand eine Tasche mitgefuhrt, der linke Arm sei mit\nKleidungsstucken beladen gewesen, als sie in den Rucken getreten worden sei.\nHierbei handelt es sich um Ungenauigkeiten im Randbereich des Geschehens.\nEbenso verhalt es sich letztendlich mit der Frage, ob die Beigeladene zu 2.\ndie Treppe vor dem Sturz einmal oder bereits zweimal begangen hatte. Auch die\nspatere vereinzelte Angabe, sie sei von dem Beigeladenen zu 1. die Treppe\nhinab „geworfen" worden, ist im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang nicht\nschadlich, da hiermit letztlich das gleiche Ergebnis gemeint ist.\n\nGeht man, was der Senat letztlich den Angaben der Beigeladenen zu 2. entnimmt,\ndavon aus, dass sie zwischendurch aufgeschlagen ist, so ist dies durchaus auch\nvereinbar mit den festgestellten Verletzungsmustern. Auf die Zweifel des\nSachverstandigen, diese Verletzungen seien mit einem einzigen Aufschlag am Fuß\nder Treppe nicht vereinbar, kommt es danach nicht mehr an.\n\nMithin ist dem Grunde nach von einem vorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen\nAngriff des Beigeladenen zu 1. auf die Beigeladene zu 2. auszugehen, der die\nzuvor aufgezeigten Schadigungen zur Folge gehabt hat.\n\nVersorgungsleistungen wegen dieser Schadigungsfolgen sind entgegen der\nAuffassung des Beigeladenen zu 1. nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen. Ob\nein solcher anspruchsvernichtender Tatbestand gegeben ist, bestimmt sich\nebenso wie die Verursachung des Schadens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG\ndurch den Tater nach der sozialrechtlichen und speziellen\nversorgungsrechtlichen Kausalitatstheorie der wesentlichen Bedingung (BSGE 49,\n104, 105 = SozR 3800 § 2 Nr. 1; BSGE 50,95,96 = SozR 3800 §2 Nr. 2; zu § 1\nAbs. 1; BSGE 49,98,103 = SozR 3800 §1 Nr. 1). Als wesentliche Bedingung in\ndiesem Sinne ware das Verhalten der Beigeladenen zu 2. zu wurdigen, falls Ihr\nBeitrag zu der eingetretenen Schadigung als mindestens annahernd gleichwertige\nMitursache neben anderen Umstanden, insbesondere dem Tritt durch den\nBeigeladenen zu 1., zu gewichten ware. Ein solches gleichgewichtiges Verhalten\ndes Geschadigten ist dabei in der Regel nur dann als wesentlich bedeutsam fur\nden Erfolg im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG zu beurteilen, wenn es ebenso wie der\nrechtswidrige tatliche Angriff des Schadigers von der Rechtsordnung\nmissbilligt wird (BSGE 52,281,284). Dass die Beigeladene zu 2. den\nBeigeladenen zu 1. in irgendeiner Form provoziert hatte, ist nicht ersichtlich\ngeworden.\n\nHat der Tatbeitrag des Opfers die Schwelle der Mitverursachung nicht erreicht,\nso kann dies im Rahmen der 2. Alt. des § 2 OEG nicht allein, sondern nur aus\nsonstigen, zusatzlichen Grunden zur Unbilligkeit von Versorgungsleistungen\nfuhren (Kunz/Zellner, Kommentar zum OEG, 4. Aufl. 1999, § 2 Rdnr. 7 m.w.N). Es\nkommen neben tatbezogenen auch tatunabhangige Umstande in Betracht, wie z.B.\neine enge Beziehung in hauslicher Gemeinschaft trotz dauernder Gefahrenlage,\naus der man sich mit einem Mindestmaß an Selbstverantwortung hatte befreien\nkonnen; wenn Leistungen nach dem OEG dem Tater zu Gute kommen konnten; bei\nunsolidem Lebenswandel des Opfers in einer unmoralischen Haltung gegenuber dem\nTater in einem unmoralischen Umfeld der Tat als gruppenspezifisches Verhaltnis\nauch außerhalb kriminellen Verhaltens (wohl z.B. im Stadtstreicher-, Drogen-\nund Alkoholikermilieu); im Rahmen organisierter Kriminalitat etc. Im Ergebnis\nsoll die staatliche Gemeinschaft nicht fur Folgen einer Gesundheitsschadigung\ndurch eine Gewalttat einstehen mussen, wenn die Hilfe „sinnwidrig" ware und\nsich als ungerecht im Lichte der grundlegenden Wertung des Gesetzes unter\nAbwagung des Maßstabs unzulassiger Rechtsausubung und des Grundsatzes der\nVerhaltnismaßigkeit darstellen wurde. All\' dies kann hier nicht angenommen\nwerden.\n\nDer Senat verkennt nicht, dass die Beigeladene zu 2. aus objektiver Sicht am\nTage des Vorfalls Anlass gehabt hatte, dem Beigeladenen zu 1. mit\nentsprechendem Misstrauen zu begegnen. In der Vergangenheit war es mehrfach zu\nkorperlichen Übergriffen des Beigeladenen zu 1. gekommen, der die von der\nBeigeladenen zu 2. vollzogene Trennung und deren Verhaltnis mit einem anderen\nMann offensichtlich nicht hinnehmen konnte. Überdies war der Beigeladene am\n23. Februar 1997 bereits nicht unerheblich alkoholisiert, wenn man nach seinen\nAngaben von einem sog. Nachtrunk in geringem Umfang (1 Bier) ausgeht. Hierzu\nhat die Beigeladene zu 2. allerdings auf Vorhalt glaubhaft ausgefuhrt, der\nBeigeladene zu 1. habe ja immer getrunken, man sehe es ihm nicht an. Insoweit\nist ihre zuvor gemachte Angabe, sie habe von der Alkoholisierung nichts\nbemerkt, aus ihrer (der Beigeladenen zu 2.) Sicht verstandlich. Daruber hinaus\nlebten die Beigeladenen zu diesem Zeitpunkt schon seit mindestens 2 Monaten\ngetrennt. Die Beigeladene zu 2. hatte mit ihrem damals 16 Jahre alten Sohn die\nEhewohnung verlassen, in Heusweiler eine eigene Wohnung angemietet und diese\nUnterkunft vollig neu eingerichtet. Bei dem Treffen am 23. Februar 1997\nhandelte es sich nach der glaubhaften und unwidersprochen gebliebenen\nSchilderung der Beigeladenen zu 2. um das erste Mal des Betretens der\nEhewohnung nach der Trennung in der Absicht, nichts weiteres als eigene\nKleidungsstucke mitzunehmen. Von daher und im Hinblick auf die nach der\nTrennung verstrichene Zeit sowie in Anbetracht des „Ermittlungsdrucks"\ngegenuber dem Beigeladenen zu 1. bestand aus objektiver Sicht kein Anlass fur\ndie Annahme einer zusatzlichen Eskalation der Situation, auch wenn der\nBeigeladene zu 1. nach seinen Angaben im Termin vom 19. Dezember 2006 bei dem\nBesuch des gemeinsamen Hausanwesens durch die Beigeladene zu 2. prasent sein\nwollte, damit die Beigeladene zu 2. keine Sachen mitnimmt, die ihm gehoren.\nHierum ging es aber ersichtlich nicht. Insoweit glaubt der Senat den\nEinlassungen der Beigeladenen zu 2., die in der mundlichen Verhandlung vom 19.\nDezember versichert hat, sie habe nur Kleidungsstucke mitnehmen wollen, sie\nhabe nicht gedacht, dass der Beigeladene zu 1. so was macht.\n\nLetztendlich zeigt auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 2. ca. 1 Jahr\nnach der Trennung wieder in das nunmehr gemeinsam in getrennten Wohnungen\nbewohnte Hausanwesen zuruckkehren konnte - ihr Sohn habe zuruckgewollt, er\nhabe nicht in der Wohnung in Heusweiler bleiben wollen; sie habe das Haus\nhalten wollen, da sie doch nur fur das Haus gearbeitet habe, sonst ware alles\nfort gewesen -, dass die Hoffnung auf eine gutliche Einigung mit dem\nBeigeladenen zu 1. (trotz der Vorfalle in der Vergangenheit) aus dem\nBlickwinkel der Beigeladenen zu 2. nicht aussichtslos war. Eine andauernde\nGefahrenlage zum Zeitpunkt des Vorfalls am 23. Februar 1997 in der durch den\nAngriff zutage getretenen lebensbedrohlichen Qualitat vermag der Senat mithin\nim Ergebnis nicht festzustellen.\n\nDemnach hat die Klagerin wegen der eingetretenen Schadigungsfolgen einen\nAnspruch auf Erstattung ihrer in der Vergangenheit entstandenen Aufwendungen.\nWie weit die Erstattung zuruckreicht, richtet sich nach § 60 BVG, der fur das\nOpferentschadigungsrecht entsprechend gilt. Nach Abs. 1 Satze 1 und 2 BVG sind\ndie Leistungen erst ab Antragstellung zu erbringen, wenn der Antrag spater als\nein Jahr nach Eintritt der Schadigung gestellt wird. Dies ist hier ersichtlich\nnicht der Fall, da die Schadigung am 23. Februar 1997 eingetreten ist und\nAntragstellung bereits am 14. Marz 1997 erfolgte.\n\nDer Beklagte ist nicht nur verpflichtet, der Klagerin die im Zusammenhang mit\ndem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 bereits erbrachten Aufwendungen zu\nerstatten, sondern daruber hinaus auch kunftige Aufwendungen, die auf das\ngenannte Schadensereignis zuruckzufuhren sind (§ 259 ZPO in entsprechender\nAnwendung). Denn die Anspruche der Klagerin sind dem Grunde nach bereits\nentstanden, wobei der Beklagte seine Verpflichtung zur Leistung stets in\nAbrede gestellt hat.\n\nSomit unterliegt die Berufung des Beigeladenen zu 1. im Ergebnis der\nZuruckweisung in Verbindung mit den im Entscheidungsausspruch zum Ausdruck\ngekommenen klarstellenden Maßgaben.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie bezieht sich nur auf die in\nII. Instanz notwendig entstandenen außergerichtlichen Auslagen, da das\nangegriffene Urteil des SG vom 20. Mai 1999 aufrechterhalten worden ist.\n\nGrunde, die Revision zuzulassen, sind nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich.\n\n## Gründe\n\nDie Entscheidung uber die Berufung des Beigeladenen zu 1. hat die Beiladung\nder Beigeladenen zu 2. erforderlich gemacht.\n\nNach § 75 Abs. 2 Alternative 1 SGG sind Dritte beizuladen, die an dem\nstreitigen Rechtsverhaltnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch\nihnen gegenuber nur einheitlich ergehen kann. Dies setzt die Identitat des\nStreitgegenstandes im Verhaltnis beider Parteien und dem Dritten voraus (BSG,\nBeschluss vom 30. November 1982, Az. 2 BU 73/82; Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 75 Rdnr. 10).\n\nDie notwendige Beiladung beinhaltet einen prozessualen Anspruch auf Beiladung.\nUnterbleibt sie, so ist eine das Verfahren betreffende Vorschrift verletzt,\nauf deren Befolgung ein Beteiligter nach § 202 SGG i. V. m. § 295 der\nZivilprozessordnung (ZPO) nicht wirksam verzichten kann (vgl. BSGE Bd. 13 S.\n220). Ein Urteil bei unterbliebener notwendiger Beiladung bleibt unwirksam\n(vgl. OVG Munster in OVGE Bd. 4 S. 10; BayerVGH in DÖV 1950 S. 275); es kann\nnur formelle Rechtskraft erlangen. Es bindet die Prozessbeteiligten also nur\ndurch die Unanfechtbarkeit. Es tritt keine materielle Rechtskraft ein, so dass\nder Streitgegenstand unter denselben Beteiligten nach materiellem und\nProzessrecht zum Gegenstand eines neuen Prozesses gemacht werden kann.\n\nDie Entscheidung daruber, ob die bei der Beigeladenen zu 2. vorliegenden\nGesundheitsschaden auf einen am 23. Februar 1997 vom Beigeladenen zu 1.\nverubten vorsatzlichen tatlichen Angriff zuruckzufuhren sind, kann auch\ngegenuber der Beigeladenen zu 2. nur einheitlich ergehen.\n\nDenn Streitgegenstand ist der Anspruch der Klagerin auf Erstattung der Kosten\nder Krankenhausbehandlung der Beigeladenen zu 2. in Hohe von mehr als\n25.000,00 DM, welche die Klagerin im Rahmen der Familienversicherung nach dem\n5. Buch des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V)\nerbracht hat, sowie weiterer zukunftiger Kosten. Die Entscheidung hieruber\ngreift in die Rechtssphare der Beigeladenen zu 2. unmittelbar ein.\nDementsprechend hat die Beigeladene zu 2. im Parallelverfahren S 18 VG 172/99\nvor dem SG selbst Anspruche auf Entschadigung fur die Folgen des „Ereignisses"\nvom 23. Februar 1997 geltend gemacht und daher ein eigenes Interesse daran,\nfeststellen zu lassen, dass die ihr entstandenen, im Entlassungsbericht der\nC.-Klinik St. T., S., vom 19. Marz 1997 aufgefuhrten Verletzungen auf einen\nvorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen Angriff des Beigeladenen zu 1.\nzuruckzufuhren sind.\n\nDie somit notwendige, in I. Instanz unterbliebene Beiladung der Beigeladenen\nzu 2. hat der Senat mit Beschluss vom 10.April 2006 nachgeholt (vgl. hierzu:\nPeters-Sautter-Wolff, § 75 Anm. 6a).\n\nDie Berufung des nach § 75 Abs. 1 SGG von Amts wegen „einfach" Beigeladenen zu\n1. ist zulassig (§§ 151, 143 SGG). Insbesondere bindet das angegriffene\nerstgerichtliche Urteil vom 20. Mai 1999 den Beigeladenen zu 1., der sich nach\nder kraft Beschlusses des SG vom 06. Juli 1998 erfolgten Beiladung mit\nSchriftsatz seiner Prozessbevollmachtigten vom 25. Februar 1999 am Verfahren\nerster Instanz beteiligt hat und auch im Beweisaufnahmetermin vom 20. Mai 1999\nanwaltlich vertreten war, wie einen Hauptbeteiligten (§§ 69, 141 Abs. 1 SGG),\nvgl. hierzu Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 75\nAnm. 7a). In materieller Hinsicht ist der Beigeladene zu 1. durch die\nBindungswirkung des angefochtenen Urteils in Ansicht seiner Person beschwert.\nDie Feststellung der Versorgungspflichtigkeit des Beklagten nach dem OEG im\nHinblick auf die Folgen aus dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 fuhrt zu\neinem denkbaren Ruckgriff gegen den Beigeladenen zu 1. im Sinne einer cessio\nlegis (§§ 4, 5 Abs. 1 OEG, 81a des Gesetzes uber die Versorgung der Opfer des\nKrieges (Bundesversorgungsgesetz-BVG) in der Fassung vom 22. Februar 1982,\nBGBl. I 21/20. Dezember 1982, BGBl. I 1857, zuletzt geandert durch das\nGesundheitsreformgesetz <GRG> vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477).\n\nZur Zulassigkeit seiner Berufung haben sich im Übrigen keine Bedenken ergeben.\n\nDie Berufung des Beigeladenen zu 1. bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das SG\nhat der Klage zu Recht stattgegeben.\n\nDie Klagerin ist berechtigt, den Anspruch der Beigeladenen zu 2. und die\nAufhebung des ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 17. Februar 1998 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 im eigenen Namen und\nrechtlichen Interesse geltend zu machen, und zwar als Bedingung des Erfolges\nihres Ersatzanspruchs (BSGE 34, 289,290 = SozR Nr. 13 zu § 19 BVG mw.N.).\n\nNach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG werden den Krankenkassen, die ihren Versicherten\nLeistungen erbringen, die Aufwendungen erstattet, die durch Behandlung\nanerkannter Schadigungsfolgen entstanden sind (vgl. BSG SozR 3100 § 19 Nrn. 7\nund 9). Schadigungsfolgen sind auch solche, die auf einem vorsatzlichen,\nrechtswidrigen tatlichen Angriff beruhen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Obwohl der\nBeklagte einen Versorgungsanspruch der Beigeladenen zu 2. in diesem\nRechtsverhaltnis bisher nicht anerkannt hat, ist die Klagerin berechtigt, ihre\ndenkbaren Erstattungsanspruche gegenuber dem Beklagten zu verfolgen. Zwar kann\neine Krankenkasse ohne den Antrag des Opfers ihren Erstattungsanspruch nicht\ndurchsetzen (BSGE 63, 204, 206 = SozR 3100 § 19 Nr. 17 und BSGE 63, 204, 206 =\nSozR 3100 § 19 Nr. 19). Ist jedoch ein solcher Antrag - wie hier - einmal\ngestellt, darf ihn die Krankenkasse weiter verfolgen (BSG SozR 2200 § 205 Nr.\n55; USK 82124; BSGE 52, 281, 283 = SozR 3800 § 2 Nr. 3). Dies hatte schon in\ndem Verwaltungsverfahren zwischen der Beigeladenen zu 2. und dem Beklagten\ngeschehen konnen, soweit die Klagerin hieran, was nach § 12 Abs. 2 Satz 2 des\n10. Buchs des Sozialgesetzbuchs - jetzt: Sozialverwaltungsverfahren und\nSozialdatenschutz - (SGB X) geboten ist, beteiligt worden ware (vgl. BSGE 52,\n281, 283 und USK 82124). Eine solche Beteiligung ist zum damaligen Zeitpunkt\nunterblieben. Der Beklagte hat der Klagerin lediglich Mitteilung vom\nVerfahrensstand gemacht, ihr jedoch weder seinen Bescheid vom 17. Februar 1998\nnoch den Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1998 zugestellt. Im\nanschließenden Parallelrechtsstreit der Beigeladenen zu 2. gegen den Beklagten\nvor dem SG ist bis zur Aussetzung des Verfahrens eine Beiladung der Klagerin\nnicht erfolgt, so dass auch dort fur die Klagerin keinerlei Moglichkeit\nbestand, ihre Rechtsposition durch eigene Antrage zu verfolgen.\n\nMangels Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 an die\nKlagerin ist Letztere neben der Durchsetzung ihrer Erstattungsanspruche auch\nbefugt, die der Beigeladenen zu 2. erteilten ablehnenden Bescheide insoweit\nanzufechten, als dies fur eine erfolgreiche Klage erforderlich sein sollte;\ndie Klagefrist hat namlich im Verhaltnis zur Klagerin nicht zu laufen begonnen\n(§§ 87, 85 Abs. 3 SGG). Der Klagerin gegenuber sind die streitgegenstandlichen\nBescheide nicht materiell rechtskraftig geworden. Mithin steht der Anfechtung\ndes Bescheides des Beklagten vom 23. Februar 1998 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 kein prozessuales Hindernis im\nWege.\n\nIn der mundlichen Verhandlung vor dem Senat vom 19. Dezember 2006 hat die\nKlagerin ihr Leistungsbegehren ausdrucklich auf die Anerkennung ganz\nbestimmter Schadigungsfolgen erstreckt. Dementsprechend bedurfte der Tenor des\nangegriffenen Urteils vom 20. Mai 1999 hinsichtlich der einzelnen\nVerletzungen, die die Beigeladene zu 2. als Folge der Schadigung vom 23.\nFebruar 1997 erlitten hat, und der bei ihr (der Beigeladenen zu 2.)\neingetretenen Schadensfolgen einer entsprechenden Klarstellung. Im Weiteren\nwar der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 1998 (als jungste\nFassung des angefochtenen Bescheides vom 17. Februar 1998) in den\nEntscheidungsausspruch mit aufzunehmen.\n\nMit dieser Maßgabe war die Berufung zuruckzuweisen, denn nach dem Ergebnis der\nBeweisaufnahme durch Einholung des schriftlichen Sachverstandigengutachtens\nProf. Dr. W. vom 26. Oktober 2006 nebst erganzender Stellungnahme vom 12.\nDezember 2006 sowie in Anbetracht der Angaben der Beigeladenen in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat vom 19. Dezember 2006 steht zur\nÜberzeugung des Senats fest, dass die im Entlassungsbericht der C.-Klinik St.\nT., S., vom 19. Marz 1997 aufgefuhrten Verletzungen der Beigeladenen zu 2.,\nnamlich\n\n> 1\\. Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und\n> Radiuskopfchenfraktur sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li.,\n\n> 2\\. Fraktur der 8. und 9. Rippe li.,\n\n> 3\\. Prellung re. Flanke,\n\n> 4\\. dealstehende Fraktur des Os metacarpale V.\n\nFolge eines vorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen Angriffs des Beigeladenen\nzu 1. vom 23. Februar 1997 sind.\n\nDemgemaß hat die Klagerin einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen, die\nihr durch die Behandlung der bei der Beigeladenen zu 2. eingetretenen\nSchadigungsfolgen entstanden sind und noch entstehen werden\n(Heilbehandlungskosten). Mithin wendet sie sich auch zu Recht gegen den\nBescheid des Beklagten vom 17. Februar 1998 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998.\n\nZur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Beigeladene zu 1. die\nBeigeladene zu 2. am 23. Februar 1997 mit einem heftigen Fußtritt in den\nBereich der rechten Flanke die zur fruheren Ehewohnung in W. gehorende Treppe\nhinunter gestoßen hat, als die Beigeladene zu 2. im Begriff war, die erste\nStufe hinab zu steigen. Die Wucht des Fußtritts hatte zur Folge, dass die\nBeigeladene zu 2. die Treppe hinunterfiel und hierbei mit der linken\nKorperhalfte auf die Treppe bzw. den Boden prallte. Hierdurch zog sie sich die\nim Entlassungsbericht der C.-Klinik St. T., S., vom 19. Marz 1997 aufgefuhrten\nFrakturen und Prellungen zu.\n\nDie Überzeugung des Senats beruht auf den gutachtlichen Äußerungen des\nSachverstandigen Dr. W., auf der informatorischen Anhorung der Beigeladenen in\nder mundlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 sowie auf dem von den\nBeigeladenen gewonnenen personlichen Eindruck.\n\nEntgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 1. kommt eine Vernehmung seiner\nPerson als Zeuge zu den Vorgangen in der ehelichen Wohnung am 23. Februar\n1997, die zu dem Treppensturz der Beigeladenen zu 2. gefuhrt haben, nicht in\nBetracht. Ein Beteiligter kann nicht als Zeuge vernommen werden, vgl. hierzu\nPeters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 75 Anm. 7 a).\n\nIn I. Instanz ist die notwendige Beiladung der Geschadigten/ Versicherten und\nspateren Beigeladenen zu 2. unterlassen worden; deren Vernehmung als Zeugin\nhatte nicht erfolgen durfen, insoweit beruht das erstgerichtliche Urteil auf\neinem Verfahrensmangel; wird im sozialgerichtlichen Verfahren ein notwendig\nBeizuladender erst in der II. Instanz beigeladen, so konnen die von ihm in der\nI. Instanz als Zeuge gemachten Aussagen allerdings als solche verwertet\nwerden; das sozialgerichtlichen Verfahren kennt nicht die Parteivernehmung, es\ngibt auch keine Vorschriften uber einen etwaigen unterschiedlichen Beweiswert\nzwischen Zeugenaussage und der Anhorung eines Beigeladenen, vgl. hierzu BSG 3.\nSenat (Az. 3/12 RK 47/74, Beschluss vom 29. August 1975).\n\nDie Angaben des Beigeladenen zu 1. anlasslich seiner informatorischen\nBefragung im Termin vom 19. Dezember 2006 waren im Wesentlichen davon gepragt,\ndass er vortrug, er konne sich an die damaligen Vorgange konkret nicht\nerinnern und keine Angaben zu seinen fruheren Einlassungen im Rahmen der\npolizeilichen Vernehmungen machen. Damit konnten zahlreiche sich im Lichte\nseiner fruheren Schilderungen des Vorfalls vom 23. Februar 1997 ergebenden\nWiderspruchlichkeiten seiner Angaben nicht mehr aufgeklart werden.\n\nAusweislich des Berichts der Polizeiinspektion K. vom 23. Februar 1997 hat der\nBeigeladene zu 1. am Tag des zu bewertenden Ereignisses gegenuber den POM La.\nund Be. erklart, die Beigeladene zu 2. sei mit einem Waschekorb in den Armen\ndie Treppe hinunter gegangen und hierbei gesturzt. Die Zeugin L. hat bei ihrer\ndamaligen Vernehmung angegeben, der Beigeladene zu 1. habe ihr am 23. Februar\n1997 (gegen 21.00 Uhr) gesagt, der Sturz der Beigeladenen zu 2. sei dadurch zu\nStande gekommen, dass sie (die Beigeladene zu 1.) in Badelatschen vollbepackt\nmit Kleidern die Treppe habe hinab gehen wollen. Am 26. Februar 1997 hat der\nBeigeladene zu 1. als Beschuldigter laut des von ihm unterschriebenen\nVernehmungsprotokolls des PHM Fr. wieder von Kleidern gesprochen, welche von\nder Beigeladenen zu 2. die Treppe hinunter getragen worden seien. Soweit der\nBeigeladene zu 2. im Weiteren zunachst angegeben hatte, vor dem\nUnfallereignis, zu Hause und auf dem Sportplatz in W., 11 Flaschen Bier a 0,33\nl getrunken zu haben (Polizeibericht des POM Be. vom 23. Februar 1997), ist\nhernach von 9 Flaschen Bier die Rede gewesen (6 Flaschen auf dem Sportplatz, 2\nFlaschen zu Hause vor, und 1 Flasche nach dem Vorfall). Er (der Beigeladene zu\n1.) sei nicht betrunken gewesen (Protokoll uber die Beschuldigtenvernehmung\nvom 26. Februar 1997).\n\nDem Inhalt der protokollierten Vernehmungen ist von dem Beigeladenen zu 1.\nhernach mehrfach widersprochen worden (er konne sich wegen des erheblichen\nAlkoholgenusses nicht mehr an den Ablauf der Tat erinnern <Seite 2 des\nSchriftsatzes mit Datum vom 10. Februar 2000> zu der Aussage bei der\npolizeilichen Vernehmung vom 26. Februar 1997, er sei nicht betrunken gewesen;\ndie Beigeladene zu 2. sei mit einem Waschekorb in den Armen die Treppe\nhinunter gegangen <Bericht der Polizeiinspektion K. vom 23. Februar 1997> zu\nden Angaben bei der Vernehmung vom 26. Februar 1997, das habe er nicht\ngesagt).\n\nUnklar ist auch geblieben, wie der Beigeladene zu 1. im Rahmen seiner fruheren\nVernehmungen davon gewusst haben will, was die Beigeladene zu 2. zum Zeitpunkt\ndes Sturzes bzw. kurz zuvor in den Handen getragen hat, wenn er - wie spater\nangegeben - auf der Toilette saß. Hierzu hat der Beigeladene zu 1. in der\nmundlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 - ausweichend - angegeben, seine\nfruhere Frau sei mehrfach die Treppe hinauf und hinunter gegangen, er habe nur\ngesehen, dass sie Kleidungsstucke getragen habe.\n\nAuf Vorhalt seines Vortrags im Scheidungsverfahren vor dem\nAmtsgericht/Familiengericht S. (Schriftsatz mit Datum vom 06. Juni 1997 als\nAnlage zum Widerspruchsschriftsatz der Beigeladenen zu 2. vom 10. September\n1998) - es konne nicht die Rede davon sein, das er die Beigeladene zu 2. habe\ntoten wollen; es sei so gewesen, dass die Beigeladene zu 2. bei einer\nAuseinandersetzung der Beigeladenen hingefallen sei und sich verletzt habe -\nhat der Beigeladene zu 1. im Termin vom 19. Dezember 2006 auch auf mehrfaches\nBefragen hin erklart, er konne nicht mehr sagen, was damals los gewesen sei.\n\nIm Weiteren hat der Beigeladene zu 1. eingeraumt, der besagte Tag sei nicht\nharmonisch gewesen. Er sei zwar nicht wutend gewesen, habe sich aber geargert,\nweil er vom Sportplatz nach Hause musste. Er und die Beigeladene zu 2. hatten\nsich nicht gestritten. Dass die Beigeladene zu 2. ihre Sachen abgeholt habe,\nsei fur ihn nicht aufregend gewesen. Er habe die Sachen ja nicht wegwerfen\nkonnen.\n\nAuf weiteres Befragen hat der Beigeladene zu 1. hinzugefugt, er habe deshalb\nmit der Beigeladenen zu 2. fahren mussen, weil er im Besitz des Schlussels zum\nHaus gewesen sei. Die Beigeladene zu 2. habe keinen Schlussel mehr gehabt. Auf\nVorhalt, dass er seinen Schlussel der Beigeladenen zu 2. hatte geben konnen\nund warum er das nicht gemacht habe, hat der Beigeladene zu 1. erklart, das\nwisse er auch nicht mehr; das hatte man auch so machen konnen. Alsdann hat er\nausgefuhrt, er habe schon dabei sein wollen, wenn die Beigeladene zu 2. Sachen\nherausholt, damit sie keine Sachen mitnimmt, die ihm gehoren. An dieser\nÄußerung muss sich der Beigeladene zu 1. festhalten lassen, auch wenn seine\nsonstigen Angaben wenig ergiebig gewesen sind.\n\nDie Beigeladene zu 2. hat bei ihrer Anhorung in der mundlichen Verhandlung vom\n19. Dezember 2006 ausgesagt, der Beigeladene zu 1. sei vor dem besagten\nVorfall auf Schritt und Tritt hinter ihr her gewesen und habe zwischendurch\ndie Toilette nicht aufgesucht.\n\nDie Aussage der Beigeladenen zu 2. ist im Gegensatz zu den Angaben des\nBeigeladenen zu 1. schlussig, weitgehend frei von Widerspruchen und fugt sich\nnachvollziehbar in den Gesamtzusammenhang ein. Insoweit ist glaubhaft, dass es\nder Beigeladenen zu 2. nicht daran gelegen ist, den Beigeladenen zu 1. zu\nUnrecht fur ein hypothetisches, ohne Fremdeinwirkung verursachtes Stolpern in\nAnspruch zu nehmen.\n\nDie Glaubwurdigkeit der Beigeladenen zu 1. fußt im Wesentlichen auf ihrer\nAussagekonstanz im Kernbereich des Geschehens.\n\nDie Beigeladene zu 2. hat bei ihrer Vernehmung im R.-Krankenhaus S. durch den\nPHM Fr. nach dem Wortlaut des von ihr unterschriebenen Protokolls vom 27.\nFebruar 1997 ausgesagt, eine mit Pullovern bepackte Reisetasche in der rechten\nHand getragen zu haben, die linke Hand sei frei gewesen, als sie - auf der\nobersten Treppenstufe stehend - einen heftigen Tritt oder Schlag oberhalb der\nrechten Gesaßhalfte verspurt habe, gerade als sie im Begriff gewesen sei,\neinen Schritt nach unten zu machen. Der hinter ihr stehende Beigeladene zu 1.\nhabe zu ihr gesagt, jetzt werde er ihr das Genick brechen. Sie habe sich nicht\nmehr halten konnen und sei in hohem Bogen die Treppe hinunter geflogen.\n\nDie Zeugin L. konnte im Rahmen ihrer Vernehmung vom 18. Marz 1997 angeben, die\nBeigeladene zu 2. habe gegen 19:00 Uhr bei ihr (der Zeugin) ans Fenster\ngeklopft und nach Betreten ihres (der Zeugin) Hauses einen sehr verstorten\nEindruck gemacht und geweint. Es sei ihr (der Beigeladenen zu 2.) anzumerken\ngewesen, dass sie starke Schmerzen hatte; auch habe sie mit der rechten Hand\nihren schlaff herunterhangenden linken Oberarm festgehalten. Die Beigeladene\nzu 2. habe sehr viel gesprochen und sei mit den Nerven am Ende gewesen. Sie\nhabe behauptet, der Beigeladene zu 1. sei ein Morder. Nach und nach habe die\nBeigeladene zu 2. erzahlt, sie sei in ihrer fruheren Wohnung gewesen und habe\nsich mit dem Beigeladenen zu 1. uber das Haus und den Unterhalt unterhalten.\nSie (die Beigeladene zu 2.) habe angegeben, oberhalb der Treppe gestanden zu\nhaben, der Beigeladene zu 1. habe sie getreten und die Treppe hinunter\ngestoßen. Danach habe er ihr nicht geholfen, sondern sich neben sie\nhingestellt und nur gelacht.\n\nWie bereits das SG in seinem angefochtenen Urteil vom 20. Mai 1999 ausgefuhrt\nhat, ist es einleuchtend, dass die nach dem schweren Sturz unter Schock\nstehende Beigeladene zu 2. unter dem Eindruck des unmittelbaren Geschehens\neine wahrheitsgetreue Schilderung der Ereignisse abgegeben hat. Der Senat\nkonnte sich in Anbetracht des personlichen Eindrucks der Beigeladenen zu 2. in\nder mundlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 davon uberzeugen, wie sehr\ndas damalige Ereignis vom 23. Februar 1997 bei der Beigeladenen zu 2. noch\nheute im Sinne einer starken Einschuchterung und seelischen Belastung\nzuruckwirkt.\n\nEine Bestatigung dieser Angaben durch Aussagen der Zeugin L. war indessen\nnicht mehr moglich, da die Zeugin nach Mitteilungen der Post und der\nBeigeladenen zu 2. mittlerweile verstorben ist.\n\nDer Beigeladene zu 1. hat daruber hinaus in diesem Zusammenhang im\nfamiliengerichtlichen Verfahren schriftsatzlich eingeraumt, es konne nicht die\nRede davon sein, dass er die Beigeladene zu 2. habe toten wollen. Sie (die\nBeigeladene zu 2.) sei bei einer Auseinandersetzung der Beigeladenen\nhingefallen und habe sich verletzt. Auch das spricht letzten Endes fur den\nVortrag der Beigeladenen zu 2., zumal der Beigeladene zu 1. nichts zu sagen\nwusste, was eine andere Interpretation hatte naheliegend erscheinen lassen.\n\nDas streitgegenstandliche Schadensereignis vom 23. Februar 1997 steht im\nzeitlichen Zusammenhang mit insgesamt 5 fruheren zur Anzeige gebrachten\nVorfallen (25. Dezember 1996 - Strafanzeige wegen Sachbeschadigung,\nHausfriedensbruch; 28. Dezember 1996 _-_ Verdacht der Korperverletzung und\nversuchten Notigung; 26. Januar 1997/ 27. Januar 1997 - Sachbeschadigung am\nAuto der Beigeladenen zu 2. und ihres Freundes; 02. Februar 1997 - Verdacht\nder Bedrohung) und zwei spateren Schadensereignissen (25. Juli 1998 -\nHausfriedensbruch, Notigung, Bedrohung, Verstoße gegen das Waffengesetz; 17.\nOktober 1998 - Verdacht der Bedrohung). Wegen des Verstoßes gegen das\nWaffengesetz ist gegen den Beigeladenen zu 1. durch Strafbefehl des\nAmtsgerichts S. (Az. 24 Js 1270/98) eine Geldstrafe von 30 Tagessatzen zu je\n40,00 DM, zusammen 1.200,00 DM verhangt worden. Die Tathandlungen vom 23.\nDezember 1997 (in der Anklageschrift vom 09. Februar 1999 ist das Datum\nfehlerhaft bezeichnet, gemeint war offensichtlich der 23. Februar 1997), 28.\nDezember 1997, 02. Februar 1997, 25. Juli 1998 und 17. Oktober 1998 - darunter\nder streitgegenstandliche Angriff - sind unter dem 09. Februar 1999 im\nVerfahren 2 Js 278/97 zur Anklage gelangt. Mit Beschluss des Amtsgerichts S.\nvom 14. Dezember 1999 (Az. 35- 242/99) ist das Verfahren gegen den\nBeigeladenen zu 1. endgultig eingestellt worden (§§ 153,153a der\nStrafprozessordnung <StPO>), nachdem er eine Geldbuße in Hohe von insgesamt\n1.000,00 DM gezahlt hat.\n\nDiese Vorfalle zeigen, dass sich der Beigeladene zu 1. sowohl vor als auch\nnach dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 gewaltsam gegenuber der\nBeigeladenen zu 2. verhalten hat, und lassen die Angaben der Beigeladenen zu\n2. insgesamt plausibel erscheinen.\n\nAm 23. Februar 1997 fehlte es aus Sicht des Beigeladenen zu 1. auch nicht an\neinem konkreten Anlass fur eine Auseinandersetzung. Er hatte sich laut seiner\nEinlassung in der offentlichen Sitzung vom 19. Dezember 2006 daruber geargert,\nwegen des Wunsches der Beigeladenen zu 2., aus der fruheren Ehewohnung\nKleidungsstucke abzuholen, fruher als geplant vom Sportplatz nach Hause zu\nmussen.\n\nDie Schilderung des Sturzgeschehens durch die Beigeladene zu 2. wird durch die\nAusfuhrungen des Sachverstandigen Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 26.\nOktober 2006 nebst erganzender Stellungnahme vom 12. Dezember 2006 nicht\nwiderlegt.\n\nDer Sachverstandige hat zum Beweisthema ausgefuhrt, bei den nur unzureichenden\nAnknupfungspunkten und Feststellungen zu den Verletzungen sei eine sichere\nZuordnung der diagnostizierten Verletzungen zu einem bestimmten\nGeschehensablauf nicht moglich. Aus gutachtlicher Sicht erscheine ein\nakzidenteller Treppensturz ohne Dritteinwirkung etwas wahrscheinlicher, wobei\ndann allerdings die Prellung in der rechten Flanke nicht ausreichend erklart\nwerden konne. Andererseits fehlten Verletzungsmuster, die bei einem durch\nTritt verursachten Sturz eher zu erwarten gewesen waren, und gleichzeitig\nstutze auch die Endlage der Beigeladenen zu 2. nicht ausreichend einen solchen\nVorgang.\n\nVon den Beigeladenen werde ubereinstimmend angegeben, die Beigeladene zu 2.\nhabe nach dem Sturz am Ende der Treppe auf dem gefliesten Boden gelegen. Gehe\nman davon aus, dass der Sturz von der obersten Treppenstufe aus erfolgt sei,\nso hatte die Beigeladene zu 2. aufgrund der ortlichen Gegebenheiten und der\nBeschaffenheit der Treppe mit Kopf und Oberkorper voraus auf den Fliesen, mit\nden Beinen jedoch noch auf den unteren Treppenstufen zum Liegen kommen mussen.\nWeiterhin ware wegen der erheblichen Beschleunigung durch einen Tritt mit\nnachfolgendem Sturz kopfuber nach vorne ein Anprall an der Glasscheibe in\nVerlangerung der Treppe zu erwarten gewesen. Die Beigeladene zu 2. habe\ninsoweit angegeben, in hohem Bogen uber die gesamte Treppe hinweg geflogen zu\nsein, ohne einzelne Stufen zu beruhren. Ein solcher Anprall an die Glasscheibe\nsei jedoch weder beschrieben noch aus den Verletzungen bzw. aus der Endlage\nerkennbar.\n\nEine vollstandige Endlage auf dem Fliesenboden vor der Treppe erscheine\nhingegen nachvollziehbar, wenn man ein Sturzgeschehen erst kurz vor oder in\nder Biegung der Treppe annehme. Andererseits lasse die Prellung im rechten\nFlankenbereich durchaus daran denken, dass es sich hierbei um eine Trittfolge\ngehandelt habe. In dem zuletzt ausgefuhrten moglichen Verlauf des\nUnfallgeschehens konne die Prellung jedoch nicht problemlos erklart werden.\nÜber das Alter dieser Verletzung sowie ihre Ausdehnung oder Form fehle es an\nAngaben. Eine solche Verletzung habe beispielsweise auch durch einen Anstoß\nohne direkten Zusammenhang mit dem gegenstandlichen Treppensturz zustande\nkommen konnen.\n\nDiese Ausfuhrungen des Sachverstandigen schließen gleichwohl die Feststellung\ndes von der Klagerin behaupteten Geschehensablaufs eines Treppensturzes der\nBeigeladenen zu 2. infolge eines Fußtritts des Beigeladenen zu 1. als\nvorsatzlicher rechtswidriger und tatlicher Angriff i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1\nOEG nicht aus. Der Gutachter konnte im Rahmen seiner Einschatzung im\nWesentlichen nur von dem Vorbringen der Beigeladenen zu 2. bzw. ihren Aussagen\nzum konkreten Sturzereignis ausgehen. Die Schlussfolgerungen des\nSachverstandigen sind in Anbetracht der durch vier Farbfotos dokumentierten\nUnfallstelle und des im Tatortbericht des PHM Fr. vom 13. Marz 1997\nwiedergegebenen Aufmasses der Treppe nicht zwingend.\n\nNach Auffassung des Senats bedarf schon das von der Beigeladenen zu 2.\ngeschilderte subjektive Erleben des „Hinabfliegens der Treppe in hohem Bogen"\neiner zuruckhaltenden Bewertung, zumal die Beigeladene zu 2. - wohl infolge\ndes Schocks - weder unmittelbar nach dem Sturz noch spater dazu in der Lage\nwar, Angaben daruber zu machen, ob sie sich dabei mehrmals uberschlagen hat\noder ob sie die Treppe hinab gerollt ist. Gleiches gilt in Bezug auf die\nEndlage der Beigeladenen zu 2. nach dem Sturz (Kopf nach vorne zur Glasture\nhin oder zur Treppe hin, Liegen auf dem Bauch, auf der Seite oder auf dem\nRucken). Soweit die Beigeladene zu 2. erstmals im Termin vor dem Senat vom 19.\nDezember 2006 gemutmaßt hat, sie musse etwa auf halber Hohe der Treppe\naufgeschlagen sein, da ihr im Nachhinein dort eine Beschadigung aufgefallen\nsei, die es vorher an der Treppe nicht gegeben habe und die sie sich nicht\nanders erklaren konne, erscheint diese Annahme nach der allgemeinen\nlebenspraktischen Erfahrung - bei einem wuchtigen Tritt in die Flanke -\ndurchaus wahrscheinlicher, als ein „Abheben" des Korpers der Beigeladenen zu\n2. uber die gesamte Lange der Treppe, ohne einzelne Stufen zu beruhren. Der\nAusdruck „im hohen Bogen" ist nach Auffassung des Senats eher\numgangssprachlicher Übertreibung als konkreter Sachverhaltsschilderung\nzuzuschreiben. Auf Seite 10 des Gutachtens vom 26. Oktober 2006 fuhrt der\nSachverstandige hierzu aus, ein Sturz mit primarem Aufkommen auf den linken\nuberstreckten Arm und darauf folgendem Aufprall mit der linken Brustkorbseite\nund der linken Schulter (auf einer Treppenstufe) ware als Unfallmechanismus\nmit den klinisch diagnostizierten Knochenbruchen vereinbar. Ein einfaches\nAusrutschen auf der Treppe sei kaum geeignet, die vorhandenen Verletzungen zu\nerklaren. Es musse weit eher davon ausgegangen werden, dass es sich um ein\nNach-Vorne-Fallen gehandelt habe.\n\nWenngleich ein vollstandiges Aufklaren der Endlage der Beigeladenen zu 2. nach\ndem Treppensturz aus den zuvor genannten Grunden nicht mehr moglich erscheint,\nergibt sich nach Auffassung des Senats dennoch als wahrscheinlichste Annahme\nein Nach-Vorne-Fallen der Beigeladenen zu 2. mit Aufschlagen auf der Treppe\nnach verabreichtem Tritt. Hierdurch - und nur so - lassen sich in jedem Fall\nschlussig die Prellung in der rechten Flanke der Beigeladenen zu 2. erklaren,\nwie auch die Verletzungen auf der linken Korperseite durch Aufprall auf\ndieselbe (geringere Rotationskomponente um die Hochachse bei Schragstellung\ndes Korpers zum Zeitpunkt des Trittes oder Stoßes) sowie das Verzogern der\nVorwartsbewegung durch Aufschlagen auf der Treppe, so dass ein mit dem\nVerletzungsbild nicht in Einklang zu bringender Anprall an der sich in\nunmittelbarer Nahe zum Ende der Treppe befindlichen Glasture nachvollziehbar\nausscheidet.\n\nHiergegen spricht auch nicht, dass die Beigeladene zu 2. in der mundlichen\nVerhandlung vor dem SG vom 20. Mai 1999 als Zeugin erstmals ausgesagt hat, sie\nhabe in der rechten Hand eine Tasche mitgefuhrt, der linke Arm sei mit\nKleidungsstucken beladen gewesen, als sie in den Rucken getreten worden sei.\nHierbei handelt es sich um Ungenauigkeiten im Randbereich des Geschehens.\nEbenso verhalt es sich letztendlich mit der Frage, ob die Beigeladene zu 2.\ndie Treppe vor dem Sturz einmal oder bereits zweimal begangen hatte. Auch die\nspatere vereinzelte Angabe, sie sei von dem Beigeladenen zu 1. die Treppe\nhinab „geworfen" worden, ist im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang nicht\nschadlich, da hiermit letztlich das gleiche Ergebnis gemeint ist.\n\nGeht man, was der Senat letztlich den Angaben der Beigeladenen zu 2. entnimmt,\ndavon aus, dass sie zwischendurch aufgeschlagen ist, so ist dies durchaus auch\nvereinbar mit den festgestellten Verletzungsmustern. Auf die Zweifel des\nSachverstandigen, diese Verletzungen seien mit einem einzigen Aufschlag am Fuß\nder Treppe nicht vereinbar, kommt es danach nicht mehr an.\n\nMithin ist dem Grunde nach von einem vorsatzlichen, rechtswidrigen tatlichen\nAngriff des Beigeladenen zu 1. auf die Beigeladene zu 2. auszugehen, der die\nzuvor aufgezeigten Schadigungen zur Folge gehabt hat.\n\nVersorgungsleistungen wegen dieser Schadigungsfolgen sind entgegen der\nAuffassung des Beigeladenen zu 1. nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen. Ob\nein solcher anspruchsvernichtender Tatbestand gegeben ist, bestimmt sich\nebenso wie die Verursachung des Schadens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG\ndurch den Tater nach der sozialrechtlichen und speziellen\nversorgungsrechtlichen Kausalitatstheorie der wesentlichen Bedingung (BSGE 49,\n104, 105 = SozR 3800 § 2 Nr. 1; BSGE 50,95,96 = SozR 3800 §2 Nr. 2; zu § 1\nAbs. 1; BSGE 49,98,103 = SozR 3800 §1 Nr. 1). Als wesentliche Bedingung in\ndiesem Sinne ware das Verhalten der Beigeladenen zu 2. zu wurdigen, falls Ihr\nBeitrag zu der eingetretenen Schadigung als mindestens annahernd gleichwertige\nMitursache neben anderen Umstanden, insbesondere dem Tritt durch den\nBeigeladenen zu 1., zu gewichten ware. Ein solches gleichgewichtiges Verhalten\ndes Geschadigten ist dabei in der Regel nur dann als wesentlich bedeutsam fur\nden Erfolg im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG zu beurteilen, wenn es ebenso wie der\nrechtswidrige tatliche Angriff des Schadigers von der Rechtsordnung\nmissbilligt wird (BSGE 52,281,284). Dass die Beigeladene zu 2. den\nBeigeladenen zu 1. in irgendeiner Form provoziert hatte, ist nicht ersichtlich\ngeworden.\n\nHat der Tatbeitrag des Opfers die Schwelle der Mitverursachung nicht erreicht,\nso kann dies im Rahmen der 2. Alt. des § 2 OEG nicht allein, sondern nur aus\nsonstigen, zusatzlichen Grunden zur Unbilligkeit von Versorgungsleistungen\nfuhren (Kunz/Zellner, Kommentar zum OEG, 4. Aufl. 1999, § 2 Rdnr. 7 m.w.N). Es\nkommen neben tatbezogenen auch tatunabhangige Umstande in Betracht, wie z.B.\neine enge Beziehung in hauslicher Gemeinschaft trotz dauernder Gefahrenlage,\naus der man sich mit einem Mindestmaß an Selbstverantwortung hatte befreien\nkonnen; wenn Leistungen nach dem OEG dem Tater zu Gute kommen konnten; bei\nunsolidem Lebenswandel des Opfers in einer unmoralischen Haltung gegenuber dem\nTater in einem unmoralischen Umfeld der Tat als gruppenspezifisches Verhaltnis\nauch außerhalb kriminellen Verhaltens (wohl z.B. im Stadtstreicher-, Drogen-\nund Alkoholikermilieu); im Rahmen organisierter Kriminalitat etc. Im Ergebnis\nsoll die staatliche Gemeinschaft nicht fur Folgen einer Gesundheitsschadigung\ndurch eine Gewalttat einstehen mussen, wenn die Hilfe „sinnwidrig" ware und\nsich als ungerecht im Lichte der grundlegenden Wertung des Gesetzes unter\nAbwagung des Maßstabs unzulassiger Rechtsausubung und des Grundsatzes der\nVerhaltnismaßigkeit darstellen wurde. All\' dies kann hier nicht angenommen\nwerden.\n\nDer Senat verkennt nicht, dass die Beigeladene zu 2. aus objektiver Sicht am\nTage des Vorfalls Anlass gehabt hatte, dem Beigeladenen zu 1. mit\nentsprechendem Misstrauen zu begegnen. In der Vergangenheit war es mehrfach zu\nkorperlichen Übergriffen des Beigeladenen zu 1. gekommen, der die von der\nBeigeladenen zu 2. vollzogene Trennung und deren Verhaltnis mit einem anderen\nMann offensichtlich nicht hinnehmen konnte. Überdies war der Beigeladene am\n23. Februar 1997 bereits nicht unerheblich alkoholisiert, wenn man nach seinen\nAngaben von einem sog. Nachtrunk in geringem Umfang (1 Bier) ausgeht. Hierzu\nhat die Beigeladene zu 2. allerdings auf Vorhalt glaubhaft ausgefuhrt, der\nBeigeladene zu 1. habe ja immer getrunken, man sehe es ihm nicht an. Insoweit\nist ihre zuvor gemachte Angabe, sie habe von der Alkoholisierung nichts\nbemerkt, aus ihrer (der Beigeladenen zu 2.) Sicht verstandlich. Daruber hinaus\nlebten die Beigeladenen zu diesem Zeitpunkt schon seit mindestens 2 Monaten\ngetrennt. Die Beigeladene zu 2. hatte mit ihrem damals 16 Jahre alten Sohn die\nEhewohnung verlassen, in Heusweiler eine eigene Wohnung angemietet und diese\nUnterkunft vollig neu eingerichtet. Bei dem Treffen am 23. Februar 1997\nhandelte es sich nach der glaubhaften und unwidersprochen gebliebenen\nSchilderung der Beigeladenen zu 2. um das erste Mal des Betretens der\nEhewohnung nach der Trennung in der Absicht, nichts weiteres als eigene\nKleidungsstucke mitzunehmen. Von daher und im Hinblick auf die nach der\nTrennung verstrichene Zeit sowie in Anbetracht des „Ermittlungsdrucks"\ngegenuber dem Beigeladenen zu 1. bestand aus objektiver Sicht kein Anlass fur\ndie Annahme einer zusatzlichen Eskalation der Situation, auch wenn der\nBeigeladene zu 1. nach seinen Angaben im Termin vom 19. Dezember 2006 bei dem\nBesuch des gemeinsamen Hausanwesens durch die Beigeladene zu 2. prasent sein\nwollte, damit die Beigeladene zu 2. keine Sachen mitnimmt, die ihm gehoren.\nHierum ging es aber ersichtlich nicht. Insoweit glaubt der Senat den\nEinlassungen der Beigeladenen zu 2., die in der mundlichen Verhandlung vom 19.\nDezember versichert hat, sie habe nur Kleidungsstucke mitnehmen wollen, sie\nhabe nicht gedacht, dass der Beigeladene zu 1. so was macht.\n\nLetztendlich zeigt auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 2. ca. 1 Jahr\nnach der Trennung wieder in das nunmehr gemeinsam in getrennten Wohnungen\nbewohnte Hausanwesen zuruckkehren konnte - ihr Sohn habe zuruckgewollt, er\nhabe nicht in der Wohnung in Heusweiler bleiben wollen; sie habe das Haus\nhalten wollen, da sie doch nur fur das Haus gearbeitet habe, sonst ware alles\nfort gewesen -, dass die Hoffnung auf eine gutliche Einigung mit dem\nBeigeladenen zu 1. (trotz der Vorfalle in der Vergangenheit) aus dem\nBlickwinkel der Beigeladenen zu 2. nicht aussichtslos war. Eine andauernde\nGefahrenlage zum Zeitpunkt des Vorfalls am 23. Februar 1997 in der durch den\nAngriff zutage getretenen lebensbedrohlichen Qualitat vermag der Senat mithin\nim Ergebnis nicht festzustellen.\n\nDemnach hat die Klagerin wegen der eingetretenen Schadigungsfolgen einen\nAnspruch auf Erstattung ihrer in der Vergangenheit entstandenen Aufwendungen.\nWie weit die Erstattung zuruckreicht, richtet sich nach § 60 BVG, der fur das\nOpferentschadigungsrecht entsprechend gilt. Nach Abs. 1 Satze 1 und 2 BVG sind\ndie Leistungen erst ab Antragstellung zu erbringen, wenn der Antrag spater als\nein Jahr nach Eintritt der Schadigung gestellt wird. Dies ist hier ersichtlich\nnicht der Fall, da die Schadigung am 23. Februar 1997 eingetreten ist und\nAntragstellung bereits am 14. Marz 1997 erfolgte.\n\nDer Beklagte ist nicht nur verpflichtet, der Klagerin die im Zusammenhang mit\ndem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 bereits erbrachten Aufwendungen zu\nerstatten, sondern daruber hinaus auch kunftige Aufwendungen, die auf das\ngenannte Schadensereignis zuruckzufuhren sind (§ 259 ZPO in entsprechender\nAnwendung). Denn die Anspruche der Klagerin sind dem Grunde nach bereits\nentstanden, wobei der Beklagte seine Verpflichtung zur Leistung stets in\nAbrede gestellt hat.\n\nSomit unterliegt die Berufung des Beigeladenen zu 1. im Ergebnis der\nZuruckweisung in Verbindung mit den im Entscheidungsausspruch zum Ausdruck\ngekommenen klarstellenden Maßgaben.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie bezieht sich nur auf die in\nII. Instanz notwendig entstandenen außergerichtlichen Auslagen, da das\nangegriffene Urteil des SG vom 20. Mai 1999 aufrechterhalten worden ist.\n\nGrunde, die Revision zuzulassen, sind nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich.\n\n
132,310
vg-freiburg-2004-01-13-1-k-113103
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 1131/03
2004-01-13
2019-01-07 10:14:42
2019-01-17 11:52:11
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Das Begehren des Antragstellers, eines am 31.03.1978 in Deutschland\ngeborenen Staatsangehorigen der Gemeinschaft Serbien und Montenegro, der seit\n17.06.1997 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist, muss\nerfolglos bleiben. Er, der sich vom 21.03.2000 bis 04.05.2000 und erneut\nwieder seit 13.11.2002 in Haft befindet, wendet sich gegen die Entscheidung\ndes Regierungsprasidiums Freiburg vom 23.05.2003, mit der er im Anschluss an\nseine vorherige Anhorung (am 04.04.2000) sofort vollziehbar ausgewiesen wurde\n(Ziff. I. und IV.) und die ihm ferner die Abschiebung nach Serbien und\nMontenegro androht (Ziff. II.) sowie aus der Haft heraus anordnet (Ziff.\nIII.). \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antrag nach § 80 Abs.5 VwGO ist zulassig. Insbesondere ist ein\nRechtsschutzinteresse gegen die sofort vollziehbare aufenthaltsbeendende\nAusweisung und die mit ihr verbundene Abschiebungsandrohung sowie\nAbschiebungsanordnung ungeachtet dessen gegeben, dass Abschiebungsandrohung\nund -anordnung keine vollziehbare Ausreisepflicht voraussetzen (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 29.04.2003 - 11 S 1188/02 - VENSA, sowie erganzend den\nBeschl. v. 16.06.2003 - 11 S 2537/02 - VBlBW 2003, 476). Der Antrag ist jedoch\nunbegrundet: \n--- \n| 3 \n--- \n| **1.)** Die sofortige Vollziehung der Ausweisung ist gemaß § 80 Abs. 2 Satz\n1 Nr.4 VwGO formell ordnungsgemaß angeordnet worden, insbesondere hat das RP\nFreiburg (zu dessen Zustandigkeit fur die Ausweisung und damit auch fur die\nAnordnung des Sofortvollzugs: §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 8 AAZuVO, 80 Abs. 2 Satz 1\nNr. 4 VwGO) eine einzelfallbezogene und ausdruckliche Begrundung im Sinne des\n§ 80 Abs. 3 VwGO gegeben. Zwar ist die hier maßgeblich angefuhrte\nWiederholungsgefahr materielle Voraussetzung fur die Ausweisung nach § 47 Abs.\n2 AuslG. Die dort geregelten Falle besonderer Gefahrlichkeit indizieren jedoch\nzugleich ein besonderes Vollzugsinteresse, so dass es im Bereich einer solchen\nordnungsrechtlichen Maßnahme genugt, wenn die Behorde sich ausweislich der\nBegrundung des Zusammenfallens von Erlass- und Sofortvollzugsinteresse bewusst\ngewesen ist (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 25.06.1998 - 11 S 682/98 -, InfAuslR\n1998, 468). Dem Antrag kann im Rahmen des § 80 Abs.5 VwGO des weiteren auch\nunter materiellen Gesichtspunkten kein Erfolg zukommen. Denn das besondere\noffentliche Interesse an der sofortigen Beendigung des Aufenthalts des\nAntragstellers in Deutschland uberwiegt sein gegenlaufiges privates Interesse,\nbis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hier verbleiben zu konnen. Die\nangefochtene Ausweisung erweist sich bei der im Verfahren des vorlaufigen\nRechtsschutzes gebotenen summarischen Prufung der Sach- und Rechtslage im -\nhier wegen §§ 68 Abs.1 Satz 2 VwGO, 6a AGVwGO - maßgebenden Zeitpunkt des\n28.05.2003 (Zustellung des RP-Bescheids) aller Voraussicht nach als\nrechtmaßig. Die Kammer nimmt in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO\nzunachst Bezug auf die ausfuhrliche Entscheidung des Regierungsprasidiums\n(dort Seite 3 unten bis Seite 9 oben). Erganzend ist anzufuhren: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Auch nach Auffassung der Kammer liegen beim Antragsteller mit sehr hoher\nWahrscheinlichkeit schwerwiegende Grunde der offentlichen Sicherheit und\nOrdnung, die eine Ausweisung rechtfertigen, vor (§ 48 Abs.1 Satz 1 Nr. 2, Satz\n2 AuslG). In Übereinstimmung mit der hochstrichterlichen Rechtsprechung (vgl.\netwa BVerwG, Urt. v. 11.06.1996, DVBl 1997, 170; Urt. v. 28.01.1997, NVwZ\n1997, 1119) hat die Auslanderbehorde zutreffend erkannt, dass ein\nschwerwiegender spezialpraventiver Ausweisungsgrund vorliegt, weil die zum\nAusweisungsanlass genommenen Betaubungsmittelstraftaten (September 1996 bis\nFebruar 1997: Erwerb von Ecstasy und Amphetamin in 24 Fallen, jeweils in\nTateinheit mit Handeltreiben mit diesen Betaubungsmitteln [abgeurteilt durch\nAG V. am 25.08.1998: 10 Monate Jugendstrafe auf Bewahrung]; Marz 1998 bis Marz\n2000: Erwerb von Kokain in 3 Fallen, jeweils in Tateinheit mit gewerbsmaßigem\nHandeltreiben in Tatmehrheit mit Erwerb von Kokain in 27 Fallen, jeweils in\nTateinheit mit gewerbsmaßigem Handeltreiben [abgeurteilt durch AG V. am\n10.04.2001: 24 Monate Jugendstrafe ohne Bewahrung]) hinsichtlich ihrer Art,\nSchwere und Haufigkeit ganz erheblich sind. Aus dem Umstand, dass der\nAntragsteller sich durch die wegen einschlagiger Btm-Taten zur Bewahrung\nausgesetzte Jugendstrafe vom 25.08.1998 nicht hat beeindrucken lassen, sondern\nerneut im Marz 1998 Kokainein- und -verkaufe begonnen und fortgesetzt hat,\nmusste auch fur die Zukunft darauf geschlossen werden, dass eine schwere\nGefahrdung der offentlichen Sicherheit durch neue Verfehlungen des\nAntragstellers ernsthaft droht und somit eine bedeutsame Gefahr fur wichtige\nSchutzguter von ihm ausgeht. Sowohl das kurzfristige Verbringen des\nmittlerweile selbst heroinsuchtigen Antragstellers durch seinen Vater nach\nJugoslawien im Jahr 1997 als auch die stationare Therapie vom 19.01.2000 bis\n16.02.2000 waren erfolglos verlaufen. Auch auslanderrechtliche Verwarnungen\n(durch RP Freiburg am 08.02.1999) hatten keinen Eindruck hinterlassen. Zwar\nbefand sich der Antragsteller im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung etwas\nuber 6 Monate in Strafhaft. Anhaltspunkte dafur, dass dieser - abgesehen von\nvorubergehend sechswochiger Untersuchungshaft im Fruhjahr 2000 - erstmalige\nerhebliche Freiheitsverlust schon entscheidendes Gewicht zugunsten einer ihm\nvorteilhaften Gefahrenprognose haben konnte, gibt es jedoch mit Blick auf\nseine fur die Straftaten kennzeichnenden Personlichkeitsmerkmale nicht. Zu\nUnrecht will der Antragsteller ferner die Berechtigung der spezialpraventiven\nErwagungen des RP Freiburg angesichts einer am 19.10.2001 ferner begangenen\nuneidlichen Falschaussage zugunsten eines Rauschgiftabnehmers (Folge.\nVerurteilung durch AG V. vom 01.10.2002 zu 4 Monaten Freiheitsstrafe ohne\nBewahrung) in Zweifel ziehen. Ebenso wenig kann es angehen, dass er den\nUmstand verharmlost, die am 11.12.2001 begonnene stationare Langzeittherapie\nam 19.06.2002 eigenmachtig wegen zahlreicher Ruckfalle und Gefahrdung der\neigenen Therapie abgebrochen zu haben. Das zeigt nicht zuletzt auch die\nstrafvollstreckungsrechtliche Reaktion des Widerrufs der Aussetzung der\nVollstreckung der Jugendstrafen. Wie das AG V. schließlich im Urteil vom\n01.10.2002 anfuhrt, handelt es sich beim Antragsteller um einen beharrlichen\nTater, der durch den eigenmachtigen Abbruch der Therapie gezeigt hat, auch in\nZukunft seine Vorstellungen uber die der Gesellschaft und der Rechtsordnung zu\nstellen. Anders als im Rahmen des § 46 Nr. 4 AuslG spielt die weiterhin\ngeaußerte Therapiebereitschaft des Antragstellers bei der Ist- und\nRegelausweisung schließlich keine entscheidende Rolle. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Im Übrigen durfte aber ein schwerwiegender Grund auch unabhangig von einer\nweiteren Gefahrlichkeit des Antragstellers vorliegen. Den\nAusweisungstatbestanden des § 47 AuslG liegt zugleich ein generalpraventiver\nGesetzeszweck zugrunde. Dies bedeutet, dass im Falle einer durch erhohten\nAusweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG vorgesehenen Ausweisung diese (auch)\nauf generalpraventive Erwagungen gestutzt werden darf, um andere Auslander zu\neinem ordnungsgemaßen Verhalten in der Bundesrepublik Deutschland zu\nveranlassen. Der erhohte Ausweisungsschutz nach § 48 AuslG wirkt sich\nlediglich insoweit aus, als Ausweisungsgrunde schwerwiegend sein mussen und in\ndiesem Zusammenhang dem Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit besondere Bedeutung\nzukommt. Infolgedessen ist eine Ausweisung aus Grunden der Generalpravention\n(nur) dann zulassig, wenn die Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein\ndringendes Bedurfnis dafur besteht, uber eine etwaige strafrechtliche Sanktion\nhinaus durch Ausweisung andere Auslander von Straftaten ahnlicher Art und\nSchwere abzuhalten (BVerwG, Beschl. v. 16.08.1995 - 1 B 43.95 - InfAuslR 1995,\n404; Armbruster, in: HTK-AuslR, awsch6gg 08/2001 Nr. 10). Ein solcher\nerheblicher generalpraventiver Ausweisungsanlass ist in Fallen gewerbsmaßigen\nHandeltreibens mit Rauschgift zu bejahen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mangels atypischer Umstande in Tat und Person des Antragstellers musste das\nRegierungsprasidium ferner zu Recht die Ausweisung als Regelfall (§ 47 Abs. 3\nSatz 1 AuslG) verfugen. Es ist angesichts der langjahrigen Drogenproblematik\ngerade nicht ersichtlich, dass die den Verurteilungen zugrundeliegenden\nStraftaten als nur situationsbedingtes personlichkeitsfremdes und nicht\nwiederholbares Versagen gewertet werden konnten. Die personlichen Umstande,\nwie sie allgemein auch im Fall der Regelausweisung uber § 45 Abs. 2 AuslG\nBedeutung erlangen konnen, hat die Behorde ferner alle gesehen, und sehr\nwahrscheinlich zutreffend nicht mit dem Gewicht werten mussen bzw. durfen,\nwelches einen atypischen Einzelfall begrunden und die Regelausweisung weiter\nzur Ermessensausweisung herabstufen kann. Es ist insbesondere nicht zu\nbeanstanden, wenn die Behorde trotz Schutzwurdigkeit von familiaren\nBeziehungen (Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. § 45 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) dem\nGefahrenabwehrinteresse den Vorrang eingeraumt hat. Entscheidend ist dabei\nneben der vom Antragsteller ausgehenden hohen Wiederholungsgefahr vor allem,\ndass er auf den Beistand seiner in Deutschland lebenden Eltern und Schwester\nebenso wenig angewiesen ist, wie diese auf ihn. Anhaltspunkte dafur, dass ihm\neine Ruckkehr nach Serbien und Montenegro jenseits der im Gesetz\ntypischerweise angelegten Harte sonst aus inlands- oder zielstaatsbezogenen\nGrunden unzumutbar und deshalb bereits bei der Ausweisung zu beachten ware (§\n45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG i.V.m. §§ 55 Abs.2, 53 AuslG), gibt es ebenfalls nicht. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Kammer kann schließlich auch nicht erkennen, dass die Ausweisung des\nAntragstellers gegen Art. 8 EMRK verstoßt (vgl. dazu, dass die in § 47 Abs. 1\nund Abs. 2 zwingend bzw. fur den Regelfall vorgesehene Ausweisung unter dem\nVorbehalt steht, dass sie sich nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 2 EMRK als\nverhaltnismaßig erweist: VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 14.02.2001 - 13 S 2501/00\n-, AuAS 2001, 112; Beschl. v. 11.10.2000 - 11 S 1206/00 - VBlBW 2001, 196).\nGemaß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und\nFamilienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer\noffentlichen Behorde in die Ausubung dieses Rechts - so Art. 8 Abs. 2 EMRK -\nist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine\nMaßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft fur die nationale\nSicherheit, die offentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des\nLandes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren\nHandlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte\nund Freiheiten anderer notwendig ist. Die Ausweisung des Antragstellers stellt\nsich zwar als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK dar, weil\nsie sein im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt uber 25-jahriges in\nDeutschland entfaltetes Privatleben beeintrachtigt. Dieser Eingriff ist dem\nAntragsteller jedoch zumutbar. Die Ausweisung und die damit verknupfte Pflicht\nzur Ausreise wird ihn in keine Extremsituation bringen, angesichts der nicht\nmehr von einer zumutbaren Rechtsfolge die Rede sein kann. Auf der Seite des\noffentlichen Interesses ist dem Antragsteller gewichtig entgegenzuhalten, dass\nseine Ausweisung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, weil von\nihm eine erhebliche Wiederholungsgefahr fur uberragende Rechtsguter seiner\nMitmenschen (Leben und Gesundheit) ausgeht. Wie der Europaische Gerichtshof\nfur Menschenrechte mehrfach entschieden hat, kann zwar die gebotene\nGesamtabwagung aller personlichen Umstande des von der Maßnahme bedrohten\nAuslanders selbst bei schweren Straftaten und konkreter Wiederholungsgefahr\nergeben, dass diese gleichwohl unverhaltnismaßig ist. Das ist insbesondere der\nFall, wenn der Auslander aufgrund einer Behinderung ohne seine Familie und\nFreunde nicht in der Lage ware, sich emotional und praktisch im Herkunftsland\nzurechtzufinden, wenn die gesamte Familie in die Gesellschaft des Gastlandes\nintegriert bzw. eingeburgert ist und der von der Maßnahme bedrohte Auslander\neine nur unzureichende Ausbildung ausschließlich im Gastland erhalten hat\n(Urt. v. 13.07.1995 - Rs. 18/1994/465/564 - <Nasri>, InfAuslR 1996, 1).\nUnverhaltnismaßig ist sie ferner dann, wenn der Auslander außer seiner\n(formalen) Staatsangehorigkeit keine Bindungen mehr zu dem Herkunftsland\nseiner Eltern, jedoch starke Bindungen im Gastland hat, da er dort geboren\nwurde, und weil seine Eltern und Geschwister sowie seine Ehefrau und Kinder,\ndie die Staatsangehorigkeit des ausweisenden Staates besitzen, dort leben;\ndies gilt sogar bei schwerwiegenden Verstoßen gegen Gesetze zur Bekampfung der\nVerbreitung von Drogen (Urt. v. 26.09.1997 - Rs. 85/1996/704/896 - <Mehemi>,\nInfAuslR 1997, 430). \n--- \n| 8 \n--- \n| Solche besonderen, im Sinne einer personlichen Ausnahmesituation zu Gunsten\ndes Antragstellers sprechenden Umstande, bei denen seine durch die Ausweisung\nerzwungene Ruckkehr und der Aufenthalt in Serbien und Montenegro keiner\nkonkreten menschlichen Realitat mehr entsprachen, gibt es vorliegend jedoch\nsehr wahrscheinlich nicht. Zwar leben seien Eltern und seine Schwester hier;\njenseits dieser nicht durch Beistandselemente gepragten Bindung an erwachsene\nVerwandte hat er aber keine eigene Familie gegrundet. Trotz erfolgreichen\nBerufsfachschulabschlusses hat der Antragsteller ferner seit 1999 nur\ngelegentlich in der elterlichen Gaststatte oder (zuletzt) im Handygeschaft des\nVaters gearbeitet. Dort war sein Arbeitsplatz jedoch gerade zu einem\nHauptumsatzplatz und Anlaufort fur Drogengeschafte geworden (vgl. die\nFeststellungen im Urteil des AG V. vom 10.04.2001, Seiten 3 und 8/9).\nEinburgerungsbemuhungen der anderen Familienmitglieder sind nicht vorgetragen\nworden, der Einburgerungsantrag des Antragstellers vom 08.03.2001 steht\nauffalligerweise in zeitlich nahem Zusammenhang mit der am 14.12.2000\nerfolgten Anklageerhebung - damit wurde das Strafverfahren betrieben, das\nspater am 10.04.2001 zur Verurteilung durch das AG V. fuhren sollte - und ist\nim Übrigen von ihm am 22.09.2003 wieder zuruckgenommen worden. Es gibt dem\ngegenuber keine Hinweise dafur, dass seiner Reintegration in seinen\nHerkunftsstaat Hindernisse von solchem Gewicht entgegenstunden, dass ihnen der\nVorrang gegenuber dem berechtigten offentlichen Interesse daran zukame,\nweiteren, mit hoher Wahrscheinlichkeit drohenden Straftaten des Antragstellers\ndurch seine Ausweisung vorzubeugen. Es muss zwar davon ausgegangen werden,\ndass er letztlich ohne seine Familie allein zuruckkehrt und dass er dort\ntatsachlich keine anderen Verwandten oder sonstige Angehorige hat.\nEntscheidend ist gleichwohl, dass er volljahrig und selbstandig ist und die\nserbokroatische Sprache wenn nicht in der Schrift, so doch mundlich in\nGrundzugen beherrscht (vgl. seine Stellungnahme GAS. 71), so dass eine\nberufliche und soziale Integration nicht bereits an sprachlichen Barrieren\nscheitert (vgl. zum Genugen von Grundzugen der Sprache auch VGH Bad.-Wurtt.,\nUrt. v. 25.07.2001 - 13 S 2401/99 - VBlBW 2002, 78, 80). Angesichts einer\nmoglichen (vor allem: wirtschaftlichen) Unterstutzung durch seine hier\nlebenden Familienangehorigen muss deshalb die Integration in Serbien und\nMontenegro nach zweifellos anfanglichen Schwierigkeiten mittelfristig nicht\nnotwendig ungunstiger als hier sein. Die Heroinsucht des Antragstellers wird\nihm zwar seine Ruckkehr ebenfalls erschweren, zu beachten ist aber, dass er\nhier in Deutschland nicht etwa am Ende einer erfolgreichen Therapie steht,\nsondern diese abgebrochen hat (vgl. die entsprechende Erwagung durch VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 18.02.2003 - 11 S 535/02 - VENSA). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Erweist sich die angefochtene Ausweisungsverfugung hiernach aller\nVoraussicht nach als rechtmaßig, so geht die Kammer ferner mit dem\nAntragsgegner davon aus, dass tatsachlich auch ein besonderes offentliches\nInteresse an der sofortigen Vollziehung der Ausweisung besteht (zur\neigenstandigen Bedeutung des Vollzugsinteresses im Rahmen der\nInteressenabwagung: BVerfG, Beschlusse v. 01.03.2000, DVBl. 2000, 697 und v.\n12.09.1995, NVwZ 1996, 58; VGH Bad.-Wurtt., Beschlusse v. 25.06.1998 - 11 S\n682/98, InfAuslR 1998, 468 und v. 13.03.1997 - 13 S 1132/96, VBlBW 1997, 390).\nAngesichts der vom Antragsteller ausgehenden konkreten und hohen\nWiederholungsgefahr ist ernsthaft zu befurchten, dass er nach der Entlassung\naus dem Strafvollzug wahrend des dann noch nicht abgeschlossenen\nHauptsacheverfahrens erneut in ahnlich schwerwiegender Weise straffallig\nwerden wird. Eine Verhandlung und Entscheidung uber die Klage ist angesichts\nzahlreicher alterer Ausweisungsverfahren derzeit noch nicht absehbar. \n--- \n| 10 \n--- \n| **2.)** Anlass, mit Erfolg fur den vorlaufigen Rechtschutz die\nRechtmaßigkeit von Abschiebungsandrohung und die Abschiebungsanordnung\nernstlich in Zweifel zu ziehen, besteht schließlich ebenfalls nicht, weil die\nVoraussetzungen der §§ 42, 49, 50 AuslG vorliegen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des\nStreitwerts auf §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. \n---\n\n
132,322
fg-baden-wurttemberg-2004-01-14-5-k-44802
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
5 K 448/02
2004-01-14
2019-01-07 10:14:46
2019-01-17 11:52:12
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (Überlassen von Datev) \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager (Kl) war bis 1994 Alleingesellschafter und Geschaftsfuhrer der\nFirma ... GmbH (im Folgenden: ... GmbH). Da das Betriebsgrundstuck seit 1979\nvom Einzelunternehmen des Kl an die ... GmbH vermietet wurde, lag zwischen\nbeiden Unternehmen eine Betriebsaufspaltung vor. Mit Vertrag vom 22. August\n1995 wurde die ... GmbH zum 31. Dezember 1994 mit der Einzelfirma ..., dem\nbisherigen Besitzunternehmen, verschmolzen. Nach § 2 des\nVerschmelzungsvertrages ist als Verschmelzungsbilanz die Bilanz der ... GmbH\nzum 31. Dezember 1994 ohne Aufstockung beim Handelsregister eingereicht\nworden. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Vertragen vom 12. und 13. September 1996 veraußerte der Kl mit Wirkung\nzum 2. Januar 1997 die Einzelfirma. Dabei entstand ein -unstreitiger-\nVeraußerungsgewinn in Hohe von ... DM. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Rahmen einer Betriebsprufung traf der Betriebsprufer in seinem Bericht\nvom 9. Oktober 2000 unter dem Punkt "Gewerbesteuer" u.a. folgende\nFeststellung: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| "4.02 Veraußerungsgewinn \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n| 1997 \n--- \nWert nach Prufung ... DM \nWert vor Prufung 0,00 DM \nDifferenz ... DM \n| 7 \n--- \n| Der Veraußerungsgewinn unterliegt nach § 18 Abs. 4 UmwStG in vollem Umfang\nder Gewerbesteuer. Eine Beschrankung auf die im verschmolzenen Unternehmen\nentstandenen stillen Reserven findet nicht statt." \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte (Bekl) folgte dieser Auffassung und setzte im\nGewerbesteuermessbescheid fur 1997 vom 31. Januar 2002 einen einheitlichen\nGewerbesteuermessbetrag in Hohe von ... DM fest. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene\nKlage. Zur Begrundung tragt der Kl vor, die stillen Reserven, deren Aufdeckung\nzu dem Veraußerungsgewinn gefuhrt hatten, seien ausschließlich in den\nBetriebsgrundstucken enthalten gewesen, die vor der Verschmelzung zum Vermogen\nder Einzelfirma ... also des Personenunternehmens, gehort hatten. Da diese\nGrundstucke somit zu keinem Zeitpunkt Bestandteil des Betriebsvermogens der\n... GmbH gewesen seien, konnten die in diesen Grundstucken enthaltenen stillen\nReserven nicht unter den Regelungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes\n(UmwStG) fallen. Denn § 1 Abs. 5 UmwStG besage, dass die Absatze 1 bis 4 nur\nfur Korperschaften galten, die nach § 1 Korperschaftsteuergesetz (KStG)\nunbeschrankt steuerpflichtig seien. Daraus werde ersichtlich, dass § 18 Abs. 4\nUmwStG nur auf diejenigen stillen Reserven anwendbar sei, die in\nWirtschaftsgutern, die zum Vermogen der ... GmbH gehort hatten, enthalten\ngewesen seien. Dabei sei es unbeachtlich, ob diese stille Reserven bis zum\nZeitpunkt der Verschmelzung oder danach entstanden seien. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| § 18 Abs. 4 UmwStG habe den Zweck, einen Missbrauch der in § 18 Abs. 2\nUmwStG normierten Gewerbesteuerbefreiung zu verhindern. Das konne aber nur\nsolche stillen Reserven betreffen, deren Aufdeckung dem Grunde nach zu einer\nGewerbesteuerpflicht fuhre, also diejenigen der ... GmbH. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Ferner sei zu beachten, dass das UmwStG Umwandlungen gegenuber\nVeraußerungen steuerlich erleichtern solle. Demgemaß konne bei teleologischer\nAuslegung des § 18 Abs. 4 UmwStG eine Besteuerung der im ursprunglichen\nBesitzunternehmen enthaltenen stillen Reserven nicht aufrecht erhalten werden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Letztlich bewirke die Behandlung des Bekl auch eine Ungleichbehandlung.\nUnter der Voraussetzung, dass die Verschmelzung nicht erfolgt ware, waren die\nVeraußerungsgewinne der Einzelfirma und damit die Auflosung der in den\nBetriebsgrundstucken enthaltenen stillen Reserven nicht gewerbesteuerpflichtig\ngewesen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Kl beantragt, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| den Bescheid uber den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1997 vom 31.\nJanuar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2002\nersatzlos aufzuheben. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Bekl beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er vor, es sei zwar unstreitig, dass samtliche stille\nReserven, die zu dem Veraußerungsgewinn gefuhrt hatten, lediglich in den\nfruher der Einzelfirma gehorenden Grundstucken enthalten gewesen seien. Doch\nauch diese stillen Reserven seien gewerbesteuerpflichtig. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| § 18 Abs. 4 UmwStG bestimme, dass Gewinne aus der Auflosung oder\nVeraußerung eines Betriebs der Personengesellschaft ausnahmsweise dann der\nGewerbesteuer unterlagen, wenn diese innerhalb von funf Jahren nach einer wie\nim Streitfall durchgefuhrten Verschmelzung erfolgen. Die Regelung verhindere,\ndass eine Kapitalgesellschaft, deren Liquidationsgewinn grundsatzlich mit\nGewerbesteuer belastet werde, zum Zwecke der Gewerbesteuerersparnis vor der\nLiquidation in eine Personengesellschaft umgewandelt werde, deren\nLiquidationsgewinn nicht der Gewerbesteuer unterliege. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Dies bedeute aber nicht zwangslaufig, dass sich die Gewerbesteuerpflicht\nnur auf die stillen Reserven des verschmolzenen Unternehmens beziehe. Seinem\nWortlaut nach erfasse § 18 Abs. 4 UmwStG samtliche zum Zeitpunkt der Auflosung\noder Veraußerung im Betrieb vorhandenen stillen Reserven. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Beide Beteiligte haben auf die Durchfuhrung einer mundlichen Verhandlung\nverzichtet. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Zu Recht hat der Bekl den gesamten durch die Veraußerung der Firma des Kl am\n12. und 13. September 1996 entstandenen Veraußerungsgewinn in Hohe von ... DM\nder Gewerbesteuer unterworfen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur die Gewerbesteuerpflicht dieses Veraußerungsgewinns ist\n§ 18 Abs. 4 UmwStG. Nach dieser Vorschrift wird der Aufgabe- oder\nVeraußerungsgewinn mit Gewerbesteuer belastet, wenn eine Kapitalgesellschaft\nin eine Personengesellschaft umgewandelt und innerhalb von funf Jahren nach\ndem Vermogensubergang der Betrieb der Personengesellschaft aufgegeben oder\nveraußert wird. Dieser Tatbestand ist durch den Vermogensubergang der ... GmbH\nauf das Einzelunternehmen des Kl am 22. August 1995 und die am 12. und 13.\nSeptember 1996 erfolgte Veraußerung des Einzelunternehmens erfullt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der gewerbesteuerliche Veraußerungsgewinn ist dabei weder nach dem Wortlaut\nnoch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf die auf das Vermogen der\nKapitalgesellschaft entfallenden stillen Reserven beschrankt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 4 UmwStG unterliegt\nder im Betrieb der Personengesellschaft oder der naturlichen Person\nentstehende Aufgabe- oder Veraußerungsgewinn innerhalb eines\nFunfjahreszeitraumes der Gewerbesteuer. Damit wird die Gewerbesteuerpflicht\nbetriebsbezogen definiert. Ist der umgewandelte Betrieb wie im Streitfall bei\nder ubernehmenden naturlichen Person in deren einheitlichen Gewerbebetrieb\ngefallen, unterliegt im Falle einer Veraußerung innerhalb von funf Jahren nach\nder Umwandlung dieses einheitlichen Betriebs auch das bereits vor der\nUmwandlung vorhandene Betriebsvermogen der ubernehmenden naturlich Person der\nGewerbesteuer (Herrmann in Frotscher/Mass, Kommentar zum KStG und UmwStG, § 18\nUmwStG Rz. 44; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 18 UmwStG Anm. 227;\nSchmitt/Hortnagl/Stratz, Kommentar zum Umwandlungsgesetz und UmwStG, 3.\nAuflage 2001, § 18 UmwStG Rz. 36). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine Einschrankung des\nTatbestandes in dem vom Kl begehrten Sinn nicht geboten. Dem Kl ist zwar\nzuzugeben, dass das UmwStG Umwandlungen gegenuber Veraußerungen nicht\nsteuerlich erschweren wollte (vgl. Bericht des Finanzausschusses des\nBundestags - BT- zum Entwurf eines UmwStG, BT-Drucksache 7/5502, Abschnitt I\nNr. 2 a). Es steht dem Gesetzgeber aber frei, auf welchem Weg er sein Anliegen\numsetzt, Missbrauchen im Hinblick auf die Vermeidung der gewerbesteuerlichen\nLiquidationsbesteuerung im Zusammenhang mit der Umwandlung einer\nKapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen zu begegnen. Sein\ngesetzgeberisches Ermessen ist deswegen nicht auf ein Regelungskonzept\nbeschrankt, demzufolge die zunachst gewahrte Steuervergunstigung bei Eintritt\ndes Missbrauchstatbestands ruckwirkend entfallt und damit der (nachtraglich)\nauf den Umwandlungszeitpunkt zu ermittelnde Liquidationsgewinn der\nGewerbesteuer unterliegt. Der Gesetzgeber kann - nicht zuletzt aus Grunden der\nPraktikabilitat - sich auch von der Vorstellung einer uber die Umwandlung\nhinausreichenden, also einer fortdauernden gewerbesteuerrechtlichen\nVerstrickung des Vermogens leiten lassen und demgemaß auf den Veraußerungs-\noder Aufgabegewinn zugreifen, den entweder die Personengesellschaft oder die\nMitunternehmer innerhalb der zur Bestimmung des Missbrauchs vorgesehenen Frist\nerzielen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Ausgestaltung dient auch der Vereinfachung von Umwandlungsvorgangen\nund damit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die vom Kl vertretene\nRechtsauffassung der Beschrankung der Gewerbesteuerpflicht auf die bei der\nverschmolzenen Korperschaft zum Verschmelzungszeitpunkt vorhandener oder\ndanach neu entstehender stiller Reserven ware mit Komplizierungen verbunden.\nUngeachtet der gewahlten Übertragungsmoglichkeit zu Buchwerten ware es bei\ndieser Auffassung unerlasslich, zunachst die im Zeitpunkt der Verschmelzung\nbei dem Personenunternehmen vorhandenen stillen Reserven festzustellen und in\nder Folgezeit auch die im nach der Verschmelzung einheitlichen Betrieb neu\nentstehenden stillen Reserven danach zu differenzieren, ob die\nWirtschaftsguter ursprunglich im Personenunternehmen oder in der\nKapitalgesellschaft angeschafft worden waren. Bei nach der Verschmelzung neu\nangeschafften Wirtschaftsgutern ware eine entsprechende Zuordnung gar nicht\nmehr moglich. Dies konnte vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Da die Klage deshalb keinen Erfolgt hat, hat der Kl die Kosten des\nVerfahrens gemaß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu tragen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Revision war wegen der grundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache gemaß §\n115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Zu Recht hat der Bekl den gesamten durch die Veraußerung der Firma des Kl am\n12. und 13. September 1996 entstandenen Veraußerungsgewinn in Hohe von ... DM\nder Gewerbesteuer unterworfen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur die Gewerbesteuerpflicht dieses Veraußerungsgewinns ist\n§ 18 Abs. 4 UmwStG. Nach dieser Vorschrift wird der Aufgabe- oder\nVeraußerungsgewinn mit Gewerbesteuer belastet, wenn eine Kapitalgesellschaft\nin eine Personengesellschaft umgewandelt und innerhalb von funf Jahren nach\ndem Vermogensubergang der Betrieb der Personengesellschaft aufgegeben oder\nveraußert wird. Dieser Tatbestand ist durch den Vermogensubergang der ... GmbH\nauf das Einzelunternehmen des Kl am 22. August 1995 und die am 12. und 13.\nSeptember 1996 erfolgte Veraußerung des Einzelunternehmens erfullt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der gewerbesteuerliche Veraußerungsgewinn ist dabei weder nach dem Wortlaut\nnoch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf die auf das Vermogen der\nKapitalgesellschaft entfallenden stillen Reserven beschrankt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 4 UmwStG unterliegt\nder im Betrieb der Personengesellschaft oder der naturlichen Person\nentstehende Aufgabe- oder Veraußerungsgewinn innerhalb eines\nFunfjahreszeitraumes der Gewerbesteuer. Damit wird die Gewerbesteuerpflicht\nbetriebsbezogen definiert. Ist der umgewandelte Betrieb wie im Streitfall bei\nder ubernehmenden naturlichen Person in deren einheitlichen Gewerbebetrieb\ngefallen, unterliegt im Falle einer Veraußerung innerhalb von funf Jahren nach\nder Umwandlung dieses einheitlichen Betriebs auch das bereits vor der\nUmwandlung vorhandene Betriebsvermogen der ubernehmenden naturlich Person der\nGewerbesteuer (Herrmann in Frotscher/Mass, Kommentar zum KStG und UmwStG, § 18\nUmwStG Rz. 44; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 18 UmwStG Anm. 227;\nSchmitt/Hortnagl/Stratz, Kommentar zum Umwandlungsgesetz und UmwStG, 3.\nAuflage 2001, § 18 UmwStG Rz. 36). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine Einschrankung des\nTatbestandes in dem vom Kl begehrten Sinn nicht geboten. Dem Kl ist zwar\nzuzugeben, dass das UmwStG Umwandlungen gegenuber Veraußerungen nicht\nsteuerlich erschweren wollte (vgl. Bericht des Finanzausschusses des\nBundestags - BT- zum Entwurf eines UmwStG, BT-Drucksache 7/5502, Abschnitt I\nNr. 2 a). Es steht dem Gesetzgeber aber frei, auf welchem Weg er sein Anliegen\numsetzt, Missbrauchen im Hinblick auf die Vermeidung der gewerbesteuerlichen\nLiquidationsbesteuerung im Zusammenhang mit der Umwandlung einer\nKapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen zu begegnen. Sein\ngesetzgeberisches Ermessen ist deswegen nicht auf ein Regelungskonzept\nbeschrankt, demzufolge die zunachst gewahrte Steuervergunstigung bei Eintritt\ndes Missbrauchstatbestands ruckwirkend entfallt und damit der (nachtraglich)\nauf den Umwandlungszeitpunkt zu ermittelnde Liquidationsgewinn der\nGewerbesteuer unterliegt. Der Gesetzgeber kann - nicht zuletzt aus Grunden der\nPraktikabilitat - sich auch von der Vorstellung einer uber die Umwandlung\nhinausreichenden, also einer fortdauernden gewerbesteuerrechtlichen\nVerstrickung des Vermogens leiten lassen und demgemaß auf den Veraußerungs-\noder Aufgabegewinn zugreifen, den entweder die Personengesellschaft oder die\nMitunternehmer innerhalb der zur Bestimmung des Missbrauchs vorgesehenen Frist\nerzielen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Ausgestaltung dient auch der Vereinfachung von Umwandlungsvorgangen\nund damit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die vom Kl vertretene\nRechtsauffassung der Beschrankung der Gewerbesteuerpflicht auf die bei der\nverschmolzenen Korperschaft zum Verschmelzungszeitpunkt vorhandener oder\ndanach neu entstehender stiller Reserven ware mit Komplizierungen verbunden.\nUngeachtet der gewahlten Übertragungsmoglichkeit zu Buchwerten ware es bei\ndieser Auffassung unerlasslich, zunachst die im Zeitpunkt der Verschmelzung\nbei dem Personenunternehmen vorhandenen stillen Reserven festzustellen und in\nder Folgezeit auch die im nach der Verschmelzung einheitlichen Betrieb neu\nentstehenden stillen Reserven danach zu differenzieren, ob die\nWirtschaftsguter ursprunglich im Personenunternehmen oder in der\nKapitalgesellschaft angeschafft worden waren. Bei nach der Verschmelzung neu\nangeschafften Wirtschaftsgutern ware eine entsprechende Zuordnung gar nicht\nmehr moglich. Dies konnte vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Da die Klage deshalb keinen Erfolgt hat, hat der Kl die Kosten des\nVerfahrens gemaß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu tragen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Revision war wegen der grundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache gemaß §\n115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. \n--- \n---\n\n
132,395
lg-stuttgart-2004-01-29-17-o-67903
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
17 O 679/03
2004-01-29
2019-01-07 10:15:21
2019-01-17 11:52:16
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die einstweilige Verfugung des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2003\nbleibt aufrechterhalten.\n\n2\\. Die Verfugungsbeklagte tragt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.\n\nStreitwert: 40.000,-- Euro\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten im einstweiligen Verfugungsverfahren uber\nurheberrechtliche Anspruche wegen der Verwendung von Bibeltexten der\n„Lutherbibel 1984" auf Horbuchern. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin ist eine gemeinnutzige kirchliche Stiftung des\noffentlichen Rechts. Ihr Satzungszweck ist insbesondere auf die Übersetzung,\nHerstellung und Verbreitung der Bibel in verschiedenen Textfassungen und\nAusgaben gerichtet. Die Verfugungsklagerin setzt sich fur die Verbreitung der\nBibel vor allem im Rahmen der Aktion Weltbibelhilfe und im Weltbund der\nBibelgesellschaften ein. Die Einnahmen aus der Aktion Weltbibelhilfe werden\nzur Forderung der Bibelubersetzung in andere Sprachen und zur weltweiten\nBibelverbreitung eingesetzt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagte ist eine Verlagsgesellschaft, die unter anderem\nHorbucher in Form von Audio-CDs vervielfaltigt und vertreibt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die deutsche Übersetzung der Bibel durch Martin Luther im 16. Jahrhundert\nwurde im 20. Jahrhundert im Rahmen mehrerer sogenannter „Revisionsprozesse"\nbearbeitet. Das Ergebnis dieser Revisionsprozesse war zunachst die\nmittlerweile gemeinfreie Fassung der gesamten Heiligen Schrift aus dem Jahr\n1912 und im Anschluss daran die Revisionsfassungen speziell des Neuen\nTestaments aus den Jahren 1956, 1975 und 1984. Nachdem die Revisionsfassung\ndes Neuen Testaments aus dem Jahr 1975 wegen ihrer zum Teil sehr freien und\nvon der ursprunglichen Übersetzung von Martin Luther entfernten Bearbeitung\nkritisiert wurde, beschloss die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland\nim November 1981 die Einleitung eines neuen Revisionsprozesses. Dem Kriterium\nder „Treue gegenuber Luthers Sprache" sollte dieselbe Bedeutung zukommen wie\ndem Ziel der „Verstandlichkeit". Der Rat der Evangelischen Kirche setzte dafur\neine achtkopfige Kommission ein. \n--- \n| 5 \n--- \n| In dem Berufungsschreiben der Kommissionsmitglieder vom 09.11.1981 fuhrt\nder Kommissionsvorsitzende Ernst L. aus: \n--- \n| 6 \n--- \n| „Ich muss mich an dieser Stelle auch der Pflicht entledigen, Ihnen zu\nsagen, was uns allen wohl selbstverstandlich ist: durch die Mitarbeit am\nBibeltext werden von den Revisoren keine irgendwie gearteten Rechte an diesem\nText erworben; alle Rechte an dem Ergebnis der Kommissionsarbeit liegen bei\nder EKD." \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Kommissionsmitglieder haben ihre Berufung durch eine schriftliche\nBestatigung angenommen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kommission legte ihr Arbeitsergebnis Anfang 1984 dem Rat der\nEvangelischen Kirche in Deutschland vor. Am 16. / 17.03.1984 beschloss der Rat\nder EKD: \n--- \n| 9 \n--- \n| „Der Rat heißt den Text der Revision des Neuen Testaments der Luther-Bibel\ngut. Er sieht in der Luther-Bibel (Fassung der Revision des Alten Testaments\nvon 1964 und der Revision des Neuen Testaments von 1984) den in der\nEvangelischen Kirche in Deutschland maßgeblichen Text in Gottesdienst,\nUnterricht und Seelsorge." \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Evangelische Kirche in Deutschland schloss mit der Verfugungsklagerin\nam 06./19.12.1996 einen Vertrag. Darin wurde unter anderem vereinbart: \n--- \n| 11 \n--- \n| „5\\. Die EKD ubertragt der D.B.-Gesellschaft das Recht, entsprechend ihrem\nStiftungszweck Ausgaben und Auflagen des Textes der Lutherbibel 1984 zu\nveranstalten, sowohl des ganzen Textes als auch von Teilen, ohne\nStuckzahlbegrenzung (Vervielfaltigungs- und Verbreitungsrecht). Dies gilt auch\nfur die Vervielfaltigung und Verbreitung in elektronischen Medien. \n--- \n... \n--- \n| 12 \n--- \n| 7\\. Die D. B.-Gesellschaft halt fur die genannten Ausgaben der Lutherbibel\n1984 das Copyright im Sinne dieses Vertrages. \n--- \n... \n--- \n| 13 \n--- \n| 8\\. Die EKD ubertragt der D. B.-Gesellschaft ferner das Recht, Lizenzen auf\nden Text der Lutherbibel 1984 im In- und Ausland zu vergeben. Die D.\nB.-Gesellschaft verwaltet insgesamt das Lizenzwesen fur den Text der\nLutherbibel im Auftrag der EKD. \n--- \n... \n--- \n| 14 \n--- \n| 12\\. Die EKD ubertragt der D. B.-Gesellschaft die Wahrnehmung ihrer Rechte\nam Text der Lutherbibel im Bereich des Urheberrechts und des Lizenzwesens;\nrechtliche Auseinandersetzungen bedurfen der Abstimmung mit der EKD. ..." \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Antragsgegnerin vertreibt seit dem 03.11.2003 drei Horbucher in Form\nvon Audio-CDs, auf denen Bibeltexte von dem Theologen und Fernsehmoderator J.\nF. gelesen werden. Die Horbucher werden von Buchhandlern auch uber das\nInternet angeboten. Im Einzelnen werden auf den Horbuchern folgende Texte\nvorgelesen: \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. Auf der Dreifach-CD „Das Evangelium nach Matthaus" wird zunachst der\nBibeltext in der Revisionsfassung aus dem Jahr 1912 gelesen. Ab Kapitel 5,\nVers 19 des Matthaus-Evangeliums wird die Revisionsfassung aus dem Jahr 1984\ngelesen. \n--- \n| 17 \n--- \n| 2\\. Auf der Dreifach-CD „Das Evangelium nach Lukas" wird der gesamte\nBibeltext in der Revisionsfassung aus dem Jahr 1984 gelesen. \n--- \n| 18 \n--- \n| 3\\. Auf der Einfach-CD „Die Weihnachtsgeschichte" werden neben anderen\nTexten die Verse Lukas 1, 5 bis 50; Lukas 2, 1 bis 30; Matthaus 1, 18 bis 25\nund Matthaus 2, 1 bis 12 in der Revisionsfassung aus dem Jahr 1984 gelesen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin behauptet, dass die Revisionsfassung der Lutherbibel\naus dem Jahr 1984 ein urheberrechtlich schutzfahiges Werk sei. Die Bearbeitung\nsei uber eine reine Textrevision weit hinausgegangen. Es handle sich zum\ngroßen Teil um Neuubersetzungen oder Neubearbeitungen der alten Übersetzungen\nunter Zugrundelegung eines neuen Sprachverstandnisses beziehungsweise neuer\ntheologischer und historischer Erkenntnisse. Die Bearbeitung von 1984 sei in\nhohem Maße vom personlichen Sprachempfinden, Stilgefuhl und Sprachverstandnis\nder Verfasser gepragt. Die Kommissionsmitglieder hatten ihre Entscheidungen\nnach sorgfaltiger Abwagung, erschopfendem Studium der Urtexte sowie der\nfruheren Bearbeitungen, letztlich nach ihrem personlichen Empfinden getroffen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Daruber hinaus behauptet die Verfugungsklagerin, dass sie Inhaberin eines\nausschließlichen Nutzungsrechts an der Revisionsfassung der Lutherbibel aus\ndem Jahr 1984 sei. Die Kommissionsmitglieder als Miturheber hatten der\nEvangelischen Kirche in Deutschland jedenfalls konkludent alle Nutzungsrechte\nan dem urheberrechtlich schutzfahigen Werk eingeraumt. Diese umfassende\nRechtseinraumung habe auch das Recht umfasst, den gesprochenen Text auf dem\nTontrager „CD" auf den Markt zu bringen. Dieses Medium sei bereits 1979 der\nÖffentlichkeit vorgestellt und seit 1983 auf dem Markt eingefuhrt worden.\nHilfsweise hatte der Kommissionsvorsitzende L. durch seine Erklarung vom\n28.11.2003 der Evangelischen Kirche in Deutschland das ausschließliche\nNutzungsrecht erneut umfassend eingeraumt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin tragt vor, dass sie von der Evangelischen Kirche in\nDeutschland ein ausschließliches Nutzungsrecht an der Revisionsfassung der\nLutherbibel aus dem Jahr 1984 durch den Vertrag vom 06./19.12.1996 eingeraumt\nbekommen habe. Es sei ausdrucklich vereinbart worden, dass die Einraumung der\nRechte auch fur die Vervielfaltigung und Verbreitung in elektronischen Medien\ngelte. Der Verfugungsklagerin seien die Nutzungsrechte an der Revisionsfassung\nder Lutherbibel aus dem Jahr 1984 weitestgehend ubertragen worden. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin behauptet, dass die Verfugungsbeklagte dieses\nausschließliche Nutzungsrecht an der Revisionsfassung der Lutherbibel aus dem\nJahr 1984 verletze. Die von der Verfugungsbeklagten vertriebenen Audio-CDs\nseien nicht genehmigte Vervielfaltigungen des urheberrechtlich schutzfahigen\nWerkes. \n--- \n| 23 \n--- \n| Ferner tragt die Verfugungsklagerin vor, dass der Verfugungsgrund der\nDringlichkeit fur den Erlass der einstweiligen Verfugung gegeben sei. Die\nVerfugungsklagerin habe erst Ende Oktober 2003 von den Horbuchern der\nVerfugungsbeklagten erfahren. Die konkret vorgelesenen Texte habe sie am 03.\nund 04.11.2003 anhoren konnen. Im Anschluss daran habe sie sich intensiv um\neine außergerichtliche Beilegung des Rechtsstreits bemuht. Der Antrag auf\nErlass der einstweiligen Verfugung sei am 09.12.2003 unmittelbar nach dem\nScheitern der außergerichtlichen Vergleichsbemuhungen gestellt worden. \n--- \n| 24 \n--- \n| Auf Antrag der Verfugungsklagerin hat die 17. Zivilkammer des Landgerichts\nStuttgart am 11.12.2003 eine einstweilige Verfugung erlassen. Darin wird der\nVerfugungsbeklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, die Audio-\nCDs \n--- \n| 25 \n--- \n| a) „Das Evangelium nach Matthaus", Dreifach-CD, EAN: 06024 9811117 (8) -\nISBN: 3-8291-1383-8 \n--- \n| 26 \n--- \n| und/oder \n--- \n| 27 \n--- \n| b) „Das Evangelium nach Lukas", Dreifach-CD, EAN: 06024 9811116 (1) - ISBN:\n3-8291-1384-6 \n--- \n| 28 \n--- \n| und/oder \n--- \n| 29 \n--- \n| c) „Die Weihnachtsgeschichte", Einfach-CD, EAN: 06024 9811115 (4) - ISBN:\n3-8291-1385-4 ohne Zustimmung der Verfugungsklagerin zu vervielfaltigen\nund/oder zu verbreiten. \n--- \n| 30 \n--- \n| Gegen diesen Beschluss hat die Verfugungsbeklagte durch Schriftsatz vom\n16.12.2004 Widerspruch eingelegt. Über diesen Widerspruch hat die Kammer am\n15.01.2004 mundlich verhandelt. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin beantragt: \n--- \n| 32 \n--- \n| Die einstweilige Verfugung des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2003 wird\naufrechterhalten. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagte beantragt: \n--- \n| 34 \n--- \n| Die einstweilige Verfugung des Landgerichts Stuttgart wird aufgehoben und\nder Antrag auf ihren Erlass zuruckgewiesen. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagte erwidert, dass die Revisionsfassung der Lutherbibel\naus dem Jahr 1984 nicht urheberrechtlich geschutzt sei. Die Bearbeitung\nerreiche nicht die erforderliche Schopfungshohe, da sie keine eigene\nschopferische Ausdruckskraft aufweise und sich nicht dadurch vom benutzten\nOriginal abhebe. Im Vordergrund der Revisionstatigkeit von 1981 bis 1984 sei\nnur die Bewahrung des Originals der Lutherbibel gestanden. In der Sache sei es\nnicht um eine Neuubersetzung, sondern um eine vorsichtige Anpassung an die\nheutige Sprache und eine Korrektur des Luthertextes gegangen, die zu keinem\nurheberrechtlichen Schutz fuhren konnten. \n--- \n| 36 \n--- \n| Daneben bestreitet die Verfugungsbeklagte die Aktivlegitimation der\nVerfugungsklagerin. Die Verfugungsklagerin sei nicht Inhaberin eines\nausschließlichen Nutzungsrechts an der Lutherbibel in der Revisionsfassung aus\ndem Jahr 1984. Miturheber seien neben den Kommissionsmitgliedern zahlreiche\nandere Personen, wie beispielsweise die acht Mitglieder der Begleitgruppe zur\nBegutachtung, weitere Berater der Kommission sowie die Romisch-Katholische\nKirche, eine Spezialkommission zur Anwendung der Loccumer Richtlinien, die\nGliedkirchen der EKD und andere interessierte Kirchen, die\nBibelgesellschaften, die theologischen und religionspadagogischen Fakultaten\nsowie die kirchlichen Hochschulen. Die Miturheber hatten der Evangelischen\nKirche in Deutschland kein ausschließliches Nutzungsrecht an der\nRevisionsfassung der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 eingeraumt. Die\nRechtseinraumung habe einen Vertragsschluss vorausgesetzt, der zu keiner Zeit\nstattgefunden habe. Insbesondere seien die Erklarungen des\nKommissionsvorsitzenden L. mangels Vertretungsmacht nicht beachtlich. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagte behauptet ferner, dass der Verfugungsklagerin von\nder Evangelischen Kirche in Deutschland kein ausschließliches Nutzungsrecht\ndurch den Vertrag vom 06./19.12.1996 eingeraumt worden sei und insbesondere\nauch keine Vervielfaltigungs- und Verbreitungsrechte fur die Nutzungsart\nAudio-CD. Der Verfugungsklagerin stehe an dieser konkreten Nutzungsart deshalb\nkein Nutzungsrecht zu. \n--- \n| 38 \n--- \n| Daruber hinaus tragt die sie vor, dass dem Antrag auf Erlass der\neinstweiligen Verfugung die erforderliche Eilbedurftigkeit fehle. Die\nVerfugungsklagerin habe bereits am 27.10.2003 von der Auslieferung der\nHorbucher durch die Verfugungsbeklagte erfahren. Selbst nach dem Erlass der\neinstweiligen Verfugung durch das Landgericht Stuttgart am 11.12.2003 habe die\nVerfugungsklagerin nicht sogleich die Zustellung veranlasst. Erst nach dem\nScheitern weiterer außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen habe die\nVerfugungsklagerin am 18.12.2003 die einstweilige Verfugung zustellen lassen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Zur Erganzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf alle Schriftsatze\nder Parteien nebst deren Anlagen sowie das Protokoll der mundlichen\nVerhandlung vom 15.01.2004. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 40 \n--- \n| Die einstweilige Verfugung des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2003 ist\nrechtmaßig und bleibt daher aufrechterhalten. \n--- \n| 41 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfugung ist zulassig. Das\nLandgericht Stuttgart ist das sachlich und ortlich zustandige Gericht der\nHauptsache im Sinne des § 937 Absatz 1 ZPO. Die sachliche Zustandigkeit des\nLandgerichts folgt aus §§ 23 Nummer 1, 71 Absatz 1 GVG. Die ortliche\nZustandigkeit ergibt sich aus §§ 32 ZPO in Verbindung mit 105 Absatz 1\nUrhebergesetz in Verbindung mit 13 Absatz 1 der Verordnung des\nJustizministeriums Baden-Wurttemberg uber die gerichtliche Zustandigkeiten vom\n20.11.1998, da die streitgegenstandlichen Horbucher der Verfugungsbeklagten\nbestimmungsgemaß bundesweit uber das Internet vertrieben werden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfugung ist auch begrundet. Die\nVerfugungsklagerin hat die Voraussetzungen des Verfugungsanspruchs und des\nVerfugungsgrundes glaubhaft gemacht gemaß §§ 936, 920 Absatz 2, 294 Absatz 1\nZPO. \n--- \n| 43 \n--- \n| 1\\. Die Verfugungsklagerin hat die Voraussetzungen des urheberrechtlichen\nUnterlassungsanspruchs nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG, glaubhaft gemacht. Danach\nist die Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr\n1984 eine urheberrechtlich geschutzte Bearbeitung im Sinn des § 3 UrhG (lit.\na), an der ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen (lit. b)\neinschließlich des Rechts zur Verbreitung auf Audio-CDs (lit. c), in welches\ndie Verfugungsbeklagte rechtswidrig eingreift (lit. d), weshalb\nWiederholungsgefahr besteht (lit. e). \n--- \n| 44 \n--- \n| a) Bei der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem\nJahr 1984 handelt es sich um eine nach § 3 S. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG\ngeschutzte Bearbeitung eines Werkes, die aufgrund individueller schopferischer\nLeistung einen eigenstandigen Urheberrechtsschutz genießt (so im Ergebnis auch\nNordemann im Rechtsgutachten „Der urheberrechtliche Schutz der Revisionen der\nLutherbibel 1956 - 1984", Anl. AST 12, sowie Luhrig, WRP 2003, 1269 ff., Anl.\nAST 13). \n--- \n| 45 \n--- \n| Nach § 3 Satz 1 Urhebergesetz stehen Übersetzungen und andere Bearbeitungen\neines Werkes, die personliche geistige Schopfungen des Bearbeiters sind, unter\noriginarem urheberrechtlichen Schutz. Dabei muss die Bearbeitungsfassung\ninhaltlich oder in der außeren Formgestaltung eine eigene schopferische\nAusdruckskraft aufweisen und sich dadurch vom bearbeiteten Originalwerk\nabheben (vgl. ausfuhrlich zum Gesamtkomplex: Schricker/Loewenheim Urheberrecht\n2. Auflage 1999, § 3 Rdnr. 11 ff.; Mohring/Nicolini/Ahlberg,\nUrheberrechtsgesetz, 2. Auflage 2000, § 3 Rdnr. 7 ff.; Fromm/Nordemann/Vinck,\nUrheberrecht 9. Auflage 1998, § 3 Rdnr. 6 ff.). Maßgebend ist der\nGesamteindruck des konkreten Werks unter Wurdigung samtlicher Umstande des\nEinzelfalles (BGH GRUR 1972 S. 143, 144 ff. „Biografie: Ein Spiel"; BGH GRUR\n1981 S. 520, 522 „Fragensammlung"; BGH GRUR 1992 S. 382, 384 „Leitsatze").\nDabei ist bei Bearbeitungen, die sich naturgemaß eng an Vorlagen zu\norientieren haben, kein zu hoher Maßstab anzulegen (BGH a.a.O.\n„Fragensammlung" und „Leitsatze"). Andererseits muss die Bearbeitung uber eine\nbloße Textrevision hinausgehen, also uber rein handwerkliche Berichtigungen\nund sprachliche Glattungen (BGH a.a.O. „Biografie: Ein Spiel" m.w.N. sowie BGH\nGRUR 1971, S. 35 ff. „Maske in Blau"). \n--- \n| 46 \n--- \n| aa) Soweit im Rahmen der Revisionsarbeit einzelne Textteile aus dem\ngriechischen Urtext neu ubersetzt werden mussten, liegt der gesetzliche\nRegelfall einer schutzfahigen Bearbeitung vor gemaß § 3 S. 1 UrhG. Das\nErfordernis der Neuubersetzung einzelner Passagen ergibt sich aus dem\nArbeitsbericht des Kommissionsvorsitzenden Ernst L. (AST 5, dort S. 237). Die\nKommission beschrankte sich nicht auf den Abgleich verschiedener deutscher\nTextfassungen und auf Stilfragen, sondern ubersetzte an solchen Stellen neu,\nan denen ihr gegenuber Luther bessere Urtexte zur Verfugung standen. Diese\nNeuubersetzungen einzupassen in den Zusammenhang der bereits vorliegenden\ndeutschen Fassung stellt unproblematisch eine hochst individuelle und\nkreative, urheberrechtlich geschutzte Leistung dar. Dasselbe gilt fur die\nTextbereiche, in denen die neuen Passagen aus der fruhhochdeutschen Fassung\nLuthers ubertragen wurden. Denn Ausgangssprache einer Übersetzung im Sinn des\n§ 3 UrhG kann auch eine altere Sprachstufe derselben Sprache sein\n(Mohring/Nicolini/Ahlberg, a.a.O., § 3 Rdnr. 11). \n--- \n| 47 \n--- \n| bb) Auch ungeachtet der Neuubersetzungen weist die „Lutherbibel 1984" im\nVerhaltnis zum Originalwerk aus dem 16. Jahrhundert und zu den fruheren\nRevisionsfassungen aus dem 20. Jahrhundert eine eigenschopferische Pragung\nauf. Dies ergibt sich aus einer umfassenden Prufung und Wurdigung der in den\nAnlagenkonvoluten AST 10a und AST 10b vorgelegten Textpassagen aus den\nEvangelien von Matthaus und Lukas und der weiteren Passagen und\nTextbeispielen, die in dem Arbeitsbericht von L. (AST 5) und in den\nUntersuchungen von Nordemann (AST 12) und Luhrig (AST 13) aufgefuhrt sind. In\nder Bearbeitung wurden zum Teil ganze Satzpassagen umgestellt und angepasst\nmit dem Ergebnis, dass sich der Text durch eine individuelle Ausdrucksweise\nund einen eigentumlichen Stil auszeichnet. \n--- \n| 48 \n--- \n| Dass insofern Gestaltungsspielraume vorhanden sind, zeigt sich schon allein\ndaran, dass es viele verschiedene deutsche Bibelubersetzungen und mehrere\n„Revisionen" der Lutherbibel gibt. Das belegen aber auch die mit der Revision\n1984 verfolgten Ziele, namlich die Texte fur moderne Leser verstandlich zu\nhalten und gleichzeitig die Pragung durch die Sprache Luthers beizubehalten.\nFerner sprechen dafur die Diskussionen, die im Zug der Entstehung der\nverschiedenen Textrevisionen auch innerhalb der Kommissionen gefuhrt wurden. \n--- \n| 49 \n--- \n| Diese Gestaltungsspielraume wurden auch in einer eigenschopferischen Weise\ngenutzt. Die vorliegende Textfassung des Neuen Testaments hat einen eigenen\nCharakter, der sich von denen der fruheren Revisionen unterscheidet. Zu\nverweisen ist insofern auf den besonderen Maßstab, den die Kommission bei der\nÜberarbeitung angelegt hat, namlich den Text in einer heute verstandenen, wenn\nauch nicht geschriebenen oder gesprochenen Sprache darzubieten, die dem\nbesonderen Stellenwert und Anspruch der Bibel gerecht wird (vgl. L., Anl. AST\n5, dort S. 232). Eine solche individuelle Sprache weist die „Lutherbibel 1984"\nin der Tat auf. Denn interessierte Kreise des Publikums, zu denen auch die\nMitglieder der Kammer gehoren, konnen die verschiedenen Übersetzungen und\nTextfassungen an ihrem jeweiligen, individuellen Stil erkennen und\nunterscheiden. Dass die Eigenheiten und Unterschiede mitunter nur ganz fein\nsind und sich nicht jedem Leser oder Horer sofort erschließen, andert daran\nnichts, denn fur das Vorliegen von urheberrechtlicher Schutzfahigkeit ist es\nnicht erforderlich, dass jedermann den schopferischen Charakter eines Werkes\nerkennt (vgl. etwa BGH GRUR 1972, S. 143, 144 „Biografie: Ein Spiel"; BGHZ 22,\n210, 218 „Morgenpost"). \n--- \n| 50 \n--- \n| cc) Nach Auffassung der Kammer darf bei der Gesamtbewertung nicht außer Acht\nbleiben, dass Bibeltexte wie Übersetzungen antiker Texte gegenuber allgemeinen\nSchriftwerken Besonderheiten aufweisen, die sich auf deren Schutzfahigkeit\nauswirken mussen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es\nfur die Beurteilung urheberrechtlicher Schutzfahigkeit stets auch auf die\nBesonderheiten der jeweiligen Werkgattung an (BGH a.a.O. „Biografie: Ein\nSpiel"). Bei Übersetzungen antiker Schriften wie der Bibel bestehen\nBesonderheiten insofern, als es nicht nur darauf ankommt, den Inhalt des\nUrtextes zu transportieren, sondern auch die jeweiligen, unausgesprochenen\n„Untertone", Anklange und Anspielungen wiederzugeben, die aufgrund des ganz\nanderen kulturellen und sprachlichen Hintergrundes in heutiger Zeit nicht ohne\nweiteres verstanden wurden. Zudem gelten besondere Anforderungen, weil die\nTexte so genau wiedergegeben werden mussen, dass ein Schriftstudium unter\nVergleich ahnlicher oder aufeinander Bezug nehmender Textstellen ermoglicht\nwird, ohne die Sprache des Urtextes zu kennen. Insofern haben die Bearbeiter\nin besonderem Maße Einfuhlungsvermogen, stilistische Fahigkeiten und\nindividuellen Geist einzubringen (vgl. Schricker, a.a.O. § 3 Rn. 21).\nSchließlich hat sich eine Bibelubersetzung der besonderen Herausforderung zu\nstellen, dass bestimmte Bibelstellen Teilen der Bevolkerung auswendig bekannt\nsind und daher auch in neuer Textfassung wiederzuerkennen sein mussen. All das\nspricht dafur, dass bei den Bearbeitungen solcher Texte schon geringe\nAbweichungen Auswirkung auf das Verstandnis des Lesers und damit auf den\nGesamteindruck haben, so dass auch vereinzelte, verstreute, aber systematische\nAbweichungen fur die Begrundung von Urheberschutz ausreichen. \n--- \n| 51 \n--- \n| dd) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es sich bei der\nstreitgegenstandlichen „Revision" an einigen Stellen um eine bloße,\nurheberrechtlich nicht geschutzte Textrevision im eigentlichen Sinn handelt,\nbei der im Wege „handwerksmaßiger" Lektorenarbeit sprachliche Anpassungen\ndurchgefuhrt wurden. Insgesamt beschrankt sich die Überarbeitung aber nicht\ndarauf. Allein die Tatsache, dass die Revisionskommission nicht nach festen\nArbeitsregeln vorging, sondern in einem „freien Spiel der Argumente und\nKrafte" die Textfassung erarbeitete (L., AST 5, dort S. 235), zeigt, dass es\nsich bei der konkreten Fassung um das Ergebnis eines kreativen\nAbwagungsprozesses handelt, der uber rein handwerkliche Berichtigungen und\nsprachliche Glattungen hinausreicht. \n--- \n| 52 \n--- \n| ee) Im Übrigen wurde es im vorliegenden Fall ausreichen, wenn sich die\nschopferische Eigenart der streitgegenstandlichen Textfassung lediglich aus\neinem Vergleich mit der Lutherbibel in der Fassung von 1912 ergeben wurde.\nDenn aus den vorgelegten Unterlagen (AST 5, AST 12, AST 13) ergibt sich, dass\ndie Bearbeitungen von 1956 und 1975 ebenfalls im Auftrag der Evangelischen\nKirche in Deutschland erfolgt sind, so dass sich an der Rechtsinhaberschaft in\nBezug auf Eigenheiten, die im Zuge dieser beiden Bearbeitungen geschaffen und\nin die Fassung von 1984 lediglich ubernommen wurden, nichts andert (fur\nUrheberschutz der Fassung 1956 vgl. §§ 134, 135 UrhG i.V.m. § 3 LUrhG).\nJedenfalls im Verhaltnis zur hiesigen Verfugungsbeklagten kommt es daher nicht\ndarauf an, ob etwa die „Lutherbibel 1984" gegenuber den Lutherbibeln von 1956\nund 1975 solche Änderungen aufweist, die auf einen gesonderten\nUrheberrechtsschutz schließen lassen. \n--- \n| 53 \n--- \n| ff) Die Eigentumlichkeit und eigenschopferische Pragung der Revisionsfassung\nder Lutherbibel aus dem Jahr 1984 haben die Redaktionsverantwortlichen der\nstreitgegenstandlichen CDs der Verfugungsbeklagten auch selbst erkannt. Auf\nder Dreifach-CD „Das Evangelium nach Matthaus" wird zunachst der Bibeltext in\nder gemeinfreien Bearbeitung der Lutherbibel aus dem Jahr 1912 vorgelesen. Ab\nKapital 5, Vers 19 wird dann auf die Revisionsfassung der Lutherbibel aus dem\nJahr 1984 zuruckgegriffen. Auf den anderen vervielfaltigten und verbreiteten\nCDs wurden sogar alle vorgelesenen Bibeltexte aus dem Neuen Testament\nausschließlich dieser Bearbeitung entnommen. Der offensichtliche Grund dafur\nist, dass die „Lutherbibel 1984" anders als die gemeinfreie Textfassung von\n1912 die Inhalte der Bibel in einer eigenen, durchgangigen Form darbietet, die\neinerseits deutlich am modernen Schriftdeutsch orientiert und eben deswegen\nfur moderne Kaufer eines Bibel-Horbuchs pradestiniert ist, aber andererseits\nihre Herkunft von der ursprunglichen, charaktervollen Übersetzung Martin\nLuthers noch erkennen lasst. \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Die Verfugungsklagerin hat schlussig vorgetragen und durch Vorlage der\nAnlagen AST 6, AST 7 und AST 9 glaubhaft gemacht, dass ihr das ausschließliche\nNutzungsrecht an der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus\ndem Jahr 1984 zusteht. \n--- \n| 55 \n--- \n| aa) Nach § 8 Urhebergesetz erwerben die Miturheber einer gemeinsamen\nWerkschopfung, deren Anteile sich nicht gesondert verwerten lassen, ein\ngesamthanderisch gebundenes Miturheberrecht. Dieses Miturheberrecht ist\nunmittelbare Folge des gemeinschaftlichen Schaffens im Wege einer geistigen\nund schopferischen Arbeitsteilung. Miturheber kann aber nur derjenige sein,\ndessen Beitrag zu dem gemeinschaftlichen Werk eine personliche geistige\nSchopfung darstellt (BGH GRUR 1963, Seite 40, 41; BGH GRUR 1994 Seite 39, 40;\nSchricker/Loewenheim Urheberrecht 2. Auflage 1999, § 8 Rdnr. 4). \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Miturheber der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus\ndem Jahr 1984 sind die Mitglieder der Revisionskommission, die durch ihre\ngemeinsame personliche geistige Schopfung eine urheberrechtlich geschutzte\nBearbeitung geschaffen haben, deren Anteile sich nicht gesondert verwerten\nlassen. Entgegen der Auffassung der Verfugungsbeklagten haben die Begleiter,\nBerater, beteiligten Kirchen, Bibelgesellschaften, theologischen und\nreligionspadagogischen Fakultaten sowie die kirchlichen Hochschulen kein\neigenes Miturheberrecht an der Revisionsfassung erworben. Nach gefestigter\nobergerichtlicher Rechtsprechung genugen Anregungen, Ratschlage sowie die\nbegleitende Überwachung und Kontrolle einer Werkschopfung nicht zur Begrundung\neines eigenen Miturheberrechts (OLG Hamburg Schulze Rechtsprechung OLGZ 207 S.\n7 ff.; OLG Munchen ZUM 1990 S. 186, 190; ausfuhrlich zur Abgrenzung:\nFromm/Nordemann Urheberrecht 9. Auflage 1998, § 8 Rdnr. 4 ff.). \n--- \n| 57 \n--- \n| bb) Die Verfugungsklagerin hat glaubhaft gemacht, dass die Miturheber der\nRevisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 der\nEvangelischen Kirche in Deutschland nach Fertigstellung ihres gemeinsam\ngeschaffenen Werkes ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeraumt haben. Zwar\nerfolgte diese Nutzungsrechtseinraumung unstreitig nicht durch einen\nschriftlichen Vertrag. Die Verfugungsklagerin hat jedoch durch Vorlage der\nAnlagen AST 6 und AST 7 glaubhaft gemacht, dass die Miturheber der\nEvangelischen Kirche in Deutschland durch ihr schlussiges Verhalten konkludent\nsamtliche Nutzungsrechte an ihrem Werk eingeraumt haben. \n--- \n| 58 \n--- \n| Unter Berucksichtigung samtlicher Umstande des konkreten Einzelfalles ist\nvon einer konkludenten Nutzungsrechtseinraumung im Zeitpunkt der\nFertigstellung des urheberrechtlich geschutzten Werkes auszugehen. Den\nKommissionsmitgliedern wurde bereits im Berufungsschreiben vom 09.11.1981\nunmissverstandlich mitgeteilt, dass alle Rechte an dem Ergebnis der\nKommissionsarbeit bei der Evangelischen Kirche in Deutschland liegen sollen.\nBereits bei Aufnahme der Revisionsarbeiten war damit jedem der Miturheber als\ngemeinsame Geschaftsgrundlage klar, dass im Zeitpunkt der Fertigstellung der\nArbeiten eine umfassende Rechtseinraumung zu Gunsten der Evangelischen Kirche\nin Deutschland erfolgen wird. Diese naheliegende und interessengerechte\nRechtseinraumung entsprach auch dem Sinn und Zweck der gemeinsamen\nKommissionsarbeit. Die neue Revisionsfassung des Neuen Testaments der\nLutherbibel sollte in großem Umfang an die Kirchen, Seelsorgeeinrichtungen und\nSchulen verbreitet werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland konnte\ndieses gemeinsam verfolgte Ziel im Gegensatz zu einer gesamthanderisch\ngebundenen Miturhebergemeinschaft der Kommissionsmitglieder gewahrleisten. \n--- \n| 59 \n--- \n| Die erkennende Kammer berucksichtigt bei ihrer Entscheidung vor allem, dass\ndie Miturheber allesamt der Evangelischen Kirche in Deutschland sehr nahe\nstanden und ihre Kommissionsarbeit ehrenamtlich leisteten. Den Bearbeitern war\nersichtlich nicht an einer personlichen Verwertung ihres Miturheberrechts\ngelegen. So wurden weder die Evangelische Kirche in Deutschland noch die\nVerfugungsklagerin bislang von einem der Miturheber wegen der Vervielfaltigung\nund Verwertung der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus\ndem Jahr 1984 in Anspruch genommen. \n--- \n| 60 \n--- \n| Selbst wenn aber eine Rechtseinraumung an die Evangelische Kirche in\nDeutschland nicht positiv festgestellt werden konnte, ware im vorliegenden\nFall aufgrund von § 10 Abs. 2 UrhG von deren Rechtsinhaberschaft auszugehen.\nSie ist auf dem Vorblatt (Anl. AST 14, Bl. 27 d.A.) als Herausgeberin der\nRevisionsfassung von 1984 genannt, wahrend die Bearbeiter, also die\nKommissionsmitglieder, anonym bleiben. Die Evangelische Kirche in Deutschland\nist damit als ermachtigt anzusehen, die Urheberrechte an dieser Bibelfassung\ngeltend zu machen, was nach zutreffender Ansicht wegen der Zielsetzung der\nVorschrift auch die Ermachtigung zu Verfugungen uber das Urheberrecht\neinschließt (v. Gamm Urheberrechtsgesetz , § 10 Rn. 14). Das bloße Bestreiten\nder Verfugungsbeklagten und der Hinweis auf die verschiedenen Beteiligten am\nRevisionsprozess ist nicht geeignet, diese gesetzliche Vermutung zu\nwiderlegen. \n--- \n| 61 \n--- \n| dd) Die Evangelische Kirche in Deutschland hat der Verfugungsklagerin ein\nausschließliches Nutzungsrecht an der Revisionsfassung des Neuen Testaments\nder Lutherbibel aus dem Jahr 1984 durch den Vertrag vom 06./19.12.1996\neingeraumt. Das ergibt sich aus der Auslegung des Vertrages nach den\nbesonderen urheberrechtlichen Grundsatzen, die durch die allgemeinen\nprivatrechtlichen Auslegungsregeln zu erganzen sind (vgl. dazu ausfuhrlich:\nSchricker Urheberrecht 2. Auflage 1999, §§ 31/32 Rdnr. 9 ff.;\nFromm/Nordemann/Hertin 9. Auflage 1998, vor § 31 Rdnr. 13). Maßgebend sind\nfolgende Indizien: \n--- \n| 62 \n--- \n| Allein die Verfugungsklagerin sollte gemaß Ziffer 7 des Vertrages das\nCopyright fur die Ausgaben der Lutherbibel auch im Außenverhaltnis fur\njedermann sichtbar fuhren. Aus Ziffer 8 des Vertrages folgt, dass die\nEvangelische Kirche in Deutschland der Verfugungsklagerin das Recht ubertragt,\nLizenzen auf den Text der Lutherbibel 1984 im In- und Ausland zu vergeben.\nDiese Berechtigung zur Einraumung weiterer Nutzungsrechte ist gemaß § 31\nAbsatz 3 Satz 1 Urhebergesetz grundsatzlich dem Inhaber des ausschließlichen\nNutzungsrechts vorbehalten. Schließlich hat die Evangelische Kirche in\nDeutschland der Verfugungsklagerin nach Ziffer 12 des Vertrages die\nWahrnehmung ihrer Rechte am Text der Lutherbibel im Bereich des Urheberrechts\nund des Lizenzwesens umfassend ubertragen. Die zugleich vereinbarte Abstimmung\nbei rechtlichen Auseinandersetzungen ist nach dem Wortlaut und der Systematik\ndes Vertrages als interner Vorgang ohne Außenwirkung ausgestaltet. \n--- \n| 63 \n--- \n| c) Das von der Verfugungsklagerin glaubhaft gemachte ausschließliche\nNutzungsrecht umfasst auch das Recht, den gesprochenen Text auf Tontragern zu\nvervielfaltigen und zu verbreiten. Sowohl die umfassende Rechtseinraumung der\nMiturheber zu Gunsten der Evangelischen Kirche in Deutschland im Jahr 1984 als\nauch die Einraumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts zu Gunsten der\nVerfugungsklagerin durch die Evangelische Kirche in Deutschland im Jahr 1996\numschlossen das Recht zur Vervielfaltigung und Verbreitung des\nurheberrechtlich geschutzten Werks auf einer Audio-CD. Die Kammer kann bei\nihrer Entscheidung die umstrittene Frage, ob die CD eine eigene Nutzungsart\ngegenuber den alteren Tontragern Vinyl-Schallplatte und Musikkassette ist,\noffen lassen (vgl. zum aktuellen Streitstand: Mohring / Nicolini / Spautz\nUrheberrechtsgesetz 2. Auflage 2000, § 31 Rdnr. 45; OLG Hamburg GRUR-RR 2002\nS. 153, 156). Denn die CD war zum Zeitpunkt der jeweiligen Rechtseinraumung\nals neuer Tontrager bekannt (vgl. Fromm / Nordemann / Hertin Urheberrecht 9.\nAuflage 1998, §§ 31/32 Rdnr. 18; OLG Hamburg GRUR 2000 S. 45, 47). Die\nRechtseinraumung in den Jahren 1984 und 1996 umfasst nach der Auslegung unter\nBeachtung der Besonderheiten des Urheberrechts auch die Vervielfaltigungs- und\nVerbreitungsrechte an dem urheberrechtlich geschutzten Werk auf den zum\ndamaligen Zeitpunkt bereits bekannten Tontragern. \n--- \n| 64 \n--- \n| d) Die Verfugungsbeklagte hat durch die Vervielfaltigung und den Vertrieb\nder CDs das ausschließliche Nutzungsrecht der Verfugungsklagerin verletzt. Auf\ndie Frage, in welchem Umfang die streitgegenstandlichen CDs Textteile der\nLutherbibel 1984 enthalten, die gegenuber den fruheren Fassungen Abweichungen\nenthalten, kommt es nicht an. Entgegen der Auffassung der Verfugungsbeklagten\nbeschrankt sich der urheberrechtliche Schutz der Bearbeitung namlich nicht auf\ndas geanderte Wort oder den konkret umgestellten Satzteil. Vielmehr ist die\nBearbeitung bei Erreichen der erforderlichen schopferischen Hohe in vollem\nUmfang als eigene schopferische Leistung urheberrechtlich geschutzt. Denn das\nurheberrechtliche Verbietungsrecht erstreckt sich nicht nur auf das Werk als\nGanzes, sondern auch auf die schutzfahige Formgestaltung von Teilen, wobei\nsich die Eigenart des Werks als Ganzes in dem Teil insofern nicht zu\noffenbaren braucht (BGHZ 9, 262 ff. „Lied der Wildbahn I", BGHZ 112. 264. 270\n„Betriebssystem"). Dass sich die von der Verfugungsbeklagten verwendeten Teile\nder „Lutherbibel 1984" nicht allein auf unverandert gebliebene Passagen\ngegenuber fruheren Fassungen beschranken, ist unstreitig. Aus den vorgelegten\nTextauszugen ergibt sich weiter, dass sich die diversen Änderungen von 1984\ngemaß ihrer Zielsetzung durch den ganzen Text ziehen und nicht nur bestimmte,\nabgrenzbare Passagen betreffen. Das hat zur Folge, dass jedenfalls die\nVerwendung von ganzen Kapiteln wie im vorliegenden Fall in das Urheberrecht an\nder Bearbeitung eingreift. Ob dies auch der Fall ware, wenn die\nVerfugungsbeklagte lediglich einzelne Satze der „Lutherbibel 1984" benutzt\nhatte, braucht nicht entschieden zu werden. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die abweichende Auffassung der Verfugungsbeklagten ist fur den geltend\ngemachten Unterlassungsanspruch im Übrigen auch deshalb nicht erheblich, weil\nder urheberrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 97 Absatz 1 Satz 1\nUrhebergesetz selbst bei Verletzung auch nur einer geschutzten Passage des\nGesamtwerkes pro CD gegeben ware. Denn eine Audio-CD lasst sich nicht\ngegenstandlich aufteilen in rechtmaßige und rechtswidrige Teile. \n--- \n| 66 \n--- \n| e) Dieser rechtswidrige Eingriff der Verfugungsbeklagten in das\nausschließliche Nutzungsrecht der Verfugungsklagerin indiziert nach der\nstandigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugleich die fur den\nUnterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (BGHZ 14, S. 163, 167;\nBGH GRUR 1961, S. 138, 140). Über diese Indizwirkung hinaus ist die\nWiederholungsgefahr im vorliegenden Fall in besonderem Maße konkret. Die\nVerfugungsbeklagte hat bereits angekundigt, dass sie neben den\nvervielfaltigten und verbreiteten CDs mit den Evangelien von Lukas und\nMatthaus weitere Horbucher mit den Evangelien von Markus und Johannes\nherstellen mochte. \n--- \n| 67 \n--- \n| 2\\. Die Verfugungsklagerin hat auch die Voraussetzungen des\nVerfugungsgrundes durch die Vorlage des Originals der eidesstattlichen\nVersicherung ihres Geschaftsfuhrers (Blatt 39 d.A.) glaubhaft gemacht. Zwar\nist bei einer Urheberrechtsverletzung die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG\nnicht anwendbar (vgl. Mohring/Nicolini/Lutje Urheberrechtsgesetz 2. Auflage\n2000, § 97 Rdnr. 283; KG AfP 1994 S. 314, 315). Im vorliegenden Fall sind\njedoch die allgemeinen zivilprozessrechtlichen Anforderungen an den\nVerfugungsgrund der Dringlichkeit gegeben. \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin hat Ende Oktober 2003 erstmals von der\nVervielfaltigung und dem geplanten Vertrieb der Horbucher der\nVerfugungsbeklagten erfahren. Die Kenntnis vom konkreten Umfang der\nUrheberrechtsverletzung konnte die Verfugungsklagerin erst im Rahmen einer\nAuswertung des Inhalts der CDs am 03. und 04.11.2003 erlangen. Unmittelbar im\nAnschluss daran hat sich die Verfugungsklagerin intensiv um eine\naußergerichtliche Einigung mit der Verfugungsbeklagten bemuht. Die\nVergleichsbemuhungen reichten bis zur Ausarbeitung eines konkreten\nVergleichsvertrages. Die Verfugungsklagerin hat nach dem endgultigen Scheitern\nder Vergleichsbemuhungen am 03.12.2003 noch innerhalb einer Woche einen Antrag\nauf Erlass einer einstweiligen Verfugung beim Landgericht Stuttgart gestellt. \n--- \n| 69 \n--- \n| 3\\. Die Untersagung der Vervielfaltigung und Verbreitung der Horbucher ohne\nZustimmung der Verfugungsklagerin in der einstweiligen Verfugung des\nLandgerichts Stuttgart vom 11.12.2003 ist verhaltnismaßig. Die Entscheidung\nist zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und unter Abwagung samtlicher\nUmstande des konkreten Einzelfalls verhaltnismaßig. \n--- \n| 70 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Eine\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit war entbehrlich, weil\nUrteile, die einstweilige Verfugungen aufrecht erhalten, an der vorlaufigen\nVollstreckbarkeit der uberpruften Entscheidung nichts andern. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 40 \n--- \n| Die einstweilige Verfugung des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2003 ist\nrechtmaßig und bleibt daher aufrechterhalten. \n--- \n| 41 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfugung ist zulassig. Das\nLandgericht Stuttgart ist das sachlich und ortlich zustandige Gericht der\nHauptsache im Sinne des § 937 Absatz 1 ZPO. Die sachliche Zustandigkeit des\nLandgerichts folgt aus §§ 23 Nummer 1, 71 Absatz 1 GVG. Die ortliche\nZustandigkeit ergibt sich aus §§ 32 ZPO in Verbindung mit 105 Absatz 1\nUrhebergesetz in Verbindung mit 13 Absatz 1 der Verordnung des\nJustizministeriums Baden-Wurttemberg uber die gerichtliche Zustandigkeiten vom\n20.11.1998, da die streitgegenstandlichen Horbucher der Verfugungsbeklagten\nbestimmungsgemaß bundesweit uber das Internet vertrieben werden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfugung ist auch begrundet. Die\nVerfugungsklagerin hat die Voraussetzungen des Verfugungsanspruchs und des\nVerfugungsgrundes glaubhaft gemacht gemaß §§ 936, 920 Absatz 2, 294 Absatz 1\nZPO. \n--- \n| 43 \n--- \n| 1\\. Die Verfugungsklagerin hat die Voraussetzungen des urheberrechtlichen\nUnterlassungsanspruchs nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG, glaubhaft gemacht. Danach\nist die Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr\n1984 eine urheberrechtlich geschutzte Bearbeitung im Sinn des § 3 UrhG (lit.\na), an der ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen (lit. b)\neinschließlich des Rechts zur Verbreitung auf Audio-CDs (lit. c), in welches\ndie Verfugungsbeklagte rechtswidrig eingreift (lit. d), weshalb\nWiederholungsgefahr besteht (lit. e). \n--- \n| 44 \n--- \n| a) Bei der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem\nJahr 1984 handelt es sich um eine nach § 3 S. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG\ngeschutzte Bearbeitung eines Werkes, die aufgrund individueller schopferischer\nLeistung einen eigenstandigen Urheberrechtsschutz genießt (so im Ergebnis auch\nNordemann im Rechtsgutachten „Der urheberrechtliche Schutz der Revisionen der\nLutherbibel 1956 - 1984", Anl. AST 12, sowie Luhrig, WRP 2003, 1269 ff., Anl.\nAST 13). \n--- \n| 45 \n--- \n| Nach § 3 Satz 1 Urhebergesetz stehen Übersetzungen und andere Bearbeitungen\neines Werkes, die personliche geistige Schopfungen des Bearbeiters sind, unter\noriginarem urheberrechtlichen Schutz. Dabei muss die Bearbeitungsfassung\ninhaltlich oder in der außeren Formgestaltung eine eigene schopferische\nAusdruckskraft aufweisen und sich dadurch vom bearbeiteten Originalwerk\nabheben (vgl. ausfuhrlich zum Gesamtkomplex: Schricker/Loewenheim Urheberrecht\n2. Auflage 1999, § 3 Rdnr. 11 ff.; Mohring/Nicolini/Ahlberg,\nUrheberrechtsgesetz, 2. Auflage 2000, § 3 Rdnr. 7 ff.; Fromm/Nordemann/Vinck,\nUrheberrecht 9. Auflage 1998, § 3 Rdnr. 6 ff.). Maßgebend ist der\nGesamteindruck des konkreten Werks unter Wurdigung samtlicher Umstande des\nEinzelfalles (BGH GRUR 1972 S. 143, 144 ff. „Biografie: Ein Spiel"; BGH GRUR\n1981 S. 520, 522 „Fragensammlung"; BGH GRUR 1992 S. 382, 384 „Leitsatze").\nDabei ist bei Bearbeitungen, die sich naturgemaß eng an Vorlagen zu\norientieren haben, kein zu hoher Maßstab anzulegen (BGH a.a.O.\n„Fragensammlung" und „Leitsatze"). Andererseits muss die Bearbeitung uber eine\nbloße Textrevision hinausgehen, also uber rein handwerkliche Berichtigungen\nund sprachliche Glattungen (BGH a.a.O. „Biografie: Ein Spiel" m.w.N. sowie BGH\nGRUR 1971, S. 35 ff. „Maske in Blau"). \n--- \n| 46 \n--- \n| aa) Soweit im Rahmen der Revisionsarbeit einzelne Textteile aus dem\ngriechischen Urtext neu ubersetzt werden mussten, liegt der gesetzliche\nRegelfall einer schutzfahigen Bearbeitung vor gemaß § 3 S. 1 UrhG. Das\nErfordernis der Neuubersetzung einzelner Passagen ergibt sich aus dem\nArbeitsbericht des Kommissionsvorsitzenden Ernst L. (AST 5, dort S. 237). Die\nKommission beschrankte sich nicht auf den Abgleich verschiedener deutscher\nTextfassungen und auf Stilfragen, sondern ubersetzte an solchen Stellen neu,\nan denen ihr gegenuber Luther bessere Urtexte zur Verfugung standen. Diese\nNeuubersetzungen einzupassen in den Zusammenhang der bereits vorliegenden\ndeutschen Fassung stellt unproblematisch eine hochst individuelle und\nkreative, urheberrechtlich geschutzte Leistung dar. Dasselbe gilt fur die\nTextbereiche, in denen die neuen Passagen aus der fruhhochdeutschen Fassung\nLuthers ubertragen wurden. Denn Ausgangssprache einer Übersetzung im Sinn des\n§ 3 UrhG kann auch eine altere Sprachstufe derselben Sprache sein\n(Mohring/Nicolini/Ahlberg, a.a.O., § 3 Rdnr. 11). \n--- \n| 47 \n--- \n| bb) Auch ungeachtet der Neuubersetzungen weist die „Lutherbibel 1984" im\nVerhaltnis zum Originalwerk aus dem 16. Jahrhundert und zu den fruheren\nRevisionsfassungen aus dem 20. Jahrhundert eine eigenschopferische Pragung\nauf. Dies ergibt sich aus einer umfassenden Prufung und Wurdigung der in den\nAnlagenkonvoluten AST 10a und AST 10b vorgelegten Textpassagen aus den\nEvangelien von Matthaus und Lukas und der weiteren Passagen und\nTextbeispielen, die in dem Arbeitsbericht von L. (AST 5) und in den\nUntersuchungen von Nordemann (AST 12) und Luhrig (AST 13) aufgefuhrt sind. In\nder Bearbeitung wurden zum Teil ganze Satzpassagen umgestellt und angepasst\nmit dem Ergebnis, dass sich der Text durch eine individuelle Ausdrucksweise\nund einen eigentumlichen Stil auszeichnet. \n--- \n| 48 \n--- \n| Dass insofern Gestaltungsspielraume vorhanden sind, zeigt sich schon allein\ndaran, dass es viele verschiedene deutsche Bibelubersetzungen und mehrere\n„Revisionen" der Lutherbibel gibt. Das belegen aber auch die mit der Revision\n1984 verfolgten Ziele, namlich die Texte fur moderne Leser verstandlich zu\nhalten und gleichzeitig die Pragung durch die Sprache Luthers beizubehalten.\nFerner sprechen dafur die Diskussionen, die im Zug der Entstehung der\nverschiedenen Textrevisionen auch innerhalb der Kommissionen gefuhrt wurden. \n--- \n| 49 \n--- \n| Diese Gestaltungsspielraume wurden auch in einer eigenschopferischen Weise\ngenutzt. Die vorliegende Textfassung des Neuen Testaments hat einen eigenen\nCharakter, der sich von denen der fruheren Revisionen unterscheidet. Zu\nverweisen ist insofern auf den besonderen Maßstab, den die Kommission bei der\nÜberarbeitung angelegt hat, namlich den Text in einer heute verstandenen, wenn\nauch nicht geschriebenen oder gesprochenen Sprache darzubieten, die dem\nbesonderen Stellenwert und Anspruch der Bibel gerecht wird (vgl. L., Anl. AST\n5, dort S. 232). Eine solche individuelle Sprache weist die „Lutherbibel 1984"\nin der Tat auf. Denn interessierte Kreise des Publikums, zu denen auch die\nMitglieder der Kammer gehoren, konnen die verschiedenen Übersetzungen und\nTextfassungen an ihrem jeweiligen, individuellen Stil erkennen und\nunterscheiden. Dass die Eigenheiten und Unterschiede mitunter nur ganz fein\nsind und sich nicht jedem Leser oder Horer sofort erschließen, andert daran\nnichts, denn fur das Vorliegen von urheberrechtlicher Schutzfahigkeit ist es\nnicht erforderlich, dass jedermann den schopferischen Charakter eines Werkes\nerkennt (vgl. etwa BGH GRUR 1972, S. 143, 144 „Biografie: Ein Spiel"; BGHZ 22,\n210, 218 „Morgenpost"). \n--- \n| 50 \n--- \n| cc) Nach Auffassung der Kammer darf bei der Gesamtbewertung nicht außer Acht\nbleiben, dass Bibeltexte wie Übersetzungen antiker Texte gegenuber allgemeinen\nSchriftwerken Besonderheiten aufweisen, die sich auf deren Schutzfahigkeit\nauswirken mussen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es\nfur die Beurteilung urheberrechtlicher Schutzfahigkeit stets auch auf die\nBesonderheiten der jeweiligen Werkgattung an (BGH a.a.O. „Biografie: Ein\nSpiel"). Bei Übersetzungen antiker Schriften wie der Bibel bestehen\nBesonderheiten insofern, als es nicht nur darauf ankommt, den Inhalt des\nUrtextes zu transportieren, sondern auch die jeweiligen, unausgesprochenen\n„Untertone", Anklange und Anspielungen wiederzugeben, die aufgrund des ganz\nanderen kulturellen und sprachlichen Hintergrundes in heutiger Zeit nicht ohne\nweiteres verstanden wurden. Zudem gelten besondere Anforderungen, weil die\nTexte so genau wiedergegeben werden mussen, dass ein Schriftstudium unter\nVergleich ahnlicher oder aufeinander Bezug nehmender Textstellen ermoglicht\nwird, ohne die Sprache des Urtextes zu kennen. Insofern haben die Bearbeiter\nin besonderem Maße Einfuhlungsvermogen, stilistische Fahigkeiten und\nindividuellen Geist einzubringen (vgl. Schricker, a.a.O. § 3 Rn. 21).\nSchließlich hat sich eine Bibelubersetzung der besonderen Herausforderung zu\nstellen, dass bestimmte Bibelstellen Teilen der Bevolkerung auswendig bekannt\nsind und daher auch in neuer Textfassung wiederzuerkennen sein mussen. All das\nspricht dafur, dass bei den Bearbeitungen solcher Texte schon geringe\nAbweichungen Auswirkung auf das Verstandnis des Lesers und damit auf den\nGesamteindruck haben, so dass auch vereinzelte, verstreute, aber systematische\nAbweichungen fur die Begrundung von Urheberschutz ausreichen. \n--- \n| 51 \n--- \n| dd) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es sich bei der\nstreitgegenstandlichen „Revision" an einigen Stellen um eine bloße,\nurheberrechtlich nicht geschutzte Textrevision im eigentlichen Sinn handelt,\nbei der im Wege „handwerksmaßiger" Lektorenarbeit sprachliche Anpassungen\ndurchgefuhrt wurden. Insgesamt beschrankt sich die Überarbeitung aber nicht\ndarauf. Allein die Tatsache, dass die Revisionskommission nicht nach festen\nArbeitsregeln vorging, sondern in einem „freien Spiel der Argumente und\nKrafte" die Textfassung erarbeitete (L., AST 5, dort S. 235), zeigt, dass es\nsich bei der konkreten Fassung um das Ergebnis eines kreativen\nAbwagungsprozesses handelt, der uber rein handwerkliche Berichtigungen und\nsprachliche Glattungen hinausreicht. \n--- \n| 52 \n--- \n| ee) Im Übrigen wurde es im vorliegenden Fall ausreichen, wenn sich die\nschopferische Eigenart der streitgegenstandlichen Textfassung lediglich aus\neinem Vergleich mit der Lutherbibel in der Fassung von 1912 ergeben wurde.\nDenn aus den vorgelegten Unterlagen (AST 5, AST 12, AST 13) ergibt sich, dass\ndie Bearbeitungen von 1956 und 1975 ebenfalls im Auftrag der Evangelischen\nKirche in Deutschland erfolgt sind, so dass sich an der Rechtsinhaberschaft in\nBezug auf Eigenheiten, die im Zuge dieser beiden Bearbeitungen geschaffen und\nin die Fassung von 1984 lediglich ubernommen wurden, nichts andert (fur\nUrheberschutz der Fassung 1956 vgl. §§ 134, 135 UrhG i.V.m. § 3 LUrhG).\nJedenfalls im Verhaltnis zur hiesigen Verfugungsbeklagten kommt es daher nicht\ndarauf an, ob etwa die „Lutherbibel 1984" gegenuber den Lutherbibeln von 1956\nund 1975 solche Änderungen aufweist, die auf einen gesonderten\nUrheberrechtsschutz schließen lassen. \n--- \n| 53 \n--- \n| ff) Die Eigentumlichkeit und eigenschopferische Pragung der Revisionsfassung\nder Lutherbibel aus dem Jahr 1984 haben die Redaktionsverantwortlichen der\nstreitgegenstandlichen CDs der Verfugungsbeklagten auch selbst erkannt. Auf\nder Dreifach-CD „Das Evangelium nach Matthaus" wird zunachst der Bibeltext in\nder gemeinfreien Bearbeitung der Lutherbibel aus dem Jahr 1912 vorgelesen. Ab\nKapital 5, Vers 19 wird dann auf die Revisionsfassung der Lutherbibel aus dem\nJahr 1984 zuruckgegriffen. Auf den anderen vervielfaltigten und verbreiteten\nCDs wurden sogar alle vorgelesenen Bibeltexte aus dem Neuen Testament\nausschließlich dieser Bearbeitung entnommen. Der offensichtliche Grund dafur\nist, dass die „Lutherbibel 1984" anders als die gemeinfreie Textfassung von\n1912 die Inhalte der Bibel in einer eigenen, durchgangigen Form darbietet, die\neinerseits deutlich am modernen Schriftdeutsch orientiert und eben deswegen\nfur moderne Kaufer eines Bibel-Horbuchs pradestiniert ist, aber andererseits\nihre Herkunft von der ursprunglichen, charaktervollen Übersetzung Martin\nLuthers noch erkennen lasst. \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Die Verfugungsklagerin hat schlussig vorgetragen und durch Vorlage der\nAnlagen AST 6, AST 7 und AST 9 glaubhaft gemacht, dass ihr das ausschließliche\nNutzungsrecht an der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus\ndem Jahr 1984 zusteht. \n--- \n| 55 \n--- \n| aa) Nach § 8 Urhebergesetz erwerben die Miturheber einer gemeinsamen\nWerkschopfung, deren Anteile sich nicht gesondert verwerten lassen, ein\ngesamthanderisch gebundenes Miturheberrecht. Dieses Miturheberrecht ist\nunmittelbare Folge des gemeinschaftlichen Schaffens im Wege einer geistigen\nund schopferischen Arbeitsteilung. Miturheber kann aber nur derjenige sein,\ndessen Beitrag zu dem gemeinschaftlichen Werk eine personliche geistige\nSchopfung darstellt (BGH GRUR 1963, Seite 40, 41; BGH GRUR 1994 Seite 39, 40;\nSchricker/Loewenheim Urheberrecht 2. Auflage 1999, § 8 Rdnr. 4). \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Miturheber der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus\ndem Jahr 1984 sind die Mitglieder der Revisionskommission, die durch ihre\ngemeinsame personliche geistige Schopfung eine urheberrechtlich geschutzte\nBearbeitung geschaffen haben, deren Anteile sich nicht gesondert verwerten\nlassen. Entgegen der Auffassung der Verfugungsbeklagten haben die Begleiter,\nBerater, beteiligten Kirchen, Bibelgesellschaften, theologischen und\nreligionspadagogischen Fakultaten sowie die kirchlichen Hochschulen kein\neigenes Miturheberrecht an der Revisionsfassung erworben. Nach gefestigter\nobergerichtlicher Rechtsprechung genugen Anregungen, Ratschlage sowie die\nbegleitende Überwachung und Kontrolle einer Werkschopfung nicht zur Begrundung\neines eigenen Miturheberrechts (OLG Hamburg Schulze Rechtsprechung OLGZ 207 S.\n7 ff.; OLG Munchen ZUM 1990 S. 186, 190; ausfuhrlich zur Abgrenzung:\nFromm/Nordemann Urheberrecht 9. Auflage 1998, § 8 Rdnr. 4 ff.). \n--- \n| 57 \n--- \n| bb) Die Verfugungsklagerin hat glaubhaft gemacht, dass die Miturheber der\nRevisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 der\nEvangelischen Kirche in Deutschland nach Fertigstellung ihres gemeinsam\ngeschaffenen Werkes ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeraumt haben. Zwar\nerfolgte diese Nutzungsrechtseinraumung unstreitig nicht durch einen\nschriftlichen Vertrag. Die Verfugungsklagerin hat jedoch durch Vorlage der\nAnlagen AST 6 und AST 7 glaubhaft gemacht, dass die Miturheber der\nEvangelischen Kirche in Deutschland durch ihr schlussiges Verhalten konkludent\nsamtliche Nutzungsrechte an ihrem Werk eingeraumt haben. \n--- \n| 58 \n--- \n| Unter Berucksichtigung samtlicher Umstande des konkreten Einzelfalles ist\nvon einer konkludenten Nutzungsrechtseinraumung im Zeitpunkt der\nFertigstellung des urheberrechtlich geschutzten Werkes auszugehen. Den\nKommissionsmitgliedern wurde bereits im Berufungsschreiben vom 09.11.1981\nunmissverstandlich mitgeteilt, dass alle Rechte an dem Ergebnis der\nKommissionsarbeit bei der Evangelischen Kirche in Deutschland liegen sollen.\nBereits bei Aufnahme der Revisionsarbeiten war damit jedem der Miturheber als\ngemeinsame Geschaftsgrundlage klar, dass im Zeitpunkt der Fertigstellung der\nArbeiten eine umfassende Rechtseinraumung zu Gunsten der Evangelischen Kirche\nin Deutschland erfolgen wird. Diese naheliegende und interessengerechte\nRechtseinraumung entsprach auch dem Sinn und Zweck der gemeinsamen\nKommissionsarbeit. Die neue Revisionsfassung des Neuen Testaments der\nLutherbibel sollte in großem Umfang an die Kirchen, Seelsorgeeinrichtungen und\nSchulen verbreitet werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland konnte\ndieses gemeinsam verfolgte Ziel im Gegensatz zu einer gesamthanderisch\ngebundenen Miturhebergemeinschaft der Kommissionsmitglieder gewahrleisten. \n--- \n| 59 \n--- \n| Die erkennende Kammer berucksichtigt bei ihrer Entscheidung vor allem, dass\ndie Miturheber allesamt der Evangelischen Kirche in Deutschland sehr nahe\nstanden und ihre Kommissionsarbeit ehrenamtlich leisteten. Den Bearbeitern war\nersichtlich nicht an einer personlichen Verwertung ihres Miturheberrechts\ngelegen. So wurden weder die Evangelische Kirche in Deutschland noch die\nVerfugungsklagerin bislang von einem der Miturheber wegen der Vervielfaltigung\nund Verwertung der Revisionsfassung des Neuen Testaments der Lutherbibel aus\ndem Jahr 1984 in Anspruch genommen. \n--- \n| 60 \n--- \n| Selbst wenn aber eine Rechtseinraumung an die Evangelische Kirche in\nDeutschland nicht positiv festgestellt werden konnte, ware im vorliegenden\nFall aufgrund von § 10 Abs. 2 UrhG von deren Rechtsinhaberschaft auszugehen.\nSie ist auf dem Vorblatt (Anl. AST 14, Bl. 27 d.A.) als Herausgeberin der\nRevisionsfassung von 1984 genannt, wahrend die Bearbeiter, also die\nKommissionsmitglieder, anonym bleiben. Die Evangelische Kirche in Deutschland\nist damit als ermachtigt anzusehen, die Urheberrechte an dieser Bibelfassung\ngeltend zu machen, was nach zutreffender Ansicht wegen der Zielsetzung der\nVorschrift auch die Ermachtigung zu Verfugungen uber das Urheberrecht\neinschließt (v. Gamm Urheberrechtsgesetz , § 10 Rn. 14). Das bloße Bestreiten\nder Verfugungsbeklagten und der Hinweis auf die verschiedenen Beteiligten am\nRevisionsprozess ist nicht geeignet, diese gesetzliche Vermutung zu\nwiderlegen. \n--- \n| 61 \n--- \n| dd) Die Evangelische Kirche in Deutschland hat der Verfugungsklagerin ein\nausschließliches Nutzungsrecht an der Revisionsfassung des Neuen Testaments\nder Lutherbibel aus dem Jahr 1984 durch den Vertrag vom 06./19.12.1996\neingeraumt. Das ergibt sich aus der Auslegung des Vertrages nach den\nbesonderen urheberrechtlichen Grundsatzen, die durch die allgemeinen\nprivatrechtlichen Auslegungsregeln zu erganzen sind (vgl. dazu ausfuhrlich:\nSchricker Urheberrecht 2. Auflage 1999, §§ 31/32 Rdnr. 9 ff.;\nFromm/Nordemann/Hertin 9. Auflage 1998, vor § 31 Rdnr. 13). Maßgebend sind\nfolgende Indizien: \n--- \n| 62 \n--- \n| Allein die Verfugungsklagerin sollte gemaß Ziffer 7 des Vertrages das\nCopyright fur die Ausgaben der Lutherbibel auch im Außenverhaltnis fur\njedermann sichtbar fuhren. Aus Ziffer 8 des Vertrages folgt, dass die\nEvangelische Kirche in Deutschland der Verfugungsklagerin das Recht ubertragt,\nLizenzen auf den Text der Lutherbibel 1984 im In- und Ausland zu vergeben.\nDiese Berechtigung zur Einraumung weiterer Nutzungsrechte ist gemaß § 31\nAbsatz 3 Satz 1 Urhebergesetz grundsatzlich dem Inhaber des ausschließlichen\nNutzungsrechts vorbehalten. Schließlich hat die Evangelische Kirche in\nDeutschland der Verfugungsklagerin nach Ziffer 12 des Vertrages die\nWahrnehmung ihrer Rechte am Text der Lutherbibel im Bereich des Urheberrechts\nund des Lizenzwesens umfassend ubertragen. Die zugleich vereinbarte Abstimmung\nbei rechtlichen Auseinandersetzungen ist nach dem Wortlaut und der Systematik\ndes Vertrages als interner Vorgang ohne Außenwirkung ausgestaltet. \n--- \n| 63 \n--- \n| c) Das von der Verfugungsklagerin glaubhaft gemachte ausschließliche\nNutzungsrecht umfasst auch das Recht, den gesprochenen Text auf Tontragern zu\nvervielfaltigen und zu verbreiten. Sowohl die umfassende Rechtseinraumung der\nMiturheber zu Gunsten der Evangelischen Kirche in Deutschland im Jahr 1984 als\nauch die Einraumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts zu Gunsten der\nVerfugungsklagerin durch die Evangelische Kirche in Deutschland im Jahr 1996\numschlossen das Recht zur Vervielfaltigung und Verbreitung des\nurheberrechtlich geschutzten Werks auf einer Audio-CD. Die Kammer kann bei\nihrer Entscheidung die umstrittene Frage, ob die CD eine eigene Nutzungsart\ngegenuber den alteren Tontragern Vinyl-Schallplatte und Musikkassette ist,\noffen lassen (vgl. zum aktuellen Streitstand: Mohring / Nicolini / Spautz\nUrheberrechtsgesetz 2. Auflage 2000, § 31 Rdnr. 45; OLG Hamburg GRUR-RR 2002\nS. 153, 156). Denn die CD war zum Zeitpunkt der jeweiligen Rechtseinraumung\nals neuer Tontrager bekannt (vgl. Fromm / Nordemann / Hertin Urheberrecht 9.\nAuflage 1998, §§ 31/32 Rdnr. 18; OLG Hamburg GRUR 2000 S. 45, 47). Die\nRechtseinraumung in den Jahren 1984 und 1996 umfasst nach der Auslegung unter\nBeachtung der Besonderheiten des Urheberrechts auch die Vervielfaltigungs- und\nVerbreitungsrechte an dem urheberrechtlich geschutzten Werk auf den zum\ndamaligen Zeitpunkt bereits bekannten Tontragern. \n--- \n| 64 \n--- \n| d) Die Verfugungsbeklagte hat durch die Vervielfaltigung und den Vertrieb\nder CDs das ausschließliche Nutzungsrecht der Verfugungsklagerin verletzt. Auf\ndie Frage, in welchem Umfang die streitgegenstandlichen CDs Textteile der\nLutherbibel 1984 enthalten, die gegenuber den fruheren Fassungen Abweichungen\nenthalten, kommt es nicht an. Entgegen der Auffassung der Verfugungsbeklagten\nbeschrankt sich der urheberrechtliche Schutz der Bearbeitung namlich nicht auf\ndas geanderte Wort oder den konkret umgestellten Satzteil. Vielmehr ist die\nBearbeitung bei Erreichen der erforderlichen schopferischen Hohe in vollem\nUmfang als eigene schopferische Leistung urheberrechtlich geschutzt. Denn das\nurheberrechtliche Verbietungsrecht erstreckt sich nicht nur auf das Werk als\nGanzes, sondern auch auf die schutzfahige Formgestaltung von Teilen, wobei\nsich die Eigenart des Werks als Ganzes in dem Teil insofern nicht zu\noffenbaren braucht (BGHZ 9, 262 ff. „Lied der Wildbahn I", BGHZ 112. 264. 270\n„Betriebssystem"). Dass sich die von der Verfugungsbeklagten verwendeten Teile\nder „Lutherbibel 1984" nicht allein auf unverandert gebliebene Passagen\ngegenuber fruheren Fassungen beschranken, ist unstreitig. Aus den vorgelegten\nTextauszugen ergibt sich weiter, dass sich die diversen Änderungen von 1984\ngemaß ihrer Zielsetzung durch den ganzen Text ziehen und nicht nur bestimmte,\nabgrenzbare Passagen betreffen. Das hat zur Folge, dass jedenfalls die\nVerwendung von ganzen Kapiteln wie im vorliegenden Fall in das Urheberrecht an\nder Bearbeitung eingreift. Ob dies auch der Fall ware, wenn die\nVerfugungsbeklagte lediglich einzelne Satze der „Lutherbibel 1984" benutzt\nhatte, braucht nicht entschieden zu werden. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die abweichende Auffassung der Verfugungsbeklagten ist fur den geltend\ngemachten Unterlassungsanspruch im Übrigen auch deshalb nicht erheblich, weil\nder urheberrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 97 Absatz 1 Satz 1\nUrhebergesetz selbst bei Verletzung auch nur einer geschutzten Passage des\nGesamtwerkes pro CD gegeben ware. Denn eine Audio-CD lasst sich nicht\ngegenstandlich aufteilen in rechtmaßige und rechtswidrige Teile. \n--- \n| 66 \n--- \n| e) Dieser rechtswidrige Eingriff der Verfugungsbeklagten in das\nausschließliche Nutzungsrecht der Verfugungsklagerin indiziert nach der\nstandigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugleich die fur den\nUnterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (BGHZ 14, S. 163, 167;\nBGH GRUR 1961, S. 138, 140). Über diese Indizwirkung hinaus ist die\nWiederholungsgefahr im vorliegenden Fall in besonderem Maße konkret. Die\nVerfugungsbeklagte hat bereits angekundigt, dass sie neben den\nvervielfaltigten und verbreiteten CDs mit den Evangelien von Lukas und\nMatthaus weitere Horbucher mit den Evangelien von Markus und Johannes\nherstellen mochte. \n--- \n| 67 \n--- \n| 2\\. Die Verfugungsklagerin hat auch die Voraussetzungen des\nVerfugungsgrundes durch die Vorlage des Originals der eidesstattlichen\nVersicherung ihres Geschaftsfuhrers (Blatt 39 d.A.) glaubhaft gemacht. Zwar\nist bei einer Urheberrechtsverletzung die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG\nnicht anwendbar (vgl. Mohring/Nicolini/Lutje Urheberrechtsgesetz 2. Auflage\n2000, § 97 Rdnr. 283; KG AfP 1994 S. 314, 315). Im vorliegenden Fall sind\njedoch die allgemeinen zivilprozessrechtlichen Anforderungen an den\nVerfugungsgrund der Dringlichkeit gegeben. \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin hat Ende Oktober 2003 erstmals von der\nVervielfaltigung und dem geplanten Vertrieb der Horbucher der\nVerfugungsbeklagten erfahren. Die Kenntnis vom konkreten Umfang der\nUrheberrechtsverletzung konnte die Verfugungsklagerin erst im Rahmen einer\nAuswertung des Inhalts der CDs am 03. und 04.11.2003 erlangen. Unmittelbar im\nAnschluss daran hat sich die Verfugungsklagerin intensiv um eine\naußergerichtliche Einigung mit der Verfugungsbeklagten bemuht. Die\nVergleichsbemuhungen reichten bis zur Ausarbeitung eines konkreten\nVergleichsvertrages. Die Verfugungsklagerin hat nach dem endgultigen Scheitern\nder Vergleichsbemuhungen am 03.12.2003 noch innerhalb einer Woche einen Antrag\nauf Erlass einer einstweiligen Verfugung beim Landgericht Stuttgart gestellt. \n--- \n| 69 \n--- \n| 3\\. Die Untersagung der Vervielfaltigung und Verbreitung der Horbucher ohne\nZustimmung der Verfugungsklagerin in der einstweiligen Verfugung des\nLandgerichts Stuttgart vom 11.12.2003 ist verhaltnismaßig. Die Entscheidung\nist zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und unter Abwagung samtlicher\nUmstande des konkreten Einzelfalls verhaltnismaßig. \n--- \n| 70 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Eine\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit war entbehrlich, weil\nUrteile, die einstweilige Verfugungen aufrecht erhalten, an der vorlaufigen\nVollstreckbarkeit der uberpruften Entscheidung nichts andern. \n---\n\n
132,438
arbg-ulm-2005-01-12-7-bvga-105
125
Arbeitsgericht Ulm
arbg-ulm
Ulm
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
7 BVGa 1/05
2005-01-12
2019-01-07 10:15:40
2019-01-17 11:52:19
Beschluss
## Tenor\n\n**Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verf ugung wird zuruckgewiesen.**\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antragsteller, begehrt als Mitglied der Jugend- und\nAuszubildendenvertretung gegenuber dem Arbeitgeber, der Antragsgegnerin, die\nFreistellung fur die Teilnahme an einer Schulung im Zeitraum vom 12.01. bis\neinschließlich 14.01.2005. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach Angaben der Antragsschrift ist der Antragsteller seit November 2004\nerstmals gewahltes Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung und\nerhielt Anfang Dezember 2004 eine Einladung zu einem Grundseminar fur\nMitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Der bei der\nAntragsgegnerin bestehende Betriebsrat hat hierzu seine Zustimmung erteilt. Am\n11.01.2005 will der Antragsteller uber ein freigestelltes Betriebsratsmitglied\nerfahren haben, dass der Arbeitgeber die Schulung mit der Begrundung abgelehnt\nhabe, die Kosten seien zu hoch. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt daher, \n--- \n| 5 \n--- \n| der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Antragsteller eine Freistellung fur die\nTeilnahme an einer JAV-Schulung vom 12.01. bis 14.01.2005 zu gewahren. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstandes wird auf die Antragsschrift\nnebst Anlagen verwiesen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Antragsteller kann vom Arbeitgeber nicht im Wege der einstweiligen\nVerfugung verlangen, dass er fur die Teilnahme an der Schulung freigestellt\nwird. Bei einem derartigen Freistellungsanspruch fehlt es bereits am\nerforderlichen Rechtschutzbedurfnis. Das Landesarbeitsgericht Hamm fuhrt\ndiesbezuglich in seiner Entscheidung vom 10. Mai 2004 (Az. 10 TaBV 41/04)\nfolgendes aus: \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| "Beschließt ein Betriebsrat durch ordnungsgemaß gefassten Beschluss die\nTeilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung im Sinne\ndes § 37 Abs. 6 BetrVG, ist das Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2, 6\nBetrVG befugt, der Arbeit fern zu bleiben, ohne dass es noch einer\ndahingehenden Freistellungserklarung des Arbeitgebers bedarf. Insbesondere\nbedarf das Betriebsratsmitglied nicht der Zustimmung des Arbeitgebers zur\nTeilnahme an der Schulungsveranstaltung (BAG, Beschluss vom 30.01.1973 - AP\nBetrVG 1972 § 40 Nr. 3 - unter III. 3. der Grunde; vgl. auch: BAG, Urteil vom\n24.10.1995 - AP BildungsurlaubsG NRW § 1 Nr. 15). Es mussen lediglich die\nobjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Erforderlichkeit der Teilnahme an\nder Schulungsveranstaltung vorliegen, und der Betriebsrat muss dem Arbeitgeber\ndie Teilnahme sowie die zeitliche Lage der Veranstaltung rechtzeitig bekannt\ngegeben haben, § 37 Abs. 6 Satz 3 BetrVG. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Auch wenn der Arbeitgeber einer Teilnahme des Betriebsratsmitglied an der\nSchulungsveranstaltung widerspricht, folgt hieraus kein Verbot fur das\nBetriebsratsmitglied, an der Schulungsveranstaltung teilzunehmen (BAG, Urteil\nvom 15.03.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 105). Der Arbeitgeber lost dadurch,\ndass er die Erforderlichkeit der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung\nbestreitet, keine Teilnahmesperre aus. Ist die Teilnahme erforderlich,\nentfallt automatisch die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds zur\nArbeitsleistung; ist sie es nicht bleibt die Verpflichtung bestehen. Fur eine\nRegelungsverfugung ist insoweit kein Raum." (So auch LAG Koln, 20.11.03 5 TaBV\n69/03 und LAG Duss., 06.09.95, 12 TaBV 69/95). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Der\nFreistellungsanspruch kann zwar im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren\ngeltend gemacht werden, aber nur mit dem Antrag auf Feststellung, dass ein\nTeilnahmerecht besteht. Da die Freistellung jedoch nicht vollstreckbar ist,\nkann sie auch nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt\nwerden. Eine bloße feststellende Verfugung, die das Risiko ausschießen soll,\ndass der Betriebsrat die Voraussetzung des § 37 Abs. 6 BetrVG zu unrecht\nangenommen hat, ist jedoch angesichts der Vorlaufigkeit des Eilverfahrens\nnicht geeignet, die Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Selbst ein Obsiegen mit\ndem geltend gemachten Freistellungsanspruch wurde die Rechtsunsicherheit nicht\nbeseitigen, da sich im Hauptsacheverfahren immer noch rechtskraftig\nherausstellen kann, dass die Teilnahme des Mitgliedes der Jugend- und\nAuszubildendenvertretung an der streitigen Schulungsveranstaltung tatsachlich\nnicht erforderlich gewesen ist. An das Ergebnis im vorliegenden einstweiligen\nVerfugungsverfahren ware das Arbeitsgericht im Hauptsacheverfahren auch nicht\ngebunden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Bereits aus diesem Grunde war daher der Antrag auf Erlass einer\neinstweiligen Verfugung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Ungeachtet dessen bleibt festzustellen, dass im Rahmen des gestellten\nAntrages weder der nach § 85 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 940 ZPO erforderliche\nVerfugungsanspruch durch entsprechende substanziierte Tatsache hinreichend\ndargetan worden ist und die Angaben der Antragsschrift auch nicht im Sinne des\n§ 85 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 936, 920 ZPO in geeigneter Weise glaubhaft\ngemacht worden sind, sodass auch aus diesem Grunde der Antrag auf Erlass einer\neinstweiligen Verfugung zuruckzuweisen war. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Entscheidung konnte nach § 85 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 937 ZPO ohne\nmundliche Verhandlung durch die Kammer ergehen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (§ 12 Abs. 5 ArbGG). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| D. Vorsitzende: ... \n---\n\n
132,653
vg-karlsruhe-2007-01-16-11-k-132606
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 K 1326/06
2007-01-16
2019-01-07 10:17:24
2019-01-17 11:52:33
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 durch\nLeistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und dass die aus dem\nBescheid vom 02.09.2004 abgeleitete Kostentragungspflicht der Klagerin fur die\nBestattungskosten ihres Vaters rechtswidrig war.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Bestattungskosten ihres\nVaters. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist die Tochter des am 20.04.2004 Verstorbenen (...), der noch\neinen Sohn (...) hinterlasst. Durch Urteil des Landgerichts Konstanz (...)\nwurde der Verstorbene wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, der Klagerin\nim Alter von vier Jahren, rechtskraftig verurteilt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Leistungsbescheid vom 02.09.2004 wurde der Klagerin aufgegeben, der\nStadt Mannheim die Kosten der Bestattung von ... kraft offentlichen Rechts im\nRahmen der Gesamtschuldnerschaft mit ... in Hohe von EUR 2.110,53 zu\nerstatten. Der Bescheid wurde ihrem damaligen Bevollmachtigten (...) mit\nPostzustellungsurkunde am 10.09.2004 zugestellt. Eine schriftliche Vollmacht\nfur die „Vertretung in der Nachlassangelegenheit ..." vom 07.05.2004 lag beim\nNotariat - VIII Mannheim - Nachlassgericht unter dem Geschaftszeichen .... Am\n02.09.2004 erging auch ein Leistungsbescheid an ihren Bruder. \n--- \n| 4 \n--- \n| Nachdem die Vollstreckung ergebnislos verlief, teilte der neue\nProzessbevollmachtigte der Klagerin der Beklagten mit Schreiben vom 30.01.2006\nunter „Bezug auf die heute gefuhrten Telefonate" mit, „wir kamen uberein, dass\nder Bescheid vom 02.04.2004 ... nicht wirksam" der Klagerin „zugestellt\nwurde"; die Vollstreckung sei deshalb unzulassig. \n--- \n| 5 \n--- \n| Daraufhin erließ die Beklagte (Friedhofe Mannheim) am 30.01.2006 einen\n(zweiten) Leistungsbescheid, in dem der Klagerin aufgegeben wurde, der Stadt\nMannheim die Kosten der Bestattung von ... im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft\nmit ... in Hohe von 2.110,53 EUR zu erstatten. Des Weiteren wurde darin eine\nZahlungsfrist bis spatestens zum 28.02.2006 gesetzt. Zur Begrundung ist\nausgefuhrt, sie sei als Tochter des Verstorbenen gesamtschuldnerisch mit ihrem\nBruder dazu verpflichtet, den Friedhofen Mannheim die Bestattungskosten zu\nerstatten. Die Verfugung wurde der Klagerin am 03.02.2006 zugestellt. Mit dem\nam 09.02.2006 eingegangenen Widerspruch vom 07.02.2006 „gegen den Bescheid vom\n30.01.2006" machte die Klagerin geltend: Der Erlass des Bescheides sei\nunzulassig, weil ein gleichlautender Bescheid bereits am 02.09.2004 erlassen\nund bislang nicht zuruckgenommen worden sei. Die Hohe der Kosten sei\nunverhaltnismaßig. Schließlich liege ein Verstoß gegen das Auswahlermessen\nvor. Der Verstorbene habe sie als vierjahriges Kind sexuell missbraucht. Noch\nheute leide sie unter den verubten Straftaten des Verstorbenen. Es sei mit\nrechtsstaatlichen Grundsatzen nicht vereinbar, sie zu den Beerdigungskosten\nfur eine Person heranzuziehen, welche an ihr Straftaten gemaß § 176 StGB\nverubt habe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2006 hob das Regierungsprasidium\nKarlsruhe den Leistungsbescheid der Stadt Mannheim vom 30.01.2006 auf.\nZugleich traf es folgende Feststellung: Der gleichlautende Bescheid vom\n02.09.2004 ist rechtmaßig und bestandskraftig. Zur Begrundung ist ausgefuhrt:\nRechtsgrundlage fur die Rucknahme sei § 48 Abs. 1 LVwVfG. Der\nWiderspruchsbescheid wurde der Klagerin am 29.04.2006 zugestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 22.05.2006 hat die Klagerin Klage erhoben; in der mundlichen Verhandlung\nbeantragte sie, \n--- \n| 8 \n--- \n| festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 durch deren\nLeistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und dass der Bescheid vom\n02.09.2004 rechtswidrig war. \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Begrundung tragt sie erganzend vor: Streitgegenstand sei ausschließlich\ngewesen, dass bereits ein gleich lautender Bescheid, namlich jener vom\n02.09.2004, bestanden habe. Der Bescheid vom 02.09.2004 sei ... nicht wirksam\nzugestellt worden. \n--- \n| 10 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung trug der Vertreter der Klagerin vor, aufgrund\nder Verurteilung ihres Vaters sei die Ehe ihrer Eltern letztlich geschieden\nworden. Das Sorgerecht fur die Klagerin sei mit Beschluss des Amtsgerichts\nKonstanz vom 07.10.1976 an die Mutter ubertragen worden, die sie, die\nKlagerin, in der Folgezeit in ein Kinderheim abgegeben habe, in dem sie bis zu\nihrer Volljahrigkeit gelebt habe. Mit dem Vater sei es zu keinerlei Kontakt\nmehr gekommen, mit ihrer Mutter nur sporadisch; ihre Mutter weise ihr die\n„Schuld" zu. Sie leide heute noch unter den Folgen des Sexualdelikts und des\nAuseinanderbrechens der Familie. Jede Beruhrung mit dem Geschehen belaste sie. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Sie ist der Ansicht, die Klagerin sei zu Recht zu den Kosten der Bestattung\nihres Vaters herangezogen worden. Die Regelungen uber die Bestattungspflicht\nund die daraus folgende Kostentragungspflicht seien mit dem\nverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit auch insoweit\nvereinbar, als sie keine Ausnahme vorsehen, wenn die Kostentragungspflicht fur\nden Bestattungspflichtigen wegen des personlichen Verhaltens des Verstorbenen\nals grob unbillig erscheine. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des VGH\nBaden-Wurttemberg (Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 -) verwiesen. § 15 BSHG\nbzw. nunmehr § 74 SGB XII stelle hinsichtlich der Kostentragungspflicht fur\nBestattungskosten eine einfach gesetzliche Ausformung des\nVerhaltnismaßigkeitsgrundsatzes dar. \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten der Beklagten (1 Heft)\neinschließlich der Widerspruchsakten des Regierungsprasidiums Karlsruhe (1\nHeft) vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt und\nden der gewechselten Schriftsatze verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder\nNichtbestehens eines Rechtsverhaltnisses oder der Nichtigkeit eines\nVerwaltungsakts begehrt werden, wenn der Klager ein berechtigtes Interesse an\nder baldigen Feststellung hat. Unter einem Rechtsverhaltnis in diesem Sinne\nsind „die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm (des\noffentlichen Rechts) sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu\neiner anderen Person oder einer Sache" zu verstehen (Kopp/ Schenke, VwGO,\nKommentar, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 11 m.w.N.). Die Feststellung der\nRechtswidrigkeit oder Rechtmaßigkeit eines Verwaltungsaktes kann mit der Klage\nnach § 43 VwGO ebenso wenig begehrt werden wie die Klarung der Frage, ob\nuberhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt. Grundsatzlich nicht ausgeschlossen wird\ndurch § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO im Hinblick auf die Moglichkeit des Rechtsschutzes\ngegen einen Verwaltungsakt eine Klage, die nicht die Berechtigung zu dessen\nErlass zum Gegenstand hat, sondern ein durch den Verwaltungsakt begrundetes,\nverandertes oder aufgehobenes Rechtsverhaltnis. Ein Antrag auf Feststellung\nder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann jederzeit dahin ausgelegt\nwerden, die Rechtswidrigkeit der aufgrund des Verwaltungsakts den Betroffenen\ntreffenden Belastungen festzustellen (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 7, 11,\n26, 31 m.w.N.; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 16; Pietzcker\nin: Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 13. Aufl., 2006, § 43 VwGO Rdnr. 46\nm.w.N.). Es kann auch die Frage der Unzulassigkeit der Vollstreckung eines\ninzwischen erledigten Grundverwaltungsakts begehrt werden, da mit der\nAnfechtung des Grundverwaltungsakts nicht seine Erledigung geltend gemacht\nwerden kann (Pietzcker, a.a.O., § 43 Rdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke,\na.a.O., § 43 Rdnr. 26). \n--- \n| 17 \n--- \n| Im vorliegenden Verfahren besteht Streit daruber, ob der erste\nLeistungsbescheid vom 02.09.2004 uberhaupt wirksam zugestellt und damit\nwirksam (§ 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) wurde und falls ja, ob er durch einen\nzweiten Leistungsbescheid (vom 30.01.2006) aufgehoben wurde und deshalb von\nder Beklagten nicht mehr als Vollstreckungsgrundlage gegen die Klagerin\nherangezogen werden kann. In der Sache geht es den Beteiligten darum, ob die\nKostentragungspflicht aus dem Leistungsbescheid vom 02.09.2004 rechtmaßig ist.\nDer erste Teil des Feststellungsantrags betrifft die Frage der Wirksamkeit (§§\n41, 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) und die des Fortbestehens des Bescheids vom\n02.09.2004, der wegen der Aufhebung des zweiten Leistungsbescheids (v.\n30.01.2006) durch den Widerspruchsbescheid als alleinige\nVollstreckungsgrundlage in Betracht kommt. Letztlich geht es um das\nfeststellungsfahige Rechtsverhaltnis, ob die Erstattungspflicht durch den\nBescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist, was insbesondere dessen\nordnungsgemaße Zustellung voraussetzt, und ob eine Erstattungspflicht aufgrund\ndieses Bescheids fortbesteht oder durch den zweiten Bescheid (v. 30.01.2006)\naufgehoben wurde. Wegen der Aufhebung des Leistungsbescheides vom 30.01.2006\ndurch den Widerspruchsbescheid ist unter den Beteiligten klarungsbedurftig, ob\ndie sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht der\nKlagerin (zu Recht) fortbesteht, weil die Beklagte daraus zu vollstrecken\nbeabsichtigt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Antrag auf Feststellung, dass der Bescheid vom 02.09.2004 rechtmaßig\nist, ist mit Rucksicht auf die Spezialitat der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1\nVwGO) in einen Antrag auf Feststellung auszulegen (§ 88 VwGO), dass die im\nBescheid vom 02.09.2004 festgesetzte Kostentragungspflicht fur die\nBestattungskosten ihres Vaters rechtswidrig ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klagerin hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung\ndieser Rechtsverhaltnisse. Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere\ngegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, die zustandige Behorde insoweit\nanderer Auffassung als der Klager ist und der Klager sein kunftiges Verhalten\nan der Feststellung orientieren will, oder er Grund zur Besorgnis der\nGefahrdung seiner Rechte hat (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 24 m.w.N.). Ein\nInteresse daran, festzustellen, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 wirksam\ngeworden ist und noch fortbesteht oder durch den (zweiten) Leistungsbescheid\nvom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht deshalb, weil die Beklagte, wie ihr\nVertreter in der mundlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, nach wie\nvor diesen Bescheid als wirksam zugestellt wertet und daraus gegen die\nKlagerin auch kunftig zu vollstrecken beabsichtigt. In dieser Ansicht sieht\nsich die Beklagte durch Ziff. 1 des Tenors im Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe vom 27.04.2006 bestatigt, mit dem der (zweite)\n(Leistungs-)Bescheid vom 30.01.2006 aufgehoben und die Rechtmaßigkeit des\n(ersten) Leistungsbescheids vom 02.09.2004 bestatigt wurde. Ein Interesse\ndaran, zu klaren, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 durch den (zweiten)\nBescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht - trotz und wegen der\nAufhebung des die Klagerin belastenden Teils des zweiten Leistungsbescheids\ndurch den Widerspruchsbescheid - deshalb, weil die Klagerin mit dem Erlass\neines neuen Leistungsbescheids rechnen musste, wenn der erste\nLeistungsbescheid (v. 02.09.2004) nicht (mehr) mehr fortbestehen wurde und\ndeshalb keine wirksame Vollstreckungsgrundlage ware. Wenn der zweite Bescheid\nvom 30.01.2006 den ersten Bescheid aufgehoben hatte, ware dieser die Klagerin\nbegunstigende Teil des zweiten Bescheids von der Widerspruchsbehorde nicht\naufgehoben worden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Rechtsunsicherheit bezuglich der Vollstreckungsgrundlage rechtfertigt\nes auch, ein Feststellungsinteresse fur den Antrag zu bejahen, festzustellen,\nob die sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht\nder Klagerin rechtswidrig oder rechtmaßig war. Fur die Vollstreckung ist zwar\nnur ein wirksamer Grundverwaltungsakt erforderlich, auf dessen Rechtmaßigkeit\nkommt es nicht an. Um weitere Rechtsstreitigkeiten in der Vollstreckung zu\nvermeiden, ist es aber sachdienlich, die unter den Beteiligten streitige\nKostentragungspflicht aus dem Bescheid vom 02.09.2004 im Wege der\nFeststellungsklage zu klaren. Es soll geklart werden, ob ein neuer\ninhaltsgleicher Bescheid erlassen werden konnte, falls der Erstbescheid nicht\nmehr besteht. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Feststellungsantrag steht § 43 Abs. 2 VwGO nicht entgegen. Die\nSpezialitat der Anfechtungsklage tritt nur hervor, wenn sich die\nFeststellungsklage unmittelbar gegen den Verwaltungsakt richtet. Insoweit sind\nnur Gesichtspunkte der Subsidiaritat oder der Umgehung der Vorschriften der\nAnfechtungsklage von Bedeutung (Schoch/Schmitt-Aßmann/ Pietzner, a.a.O., § 43\nRdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 26, § 167 Rdnr. 19\nm.w.N.). Wie bereits ausgefuhrt, richtet sich der Feststellungsantrag bei\nsachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) nicht gegen die Rechtmaßigkeit des\nBescheids vom 02.09.2004. Der Erstbescheid vom 02.09.2004 hatte zwar nach\nEinlegung eines Widerspruchs angefochten werden konnen. Nach Ergehen des\nzweiten Bescheides vom 30.01.2006 war dies aber entbehrlich, und zwar\nungeachtet einer eventuellen Aufhebung des Bescheids vom 02.09.2004 durch den\nzweiten Bescheid, weil in der Folgezeit unter den Beteiligten die\nRechtmaßigkeit dieses Bescheides vom 30.01.2006 streitig war, gegen den die\nKlagerin am 07.02.2006 Widerspruch einlegte, woraufhin dieser mit\nWiderspruchsbescheid vom 27.04.2006 aufgehoben wurde. Hierdurch und durch die\nweitere Feststellung im Widerspruchsbescheid, der Bescheid vom 02.09.2004 sei\nrechtmaßig und bestandskraftig, entstand erneut Streit daruber, ob der (erste)\nBescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist und, falls ja, ob er durch\nLeistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und ob ersterer eine\ngeeignete Vollstreckungsgrundlage bietet oder aus Sicht der Beklagten gar der\nErlass eines neuen Leistungsbescheids geboten ist bzw. dies aus Sicht der\nKlagerin zu befurchten ist. Eine Umgehung der Vorschriften der\nAnfechtungsklage ist darin nicht zu sehen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Feststellungsklage ist auch begrundet. Der Bescheid der Beklagten vom\n02.09.2004 ist ordnungsgemaß zugestellt worden und wirksam geworden (1.). Er\nwurde durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben (2.). Die im Bescheid\nvom 02.09.2004 angeordnete Kostentragungspflicht der Klagerin fur die\nBestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig (3.). \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Wie bereits im Beschluss des erkennenden Gerichts uber die Gewahrung\nvon Prozesskostenhilfe vom 21.11.2006 ausgefuhrt worden ist, wurde der\nBescheid vom 02.09.2004 ordnungsgemaß dem ehemaligen Bevollmachtigten der\nKlagerin zugestellt, womit er wirksam geworden ist (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG).\nNach § 8 Abs. 1 S. 1 LVwZG konnen Zustellungen an den allgemein oder fur\nbestimmte Angelegenheiten bestellten Vertreter gerichtet werden. Sie sind an\nihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (S. 2). Der\nWortlaut von S. 2 dieser Vorschrift und ihr Schutzzweck sind auch in Fallen\nwie hier erfullt, wenn der Bevollmachtigte die schriftliche Vollmacht zwar\nnicht bei der die streitige Zustellung veranlassenden Behorde vorgelegt hat,\nsondern bei einer anderen Behorde, und erstere aufgrund anderer Anhaltspunkte,\ninsbesondere eines Hinweises des Bevollmachtigten Kenntnis von der\nschriftlichen Vollmacht hat. Der Schutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG geht\ndahin, die Partei vor Zustellungen zu schutzen, wenn sie einem\nBevollmachtigten schriftliche Vollmacht erteilt hat und der Behorde dies durch\nVorlage der schriftlichen Vollmacht bekannt ist. Dieser Schutzzweck ist auch\ndann erfullt, wenn uberhaupt eine schriftliche Vollmacht fur das Verfahren\nvorliegt, in dem die Zustellung bewirkt werden soll, die schriftliche\nVollmacht bei einer Behorde oder wie hier bei einem Notariat vorgelegt wird\nund die die Zustellung veranlassende Behorde aufgrund außerer Umstande auf das\nVorhandensein einer schriftlichen Vollmacht schließen konnte. Letzteres ist\nhier der Fall. Beim Notariat - VIII Mannheim - Nachlassgericht lag unter der\nGeschaftsnummer ... eine schriftliche Vollmacht der Klagerin vom 07.05.2004\nfur ... „in der Nachlassangelegenheit ..." vor. Diese Vollmacht bezieht sich\nnach ihrem Sinn und Zweck auf alle Verfahren, die mit der\n„Nachlassangelegenheit" des Vaters der Klagerin zusammenhangen, auch auf das\nVerfahren wegen der Heranziehung zu den Bestattungskosten. In der Vollmacht\nist ausdrucklich ausgefuhrt, sie umfasse insbesondere die Befugnis,\nZustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen. Waren hiernach Wortlaut und\nSchutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG gewahrt, so musste die Zustellung an\nden damaligen Bevollmachtigten (...) erfolgen. Der Bescheid vom 02.09.2004 ist\ndurch die nach Aktenlage ordnungsgemaß erfolgte Zustellung an ... wirksam\ngeworden (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG). \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Durch Bescheid vom 30.01.2006 wurde der Erstbescheid vom 02.09.2004\nkonkludent aufgehoben, auch wenn dies nicht ausdrucklich aus dem (zweiten)\nLeistungsbescheid vom 30.01.2006 hervorgeht. Die Aufhebung des ersten\nBescheids hatte zwar durch einen Hinweis auf § 48 LVwVfG ausdrucklich zum\nAusdruck gebracht werden konnen, was mit keinem Wort geschehen ist, weder im\nBescheid noch in sonstiger Weise, etwa durch Aktenvermerke. Fur die Auslegung\nvon Willensaußerungen der Verwaltung, auch in Form von Verwaltungsakten, ist\nnach standiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemaß der im\noffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB\nnicht der innere, sondern der erklarte Wille maßgebend, wie ihn der Empfanger\nbei objektiver Wurdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.1980 - 6\nC 55/79 - unter Hinweis auf BVerwGE 29, 310 ff.; 41, 305 ff.). Unklarheiten\nmussen hierbei zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. BVerwGE 41, 305, 306; 48,\n279, 281 f.). Fur den Empfangerhorizont erkennbare Anhaltspunkte dafur, dass\nder als „Leistungsbescheid" gekennzeichnete Bescheid vom 30.01.2006 die\nKostentragungspflicht der Klagerin fur die Bestattungskosten ihres Vaters\neigenstandig und damit neu regelt, ergeben sich aus den aktualisierten Daten\nim „Leistungsbescheid" vom „30.01.2006", der Zahlungsfrist bis „spatestens\n28.02.2006" sowie aus dem per Telefax an die Friedhofe Mannheim ubermittelten\nSchreiben des zweiten Bevollmachtigten der Klagerin vom 30.01.2006. Aus\nletzterem geht hervor, dass im Hinblick auf die Rechtsunsicherheit uber den\nBestand des Bescheids vom 02.09.2004 und der drohenden Vollstreckung am Tage\ndes Erlasses des Leistungsbescheids vom 30.01.2006 Telefongesprache\nstattfanden und man dabei „ubereinkam", wie es im Schreiben vom 30.01.2006\nheißt, „dass der Bescheid vom 02.09.2004, welcher Gegenstand des\nVollstreckungsverfahrens gegen unsere Mandantin ist, nicht wirksam an unsere\nMandantin zugestellt wurde". Um die Rechtsunsicherheit uber die ordnungsgemaße\nZustellung des Erstbescheids auszuraumen, erließ die Beklagte einen\nLeistungsbescheid unter dem Datum vom „30.01.2006", mit dem inhaltsgleich mit\ndem Erstbescheid der Klagerin aufgegeben wurde, der Stadt Mannheim die Kosten\nder Bestattung ihres Vaters in Hohe von 2.110,53 EUR zu erstatten. In\nAbanderung zum Ausgangsbescheid wurde eine neue Zahlungsfrist festgesetzt,\nnamlich bis spatestens zum 28.02.2006. Die Begrundung ist inhaltlich gleich\nwie im Erstbescheid. Vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheit uber die\nWirksamkeit (§ 43 Abs. 1 LVwVfG) des (ersten) Bescheids vom 02.09.2004 und mit\nRucksicht auf die aktualisierten Daten des Erlasses und der Zahlungsfrist im\nLeistungsbescheid vom „30.01.2006", ist der Leistungsbescheid vom 30.01.2006\nvon dem fur die Auslegung maßgeblichen Empfangerhorizont aus nur dahin zu\nverstehen, dass damit eine neue Zahlungspflicht begrundet und der Erstbescheid\n(v. 02.09.2004) konkludent aufgehoben wurde. Von der Moglichkeit, den\nErstbescheid neu zuzustellen, hat die Beklagte abgesehen. \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Die im Gebuhrenbescheid vom 02.09.2004 festgesetzte\nKostentragungspflicht der Klagerin fur die Bestattungskosten ihres Vaters ist\nrechtswidrig. \n--- \n| 26 \n--- \n| Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und\n§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG. Danach haften die Bestattungspflichtigen in der in\n§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Reihenfolge ohne Rucksicht auf ihr\npersonliches Verhaltnis zum Verstorbenen und ungeachtet besonderer Umstande\ndes Einzelfalles, die eine Inanspruchnahme des Bestattungspflichtigen als\nHarte erscheinen lassen (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 -\nm.w.N.). Fur die Kostentragungspflicht kommt es nicht auf die Erbenstellung\ndes Bestattungspflichtigen an, da die offentlich-rechtliche Pflicht, fur die\nBestattung eines Verstorbenen zu sorgen, nicht mit der zivilrechtlichen\nPflicht identisch ist, die Beerdigungskosten zu tragen (VGH Bad.-Wurtt., Urt.\nv. 19.10.2004, a.a.O., m.w.N.). \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Wurttemberg verstoßen die Regelungen\nuber die Bestattungspflicht und daraus folgend uber die Kostentragungspflicht\nauch insoweit nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der\nVerhaltnismaßigkeit, als die maßgeblichen Bestimmungen auch dann keine\nAusnahme vorsehen, wenn die Durchfuhrung der Bestattung bzw. die\nKostentragungspflicht fur den Bestattungspflichtigen wegen des personlichen\nVerhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint (VGH Bad.-Wurtt., Urt.\nv. 19.10.2004, a.a.O.,). Diese Auffassung teilt das erkennende Gericht im\nGrundsatz. \n--- \n| 28 \n--- \n| Ein Leistungsbescheid auf der Grundlage der § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und §\n21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG muss sich aber in jedem Einzelfall wie jeder andere\nbelastende Verwaltungsakt am verfassungsrechtlichen Grundsatz der\nVerhaltnismaßigkeit (BVerfGE 19, 342ff.) messen lassen. Er kann im Einzelfall\ntrotz gesetzlicher Ausgleichsanspruche, die im Einzelfall die personlichen\nVerhaltnisse zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtigen berucksichtigen,\nunverhaltnismaßig und deshalb rechtswidrig sein. Demgegenuber kann nicht unter\nHinweis auf § 15 BSHG a.F. bzw. § 74 SGB XII i.d.F. v. 27.12.2003, gultig ab\n01.01.2005 (BGBl. I. S. 3022), eingewendet werden, ein Anspruch nach diesen\nBestimmungen sei hinsichtlich der Kostentragungspflicht fur Bestattungskosten\neine einfach gesetzliche Ausformung des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes, der\nfur die Kostentragungspflicht nach § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1\nNr. 1 BestattG keinen Raum mehr fur eine daruber hinausgehende Anwendung des\nGrundsatzes der Verhaltnismaßigkeit zulasse. In Fallen, in denen\nAusgleichsanspruche nicht gegeben sind, insbesondere wenn der Betroffene\nvollig mittellos verstirbt, bestand nach § 15 BSHG die Moglichkeit, die\nerforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfetrager des\nBestattungsortes zu verlangen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht\nzugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Das selbe regelt § 74 SGB XII in\nder ab 01.01.2005 gultigen Fassung vom 27.12.2003. Bereits nach dem Wortlaut\nder Bestimmung ist fur das Bestehen dieses Anspruchs nicht entscheidend, dass\nder Bestattungspflichtige die Kosten nicht tragen kann, also selbst bedurftig\nim Sinne des § 11 BSHG war. Nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts handelt es sich hierbei um einen eigenstandigen\nsozialhilferechtlichen Anspruch, dessen Bedarfsstruktur sich wesentlich von\nderjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt unterscheidet. Der\nAnspruch aus § 15 BSHG sollte eine wurdige Bestattung eines Toten\ngewahrleisten. Die Verpflichtung kann auch aus landesrechtlichen\nBestattungspflichten herruhren. Wie das Kriterium der „Zumutbarkeit" zeigt,\nsoll durch die Vorschrift nicht eine aktuelle sozialhilferechtliche Notlage\ndes „Verpflichteten" behoben werden, vielmehr wird an die „fursorgerechtliche\nVerantwortung (der Sozialhilfe) fur eine wurdige Bestattung Hilfebedurftiger"\nangeknupft, deren Maß von der nach der Besonderheit des Einzelfalles zu\nbeurteilenden Frage abhangt, ob und inwieweit die Kostentragung dem vorrangig\nhier zu Verpflichteten zuzumuten ist. Der Begriff der „Zumutbarkeit" im Sinne\nvon § 15 BSHG ist damit nach Maßgabe der Umstande des Einzelfalles\nauslegungsbedurftig. Das dem Kostentragungspflichtigen aus der Sicht des § 15\nBSHG zumutbare Gewicht der Kostenbelastung wird insbesondere von der Nahe und\nBeziehung zum Verstorbenen abhangen (BVerwG, Urt. v. 29.01.2004 - 5 C 2/03 -\n<juris>; BVerwGE 116, 287 - 290). Im vorliegenden Fall bestehen unter\nUmstanden Ausgleichsanspruche der Klagerin gegen ihren Bruder, weshalb ein\nAnspruch der Klagerin aus § 15 BSHG bzw. § 74 SGB XII mittlerweile von der\nBeklagten abgelehnt wurde. § 74 SGB XII gewahrt aber nicht zwingend eine\nEntlastung des Bedurftigen von den gesamten Bestattungskosten, sondern sieht\nvon vornherein die Moglichkeit eines bloßen Kostenzuschusses vor. Deshalb kann\nein etwaiger Anspruchsinhaber nicht auf einen „vermutlich" bestehenden, aber\nungewissen Anspruch aus § 74 SGB XII verwiesen werden (OVG Saarland, Urt. v.\n25.08.2003 - 2 R 18/03 - <juris>). Ein auf § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21\nAbs. 1 Nr. 1 BestattG beruhender Leistungsbescheid kann deshalb im Einzelfall\ntrotz der gesetzlichen Regelung von Ausgleichsanspruchen unverhaltnismaßig\nsein (OVG Saarland, Urt. v. 25.08.2003 - 2 R 18/03 - <juris>; vgl. VG Stade,\nUrt. v. 27.07.2006 - 1 A 539/05 - <juris>; im Ergebnis ebenso OVG NW, Beschl.\nv. 02.02.1996 - 19 A 3802/95 -, NVwZ-RR 1997, 99 ff.; a.A. fur Bayerisches\nLandesrecht VG Ansbach, Urt. v. 07.07.2005 - AN 4 K 05.02104 - <juris>). \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach dem Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit muss jede Einschrankung des\nGrundrechts in materieller Hinsicht den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit\nwahren (BVerfGE 75, 108 <154 f.>; 80, 137 <153>; 90, 145 <172>). Voraussetzung\nhierfur ist, dass sie durch hinreichende Grunde des Allgemeinwohls\ngerechtfertigt ist, die gewahlten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks\ngeeignet und auch erforderlich sind und eine Gesamtabwagung zwischen der\nSchwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Grunde ergibt,\ndass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (BVerfGE 68, 155 <171>; 71, 183\n<196 f.>; 72, 26 <31>; 77, 308 <332>; 81, 156 <189>). Grundrechtseingriffe\ndurfen nicht weiter gehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls,\nerfordert (vgl. BVerfGE 20, 351 <361>; 52, 1 <29 f.>), und sie durfen\ninsbesondere auch nicht im Blick auf den Regelungszweck zu einer ubermaßigen\nBelastung fuhren (BVerfGE 110, 1, 33 ff.). \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde des Allgemeinwohls rechtfertigen es zwar grundsatzlich, die\nBestattungs- und Kostentragungspflicht ohne Rucksicht auf die familiaren\nVerhaltnisse zu regeln, solange ein Bestattungspflichtiger fur die\nKostentragung erreichbar ist (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O.,).\nDie Bestattungspflicht dient in erster Linie der Gefahrenabwehr und lasst\ndamit innerhalb der kurz bemessenen Frist des § 37 Abs. 1 BestattG keine\nlangeren Untersuchungen der zustandigen Behorde uber die personlichen\nBeziehungen der nachsten Angehorigen mit dem Verstorbenen zu. Vielmehr mussen\nobjektive Maßstabe eingreifen, um eine zugige Bestattung zu gewahrleisten. Die\nAnordnung der Bestattungspflicht und die Festlegung ihrer Reihenfolge sowie\ndie daran anknupfende Kostentragungspflicht beruhen auf einem vom Zivilrecht\nunabhangigen und nur der Zustandigkeit des Landesgesetzgebers unterliegenden\noffentlich-rechtlichen Rechtsgrund (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 19.10.2004,\na.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.08.1994, NVwZ-RR 1995, 283).\nDieser rechtfertigt es grundsatzlich, die Kosten der Bestattung dem nach\nLandesrecht Pflichtigen aufzuerlegen und nicht andere, insbesondere die\noffentliche Hand damit zu belasten. Der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr\ngebietet aber nicht ausnahmslos, den zur Gefahrenabwehr Verpflichteten auch\nmit den entstandenen Kosten zu belasten, wenn die Kostentragung fur ihn\nunzumutbar ist. \n--- \n| 31 \n--- \n| Aufgrund der besonderen Umstande des Einzelfalles kann das Interesse des\nBestattungspflichtigen, von der Heranziehung zu den Bestattungskosten\nverschont zu bleiben, so gewichtig sein, dass es das offentliche Interesse an\nder ausnahmslosen Bestattungs- und Kostentragungspflicht uberwiegt. Dies ist\ndann der Fall, wenn der Bestattungspflichtige durch die Heranziehung zu den\nBestattungskosten unzumutbar belastet wird. Unzumutbar ist eine durch\nLeistungsbescheid festgesetzte Kostentragungspflicht fur das Opfer eines vom\nBestatteten begangenen Sexualdelikts dann, wenn das Opfer durch die\nKostentragungspflicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG unangemessen\nbelastet wird oder die auf tatsachlichen Anhaltspunkten beruhende konkrete\nGefahr besteht, dass das Opfer eines Sexualdelikts durch den Erlass eines\nLeistungsbescheids in einem Fall wie hier in seinem Grundrecht auf korperliche\nUnversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt wird. Entscheidend sind die\nUmstande des Einzelfalles. \n--- \n| 32 \n--- \n| Solche besonderen Umstande sind hier gegeben. Der Leistungsbescheid vom\n02.09.2004 stellt aufgrund der Besonderheiten des Falles eine\nunverhaltnismaßige Belastung der Klagerin in ihrer Rechtsstellung aus Art. 2\nAbs. 1 S. 1 GG dar, die durch das mit der gesetzlichen Regelung der\nKostentragungspflicht verbundene Ziel der §§ 37 Abs. 1, 31, 21 BestattG nicht\nmehr gerechtfertigt ist. Die Klagerin war im Alter von vier Jahren Opfer eines\nvon ihrem verstorbenen Vater begangenen Sexualdelikts. Sie hatte seit der Tat\nkeinerlei Kontakt mehr zu ihrem Vater und es gibt keinerlei Anzeichen fur eine\nAussohnung zwischen Opfer und Tater oder eine wie auch immer geartete,\ngegebenenfalls nur auf Seiten des Opfers feststellbare, Befriedung der Folgen\nder Straftat und der familiaren Verhaltnisse. Die Unverhaltnismaßigkeit lasst\nsich nicht deshalb verneinen, weil bereits geraume Zeit seit Begehung der\nStraftat vergangen ist, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte fur eine\nAussohnung oder Befriedung vorliegen und plausible Grunde dafur geltend\ngemacht werden, dass das Opfer durch den Erlass des Leistungsbescheids\nunverhaltnismaßig schwer belastet wird, weil es zu den Kosten der Bestattung\nfur den Tater herangezogen wird. Die Klagerin war im Alter von vier Jahren\nnicht nur Opfer eines von ihrem Vater begangenen Sexualdelikts, sie trafen\nauch die weiteren Folgen daraus, sie verlor hierdurch ihre Familie. Die Ehe\nihrer Eltern wurde in der Folgezeit geschieden und sie wurde von ihrer allein\nerziehungsberechtigten Mutter in ein Kinderheim gegeben, in dem sie bis zu\nihrer Volljahrigkeit lebte. Mit ihrem Vater hatte sie nach dessen Verurteilung\nkeinerlei Kontakt mehr, mit ihrer Mutter ihrem glaubhaften Vorbringen zufolge\n„nur sporadisch". Eine Aussohnung zwischen Opfer und Tater gab es nicht, auch\nkeine dahingehenden Versuche eines der Beteiligten. Die Klagerin ließ durch\nihren Bevollmachtigten in der mundlichen Verhandlung vortragen, jegliche\nBeruhrung mit dem begangenen Sexualdelikt, auch die Klarung ihrer Pflicht zur\nKostentragung durch das Gericht, belaste sie schwer; dies ist nachvollziehbar\nund bedarf keiner weiteren Beweiserhebung. Als nachteilige Folgen des\nSexualdelikts betrachtet sie auch ihre unzureichenden Ausbildungschancen und\nihre derzeitige Arbeitslosigkeit. Die geltend gemachte Belastung hinderte sie\nden Angaben ihres Vertreters zufolge auch daran, an der mundlichen Verhandlung\nteilzunehmen. Aufgrund dieser Besonderheiten ist der auf die §§ 31, 21\nBestattG gestutzte Leistungsbescheid vom 02.09.2004 unverhaltnismaßig und\nrechtswidrig. Die daraus abgeleitete Kostentragungspflicht der Klagerin fur\ndie Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig. Dem diesbezuglichen\nFeststellungsantrag war stattzugeben. \n--- \n| 33 \n--- \n| Es bedarf deshalb keiner Entscheidung daruber, ob der Gebuhrenbescheid\ngegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstoßt oder deshalb unverhaltnismaßig ist, weil\ner wegen der Missachtung des zerrutteten Verhaltnisses zwischen dem\nBestatteten und dem an sich Kostentragungspflichtigen Ausdruck einer\nBehandlung ist, die die Subjektqualitat des Kostentragungspflichtigen\nprinzipiell in Frage stellt, oder weil in der Behandlung im konkreten Fall\neine willkurliche Missachtung der Wurde des Menschen liegt (BVerfG, Urt. v.\n15.02.2006 - 1 BvR 357/05 -, NJW 2006, 751 ff. m.w.N.; BVerfGE 30, 1 <26>). \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der\nBerufungszulassungsgrunde des § 124 Abs. 2 i.V.m. § 124a Abs. 1 VwGO gegeben\nist. \n--- \n| 36 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 3 GKG auf EUR 2.110,53 festgesetzt. \n--- \n| 38 \n--- \n| Hinsichtlich der Beschwerdemoglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird\nauf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder\nNichtbestehens eines Rechtsverhaltnisses oder der Nichtigkeit eines\nVerwaltungsakts begehrt werden, wenn der Klager ein berechtigtes Interesse an\nder baldigen Feststellung hat. Unter einem Rechtsverhaltnis in diesem Sinne\nsind „die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm (des\noffentlichen Rechts) sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu\neiner anderen Person oder einer Sache" zu verstehen (Kopp/ Schenke, VwGO,\nKommentar, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 11 m.w.N.). Die Feststellung der\nRechtswidrigkeit oder Rechtmaßigkeit eines Verwaltungsaktes kann mit der Klage\nnach § 43 VwGO ebenso wenig begehrt werden wie die Klarung der Frage, ob\nuberhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt. Grundsatzlich nicht ausgeschlossen wird\ndurch § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO im Hinblick auf die Moglichkeit des Rechtsschutzes\ngegen einen Verwaltungsakt eine Klage, die nicht die Berechtigung zu dessen\nErlass zum Gegenstand hat, sondern ein durch den Verwaltungsakt begrundetes,\nverandertes oder aufgehobenes Rechtsverhaltnis. Ein Antrag auf Feststellung\nder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann jederzeit dahin ausgelegt\nwerden, die Rechtswidrigkeit der aufgrund des Verwaltungsakts den Betroffenen\ntreffenden Belastungen festzustellen (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 7, 11,\n26, 31 m.w.N.; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 16; Pietzcker\nin: Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 13. Aufl., 2006, § 43 VwGO Rdnr. 46\nm.w.N.). Es kann auch die Frage der Unzulassigkeit der Vollstreckung eines\ninzwischen erledigten Grundverwaltungsakts begehrt werden, da mit der\nAnfechtung des Grundverwaltungsakts nicht seine Erledigung geltend gemacht\nwerden kann (Pietzcker, a.a.O., § 43 Rdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke,\na.a.O., § 43 Rdnr. 26). \n--- \n| 17 \n--- \n| Im vorliegenden Verfahren besteht Streit daruber, ob der erste\nLeistungsbescheid vom 02.09.2004 uberhaupt wirksam zugestellt und damit\nwirksam (§ 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) wurde und falls ja, ob er durch einen\nzweiten Leistungsbescheid (vom 30.01.2006) aufgehoben wurde und deshalb von\nder Beklagten nicht mehr als Vollstreckungsgrundlage gegen die Klagerin\nherangezogen werden kann. In der Sache geht es den Beteiligten darum, ob die\nKostentragungspflicht aus dem Leistungsbescheid vom 02.09.2004 rechtmaßig ist.\nDer erste Teil des Feststellungsantrags betrifft die Frage der Wirksamkeit (§§\n41, 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) und die des Fortbestehens des Bescheids vom\n02.09.2004, der wegen der Aufhebung des zweiten Leistungsbescheids (v.\n30.01.2006) durch den Widerspruchsbescheid als alleinige\nVollstreckungsgrundlage in Betracht kommt. Letztlich geht es um das\nfeststellungsfahige Rechtsverhaltnis, ob die Erstattungspflicht durch den\nBescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist, was insbesondere dessen\nordnungsgemaße Zustellung voraussetzt, und ob eine Erstattungspflicht aufgrund\ndieses Bescheids fortbesteht oder durch den zweiten Bescheid (v. 30.01.2006)\naufgehoben wurde. Wegen der Aufhebung des Leistungsbescheides vom 30.01.2006\ndurch den Widerspruchsbescheid ist unter den Beteiligten klarungsbedurftig, ob\ndie sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht der\nKlagerin (zu Recht) fortbesteht, weil die Beklagte daraus zu vollstrecken\nbeabsichtigt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Antrag auf Feststellung, dass der Bescheid vom 02.09.2004 rechtmaßig\nist, ist mit Rucksicht auf die Spezialitat der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1\nVwGO) in einen Antrag auf Feststellung auszulegen (§ 88 VwGO), dass die im\nBescheid vom 02.09.2004 festgesetzte Kostentragungspflicht fur die\nBestattungskosten ihres Vaters rechtswidrig ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klagerin hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung\ndieser Rechtsverhaltnisse. Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere\ngegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, die zustandige Behorde insoweit\nanderer Auffassung als der Klager ist und der Klager sein kunftiges Verhalten\nan der Feststellung orientieren will, oder er Grund zur Besorgnis der\nGefahrdung seiner Rechte hat (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 24 m.w.N.). Ein\nInteresse daran, festzustellen, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 wirksam\ngeworden ist und noch fortbesteht oder durch den (zweiten) Leistungsbescheid\nvom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht deshalb, weil die Beklagte, wie ihr\nVertreter in der mundlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, nach wie\nvor diesen Bescheid als wirksam zugestellt wertet und daraus gegen die\nKlagerin auch kunftig zu vollstrecken beabsichtigt. In dieser Ansicht sieht\nsich die Beklagte durch Ziff. 1 des Tenors im Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe vom 27.04.2006 bestatigt, mit dem der (zweite)\n(Leistungs-)Bescheid vom 30.01.2006 aufgehoben und die Rechtmaßigkeit des\n(ersten) Leistungsbescheids vom 02.09.2004 bestatigt wurde. Ein Interesse\ndaran, zu klaren, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 durch den (zweiten)\nBescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht - trotz und wegen der\nAufhebung des die Klagerin belastenden Teils des zweiten Leistungsbescheids\ndurch den Widerspruchsbescheid - deshalb, weil die Klagerin mit dem Erlass\neines neuen Leistungsbescheids rechnen musste, wenn der erste\nLeistungsbescheid (v. 02.09.2004) nicht (mehr) mehr fortbestehen wurde und\ndeshalb keine wirksame Vollstreckungsgrundlage ware. Wenn der zweite Bescheid\nvom 30.01.2006 den ersten Bescheid aufgehoben hatte, ware dieser die Klagerin\nbegunstigende Teil des zweiten Bescheids von der Widerspruchsbehorde nicht\naufgehoben worden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Rechtsunsicherheit bezuglich der Vollstreckungsgrundlage rechtfertigt\nes auch, ein Feststellungsinteresse fur den Antrag zu bejahen, festzustellen,\nob die sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht\nder Klagerin rechtswidrig oder rechtmaßig war. Fur die Vollstreckung ist zwar\nnur ein wirksamer Grundverwaltungsakt erforderlich, auf dessen Rechtmaßigkeit\nkommt es nicht an. Um weitere Rechtsstreitigkeiten in der Vollstreckung zu\nvermeiden, ist es aber sachdienlich, die unter den Beteiligten streitige\nKostentragungspflicht aus dem Bescheid vom 02.09.2004 im Wege der\nFeststellungsklage zu klaren. Es soll geklart werden, ob ein neuer\ninhaltsgleicher Bescheid erlassen werden konnte, falls der Erstbescheid nicht\nmehr besteht. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Feststellungsantrag steht § 43 Abs. 2 VwGO nicht entgegen. Die\nSpezialitat der Anfechtungsklage tritt nur hervor, wenn sich die\nFeststellungsklage unmittelbar gegen den Verwaltungsakt richtet. Insoweit sind\nnur Gesichtspunkte der Subsidiaritat oder der Umgehung der Vorschriften der\nAnfechtungsklage von Bedeutung (Schoch/Schmitt-Aßmann/ Pietzner, a.a.O., § 43\nRdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 26, § 167 Rdnr. 19\nm.w.N.). Wie bereits ausgefuhrt, richtet sich der Feststellungsantrag bei\nsachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) nicht gegen die Rechtmaßigkeit des\nBescheids vom 02.09.2004. Der Erstbescheid vom 02.09.2004 hatte zwar nach\nEinlegung eines Widerspruchs angefochten werden konnen. Nach Ergehen des\nzweiten Bescheides vom 30.01.2006 war dies aber entbehrlich, und zwar\nungeachtet einer eventuellen Aufhebung des Bescheids vom 02.09.2004 durch den\nzweiten Bescheid, weil in der Folgezeit unter den Beteiligten die\nRechtmaßigkeit dieses Bescheides vom 30.01.2006 streitig war, gegen den die\nKlagerin am 07.02.2006 Widerspruch einlegte, woraufhin dieser mit\nWiderspruchsbescheid vom 27.04.2006 aufgehoben wurde. Hierdurch und durch die\nweitere Feststellung im Widerspruchsbescheid, der Bescheid vom 02.09.2004 sei\nrechtmaßig und bestandskraftig, entstand erneut Streit daruber, ob der (erste)\nBescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist und, falls ja, ob er durch\nLeistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und ob ersterer eine\ngeeignete Vollstreckungsgrundlage bietet oder aus Sicht der Beklagten gar der\nErlass eines neuen Leistungsbescheids geboten ist bzw. dies aus Sicht der\nKlagerin zu befurchten ist. Eine Umgehung der Vorschriften der\nAnfechtungsklage ist darin nicht zu sehen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Feststellungsklage ist auch begrundet. Der Bescheid der Beklagten vom\n02.09.2004 ist ordnungsgemaß zugestellt worden und wirksam geworden (1.). Er\nwurde durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben (2.). Die im Bescheid\nvom 02.09.2004 angeordnete Kostentragungspflicht der Klagerin fur die\nBestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig (3.). \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Wie bereits im Beschluss des erkennenden Gerichts uber die Gewahrung\nvon Prozesskostenhilfe vom 21.11.2006 ausgefuhrt worden ist, wurde der\nBescheid vom 02.09.2004 ordnungsgemaß dem ehemaligen Bevollmachtigten der\nKlagerin zugestellt, womit er wirksam geworden ist (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG).\nNach § 8 Abs. 1 S. 1 LVwZG konnen Zustellungen an den allgemein oder fur\nbestimmte Angelegenheiten bestellten Vertreter gerichtet werden. Sie sind an\nihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (S. 2). Der\nWortlaut von S. 2 dieser Vorschrift und ihr Schutzzweck sind auch in Fallen\nwie hier erfullt, wenn der Bevollmachtigte die schriftliche Vollmacht zwar\nnicht bei der die streitige Zustellung veranlassenden Behorde vorgelegt hat,\nsondern bei einer anderen Behorde, und erstere aufgrund anderer Anhaltspunkte,\ninsbesondere eines Hinweises des Bevollmachtigten Kenntnis von der\nschriftlichen Vollmacht hat. Der Schutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG geht\ndahin, die Partei vor Zustellungen zu schutzen, wenn sie einem\nBevollmachtigten schriftliche Vollmacht erteilt hat und der Behorde dies durch\nVorlage der schriftlichen Vollmacht bekannt ist. Dieser Schutzzweck ist auch\ndann erfullt, wenn uberhaupt eine schriftliche Vollmacht fur das Verfahren\nvorliegt, in dem die Zustellung bewirkt werden soll, die schriftliche\nVollmacht bei einer Behorde oder wie hier bei einem Notariat vorgelegt wird\nund die die Zustellung veranlassende Behorde aufgrund außerer Umstande auf das\nVorhandensein einer schriftlichen Vollmacht schließen konnte. Letzteres ist\nhier der Fall. Beim Notariat - VIII Mannheim - Nachlassgericht lag unter der\nGeschaftsnummer ... eine schriftliche Vollmacht der Klagerin vom 07.05.2004\nfur ... „in der Nachlassangelegenheit ..." vor. Diese Vollmacht bezieht sich\nnach ihrem Sinn und Zweck auf alle Verfahren, die mit der\n„Nachlassangelegenheit" des Vaters der Klagerin zusammenhangen, auch auf das\nVerfahren wegen der Heranziehung zu den Bestattungskosten. In der Vollmacht\nist ausdrucklich ausgefuhrt, sie umfasse insbesondere die Befugnis,\nZustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen. Waren hiernach Wortlaut und\nSchutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG gewahrt, so musste die Zustellung an\nden damaligen Bevollmachtigten (...) erfolgen. Der Bescheid vom 02.09.2004 ist\ndurch die nach Aktenlage ordnungsgemaß erfolgte Zustellung an ... wirksam\ngeworden (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG). \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Durch Bescheid vom 30.01.2006 wurde der Erstbescheid vom 02.09.2004\nkonkludent aufgehoben, auch wenn dies nicht ausdrucklich aus dem (zweiten)\nLeistungsbescheid vom 30.01.2006 hervorgeht. Die Aufhebung des ersten\nBescheids hatte zwar durch einen Hinweis auf § 48 LVwVfG ausdrucklich zum\nAusdruck gebracht werden konnen, was mit keinem Wort geschehen ist, weder im\nBescheid noch in sonstiger Weise, etwa durch Aktenvermerke. Fur die Auslegung\nvon Willensaußerungen der Verwaltung, auch in Form von Verwaltungsakten, ist\nnach standiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemaß der im\noffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB\nnicht der innere, sondern der erklarte Wille maßgebend, wie ihn der Empfanger\nbei objektiver Wurdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.1980 - 6\nC 55/79 - unter Hinweis auf BVerwGE 29, 310 ff.; 41, 305 ff.). Unklarheiten\nmussen hierbei zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. BVerwGE 41, 305, 306; 48,\n279, 281 f.). Fur den Empfangerhorizont erkennbare Anhaltspunkte dafur, dass\nder als „Leistungsbescheid" gekennzeichnete Bescheid vom 30.01.2006 die\nKostentragungspflicht der Klagerin fur die Bestattungskosten ihres Vaters\neigenstandig und damit neu regelt, ergeben sich aus den aktualisierten Daten\nim „Leistungsbescheid" vom „30.01.2006", der Zahlungsfrist bis „spatestens\n28.02.2006" sowie aus dem per Telefax an die Friedhofe Mannheim ubermittelten\nSchreiben des zweiten Bevollmachtigten der Klagerin vom 30.01.2006. Aus\nletzterem geht hervor, dass im Hinblick auf die Rechtsunsicherheit uber den\nBestand des Bescheids vom 02.09.2004 und der drohenden Vollstreckung am Tage\ndes Erlasses des Leistungsbescheids vom 30.01.2006 Telefongesprache\nstattfanden und man dabei „ubereinkam", wie es im Schreiben vom 30.01.2006\nheißt, „dass der Bescheid vom 02.09.2004, welcher Gegenstand des\nVollstreckungsverfahrens gegen unsere Mandantin ist, nicht wirksam an unsere\nMandantin zugestellt wurde". Um die Rechtsunsicherheit uber die ordnungsgemaße\nZustellung des Erstbescheids auszuraumen, erließ die Beklagte einen\nLeistungsbescheid unter dem Datum vom „30.01.2006", mit dem inhaltsgleich mit\ndem Erstbescheid der Klagerin aufgegeben wurde, der Stadt Mannheim die Kosten\nder Bestattung ihres Vaters in Hohe von 2.110,53 EUR zu erstatten. In\nAbanderung zum Ausgangsbescheid wurde eine neue Zahlungsfrist festgesetzt,\nnamlich bis spatestens zum 28.02.2006. Die Begrundung ist inhaltlich gleich\nwie im Erstbescheid. Vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheit uber die\nWirksamkeit (§ 43 Abs. 1 LVwVfG) des (ersten) Bescheids vom 02.09.2004 und mit\nRucksicht auf die aktualisierten Daten des Erlasses und der Zahlungsfrist im\nLeistungsbescheid vom „30.01.2006", ist der Leistungsbescheid vom 30.01.2006\nvon dem fur die Auslegung maßgeblichen Empfangerhorizont aus nur dahin zu\nverstehen, dass damit eine neue Zahlungspflicht begrundet und der Erstbescheid\n(v. 02.09.2004) konkludent aufgehoben wurde. Von der Moglichkeit, den\nErstbescheid neu zuzustellen, hat die Beklagte abgesehen. \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Die im Gebuhrenbescheid vom 02.09.2004 festgesetzte\nKostentragungspflicht der Klagerin fur die Bestattungskosten ihres Vaters ist\nrechtswidrig. \n--- \n| 26 \n--- \n| Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und\n§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG. Danach haften die Bestattungspflichtigen in der in\n§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Reihenfolge ohne Rucksicht auf ihr\npersonliches Verhaltnis zum Verstorbenen und ungeachtet besonderer Umstande\ndes Einzelfalles, die eine Inanspruchnahme des Bestattungspflichtigen als\nHarte erscheinen lassen (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 -\nm.w.N.). Fur die Kostentragungspflicht kommt es nicht auf die Erbenstellung\ndes Bestattungspflichtigen an, da die offentlich-rechtliche Pflicht, fur die\nBestattung eines Verstorbenen zu sorgen, nicht mit der zivilrechtlichen\nPflicht identisch ist, die Beerdigungskosten zu tragen (VGH Bad.-Wurtt., Urt.\nv. 19.10.2004, a.a.O., m.w.N.). \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Wurttemberg verstoßen die Regelungen\nuber die Bestattungspflicht und daraus folgend uber die Kostentragungspflicht\nauch insoweit nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der\nVerhaltnismaßigkeit, als die maßgeblichen Bestimmungen auch dann keine\nAusnahme vorsehen, wenn die Durchfuhrung der Bestattung bzw. die\nKostentragungspflicht fur den Bestattungspflichtigen wegen des personlichen\nVerhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint (VGH Bad.-Wurtt., Urt.\nv. 19.10.2004, a.a.O.,). Diese Auffassung teilt das erkennende Gericht im\nGrundsatz. \n--- \n| 28 \n--- \n| Ein Leistungsbescheid auf der Grundlage der § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und §\n21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG muss sich aber in jedem Einzelfall wie jeder andere\nbelastende Verwaltungsakt am verfassungsrechtlichen Grundsatz der\nVerhaltnismaßigkeit (BVerfGE 19, 342ff.) messen lassen. Er kann im Einzelfall\ntrotz gesetzlicher Ausgleichsanspruche, die im Einzelfall die personlichen\nVerhaltnisse zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtigen berucksichtigen,\nunverhaltnismaßig und deshalb rechtswidrig sein. Demgegenuber kann nicht unter\nHinweis auf § 15 BSHG a.F. bzw. § 74 SGB XII i.d.F. v. 27.12.2003, gultig ab\n01.01.2005 (BGBl. I. S. 3022), eingewendet werden, ein Anspruch nach diesen\nBestimmungen sei hinsichtlich der Kostentragungspflicht fur Bestattungskosten\neine einfach gesetzliche Ausformung des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes, der\nfur die Kostentragungspflicht nach § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1\nNr. 1 BestattG keinen Raum mehr fur eine daruber hinausgehende Anwendung des\nGrundsatzes der Verhaltnismaßigkeit zulasse. In Fallen, in denen\nAusgleichsanspruche nicht gegeben sind, insbesondere wenn der Betroffene\nvollig mittellos verstirbt, bestand nach § 15 BSHG die Moglichkeit, die\nerforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfetrager des\nBestattungsortes zu verlangen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht\nzugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Das selbe regelt § 74 SGB XII in\nder ab 01.01.2005 gultigen Fassung vom 27.12.2003. Bereits nach dem Wortlaut\nder Bestimmung ist fur das Bestehen dieses Anspruchs nicht entscheidend, dass\nder Bestattungspflichtige die Kosten nicht tragen kann, also selbst bedurftig\nim Sinne des § 11 BSHG war. Nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts handelt es sich hierbei um einen eigenstandigen\nsozialhilferechtlichen Anspruch, dessen Bedarfsstruktur sich wesentlich von\nderjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt unterscheidet. Der\nAnspruch aus § 15 BSHG sollte eine wurdige Bestattung eines Toten\ngewahrleisten. Die Verpflichtung kann auch aus landesrechtlichen\nBestattungspflichten herruhren. Wie das Kriterium der „Zumutbarkeit" zeigt,\nsoll durch die Vorschrift nicht eine aktuelle sozialhilferechtliche Notlage\ndes „Verpflichteten" behoben werden, vielmehr wird an die „fursorgerechtliche\nVerantwortung (der Sozialhilfe) fur eine wurdige Bestattung Hilfebedurftiger"\nangeknupft, deren Maß von der nach der Besonderheit des Einzelfalles zu\nbeurteilenden Frage abhangt, ob und inwieweit die Kostentragung dem vorrangig\nhier zu Verpflichteten zuzumuten ist. Der Begriff der „Zumutbarkeit" im Sinne\nvon § 15 BSHG ist damit nach Maßgabe der Umstande des Einzelfalles\nauslegungsbedurftig. Das dem Kostentragungspflichtigen aus der Sicht des § 15\nBSHG zumutbare Gewicht der Kostenbelastung wird insbesondere von der Nahe und\nBeziehung zum Verstorbenen abhangen (BVerwG, Urt. v. 29.01.2004 - 5 C 2/03 -\n<juris>; BVerwGE 116, 287 - 290). Im vorliegenden Fall bestehen unter\nUmstanden Ausgleichsanspruche der Klagerin gegen ihren Bruder, weshalb ein\nAnspruch der Klagerin aus § 15 BSHG bzw. § 74 SGB XII mittlerweile von der\nBeklagten abgelehnt wurde. § 74 SGB XII gewahrt aber nicht zwingend eine\nEntlastung des Bedurftigen von den gesamten Bestattungskosten, sondern sieht\nvon vornherein die Moglichkeit eines bloßen Kostenzuschusses vor. Deshalb kann\nein etwaiger Anspruchsinhaber nicht auf einen „vermutlich" bestehenden, aber\nungewissen Anspruch aus § 74 SGB XII verwiesen werden (OVG Saarland, Urt. v.\n25.08.2003 - 2 R 18/03 - <juris>). Ein auf § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21\nAbs. 1 Nr. 1 BestattG beruhender Leistungsbescheid kann deshalb im Einzelfall\ntrotz der gesetzlichen Regelung von Ausgleichsanspruchen unverhaltnismaßig\nsein (OVG Saarland, Urt. v. 25.08.2003 - 2 R 18/03 - <juris>; vgl. VG Stade,\nUrt. v. 27.07.2006 - 1 A 539/05 - <juris>; im Ergebnis ebenso OVG NW, Beschl.\nv. 02.02.1996 - 19 A 3802/95 -, NVwZ-RR 1997, 99 ff.; a.A. fur Bayerisches\nLandesrecht VG Ansbach, Urt. v. 07.07.2005 - AN 4 K 05.02104 - <juris>). \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach dem Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit muss jede Einschrankung des\nGrundrechts in materieller Hinsicht den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit\nwahren (BVerfGE 75, 108 <154 f.>; 80, 137 <153>; 90, 145 <172>). Voraussetzung\nhierfur ist, dass sie durch hinreichende Grunde des Allgemeinwohls\ngerechtfertigt ist, die gewahlten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks\ngeeignet und auch erforderlich sind und eine Gesamtabwagung zwischen der\nSchwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Grunde ergibt,\ndass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (BVerfGE 68, 155 <171>; 71, 183\n<196 f.>; 72, 26 <31>; 77, 308 <332>; 81, 156 <189>). Grundrechtseingriffe\ndurfen nicht weiter gehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls,\nerfordert (vgl. BVerfGE 20, 351 <361>; 52, 1 <29 f.>), und sie durfen\ninsbesondere auch nicht im Blick auf den Regelungszweck zu einer ubermaßigen\nBelastung fuhren (BVerfGE 110, 1, 33 ff.). \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde des Allgemeinwohls rechtfertigen es zwar grundsatzlich, die\nBestattungs- und Kostentragungspflicht ohne Rucksicht auf die familiaren\nVerhaltnisse zu regeln, solange ein Bestattungspflichtiger fur die\nKostentragung erreichbar ist (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O.,).\nDie Bestattungspflicht dient in erster Linie der Gefahrenabwehr und lasst\ndamit innerhalb der kurz bemessenen Frist des § 37 Abs. 1 BestattG keine\nlangeren Untersuchungen der zustandigen Behorde uber die personlichen\nBeziehungen der nachsten Angehorigen mit dem Verstorbenen zu. Vielmehr mussen\nobjektive Maßstabe eingreifen, um eine zugige Bestattung zu gewahrleisten. Die\nAnordnung der Bestattungspflicht und die Festlegung ihrer Reihenfolge sowie\ndie daran anknupfende Kostentragungspflicht beruhen auf einem vom Zivilrecht\nunabhangigen und nur der Zustandigkeit des Landesgesetzgebers unterliegenden\noffentlich-rechtlichen Rechtsgrund (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 19.10.2004,\na.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.08.1994, NVwZ-RR 1995, 283).\nDieser rechtfertigt es grundsatzlich, die Kosten der Bestattung dem nach\nLandesrecht Pflichtigen aufzuerlegen und nicht andere, insbesondere die\noffentliche Hand damit zu belasten. Der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr\ngebietet aber nicht ausnahmslos, den zur Gefahrenabwehr Verpflichteten auch\nmit den entstandenen Kosten zu belasten, wenn die Kostentragung fur ihn\nunzumutbar ist. \n--- \n| 31 \n--- \n| Aufgrund der besonderen Umstande des Einzelfalles kann das Interesse des\nBestattungspflichtigen, von der Heranziehung zu den Bestattungskosten\nverschont zu bleiben, so gewichtig sein, dass es das offentliche Interesse an\nder ausnahmslosen Bestattungs- und Kostentragungspflicht uberwiegt. Dies ist\ndann der Fall, wenn der Bestattungspflichtige durch die Heranziehung zu den\nBestattungskosten unzumutbar belastet wird. Unzumutbar ist eine durch\nLeistungsbescheid festgesetzte Kostentragungspflicht fur das Opfer eines vom\nBestatteten begangenen Sexualdelikts dann, wenn das Opfer durch die\nKostentragungspflicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG unangemessen\nbelastet wird oder die auf tatsachlichen Anhaltspunkten beruhende konkrete\nGefahr besteht, dass das Opfer eines Sexualdelikts durch den Erlass eines\nLeistungsbescheids in einem Fall wie hier in seinem Grundrecht auf korperliche\nUnversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt wird. Entscheidend sind die\nUmstande des Einzelfalles. \n--- \n| 32 \n--- \n| Solche besonderen Umstande sind hier gegeben. Der Leistungsbescheid vom\n02.09.2004 stellt aufgrund der Besonderheiten des Falles eine\nunverhaltnismaßige Belastung der Klagerin in ihrer Rechtsstellung aus Art. 2\nAbs. 1 S. 1 GG dar, die durch das mit der gesetzlichen Regelung der\nKostentragungspflicht verbundene Ziel der §§ 37 Abs. 1, 31, 21 BestattG nicht\nmehr gerechtfertigt ist. Die Klagerin war im Alter von vier Jahren Opfer eines\nvon ihrem verstorbenen Vater begangenen Sexualdelikts. Sie hatte seit der Tat\nkeinerlei Kontakt mehr zu ihrem Vater und es gibt keinerlei Anzeichen fur eine\nAussohnung zwischen Opfer und Tater oder eine wie auch immer geartete,\ngegebenenfalls nur auf Seiten des Opfers feststellbare, Befriedung der Folgen\nder Straftat und der familiaren Verhaltnisse. Die Unverhaltnismaßigkeit lasst\nsich nicht deshalb verneinen, weil bereits geraume Zeit seit Begehung der\nStraftat vergangen ist, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte fur eine\nAussohnung oder Befriedung vorliegen und plausible Grunde dafur geltend\ngemacht werden, dass das Opfer durch den Erlass des Leistungsbescheids\nunverhaltnismaßig schwer belastet wird, weil es zu den Kosten der Bestattung\nfur den Tater herangezogen wird. Die Klagerin war im Alter von vier Jahren\nnicht nur Opfer eines von ihrem Vater begangenen Sexualdelikts, sie trafen\nauch die weiteren Folgen daraus, sie verlor hierdurch ihre Familie. Die Ehe\nihrer Eltern wurde in der Folgezeit geschieden und sie wurde von ihrer allein\nerziehungsberechtigten Mutter in ein Kinderheim gegeben, in dem sie bis zu\nihrer Volljahrigkeit lebte. Mit ihrem Vater hatte sie nach dessen Verurteilung\nkeinerlei Kontakt mehr, mit ihrer Mutter ihrem glaubhaften Vorbringen zufolge\n„nur sporadisch". Eine Aussohnung zwischen Opfer und Tater gab es nicht, auch\nkeine dahingehenden Versuche eines der Beteiligten. Die Klagerin ließ durch\nihren Bevollmachtigten in der mundlichen Verhandlung vortragen, jegliche\nBeruhrung mit dem begangenen Sexualdelikt, auch die Klarung ihrer Pflicht zur\nKostentragung durch das Gericht, belaste sie schwer; dies ist nachvollziehbar\nund bedarf keiner weiteren Beweiserhebung. Als nachteilige Folgen des\nSexualdelikts betrachtet sie auch ihre unzureichenden Ausbildungschancen und\nihre derzeitige Arbeitslosigkeit. Die geltend gemachte Belastung hinderte sie\nden Angaben ihres Vertreters zufolge auch daran, an der mundlichen Verhandlung\nteilzunehmen. Aufgrund dieser Besonderheiten ist der auf die §§ 31, 21\nBestattG gestutzte Leistungsbescheid vom 02.09.2004 unverhaltnismaßig und\nrechtswidrig. Die daraus abgeleitete Kostentragungspflicht der Klagerin fur\ndie Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig. Dem diesbezuglichen\nFeststellungsantrag war stattzugeben. \n--- \n| 33 \n--- \n| Es bedarf deshalb keiner Entscheidung daruber, ob der Gebuhrenbescheid\ngegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstoßt oder deshalb unverhaltnismaßig ist, weil\ner wegen der Missachtung des zerrutteten Verhaltnisses zwischen dem\nBestatteten und dem an sich Kostentragungspflichtigen Ausdruck einer\nBehandlung ist, die die Subjektqualitat des Kostentragungspflichtigen\nprinzipiell in Frage stellt, oder weil in der Behandlung im konkreten Fall\neine willkurliche Missachtung der Wurde des Menschen liegt (BVerfG, Urt. v.\n15.02.2006 - 1 BvR 357/05 -, NJW 2006, 751 ff. m.w.N.; BVerfGE 30, 1 <26>). \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der\nBerufungszulassungsgrunde des § 124 Abs. 2 i.V.m. § 124a Abs. 1 VwGO gegeben\nist. \n--- \n| 36 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 3 GKG auf EUR 2.110,53 festgesetzt. \n--- \n| 38 \n--- \n| Hinsichtlich der Beschwerdemoglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird\nauf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen. \n---\n\n
133,738
olgstut-2003-02-26-9-u-15802
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
9 U 158/02
2003-02-26
2019-01-07 10:33:41
2019-02-12 12:16:44
Urteil
## Tenor\n\n1. | | Auf die Berufung der Klager wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 28.8.2002 \n---|---|--- \n \n> > > > > **abge andert:**\n\n> Die Beklagte wird verurteilt, 13.593,97 EUR nebst 5 % Zinsen uber dem\n> Basiszinssatz seit 1.3.2001 an die Klager zu bezahlen. Im ubrigen wird die\n> Klage abgewiesen.\n\n2. | | Die weitergehende Berufung der Klager wird zuruckgewiesen. \n---|---|--- \n \n3. | | Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszugen tragen die Klager 15 %, die Beklagte 85 %. \n---|---|--- \n \n4. | | Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. \n---|---|--- \n \nStreitwert des Berufungsverfahrens: 15.913,96 EUR,\n\nBeschwer beider Parteien: jeweils unter 20.000,- EUR.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager verlangen von der beklagten Bausparkasse die Ruckzahlung eines\nBetrages von 15.913,96 EUR, welchen sie 1997 dem damaligen Hauptbezirksleiter\nder Beklagten - Herrn ... - zu Anlagezwecken uberlassen hatten. ... hatte die\nAnlagesumme abredewidrig nicht an die Beklagte weitergereicht, sondern fur\neigene Zwecke verbraucht. \n--- \n| 2 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen\nlandgerichtlichen Urteils Bezug genommen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage mit der Begrundung abgewiesen, dass\nvertragliche Ruckzahlungsanspruche den Klagern nicht zustunden und dass auch\nSchadensersatzanspruche wegen eines zuzurechnenden Verschuldens bei der\nAnbahnung einer Festgeldanlage nicht bestunden, weil Zweifel an der\nEigenschaft ... als Erfullungsgehilfe der Beklagten verblieben. Insoweit wird\nauf die Entscheidungsgrunde des angefochtenen Urteils verwiesen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit ihrer Berufung verfolgen die Klager ihr erstinstanzliches Begehren\nunverandert weiter. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 6 \n--- \n| die Beklagte zu verurteilen, an die Klager 15.913,96 EUR nebst 5 % Zinsen\nuber dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2001 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Berufung der Klager zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten\nSchriftsatze und die von ihnen vorgelegten Unterlagen verwiesen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klager hat uberwiegend auch in der Sache Erfolg.\nZwischen den Parteien ist zwar nicht ein Sparvertrag oder\nFestgeldanlagevertrag zustande gekommen, die Beklagte muß sich aber gem. § 278\nBGB das betrugerische Verhalten des ... bei den mit den Klagern gefuhrten\nVertragsverhandlungen zurechnen lassen. Sie muß deshalb Schadensersatz wegen\neines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen an die Klager leisten, wobei an\ndie Klager ausgezahlte Zinsen bei der Feststellung der Schadenshohe zu\nberucksichtigen waren. \n--- \n--- \n1. \n--- \n| 11 \n--- \n| Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass ein Vertrag zwischen den\nParteien nicht zustande gekommen ist, so dass die Klager nicht gem. §§ 607,\n609 a. F. BGB die Ruckzahlung der zur Verfugung gestellten Summe verlangen\nkonnen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Es ist nicht ersichtlich, dass ... bei den Verhandlungen mit den Klagern\nals Abschlussbevollmachtigter der Beklagten aufgetreten ware. Eine\nentsprechende ausdruckliche Erklarung ist nicht vorgetragen. Auch die weiteren\nUmstande des Falles lassen eine solche Schlussfolgerung nicht zu. Eine\nBevollmachtigung ergibt sich auch nicht aus Aufgaben und Funktion eines\nBezirksvertreters. Ausweislich des dem Senat bekannten\nHandelsvertretervertrages zwischen ... und der Beklagten hatte ... im\nwesentlichen die Aufgabe, den Abschluss von Vertragen zu vermitteln und Kunden\nder Beklagten zu betreuen. Insoweit hatte er auch Vertragsverhandlungen mit\nVertragsinteressenten zu fuhren, wobei ausnahmslos aber Vertrage jedweder Art\nmit der Beklagten und weiteren Konzerngesellschaften jeweils direkt\nabgeschlossen wurden. Dies war den Klagern unbestreitbar auch gelaufig\naufgrund der bestehenden langjahrigen Geschaftsbeziehungen und der in der\nVergangenheit zustande gekommenen Vertrage. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Voraussetzung einer Rechtsscheinhaftung sind bei diesen Umstanden\nebenfalls nicht erkennbar. Eine Duldungsvollmacht hatte vorausgesetzt, dass\ndie Beklagte es wissentlich hatte geschehen lassen, dass ... als ihr Vertreter\nauftrat. Auch eine Anscheinsvollmacht kann nicht angenommen werden, da nicht\nersichtlich ist, dass ... fur die Beklagte erkennbar haufig oder fur eine\ngewisse Dauer als Vertreter aufgetreten ware. \n--- \n| 14 \n--- \n| Fur den konkreten Fall hat schließlich auch die Beweiserhebung des\nLandgerichtes keinen Anhaltspunkt dafur ergeben, ... habe sich als\nabschlußbevollmachtigter Vertreter der Beklagten geriert. \n--- \n--- \n2. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte haftet aber auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt eines\nVerschuldens bei Vertragsverhandlungen, weil ihr die bewusst unrichtigen\nAngaben des ... gem. § 278 BGB zuzurechnen sind. \n--- \n| 16 \n--- \n| ... war insoweit als Erfullungsgehilfe der Beklagten tatig. \n--- \n| 17 \n--- \n| Erfullungsgehilfe ist, wer mit Wissen des Geschaftsherrn bei der Erfullung\neiner dieser obliegenden Verbindlichkeit als Hilfsperson tatig wird, wobei\nschon der veranlasste Rechtsschein der Zustimmung zu dem Tatigwerden der\nHilfsperson ausreicht. Ein Beitrag zur Erfullung einer Verbindlichkeit kann\nauch eine Hilfstatigkeit bei der Erfullung von Sorgfalts- und Schutzpflichten\nund Offenbarungspflichten bei der Vertragsanbahnung sein. \n--- \n| 18 \n--- \n| Erforderlich ist insoweit allerdings, dass sich die Beklagte bei\nVertragsverhandlungen ihrer Bezirksvertreter als Hilfspersonen bedient und\nderen etwaiges Fehlverhalten in den Pflichtenkreis der Beklagten fallt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, weil ... den Klagern in\nseiner Eigenschaft als Bezirksvertreter der Beklagten anstelle einer bereits\nvorhandenen Spareinlage eine neuerliche lukrativere Anlage bei der Beklagten\nangeboten und mit letzteren hieruber Vertragsverhandlungen gefuhrt hatte. Eine\nordnungsgemaße, vollstandige und richtige Anlageberatung gehorte in den\nPflichtenkreis der Beklagten, weil sie diese vertragsspezifische Obliegenheit\nselbst hatte erfullen mussen, hatte sie unmittelbar entsprechende\nVertragsverhandlungen gefuhrt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beratung uber Moglichkeiten, Spar- oder Festgeldanlagen bei der\nBeklagten zu tatigen, gehorte zu den Aufgaben, die die Beklagte ihrem\nHauptbezirksvertreter ... nach dem Handelsvertretervertrag ubertragen hatte,\nder dem Senat aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist. Die Beklagte\nbehauptet auch keineswegs, dass sie Filialen fur den Publikumsverkehr\neingerichtet habe. Vielmehr ist unstreitig, dass die Beklagte generell die\nAnbahnung samtlicher Vertrage, auch solcher, die mit anderen\nKonzernunternehmen abzuschließen sind, ihren Bezirksvertreters uberlasst. \n--- \n| 21 \n--- \n| War somit ... als Hauptbezirksvertreter der Beklagten tatig geworden und\nhatte er eine Geldanlagemoglichkeit bei der Beklagten empfohlen und die\nVerhandlungen zur Anbahnung eines entsprechenden Vertragsverhaltnisses\ngefuhrt, war er als Erfullungsgehilfe der Beklagten tatig. Insoweit ist\nunerheblich, dass er von Weisungen der Beklagten abwich und in die eigene\nTasche wirtschaften bzw. vorsatzlich strafbare Handlungen begehen wollte (BGH\nNJW 91, 3208). \n--- \n| 22 \n--- \n| Im vorliegenden Fall kann der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt\nwerden, eine Zurechnung des Verhaltens des ... musse deshalb entfallen, weil\nsich dessen konkretes Fehlverhalten außerhalb seines allgemein ihm\nzugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt habe. \n--- \n| 23 \n--- \n| In der Tat hatte die Beklagte nicht zu haften, hatte ... nur bei\nGelegenheit der Erfullung ihm zugewiesener Aufgaben und somit ohne inneren\nsachlichen Zusammenhang damit gehandelt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein solcher Fall liegt aber nicht deshalb vor, weil ... auch der Beklagten\ngegenuber pflichtwidrig handelte. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Zurechnung von Verhaltensweisen gem. § 278 BGB betrifft gerade\npflichtwidrige Verhaltensweisen von Hilfspersonen. Entscheidend ist allein, ob\ndas Handeln des ... noch in den Rahmen des ihm allgemein zugewiesenen\nAufgabenbereichs fiel oder ob eine Überschreitung dieses Aufgabenbereichs\nobjektiv vorlag und insbesondere auch fur den Geschaftsgegner erkennbar\ngeworden war, ob also die Klager im vorliegenden Fall erkennen mussten, dass\n... den ihm zugewiesenen Pflichtenkreis bei den Verhandlungen und der\nAusfuhrung des vorgeblichen Anlagegeschaftes verlassen hatte und tatsachlich\nein eigenes Geschaft anbahnen und ausfuhren wollte. \n--- \n| 26 \n--- \n| Letzteres vermag der Senat nach den tatsachlichen Gegebenheiten, wie sie\nsich aufgrund der Beweiserhebung des Landgerichts und der neuerlichen Anhorung\nder Klager durch den Senat und aufgrund der vorliegenden Urkunden darstellt,\nnicht festzustellen (wobei hier ohne Belang ist, dass die Beweislast fur eine\nPflichtverletzung und fur die Voraussetzungen der Zurechnung gem. § 278 BGB\nbei den Klagern liegt). \n--- \n| 27 \n--- \n| Vorliegend sind Umstande nicht vorhanden, die fur sich allein betrachtet\noder in einer Gesamtschau aus der Sicht der Klager zu der Erkenntnis hatten\nfuhren mussen, ... wolle das streitgegenstandliche Sparguthaben der Klager ab\nEnde Februar 1997 fur sich selbst vereinnahmen und selbst verzinsen\n(Eigengeschaft). Insoweit ist die langjahrige Geschaftsbeziehung der Parteien\nzu berucksichtigen, die dadurch gekennzeichnet war, dass samtliche\nvorausgegangene Vertragsschlusse von ... vorbereitet und ausgehandelt worden\nwaren. Das gilt insbesondere fur die vorausgegangene Anlage einer Sparsumme im\nRahmen eines Festgeldvertrages, die ebenfalls von ... angeregt und\nausgehandelt worden war. Er hatte die Klager auch bei der Abwicklung betreut.\nSo hatte er die erste Bareinzahlung der Klager am 5.7.1995 entgegengenommen\nund quittiert, indem er ein dafur nicht vorgesehenes Quittungsformular der\nBeklagten benutzte, welches er mit seinem Bezirksvertreterstempel versehen und\nsodann von einer Angestellten hatte unterzeichnen lassen (K 2, Bl. 7). ...\nhatte sich auch einschalten lassen bei der Beendigung dieses\nSparverhaltnisses, indem er sich die erforderliche Vollmacht fur die Kundigung\nerteilen und zur Verfugung uber den Sparbetrag ermachtigen ließ.\nDementsprechend wurde unstreitig ein Teilbetrag der ursprunglichen Sparsumme\nvon 6.623,35 DM von ... an die Klager ausgezahlt. \n--- \n| 28 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund war es in keiner Weise auffallig, insbesondere war\nkeine Abweichung von dem ... zugewiesenen Aufgabenbereich erkennbar, als er am\n28.2.1997 wiederum ein Quittungsformular der Beklagten benutzte, welches\nersichtlich fur Auszahlungen seitens der Beklagten vorgesehen war, um eine\nneuerliche Anlage der verbliebenen Sparsumme von 30.000,- DM zu dokumentieren\n(K 8, Bl. 13). \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Senat vermag dem von ... handschriftlich angebrachten Kurztext "7,5 %\n..." in diesem Zusammenhang keine gesteigerte Bedeutung beizumessen.\nVerstandlich hiervon ist lediglich die Festlegung des unstreitig vereinbart\ngewesenen Zinssatzes von 7,5 %. Dass die Bedeutung des Kurzels "..." im Sinne\neines Eigengeschaftes des ... erlautert worden ware, ist demgegenuber in\nkeiner Weise erkennbar. Die Beklagte außert insoweit lediglich eine Vermutung,\ndie aber zur Überzeugung des Senates durch die wiederholten Bekundungen der\nKlager bei ihren personlichen Anhorungen und auch durch die Zeugenaussage des\n... widerlegt ist. \n--- \n| 30 \n--- \n| Den Klagern ist auch nicht eine auffallig sinnlose Vorgehensweise des ...\nvorzuhalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist keineswegs eine\nAuszahlung der ursprunglichen Sparsumme in ... die Verbringung der Gelder nach\n..., deren erneute Einzahlung in ... und eine anschließende neuerliche\nVerbringung nach ... festzustellen. Vielmehr ist von der Darstellung der\nKlager auszugehen, dass gerade keine Auszahlung der ursprunglichen Sparsumme\nuber den Teilbetrag von 6.623,35 DM hinaus erfolgte, sondern dass auf\nentsprechenden Vorschlag des ... ohne jede Zwischenauszahlung das angelegte\nGuthaben zu besseren Konditionen wiederum bei der Beklagten angelegt werden\nsollte, wozu ... entsprechende Verfugungsberechtigung uber das ursprungliche\nSparguthaben erhielt. \n--- \n| 31 \n--- \n| Ein Eigengeschaft des ... musste sich den Klagern schließlich auch nicht\ndeshalb aufdrangen, weil es vorliegend nicht zur Unterzeichnung von\nFormularvertragen kam, wie sie von der Beklagten oder weiteren\nKonzerngesellschaften verwendet werden, oder weil ... außerordentlich gunstige\nAnlagekonditionen angeboten hatte. Dass ... fur Kunden der Beklagten formlos\ntatig werden konnte, war den Beklagten sowohl bei der Einzahlung des ersten\ngewichtigen Teilbetrages der ursprunglichen Sparsumme am 5.7.1995 als auch bei\nder teilweisen Auszahlung des ursprunglichen Sparbetrages verdeutlicht worden. \n--- \n| 32 \n--- \n| Keine entscheidende Bedeutung fur die hier zu beurteilende Anbahnungsphase\nkann den von der Beklagten hervorgehobenen Auffalligkeiten bei der spateren\nAbwicklung beigemessen werden. Dies gilt fur den Umstand, dass spater\nKontoauszuge von der Beklagten nicht erteilt wurden (wobei dies nach\nDarstellung der Klager und des ... angekundigt und mit dem Hinweis auf die\nEinrichtung eines Sammelkontos auch plausibel erlautert worden war). Dies gilt\nebenso fur die spateren Zinsauszahlungen durch ... (wobei nicht ohne weiteres\nerkennbar war, dass das Konto bei der ..., auf welches sich die uberlassenen\nSchecks bezogen, ein Privatkonto des ... war und wobei im Hinblick auf die\nAuszahlung des Teilbetrages von uber 6.000,- DM aus dem ursprunglichen\nSparkonto durch ... ebenfalls keine Veranlassung fur Argwohn bestand). \n--- \n| 33 \n--- \n| Auch den hohen Zinssatz hatte ... den Klagern plausibel gemacht. Dies haben\ndie Klager bei ihren Anhorungen jeweils in Übereinstimmung mit der Aussage des\nZeugen ... bekundet. \n--- \n| 34 \n--- \n| Keine streitentscheidende Bedeutung vermag der Senat schließlich der von\nder Beklagten hervorgehobenen Äußerung des Klagers Ziff. 2 bei seiner\npersonlichen Anhorung durch das Landgericht beizumessen. Soweit dort gesagt\nwurde, ... sei so verstanden worden, dass er als Mitarbeiter der Beklagten das\nGeld besser anlegen konne, ist dies keineswegs zwingend dahingehend\nauszulegen, ... habe offenbart, er selbst lege als Mitarbeiter der Beklagten\ndas Geld an. Die protokollierte Äußerung kann vielmehr schon ihrem Wortlaut\nnach den gegenteiligen Inhalt haben, namlich ... habe bessere\nAnlagekonditionen nicht als Privatmann, sondern in seiner Eigenschaft als\nBezirksvertreter der Beklagten zugesagt. Dass die protokollierte Aussage im\nletzteren Sinne gemeint war, hat die neuerliche personliche Anhorung des\nKlagers durch den Senat ergeben. Der Klager hat in diesem Sinne auf Vorhalt\nseine damalige Äußerung ausdrucklich erlautert. \n--- \n| 35 \n--- \n| Es muss sonach dabei bleiben, dass stichhaltige und gewichtige\nAnhaltspunkte dafur, die Klager hatten erkannt oder erkennen mussen, dass ...\nbei seinem Vorgehen den ihm von der Beklagten zugewiesenen Aufgabenbereich\nverlassen hatte, nicht bestehen. \n--- \n--- \n3. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Beklagte ist verpflichtet, Schadensersatz dahingehend zu leisten, dass\ndie Klager so gestellt werden mussen, als hatten sie die auf der\nbetrugerischen unrichtigen Beratung des ... beruhende vermeintliche Anlage bei\nder Beklagten nicht getatigt. In diesem Falle ware es bei dem ursprunglichen\nSparverhaltnis jedenfalls im Umfange von 30.000,- DM mit dem damals\nvereinbarten Zinssatz von 4,25 % jahrlich verblieben. Die Klager hatten\nallerdings auch nicht die hoheren Zinszahlungen, die von ... unstreitig\nerbracht wurden, vereinnahmen konnen. Die Klager raumen insoweit ein, dass sie\nregelmaßig, zuletzt mit Scheck vom 20.7.2000 (K 11) Zahlungen erhielten, die\ndem von ... zugesagten Zins von 7,5 % jahrlich entsprachen. Da die Zinsen\njeweils halbjahrlich zur Auszahlung kamen, sind insgesamt sieben Zinsraten zu\nje 1.125,- DM ausgezahlt worden. Bei gleichem Auszahlungsmodus hatten die\nKlager aus dem ursprunglichen Sparkonto nur halbjahrliche Zahlungen von 637,50\nDM zu erwarten gehabt, so dass insgesamt 3.412,50 DM als zusatzlich\nvereinnahmte Zinseinkunfte anzurechnen sind. Der eingetretene Schaden belauft\nsich sonach auf 26.587,50 DM, also 13.593,97 EUR. \n--- \n--- \n4. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. \n--- \n--- \n---\n\n
133,780
olgkarl-2003-03-20-16-uf-2203
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 UF 22/03
2003-03-20
2019-01-07 10:34:21
2019-02-12 12:16:48
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Nach Rucknahme der Beschwerde durch die Bundesversicherungsanstalt fur\nAngestellte (BfA) Gera gegen Ziffer 2, Absatz 2 des Urteils des Amtsgerichts\nMannheim vom 11.12.2002 - 2B F 165/01 - findet eine Kostenerstattung nicht\nstatt. Vielmehr behalten alle Verfahrensbeteiligten ihre zur\nzweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten auf sich.\nDie Gerichtskosten werden niedergeschlagen.\n\n2\\. Der Beschwerdewert wird auf 500 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Mit dem angefochtenen Verbundurteil hat das Familiengericht die Ehe der\nParteien geschieden und unter Ziffer 2 den Versorgungsausgleich durchgefuhrt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin hat wahrend der Ehezeit Anwartschaften bei der\nBundesversicherungsanstalt fur Angestellte (BfA) erworben, ebenso der\nAntragsgegner, der weiter Anwartschaften bei der Zusatzversorgungskasse des\nKommunalen Versorgungsverbandes Baden-Wurttemberg (ZVK KVBW) erworben hat. Das\nauf die Ehezeit entfallende unverfallbare Anrecht auf Betriebsrente hat die\nZVK KVBW mit monatlich 53,35 EUR mitgeteilt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Durch Ziffer 2 des Urteils des Familiengerichts Heidelberg vom 11.12.2002\nwurde der Versorgungsausgleich neben Übertragung von gesetzlichen\nRentenanwartschaften in Hohe von 21,34 EUR (Abs. 1) dahingehend durchgefuhrt,\ndass zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der ZVK-KVBW auf dem\nVersicherungskonto der Antragstellerin bei der BfA Gera Rentenanwartschaften\nin Hohe von monatlich 1,82 EUR, bezogen auf den 31.12.2001, begrundet wurden\n(Abs.2), wobei das Familiengericht die Betriebsrente nach der\nBarwertverordnung in ein dynamisches Anrecht von 7,12 DM = 3,64 EUR\numgerechnet hatte. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde rugt die BfA zu\nRecht, das Familiengericht sei bei der Umrechnung von einem falschen Alter des\nAntraggegners ausgegangen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Nachdem der mit 2,73 EUR (statt titulierter 1,82 EUR) zutreffende\nAusgleichsbetrag der Beschwerdefuhrerin mitgeteilt wurde, hat diese ihr\nRechtsmittel unter Hinweis auf eine Bagatellgrenze zuruckgenommen und bereits\nmit Beschwerdeeinlegung beantragt, von einer Auferlegung der Kosten auf sie\nabzusehen. \n--- \n| 6 \n--- \n| II. Nachdem die BfA ihre Beschwerde zuruckgenommen hat, war wie aus der\nBeschlussformel ersichtlich zu entscheiden. Eine Kostenuberburdung auf die\nBeschwerdefuhrerin gemaß § 515 Abs. 3 ZPO kommt nicht in Betracht. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Grundsatzlich ist zwar nach der Rechtsprechung des Senates bei Rucknahme\neiner gegen ein Verbundurteil in einer Folgesache der Freiwilligen\nGerichtsbarkeit gerichteten Beschwerde in der Regel § 515 Abs. 3 ZPO (jetzt: §\n1516 Abs. 3 ZPO) anzuwenden (Senat, JurBuro 1984, 454; zuletzt Beschluss vom\n29.08.2001, 16 UF 168/00; ebenso OLG Karlsruhe, 2. ZS., Beschluss vom\n10.08.1994, 2 UF 150/92). Grundsatzlich sind danach die Kosten des Verfahrens\ndem die Beschwerde zurucknehmenden Beschwerdefuhrer aufzuerlegen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Eine derartige Kostenregelung ist jedoch ausnahmsweise dann nicht zu\ntreffen, wenn sich die Parteien wie hier nicht kontradiktorisch gegenuber\ngestanden haben. Legt ein Drittbeteiligter auch im Interesse der Parteien und\nzur Herbeifuhrung einer der Rechtslage entsprechenden Entscheidung Beschwerde\nein, ist eine Kostenauferlegung gemaß § 516 Abs. 3 ZPO fur den Fall, dass die\nBeschwerde aus den in der Beschwerde angefuhrten Grunden grundsatzlich\nzutreffend, jedoch aus anderen Grunden nicht erfolgreich sein konnte, nicht\nangemessen. § 516 Abs. 3 ZPO tragt der Fallkonstellation Rechnung, dass sich\ndie Parteien in einem Verhaltnis der prozessualen Gegnerschaft gegenuber\nstehen. Dies ist z.B. in einer FGG-Folgesache gemaß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der\nFall, wenn ein Elternteil Beschwerde eingelegt hat. Bei der Beschwerde eines\nDrittbeteiligten, der zu keiner der Parteien in einer derartigen Verbindung\nsteht, tragt allein die kostenrechtliche Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG\nder Rechtslage Rechnung, dass an einer Angelegenheit mehrere Personen\nbeteiligt sind und damit eine nach ZPO-Kostenrecht zwingende Überburdung der\nVerfahrenskosten auf den Beschwerdefuhrer nicht notwendigerweise ergehen muss.\n(OLG Karlsruhe, 2. ZS., FamRZ 1997, 1546). \n--- \n| 9 \n--- \n| Die getroffene Kostenregelung entspricht auch der Billigkeit. Aus der Sicht\nder Beschwerdefuhrerin konnte sie gehalten sein, ein Rechtsmittel wegen der\nfehlerhaften Umrechnung der bei der ZVK-KVBW erworbenen betrieblichen\nAltersversorgung des Antragsgegners einzulegen. Eine konkrete Umrechnung mit\ndem korrekten Alter des Antraggegners ist von der Beschwerdefuhrerin nicht\nvorzunehmen. Eine Kostenuberburdung auf sie kommt daher nicht in Betracht. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Gerichtskosten sind gemaß § 8 GKG niederzuschlagen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 17 a Abs. 1 GKG\n(Mindestwert). \n---\n\n
133,789
olgstut-2003-03-26-17-uf-5703
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
17 UF 57/03
2003-03-26
2019-01-07 10:34:27
2019-02-12 12:16:49
Beschluss
## Tenor\n\nDer Klagerin wird fur die beabsichtigte Berufung Prozesskostenhilfe ohne\nRatenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt H., T., zu den Bedingungen eines am\nSitz des Prozessgerichts ansassigen Rechtsanwalts beigeordnet.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Erfolgsaussicht der Berufung hangt ab von der Frage, ob auf den\nUnterhaltsanspruch (ggf. auch Bedarf) der Klagerin das Kindergeld in Hohe von\n154 EUR entgegen der Regel in § 1612 b Abs. 1 BGB nicht nur zur Halfte,\nsondern voll anzurechnen ist, weil der andere Elternteil leistungsunfahig ist.\nDiese Frage ist in der Rechtsprechung und Literatur hoch streitig, eine\ndeutlich uberwiegende Auffassung ist nicht ersichtlich (s. Palandt, BGB, 62.\nAufl., § 1612 b Rn 6 m.w.N.). Der Senat halt es daher nicht fur angemessen,\ndiese Rechtsfrage im Rahmen des PKH-Verfahrens endgultig zu entscheiden. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Senat weist aber darauf hin, dass er zu der Auffassung neigt, in einem\nsolchen Fall das Kindergeld jedenfalls dann in vollem Umfang anzurechnen, wenn\nder barunterhaltspflichtige Elternteil - wie hier - Kindesunterhalt mindestens\nin Hohe des Existenzminimums schuldet. Diese Rechtsansicht hat der Senat\nbereits in seinem Beschluss vom 15.7.1999 (OLG-Report 99, 337 f) angedeutet.\nDiese Konsequenz ergibt sich insbesondere aus der gesetzlichen Regelung in §\n74 Abs. 1 S. 3 EStG, dass das Kindergeld an das Kind selbst ausgezahlt werden\nkann, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfahigkeit nicht\nunterhaltspflichtig ist. Mit dieser Bestimmung bringt der Gesetzgeber - wie\nauch in § 1612 b Abs. 5 BGB - deutlich zum Ausdruck, dass zumindest das\nKindergeld dem Kind zugute kommen soll (vgl. BFH, Urt. v. 16.4.2002, FPR 03,\n97). Bei einer lebensnahen Betrachtung ist ohnehin davon auszugehen, dass der\nElternteil, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, dem Kind trotz\nseiner Leistungsunfahigkeit Naturalleistungen zukommen lasst, insbesondere\nfreies Wohnen und Verpflegung. Auf diese Weise kehrt dieser Elternteil aber\nseinen Kindergeldanteil an das Kind aus mit der Folge, dass die Bedurftigkeit\ndes Kindes sich entsprechend reduziert. Erbringt dieser Elternteil aber keine\nkostenlosen Naturalleistungen gegenuber dem Kind, hat es das - insbesondere\nvolljahrige und damit allein verantwortliche - Kind in der Hand, durch einen\nAntrag nach § 74 Abs. 1 EStG sich das Kindergeld direkt auszahlen zu lassen\nund auf diese Weise den barunterhaltspflichtigen Elternteil zu entlasten. Im\nErgebnis ist daher wohl dem allein barunterhaltspflichtigen Elternteil das\nvolle Kindergeld zugute zu bringen (so im Ergebnis auch Born in Munchener\nKomm., BGB, 4. Aufl., § 1612 b, Rn 53; Borth in Schwab, Handbuch des\nScheidungsrechts, 4. Aufl., Teil V, Rn 188). \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Senat wird daher eine Berufung der Klagerin voraussichtlich\nzuruckweisen. Diese macht daher nur dann Sinn, wenn die Klagerin ggf.\nbeabsichtigt, eine vom Senat zugelassene Revision einzulegen. \n---\n\n
133,968
olgstut-2005-02-03-9-w-805
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
9 W 8/05
2005-02-03
2019-01-07 10:36:09
2019-02-12 12:17:00
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 14.\nZivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 23.12.2004 wird\n\n> > > ** z u r u c k g e w i e s e n. **\n\n2\\. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die gemaß § 127 Abs. 2 ZPO zulassige sofortige Beschwerde der\nAntragstellerin ist unbegrundet. Zutreffend hat das Landgericht der in\nAussicht genommenen Klage hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs.\n1 ZPO nicht zugebilligt. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin erstrebt mit ihrer beabsichtigten Klage die\nUnzulassigerklarung der Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid\nvom 06.12.1995. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Antragstellerin hatte am 06.03.1993 eine Burgschaftserklarung zur\nAbsicherung eines Geschaftsdarlehens ihres Ehemannes bei der Beklagten in Hohe\nvon 96.500,-- DM abgegeben. In Hohe von 23.828,07 DM wurden mit diesem\nDarlehen ein bereits 1988 gewahrtes Darlehen, bei dem sich die Antragstellerin\nals Ehegattin mitverpflichtet hatte, abgelost. Die Antragstellerin und ihr\nEhemann trennten sich 1996. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Aus dieser Burgschaft nahm die Beklagte die Klagerin in Anspruch und betrieb\ngegen sie das Mahnverfahren, welches schließlich zu dem Vollstreckungsbescheid\nvom 06.12.1995 fuhrte. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragstellerin tragt vor, sie habe in der Firma ihres vormaligen\nEhemannes unentgeltlich mitgeholfen; im Wesentlichen habe sie sich aber der\nBetreuung ihrer drei Kinder gewidmet und sei einkommens- und vermogenslos\ngewesen. Sie sei deshalb durch die Burgschaft finanziell krass uberfordert und\nnicht im Stande gewesen auch nur die laufenden Zinsen der Hauptschuld in Hohe\nvon monatlich etwa 1.400,-- DM aufzubringen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Auch nach dem zum Zeitpunkt der Burgschaftsubernahme veroffentlichten Stand\nder hochstrichterlichen Rechtsprechung sei die Burgschaftsubernahme\nsittenwidrig gewesen, weshalb der Anspruch der Antragsgegnerin, ware er im\nWege der Klage geltend gemacht worden, an der gerichtlichen\nSchlussigkeitsprufung gescheitert ware. Die Beklagte habe sich den\nVollstreckungstitel unter Umgehung dieser Prufung erschlichen. Dies\nrechtfertige eine Durchbrechung der Rechtskraft. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Landgericht hat der beabsichtigten Klage die hinreichende Aussicht auf\nErfolg abgesprochen. Es hat ausgefuhrt, der Vollstreckungsbescheid sei nicht\nnur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fahig. Da die von\nder Antragstellerin erhobenen materiell-rechtlichen Einwendungen bereits bei\nder Eingehung der Burgschaftsverpflichtung vorgelegen hatten, konne hierauf\neine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht gestutzt werden. Jedoch\nbiete § 138 BGB dem Schuldner nach gefestigter hochstrichterlicher\nRechtsprechung in Ausnahmefallen die Moglichkeit, sich gegen einen materiell\nunrichtigen Titel zur Wehr zu setzen, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken\nschlechthin unvereinbar ware, nutzte der Titelglaubiger seine formelle\nRechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des\nSchuldners aus. Eine solche Anwendung des § 826 BGB musse jedoch auf besonders\nschwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefalle beschrankt bleiben, weil jede\nAusdehnung das Institut der Rechtskraft aushohlen, die Rechtssicherheit\nbeeintrachtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in\nFrage stellen wurde. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Zwar sei der von der Beklagten erlangte Vollstreckungstitel materiell\nunrichtig, da die Burgschaft, aus der die Beklagte ihre Titelforderung\nherleitet, gegen § 138 BGB verstoße und deshalb nichtig sei. Die nachtragliche\nKenntnis der Antragsgegnerin hiervon reiche jedoch nicht aus, den\nrechtskraftigen Titel als sittenwidrig erscheinen zu lassen. Es mussten\nvielmehr besondere Umstande hinzukommen, die die Art der Erlangung des Titels\noder die Ausnutzung der Vollstreckung betreffen und es geboten erscheinen\nließen, dass der Glaubiger die ihm nach materiellem Recht unverdient\nzugefallene Rechtsposition aufgebe. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Solche Umstande konnten vorliegen, wenn gerade die Besonderheiten des\nMahnverfahrens dazu gefuhrt hatten, dass der Glaubiger fur einen materiell\nnicht gerechtfertigten Anspruch einen rechtskraftigen Vollstreckungstitel habe\nerwerben konnen. Bereits in der Wahl des Mahnverfahrens konne ein Umstand\nliegen, der eine spatere Vollstreckung aus dem materiell unrichtigen Titel\nsittenwidrig mache. Dies gelte allerdings nicht, wenn der Glaubiger im\nkonkreten Fall nach dem Stand der hochstrichterlichen Rechtsprechung zum\nZeitpunkt der Geltendmachung seines Anspruchs noch damit habe rechnen konnen,\ndass er auch im Klageverfahren ein Versaumnisurteil gegen den Schuldner\nerwirken wurde (BGHZ 101, 380 ff.). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach dem Stand der Rechtsprechung im Dezember 1995 habe die Klagerin bei der\nWahl des Mahnverfahrens Ende 1995 davon ausgehen durfen, dass auch bei einer\nKlage ihre Anspruche eine Schlussigkeitsprufung und vermutlich auch den von\nder Antragstellerin nunmehr vorgebrachten Einwendungen standhalten und zum\nErlass eines fur sie gunstigen Urteils fuhren werde. Die Wahl des\nMahnverfahrens und die Ausnutzung des Vollstreckungsbescheides fur\nZwangsvollstreckungsmaßnahmen erscheine deshalb nicht in so hohem Maße\nunbillig und geradezu unertraglich, dass die begehrte Rechtskraftdurchbrechung\nuber § 826 BGB zu bejahen sei. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Um unnotige Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auf diese\nAusfuhrungen, die er in vollem Umfang billigt, Bezug. Erganzend ist anzufugen: \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Im Streitfall bedarf keiner Klarung, ob die Übernahme einer Burgschaft durch\neinen hierdurch finanziell krass uberforderten Ehegatten bereits ohne\nHinzutreten weiterer Umstande eine widerlegliche tatsachliche Vermutung dafur\nschafft, dass sich der Burge bei der Haftungsubernahme nicht von einer\nrationalen Einschatzung des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen und der\nGlaubiger die emotionale Beziehung zwischen Hauptschuldner und Burgen in\nsittlich anstoßiger Weise ausgenutzt hat (vgl. BGHZ 146, 37, 42), oder ob mit\ndem IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs trotz krasser finanzieller\nÜberforderung zusatzlich zu verlangen ist, dass der Burgschaftsvertrag sich in\njeder Hinsicht als wirtschaftlich sinnlos erweist, was bei vor dem Jahr 1999\nabgeschlossenen Vertragen zu verneinen sei, wenn der Glaubiger begrundeten\nAnlass gehabt habe, die Burgschaft zum Schutz vor Vermogensverlagerungen\nzwischen dem Kreditnehmer und dessen Lebenspartner hereinzunehmen, sofern dem\nGlaubiger fur seine Forderungen gegen den Hauptschuldner keine anderweitigen\nSicherheiten zur Verfugung gestanden hatten (vgl. BGHZ 151, 316 ff.). \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Ebensowenig kommt es im Streitfall darauf an, ob einer Sittenwidrigkeit der\nBurgschaft entgegenstehen konnte, dass die Antragstellerin sich fur das ihrem\nEhemann im Jahr 1988 gewahrte Darlehen mitverpflichtet hatte und das Darlehen\nvom 06.03.1993 Zum Teil dessen Umschuldung diente. \n--- \n--- \nc) \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Denn jedenfalls musste die Beklagte im Dezember 1995 anhand der\nveroffentlichten hochstrichterlichen Rechtsprechung eine etwaige\nSittenwidrigkeit der Burgschaftsverpflichtung der Klagerin noch nicht\nerkennten. Ohne Erfolg bringt die Beschwerde insoweit vor, in der Folge des\nBeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19.10.1993 (BVerfGE 89, 214 ff.)\nhabe sich die Rechtsprechung mitten in einer Umbruchphase befunden, als die\nBeklagte ihren Vollstreckungstitel erwirkte. Es durfe davon ausgegangen\nwerden, dass sie die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von\nBurgschaftsubernahmen mit Argusaugen verfolgt und aufgrund des Beschlusses des\nBundesverfassungsgerichts vom 19.10.1993 bereits damit habe rechnen mussen,\ndass Mithaftungsverpflichtungen von Ehegatten von den Gerichten zunehmend als\nunwirksam angesehen werden wurden. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit dieser Argumentation verkennt die Antragstellerin, dass die Rechtskraft\neines Vollstreckungstitels nur in Ausnahmefallen durchbrochen werden darf. Die\nRechtssicherheit ist ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit und\ndamit ein Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes. Aus ihm folgt die\ngrundsatzliche Rechtsbestandigkeit rechtskraftiger Entscheidungen und\nsonstiger in Rechtskraft erwachsener Akte der offentlichen Gewalt. Tritt\ndieser Grundsatz mit dem Gebot der Gerechtigkeit im Einzelfall in Widerstreit,\nso ist es Sache des Gesetzgebers und der Rechtsprechung das Gewicht, das ihnen\nin dem zu regelnden Fall zukommt, abzuwagen und zu entscheiden, welchem der\nbeiden Prinzipien der Vorzug gegeben werden soll. Um der Rechtssicherheit\nWillen darf die Rechtsordnung uber das Institut der Rechtskraft in Kauf\nnehmen, dass selbst unrichtige Gerichtsentscheidungen fur den Einzelfall\nendgultig verbindlich sind. Selbst wenn materiell-rechtlich kein Anspruch auf\ndie rechtskraftig titulierte Forderung besteht, stellt die Durchbrechung der\nRechtskraft aufgrund des § 826 BGB eine Ausnahme dar. Das Erwirken und das\nanschließende Benutzen eines Titels stellt sich dann nicht als sittenwidrig\ndar, wenn der Titelglaubiger zum Zeitpunkt der Beantragung des\nVollstreckungsbescheides nach der damals veroffentlichten Rechtsprechung nicht\nvon einer materiell-rechtlichen Unrichtigkeit der Forderung ausgehen musste\n(BVerfG, Beschluss vom 08.10.1992 - 1 BvR 1262/92 - NJW 1993, 1125). Es reicht\nalso nicht aus, wenn die Rechtsprechung unklar, widerspruchlich oder im\nUmbruch ist. Denn unter solchen Verhaltnissen ist es legitim, wenn sich der\nAnspruchsteller auf den ihm gunstigeren, in der Rechtsprechung vertretenen\noder nach dieser vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt und auf dieser Grundlage\ndas Mahnverfahren beschreitet. Die Wahl des Mahnverfahrens kann den Vorwurf\neiner vorsatzlichen sittenwidrigen Schadigung durch Erschleichung eines\nVollstreckungstitels erst begrunden, wenn sich eine gefestigte\nobergerichtliche Rechtsprechung herausgebildet hat oder eine\nhochstrichterliche Entscheidung ergangen ist, woraus das Nichtbestehen des\ngeltend gemachten Anspruchs so klar zu entnehmen ist, dass dem Anspruchsteller\nder Vorwurf gemacht werden muss, er habe diese gekannt oder sich der Kenntnis\nin schlechthin unverstandlicher Weise verschlossen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Diesen Vorwurf kann man angesichts der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats\ndes Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von Burgschaftsvertragen der Bank mit\ndem krass finanziell uberforderten Ehegatten ihres Kreditnehmers fur die Zeit\nvor dem Jahr 1999 (vgl. BGHZ 151, 316 ff. m. w. N.) der Beklagten unter den\nUmstanden des Streitfalls nicht machen. \n--- \n--- \nd) \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Ebenso erfolglos bleibt der Hinweis der Antragstellerin, sie sei\nschutzwurdig, weil sie sich in dem von der Bank eingeleiteten Mahnverfahren\nnicht anwaltlich habe vertreten lassen. Die Entscheidung, im Rahmen eines\nRechtsstreits anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist Sache der\nProzesspartei. Verzichtet sie darauf, so kann sie daraus erwachsende Nachteile\nihrem Prozessgegner nicht entgegenhalten. \n--- \n--- \ne) \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Keinen Erfolg bringt der Antragstellerin ihr Einwand, die Geschaftsgrundlage\nihres Burgschaftsversprechens sei weggefallen, da sie sich bereits im Jahr\n1996 von ihrem damaligen Ehemann getrennt habe und beide seit 1998 geschieden\nseien, so dass auf sie von Seiten ihres damaligen Ehemannes kein Vermogen mehr\nverschoben werden konne. \n--- \n--- \naa) \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Bei einer Haftungsvereinbarung fur fremde Schulden kommt ein Wegfall der\nGeschaftsgrundlage nur ganz ausnahmsweise in Betracht; denn der Verpflichtete\nubernimmt hier in der Regel schlechthin und uneingeschrankt das Risiko, dass\nder Schuldner, bei Falligkeit der Schuld nicht leistungsfahig ist. Unter\nsolchen Voraussetzungen gehoren sowohl alle die Zahlungsfahigkeit des Burgen\nbetreffenden Umstande als auch der Fortbestand seiner Ehe zum alleinigen\nRisikobereich des Burgen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Vereinbart der Kreditnehmer jedoch mit dem Ehepartner des Hauptschuldners\neine Burgschaft, die dessen wirtschaftliche Leistungsfahigkeit bei weitem\nuberschreitet, und ist dem Glaubiger diese Tatsache bekannt oder hat er\nbewusst davon abgesehen, Feststellungen zu Einkommen und Vermogen des Burgen\nzu treffen, so unterscheidet sich der Sinn und Zweck einer solchen Burgschaft\nganz grundlegend von dem, was mit derartigen Vertragen in aller Regel\nbeabsichtigt ist. Eine solche Verpflichtung gewinnt aus der Sicht der Parteien\neine vernunftige Bedeutung, die mit den beiderseitigen berechtigten Interessen\nvereinbar ist, regelmaßig nur daraus, dass der Glaubiger vor den Nachteilen\neiner Vermogensverlagerung zwischen den Ehepartnern geschutzt wird. Entfallen\ndie Voraussetzungen, unter denen eine solche Verschiebung in Zukunft noch\nmoglich erscheint, kann der mit dem Burgschaftsvertrag erfolgte Zweck nicht\nmehr verwirklicht werden. Es fehlt dann an den Umstanden und Verhaltnissen,\nderen Fortdauer erforderlich ist, damit der Vertrag eine den Intentionen\nbeider Parteien entsprechende sinnvolle Regelung darstellen kann. Die den\nInhalt und Zweck einer solchen Burgschaft entscheidend pragenden\nBesonderheiten liegen fur beide Vertragspartner klar auf der Hand. In Folge\ndessen ist die Gefahr der Vermogensverlagerung ausnahmsweise nicht dem\nalleinigen Risikobereich des Burgen zuzurechnen. Vielmehr setzt sich die Bank\ndem Vorwurf widerspruchlichen Verhaltens aus, wenn sie den wirtschaftlich\nnicht leistungsfahigen Burgen in Anspruch nimmt, obwohl die Grunde, die seine\nVerpflichtung allein zu rechtfertigen vermochten, nicht mehr bestehen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Wegfall der Geschaftsgrundlage wird freilich nur dann rechtlich\nerheblich, wenn und soweit der Fortbestand des Vertrages wegen der veranderten\nSituation zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis fuhrt. Dies setzt voraus,\ndass die volle Weiterhaftung aus der Burgschaft fur die verpflichtete Partei\nsich als schlechthin unzumutbar darstellt und ein Abgehen vom Vertrag auch in\nAnbetracht der berechtigten Interessen des Glaubigers sachgerecht ist. Bei\nBurgschaften einkommens- und vermogensloser Ehegatten ist das grundsatzlich\nnur anzunehmen, wenn die Verpflichtung den Rahmen ublicher Konsumentenkredite\ndeutlich ubersteigt und auch unter Berucksichtigung der Dauer der\nLebensgemeinschaft nach Gewahrung des Kredits sowie der wirtschaftlichen\nVorteile des Burgen aus der Leistung der Bank nicht mehr vertretbar erscheint\n(BGH, Urteil vom 05.01.1995 - IX ZR 85/94 - NJW 1995, 592, 593 ff. m. w. N.). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dann kann der Wegfall der Geschaftsgrundlage unter Berucksichtigung aller\nmaßgeblichen Umstande des Einzelfalles zu einer Vertragsanpassung und im\nEinzelfall auch zu einer Reduktion der Zahlungspflicht auf Null fuhren. \n--- \n--- \nbb) \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Indem sich die Antragstellerin auf diese Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofs beruft, verkennt sie jedoch, dass ihrem Begehren - anders\nals der Klagerin bezuglich des Klaganspruchs in jenem vom Bundesgerichtshof\nentschiedenen Fall - ein materiell rechtskraftiger Titel entgegensteht. Wollte\nman eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft in gleicher Weise zulassen,\nwie den Treuwidrigkeitseinwand gegen eine noch nicht titulierte Forderung, so\nwaren die strengen, an vorsatzliches Handeln anknupfenden Voraussetzungen des\n§ 826 BGB entgegen der hochstrichterlichen Rechtsprechung ausgehebelt, und die\nRechtssicherheit wurde in nicht mehr hinnehmbarem Umfang untergraben. Auf die\nmit dem Darlehensvertrag und der Burgschaftsverpflichtung im Streitfall\neinhergehende Umschuldung des auch die Antragstellerin verpflichtenden,\nalteren Darlehens erfolgte, kommt es deshalb nicht entscheidend an. \n--- \n--- \nf) \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Schließlich kann sich die Antragstellerin auch nicht darauf berufen, das\nProzesskostenhilfeverfahren diene nicht dem Zweck, uber zweifelhafte\nRechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Grundsatzlich weist § 114\nSatz 1 ZPO dem Gericht die Aufgabe zu, die Erfolgsaussicht der beabsichtigten\nRechtsverfolgung oder -verteidigung zu prufen. Nur ausnahmsweise hat eine\nderartige Prufung im Prozesskostenhilfeverfahren zu unterbleiben, wenn die\nEntscheidung von einer schwierigen, in der hochstrichterlichen Rechtsprechung\nbislang nicht geklarten und anhand ihrer nicht zu klarenden Rechtsfrage\nabhangt. Eine solche Frage und damit das Bestehen oder Nichtbestehen eines\numstrittenen Anspruchs klaren zu lassen, soll die Prozesskostenhilfe auch\neiner armen Partei ermoglichen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Darum geht es jedoch im Streitfall nicht. Denn die Prufung der\nErfolgsaussicht der von der Antragstellerin beabsichtigten Rechtsverfolgung\nerfordert keine Prognose daruber, wie die hochstrichterliche Rechtsprechung\neine an den genannten Maßstaben als schwierig einzustufende Rechtsfrage\nentscheiden wird, sondern eine ruckblickende, wertende Betrachtung der\nhochstrichterlichen Rechtsprechung gegen Ende des Jahres 1995 zur\nSittenwidrigkeit von Ehegattenburgschaften. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Darauf, dass die Antragstellerin ihre wirtschaftlichen Verhaltnisse bisher\nnicht glaubhaft gemacht hat (die von ihr vorgelegte Gehaltsbescheinigung\nwiderspricht ihrem Vorbringen in der Beschwerdeschrift, sie lebe seit April\n1996 bis Januar 2005 von Sozialhilfe sowie Wohngeld; und diese Bescheinigung\nweist ein anderes Monatseinkommen aus, als das von der Antragstellerin im\nProzesskostenhilfeformular angegebene), kommt es somit gleichfalls nicht an. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Gerichtsgebuhr gemaß KV 1811 (Anlage zum GKG) tragt die Antragstellerin\nauch ohne gesonderten Kostenausspruch. Außergerichtliche Auslagen sind gemaß §\n127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten. \n--- \n--- \nIV. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Voraussetzungen, nach § 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen\nnicht vor. \n--- \n---\n\n
134,235
vg-freiburg-2008-02-19-4-k-112306
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 1123/06
2008-02-19
2019-01-07 10:38:59
2019-01-17 11:54:10
Urteil
## Tenor\n\nSoweit der Klager die Klage zuruckgenommen hat, wird das Verfahren\neingestellt.\n\nIm Übrigen werden die Bescheide der Beklagten vom 17.11.2003 uber die\nFremdenverkehrsbeitrage fur die Jahre 1999, 2000 und 2001 sowie der\nWiderspruchsbescheid des Landratsamts L. vom 15.05.2006 aufgehoben, soweit\ndarin hohere Beitrage als 863,69 EUR fur das Jahr 1999, 947,31 EUR fur das\nJahr 2000 und 982,54 EUR fur das Jahr 2001 festgesetzt und die Widerspruche\ndes Klagers zuruckgewiesen wurden.\n\nDie Beklagte tragt drei Viertel, der Klager ein Viertel der Kosten des\nVerfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen die Erhebung von Fremdenverkehrsbeitragen fur\ndie Jahre 1999, 2000, 20001 und 2003. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist ein gemeinnutziger Verein mit Sitz in H., der im\nFamilienferiendorf T. 30 Ferienhauser besitzt, die er an kinderreiche und\nfinanziell schwach gestellte Familien vermietet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 17.11.2003 erließ die Beklagte fur die Jahre 1999, 2000 und 2001\nBescheide uber die (endgultige) Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags sowie\nfur das Jahr 2003 uber eine Vorauszahlung auf den Fremdenverkehrsbeitrag. Nach\ndiesen Bescheiden belauft sich der Beitrag fur das Jahr 1999 auf 2.878,97 EUR,\nfur das Jahr 2000 auf 3.157,71 EUR und fur das Jahr 2001 auf 3.275,14 EUR. Die\nVorauszahlung fur das Jahr 2003 belauft sich auf 3.275,-- EUR. Der Festsetzung\nder Fremdenverkehrsbeitrage fur die Jahre 1999 bis 2001 lag folgende\nBerechnung zugrunde: Die von dem Klager selbst angegebenen Nettoumsatze wurden\nmit einem Richtsatz von 20 % multipliziert. Der daraus errechnete Reingewinn\nwurde wiederum mit einem Vorteilssatz von 100 % und der so ermittelte\nMessbetrag mit dem Hebesatz von 6,5 % multipliziert. Der Vorauszahlungsbetrag\nfur 2003 beruhte auf der Festsetzung des Vorjahres. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 18.12.2003, bei der Beklagten eingegangen am 22.12.2003,\nerhob der Klager gegen diese Bescheide Widerspruch. Zur Begrundung gab er an,\ndass der fur die Berechnung des Beitrags maßgebliche Richtsatz nicht 20 %,\nsondern lediglich 6 % betragen durfe. Bei Anwendung dieses Richtsatzes von 6 %\nergaben sich bei ansonsten gleichen Annahmen fur das Jahr 1999 ein Beitrag in\nHohe von 1.689,-- DM (= ca. 863 Euro), fur 2000 von 1.853,-- DM (= ca. 947\nEUR) und fur 2001 in Hohe von 1.922,-- DM (= ca. 982 EUR). Wie die Beklagte in\neinem fruheren Schreiben zu Recht ausgefuhrt habe, musse der Richtsatz nach\nMaßgabe der gultigen Richtsatzsammlung in Anlehnung an den Gewerbezweig der\nBeherbergungsbetriebe festgelegt werden. Es sei wirklichkeitsfremd, wenn die\nBeklagte dagegen vortrage, ein Vergleich zu den in der Richtsatzsammlung\ngenannten Beherbergungsbetrieben sei nicht moglich, da es hier nur um die\nBereitstellung von Wohnraum ohne jegliche Verpflegung gehe. Denn wenn es\ntatsachlich zutrafe, dass mit der Vermietung von Wohnungen bzw. Ferienhausern\nohne Verpflegung ein Betriebsergebnis von 20 % vom Umsatz, bei anderen\nBeherbergungsbetrieben dagegen nur von 6 % zu erzielen sei, wurde es\nsicherlich mehr Feriendorfer geben als Hotels. Die Anwendbarkeit der\nRichtsatzsammlung ergebe sich auch durch einen Vergleich mit dem tatsachlich\nerzielten Betriebsergebnis vor Abschreibung. Fur die Anwendung der\nRichtsatzsammlung spreche außerdem, dass dies besonders praktikabel sei, weil\nsich damit zukunftig ein Hin und Her uber die Berucksichtigungsfahigkeit von\nKosten erubrige. Das sei der vom Satzungsgeber der\nFremdenverkehrsbeitragssatzung (FVBS) beabsichtigte Zweck der Regelung in § 4\nAbs. 2 FVBS gewesen. Hinzu komme, dass eine Berechnung nach Maßgabe der Satze\n2 und 3 von § 4 Abs. 2 FVBS auf dem Mindestreingewinnsatz basiere, die\nBerechnung nach Satz 4 dagegen auf einer Schatzung, bei der offensichtlich\nnicht berucksichtigt werde, welcher Umsatz in dem Feriendorf mindestens\nerzielt werde. Dies fuhre zu einer schwerwiegenden Benachteiligung von\nBetrieben, die nicht in der Richtsatzsammlung enthalten seien. Aber selbst\nwenn man nicht auf die Richtsatzsammlung zuruckgreife, sei er in Hohe von 20 %\njedenfalls zu hoch geschatzt. Denn zum einen sei es willkurlich, dass die\nBeklagte bei der Schatzung, die ublicherweise die letzten funf Jahre umfasse,\ndie Jahre 1996/97 und 1997/98 deshalb unberucksichtigt lasse, weil ihr die\nErgebnisse zu niedrig erschienen. Des Weiteren hatten auch die in ihrer\nVerwaltungszentrale in H. auf die Ferienhaussiedlung in T. entfallenden Kosten\nanteilig bei der Schatzung berucksichtigt werden mussen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2006 wies das Landratsamt L. den\nWiderspruch des Klagers gegen die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide der\nBeklagten vom 17.11.2003 fur die Jahre 1999, 2000 und 2001 sowie gegen den\nVorausleistungsbescheid vom 17.11.2003 fur das Jahr 2003 zuruck. Zur\nBegrundung fuhrte das Landratsamt aus: Der Beitrag bemesse sich nach den\nbesonderen wirtschaftlichen Vorteilen, insbesondere den Mehreinnahmen, die dem\nBeitragspflichtigen aus dem Kurbetrieb oder dem Fremdenverkehr in der Gemeinde\nerwuchsen. Diese Mehreinnahmen wurden in einem Messbetrag ausgedruckt, der\nsich dadurch ergebe, dass die Reineinnahmen mit dem Vorteilssatz multipliziert\nwurden. Die Reineinnahmen wurden aus dem in der Gemeinde erzielten Umsatz\nermittelt. Zur Ermittlung werde die Richtsatzsammlung der fur die jeweilige\nGemeinde zustandigen Oberfinanzdirektion angewandt. In der hier maßgeblichen\nRichtsatzsammlung sei fur die entsprechende Betriebsart kein Wert angegeben.\nZwar sehe die Richtsatzsammlung der Oberfinanzdirektion eine Gewerbeklasse\n"Hotels Garni, Gasthofe und Pensionen mit Fruhstuck" vor. Eine\nVergleichbarkeit mit dem Feriendorf des Klagers sei insoweit jedoch nicht\ngegeben, weil dort keine Ausgabe von Mahlzeiten erfolge. Die Beklagte habe\ndeshalb die Reineinnahmen geschatzt und dabei die Ergebnisse von drei Jahren\nverwendet. Die Begrundung der Beklagten, dass Jahre mit abweichenden\nWirtschaftsjahren nicht in die Schatzung mit einbezogen wurden, sei\nnachvollziehbar, weil ansonsten kein einheitliches Ergebnis habe erreicht\nwerden konnen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 16.06.2006 hat der Klager Klage erhoben. Zur Begrundung wiederholt er im\nWesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Erganzend fuhrt er\naus: Die Reingewinnsatze konnten in Form von pauschalierten Satzen fur\neinzelne Berufsgruppen bzw. Betriebssparten ermittelt werden. Dies gelte dann\nfur alle betroffenen Betriebe gleichermaßen. Wenn sich der Satzungsgeber fur\neine Pauschalierung entscheide, musse sie mit dem Gleichheitssatz vereinbar\nsein. Er musse sich dann bei der Festlegung der Vorteilssatze an den in der\nGemeinde vorhandenen Berufsgruppen bzw. Betrieben orientieren.\nVorteilsunterschieden bei einzelnen Betrieben musse dadurch Rechnung getragen\nwerden, dass zusatzliche Kriterien berucksichtigt wurden. Wenn die\nVorteilsschatzung innerhalb einer Beitragsgruppe oder im Verhaltnis\nverschiedener Beitragsgruppen zueinander willkurlich erscheine, liege ein\nVerstoß gegen das Gebot der Abgabengerechtigkeit vor. Ein solcher Verstoß\ngegen den Gleichheitsgrundsatz liege hier vor. Denn aus der Satzung der\nBeklagten uber die Erhebung von Fremdenverkehrsbeitragen ergebe sich, dass\nhier ein Richtsatz in Hohe von 6 % anzuwenden sei. Diese Satzung bestimme,\ndass zur Ermittlung der Reineinnahmen der Mindestreingewinnsatz aus der\njeweils gultigen Richtsatzsammlung der zustandigen Oberfinanzdirektion\nangewandt werde. Er (der Klager) gehore eindeutig zu den\nBeherbergungsbetrieben und er sei deshalb nach der Richtsatzsammlung als\n"Hotel nur mit Fruhstuck/Hotel Garni" einzustufen. Allein der Umstand, dass in\nseinem Betrieb, keine Mahlzeiten verabreicht wurden, rechtfertige es nicht,\nvon dieser Betriebseinstufung abzuweichen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Schreiben vom 28.01.2008 teilte die Prozessbevollmachtigte der\nBeklagten mit, dass der Klager gegen den endgultigen Bescheid uber die\nBeitragsveranlagung fur das Jahr 2003 kein Rechtsmittel eingelegt habe und\ndieser daher bestandskraftig geworden sei. Damit sei das Rechtsschutzbedurfnis\nfur die Klage gegen den Vorauszahlungsbescheid fur das Jahr 2003 entfallen.\nDer Prozessbevollmachtigte des Klagers erklarte in der mundlichen Verhandlung,\ndass er die Beitragsveranlagung fur das Jahr 2003 deshalb nicht mehr anfechte. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| die Bescheide der Beklagten vom 17.11.2003 uber die Fremdenverkehrsbeitrage\nfur die Jahre 1999, 2000 und 2001 sowie den Widerspruchsbescheid des\nLandratsamts L. vom 15.05.2006 aufzuheben, soweit darin hohere Beitrage als\n863,69 EUR fur das Jahr 1999, 947,31 EUR fur das Jahr 2000 und 982,54 EUR fur\ndas Jahr 2001 festgesetzt wurden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt die Beklagte im Wesentlichen aus: Der in den\nangefochtenen Bescheiden von ihr zugrunde gelegte Richtsatz von 20 % sei\nermittelt worden aufgrund der vom Klager selbst vorgelegten Umsatzzahlen fur\ndie Jahre 1999 bis 2001, also im Durchschnitt uber die streitgegenstandlichen\ndrei Jahre. Dabei seien gemaß einem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg\nvom 22.10.1982 - 7 K 240/81 - bei den Betriebsausgaben Abschreibungen fur\nAnschaffungskosten nicht berucksichtigt worden. Die Durchschnittsbildung aus\nden genannten drei Jahren habe einen durchschnittlichen Richtsatz von 19,86 %\nerbracht. Diese Schatzung des Richtsatzes beruhe auf § 4 Abs. 3 der FVBS. Nach\ndieser Satzung sei der Reingewinnsatz vorrangig anhand der jeweils gultigen\nRichtsatzsammlung der zustandigen Oberfinanzdirektion zu ermitteln. Ergebe\ndiese Sammlung fur die betreffende Betriebsart keinen Richtsatz, sei der\nReingewinn hilfsweise durch Anpassung an andere vergleichbare Betriebe zu\nermitteln. Wenn auch dies nicht moglich sei, sei der Reingewinn zu schatzen.\nDie Richtsatzsammlung fuhre zwar Mindestreingewinnsatze fur\nBeherbergungsbetriebe auf, gehe aber offensichtlich davon aus, dass nicht nur\neine reine Wohnraumuberlassung erfolge, sondern zumindest in Form eines\nFruhstucks auch Verpflegungsleistungen erbracht wurden. Eine solche\nVerpflegungsleistung erbringe der Klager nicht. Damit komme eine Ermittlung\ndes Reingewinnsatzes nach der Richtsatzsammlung nicht in Betracht. Aufgrund\nder besonderen Struktur des Betriebs des Klagers sei es auch nicht moglich\ngewesen, den Reingewinnsatz durch Anpassung an die Richtsatze vergleichbarer\nBetriebe zu ermitteln. Eine solche Vergleichbarkeit setze voraus, dass\nhinsichtlich der einzusetzenden Personal- und Sachmittel ahnliche\nVoraussetzungen gegeben seien. Das sei bei einem Beherbergungsbetrieb, der\nzumindest eine Mahlzeit pro Tag abgebe, gegenuber einem Betrieb, der sich auf\ndie reine Gestellung von Wohnraum beschranke, nicht der Fall. Wie die\nRichtsatzsammlung der Oberfinanzdirektion zeige, steige der Reingewinnsatz um\nungefahr das Doppelte an, wenn man die Beherbergungsbetriebe mit Voll- oder\nHalbpension mit einem Hotel Garni vergleiche. Auch die weitere Untergliederung\nnach dem Kriterium der Lohnsummen belege, dass die gewinnmindernden Kosten\nvorrangig die Lohnkosten fur Kuche und Service seien. Fielen solche Kosten\nnicht an, weil keine Speisen angeboten wurden, konne man nicht auf den\nRichtsatz der Richtsatzsammlung abstellen, auch nicht durch dessen Anpassung.\nDamit eroffne die Satzung uber die Erhebung von Fremdenverkehrsbeitragen die\nBefugnis zur Schatzung. Diese Schatzungsbefugnis werde nicht dadurch\nverdrangt, dass der Unternehmer Moglichkeiten fur eine tatsachliche Ermittlung\nliefere. Bei der Schatzung seien die individuellen Besonderheiten des\njeweiligen Betriebs zu berucksichtigen. Damit hatte ohne weiteres auf\ndurchschnittliche Feriendorfer oder Vermieter von Ferienwohnungen abgestellt\nwerden konnen, die nach dem eigenen Vortrag des Klagers erhebliche Umsatze bei\ngleichen Kosten generierten. So sei in der Rechtsprechung ein Richtsatz von 37\n% im Wege typisierender Betrachtung bei Vermietern von Ferienwohnungen\nanerkannt. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Klager als gemeinnutziger\nVerein anerkannt sei. Dieser Schatzungsbefugnis stehe der\nGleichbehandlungsgrundsatz nicht entgegen. Bei dieser Schatzung durfe der\nSatzungsgeber nach Betriebsgruppen unterscheiden und pauschalieren. Die\nRichtsatzsammlung habe fur solche Gruppen aufgrund von Erhebungen oder anderen\nAnhaltspunkten Richtsatze gebildet. Sei ein Betrieb nicht unter eine Gruppe\nsubsumierbar, sei es nicht gleichheitswidrig, wenn nicht pauschaliert, sondern\ngeschatzt werde. Bei der Schatzung komme es darauf an, dass sie moglichst\nzeitnah und realistisch sei. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, dass hier\nnur die letzten drei Jahre berucksichtigt worden seien. Aber auch wenn man,\nwie es der Klager hilfsweise tue, auf die tatsachlichen betriebsbezogenen\nKosten abstelle, rechtfertige sich der vom Klager gewunschte Richtsatz von 6 %\nnicht. Denn der Klager lasse zu Unrecht außer Betracht, dass er erhebliche\nFordermittel erhalten habe. Dass der Vorteilssatz mit 100 % angesetzt sei,\nkonne nicht beanstandet werden. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten uber die Erhebung des\nFremdenverkehrsbeitrags gegenuber dem Klager und die Widerspruchsakten des\nLandratsamts L. (zus. drei Hefte) vor. Der Inhalt dieser Akten sowie der\nGerichtsakten war Gegenstand der mundlichen Verhandlung; hierauf wird\nerganzend Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die ursprunglich auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2003 uber\ndie Vorausleistung auf den Fremdenverkehrsbeitrag fur das Jahr 2003 und den\ndarauf bezogenen Teil des Widerspruchsbescheids des Landratsamts L. gerichtete\nKlage wurde vom Klager nicht mehr weiterverfolgt. Der in der mundlichen\nVerhandlung gestellte (Anfechtungs-)Antrag des Klagers bezog sich auf diesen\nTeil der Klage nicht mehr. Das stellt der Sache nach eine (konkludente)\nKlagerucknahme dar. Insoweit war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO\neinzustellen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Soweit der Klager die Klage weiterverfolgt, ist sie zulassig. Sie richtet\nsich (nur noch) gegen die (endgultige) Festsetzung der Fremdenverkehrsbeitrage\nfur die Jahre 1999, 2000 und 2001 in den Bescheiden der Beklagten vom\n07.11.2003 und die darauf bezogene Zuruckweisung seiner Widerspruche im\nWiderspruchsbescheid des Landratsamts L. vom 15.05.2006. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist insoweit auch begrundet. Die Bescheide der Beklagten vom\n07.11.2003 uber die Erhebung von Fremdenverkehrsbeitragen fur die Jahre 1999,\n2000 und 2001 sowie der Widerspruchsbescheid des Landratsamts L. vom\n15.05.2006 sind rechtswidrig und verletzen den Klager daher in seinen Rechten,\nsoweit darin hohere (Fremdenverkehrs-)Beitrage als 863,69 EUR fur das Jahr\n1999, 947,31 EUR fur das Jahr 2000 und 982,54 EUR fur das Jahr 2001\nfestgesetzt und die Widerspruche des Klagers zuruckgewiesen wurden ( _§ 113\nAbs. 1 Satz 1 VwGO_ ). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags ist die\nSatzung der Beklagten uber die Erhebung einer Abgabe zur Forderung des\nFremdenverkehrs (Fremdenverkehrsabgabesatzung) vom 21.12.1988 in der Fassung\nder am 01.01.1998 in Kraft getretenen und bis zum 31.12.2001 geltenden\nÄnderungssatzung vom 04.12.1997 - FVBS -, die ihre Rechtsgrundlage wiederum in\n§ 11a des Kommunalabgabengesetzes in der im Zeitpunkt des Beschlusses des\nGemeinderats der Beklagten geltenden Fassung - KAG a. F. - hat _( § 11a KAG a.\nF. entspricht nach seinem Inhalt und weitgehend auch nach seinem Wortlaut dem\nseit dem 01.04.2005 geltenden § 44 KAG n. F._ ). Bedenken gegen die Recht-\nbzw. Verfassungsmaßigkeit dieser Rechtsgrundlagen sind weder von den\nBeteiligten vorgetragen noch ersichtlich. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Dass der Klager auf der Grundlage dieser rechtlichen Regelungen\ngrundsatzlich verpflichtet ist, Fremdenverkehrsbeitrage zu zahlen, ist\nzwischen den Beteiligten nicht streitig und kann auch nach Auffassung der\nKammer nicht bestritten werden ( _zum Begriff des Fremdenverkehrs siehe Urteil\nder Kammer vom 26.11.2007 - 4 K 2291/05 - m.w.N._ ). Streitig ist allein die\nHohe der Beitrage und auch diese nur insoweit, als es um die Bestimmung des\nReingewinnsatzes als eines Faktors der Beitragsberechnung geht. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der hierfur einschlagige § 4 Abs. 2 FVBS bestimmt insoweit: Die\nReineinnahmen werden aus dem in der Stadt erzielten Umsatz (Betriebseinnahmen\nohne Umsatzsteuer) ermittelt. Zu ihrer Ermittlung wird der Reingewinnsatz aus\nder jeweils gultigen Richtsatzsammlung der fur die Stadt zustandigen\nOberfinanzdirektion angewandt. Ist in dieser Richtsatzsammlung fur die\nbetreffende Betriebsart kein Richtsatz angegeben, so wird der anzuwendende\nGewinnsatz durch Anpassung an andere vergleichbare Betriebe gefunden. Ist dies\nnicht moglich, wird der Reingewinnsatz von der Stadt unter Berucksichtigung\nvon Art, Umfang und Ertragsfahigkeit des Unternehmers geschatzt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Aus dieser Vorschrift ergeben sich klare Praferenzen. In erster Linie soll\nzur Ermittlung des Reingewinnsatzes auf die Richtsatzsammlung zuruckgegriffen\nwerden ( _zur Zul assigkeit der Anwendung der Richtsatzsammlung der\nOberfinanzdirektion siehe u. a. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 25.08.2003, NVwZ\n2003, 1403 = VBlBW 2004, 103, und Beschluss vom 10.08.1998 - 2 S 2753/97 -,\nMedR 1999, 377_ ). Findet sich die Betriebsart des zu veranlagenden\nUnternehmens nicht exakt in dieser Sammlung wieder, soll eine Anpassung\n(Interpolation) an andere vergleichbare Betriebe erfolgen. Erst dann und nur\ndann, wenn die Richtsatzsammlung keine vertretbaren Zuordnungen erlaubt, weil\ndas zu veranlagende Unternehmen in wesentlichen Punkten nicht vergleichbar ist\nmit einem der dort genannten Betriebe, soll eine (individuelle, jahrliche)\nSchatzung der Umsatzrendite als Reingewinnsatz zulassig sein. Die Kammer teilt\ninsoweit die Auffassung des Klagers, dass die Entscheidung des Satzungsgebers,\nder Anwendung der Richtsatzsammlung Prioritat einzuraumen gegenuber der\nindividuellen Ermittlung des Reingewinnsatzes durch Schatzung, auf dem (im\nAbgabenrecht anerkannten) Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilitat beruht. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Unter Berucksichtigung dieser Grundsatze ist der Betrieb (das Feriendorf)\ndes Klagers - entgegen der Auffassung der Beklagten - nach Maßgabe von § 4\nAbs. 2 Satz 3 FVBS mit den in der Richtsatzsammlung der Oberfinanzdirektion\ngenannten Beherbergungsbetrieben in der Form der "Hotels, Gasthofe nur mit\nFruhstuck, Hotel Garni" vergleichbar. Die Ferienhaus- bzw.\nFerienwohnungsvermietung, wie sie der Klager seit vielen Jahren betreibt,\nunterscheidet sich von der Fuhrung eines Hotel Garni im Wesentlichen nur\ndadurch, dass in der Einrichtung des Klagers keinerlei Verpflegungsleistung,\nauch kein Fruhstuck, angeboten wird. Der wesentliche Vergleichspunkt, dass\nRaume an Fremde zur Übernachtung uberlassen werden, ist jedoch derselbe. Der\nin der Verabreichung eines Fruhstucks liegende Unterschied ist im Vergleich\nzur Überlassung eines Hauses, einer Wohnung oder eines Zimmers von geringerer\nBedeutung und durfte den Gewinnanteil des jeweiligen Unternehmens am Umsatz\nnicht wesentlich verandern. Auf der einen Seite fuhrt die zusatzliche\nVerabreichung eines Fruhstucks zwar moglicherweise zu einem hoheren\nArbeitsaufwand als die bloße Zimmeruberlassung (jedoch auch das nicht\nzwingend), auf der anderen Seite ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass\ndurch das erganzende Angebot eines Fruhstucks (relativ) mehr Gewinn\nerwirtschaftet werden kann als durch die reine Wohnraumuberlassung. Die Kammer\nist deshalb im Ergebnis der Auffassung, dass die Beklagte auf der Grundlage\nihrer eigenen Satzung gehalten ist, den in der Richtsatzsammlung der\nOberfinanzdirektion fur "Gasthofe nur mit Fruhstuck, Hotel Garni" genannten\nAnteil des Gewinns am Umsatz zur Grundlage der Ermittlung des Reingewinnsatzes\nzu machen ( _so auch - spez. f ur den Fall einer priv. Zimmervermietung -\nBayer. VGH, Urteil vom 31.01.1997 - 4 B 95.2560 -, BayVBl 1998, 599, sowie dem\nfolgend - fur den spez. Fall der Vermietung von Appartements - VG Munchen,\nUrteil vom 24.07.2003 - M 10 K 02.6154 -_ ). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der damit nach den hier maßgeblichen Richtsatzsammlungen fur die\nKalenderjahre 1999, 2000 und 2001 fur "Hotels Garni, Gasthofe und Pensionen\nmit Fruhstuck" mit einem wirtschaftlichen Umsatz von mehr als 130.000 EUR in\nBetracht kommende Richtsatz bewegt sich in einem Rahmen von 6 % (sogen.\nunterer Rahmensatz) und 29 % (sogen. oberer Rahmensatz); der Mittelsatz\nbetragt 17 %. Nach Nr. 6 der Vorbemerkungen der oben genannten\nRichtsatzsammlungen tragen die Rahmensatze den unterschiedlichen Verhaltnissen\nRechnung. Der Mittelsatz ist danach das gewogene Mittel aus den\nEinzelergebnissen der gepruften Betriebe der jeweiligen Gewerbeklasse.\nHiernach wurde es im Fall des Klagers nahe liegen, der Beitragsberechnung als\nRichtsatz den Mittelwert von 17 % zugrunde zu legen, da Besonderheiten des\nUnternehmens des Klagers, die fur eine Abweichung von dem Mittelwert nach oben\noder unten sprachen, von den Beteiligten nicht vorgetragen und nicht\nersichtlich sind. Dem stunde auch nicht die hier einschlagige\nFremdenverkehrsabgabesatzung der Beklagten vom 21.12.1988 in der Fassung vom\n04.12.1997 ( _siehe oben_ ) entgegen. Denn dort ist (bzw. war) nur geregelt,\ndass der "Reingewinnsatz" und nicht, wie das in der aktuellen, seit dem\n01.01.2002 geltenden Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten vom\n20.12.2001 geregelt ist, der "Mindestreingewinnsatz" aus der jeweils\nmaßgeblichen Richtsatzsammlung anzuwenden ist. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Anwendung des Mittelsatzes kommt hier jedoch deshalb nicht in Betracht,\nweil es nach der telefonischen Auskunft eines Mitarbeiters der Beklagten, der\ndie Prozessbevollmachtigte der Beklagten nicht widersprochen hat, obwohl ihr\nder schriftliche Vermerk uber den Inhalt dieser telefonischen Auskunft in der\nmundlichen Gerichtsverhandlung ubergeben und vorgelesen wurde, seit jeher\nstandiger Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht, bei Anwendung der\nRichtsatzsammlung fur die Veranlagung zu Fremdenverkehrsbeitragen immer, das\nheißt in allen Branchen, den unteren Rahmensatz zugrunde zu legen. Durch diese\nVerwaltungspraxis hat sich die Beklagte aufgrund des in Art. 3 Abs. 1 GG\nverankerten Gebots der Gleichbehandlung selbst gebunden. Sie kann dann nicht\nohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Einzelfallen von dieser standigen\nVerwaltungspraxis abweichen ( _vgl. u. a. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005,\n§ 40 RdNr. 25 m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 40 RdNrn.\n103 ff. m.w.N._ ). Ob dann etwas anderes gilt, wenn eine Behorde fur die\nZukunft ihre Praxis im Rahmen des geltenden Rechts generell, also nicht nur\nfur den Einzelfall, andern will, kann hier dahingestellt bleiben, weil ein\nsolcher Fall hier nicht vorliegt. Denn es geht im vorliegenden Fall um\nvergangene Zeitraume, in denen diese Praxis die Beitragsveranlagung der\nBeklagten bestimmte. Fur die Zeit ab 2002 ist diese (fruhere)\nVerwaltungspraxis durch eine Satzungsanderung sogar zwingendes Recht geworden\n( _siehe oben_ ). Die Festlegung auf den unteren Rahmensatz war nach dem in\nder Zeit vor 2002 geltenden (Satzungs-)Recht auch nicht etwa rechtswidrig.\nDenn die damals geltende Fremdenverkehrsabgabesatzung bestimmte nur, dass zur\nErmittlung der Reineinnahmen der Reingewinnsatz aus der jeweils gultigen\nRichtsatzsammlung angewandt wird. Damit eroffnete sich fur die Beklagte ein\nSpielraum, der durch den unteren und den oberen Rahmensatz begrenzt war. Die\nAnwendung des unteren Rahmensatzes war danach nicht im eigentlichen Sinne\nrechtswidrig, auch wenn in Fallen ohne Besonderheiten mehr fur die Anwendung\ndes Mittelsatzes gesprochen hatte ( _siehe oben_ ). Vielmehr lag es durchaus\nim Rahmen des der Beklagten als Verwaltung zustehenden Spielraums, zur\nVermeidung von Auseinandersetzungen mit den Beitragspflichtigen in vielen\nEinzelfallen und damit aus Grunden der Verwaltungspraktikabilitat zu Gunsten\nder Beitragspflichtigen generell den unteren Rahmensatz anzuwenden. Eine\nsolche generelle Fixierung auf den unteren Wert erfordert, da hierin allein\neine Begunstigung fur die Betroffenen liegt, - anders als das bei einer\nFixierung auf den oberen Rahmensatz moglicherweise der Fall ware - auch keinen\nbesonderen Begrundungsaufwand. War die hier beschriebene Verwaltungspraxis\nhiernach nicht rechtswidrig, kann sich die Beklagte von der damit\neinhergehenden Selbstbindung auch nicht unter Berufung auf den Grundsatz\n"keine Gleichheit im Unrecht" losen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ohne dass es fur eine Entscheidung in diesem Fall darauf ankommt, weist die\nKammer im Übrigen darauf hin, dass sich aus diesen Überlegungen noch ein\nweiterer Grund fur die Anpassung des Betriebs des Klagers an die in der\nRichtsatzsammlung genannte Betriebsart "Hotels Garni, Gasthofe und Pensionen\nmit Fruhstuck" ergeben durfte. Denn durch die Verwaltungspraxis der Beklagten\nin Form der Fixierung auf den unteren Rahmensatz wird auch die Bedeutung der\nAnwendung der Richtsatzsammlung fur die Wahrung der Abgabengerechtigkeit uber\ndie oben genannten Grunde der Verwaltungspraktikabilitat hinaus deutlich. So\nzeigt der Blick auf den von der Beklagten durch (individuelle) Schatzung im\nFall des Klagers ermittelten Reingewinnsatz von 20 %, dass das Ergebnis dieser\nSchatzung dem Mittelsatz in der Richtsatzsammlung fur die Betriebsart "Hotels\nGarni, Gasthofe und Pensionen mit Fruhstuck" von 17 % sehr nahe kommt. Das\nspricht wechselseitig fur die Richtigkeit der beiden auf verschiedenen Wegen\nermittelten Werte. Wenn aber allen Betrieben (nicht nur den\nBeherbergungsbetrieben in Form der "Hotels Garni, Gasthofe und Pensionen mit\nFruhstuck"), bei denen die Richtsatzsammlung zur Anwendung kommt und die\nsicherlich die weit uberwiegende Mehrheit der veranlagten Betriebe darstellen\ndurften, die "Wohltat" zuteil wird, dass in der Praxis der Beklagten nicht auf\nden (wahrscheinlich zutreffenden) Mittelsatz, sondern auf den deutlich\nniedrigen unteren Rahmensatz abgestellt wird, wahrend den (wenigen) Betrieben,\ndie nicht unter die Richtsatzsammlung fallen, eine vergleichbare "Wohltat"\nnicht zugute kommt, dann offenbart das eine nicht unerhebliche, im Licht der\nAbgabengerechtigkeit schwer erklarliche Ungleichbehandlung beider Fallgruppen.\nDa diese Ungleichbehandlung kaum damit begrundet werden kann, dass in dem aus\nSicht der jeweils betroffenen Betriebe zufalligen Umstand ihrer\nNichtverzeichnung in der Richtsatzsammlung ein zulassiger\nDifferenzierungsgrund fur eine so erheblich hohere Beitragslast zu sehen ist,\ndurfte die Fixierung der Beklagten auf den unteren Rahmensatz auch\nAuswirkungen auf die Auslegung von § 4 Abs. 2 FVBS haben. Um namlich diese mit\nArt. 3 Abs. 1 GG schwerlich zu vereinbarende Ungleichbehandlung zu vermeiden,\ndurfte es dann, wenn und solange es dem Satzungsrecht oder der\nVerwaltungspraxis in der jeweiligen Gemeinde entspricht, im Anwendungsbereich\nder Richtsatzsammlung nur auf den unteren Rahmensatz (bzw. den\nMindestreingewinnsatz) abzustellen, verfassungsrechtlich geboten sein, die\nAnpassungsbefugnis in § 4 Abs. 2 Satz 3 FVBS weit auszulegen, das heißt bei\nden in der Richtsatzsammlung nicht ausdrucklich bezeichneten Betrieben die\ndort gebotene Moglichkeit der Anpassung an vergleichbare in der\nRichtsatzsammlung genannte Betriebe moglichst großzugig auszuschopfen. Ob in\ndiesen Fallen daneben uberhaupt noch Raum sein kann fur eine\nSchatzungsbefugnis nach § 4 Abs. 2 Satz 4 FVBS und/oder ob auch bei der\nErmittlung des Reingewinnsatzes durch Schatzung gemaß § 4 Abs. 2 Satz 4 FVBS\nzumindest ein (deutlicher) Abschlag geboten ist, der in etwa der\n(durchschnittlichen) Differenz zwischen dem Mittelsatz und dem unteren\nRahmensatz entspricht, kann hier dahingestellt bleiben, weil es nach den\nvorstehenden Ausfuhrungen fur die Entscheidung in diesem Fall nicht darauf\nankommt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Im Übrigen, das heißt abgesehen von der Ermittlung des Reingewinnsatzes,\nbegegnet die Erhebung der Fremdenverkehrsbeitrage fur die hier streitigen\nJahre keinen rechtlichen Bedenken. Das entspricht auch der Auffassung des\nKlagers. Deshalb und weil dem Klageantrag des Klagers aus den zuvor genannten\nGrunden umfassend stattgegeben wird, sieht die Kammer insoweit von weiteren\nAusfuhrungen ab. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.\nDie Kammer hat keinen Anlass, diese nach § 167 Abs. 2 VwGO fur vorlaufig\nvollstreckbar zu erklaren. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Grunde des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom\nVerwaltungsgericht zuzulassen ware, sind nicht gegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die ursprunglich auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2003 uber\ndie Vorausleistung auf den Fremdenverkehrsbeitrag fur das Jahr 2003 und den\ndarauf bezogenen Teil des Widerspruchsbescheids des Landratsamts L. gerichtete\nKlage wurde vom Klager nicht mehr weiterverfolgt. Der in der mundlichen\nVerhandlung gestellte (Anfechtungs-)Antrag des Klagers bezog sich auf diesen\nTeil der Klage nicht mehr. Das stellt der Sache nach eine (konkludente)\nKlagerucknahme dar. Insoweit war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO\neinzustellen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Soweit der Klager die Klage weiterverfolgt, ist sie zulassig. Sie richtet\nsich (nur noch) gegen die (endgultige) Festsetzung der Fremdenverkehrsbeitrage\nfur die Jahre 1999, 2000 und 2001 in den Bescheiden der Beklagten vom\n07.11.2003 und die darauf bezogene Zuruckweisung seiner Widerspruche im\nWiderspruchsbescheid des Landratsamts L. vom 15.05.2006. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist insoweit auch begrundet. Die Bescheide der Beklagten vom\n07.11.2003 uber die Erhebung von Fremdenverkehrsbeitragen fur die Jahre 1999,\n2000 und 2001 sowie der Widerspruchsbescheid des Landratsamts L. vom\n15.05.2006 sind rechtswidrig und verletzen den Klager daher in seinen Rechten,\nsoweit darin hohere (Fremdenverkehrs-)Beitrage als 863,69 EUR fur das Jahr\n1999, 947,31 EUR fur das Jahr 2000 und 982,54 EUR fur das Jahr 2001\nfestgesetzt und die Widerspruche des Klagers zuruckgewiesen wurden ( _§ 113\nAbs. 1 Satz 1 VwGO_ ). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags ist die\nSatzung der Beklagten uber die Erhebung einer Abgabe zur Forderung des\nFremdenverkehrs (Fremdenverkehrsabgabesatzung) vom 21.12.1988 in der Fassung\nder am 01.01.1998 in Kraft getretenen und bis zum 31.12.2001 geltenden\nÄnderungssatzung vom 04.12.1997 - FVBS -, die ihre Rechtsgrundlage wiederum in\n§ 11a des Kommunalabgabengesetzes in der im Zeitpunkt des Beschlusses des\nGemeinderats der Beklagten geltenden Fassung - KAG a. F. - hat _( § 11a KAG a.\nF. entspricht nach seinem Inhalt und weitgehend auch nach seinem Wortlaut dem\nseit dem 01.04.2005 geltenden § 44 KAG n. F._ ). Bedenken gegen die Recht-\nbzw. Verfassungsmaßigkeit dieser Rechtsgrundlagen sind weder von den\nBeteiligten vorgetragen noch ersichtlich. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Dass der Klager auf der Grundlage dieser rechtlichen Regelungen\ngrundsatzlich verpflichtet ist, Fremdenverkehrsbeitrage zu zahlen, ist\nzwischen den Beteiligten nicht streitig und kann auch nach Auffassung der\nKammer nicht bestritten werden ( _zum Begriff des Fremdenverkehrs siehe Urteil\nder Kammer vom 26.11.2007 - 4 K 2291/05 - m.w.N._ ). Streitig ist allein die\nHohe der Beitrage und auch diese nur insoweit, als es um die Bestimmung des\nReingewinnsatzes als eines Faktors der Beitragsberechnung geht. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der hierfur einschlagige § 4 Abs. 2 FVBS bestimmt insoweit: Die\nReineinnahmen werden aus dem in der Stadt erzielten Umsatz (Betriebseinnahmen\nohne Umsatzsteuer) ermittelt. Zu ihrer Ermittlung wird der Reingewinnsatz aus\nder jeweils gultigen Richtsatzsammlung der fur die Stadt zustandigen\nOberfinanzdirektion angewandt. Ist in dieser Richtsatzsammlung fur die\nbetreffende Betriebsart kein Richtsatz angegeben, so wird der anzuwendende\nGewinnsatz durch Anpassung an andere vergleichbare Betriebe gefunden. Ist dies\nnicht moglich, wird der Reingewinnsatz von der Stadt unter Berucksichtigung\nvon Art, Umfang und Ertragsfahigkeit des Unternehmers geschatzt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Aus dieser Vorschrift ergeben sich klare Praferenzen. In erster Linie soll\nzur Ermittlung des Reingewinnsatzes auf die Richtsatzsammlung zuruckgegriffen\nwerden ( _zur Zul assigkeit der Anwendung der Richtsatzsammlung der\nOberfinanzdirektion siehe u. a. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 25.08.2003, NVwZ\n2003, 1403 = VBlBW 2004, 103, und Beschluss vom 10.08.1998 - 2 S 2753/97 -,\nMedR 1999, 377_ ). Findet sich die Betriebsart des zu veranlagenden\nUnternehmens nicht exakt in dieser Sammlung wieder, soll eine Anpassung\n(Interpolation) an andere vergleichbare Betriebe erfolgen. Erst dann und nur\ndann, wenn die Richtsatzsammlung keine vertretbaren Zuordnungen erlaubt, weil\ndas zu veranlagende Unternehmen in wesentlichen Punkten nicht vergleichbar ist\nmit einem der dort genannten Betriebe, soll eine (individuelle, jahrliche)\nSchatzung der Umsatzrendite als Reingewinnsatz zulassig sein. Die Kammer teilt\ninsoweit die Auffassung des Klagers, dass die Entscheidung des Satzungsgebers,\nder Anwendung der Richtsatzsammlung Prioritat einzuraumen gegenuber der\nindividuellen Ermittlung des Reingewinnsatzes durch Schatzung, auf dem (im\nAbgabenrecht anerkannten) Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilitat beruht. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Unter Berucksichtigung dieser Grundsatze ist der Betrieb (das Feriendorf)\ndes Klagers - entgegen der Auffassung der Beklagten - nach Maßgabe von § 4\nAbs. 2 Satz 3 FVBS mit den in der Richtsatzsammlung der Oberfinanzdirektion\ngenannten Beherbergungsbetrieben in der Form der "Hotels, Gasthofe nur mit\nFruhstuck, Hotel Garni" vergleichbar. Die Ferienhaus- bzw.\nFerienwohnungsvermietung, wie sie der Klager seit vielen Jahren betreibt,\nunterscheidet sich von der Fuhrung eines Hotel Garni im Wesentlichen nur\ndadurch, dass in der Einrichtung des Klagers keinerlei Verpflegungsleistung,\nauch kein Fruhstuck, angeboten wird. Der wesentliche Vergleichspunkt, dass\nRaume an Fremde zur Übernachtung uberlassen werden, ist jedoch derselbe. Der\nin der Verabreichung eines Fruhstucks liegende Unterschied ist im Vergleich\nzur Überlassung eines Hauses, einer Wohnung oder eines Zimmers von geringerer\nBedeutung und durfte den Gewinnanteil des jeweiligen Unternehmens am Umsatz\nnicht wesentlich verandern. Auf der einen Seite fuhrt die zusatzliche\nVerabreichung eines Fruhstucks zwar moglicherweise zu einem hoheren\nArbeitsaufwand als die bloße Zimmeruberlassung (jedoch auch das nicht\nzwingend), auf der anderen Seite ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass\ndurch das erganzende Angebot eines Fruhstucks (relativ) mehr Gewinn\nerwirtschaftet werden kann als durch die reine Wohnraumuberlassung. Die Kammer\nist deshalb im Ergebnis der Auffassung, dass die Beklagte auf der Grundlage\nihrer eigenen Satzung gehalten ist, den in der Richtsatzsammlung der\nOberfinanzdirektion fur "Gasthofe nur mit Fruhstuck, Hotel Garni" genannten\nAnteil des Gewinns am Umsatz zur Grundlage der Ermittlung des Reingewinnsatzes\nzu machen ( _so auch - spez. f ur den Fall einer priv. Zimmervermietung -\nBayer. VGH, Urteil vom 31.01.1997 - 4 B 95.2560 -, BayVBl 1998, 599, sowie dem\nfolgend - fur den spez. Fall der Vermietung von Appartements - VG Munchen,\nUrteil vom 24.07.2003 - M 10 K 02.6154 -_ ). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der damit nach den hier maßgeblichen Richtsatzsammlungen fur die\nKalenderjahre 1999, 2000 und 2001 fur "Hotels Garni, Gasthofe und Pensionen\nmit Fruhstuck" mit einem wirtschaftlichen Umsatz von mehr als 130.000 EUR in\nBetracht kommende Richtsatz bewegt sich in einem Rahmen von 6 % (sogen.\nunterer Rahmensatz) und 29 % (sogen. oberer Rahmensatz); der Mittelsatz\nbetragt 17 %. Nach Nr. 6 der Vorbemerkungen der oben genannten\nRichtsatzsammlungen tragen die Rahmensatze den unterschiedlichen Verhaltnissen\nRechnung. Der Mittelsatz ist danach das gewogene Mittel aus den\nEinzelergebnissen der gepruften Betriebe der jeweiligen Gewerbeklasse.\nHiernach wurde es im Fall des Klagers nahe liegen, der Beitragsberechnung als\nRichtsatz den Mittelwert von 17 % zugrunde zu legen, da Besonderheiten des\nUnternehmens des Klagers, die fur eine Abweichung von dem Mittelwert nach oben\noder unten sprachen, von den Beteiligten nicht vorgetragen und nicht\nersichtlich sind. Dem stunde auch nicht die hier einschlagige\nFremdenverkehrsabgabesatzung der Beklagten vom 21.12.1988 in der Fassung vom\n04.12.1997 ( _siehe oben_ ) entgegen. Denn dort ist (bzw. war) nur geregelt,\ndass der "Reingewinnsatz" und nicht, wie das in der aktuellen, seit dem\n01.01.2002 geltenden Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten vom\n20.12.2001 geregelt ist, der "Mindestreingewinnsatz" aus der jeweils\nmaßgeblichen Richtsatzsammlung anzuwenden ist. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Anwendung des Mittelsatzes kommt hier jedoch deshalb nicht in Betracht,\nweil es nach der telefonischen Auskunft eines Mitarbeiters der Beklagten, der\ndie Prozessbevollmachtigte der Beklagten nicht widersprochen hat, obwohl ihr\nder schriftliche Vermerk uber den Inhalt dieser telefonischen Auskunft in der\nmundlichen Gerichtsverhandlung ubergeben und vorgelesen wurde, seit jeher\nstandiger Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht, bei Anwendung der\nRichtsatzsammlung fur die Veranlagung zu Fremdenverkehrsbeitragen immer, das\nheißt in allen Branchen, den unteren Rahmensatz zugrunde zu legen. Durch diese\nVerwaltungspraxis hat sich die Beklagte aufgrund des in Art. 3 Abs. 1 GG\nverankerten Gebots der Gleichbehandlung selbst gebunden. Sie kann dann nicht\nohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Einzelfallen von dieser standigen\nVerwaltungspraxis abweichen ( _vgl. u. a. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005,\n§ 40 RdNr. 25 m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 40 RdNrn.\n103 ff. m.w.N._ ). Ob dann etwas anderes gilt, wenn eine Behorde fur die\nZukunft ihre Praxis im Rahmen des geltenden Rechts generell, also nicht nur\nfur den Einzelfall, andern will, kann hier dahingestellt bleiben, weil ein\nsolcher Fall hier nicht vorliegt. Denn es geht im vorliegenden Fall um\nvergangene Zeitraume, in denen diese Praxis die Beitragsveranlagung der\nBeklagten bestimmte. Fur die Zeit ab 2002 ist diese (fruhere)\nVerwaltungspraxis durch eine Satzungsanderung sogar zwingendes Recht geworden\n( _siehe oben_ ). Die Festlegung auf den unteren Rahmensatz war nach dem in\nder Zeit vor 2002 geltenden (Satzungs-)Recht auch nicht etwa rechtswidrig.\nDenn die damals geltende Fremdenverkehrsabgabesatzung bestimmte nur, dass zur\nErmittlung der Reineinnahmen der Reingewinnsatz aus der jeweils gultigen\nRichtsatzsammlung angewandt wird. Damit eroffnete sich fur die Beklagte ein\nSpielraum, der durch den unteren und den oberen Rahmensatz begrenzt war. Die\nAnwendung des unteren Rahmensatzes war danach nicht im eigentlichen Sinne\nrechtswidrig, auch wenn in Fallen ohne Besonderheiten mehr fur die Anwendung\ndes Mittelsatzes gesprochen hatte ( _siehe oben_ ). Vielmehr lag es durchaus\nim Rahmen des der Beklagten als Verwaltung zustehenden Spielraums, zur\nVermeidung von Auseinandersetzungen mit den Beitragspflichtigen in vielen\nEinzelfallen und damit aus Grunden der Verwaltungspraktikabilitat zu Gunsten\nder Beitragspflichtigen generell den unteren Rahmensatz anzuwenden. Eine\nsolche generelle Fixierung auf den unteren Wert erfordert, da hierin allein\neine Begunstigung fur die Betroffenen liegt, - anders als das bei einer\nFixierung auf den oberen Rahmensatz moglicherweise der Fall ware - auch keinen\nbesonderen Begrundungsaufwand. War die hier beschriebene Verwaltungspraxis\nhiernach nicht rechtswidrig, kann sich die Beklagte von der damit\neinhergehenden Selbstbindung auch nicht unter Berufung auf den Grundsatz\n"keine Gleichheit im Unrecht" losen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ohne dass es fur eine Entscheidung in diesem Fall darauf ankommt, weist die\nKammer im Übrigen darauf hin, dass sich aus diesen Überlegungen noch ein\nweiterer Grund fur die Anpassung des Betriebs des Klagers an die in der\nRichtsatzsammlung genannte Betriebsart "Hotels Garni, Gasthofe und Pensionen\nmit Fruhstuck" ergeben durfte. Denn durch die Verwaltungspraxis der Beklagten\nin Form der Fixierung auf den unteren Rahmensatz wird auch die Bedeutung der\nAnwendung der Richtsatzsammlung fur die Wahrung der Abgabengerechtigkeit uber\ndie oben genannten Grunde der Verwaltungspraktikabilitat hinaus deutlich. So\nzeigt der Blick auf den von der Beklagten durch (individuelle) Schatzung im\nFall des Klagers ermittelten Reingewinnsatz von 20 %, dass das Ergebnis dieser\nSchatzung dem Mittelsatz in der Richtsatzsammlung fur die Betriebsart "Hotels\nGarni, Gasthofe und Pensionen mit Fruhstuck" von 17 % sehr nahe kommt. Das\nspricht wechselseitig fur die Richtigkeit der beiden auf verschiedenen Wegen\nermittelten Werte. Wenn aber allen Betrieben (nicht nur den\nBeherbergungsbetrieben in Form der "Hotels Garni, Gasthofe und Pensionen mit\nFruhstuck"), bei denen die Richtsatzsammlung zur Anwendung kommt und die\nsicherlich die weit uberwiegende Mehrheit der veranlagten Betriebe darstellen\ndurften, die "Wohltat" zuteil wird, dass in der Praxis der Beklagten nicht auf\nden (wahrscheinlich zutreffenden) Mittelsatz, sondern auf den deutlich\nniedrigen unteren Rahmensatz abgestellt wird, wahrend den (wenigen) Betrieben,\ndie nicht unter die Richtsatzsammlung fallen, eine vergleichbare "Wohltat"\nnicht zugute kommt, dann offenbart das eine nicht unerhebliche, im Licht der\nAbgabengerechtigkeit schwer erklarliche Ungleichbehandlung beider Fallgruppen.\nDa diese Ungleichbehandlung kaum damit begrundet werden kann, dass in dem aus\nSicht der jeweils betroffenen Betriebe zufalligen Umstand ihrer\nNichtverzeichnung in der Richtsatzsammlung ein zulassiger\nDifferenzierungsgrund fur eine so erheblich hohere Beitragslast zu sehen ist,\ndurfte die Fixierung der Beklagten auf den unteren Rahmensatz auch\nAuswirkungen auf die Auslegung von § 4 Abs. 2 FVBS haben. Um namlich diese mit\nArt. 3 Abs. 1 GG schwerlich zu vereinbarende Ungleichbehandlung zu vermeiden,\ndurfte es dann, wenn und solange es dem Satzungsrecht oder der\nVerwaltungspraxis in der jeweiligen Gemeinde entspricht, im Anwendungsbereich\nder Richtsatzsammlung nur auf den unteren Rahmensatz (bzw. den\nMindestreingewinnsatz) abzustellen, verfassungsrechtlich geboten sein, die\nAnpassungsbefugnis in § 4 Abs. 2 Satz 3 FVBS weit auszulegen, das heißt bei\nden in der Richtsatzsammlung nicht ausdrucklich bezeichneten Betrieben die\ndort gebotene Moglichkeit der Anpassung an vergleichbare in der\nRichtsatzsammlung genannte Betriebe moglichst großzugig auszuschopfen. Ob in\ndiesen Fallen daneben uberhaupt noch Raum sein kann fur eine\nSchatzungsbefugnis nach § 4 Abs. 2 Satz 4 FVBS und/oder ob auch bei der\nErmittlung des Reingewinnsatzes durch Schatzung gemaß § 4 Abs. 2 Satz 4 FVBS\nzumindest ein (deutlicher) Abschlag geboten ist, der in etwa der\n(durchschnittlichen) Differenz zwischen dem Mittelsatz und dem unteren\nRahmensatz entspricht, kann hier dahingestellt bleiben, weil es nach den\nvorstehenden Ausfuhrungen fur die Entscheidung in diesem Fall nicht darauf\nankommt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Im Übrigen, das heißt abgesehen von der Ermittlung des Reingewinnsatzes,\nbegegnet die Erhebung der Fremdenverkehrsbeitrage fur die hier streitigen\nJahre keinen rechtlichen Bedenken. Das entspricht auch der Auffassung des\nKlagers. Deshalb und weil dem Klageantrag des Klagers aus den zuvor genannten\nGrunden umfassend stattgegeben wird, sieht die Kammer insoweit von weiteren\nAusfuhrungen ab. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.\nDie Kammer hat keinen Anlass, diese nach § 167 Abs. 2 VwGO fur vorlaufig\nvollstreckbar zu erklaren. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Grunde des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom\nVerwaltungsgericht zuzulassen ware, sind nicht gegeben. \n---\n\n
135,306
vghbw-2004-03-09-4-s-25204
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 S 252/04
2004-03-09
2019-01-07 11:09:33
2019-01-17 11:55:19
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nSigmaringen vom 18. Dezember 2003 - 3 K 1423/03 - wird zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der\naußergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. und mit Ausnahme der\naußergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2., die dieser auf sich behalt.\n\nDer Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beschwerde ist zulassig, da sie rechtzeitig innerhalb der Frist des §\n147 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht eingelegt, innerhalb der - nicht\nverlangerbaren - Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begrundet worden ist und\nsich unter Darlegung der Beschwerdegrunde entsprechend den Anforderungen des §\n146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts auseinandersetzt. Entgegen dem Vorbringen des Beigeladenen\nzu 1. ist der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren gemaß den\nAnforderungen des § 67 Abs. 1 Satz 6 VwGO wirksam vertreten und deshalb\npostulationsfahig. Die dagegen erhobenen Bedenken des Beigeladenen zu 1., der\nDBB - Beamtenbund und Tarifunion - sei im vorliegenden Fall nicht, wie § 67\nAbs. 1 Satz 6 VwGO es erfordere, kraft Satzung zur Prozessvertretung befugt,\ngreifen nicht durch. Denn aus dem Beschwerdevorbringen des Beigeladenen zu 1.\nergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die den namentlich benannten\nAngestellten des Dienstleistungszentrums Sudwest des DBB - Beamtenbund und\nTarifunion - vom Antragsteller erteilte und bereits dem Verwaltungsgericht\nvorgelegte Prozessvollmacht, die fur alle Instanzen gilt und u.a. die Befugnis\numfasst, Rechtsmittel einzulegen, wegen Verstoßes gegen § 67 Abs. 1 Satz 6\nletzter Halbsatz VwGO unwirksam ware. Insbesondere geht aus der vom\nBeigeladenen zu 1. vorgelegten Rahmenrechtsschutzordnung fur den DBB und seine\nMitgliedsgewerkschaften nicht hervor, dass die bevollmachtigten Angestellten,\nvon denen Herr L. im Beschwerdeverfahren tatig geworden ist, nicht kraft\nSatzung oder jedenfalls kraft Vollmacht vertretungsbefugt seien. Die vom\nBeigeladenen zu 1. vorgetragenen Erwagungen, es fehle an den Voraussetzungen\nder §§ 7 und 8 der Rahmenrechtsschutzordnung und der neue Vorsitzende des\nBeamtenbundes Baden-Wurttemberg habe die Beschwerde nicht einlegen wollen,\nbetreffen allein das Innenverhaltnis zwischen dem Antragsteller und seinen\nProzessbevollmachtigten und beruhren nicht die Wirksamkeit der erteilten\nProzessvollmacht, mit der gultige Prozesshandlungen in Übereinstimmung mit §\n67 Abs. 1 Satz 6 VwGO vorgenommen werden konnen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beschwerde ist aber unbegrundet. Das Verwaltungsgericht hat den\nzulassigen Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung \n--- \n| 4 \n--- \n| (§ 123 VwGO) zu Recht abgelehnt. Die Prufung der mit der Beschwerde\ndargelegten Grunde ergibt keine andere Beurteilung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).\nDer Senat weist die Beschwerde aus den Grunden des angefochtenen Beschlusses\nals unbegrundet zuruck (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das\nBeschwerdevorbringen ist erganzend auszufuhren: \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Antragsteller hat den nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO\nerforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dies folgt bereits\ndaraus, dass er als bisheriger Professor im Fachbereich "Bauingenieurwesen"\nmit der Funktionsbeschreibung "Verkehrswesen" fur die ausgeschriebene, allein\nnoch besetzbare und streitige Stelle der Besoldungsgruppe C 3 mit der\nKennziffer 22 ("Allgemeine Rechtswissenschaften, Bau- und Umweltrecht") das\nAnforderungsprofil nicht erfullt. Zwar hat sich die Auswahl zwischen mehreren\nBewerbern um eine Professorenstelle - wie auch um sonstige Planstellen und\nDienstposten fur Beamte - an den Maßstaben des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 11\nAbs. 1 LBG, also an Eignung, Befahigung und fachlicher Leistung, zu\norientieren. Die Auswahlentscheidung des Dienstherrn daruber, welcher Bewerber\ndanach der Bestgeeignete fur die erstrebte und zu besetzende Stelle ist,\nberuht folglich auf der Bewertung der durch Art. 33 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 LBG\nvorgegebenen personlichen Merkmale. Diese Merkmale mussen aber in Bezug zu dem\n"Anforderungsprofil" des jeweiligen Dienstpostens, im vorliegenden Fall also\nder Funktionsbeschreibung der zu besetzenden C 3-Stelle, gesetzt werden. Erst\ndieser Vergleich ermoglicht die Prognose, ob der in Betracht kommende Bewerber\nden nach der Dienstpostenbeschreibung (Funktionsbeschreibung) anfallenden\nAufgaben besser als andere Interessenten gerecht werden und damit fur das\nhohere Statusamt besser geeignet sein wird. Das Anforderungsprofil eines\nDienstpostens, das u.a. aus dessen Funktionsbeschreibung hervorgeht, bestimmt\ndaher objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfullen muss. An ihnen werden\ndie Eigenschaften und Fahigkeiten der Bewerber um die betreffende Stelle bzw.\nden jeweiligen Dienstposten gemessen, um eine optimale Besetzung zu\ngewahrleisten (vgl. zu allem BVerwG, Urteil vom 16.08.2001, BVerwGE 115, 58 =\nDÖV 2001, 1044 = DVBl. 2002, 132 = ZBR 2002, 207). Der Antragsteller raumt\nselbst ein, dass er dem danach verbindlich festgelegten Anforderungsprofil der\nnoch ausgeschriebenen und besetzbaren C 3-Stelle nach seiner fachlichen\nVorbildung nicht entspricht, so dass seine Bewerbung erfolglos bleiben muss.\nSchon deshalb ist der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht glaubhaft\ngemacht. \n--- \n| 6 \n--- \n| Soweit der Antragsteller des Weiteren vortragt, er mache eigentlich einen\nAnspruch darauf geltend, dass die Fachhochschule nach dem von ihr seit Jahren\npraktizierten Anciennitats-Prinzip eine C 3-Stelle mit einer seiner\nQualifikation entsprechenden und auch im Übrigen auf ihn "passenden"\nFunktionsbeschreibung hatte ausschreiben mussen, so dass er das\nAnforderungsprofil hatte erfullen und sich als geeignetster Bewerber hatte\ndarstellen konnen, fuhrt dies ebenfalls nicht zur Glaubhaftmachung eines\nAnordnungsanspruchs gegen den Antragsgegner. Denn der Antragsgegner ist\nhinsichtlich der Geltendmachung eines derartigen Anspruchs bereits nicht\npassivlegitimiert, da die Entscheidung uber die Änderung der\nFunktionsbeschreibung einer Professorenstelle und uber die entsprechende\nAusschreibung von Professorenstellen mit der jeweiligen Funktionsbeschreibung\nnicht ihm zusteht, sondern als materielle Befugnis in den autonomen Bereich\nder jeweiligen Fachhochschule fallt, die daruber nach ihrem Ermessen befindet,\nd.h. gegebenenfalls einen Antrag auf Änderung der Funktionsbeschreibung einer\nderartigen Stelle beim Wissenschaftsministerium stellt (vgl. §§ 45 Abs. 3 Satz\n5, 47 FHG). Hinsichtlich dieser von der Fachhochschule zu treffenden\nErmessensentscheidung durfte dem Antragsteller, selbst wenn er ein Interesse\nan der Schaffung und Ausschreibung einer derartigen Stelle hat, uberdies ein\nsubjektives Recht auf eine fehlerfreie Betatigung dieses Ermessens bei der\nFrage der "Schaffung" von C 3-Stellen auch gegen die Fachhochschule nicht\nzustehen. Der Antragsteller hatte offensichtlich nicht, wie der Senat bereits\nin vergleichbarem Zusammenhang entschieden hat (vgl. Beschluss vom 27.10.2003\n- 4 S 1755/03 -), ein auf die Beachtung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs.\n1 GG begrenztes subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensbetatigung der\nFachhochschule, denn eine entsprechende Selbstbindung der Fachhochschule\ngegenuber dem Antragsteller kann auch unter dem Blickwinkel einer jahrelang\npraktizierten Übung, Inhaber von C 2-Stellen nach der Reihenfolge ihres\nEintritts in die Fachhochschule durch die passende Änderung der\nFunktionsbeschreibung freigewordener C 3-Stellen auf diese zu "heben", nicht\nbejaht werden. Vielmehr begrunden Rechtsvorschriften, die wie im vorliegenden\nFall der Verwaltung ein Ermessen einraumen, einen Anspruch auf\nermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn die das Ermessen einraumende\nRegelung - zumindest auch - dem Interesse des Betroffenen zu dienen bestimmt\nist (standige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26.10.2000, NVwZ-RR\n2001, 253 = ZBR 2001, 140; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.03.1987,\nNVwZ 1987, 723 = DÖV 1987, 698; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42\nRdNrn. 84, 85 m.w.N.). Davon kann in Fallen der vorliegenden Art\noffensichtlich nicht ausgegangen werden, denn fur ein subjektives Recht eines\nBetroffenen auf fehlerfreie Ausubung des einer Fachhochschule und - letztlich\n- dem Land Baden-Wurttemberg zustehenden Organisationsermessens fehlt die\nnotwendige Rechtsgrundlage; sie kann auch nicht aus den im vorliegenden\nZusammenhang einschlagigen organisationsrechtlichen Vorschriften des\nFachhochschulgesetzes (vgl. §§ 45 Abs. 3, 47 FHG) hergeleitet werden, weil\ndiese nicht (auch) den individuellen Interessen des Antragstellers zu dienen\nbestimmt sind. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung uber\neine Änderung der Funktionsbeschreibung frei gewordener C 3-Stellen die\nStruktur der Fachhochschule, namlich ihre Lehr- und Forschungskapazitat,\nbetrifft und deshalb allein im offentlichen Interesse nach Ermessen getroffen\nwerden muss. Die Rechtsstellung des Antragstellers wird dadurch von vornherein\nnicht betroffen, so dass ein Anspruch des Antragstellers auf Gleichbehandlung\nmit anderen Professoren der Fachhochschule unter dem Gesichtspunkt der\nSelbstbindung der Fachhochschule schon deshalb nicht in Betracht kommt (vgl.\nden Beschluss des Senats vom 27.10.2003 - 4 S 1755/03 -). \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch das sonstige Beschwerdevorbringen fuhrt nicht zur Bejahung eines\nAnordnungsanspruchs. Insbesondere trifft die Auffassung des Antragstellers\noffensichtlich nicht zu, die Frage, welche Dienstposten durch entsprechende\nÄnderung der Funktionsbeschreibung fur welche Lehrgebiete zu C 3-Stellen\n"gehoben" werden sollen, konne erst n a c h der - vorrangigen -\nPersonalentscheidung, wer von den vorhandenen Professoren der Besoldungsgruppe\nC 2 in ein Amt der Besoldungsgruppe C 3 berufen werden solle, beantwortet\nwerden. Vielmehr ist im Gegenteil in Umkehrung dieser behaupteten Reihenfolge\nzunachst im offentlichen Interesse, namlich mit Blick auf die Struktur der\nFachhochschule, d.h. ihr Lehr- und Forschungsprofil, zu entscheiden, welche\nFunktionsbeschreibung eine frei gewordene C 3-Stelle erhalten soll; erst d a-\nn a c h kann eine entsprechende Stelle ausgeschrieben werden. Es bedarf daher\nkeiner Entscheidung uber die vom Antragsteller ferner aufgeworfene und von ihm\nbejahte Frage, ob er nach dem Prinzip der Anciennitat trotz seines Eintritts\nin die Fachhochschule erst am 01.10.1995 den bereits am 01.09.1995 dort\neingetretenen Mitbewerbern gleichgestellt werden musse. Denn darauf kommt es\nnach den vorstehenden Ausfuhrungen nicht an, weil der Antragsteller unabhangig\nhiervon einen Anordnungsanspruch auf Ausschreibung einer fur ihn "passenden" C\n3-Stelle nicht glaubhaft gemacht hat, so dass die erst bei der Besetzung einer\nderartigen Stelle, wenn sie vorhanden ist, gegebenenfalls zu beantwortende\nFrage einer Beachtung der Anciennitat im vorliegenden Zusammenhang unerheblich\nist. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es\nentspricht der Billigkeit, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen\nKosten des Beigeladenen zu 1. aufzuerlegen, da dieser durch seine\nAntragstellung ein Kostenrisiko ubernommen hat. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts fur das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 20\nAbs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Wegen der besonderen Bedeutung des Verfahrens des\nvorlaufigen Rechtsschutzes in Fallen der vorliegenden Art halt der Senat in\nstandiger Praxis die Festsetzung des ungekurzten Auffangstreitwerts gemaß § 13\nAbs. 1 Satz 2 VwGO fur angemessen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
136,727
lsgbw-2004-03-25-l-10-rj-322303
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 10 RJ 3223/03
2004-03-25
2019-01-07 12:02:05
2019-01-17 11:56:53
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klagerin einen Anspruch auf\nhohere Altersrente (AR) fur schwerbehinderte Menschen unter Berucksichtigung\neiner weiteren Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges sowie ohne Kurzung von nach\ndem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten Beitragszeiten hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die ... 1937 geborene Klagerin, Inhaberin des Vertriebenenausweises A, ist\nam 13. Oktober 1984 von Rumanien, wo sie seit 7. Juni 1982 Rente wegen\nInvaliditat 2. Grades bezogen hatte, in die Bundesrepublik Deutschland\nubergesiedelt. Auf ihren Rentenantrag, zu welchem sie u.a. Beschaftigungen in\nRumanien im Zeitraum vom 1. August 1953 bis 7. Juni 1982 geltend machte,\nbewilligte die Beklagte der Klagerin Rente wegen Erwerbsunfahigkeit ab 13.\nOktober 1984, zunachst befristet, dann auf unbestimmte Dauer (Bescheide vom\n20. September 1985, 5. Mai 1986 und 11. Dezember 1986), wobei sie die Zeiten\nvom 1. August 1953 bis 6. Juni 1982 als nachgewiesene Beitragszeiten im Sinne\ndes FRG sowie die Zeitspanne vom 1. Juli 1982 bis 29. Februar 1992 als\nZurechnungszeit berucksichtigte. \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Rahmen einer Konto-Überprufung machte die Klagerin am 21. Februar 2002\nKindererziehungs- und Berucksichtigungszeiten fur die Sohne H, geboren ...\n1972, und D, geboren ... 1976, geltend. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 18. Marz 2002 wandelte die Beklagte die bis dahin gewahrte\nRente ab 1. Marz 2002 in eine Regelaltersrente (RAR) um. Zusatzlich anerkannte\nsie Kindererziehungszeiten von je 1 Jahr als Pflichtbeitragszeiten sowie je 10\nJahre Berucksichtigungszeiten. Außerdem berucksichtigte sie bei der\nRentenberechnung Anrechnungszeiten wegen Rentenbezugs vom 1. Juli 1982 bis 29.\nFebruar 1992 mit 116 Monaten und kurzte die aus den Pflichtbeitragszeiten nach\ndem FRG resultierenden Entgeltpunkte (EPe) um 40 v.H. durch Vervielfaltigung\nmit dem Faktor 0,6. \n--- \n| 5 \n--- \n| Dagegen erhob die Klagerin Widerspruch. Sie begehrte die Zuordnung der Zeit\nvon August 1953 bis Juni 1954 zu einer hoheren Qualifikationsgruppe, die\nBerucksichtigung der Zeit vom 1. Marz 1992 bis 28. Februar 1997 als\nZurechnungszeit und die Gewahrung von AR fur schwerbehinderte Menschen ab 1.\nMarz 1997. Des weiteren wandte sie sich gegen die Kurzung der nach dem FRG\nanerkannten Zeiten, die die Beklagte zuvor bereits rechtsverbindlich bewertet\nhabe und deren nur gekurzte Anrechnung gegen das Ruckwirkungsverbot, den\nGleichheitsgrundsatz und ihr Eigentumsgrundrecht verstoße. Außerdem begehrte\nsie jeweils die Berucksichtigung von 36 Kalendermonaten an Kindererziehungs-\nsowie -berucksichtigungszeiten ab 1. Juli 1976. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte half dem Widerspruch bezuglich der beanstandeten\nQualifikationsgruppe mit Bescheid vom 13. Juni 2002 und bezuglich der\nGewahrung von AR fur schwerbehinderte Menschen mit Bescheid vom 2. September\n2002 (Gewahrung von AR fur schwerbehinderte Menschen ab 1. Marz 1997) ab. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2002 wies der\nWiderspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch im Übrigen zuruck. Da ein\nAnspruch auf Anrechnung einer Zurechnungszeit nach dem 55. Lebensjahr zum\nZeitpunkt des Beginns der Erwerbsunfahigkeitsrente nicht bestanden habe, sei\nauch bei einer Folgerente die Berucksichtigung der Zurechnungszeit nur im\nbisherigen Umfang moglich. Die Kurzung nach dem FRG ermittelter EPe um 40%\nentspreche gesetzlichen Regelungen, die bei Beginn der AR in Kraft gewesen\nseien. Eine Anrechnung von 36 Kalendermonaten Kindererziehungszeiten sei nur\nfur Kinder moglich, die ab dem 1. Januar 1992 geboren seien. \n--- \n| 8 \n--- \n| Deswegen erhob die Klagerin am 25. November 2002 Klage beim Sozialgericht\nStuttgart (SG). Gemaß § 59 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) habe sie\neinen Anspruch auf Berucksichtigung einer Zurechnungszeit bis zur Vollendung\ndes 60. Lebensjahres, zumindest aber einer Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges\nbis zu diesem Zeitpunkt. Die Kurzung bezuglich der nach dem FRG anerkannten\nZeiten sei rechtswidrig, da die Beklagte diese Zeiten bereits bei der\nBewilligung der Erwerbsunfahigkeitsrente rechtsverbindlich bewertet und\nfestgestellt habe. Die nunmehr vorgenommene Kurzung anlasslich der Umwandlung\nin eine AR fur schwerbehinderte Menschen habe keine Rechtsgrundlage. Nach §\n306 Abs. 1 SGB VI sei in diesem Fall eine Neubestimmung der EPe nicht\nzulassig. Die Entscheidung der Beklagten verstoße insoweit gegen das\nRuckwirkungsverbot belastender Gesetze und verletzte sie in ihren\nGrundrechten. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte vertrat die Auffassung, Zurechnungszeiten seien nur bei einer\nRente wegen Erwerbsminderung bzw. einer Rente wegen Todes hinzuzurechnen,\nnicht aber die Berucksichtigung von Zurechnungszeiten bei einer AR. Sie habe\ndie Zeit vom 1. Juli 1982 bis 29. Februar 1992 zutreffend als Anrechnungszeit\nberucksichtigt. Nach § 58 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI seien Anrechnungszeiten Zeiten,\nin denen Versicherte eine Rente bezogen hatten, soweit diese Zeiten auch als\nZurechnungszeit in der Rente berucksichtigt gewesen seien. Anrechnungszeit sei\nauch die vor dem Beginn dieser Rente liegende Zurechnungszeit. Die Dauer der\nzu berucksichtigenden Anrechnungszeit richte sich somit nach der Dauer der in\nder fruheren Rente, hier der Erwerbsunfahigkeitsrente, berucksichtigten\nZurechnungszeit. Soweit sich die Klagerin auf § 306 Abs. 1 SGB VI berufe, sei\nzu berucksichtigen, dass die Altersrente erst ab 1. Marz 1997 zu beanspruchen\ngewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei § 22 Abs. 4 FRG, der eine Kurzung der EPe\nauf 60% vorsehe, bereits in Kraft gewesen. Die Änderung der maßgeblichen\nVorschrift sei also vor Beginn der Altersrente erfolgt und § 306 Abs. 1 SGB VI\nsomit nicht einschlagig. Diese Vorschrift wirke sich lediglich auf die zuvor\nbezogene Erwerbsunfahigkeitsrente aus, deren Neuberechnung nicht erfolgt sei.\nErwerbsunfahigkeitsrente und AR seien bei der Anwendung von § 306 SGB VI\njeweils fur sich getrennt zu betrachten. Es handle sich nicht um eine\ndurchgehende Rente. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Gerichtsbescheid vom 4. Juli 2003 wies das SG die Klage ab. Nach § 63\nSGB VI bestimme sich die Hohe der AR vor allem nach der Hohe der wahrend des\nVersicherungslebens durch Beitrage versicherten Arbeitsentgelte und\nArbeitseinkommen, wobei diese - bezogen auf die einzelnen Kalenderjahre - in\nEPe umzurechnen seien. Daneben konnten im Einzelfall als rentenrechtliche\nZeiten u.a. Anrechnungszeiten und Zurechnungszeiten berucksichtigt werden.\nAnrechnungszeiten seien nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI u.a. Zeiten des\nRentenbezugs, soweit sie als Zurechnungszeit in der Rente berucksichtigt\ngewesen seien und die vor dem Beginn dieser Rente liegende Zurechnungszeit.\nGemaß § 59 Abs. 1 SGB VI i.d.F. des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 vom 18.\nDezember 1989 sei Zurechnungszeit die Zeit, die bei einer Rente wegen Berufs-\noder Erwerbsunfahigkeit oder einer Rente wegen Todes hinzugerechnet werde,\nwenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die\nZurechnungszeit ende gemaß § 59 Abs. 3 SGB VI i.d.F. des RRG 1992 mit dem\nZeitpunkt, der sich ergebe, wenn die Zeit bis zum vollendeten 55. Lebensjahr\nin vollem Umfang, die daruber hinaus gehende Zeit bis zum vollendeten 60.\nLebensjahr zu 1/3 dem nach Abs. 2 maßgeblichen Zeitpunkt hinzugerechnet werde\nbzw. mit Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 59 Abs. 2 Satz 2 SGB VI i.d.F. des\nGesetztes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfahigkeit vom 20.\nDezember 2000). Die Zeit vom 1. Marz 1992 bis 28. Februar 1997 sei nicht als\nweitere Zurechnungszeit zu berucksichtigen. Wie sich aus dem Wortlaut des § 59\nAbs. 1 SGB VI ergebe, sei eine Zurechnungszeit nur bei Gewahrung von Rente\nwegen Berufs- oder Erwerbsunfahigkeit oder einer Rente wegen Todes vorgesehen\nnicht aber fur AR. Die Zeit sei auch nicht als Anrechnungszeit zu\nberucksichtigen, denn sie sei wahrend des Bezugs der Rente wegen\nErwerbsunfahigkeit nicht wie erforderlich als Zurechnungszeit berucksichtigt\ngewesen. Die Gewahrung von Rente wegen Erwerbsunfahigkeit ab 13. Oktober 1984\nhabe noch auf der Regelung des § 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO) beruht.\nNach § 1260 Satz 1 RVO sei Versicherten, die vor Vollendung des 55.\nLebensjahres u.a. erwerbsunfahig geworden seien, bei der Ermittlung der\nanrechnungsfahigen Versicherungsjahre die Zurechnung der Zeit vom\nKalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten sei (Juni 1982), bis\nzum Kalendermonat der Vollendung des 55. Lebensjahres (Februar 1992) eine\nVersicherungszeit zuzuerkennen gewesen (Zurechnungszeit). Dies habe die\nBeklagte in den Bescheiden uber die Gewahrung von Erwerbsunfahigkeitsrente\nberucksichtigt. Die Klagerin habe aber keinen Anspruch auf Berucksichtigung\nsolcher Rentenbezugszeiten als Anrechnungszeit gehabt, die bei der zuvor\nbezogenen Erwerbsunfahigkeitsrente nicht als Zurechnungszeit berucksichtigt\nworden seien. Eine Berucksichtigung als Anrechnungszeit nach § 59 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 5, 2. Alternative SGB VI scheide ebenfalls aus, da dieser Zeitraum nicht\nvor sondern nach dem Beginn der vorausgegangenen Erwerbsunfahigkeitsrente\nliege. \n--- \n| 11 \n--- \n| Im Übrigen habe die Klagerin auch keinen Anspruch auf ungekurzte\nBerucksichtigung der nach dem FRG festgestellten Beitrags- und\nBeschaftigungszeiten. Dies folge aus § 22 Abs. 4 FRG, der am 7. Mai 1996 in\nKraft getreten sei, also vor Beginn der AR fur schwerbehinderte Menschen. Die\nBeklagte habe die Vervielfaltigung der EPe mit dem Faktor 0,6 zutreffend\nvorgenommen. Dem stehe § 306 Abs. 1 SGB VI, der grundsatzliche eine Ausnahme\nzu § 300 Abs. 1 SGB VI darstelle, nicht entgegen. Danach seien die\npersonlichen EPe allein aus Anlass einer Rechtsanderung nicht neu zu\nbestimmen. Eine Neufeststellung aus anderen Grunden als einer Rechtsanderung,\nz.B. der Gewahrung einer AR anstelle einer Erwerbsunfahigkeitsrente, sei durch\ndiese Regelung nicht ausgeschlossen, denn auf diese Rente habe die Klagerin\nerst ab dem 1. Marz 1997 einen Anspruch gehabt. Die Regelung in § 22 Abs. 4\nFRG sei auch mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, wie das Bundessozialgericht\n(BSG) bereits am 1. Dezember 1999, Az. B 5 RJ 24/98 R, entscheiden habe. Der\nanderen Ansicht des 4. Senats des BSG in seinen Vorlagebeschlussen vom 16.\nDezember 1999, Az. B 4 RA 18/99 R, B 4 RA 49/99 R sowie B 4 RA 49/98 R, sei\nnicht zu folgen, da das Gericht wie schon zuvor der 5. Senat des BSG die\nverfassungsrechtlichen Bedenken nicht fur durchgreifend und uberzeugend\nerachte. Insbesondere fehle es insoweit an einer eigenen Beitragsleistung der\nnach dem FRG begunstigten Versicherten zu einem Trager der deutschen\nRentenversicherung und einem Eingriff des Gesetzgebers in grundrechtlich\nschutzenswerte eigentumsahnliche Rechtspositionen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen den am 17. Juli 2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klagerin\nam 15. August 2003 Berufung eingelegt. Sie begehrt die Berucksichtigung der\nZeit vom 1. Marz 1992 bis 28. Februar 1997 als Anrechnungszeit wegen\nRentenbezuges sowie die ungekurzte Berucksichtigung der nach dem FRG\nanerkannten Zeiten. Die Regelung und Entscheidung verstoße gegen das\nRechtsstaatsprinzip aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m Art. 20 Abs. 3 GG. Fur die Zeit\nab 1. Marz 1997 wende das SG die Vorschriften der RVO an, wonach eine\nZurechnungszeit hinsichtlich des Erwerbsunfahigkeitsrente und demnach auch\neine Anrechnungszeit hinsichtlich der anschließenden AR nur bis zur Vollendung\ndes 55. Lebensjahres vorgesehen gewesen sei. Das Abstellen auf die\nVorschriften der RVO verstoße gegen § 300 Abs. 1 SGB VI. Nach den Bestimmungen\ndes SGB VI sei eine Anrechnungszeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zu\nberucksichtigen. Andererseits wende das SG fur die AR die zu deren Beginn neue\nRechtslage unter Kurzung um 40% an. Dies sei rechtswidrig. Die nach der alten\nRechtslage ergangenen Bescheides uber die Gewahrung von\nErwerbsunfahigkeitsrente seien sowohl bezuglich der Bewertung der FRG-Zeiten\nals auch der Zurechnungszeiten unter rechtsverbindlicher Feststellung erfolgt.\nDie Umwandlung in eine AR fur schwerbehinderte Menschen sei alleine durch\nAbanderung des Zugangsfaktors, des Rentenfaktors und des Rentenwerts\nvorzunehmen gewesen. Fur eine Neufestsetzung der personlichen EPe anhand der\nneuen Rechtslage habe es weder Anlass noch eine Rechtsgrundlage gegeben. Der\nSachverhalt sei bereits 1984 abgeschlossen gewesen und 1986 abschließend\nrechtsverbindlich bewertet. Eine Neubewertung 1997 mit Kurzung stelle eine\nechte Ruckwirkung eines belastenden Gesetzes dar und verstoße gegen das\nRechtsstaatsprinzip. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juli 2003\naufzuheben und die Beklagte unter Abanderung des Bescheides vom 2. September\n2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2002 zu\nverurteilen, ihr ab 1. Marz 1997 hohere Altersrente fur Schwerbehinderte unter\nBerucksichtigung der Zeit vom 1. Marz 1992 bis 28. Februar 1997 als\nAnrechnungszeit wegen Rentenbezuges sowie ohne Kurzung nach dem\nFremdrentengesetz anerkannter Beitragszeiten zu gewahren, hilfsweise die\nRevision zuzulassen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie verweist auf ihre Ausfuhrungen vor dem SG und die im angefochtenen\nGerichtsbescheid. \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird\nauf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider\nInstanzen Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassige Berufung der\nKlagerin ist nicht begrundet. Sie hat keinen Anspruch auf Berucksichtigung der\ngeltend gemachten Anrechnungszeit und ungekurzte Anrechnung von nach dem FRG\nanerkannten Beitragszeiten sowie infolge dessen auf hohere AR fur\nschwerbehinderte Menschen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die Voraussetzungen fur die\nBerucksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Rentenbezuges sowie die Kurzung\nvon nach dem FRG anerkannten Versicherungszeiten zutreffend wiedergegeben und\nrechtsfehlerfrei ausgefuhrt, weswegen die Voraussetzungen fur die\nBerucksichtigung der Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges nicht vorliegen und\ndie fur die Kurzung der nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten erforderlichen\nVoraussetzungen erfullt sind. Der Senat schließt sich dem unter\nBerucksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren nach eigener Prufung an\nund sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemaß § 153 Abs. 2 SGG\nunter Hinweis auf die Entscheidungsgrunde des angefochtenen Gerichtsbescheids\nvon einer weiteren Darstellung weitgehend ab. \n--- \n| 21 \n--- \n| Erganzend ist anzumerken, dass das SG hinsichtlich der geltend gemachten\nBerucksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Rentenbezugs zutreffend die\nBestimmungen des SGB VI angewandt hat, die insofern allerdings an Bestimmungen\nder RVO anknupfen. Insofern hat es zutreffen erkannt, dass weitere\nAnrechnungs- oder Zurechnungszeiten fur die Zeit von Marz 1992 bis Februar\n1997 nicht zu berucksichtigen sind. \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit sich die Klagerin gegen die Kurzung der EPe bei der Berechnung der\nAR fur schwerbehinderte Menschen wendet, ist festzustellen, dass die Beklagte\ndie hier maßgebliche Bestimmung des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG vom\n7. Mai 1996 zu Recht und zutreffend angewandt hat. Insbesondere steht § 306\nAbs. 1 SGB VI nicht entgegen. Es handelt sich vorliegend nicht um die\n(unzulassige) Neuberechnung einer Rente aus Anlass einer Rechtsanderung.\nVielmehr handelt es sich hier um die Gewahrung von AR fur schwerbehinderte\nMenschen anstelle einer Rente wegen Erwerbsunfahigkeit, also nicht um die\nWeitergewahrung einer Rente sondern um die Leistung einer anderen Rente, fur\ndie die Bestimmungen maßgeblich sind, die im Zeitpunkt von deren Beginn\ngelten. \n--- \n| 23 \n--- \n| Im Übrigen ist auch der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der\nRegelung des § 22 Abs. 4 FRG uberzeugt, insbesondere ist kein Verstoß gegen\nArt. 3, 14 (auch bei Unterstellung, dass die nach dem FRG zu\nberucksichtigenden Zeiten grundsatzlich Eigentumsschutz genießen) oder 2 Abs.\n1 i.V.m. Art. § 20 Abs. 3 GG zu sehen, weswegen keine Veranlassung bestand,\ndas Verfahren nach Art. 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht\nzur Entscheidung vorzulegen. Der Senat verweist insofern auf die Entscheidung\ndes 5. Senats des BSG vom 1. Dezember 1999, Az. B 5 RJ 26/98 R\n(Parallelentscheidung zu B 5 RJ 24/98 R), der er sich in vollem Umfang\nanschließt. Darin ist ausfuhrlich dargelegt, warum der 5. Senat nicht von\neiner Verfassungswidrigkeit der hier einschlagigen gesetzlichen Regelung\nuberzeugt ist und ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie und den\nGleichheitsgrundsatz nicht gesehen wurde. Diese Auffassung teilt auch der\nerkennende Senat. Insbesondere hat der Gesetzgeber eine hinreichende, wenn\nauch - wegen des verfolgten Zieles mit Blick auf die Finanzierung der\nRentenversicherung - kurze Übergangsregelung getroffen, die sich im Rahmen\nseines Ermessens halt. Des weiteren vermag der Senat keinen Verstoß gegen das\nRechtsstaatsprinzip festzustellen. Mit der Bewilligung von AR fur\nschwerbehinderte Menschen und bei der dabei vorgenommenen Rentenberechnung ist\nkein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip festzustellen, insbesondere keine\nunzulassige Ruckwirkung. Nicht zuletzt hat die Klagerin im Ergebnis unter\nAnwendung der seit der Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfahigkeit\nergangenen Gesetzesanderungen (nach Berucksichtigung weiterer\nVersicherungszeiten) ab 1. Marz 1997 eine hohere Rente erhalten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Da der Gerichtsbescheid des SG mithin nicht zu beanstanden ist, war die\nBerufung zuruckzuweisen. Hierauf und auf §§ 93 SGG beruht die\nKostenentscheidung. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Zulassung der Revision erfolgt im Hinblick auf die abweichende\nAuffassung des 4. Senats des BSG zu § 22 Abs. 4 des FRG (vgl. u.a. die o.g.\nVorlagebeschlusse). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassige Berufung der\nKlagerin ist nicht begrundet. Sie hat keinen Anspruch auf Berucksichtigung der\ngeltend gemachten Anrechnungszeit und ungekurzte Anrechnung von nach dem FRG\nanerkannten Beitragszeiten sowie infolge dessen auf hohere AR fur\nschwerbehinderte Menschen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die Voraussetzungen fur die\nBerucksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Rentenbezuges sowie die Kurzung\nvon nach dem FRG anerkannten Versicherungszeiten zutreffend wiedergegeben und\nrechtsfehlerfrei ausgefuhrt, weswegen die Voraussetzungen fur die\nBerucksichtigung der Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges nicht vorliegen und\ndie fur die Kurzung der nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten erforderlichen\nVoraussetzungen erfullt sind. Der Senat schließt sich dem unter\nBerucksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren nach eigener Prufung an\nund sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemaß § 153 Abs. 2 SGG\nunter Hinweis auf die Entscheidungsgrunde des angefochtenen Gerichtsbescheids\nvon einer weiteren Darstellung weitgehend ab. \n--- \n| 21 \n--- \n| Erganzend ist anzumerken, dass das SG hinsichtlich der geltend gemachten\nBerucksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Rentenbezugs zutreffend die\nBestimmungen des SGB VI angewandt hat, die insofern allerdings an Bestimmungen\nder RVO anknupfen. Insofern hat es zutreffen erkannt, dass weitere\nAnrechnungs- oder Zurechnungszeiten fur die Zeit von Marz 1992 bis Februar\n1997 nicht zu berucksichtigen sind. \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit sich die Klagerin gegen die Kurzung der EPe bei der Berechnung der\nAR fur schwerbehinderte Menschen wendet, ist festzustellen, dass die Beklagte\ndie hier maßgebliche Bestimmung des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG vom\n7. Mai 1996 zu Recht und zutreffend angewandt hat. Insbesondere steht § 306\nAbs. 1 SGB VI nicht entgegen. Es handelt sich vorliegend nicht um die\n(unzulassige) Neuberechnung einer Rente aus Anlass einer Rechtsanderung.\nVielmehr handelt es sich hier um die Gewahrung von AR fur schwerbehinderte\nMenschen anstelle einer Rente wegen Erwerbsunfahigkeit, also nicht um die\nWeitergewahrung einer Rente sondern um die Leistung einer anderen Rente, fur\ndie die Bestimmungen maßgeblich sind, die im Zeitpunkt von deren Beginn\ngelten. \n--- \n| 23 \n--- \n| Im Übrigen ist auch der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der\nRegelung des § 22 Abs. 4 FRG uberzeugt, insbesondere ist kein Verstoß gegen\nArt. 3, 14 (auch bei Unterstellung, dass die nach dem FRG zu\nberucksichtigenden Zeiten grundsatzlich Eigentumsschutz genießen) oder 2 Abs.\n1 i.V.m. Art. § 20 Abs. 3 GG zu sehen, weswegen keine Veranlassung bestand,\ndas Verfahren nach Art. 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht\nzur Entscheidung vorzulegen. Der Senat verweist insofern auf die Entscheidung\ndes 5. Senats des BSG vom 1. Dezember 1999, Az. B 5 RJ 26/98 R\n(Parallelentscheidung zu B 5 RJ 24/98 R), der er sich in vollem Umfang\nanschließt. Darin ist ausfuhrlich dargelegt, warum der 5. Senat nicht von\neiner Verfassungswidrigkeit der hier einschlagigen gesetzlichen Regelung\nuberzeugt ist und ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie und den\nGleichheitsgrundsatz nicht gesehen wurde. Diese Auffassung teilt auch der\nerkennende Senat. Insbesondere hat der Gesetzgeber eine hinreichende, wenn\nauch - wegen des verfolgten Zieles mit Blick auf die Finanzierung der\nRentenversicherung - kurze Übergangsregelung getroffen, die sich im Rahmen\nseines Ermessens halt. Des weiteren vermag der Senat keinen Verstoß gegen das\nRechtsstaatsprinzip festzustellen. Mit der Bewilligung von AR fur\nschwerbehinderte Menschen und bei der dabei vorgenommenen Rentenberechnung ist\nkein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip festzustellen, insbesondere keine\nunzulassige Ruckwirkung. Nicht zuletzt hat die Klagerin im Ergebnis unter\nAnwendung der seit der Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfahigkeit\nergangenen Gesetzesanderungen (nach Berucksichtigung weiterer\nVersicherungszeiten) ab 1. Marz 1997 eine hohere Rente erhalten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Da der Gerichtsbescheid des SG mithin nicht zu beanstanden ist, war die\nBerufung zuruckzuweisen. Hierauf und auf §§ 93 SGG beruht die\nKostenentscheidung. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Zulassung der Revision erfolgt im Hinblick auf die abweichende\nAuffassung des 4. Senats des BSG zu § 22 Abs. 4 des FRG (vgl. u.a. die o.g.\nVorlagebeschlusse). \n---\n\n
136,875
vghbw-2005-03-17-1-s-38105
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 S 381/05
2005-03-17
2019-01-07 12:03:32
2019-01-17 11:57:01
Beschluss
## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassigen Beschwerden sind nicht begrundet. Weder die vom\nAntragsteller noch die vom Antragsgegner dargelegten Grunde, auf die sich die\nPrufung des Senats beschrankt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), geben dem\nSenat Veranlassung, uber den Antrag des Antragstellers auf Gewahrung\nvorlaufigen Rechtsschutzes gegen die tierschutzrechtliche Anordnung des\nLandratsamts Ortenaukreis vom 28.01.2005 abweichend vom Verwaltungsgericht zu\nentscheiden. Mit dieser Verfugung ist dem Antragsteller - unter Anordnung der\nsofortigen Vollziehung - insbesondere das Halten von Schafen untersagt (Ziff.\n1) und ihm aufgegeben worden, den Schafbestand bis spatestens 28.1.2005\naufzulosen (Ziff. 2); fur den Fall, dass der Antragsteller der Ziff. 2 nicht\nnachkommt, wurde die Ersatzvornahme angedroht (Ziff. 5). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Senat teilt die fur die gerichtliche Interessenabwagung im Rahmen des\ngerichtlichen Eilverfahrens in erster Linie maßgebliche Auffassung des\nVerwaltungsgerichts, dass lediglich die Zwangsmittelandrohung rechtswidrig\nsein durfte, wahrend sowohl das Verbot der Schafhaltung als auch das Gebot,\nden Schafbestand aufzulosen, von Rechts wegen nicht zu beanstanden sein\ndurften. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht ist der Einschatzung des Landratsamts gefolgt, dass\ninsbesondere auf Grund der Vorkommnisse im November 2004 die Voraussetzungen\nfur den Erlass eines Tierhaltungsverbots gemaß § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG\ngegeben sind. Hiergegen wendet sich der Antragsteller ohne Erfolg. Sein\nVorbringen stellt die auf den vom Amtstierarzt festgestellten Mangeln\nberuhende Prognose, dass auch weiterhin eine den tierschutzrechtlichen\nAnforderungen nicht genugende Tierhaltung zu besorgen ist, nicht in Frage. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Eine schwerwiegende Vernachlassigung der im Gewann „Sauweide" gehaltenen\nSchafe ergibt sich auch zur Überzeugung des Senats aus den amtstierarztlichen\nUntersuchungen und den Feststellungen im Bericht des Chemischen und\nVeterinaruntersuchungsamts Freiburg uber den korperlichen Zustand eines\nverendeten Schafes. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass der dort\ndokumentierte „totale Verlust des Korperfetts", ein „Zustand totaler\nErschopfung" und „allgemeine Anamie" als rassetypische Merkmale der vom\nAntragsteller gehaltenen Schafe anzusehen sein konnten. Fur eine Vergiftung\nder verendeten Tiere, wie der Antragsteller zu seiner Entlastung vorbringt,\nsind greifbare Anhaltspunkte nicht dargetan; im Übrigen will insoweit auch\nnicht einleuchten, dass der Antragsteller den behaupteten hochgradig\ngefahrlichen Zustand des Nachbargrundstucks ohne weitere Reaktion -\ninsbesondere ohne Meldung an die zustandige Behorde - nur zur Kenntnis\ngenommen haben will. Angesichts der Schwere der Vorwurfe, die letztlich nicht\nauf ortliche Besonderheiten zuruckzufuhren sind, verbietet sich eine\nunterschiedliche Einschatzung der tierschutzrechtlichen Situation der an\nverschiedenen Orten gehaltenen Schafe des Antragstellers. Schließlich hat\nschon das Verwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats\n(Beschluss vom 25.04.2002 - 1 S 1900/00-, VBlBW 2002, 388 f.) zutreffend\nausgefuhrt, dass der Hinweis auf ein Wohlverhalten unter dem Druck des\nlaufenden Verfahrens die Gefahrenprognose nicht zu erschuttern geeignet ist. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Hinsichtlich der von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren\nZwangsmittelandrohung in Ziff. 5 des Bescheids (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 12\nLVwVG) uberwiegt demgegenuber das Suspensivinteresse des Antragstellers. Die\nAndrohung der Ersatzvornahme nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 25 LVwVG durfte sich\nals rechtswidrig erweisen, denn die in Ziff. 2 der Verfugung angeordnete\nAuflosung des Schafbestands, die als notwendige Erganzung des\nTierhaltungsverbots ihre Ermachtigungsgrundlage wohl ebenfalls in § 16a Satz 2\nNr. 3 TierSchG, jedenfalls aber in der Generalklausel des § 16a Satz 1\nTierSchG finden durfte, kann nicht auf diese Weise vollstreckt werden. Keine\nder in der Anordnung der Auflosung des Tierbestands enthaltenen\nHandlungspflichten ist auf eine vertretbare Handlung im Sinne von § 25 LVwVG\ngerichtet; eine Vornahme durch einen Dritten, wie hierfur erforderlich, ist\nnamlich nicht moglich. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Auflosungsanordnung richtet sich ebenso wie das Tierhaltungsverbot an\nden Halter i. S. v. § 2 TierSchG; die Haltereigenschaft folgt dabei ungeachtet\nder Eigentumsverhaltnisse am Tier aus der tatsachlichen Bestimmungsmacht uber\ndas Tier und den damit verbundenen Einwirkungsmoglichkeiten. Die mit der\nVerfugung bezweckte Beendigung der Halterstellung zielt demnach in erster\nLinie auf die Aufgabe des Besitzes bzw. des tatsachlichen Obhutsverhaltnisses\nan den Schafen. Die hieraus folgende Pflicht zur Herausgabe der Schafe, die\nsich im Besitz des Antragstellers befinden, kann nur er erfullen; diese\nPflicht ist folglich eine unvertretbare Handlung und durch das Zwangsgeld oder\nim Wege des unmittelbaren Zwanges durch Wegnahme (§ 28 LVwVG) zu vollstrecken\n(vgl. nur Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Lander,\n1997, S. 261). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Ausweislich der Begrundung des angefochtenen Bescheids soll die Auflosung\ndurch die Veraußerung des Tierbestands erreicht werden. Ob und in welcher\nWeise dem Halter uber die Aufgabe des Besitzes hinaus weitere Maßnahmen\naufgegeben werden konnen, bedarf hier keiner Vertiefung. Denn auch die\nVeraußerung, die neben dem Besitzverlust auch den Eigentumsubergang zur Folge\nhaben soll und deswegen auch die Abgabe von Willenserklarungen voraussetzt,\nkann nicht im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Zwar kennt das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - anders das\nVerwaltungsvollstreckungsrecht einiger anderer Lander (siehe die Aufzahlung\nbei Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 6. Aufl. 2004, Rdnr. 6 vor § 6 VwVG) in\nAnlehnung an das prozessuale Zwangsvollstreckungsrecht (§ 894 ZPO) - keine\nSondervorschriften fur die Vollstreckung einer Verpflichtung zur Abgabe\n(hinreichend bestimmter) Willenserklarungen, so dass der Ruckgriff auf die\nErsatzvornahme nicht bereits deswegen versperrt ware. Der Anwendungsbereich\nder Ersatzvornahme ist aber auch hier nicht eroffnet, weil es wiederum an\neiner vertretbaren Handlung fehlt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die fur eine Veraußerung erforderlichen Willenserklarungen fur den\nAbschluss des schuldrechtlichen Vertrags und die nachfolgende dingliche\nEinigung mogen zwar insoweit als austauschbar anzusehen sein, als sie nicht\nhochstpersonlicher Natur sind; fur den Berechtigten ist es tatsachlich und\nwirtschaftlich gleich, ob der Pflichtige oder ein Dritter eine solche\nHandlungsverpflichtung erfullt. Allein dies reicht aber nicht, um eine\nvertretbare Handlung anzunehmen; vielmehr muss die Vornahme durch einen\nDritten auch rechtlich zulassig sein. Das ist hier nicht der Fall, denn einem\nDritten fehlte die fur eine wirksame Übertragung des Eigentums erforderliche\nVerfugungsbefugnis. Der Ansicht, wonach gerade mit der Anordnung der\nErsatzvornahme die Befugnis zur Abgabe der Willenserklarung auf den Dritten\nubergehe (vgl. Engelhardt/App, a.a.O., § 10 VwVG Rdnr. 5 ff.), kann nicht\ngefolgt werden, da sie dem Wesen der Ersatzvornahme nicht gerecht wird: die\nrechtliche Zulassigkeit der Vornahme der Handlung durch den Dritten ist\nVoraussetzung, nicht Wirkung der Anordnung der Ersatzvornahme (vgl.\nStein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl. 1996, § 887 Rdnr. 13; Lemke, a.a.O., S. 261\nf.). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die gerichtlichen Entscheidungen, auf die sich der Antragsgegner zur\nStutzung seiner abweichenden Rechtsauffassung beruft, verkennen der Sache nach\nnicht, dass die Vollstreckungsbehorde, wenn sie die Tiere selbst veraußern\nwill, einer Verfugungsbefugnis bedarf. Denn sie bezeichnen eine Beschlagnahme\nals ersten Teil der Ersatzvornahme und notwendigen Zwischenschritt auf dem\nWege zur Veraußerung (so VG Stuttgart, Beschluss vom 19.09.1997 - 4 K 5186/97\n-, NuR 1999, 218 = RdL 1998, 335) oder sprechen - mit derselben Zielrichtung -\nvon der Ersatzvornahme durch Wegnahme und Verwertung (so VG Karlsruhe,\nBeschluss vom 12.03.1993 - 10 K 480/93 -, ohne weitere rechtliche Vertiefung\nbestatigt durch VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 12.05.1993 - 10 S\n879/93-; siehe auch die Musterverfugung fur die amtstierarztl. Praxis bei\nBeck, AtD 1999, 297 <299>, sowie Thum, NuR 2001, 558 <566>). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die in § 33 PolG geregelte Beschlagnahme ist als sogenannte polizeiliche\nStandardmaßnahme aber kein Mittel der Verwaltungsvollstreckung, die als solche\nder Vollstreckungsbehorde (§ 4 Abs. 1 LVwVG) zu Gebote steht. Sie zeigt aber\ndie rechtlichen Voraussetzungen zur zwangsweisen Durchsetzung der angeordneten\nBestandsauflosung auf. Denn sie enthalt zum einen zum Zwecke der Begrundung\neines offentlich-rechtlichen Verwahrungsverhaltnisses auch eine\nHerausgabeverfugung, die nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz durch\nWegnahme zu vollstrecken ist, und verschafft zum anderen der Behorde nach § 3\nAbs. 2, 3 und 5 DVO PolG - auch ohne vorherige Einziehung nach § 34 PolG -\neine Verwertungsbefugnis, die auch die Moglichkeit zur freihandigen\nVeraußerung eroffnet. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Ob das Landratsamt, das gem. § 1 Nr. 3 der Verordnung des Ministeriums fur\nErnahrung und Landlichen Raum uber Zustandigkeiten nach dem Tierschutz-recht\nvom 29.04.2002 - TierSchZuVO - (GBl. S. 199) als untere Verwaltungsbehorde mit\nden Aufgaben nach § 16a TierSchG betraut ist, im Interesse der Effektivitat\nder Gefahrenabwehr auf Ermachtigungsgrundlagen des allgemeinen Polizeirechts\nzugreifen darf oder ob es, soweit hierfur noch ein Anwendungsbereich besteht,\nbei der grundsatzlichen Zustandigkeit der Ortspolizeibehorde (§ 61 Abs. 1 Nr.\n4, § 62 Abs. 4, § 66 Abs. 2 PolG) verbleibt (vgl. nur beispielhaft zur\nRechtslage nach dem TierSchG a.F. Urteil des erkennenden Senats vom 20.10.1986\n- 1 S 2945/85 -, BWVPr 1987, 112 <113 f.>; zum Naturschutzrecht Beschluss des\nerkennenden Senats vom 27.03.1980 - 1 S 422/80 -, NuR 1984, 25; siehe auch VGH\nBaden-Wurttemberg, Urteil vom 05.10.1995 - 12 S 3292/94 sowie Kunze, VBlBW\n1995, 81 <85>), bedarf hier, da nicht entscheidungserheblich, keiner Klarung. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Soweit der Antragsgegner die Vollstreckung des Tierhaltungsverbot im Wege\ndes Zwangsgeldes als untunlich und die Moglichkeit eines schnellen Zugriffs\nauf die Tiere auch ohne Einschaltung mehrerer Behorden fur geboten erachtet,\nist indessen zunachst auf die Eingriffsbefugnisse zu verweisen, die der\nTierschutzbehorde nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG eroffnet sind. Diese\nVorschrift bleibt neben einer Anordnung nach § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG\ngrundsatzlich anwendbar; denn Nr. 2 betrifft Maßnahmen in Bezug auf Tiere\neines vorhandenen Bestandes, wahrend das Vorgehen nach Nr. 3 in erster Linie\nden Umgang mit Tieren in der Zukunft zum Gegenstand hat (vgl. BayVGH, Urteil\nvom 17.12.1992 - 25 B 90.2906 -, juris). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Danach kann die Tierschutzbehorde Tiere, bei denen der Amtstierarzt eine\ntierschutzwidrige Haltung bereits festgestellt hat, dem Halter fortnehmen;\ndiese Ermachtigung stellt zugleich eine bundesgesetzliche Sondervorschrift fur\nein Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausfuhrung dar (vgl. OVG Brandenburg,\nBeschluss vom 25.05.1998 - 4 E 24/98 -, NVwZ-RR 1999, 117; Kluge,\nTierschutzgesetz, 2002, § 16a Rdnr. 24 ff.). Des Weiteren kann die Behorde die\nTiere unter bestimmten Voraussetzungen veraußern; dies kann ggfs. ohne\nvorherige Fristsetzung geschehen, wenn gegen den Tierhalter zugleich ein\nTierhaltungsverbot ergeht, weil von ihm eine tierschutzrechtlich unbedenkliche\nTierhaltung nicht zu erwarten ist. Die behordliche Veraußerung durfte\nallerdings den Erlass einer entsprechenden Anordnung voraussetzen (vgl. hierzu\nKluge, a.a.O., § 16a Rdnr. 33 f.; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 2003,\n§ 16a Rdnr. 18; VG Sigmaringen, Beschluss vom 13.07.2004 - 6 K 1204/04 -,\njuris), die als rechtsgestaltender Verwaltungsakt die rechtliche Befugnis zur\nEigentumsubertragung auf die Behorde ubergehen lasst. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Änderung und Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52\nAbs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG. Dabei orientiert sich die\nRechtsprechung des Senats (vgl. etwa den Beschluss vom 27.3.2003 - 1 S 235/03\n- m.w.N.) an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit (nunmehr Fassung Juli 2004, Nr. 35.2, abgedruckt in\nNVwZ 2004, 1327), der bei Klageverfahren um eine gegen einen Tierhalter\ngetroffene Anordnung die Festsetzung des Auffangstreitwerts gemaß § 52 Abs. 2\nGKG vorsieht; denn fur eine gewerbsmaßige Schafhaltung, die einen hoheren\nStreitwert rechtfertigen wurde, ist nichts vorgetragen. Die\nAuflosungsverfugung, die als Annexregelung den Betroffenen bei\nwirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht zusatzlich belastet, hat keinen\nhoheren Streitwert zur Folge (siehe VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom\n12.04.2002 - 14 S 315/02 m.w.N.). Von der in Verfahren des vorlaufigen\nRechtsschutzes in der Regel vorzunehmenden Halbierung des Streitwerts hat der\nSenat abgesehen; in Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes, die - wie hier\nin Bezug auf die Auflosungsverfugung - die Entscheidung in der Sache ganz oder\nzum Teil vorwegnehmen, kann der Streitwert bis zur Hohe des fur das\nHauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden (vgl. Nr. 1.5\nder Empfehlungen des Streitwertkatalogs fur die Verwaltungsgerichtsbarkeit;\nvgl. auch Beschluss des erkennenden Senats vom 28.04.2004 - 1 S 756/04 -). Die\nun-selbststandige Zwangsmittelandrohung ist - mit Ausnahme des Zwangsgeldes -\nnach der standigen Praxis des erkennenden Gerichtshofs (vgl. nur Beschluss vom\n12.04.2002 - 14 S 315/02 m.w.N.) nicht Streitwert erhohend zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n--- \n--- \n---\n\n
137,098
fg-baden-wurttemberg-2008-04-02-6-k-32707
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
6 K 327/07
2008-04-02
2019-01-07 12:05:56
2019-01-17 11:57:14
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob der strafrechtlich wegen Beleidigung verurteilte Klager die\nim Rahmen des Strafverfahrens angefallenen Rechtsanwaltskosten von 549 EUR\nsteuerlich geltend machen kann. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der ledige Klager ist Finanzbeamter und war im Streitjahr als Betriebsprufer\nim Außendienst tatig. Er erzielte Einkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 7. Juni 2005 war er gegen 8:45 Uhr auf einer als Dienstreise genehmigten\nFahrt mit seinem eigenen PKW, amtliches Kennzeichen, in X unterwegs zu einer\nBetriebsprufung. Dabei kam er auf einer Linksabbiegespur hinter dem\nFahrschulwagen mit dem amtlichen Kennzeichen zu stehen. Nach langerer\nWartezeit verließ der Klager sein Fahrzeug und forderte die Insassen des\nFahrschulwagens auf, weiter nach vorne zu fahren. Im weiteren Verlauf stieg\nauch der Fahrlehrer aus und geriet mit dem Klager in Auseinandersetzung. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Fahrlehrer erstattete daraufhin bei der Polizei Anzeige wegen\nBeleidigung. Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden sowohl\nder Fahrlehrer als auch die Fahrschulerin als Zeugen vernommen. Auf die\nZeugenvernehmungen vom 11. Juni 2005 (Bl. 9 f. der Strafakten) sowie vom 28.\nSeptember 2005 wird erganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager wurde mit inzwischen rechtskraftigem Strafbefehl wegen\nBeleidigung zu einer Geldstrafe von 600 EUR verurteilt, wobei das Amtsgericht\ndavon ausging, dass der Klager dem Fahrlehrer die Worte „Fahr doch du\nArschloch!" sowie „Wenn du nicht vorfahrst kommen wir hier nie weg du\nEierkopp." entgegen gebracht hat. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den\nStrafbefehl vom 21. Oktober 2005 (Bl. 23 ff. des Belegordners) verwiesen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager bezahlte in Zusammenhang mit dem Strafverfahren in 2005\nRechtsanwaltsgebuhren in Hohe von 549 EUR sowie am 26. Januar 2006\nGerichtskosten in Hohe von 60 EUR. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Gegen den Klager wurden keine disziplinarrechtlichen Maßnahmen eingeleitet. \n--- \n| 8 \n--- \n| In seiner am 8. Marz 2006 beim beklagten Finanzamt (Beklagter -FA-)\neingegangenen Einkommensteuer(ESt-)erklarung fur das Streitjahr 2005 machte\nder Klager die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten von 609 EUR als\nWerbungskosten bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit geltend. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen den ESt-Bescheid 2005 vom 4. Juli 2006 legte der Klager am 18. April\n2006 Einspruch ein mit der Begrundung, es bestehe ein objektiver Zusammenhang\nzwischen den streitigen Aufwendungen und seiner beruflichen Tatigkeit. Bei\ndurch ein Strafverfahren betroffenen Beamten sei grundsatzlich ein beruflicher\nZusammenhang gegeben, weil hieruber immer eine Mitteilung an den Arbeitgeber\nerfolge und sich je nach Strafmaß auch disziplinarrechtliche Folgen ergeben\nkonnten. Zudem konne er seine berufliche Tatigkeit ohne Fahrtatigkeit nicht\nausuben. Der Vorfall habe sich auf einer Dienstreise ereignet und ware ohne\nberufliche Veranlassung erst gar nicht entstanden \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2007, auf die wegen weiterer\nEinzelheiten Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch als unbegrundet\nzuruck. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit seiner am 4. Juni 2007 bei Gericht eingegangenen Klage halt der Klager\nan seinem Begehren insoweit fest, die Rechtsanwaltskosten von 549 EUR als\nWerbungskosten bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit zu\nberucksichtigen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zunachst tragt er vor, er habe die Beleidigung nicht begangen und habe sich\ngegen eine ihm im Dienst vorgeworfene und nicht zutreffende Beschuldigung zur\nWehr setzen mussen. Der andere Verkehrsteilnehmer habe durch sein Verhalten\ndie Weiterfahrt des Klagers blockiert und damit eine Fortsetzung der\nDienstreise und der dienstlichen Tatigkeit verhindert. Da die Tatigkeit eines\nBetriebsprufers ohne Fahrtatigkeit nicht denkbar sei, konne ein besonderes\nberufliches Risiko nicht ganzlich verneint werden. Eine Dienstreise bedeute\nimmer auch, dass sich der Dienstreisende im Dienst befinde. \n--- \n| 13 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung lasst sich der Klager dahingehend ein, die\nBeleidigung sei nur deshalb passiert, um den anderen Verkehrsteilnehmer zur\nWeiterfahrt zu veranlassen. \n--- \n--- \n--- \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 4. Juli 2006 in\nGestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2007 dahingehend abzuandern,\ndass bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit weitere Werbungskosten\nin Hohe von 549 EUR berucksichtigt werden. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Das FA beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Zur Begrundung verweist es auf die Einspruchsentscheidung \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Vorbereitung der mundlichen Verhandlung hat die Berichterstatterin die\nStrafakten (Az.:) bei der Staatsanwaltschaft Y beigezogen und am 23. Januar\n2008 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erortert. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze, die\nsich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten\nSteuerakten, die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Strafalten sowie die\nNiederschrift uber den Erorterungstermin bzw. die mundliche Verhandlung Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| I. Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der angefochtene Bescheid ist rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in\nseinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) . \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Das FA hat zu Recht die streitigen Aufwendungen nicht als\nWerbungskosten bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit anerkannt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Werbungskosten sind gemaß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG)\nalle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Nach der\nRechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei den Einkunften aus\nnichtselbstandiger Arbeit eine berufliche Veranlassung anzunehmen, wenn\nobjektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht, und subjektiv die\nAufwendungen zur Forderung des Berufs gemacht werden (standige\nRechtssprechung, siehe BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83,\nBundessteuerblatt -BStBl.- II 1986, 771 ff. m. w. N.). Werbungskosten mussen\nvon den Kosten der Lebenshaltung, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfahig\nsind, abgegrenzt werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Grundsatzlich konnen strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer\nberuflichen Tatigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begrunden. Dabei ist es fur\ndie Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines\nSteuergesetzes ganz oder teilweise erfullt, gegen ein gesetzliches Gebot oder\nVerbot oder gegen die guten Sitten verstoßt (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007\nVI R 42/04, BFH/NV 2008, 155 ff.). Die „Einheit der Rechtsordnung"\nrechtfertigt es nicht, Strafverteidigungskosten generell vom\nWerbungskostenabzug auszuschließen, denn sie haben keinen Strafcharakter,\nsollen den Steuerpflichtigen nicht unabdingbar treffen und werden ihm auch\nnicht von einem staatlichen Organ auferlegt. Zudem ist das Steuerrecht\ngrundsatzlich wertneutral (BFH-Urteil vom 19. Februar 1982 VI R 31/78, BStBl.\nII 1982, 467). \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des BFH konnen Kosten der Strafverteidigung jedoch\n- im Unterschied zur Strafe selbst (§ 12 Nr. 4 EStG) - bei vorsatzlich\nbegangenen Straftaten und auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise nur dann\nWerbungskosten sein, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausubung der beruflichen\nTatigkeit begangen worden ist. Ein beruflicher Zusammenhang besteht nur, wenn\ndie dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar\naus seiner erwerbsbedingten, beruflichen Tatigkeit heraus erklarbar ist (BFH-\nUrteile vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441 f.; und vom 18.\nOktober 2007 VI R 42/04, BFH/NV 2008, 155 ff.). Auf die Frage, ob der Vorwurf\nzu Recht erhoben wurde, kommt es nicht an (FG Saarland, Urteil vom 6. Dezember\n2006 1 K 262/03, Juris, m. w. N.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Nach diesen Grundsatzen sind die Aufwendungen des Klagers im Streitfall\nkeine Werbungskosten, denn sie sind nicht beruflich veranlasst. Entgegen der\nAuffassung des Klagers ist das ihm im Strafbefehl vorgeworfene Verhalten\n(Beleidigung) nicht in Ausubung der beruflichen Tatigkeit geschehen, sondern\nnur bei Gelegenheit. Es entspringt nicht einem besonderen beruflichen Risiko,\nsondern beruht allein auf dem konkreten Verhalten des Klagers im\nStraßenverkehr. Der Senat verkennt nicht, dass der Klager sich auf einer\nDienstfahrt befunden hat, als er dem Fahrschulwagen begegnete. Dies allen\ngenugt jedoch nicht fur eine berufliche Veranlassung der\nStrafverteidigungskosten. Ein ausreichender beruflicher Zusammenhang wird\nnicht bereits dadurch begrundet, dass die Berufsausubung nicht hinweggedacht\nwerden kann, ohne dass die Ausgabe entfiele; m. a. W. eine reine „conditio\nsine qua non" genugt nicht (siehe BFH-Urteil vom 18. September 1987 VI R\n121/84, BFH/NV 1988, 353). Vielmehr muss - wie bereits dargelegt - die zur\nLast gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Tatigkeit\nheraus erklarbar ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Daran fehlt es im Streitfall. Der Klager hat sein Fahrzeug verlassen, um\ndie Insassen des Fahrschulwagens zur Weiterfahrt zu veranlassen. Hierbei hat\ner den Fahrlehrer angeblich beleidigt. Diese Handlungen des Klagers außerhalb\nseines Fahrzeugs, die letztlich die streitigen Aufwendungen ausgelost haben,\nliegen nicht mehr im Rahmen seiner beruflichen Aufgabenerfullung, sondern\nberuhen auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umstanden.\nZwischen dem angeblich beleidigenden Verhalten des Klagers und seiner\nberuflichen Tatigkeit als Betriebsprufer besteht daher kein steuerlich\nrelevanter Sachzusammenhang. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| c) Die Kosten der Strafverteidigung sind beim Klager auch nicht deshalb\nWerbungskosten bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit, weil der\nKlager Beamter ist und die Moglichkeit eines Disziplinarverfahrens gegeben\nist. Zum Einen wurde im Streitfall gegen den Klager kein Disziplinarverfahren\neingeleitet und zum Anderen fuhren Strafverteidigungskosten wegen eines\nTatvorwurfs, der mit dem Beruf des Steuerpflichtigen nichts zu tun hat, nicht\nbereits deswegen zu Werbungskosten, weil die verhangte Strafe beim\nVerurteilten disziplinarrechtliche Folgen haben kann (BFH-Beschluss vom 8.\nSeptember 2003 VI B 109/03; BFH/NV 2004, 42). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Ein Abzug der Anwaltskosten fur die Strafverteidigung als\naußergewohnliche Belastung i. S. d. § 33 Abs. 1 EStG kommt ebenfalls nicht in\nBetracht. Der Klager ist rechtskraftig wegen Beleidigung verurteilt worden und\nhatte die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu\ntragen. Die Anwaltskosten sind dem Klager daher nicht zwangslaufig erwachsen\n(standige Rechtsprechung des BFH; siehe BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R\n20/88, BStBl. II 1989, 831 m. w. N.; siehe auch BFH-Urteil vom 19. Dezember\n1995 III R 177/94, BStBl. II 1996, 197 ff. fur den Fall der Einstellung des\nStrafverfahrens nach § 153a Strafprozessordnung -StPO-). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| III. Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs.\n2 FGO nicht zuzulassen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| I. Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der angefochtene Bescheid ist rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in\nseinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) . \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Das FA hat zu Recht die streitigen Aufwendungen nicht als\nWerbungskosten bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit anerkannt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Werbungskosten sind gemaß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG)\nalle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Nach der\nRechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei den Einkunften aus\nnichtselbstandiger Arbeit eine berufliche Veranlassung anzunehmen, wenn\nobjektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht, und subjektiv die\nAufwendungen zur Forderung des Berufs gemacht werden (standige\nRechtssprechung, siehe BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83,\nBundessteuerblatt -BStBl.- II 1986, 771 ff. m. w. N.). Werbungskosten mussen\nvon den Kosten der Lebenshaltung, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfahig\nsind, abgegrenzt werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Grundsatzlich konnen strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer\nberuflichen Tatigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begrunden. Dabei ist es fur\ndie Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines\nSteuergesetzes ganz oder teilweise erfullt, gegen ein gesetzliches Gebot oder\nVerbot oder gegen die guten Sitten verstoßt (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007\nVI R 42/04, BFH/NV 2008, 155 ff.). Die „Einheit der Rechtsordnung"\nrechtfertigt es nicht, Strafverteidigungskosten generell vom\nWerbungskostenabzug auszuschließen, denn sie haben keinen Strafcharakter,\nsollen den Steuerpflichtigen nicht unabdingbar treffen und werden ihm auch\nnicht von einem staatlichen Organ auferlegt. Zudem ist das Steuerrecht\ngrundsatzlich wertneutral (BFH-Urteil vom 19. Februar 1982 VI R 31/78, BStBl.\nII 1982, 467). \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des BFH konnen Kosten der Strafverteidigung jedoch\n- im Unterschied zur Strafe selbst (§ 12 Nr. 4 EStG) - bei vorsatzlich\nbegangenen Straftaten und auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise nur dann\nWerbungskosten sein, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausubung der beruflichen\nTatigkeit begangen worden ist. Ein beruflicher Zusammenhang besteht nur, wenn\ndie dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar\naus seiner erwerbsbedingten, beruflichen Tatigkeit heraus erklarbar ist (BFH-\nUrteile vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441 f.; und vom 18.\nOktober 2007 VI R 42/04, BFH/NV 2008, 155 ff.). Auf die Frage, ob der Vorwurf\nzu Recht erhoben wurde, kommt es nicht an (FG Saarland, Urteil vom 6. Dezember\n2006 1 K 262/03, Juris, m. w. N.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Nach diesen Grundsatzen sind die Aufwendungen des Klagers im Streitfall\nkeine Werbungskosten, denn sie sind nicht beruflich veranlasst. Entgegen der\nAuffassung des Klagers ist das ihm im Strafbefehl vorgeworfene Verhalten\n(Beleidigung) nicht in Ausubung der beruflichen Tatigkeit geschehen, sondern\nnur bei Gelegenheit. Es entspringt nicht einem besonderen beruflichen Risiko,\nsondern beruht allein auf dem konkreten Verhalten des Klagers im\nStraßenverkehr. Der Senat verkennt nicht, dass der Klager sich auf einer\nDienstfahrt befunden hat, als er dem Fahrschulwagen begegnete. Dies allen\ngenugt jedoch nicht fur eine berufliche Veranlassung der\nStrafverteidigungskosten. Ein ausreichender beruflicher Zusammenhang wird\nnicht bereits dadurch begrundet, dass die Berufsausubung nicht hinweggedacht\nwerden kann, ohne dass die Ausgabe entfiele; m. a. W. eine reine „conditio\nsine qua non" genugt nicht (siehe BFH-Urteil vom 18. September 1987 VI R\n121/84, BFH/NV 1988, 353). Vielmehr muss - wie bereits dargelegt - die zur\nLast gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Tatigkeit\nheraus erklarbar ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Daran fehlt es im Streitfall. Der Klager hat sein Fahrzeug verlassen, um\ndie Insassen des Fahrschulwagens zur Weiterfahrt zu veranlassen. Hierbei hat\ner den Fahrlehrer angeblich beleidigt. Diese Handlungen des Klagers außerhalb\nseines Fahrzeugs, die letztlich die streitigen Aufwendungen ausgelost haben,\nliegen nicht mehr im Rahmen seiner beruflichen Aufgabenerfullung, sondern\nberuhen auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umstanden.\nZwischen dem angeblich beleidigenden Verhalten des Klagers und seiner\nberuflichen Tatigkeit als Betriebsprufer besteht daher kein steuerlich\nrelevanter Sachzusammenhang. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| c) Die Kosten der Strafverteidigung sind beim Klager auch nicht deshalb\nWerbungskosten bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit, weil der\nKlager Beamter ist und die Moglichkeit eines Disziplinarverfahrens gegeben\nist. Zum Einen wurde im Streitfall gegen den Klager kein Disziplinarverfahren\neingeleitet und zum Anderen fuhren Strafverteidigungskosten wegen eines\nTatvorwurfs, der mit dem Beruf des Steuerpflichtigen nichts zu tun hat, nicht\nbereits deswegen zu Werbungskosten, weil die verhangte Strafe beim\nVerurteilten disziplinarrechtliche Folgen haben kann (BFH-Beschluss vom 8.\nSeptember 2003 VI B 109/03; BFH/NV 2004, 42). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Ein Abzug der Anwaltskosten fur die Strafverteidigung als\naußergewohnliche Belastung i. S. d. § 33 Abs. 1 EStG kommt ebenfalls nicht in\nBetracht. Der Klager ist rechtskraftig wegen Beleidigung verurteilt worden und\nhatte die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu\ntragen. Die Anwaltskosten sind dem Klager daher nicht zwangslaufig erwachsen\n(standige Rechtsprechung des BFH; siehe BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R\n20/88, BStBl. II 1989, 831 m. w. N.; siehe auch BFH-Urteil vom 19. Dezember\n1995 III R 177/94, BStBl. II 1996, 197 ff. fur den Fall der Einstellung des\nStrafverfahrens nach § 153a Strafprozessordnung -StPO-). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| III. Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs.\n2 FGO nicht zuzulassen. \n---\n\n
138,089
olgkarl-2003-08-14-5-wf-13403
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
5 WF 134/03
2003-08-14
2019-01-07 13:57:46
2019-02-12 12:40:02
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts -\nFamiliengericht vom 03.02.2003 wird zuruckgewiesen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Die Landeskasse wendet sich gegen die Festsetzung einer\nVerhandlungsgebuhr fur die beigeordnete Rechtsanwaltin der Antragstellerin. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens war mit Beschluss vom 16.08.2002\nratenfreie Prozesskostenhilfe fur ein Scheidungsverfahren bewilligt und\nRechtsanwalt ... zu den Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts\nansassigen Rechtsanwalts beigeordnet worden. Mit Beschluss vom 02.09.2002\nwurde dieser Beschluss dahin abgeandert, dass Frau Rechtsanwaltin ... als\nHauptbevollmachtigte und Herr Rechtsanwalt als Korrespondenzanwalt der\nAntragstellerin beigeordnet wurden. \n--- \n| 3 \n--- \n| In dem vom Familiengericht anberaumten Termin zur mundlichen Verhandlung am\n02.09.2002 erklarten die Parteien ausweislich des Sitzungsprotokolls vorab,\nsie wollten nicht geschieden werden. Daraufhin wurden sie vom Gericht zu ihren\nwirtschaftlichen Verhaltnissen befragt. Weiter wurde eine Mitteilung des\nJugendamts wegen des Verdachts einer Kindeswohlgefahrdung erortert.\nAnschließend war „Gegenstand der mundlichen Verhandlung ... der\nScheidungsantrag". Nach Rucksprache mit ihrer Mandantin erklarte deren\nProzessbevollmachtigte schließlich die Rucknahme des Scheidungsantrags. Den\nStreitwert hat das Familiengericht auf 2.500,00 EUR festgesetzt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 04.09.2002 beantragte die Prozessbevollmachtigte der\nAntragstellerin, die ihr aus der Landeskasse zu gewahrende Vergutung wie folgt \n--- \n| 5 \n--- \n| festzusetzen: \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegenstandswert: 2.500,00 EUR \n--- \n| 7 \n--- \n| 10/10 Prozessgebuhr gem. §§ 123, 31 I 1 BRAGO 161,00 EUR \n--- \n| 8 \n--- \n| 10/10 Verhandlungsgebuhr gem. §§ 123, 31 I 2 BRAGO 161,00 EUR \n--- \n| 9 \n--- \n| 10/10 Beweisgebuhr gem. §§ 123, 31 I 3 BRAGO 161,00 EUR \n--- \n| 10 \n--- \n| 10/10 Aussohnungsgebuhr gem. §§ 123, 36 II BRAGO 161,00 EUR \n--- \n| 11 \n--- \n| Fahrtkosten gem. § 28 BRAGO vom 02.09.2002 \n--- \n| 12 \n--- \n| 36 KM a 0,27 EUR (1/1 Anteil) 9,72 EUR \n--- \n| 13 \n--- \n| Abwesenheitsgeld gem. § 28 BRAGO \n--- \n| 14 \n--- \n| vom 02.09.2002 (1/1 Anteil) 15,00 EUR \n--- \n| 15 \n--- \n| Entgelt fur Post- und Telekommunikations- \n--- \n| 16 \n--- \n| Dienstleistungen gem. § 26 BRAGO (pauschal) 20,00 EUR \n--- \n| 17 \n--- \n| Zwischensumme 688,72 EUR \n--- \n| 18 \n--- \n| 16,00 % Umsatzsteuer gem. § 25 II BRAGO 110,20 EUR \n--- \n| 19 \n--- \n| Zwischensumme 798,92 EUR \n--- \n| 20 \n--- \n| Parkgebuhr 0,40 EUR \n--- \n| 21 \n--- \n| Endsumme 799,32 EUR \n--- \n| 22 \n--- \n| Mit Beschluss vom 28.10.2002 setzte der Urkundsbeamte jedoch nur eine\nVergutung von 209,96 EUR fest; die Festsetzung einer Verhandlungsgebuhr, einer\nBeweisgebuhr, einer Aussohnungsgebuhr sowie der Terminsauslagen lehnte er ab.\nDie Absetzung der Verhandlungsgebuhr wurde damit begrundet, dass eine\nVerhandlung nicht notwendigerweise stattgefunden habe. \n--- \n| 23 \n--- \n| Hiergegen legte die Prozessbevollmachtigte der Antragstellerin „sofortige\nBeschwerde" ein, mit der sie aber lediglich noch die Festsetzung der\nVerhandlungsgebuhr, der Beweisgebuhr sowie der Terminsauslagen weiter\nverfolgte. Den Antrag auf Festsetzung der Aussohnungsgebuhr hat sie\nzuruckgenommen. Hinsichtlich der Verhandlungsgebuhr hat sie vorgetragen, ihr\nsei es nicht moglich gewesen, eine Verhandlung durch schriftliche Zurucknahme\ndes Scheidungsantrags zu vermeiden. Erst funf Minuten vor dem Termin,\nunmittelbar vor dem Gerichtsgebaude sei sie dahingehend unterrichtet worden,\ndass es moglich sei, dass der Scheidungsantrag zuruckgenommen werden konne, da\ndie Parteien sich aussohnen wollten. Noch im Telefonat vom 29.08.2002 mit dem\nKorrespondenzanwalt sei von der Moglichkeit der Rucknahme des\nScheidungsantrags nichts bekannt gewesen. Hinsichtlich dieser Thematik sei von\nden Parteien offensichtlich anderweitiger Rechtsrat in Anspruch genommen\nworden. Das Gericht moge hieruber informiert worden sein, diese Information\nsei ihr jedoch nicht bekannt gewesen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Bezirksrevisor ist in seiner Stellungnahme vom 08.01.2003 fur die\nLandeskasse dem als Erinnerung zu behandelnden Rechtsbehelf entgegengetreten,\nsoweit die Verhandlungs- und Beweisgebuhr abgelehnt wurden. Zur\nVerhandlungsgebuhr hat er ausgefuhrt, die Parteien hatten bei Aufruf der Sache\nerklart, dass sie nicht geschieden werden wollten. Antrage seien deshalb,\nausgenommen der vorab gestellte PKH-Antrag fur die Antragstellerin, nicht\nverlesen/gestellt worden. Gegen die Festsetzung der Terminsauslagen hatte der\nBezirksrevisor hingegen keine Einwendungen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Daraufhin hat der Urkundsbeamte der Geschaftsstelle der Erinnerung mit\nBeschluss vom 03.02.2003 teilweise abgeholfen und eine weitere Vergutung von\n215,44 EUR festgesetzt, namlich eine 10/10 Verhandlungsgebuhr von 161,00 EUR\ngem. §§ 123, 33 BRAGO und die Terminsauslagen von 24,72 EUR zuzuglich\nMehrwertsteuer. Bezuglich der Beweisgebuhr hat er hingegen nicht abgeholfen.\nNachdem die Akten deswegen dem Oberlandesgericht vorgelegt worden waren, hat\ndie Prozessbevollmachtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13.02.2003\ndie Beschwerde gegen die Nichtfestsetzung der Beweisgebuhr zuruckgenommen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 15.05.2003 hat nunmehr der Bezirksrevisor fur die\nLandeskasse „Erinnerung" gegen den Abhilfebeschluss vom 03.02.2003 eingelegt,\nsoweit dort auch die Verhandlungsgebuhr zuzuglich Mehrwertsteuer festgesetzt\nwurde. Zur Begrundung beruft sich der Bezirksrevisor darauf, dass eine\nVerhandlungsgebuhr nicht notwendig ausgelost worden sei. Aus der Landeskasse\nseien nur notwendige Aufwendungen des beigeordneten Rechtsanwalts zu\nerstatten. Durchaus zutreffend hatte die Rucknahme des Scheidungsantrags\nschriftlich vor Aufruf der Sache am 02.09.2002 erfolgen konnen. Den\nMehraufwand habe die Landeskasse nicht zu zahlen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Prozessbevollmachtigte der Antragstellerin ist der Erinnerung\nentgegengetreten; sie hat ihren bisherigen Sachvortrag wiederholt. \n--- \n| 28 \n--- \n| Mit Beschluss vom 17.07.2003 hat der Urkundsbeamte der Geschaftsstelle der\nErinnerung nicht abgeholfen. Er ist nun der Meinung, die\nProzessbevollmachtigte der Antragstellerin hatte nur eine 5/10\nVerhandlungsgebuhr nach § 33 BRAGO verdient. \n--- \n| 29 \n--- \n| Mit Beschluss vom 31.07.2003 hat auch der Familienrichter der Erinnerung\nnicht abgeholfen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| II. Das von der Landeskasse eingelegte Rechtsmittel ist als Beschwerde gem.\n§ 128 Abs. 4 BRAGO zu behandeln, da es sich gegen die im Erinnerungsverfahren\ngem. § 128 Abs. 3 BRAGO ergangene Entscheidung richtet. Als (unbefristete)\nBeschwerde gem. 128 Abs. 4 BRAGO ist das Rechtsmittel zulassig, der\nBeschwerdewert ist erreicht. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Beschwerde ist jedoch im Ergebnis nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Allerdings weist der Bezirksrevisor zu Recht darauf hin, dass eine\nVerhandlungsgebuhr nicht entstanden ist, und zwar auch keine halbe\nVerhandlungsgebuhr fur eine nichtstreitige Verhandlung gem. § 33 BRAGO, weil\nausweislich des Protokolls nicht verhandelt wurde. Fur das Entstehen der\nVerhandlungsgebuhr ist wesentliche Voraussetzung das Stellen der Antrage.\nVorliegend wurden jedoch keine Antrage gestellt. Die bloße Abgabe von\nProzesserklarungen wie z.B. die Klagerucknahme stellt sich nicht als\nVerhandlung dar, auch nicht als solche zur Prozessleitung (Gerold/Schmidt/von\nEicken/Madert, Bundesgebuhrenordnung fur Rechtsanwalte, 15. A., § 33 Rn. 1). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Da jedoch ausweislich des Sitzungsprotokolls der Scheidungsantrag\n„Gegenstand der mundlichen Verhandlung" war, ist dadurch die Erorterungsgebuhr\ngem. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO entstanden. Denn es ist gleichgultig, mit welcher\nZielrichtung die Erorterung stattfindet. Das Gericht kann die Sache wie hier\nauch in der Richtung erortern, dass die Klage bzw. der Scheidungsantrag\nzuruckgenommen wird (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a. a. 0., § 31 Rn. 152\nmit Rechtsprechungsnachweisen). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Senat ist nicht dadurch am Austausch der Gebuhrentatbestande gehindert,\ndass die Prozessbevollmachtigte der Antragstellerin die Festsetzung dieser\nGebuhr nicht beantragt hat. Zwar folgt aus der Ausgestaltung des\nFestsetzungsverfahrens als antragsabhangiges Parteiverfahren, dass eine uber\nden von dem Rechtsanwalt gestellten Antrag hinausgehende Festsetzung nicht\nzulassig ist. Wohl aber darf der Urkundsbeamte und damit auch das\nBeschwerdegericht innerhalb des insgesamt beantragten Betrages und im Rahmen\ndes dem Betrag zugrundegelegten Sachverhaltes einen Positionsaustausch dahin\nvornehmen, dass statt einer geforderten, aber nicht oder nicht in der\ngeforderten Hohe entstandenen Gebuhr eine andere, nicht geforderte, aber\nentstandene Gebuhr berucksichtigt werden kann (so auch Gerold/Schmidt/von\nEicken/Madert, a. a. 0., § 128 Rn. 12). \n--- \n| 35 \n--- \n| Deshalb ist die mit dem angefochtenen Beschluss erfolgte\nVergutungsfestsetzung im Ergebnis nicht zu beanstanden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Verfahren uber die\nBeschwerde gerichtsgebuhrenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden, § 128\nAbs. 5 BRAGO. \n---\n\n
138,214
olgkarl-2004-04-28-16-uf-21303
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 UF 213/03
2004-04-28
2019-01-07 13:59:16
2019-02-12 12:40:10
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 24.10.2003 gegen das\nVerbundurteil des Amtsgerichts -- Familiengericht -- Weinheim vom 18.09.2003\n(AZ.: 1 F 91/01 ES) wird dieses in Ziffer 2 des Tenors wie folgt abgeandert\nund neu gefasst:\n\n> > > 2\\. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.\n\n2\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.\n\n3\\. Der Gegenstandswert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 1.531,20 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n... \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Amtsgericht Weinheim hat -- nachdem die 1970 in B./Sri Lanka geborene\nAntragstellerin ihren zunachst gestellten Scheidungsantrag nicht mehr aufrecht\nerhalten hat -- auf Antrag des 1961 in M. geborenen Antragsgegners die am\n...1991 vor dem Standesamt C. in Sri Lanka geschlossene Ehe mit Verbundurteil\nvom 18.09.2003 aufgehoben. Dabei hat es den Versorgungsausgleich in der Weise\ngeregelt, dass es vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der LVA Baden-\nWurttemberg Rentenanwartschaften in Hohe von 127,60 EUR auf das Konto der\nAntragsteller bei der LVA ubertragen hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| Gegenstand des Rechtsmittels ist der Versorgungsausgleich. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antragsgegner hat beim Amtsgericht den Antrag gestellt, den\nVersorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit auszuschließen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er vor, die Antragsgegnerin sei bei der Eheschließung\nam ...1991 noch mit Herrn M. N. verheiratet gewesen. Sie habe sich ihre\nRechtsposition zum Versorgungsausgleich in verwerflicher Weise erschlichen,\nweshalb die mit der Durchfuhrung des Versorgungsausgleichs verbundene\nGleichstellung mit einer normalen Ehefrau einen Fall der unzulassigen\nRechtsausubung darstelle. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragstellerin hat die Durchfuhrung des Versorgungsausgleichs\nbeantragt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Sie macht geltend, sie sei bereits 1989 oder 1990 von ihrem ersten Ehemann\ngeschieden worden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Amtsgericht hat die Ehe aufgehoben, weil es davon ausging, dass die\nAntragstellerin zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Antragsgegner noch\nverheiratet und noch nicht geschieden worden war (§§ 1314 Abs. 1, 1306 BGB)\nund eine zuvor von der Antragstellerin vor dem Bezirksgericht K./Sri Lanka von\nder Antragstellerin betriebene Scheidungsklage abgewiesen worden sei (vgl.\nhierzu die beglaubigte Übersetzung der Verfahrensakte D/2692, ...). \n--- \n| 8 \n--- \n| Grunde fur eine Versagung des Versorgungsausgleichs (§ 1318 Abs. 3 i.V.m.\n§§ 1587 bis 1587 p BGB) hat das Amtsgericht verneint. In vorliegendem Fall\nwurden die Belange des ersten Ehegatten der Antragstellerin durch den\nVersorgungsausgleich nicht beeintrachtigt. Die Versagungsgrunde des § 1587 c\nBGB lagen nicht vor. Selbst wenn man den Vortrag des Antragsgegners als\nrichtig unterstelle, dass sich die Antragstellerin noch wahrend ihrer\nSchwangerschaft im Dezember 1996 einem anderen Mann zugewandt habe,\nrechtfertige dies nicht einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Es musse\nnamlich eine grobe „Unbilligkeit" vorliegen, d.h. die Inanspruchnahme des\nVerpflichteten muss dem Gerechtigkeitsdenken in unertraglicher Weise\nwidersprechen. Insoweit musse berucksichtigt werden, dass die Antragstellerin\nweiterhin die gemeinsame Tochter N. betreue und der Antragsgegner selbst\nkeinen Scheidungsantrag gestellt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird\nauf die Grunde der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen das ihm am 26.09.2003 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner mit\nSchriftsatz vom 24.10.2003 -- eingegangen beim OLG am 05.11.2003 -- Beschwerde\neingelegt, mit der er einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen\nwill. \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er vor, \n--- \n| 11 \n--- \n| das Amtsgericht habe die Frage der groben Unbilligkeit der Durchfuhrung des\nVersorgungsausgleichs nicht erst im Rahmen des § 1587 c BGB, sondern bereits\nim Rahmen des § 1318 III BGB prufen und dabei insbesondere die Umstande bei\nder Eheschließung wurdigen mussen. Die Antragstellerin sei bewusst eine\nDoppelehe mit dem Antragsgegner eingegangen und habe daher den Antragsgegner,\nder seinerzeit davon ausgegangen sei, dass die Antragstellerin bereits\ngeschieden war, arglistig uber ihre Ehefahigkeit getauscht. Die\nAntragsgegnerin habe den Antragsteller seinerzeit zusatzlich massiv (u.a. mit\nSelbstmorddrohungen) unter Druck gesetzt, um diesen, der ursprunglich keine\nHeiratsabsichten hatte, kurzfristig zur Eheschließung mit ihr zu bewegen.\nUnter diesen Umstanden sei es daher grob unbillig, die Antragsgegnerin\nbezuglich der Aufhebungsfolgen einer normalen Ehefrau gleichzustellen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Daruber hinaus stelle sich die Geltendmachung von\nVersorgungsausgleichsanspruchen durch die Antragsgegnerin als Fall der\nunzulassigen Rechtsausubung dar, nachdem sich die Antragsgegnerin die\nRechtsposition einer Ehefrau durch wahrheitswidrige Angaben erschlichen habe. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Antragsgegnerin habe sich auch wahrend der Ehe mit dem Antragsteller so\nverhalten, dass ruckblickend ihr Verhalten nur so bewertet werden konne, dass\nes ihr bei Eingehung der Ehe mit dem Antragsgegner ausschließlich darum\ngegangen sei, zum einen eine Aufenthaltsberechtigung fur die Bundesrepublik\nDeutschland zu erhalten und zum anderen wirtschaftlich versorgt zu sein und\ninsoweit ihre finanzielle Situation im Vergleich zu ihren vorehelichen\nVerhaltnissen zu verbessern. Die Antragsgegnerin habe dementsprechend ihre\nehelichen Verpflichtungen wahrend der noch bestehenden Ehe in eklatanter Weise\nverletzt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Versagung von\nVersorgungsausgleich geboten sei. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Antragsgegner beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts\nWeinheim vom 18.09.03 - l F 91/01 ES - in Ziff. 2 dahingehend abgeandert, als\nfestgestellt wird, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie macht geltend, dass sie bei Abschluss der Ehe mit dem Antragsgegner\ndavon ausgegangen sei, bereits geschieden zu sein. \n--- \n| 18 \n--- \n| Zur Erganzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der\nSchriftsatze Bezug genommen. \n--- \nII. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die nach den §§ 629 a, 621 e ZPO zulassige Beschwerde ist begrundet. Der\nVersorgungsausgleich ist gemaß § 1318 Abs. 3 BGB nicht durchzufuhren. \n--- \n| 20 \n--- \n| 1\\. Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien gemaß §§ 1314 Abs. 1, 1306 BGB\naufgehoben, weil die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem\nAntragsgegner noch verheiratet war. Dieser Sachverhalt ist von der\nAntragstellerin in der Beschwerdeinstanz nicht mehr streitig gestellt worden. \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. Fur den Fall der Aufhebung der Ehe erklart § 1318 Abs. 3 BGB die §§\n1587 a bis 1587 p BGB, d.h. die Vorschriften uber den Versorgungsausgleich\ninsgesamt grundsatzlich fur anwendbar, „soweit dies nicht im Hinblick auf die\nUmstande bei der Eheschließung oder bei Verstoß gegen § 1306 im Hinblick auf\ndie Belange der dritten Person grob unbillig ware". Die §§ 1587 a BGB ff. sind\nalso entsprechend (weil sie ihrem Wortlaut nach nur fur den Fall der\nScheidung, nicht aber den Fall der Aufhebung der Ehe gelten) anwendbar, es sei\ndenn, es liege eine grobe Unbilligkeit vor. Daraus folgt: \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Der Umstand der Bigamie alleine reicht nicht aus, um die Anwendung der\n§§ 1587 a BGB ff. auszuschließen, denn sonst ware die Prufung weiterer grober\nUnbilligkeit sinnlos. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Hinzukommen muss fur den Ausschluss der §§ 1587 a BGB ff. vielmehr eine\ngrobe Unbilligkeit. Diese ist -- als Ausnahme im Hinblick auf die\nAnwendbarkeit der Vorschriften -- in zweierlei Hinsicht zu prufen: \n--- \n| 24 \n--- \n| aa) im Falle einer Bigamie (§ 1306 BGB) -- die hier vorliegt --„im Hinblick\nauf die Belange der dritten Person", d.h. des Weiteren beteiligten Ehegatten.\nSolche „Belange der dritten Person" scheiden hier aus, da der erste Ehemann\nvom Versorgungsausgleich nicht betroffen ist. Wenn die Antragstellerin einen\nVersorgungsausgleich vom Antragsgegner erhalt, so kann das Rechte des ersten\nEhemannes nicht beeintrachtigen. \n--- \n| 25 \n--- \n| bb) in allen anderen Fallen auf Umstande bei der Eheschließung. Liegen also\nbesondere Umstande bei der Eheschließung vor, so sind die Vorschriften §§ 1587\na BGB nicht entsprechend anzuwenden. \n--- \n| 26 \n--- \n| 3\\. Solche besondere Umstande bei der Eheschließung liegen vor, wenn der\nBigamist vorsatzlich eine zweite Ehe eingeht, wenn ihm also bewusst ist, dass\ner gegen ein Eheverbot verstoßt (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. §\n1318 Rn. 12; Erman/Roth, BGB, 10. Aufl., § 1318 Rn. 6f.; Staudinger/Stratz,\nBGB, 13. Aufl., § 1318 Rn. 33). Dies ist hier der Fall. \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Nichtanwendung der §§ 1587 a bis\n1587 p BGB die Ausnahme. Nach allgemeinen Regeln hat daher derjenige die\nVoraussetzungen der Nichtanwendung der Vorschriften zu beweisen, der sich\ndarauf beruft. Dies ist hier der Antragsgegner. Der ihm obliegende Beweis ist\ngefuhrt. \n--- \n| 28 \n--- \n| a) Nach der Mitteilung der deutschen Botschaft in Sri Lanka vom 16.04.2003\nmuss der Senat davon ausgehen, dass das vorgelegte Protokoll No D/2692 des\nDistrict Court of K. echt ist. Daraus folgt: \n--- \n| 29 \n--- \n| aa) In den Jahre 1991/1992 gab es beim Bezirksgericht K. ein\nEhescheidungsverfahren, an welchem die Antragstellerin -- und auch ihr\nProzessbevollmachtigter P.; von einem anderen war nie die Rede -- beteiligt\nwar. Dies steht im Widerspruch zur ihrer Angabe, ihre Scheidung sei bereits in\nden Jahre 1989/1990 durchgefuhrt worden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Datum fur die Klageeinreichung in\nder singhalesischen Urschrift „30.09.1991" lautet oder -- wie von der\nAntragstellerin behauptet -- „30.12.1991". Fur September spricht einmal der\nzeitliche Ablauf des Verfahrens, denn der zweite Eintrag der Verfahrensakte\nbezieht sich bereits auf den 27.11.1991. Auch liegt eine beglaubigte\nÜbersetzung vor, die vom 30.09.1991 spricht. Auch die Stellungnahme des von\ndem Antragsgegner mit einer Einsicht in die Gerichtsakten des Bezirksgerichts\nK. beauftragt gewesenen Rechtsanwaltes M.H.M.A. R. spricht vom 30.09.1991. \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Senat kann dies jedoch dahingestellt sein lassen. Selbst wenn in der\nsinghalesischen Urschrift tatsachlich „30.12.1991" stehen sollte, so muss es\nsich angesichts des weiteren Verfahrensablaufes um ein Schreibversehen\nhandeln; jedenfalls kann ein solches nicht ausgeschlossen werden. Eine falsche\nDatumsangabe spricht angesichts der dokumentierten Echtheit der Verfahrensakte\nnicht entscheidend gegen deren Echtheit. \n--- \n| 32 \n--- \n| Entsprechendes gilt fur den Eintrag vom 15.06.1992. Wenn es dort heißt, die\nKlagerin habe einen Termin beantragt, so lasst dies nach dem juristischen\nSprachgebrauch auch die Interpretation zu, die Klagerin habe vertreten durch\nihren Anwalt einen solchen Termin beantragt. \n--- \n| 33 \n--- \n| Auch kommt es nicht darauf an, ob der die Klagerucknahme erklarende Anwalt\nA. von der Antragstellerin oder dem Anwalt P. unterbevollmachtigt war, denn es\nkommt nicht auf die prozessuale Wirksamkeit einer solchen Erklarung an,\nsondern den Ablauf des Verfahrens als solchem. \n--- \n| 34 \n--- \n| bb) Die Antragstellerin hat keine schriftlichen Unterlagen uber das von ihr\nbehauptete Scheidungsverfahren Ende 1989/Anfang 1990 vorgelegt. Dabei ist\nunerheblich, ob ihr damaliger Anwalt P. eine Zusammenarbeit mit der\nAntragstellerin heute ablehnt. Wenn es dem Antragsgegner moglich gewesen ist,\ngerichtliche Unterlagen eines ihn nicht betreffenden Verfahrens vorzulegen und\neinen Rechtsanwalt mit der Akteneinsicht zu beauftragen, so muss es der\nAntragstellerin erst recht moglich sein. Dem Antragsgegner ist es gelungen,\ndurch den Rechtsanwalt M.H.M.A. R. Akteneinsicht zu erhalten und den Inhalt\nder Verfahrensakten zu ermitteln. Dass die Antragstellerin ahnliches fur das\nvon ihr behauptete Scheidungsverfahren 1989/1990 nicht getan hat, lasst den\nSchluss zu, dass es derartige Unterlagen nicht gibt, weil es kein derartiges\nVerfahren gab. \n--- \n| 35 \n--- \n| cc) Damit erklart sich auch, dass der Antragstellerin niemals ein\nScheidungsurteil uber ihren damaligen Rechtsanwalt P. ausgehandigt wurde: Das\nvon ihr behauptete Scheidungsverfahren 1989/1990 gab es nicht. Das Verfahren\nD/2692 endete nicht mit einem Urteil, sondern mit einer Rucknahme der Klage. \n--- \n| 36 \n--- \n| b) Es gibt eine Reihe weiterer Indizien, die fur die Darstellung des\nAntragsgegners sprechen: \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Hochzeit fand unstreitig nicht am Heimatort der Antragstellerin in K.\nstatt -- wo zeitgleich das Scheidungsverfahren ihrer ersten Ehe anhangig war\n-- sondern in C. Dabei gab die Antragstellerin an, dort einen Wohnsitz zu\nhaben, obwohl dies nicht der Fall war. Ferner bezeichnete sie sich als\n„spinster", d.h. unverheiratete Frau. Trauzeugen waren ein Taxifahrer und ein\nTouristenfuhrer. Dies alles kann damit erklart werden, dass die\nAntragstellerin verheimlichen wollte, dass sie verheiratet ist, indem sie\nverhinderte, dass sie kennende Personen mit der Eheschließung unmittelbar zu\ntun hatten. \n--- \n| 38 \n--- \n| Insbesondere ist es nicht uberzeugend, wenn die Antragstellerin geltend\nmacht, die Angabe „spinster" beweise, dass sie unverheiratet gewesen sei, denn\ndies beruht auf ihren eigenen Angaben. Auch scheint es dem Senat\nunwahrscheinlich, dass eine Rechtsordnung, die eine Scheidung kennt, keine\nBezeichnung fur den daraus folgenden Personenstand „geschieden" haben soll.\nVielmehr ist nahe liegend, dass die Antragstellerin mit ihrer Angabe\nunangenehme Nachfragen verhindern wollte. Dies kann jedoch dahingestellt\nbleiben, denn der Antragsgegner selbst nahm unstreitig an, dass die\nAntragstellerin -- nach ihrer Darstellung -- geschieden sei. \n--- \n| 39 \n--- \n| c) Gegen die Darstellung des Antragsgegners spricht insbesondere nicht der\nUmstand, dass der erste Ehemann der Antragstellerin ebenfalls bereits wieder\nverheiratet ist. Wenn es der Antragstellerin moglich war, eine zweite Ehe\neinzugehen, so kann dies auch dem ersten Ehemann moglich gewesen sein. \n--- \n| 40 \n--- \n| d) Es bleibt die eidesstattliche Erklarung der Mutter der Antragstellerin,\nmit der diese die Darstellung der Antragstellerin bestatig, dass sie zum\nZeitpunkt der Eheschließung mit dem Antragsgegner bereits geschieden war.\nAngesichts der bereits dargelegten Umstande vermochte der Senat dieser jedoch\nnicht zu folgen. \n--- \n| 41 \n--- \n| e) Nach Auffassung des Senats ist aus diesen Umstanden der Schluss zu\nziehen, dass es das von der Antragstellerin behauptet Scheidungsverfahren Ende\n1989/Anfang 1990 nicht gab, ihre erste Ehe vielmehr am ...1991 (Eheschließung\nmit dem Antragsgegner) noch nicht geschieden war und die Antragstellerin\ndeshalb in Kenntnis dieses Umstandes eine zweite Ehe mit dem Antragsgegner\neinging. Damit kannte sie den Grund, der letztendlich zur Aufhebung der Ehe\nfuhrte. Der Versorgungsausgleich ist deshalb grob unbillig. Dem Antragsgegner\nkann nicht zugemutet werden, seine Rentenanwartschaften mit der ihn getauscht\nhabenden Antragstellerin zu teilen. Die Entscheidung des Amtsgerichts war\nentsprechend abzuandern. \n--- \nIII. \n--- \n... \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 17 GKG (12 x 127,60 =\n1.531,20 EUR). \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht\nvor. \n---\n\n
138,435
ag-lahrschwarzwald-2007-04-25-5-c-30706
57
Amtsgericht Lahr/Schwarzwald
ag-lahrschwarzwald
Lahr/Schwarzwald
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
5 C 307/06
2007-04-25
2019-01-07 14:01:39
2019-01-17 11:58:37
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDem Klager wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe\nvon 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte\nSicherheit in Hohe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager macht gegenuber dem Beklagten einen vertraglichen Anspruch\ngeltend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 30.03.2006 unterzeichnete der Beklagte einen von dem Klager im\nwesentlichen vorformulierten „Dienst- und Vermittlungsvertrag", in dem\nhandschriftlich lediglich noch die personlichen Daten des Beklagten, die\nLaufzeit, der gewahlte Tarif, der Angebotspreis und die Vergutungshohe\neingetragen wurden. Gegenstand dieses Vertrages war die Veraußerung des\nbislang ausschließlich gewerblich genutzten Grundstucks mit Burogebaude des\nBeklagten, der darauf befindlichen Fabrikations- und Lagerhallen nebst des\ndarauf betriebenen Herstellungsbetriebes. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| In dem Vertragstext heißt es unter anderem wie folgt: \n--- \n| 4 \n--- \n| „Vertragsgegenstand sind die Suche nach und die Vermittlung von geeigneten\nKauf- / Beteiligungsinteressenten. Der Auftraggeber beauftragt den\nAuftragnehmer fur die in der umseitigen Leistungsubersicht dargestellten\nTarife entsprechend tatig zu werden. Diese Tarife sind mit\nVertragsbestandteil. Die Vertragslaufzeit betragt 6 Monate. Der Angebotspreis\nbetragt 1.900.000,00 EUR. Gewahlter Tarif Business (ab 2.200,00 EUR),\nVergutung fur die Dienstleistungen 2.200,00 EUR, Umsatzsteuer 16 % 352,00 EUR,\nGesamtbetrag 2.552,00 EUR. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Zahlungsweise / Exklusivrecht \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Vergutung wird mit Vertragsunterzeichnung fallig. Der Vertrag beginnt\nmit der Unterzeichnung. Bei Verkauf des Unternehmens bzw. der Abtretung von\nGeschaftsanteilen an einen Kaufer innerhalb der Vertragslaufzeit, zahlt der\nAuftraggeber ein einmaliges Erfolgs- / Vermittlungshonorar in Hohe des im\ngewahlten Tarif festgelegten Prozentsatzes, mindestens einen Pauschalbetrag in\nHohe von 3.000,00 EUR, an den Auftragsnehmer. Fur die Vertragslaufzeit wird\ndem Auftragnehmer Exklusivitat gewahrt. Dabei ist es innerhalb der\nVertragslaufzeit unerheblich, von welchem Vertragspartner der Kaufer\nherbeigefuhrt wurde. Innerhalb der Vertragslaufzeit sind Interessenten des\nAuftraggebers dem Auftragnehmer zu benennen. Die Interessenten werden\nentsprechend den Vertragsvereinbarungen betreut. (...)" \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Auf der Ruckseite des Vertrages vom 30.03.2006 heißt es unter der\nÜberschrift Leistungsubersicht / Tarife wie folgt: \n--- \n| 8 \n--- \n| „Dienstleistungen \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Streng vertraulicher Umgang mit den Daten des Auftraggebers gegenuber\nDritten, auch uber die Vertragslaufzeit hinaus \n--- \n| 2\\. Erstbesichtigung mit Datenaufnahme \n--- \n| 3\\. Erstellen eines anonymisierten Prasentationstextes \n--- \n| 4\\. Veroffentlichung des Prasentationstextes im Internet \n--- \n| 5\\. Erstellen einer Kurzubersicht fur Kaufinteressenten \n--- \n| 7\\. Erstellen eines professionellen Unternehmensprofils \n--- \n| 11\\. Aufnahme des Auftraggebers in den Datenbestand des Auftragnehmers \n--- \n| 12\\. Recherche in der Kauferdatenbank des Auftragnehmers sowie Erfassung und\nPrufung neuer potentieller Kaufinteressenten \n--- \n| 13\\. Vertrauliche Vergabe von Informationen des Unternehmens an ausgewahlte\nKaufinteressenten \n--- \n| 14\\. Prufung der Kaufinteressenten auf Bonitat und Qualifikation \n--- \n| 15\\. Vereinbarung von Besichtigungen \n--- \n| 16\\. Durchfuhrung und Begleitung von Besichtigungen \n--- \n| 17\\. Gesprache mit Bank/Steuerberater des Kaufinteressenten \n--- \n| 18\\. Vorschlage zur Kaufvertragsgestaltung \n--- \n| 19\\. Begleiten von Verhandlungen und Vertragsabschluss \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Preise \n--- \n| 11 \n--- \n| Vergutung fur die Dienstleistungen (Bemessungsgrundlage fur die Vergutung\nist der Angebotspreis dieses Dienst- und Vermittlungsvertrages) auf 1 % (ab\n2.200,00 EUR) \n--- \n| 12 \n--- \n| Erfolgshonorar (mindestens 3.000,00 EUR) 8 % \n--- \n| 13 \n--- \n| Kaufpreise uber 1,5 Millionen Euro reduzieren das Erfolgshonorar 4 %. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Vertragsbedingungen \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Das Erfolgshonorar wird in voller Hohe fallig, wenn die Kaufsumme oder\nein Teil der Kaufsumme vom Kaufer gezahlt wurde oder wenn der Kaufer Rechte /\nPflichten im / am Unternehmen ubernommen hat bzw. Geschaftsanteile ubertragen\nworden sind. \n--- \n| 2\\. Die gezahlte Vergutung wird auf das Erfolgshonorar angerechnet, wenn die\nZahlung des Honorars innerhalb von 10 Tagen nach Vertragsabschluss zwischen\nKaufer und Verkaufer auf dem Konto des Auftragnehmers eingeht. (…)" \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Klager meint, bei dem am 30.03.2006 geschlossenen „Dienst- und\nVermittlungsvertrag" handelt es sich um einen sogenannten typengemischten\nVertrag in Form eines Maklerdienstvertrages, welcher sowohl dienstvertragliche\nals auch maklervertragliche Elemente aufweise. Fur die fest vereinbarten\nDienstleistungen musse der Beklagte das vereinbarte Entgelt in Hohe von\n2.552,00 EUR sowie nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltskosten\nals Verzugsfolge zahlen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. den Beklagten zu verurteilen, an den Klager 2.552,00 EUR nebst 5 %\nZinsen uber dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2006 zu zahlen; \n--- \n| 2\\. den Beklagten zu verurteilen, als Nebenforderung 165,71 EUR nicht\nanrechenbare Rechtsanwalts-Nebenkosten gemaß Nr. 2300 VV RVG zu zahlen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| \n--- \n| Klageabweisung. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Beklagte meint, dass auf den streitgegenstandlichen Vertrag\nausschließlich Maklerrecht anzuwenden sei, so dass mangels Vermittlung des\nObjektes das Maklerhonorar durch den Klager nicht verdient worden sei. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Hinsichtlich der Einzelheiten des jeweiligen Parteivortrages wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle zur\nmundlichen Verhandlung vom 17.01.2007 und vom 12.03.2007 verwiesen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Schriftsatze der Parteien vom 11.04.2007, vom 17.04.2007 und vom\n23.04.2007 gaben keinen Anlass zur Wiedereroffnung der mundlichen Verhandlung. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist ausschließlich als\nMaklervertrag im Sinne des § 652 Abs. 1 BGB auszulegen, wobei eine Vermittlung\ndes Vertragsobjektes nicht erfolgte. Ein Aufwendungsersatz nach § 652 Abs. 2\nBGB wurde nicht wirksam vereinbart. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Bezeichnung des Vertrages vom 30.03.2006 als „Dienst- und\nVermittlungsvertrag" ist als Indiz fur die rechtliche Bewertung des Vertrages\nheranzuziehen, wobei das hinter der Vertragsbezeichnung stehende\nAustauschverhaltnis maßgebend ist. Dem Klager ist darin zuzustimmen, dass es\nsich vorliegend um einen gemischten Vertrag mit Elementen aus dem\nDienstleistungsrecht und aus dem Maklerrecht handelt. Diese beiden\nVertragstypen sind allerdings nach den Vertragsbestimmungen so eng miteinander\nverbunden, dass sie nur in ihrer Gesamtheit ein sinnvolles Ganzes ergeben.\nSamtliche der von dem Klager auf der Ruckseite des Vertrages beschriebenen\nDienstleistungen dienen der Suche nach moglichen Kaufinteressenten fur das\nGrundstuck und das Unternehmen des Beklagten, so dass sie letztlich zu dem\nZweck des Unternehmensverkaufes vereinbart wurden. Lasst man andererseits\nsamtliche der in dem Vertrag ausdrucklich aufgefuhrten Dienstleistungen weg,\nso erscheint es nicht ersichtlich, welche Leistung des Klagers im Falle einer\nVermittlung verbleiben sollte, fur die er das vereinbarte Erfolgshonorar\nverdient hatte. Bei dem nach §§ 133, 157 BGB auszulegenden Willen der\nVertragsparteien geht es beiden in erster Linie um die Ermoglichung des\nVermittlungserfolgs und damit um ein nach Maklerrecht zu beurteilendes\nVertragsziel. Dies lasst sich auch den Vertragsbestimmungen entnehmen, wonach\neine rechtzeitig gezahlte Vergutung fur Dienstleistungen auf das\nErfolgshonorar angerechnet wird. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Bei den Bestimmungen des Vertrages vom 30.03.2006 handelt es sich nach\nseiner Gestaltung um von dem Klager verwendete Allgemeine Geschaftsbedingungen\nnach § 305 BGB. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Vereinbarung einer erfolgsunabhangigen Maklerprovision durch\nvorformulierte Klauseln ist im Hinblick auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht\nmoglich (BGH, NJW 1987, 1634, 1635). Wird durch den Vermittler nicht nur eine\nerfolgsunabhangige Vergutung fur seine Dienstleistungen verlangt, sondern\nverlangt er eine erfolgsabhangige prozentual auf den Vertragsgegenstand\nbezogene Provision, so hat er sich fur das Leitbild des § 652 BGB entschieden\nund muss sich dann am Maklerrecht messen lassen (BGH NJW 1987, 1634, 1636). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Soweit der Makler erfolgsunabhangige Aufwendungen nach § 652 Abs. 2 BGB\nverlangt, muss er dies bei Verwendung von allgemeinen Geschaftsbedingungen auf\nden Ersatz von konkretem Aufwand beziehen (OLG Oldenburg, NJW-RR 2005, 1287,\n1288). Hinsichtlich der in der Vertragsurkunde vom 30.03.2006 enthaltenen\nBestimmung der „Vergutung zu den Dienstleistungen" erfolgt nach dem Vertrag\nein pauschaler Ansatz von 2.200,00 EUR, ohne dass die Kosten der geleisteten\nDienste, z.B. fur die Erstellung eines Unternehmens-Profils, im Einzelnen\ndargelegt wurden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach den bevorstehenden Darlegungen kann der Klager mangels\nVermittlungserfolges keine Vergutung und auch keinen Aufwendungsersatz von dem\nBeklagten verlangen. Die Klage ist damit abzuweisen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.\n11, 711 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist ausschließlich als\nMaklervertrag im Sinne des § 652 Abs. 1 BGB auszulegen, wobei eine Vermittlung\ndes Vertragsobjektes nicht erfolgte. Ein Aufwendungsersatz nach § 652 Abs. 2\nBGB wurde nicht wirksam vereinbart. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Bezeichnung des Vertrages vom 30.03.2006 als „Dienst- und\nVermittlungsvertrag" ist als Indiz fur die rechtliche Bewertung des Vertrages\nheranzuziehen, wobei das hinter der Vertragsbezeichnung stehende\nAustauschverhaltnis maßgebend ist. Dem Klager ist darin zuzustimmen, dass es\nsich vorliegend um einen gemischten Vertrag mit Elementen aus dem\nDienstleistungsrecht und aus dem Maklerrecht handelt. Diese beiden\nVertragstypen sind allerdings nach den Vertragsbestimmungen so eng miteinander\nverbunden, dass sie nur in ihrer Gesamtheit ein sinnvolles Ganzes ergeben.\nSamtliche der von dem Klager auf der Ruckseite des Vertrages beschriebenen\nDienstleistungen dienen der Suche nach moglichen Kaufinteressenten fur das\nGrundstuck und das Unternehmen des Beklagten, so dass sie letztlich zu dem\nZweck des Unternehmensverkaufes vereinbart wurden. Lasst man andererseits\nsamtliche der in dem Vertrag ausdrucklich aufgefuhrten Dienstleistungen weg,\nso erscheint es nicht ersichtlich, welche Leistung des Klagers im Falle einer\nVermittlung verbleiben sollte, fur die er das vereinbarte Erfolgshonorar\nverdient hatte. Bei dem nach §§ 133, 157 BGB auszulegenden Willen der\nVertragsparteien geht es beiden in erster Linie um die Ermoglichung des\nVermittlungserfolgs und damit um ein nach Maklerrecht zu beurteilendes\nVertragsziel. Dies lasst sich auch den Vertragsbestimmungen entnehmen, wonach\neine rechtzeitig gezahlte Vergutung fur Dienstleistungen auf das\nErfolgshonorar angerechnet wird. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Bei den Bestimmungen des Vertrages vom 30.03.2006 handelt es sich nach\nseiner Gestaltung um von dem Klager verwendete Allgemeine Geschaftsbedingungen\nnach § 305 BGB. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Vereinbarung einer erfolgsunabhangigen Maklerprovision durch\nvorformulierte Klauseln ist im Hinblick auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht\nmoglich (BGH, NJW 1987, 1634, 1635). Wird durch den Vermittler nicht nur eine\nerfolgsunabhangige Vergutung fur seine Dienstleistungen verlangt, sondern\nverlangt er eine erfolgsabhangige prozentual auf den Vertragsgegenstand\nbezogene Provision, so hat er sich fur das Leitbild des § 652 BGB entschieden\nund muss sich dann am Maklerrecht messen lassen (BGH NJW 1987, 1634, 1636). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Soweit der Makler erfolgsunabhangige Aufwendungen nach § 652 Abs. 2 BGB\nverlangt, muss er dies bei Verwendung von allgemeinen Geschaftsbedingungen auf\nden Ersatz von konkretem Aufwand beziehen (OLG Oldenburg, NJW-RR 2005, 1287,\n1288). Hinsichtlich der in der Vertragsurkunde vom 30.03.2006 enthaltenen\nBestimmung der „Vergutung zu den Dienstleistungen" erfolgt nach dem Vertrag\nein pauschaler Ansatz von 2.200,00 EUR, ohne dass die Kosten der geleisteten\nDienste, z.B. fur die Erstellung eines Unternehmens-Profils, im Einzelnen\ndargelegt wurden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach den bevorstehenden Darlegungen kann der Klager mangels\nVermittlungserfolges keine Vergutung und auch keinen Aufwendungsersatz von dem\nBeklagten verlangen. Die Klage ist damit abzuweisen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.\n11, 711 ZPO. \n---\n\n
140,297
olgkarl-2004-09-30-19-u-21403
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 U 214/03
2004-09-30
2019-01-07 15:11:15
2019-02-12 12:19:54
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klager wird das Urteil des Landgerichts vom\n07.11.2003 - 2 O 110/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt\nabgeandert:\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin Ziff. 1 EUR 700,00 nebst 5 %\nZinsen uber dem Basiszinssatz aus 1.713,80 EUR seit 10.04.2003 und an die\nKlagerin Ziff. 2 EUR 1.400,00 nebst 5 % Zinsen uber dem Basiszinssatz aus\n3.227,60 EUR seit 10.04.2003 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen\nund die Berufung der Klagerinnen zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klagerin Ziff. 1 zu 30 %, die\nKlagerin Ziff. 2 zu 54 % und die Beklagte zu 16 %. Die außergerichtlichen\nKosten erster Instanz der Beklagten tragen die Klagerin Ziff. 1 zu 30 % und\ndie Klagerin Ziff. 2 zu 54 %. Die Beklagte tragt die außergerichtlichen Kosten\nerster Instanz der Klagerin Ziff. 1 zu 15 % und diejenigen der Klagerin Ziff.\n2 zu 16 %. Im Übrigen behalten die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten auf\nsich.\n\nVon den Gerichtskosten zweiter Instanz tragen die Beklagte 47 %, die Klagerin\nZiff. 1 19 % und die Klagerin Ziff. 2 34 %.\n\nVon den außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Beklagten tragt die\nKlagerin Ziff. 1 19 % und die Klagerin Ziff. 2 34 %. Die außergerichtlichen\nKosten zweiter Instanz der Klagerin Ziff. 1 tragt die Beklagte zu 43 % und\ndiejenigen der Klagerin Ziff. 2 zu 49 %. Im Übrigen behalten die Parteien ihre\naußergerichtlichen Kosten auf sich.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| 1 \n--- \n| Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, 313 a\nAbs. 1 ZPO). \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Berufung der Klagerinnen ist teilweise begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Aus dem Zeitraum zwischen dem 28.11.2000 und dem 18.02.2003 steht der\nKlagerin Ziff. 1 eine Nutzungsentschadigung in Hohe von 700,00 EUR und der\nKlagerin Ziff. 2 eine solche in Hohe von 1.400,00 EUR gem. den §§ 812 Abs. 1,\n818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 292 Abs. 2, 987 Abs. 2 BGB zu, da die Beklagte es\nschuldhaft versaumt hat, aus dem den Klagerinnen zustehenden Kapital aus den\nNamensschuldverschreibungen in Hohe von 100.000,00 DM bzw. 200.000,00 DM\nentsprechende Nutzungen nach den Regeln einer ordnungsgemaßen Wirtschaft zu\nziehen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Landgericht hat allerdings zu Recht entschieden, dass die Klagerinnen\nkeinen Zinsanspruch aus den §§ 812, 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB haben. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Ob und in welchem Umfange die §§ 812, 818 BGB einen Zinsanspruch der\nKlagerinnen fur die Zeit rechtfertigen, in der ihnen das Kapital ohne\nRechtsgrund vorenthalten wird, ist im Schrifttum umstritten und auch von der\nRechtsprechung bisher nicht abschließend geklart. Einigkeit besteht daruber,\ndass nach Bereicherungsrecht jedenfalls nicht der Vertragszins oder ein\nerhohter Stundungszins zu zahlen ist (BGHZ 115, 268; 104, 337). Da der\nAnspruch aus § 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf die tatsachlich gezogenen Nutzungen\nbeschrankt ist, hat das Landgericht zu Recht einen solchen Anspruch den\nKlagerinnen nicht zuerkannt. Denn die in erster Instanz durchgefuhrte\nBeweisaufnahme hat ergeben, dass die Beklagte tatsachlich keine Nutzungen aus\ndem auszuzahlenden, am 22.11.2000 fallig gewordenen Kapital gezogen hat. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die ausgeurteilten Zinsbetrage schuldet die Beklagte jedoch gemaß den §§\n812 Abs. 1, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 292 Abs. 2, 987 Abs. 2 BGB, da die\nBeklagte schuldhaft Nutzungen aus dem den Klagerinnen zustehenden Kapital\nnicht gezogen hat. Obwohl die Beklagte die Auszahlung des Kapitals aus den,\nden Namensschuldverschreibungen zugrunde liegenden schuldrechtlichen\nVereinbarungen schuldete und vertragliche Anspruche solche aus\nBereicherungsrecht grundsatzlich ausschließen, ist sie dennoch zur Herausgabe\nvon gezogenen bzw. schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen nach den §§ 812 ff.\nBGB verpflichtet. Denn das den Klagerinnen zustehende Kapital hat sie diesen\nohne Rechtsgrund vorenthalten (BGH a.a.O.) und hat hierdurch die\nNutzungsmoglichkeit des Kapitals i.S.d. § 812 Abs. 1 BGB erlangt (Lieb in\nMunchener Kommentar, 4. Aufl., BGB, § 812 Rdnr. 365; § 818 Rdnr. 146). So hat\nder Bundesgerichtshof die Moglichkeit eines derartigen Anspruchs im\nZusammenhang mit der nicht fristgemaßen Ruckgewahr eines Darlehens fur die\nZeit nach vertragsgemaßer Nutzungsmoglichkeit des Darlehenskapitals erortert,\nohne hieruber abschließend befinden zu mussen. Der vorliegende Fall ist\ndemjenigen vergleichbar, da die Beklagte „wie ein Darlehensnehmer" das Kapital\nbis zur Auszahlungsreife nutzen konnte und ihr diese Nutzungsmoglichkeit\ninfolge des rechtsgrundlosen Vorenthaltens der Auszahlungsbetrage fortsetzen\nkonnte. Nach Ansicht des Senats ist hierin ein bereicherungsrechtlich\nrelevanter Vorgang i.S.d. § 812 Abs. 1 BGB im Sinne einer\nVermogensverschiebung zu Gunsten der Beklagten zu erblicken. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Pfandung der Auszahlungsanspruche durch einen Dritten und Überweisung\ndieser an ihn (§§ 829, 835, 836 ZPO) stellt keinen Behaltensgrund fur die\nBeklagte dar, sondern berechtigte diese allenfalls im Hinblick auf den\nbestehenden und ihr bekannten Pratendentenstreit zur Hinterlegung der\nauszuzahlenden Betrage, wovon sie jedoch keinen Gebrauch gemacht hat. Dieser\nUmstand bewirkte allenfalls, dass die Beklagte die Nutzungsentschadigung nicht\nbereits aus Verzugsgesichtspunkten (§ 284, 286 BGB a.F.) schuldete, da sie im\nHinblick darauf, dass sie nicht hinreichend sicher wusste, an wen die Zahlung\nzu bewirken war, die trotz Falligkeit der Auszahlungsforderungen unterbliebene\nAuskehrung nicht zu vertreten hatte (Hamm OLG-Report 1997, 225). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Hinsichtlich des auszuzahlenden Kapitals unterlag die Beklagte der\nverscharften Haftung nach den §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB, weil sie von\nAnfang an wusste, dass sie das Kapital bei Falligkeit zuruckzahlen muss (BGHZ\n115, 287; 83, 293). Im Hinblick darauf, dass sie jederzeit nach Beendigung des\nPratendentenstreits mit der Auszahlung des Kapitals rechnen musste, war ihr\nvorzuwerfen, dass sie es versaumte, die an die Klagerinnen auszuzahlenden\nBetrage in Hohe von 100.000,00 DM und 200.000,00 DM als Tagesgelder anzulegen.\nFur die Zeit vom 23.11.2000 bis 18.02.2003 ware nach den Monatsberichten der\nDeutschen Bundesbank ein durchschnittlicher Zins in Hohe von 3,82 % jahrlich\nerzielbar gewesen (§ 287 ZPO). Aus 100.000,00 DM ergibt dies fur den im\nBerufungsrechtszuge nur noch beanspruchten Zeitraum vom 28.11.2000 bis\n18.02.2003 unter Zugrundelegung dieses Zinssatzes einen Zinsbetrag von\n4.318,15 EUR, aus 200.000,00 DM einen solchen von 8.636,30 EUR. Fur die\nBerechnung wurde der Monat mit 30 Tagen und das Jahr mit 360 Tagen angesetzt.\nSoweit die Klagerinnen im Hinblick auf die zu Unrecht erfolgte Pfandung der\nAuszahlungsforderungen vergleichsweise im Verfahren 19 U 108/02 des\nOberlandesgerichts Karlsruhe von dem dortigen Beklagten in Hohe von 4 %\njahrlich fur den gleichen Zeitraum fur entgangene Zinsen entschadigt wurden,\nist dieser Betrag auf die ausgeurteilte Nutzungsentschadigung nicht\nanzurechnen. Beide Anspruche unterfallen verschiedenen Anspruchsgrundlagen mit\nunterschiedlichen Rechtsfolgen. Wahrend der vorliegende Fall gezogene bzw.\nverschuldet nicht gezogene Nutzungen des Schuldners zum Gegenstand hat,\nberuhte der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten des Verfahrens 19 U\n108/02 darauf, dass den Klagerinnen eigene Nutzungsmoglichkeiten entgangen\nsind. Beide Anspruche schließen sich gegenseitig grundsatzlich nicht aus (BGHZ\n115 a.a.O). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Da die Klagerinnen ihren Anspruch auf Nutzungsentschadigung im\nBerufungsrechtszuge auf 700,00 EUR (Klagerin Ziff. 1) und 1.400,00 EUR\n(Klagerin Ziff. 2) beschrankten, wurde der ihnen insgesamt zustehende Anspruch\nauf Nutzungsentschadigung in Hohe von 2.604,35 EUR (Klagerin Ziff. 1) und\n5.408,70 EUR (Klagerin Ziff. 2) durch das landgerichtliche Urteil\nrechtskraftig abgewiesen, so dass eine Verzinsung in gesetzlicher Hohe seit\nRechtshangigkeit fur die Klagerin Ziff. 1 lediglich aus dem Betrag von\n1.713,80 EUR (4.318,15 EUR - 2.604,35 EUR) und fur die Klagerin Ziff. 2 aus\n3.227,60 EUR (8.636,30 EUR - 5.408,70 EUR) berechtigt ist (§§ 284, 288 BGB a.\nF., 286 BGB n. F.). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit die Klagerinnen\nab dem 18.02.2003 aus Verzug weitere Verzugszinsen und weiteren Verzugsschaden\ngeltend machen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Anspruche aus Verzug gemaß §§ 286 BGB n.F., 284 BGB a.F. bestehen\njedenfalls deshalb nicht, weil, wie das Landgericht zu Recht ausgefuhrt hat,\nes die Beklagte nicht schuldhaft versaumt hat, den Auszahlungsbetrag nach\nWegfall der Wirkungen des Pfandungs- und Überweisungsbeschlusses (§ 829 Abs. 1\nSatz 1 ZPO) vor dem Zeitpunkt der tatsachlich erfolgten Zahlung auszukehren.\nZwar trat mit Wegfall der Wirkungen des Pfandungs- und Überweisungsbeschlusses\nVerzug ein, da die Zahlbetrage in den Sparkassenbriefen mit dem 22.11.2000\nfallig wurden und somit der Fall des § 286 Abs. 2 Ziff. 1, Abs. 1 BGB n.F.,\n284 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. gegeben war. Die Beklagte unterließ es\ndennoch verschuldensfrei, die Forderung in angemessener Zeit nach bekannt\nwerden der Pfandungsfreiheit zu erfullen. Denn die Klagerinnen begehrten nicht\nZahlung an sich, sondern Zahlung an ihre Prozessbevollmachtigten, ohne dass\ndiese in ihrem Anforderungsschreiben eine entsprechende Inkassovollmacht\nvorlegten. Ohne Nachweis derselben war die Beklagte nicht verpflichtet, an die\nProzessbevollmachtigten der Klagerinnen auszuzahlen, da das Recht zur\nEmpfangnahme des Streitgegenstandes oder anderer Leistungen nur dann selbst\nvon einer Prozessvollmacht umfasst wird, wenn sich die Vollmacht ausdrucklich\nhierauf erstreckt (Vollkommer in Zoller, 24. Aufl., ZPO, § 81 Rdn. 7 m.w.N.).\nDa die Prozessbevollmachtigten der Klagerinnen eine die Inkassovollmacht\nbeinhaltende Vollmacht nie nachwiesen, liegt kein Verschulden der Beklagten\ndarin, dass sie erst auf die weitere Aufforderung, an die Klagerinnen selbst\nauszubezahlen, reagierte. § 174 BGB steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn\ndessen Anwendung hatte vorausgesetzt, dass Inkassovollmacht der\nProzessbevollmachtigten der Klagerin bestanden hat, was diese allerdings nicht\nbewiesen haben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Anspruch aus Verzug ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte es\nunterlassen hat, angesichts der unklaren Pratendentenlage die von ihr zu\nzahlenden Betrage gem. § 372 Satz. 2 BGB zu hinterlegen. Denn eine\nHinterlegungspflicht existiert nicht. Der Glaubiger oder im Falle des\nPratendentenstreits die Gesamtheit der Glaubiger ist nicht berechtigt, die\nHinterlegung zu verlangen. Wahrend die Hinterlegung dem Verzugseintritt\nentgegensteht, kann der Verzicht auf die Hinterlegung bei bestehendem\nPratendentenstreit die Verzugsfolge somit ebenfalls nicht auslosen (Hamm OLG -\nReport 1997, 225). Dies wird im Übrigen dadurch bestatigt, das der den §§ 284\nff. BGB zugrunde liegende Gedanke, dass der Glaubiger einer Geldforderung\nErsatz dafur erhalten soll, dass er mit dem ihm zustehenden Geld nicht\nwirtschaften kann, vorliegend nicht eingreift. Diesen Nachteil mussten die\nKlagerinnen namlich auch im Falle der verzugshindernden Hinterlegung\nhinnehmen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Anspruche aus positiver Vertragsverletzung wegen unterlassener Hinterlegung\nbestehen mangels einer solchen Pflicht hierfur gleichfalls nicht (Hamm OLG-\nReport 1997, 225). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO. Die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit wurde gemaß den §§ 708\nZiff. 10, 713 ZPO getroffen. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen hierfur\nwar die Revision nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). \n--- \n---\n\n
140,365
olgkarl-2004-10-19-13-w-6304
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
13 W 63/04
2004-10-19
2019-01-07 15:12:08
2019-02-12 12:19:58
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde der Klagerin gegen den Beschluss des Landgerichts\nFreiburg vom 19.04.2004 - 2 O 200/03 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Klagerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.\n\n3\\. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 2.800,00 (ca. 1/10\ndes Hauptsachestreitwerts) festgesetzt.\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Ablehnungsgesuch der Klagerin gegen den Sachverstandigen Prof. Dr. S.\nstutzt sich auf Ausfuhrungen in dessen Gutachten vom 19.02.2004. Dieses\nGutachten wurde den Parteien gemaß Verfugung vom 01.03.2004 (ausgefertigt am\n03.03.2004) zur Stellungnahme bis 30.03.2004 zugeleitet. Mit Verfugung vom\n02.04.2004 wurde dem Klagervertreter die gemaß Schriftsatz vom 30.03.2004\nbeantragte Verlangerung der Stellungnahmefrist bis 15.04.2004 bewilligt. Mit\nam 15.04.2004 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz brachte die Klagerin\nEinwendungen gegen das Gutachten vor und lehnte den Sachverstandigen wegen\nBesorgnis der Befangenheit ab. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagten beantragten die Zuruckweisung dieses Antrags als unzulassig\nund unbegrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Beschluss vom 17.05.2004 wies das Landgericht den Befangenheitsantrag\nals unbegrundet zuruck; samtliche Beanstandungen rechtfertigten nicht die\nBesorgnis der Befangenheit, sondern seien im Zuge einer Gutachtenserganzung\noder -erlauterung zu klaren. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen den am 19.05.2004 (AS. 267) zugestellten Beschluss richtet sich die\nsofortige Beschwerde der Klagerin vom 27.05.2004 (Eingang 28.05.04) mit der\nsie ihren Ablehnungsantrag weiterverfolgt. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die zulassige sofortige Beschwerde ist unbegrundet. Das Ablehnungsgesuch\nder Klagerin ist unzulassig, weil die angefuhrten Ablehnungsgrunde verspatetet\ngeltend gemacht worden sind. Das Beschwerdegericht war nicht gehindert, den\nvom Landgericht als unbegrundet zuruckgewiesenen Antrag als unzulassig\nzuruckzuweisen (vgl. Zoller-Gummer, ZPO, 24. Aufl. § 572 Anm. 41). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gemaß § 406 Abs. 2 ZPO ist ein Ablehnungsantrag gegen einen\nSachverstandigen spatestens binnen 2 Wochen nach Verkundung oder Zustellung\ndes Beschlusses uber die Ernennung zu stellen. Zu einem spateren Zeitpunkt ist\ndie Ablehnung nur zulassig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er\nohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund fruher geltend zu\nmachen. Daher sind, wenn wie hier Ablehnungsgrunde erst aus dem schriftlichen\nGutachten des Sachverstandigen hergeleitet werden, diese unverzuglich nach\nKenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Das bedeutet, dass der\nAblehnungsantrag zwar nicht „sofort", wohl aber ohne schuldhaftes Zogern (§\n121 Abs. 1 Nr. 1 BGB), d.h. innerhalb einer den Umstanden des Einzelfalls\nangepassten Prufungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist (standige\nRechtsprechung des Senats z.B. Beschluss vom 01.07.2003 - 13 W 48/03; vgl.\nauch OLG Koln OLGR 2001, 261; OLG Koblenz NJW-RR 1999, 72). Es kann\ndahinstehen, ob diese Frist im Hinblick auf § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO\nkeinesfalls langer als mit zwei Wochen angesetzt werden kann (so Musielak-\nHuber, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 406, Rdn. 14). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hatte die wesentliche Beanstandung, die auch in der\nBeschwerdeschrift aufgegriffen wurde, namlich dass der Sachverstandige\nstreitigen einseitigen Vortrag der Beklagten ohne weiteres ausdrucklich\ngeglaubt habe, problemlos in zwei Wochen, spatestens jedoch innerhalb der\nzunachst gesetzten Frist bis 30.03.2004 oder jedenfalls innerhalb der vielfach\nfur angemessen gehaltenen Frist von bis zu einem Monat vorgebracht werden\nkonnen, ohne dass es einer internen fachlichen Beratung und einer\nvollstandigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten bedurft hatte.\nDie verlangerte Frist zur Stellungnahme zum Gutachten bezieht sich nur auf die\nsachliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten, nicht auf die Prufung von\nmoglichen Befangenheitsgrunden (Senat a.a.O.; Zoller-Greger a.a.O. § 406 Anm.\n11 m.w.N.). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn wie hier (s.o.) die\nGeltendmachung des Befangenheitsgrundes keine inhaltliche Auseinandersetzung\nmit dem Gutachten erfordert. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Hinblick auf den uneinheitlichen Meinungsstand zu dieser Frage (vgl.\nz.B. OLG Dusseldorf in OLGR Dusseldorf 2001, 469 ff.) wurde die\nRechtsbeschwerde gemaß § 574 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ZPO zugelassen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO und die Streitwertfestsetzung\nauf § 3 ZPO (ca. 1/10 des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens). \n--- \n---\n\n
140,832
olgstut-2005-05-12-11-uf-30704
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
11 UF 307/04
2005-05-12
2019-01-08 15:52:46
2019-02-12 12:20:24
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Amtsgerichts\nFamiliengericht Ludwigsburg 2 F 622/04 vom 15.10.2004\n\n> > > > > a b g e a n d e r t :\n\n> > 1\\. Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager uber den in der Urkunde\n> des Landratsamts ... Beurk.Reg.Nr. ... vom 08.06.2004 anerkannten Betrag von\n> 141,98 EUR hinaus weitere 82,51 EUR zu bezahlen, fallig jeweils monatlich im\n> Voraus zum 1. eines jedes Monats, beginnend mit dem 01.05.2005.\n\n> > 2\\. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Klager einen\n> Unterhaltsruckstand fur den Zeitraum von Marz 2004 bis April 2005 in Hohe\n> von 1.155,14 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem\n> Basiszinssatz aus jeweils 82,51 EUR seit 01.03.2004, 01.04.2004 usw. zu\n> bezahlen.\n\n> > 3\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nII. Die weitergehende Berufung des Klagers wird\n\n> > > > > z u r u c k g e w i e s e n.\n\nIII. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszugen haben zu 4/5 der\nKlager und zu 1/5 der Beklagte zu tragen.\n\nIV. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Parteien konnen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Hohe von\n115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages\nleistet.\n\nV. Die Revision wird zugelassen.\n\nStreitwert des Berufungsverfahrens:\n\n1. | Laufender Unterhalt: | \n---|---|--- \n| 12 x 449,-- EUR = | 5.388,00 EUR \n2. | Ruckstande | 921,00 EUR \n| zusammen | 6.309,00 EUR \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der minderjahrige Klager ist der Sohn des Beklagten aus dessen geschiedener\nEhe mit der zwischenzeitlich verstorbenen Mutter des Klagers. Der Klager lebt\nbei dem zweiten Ehemann seiner Mutter, welcher nach deren Tod zum Vormund des\nKlagers bestellt wurde. Der Klager bezieht eine Halbwaisenrente in Hohe von\nderzeit monatlich 165,02 EUR. Das staatliche Kindergeld von 154,-- EUR\nmonatlich wird an den Vormund des Klagers bezahlt. Der Beklagte bezahlt seit\nDezember 2003 einen monatlichen Kindesunterhalt in Hohe von 141,98 EUR an den\nKlager. Über diesen Betrag ließ er im Prozesskostenhilfeverfahren am\n08.06.2004 beim Jugendamt einen vollstreckbaren Unterhaltstitel erstellen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager ist der Meinung, der Beklagte schulde ihm Unterhalt in Hohe des\ndoppelten Satzes der Dusseldorfer Tabelle von 135 % des Regelbetrags der 3.\nAltersstufe, mithin 2 x 384,-- EUR = 768,-- EUR. Nach Abzug des vollen\nKindergeldes und der gesamten Halbwaisenrente des Klagers seien noch 449,--\nEUR monatlich zu zahlen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Amtsgericht hat die Klage in Hohe des titulierten Betrags von monatlich\n141,98 EUR als unzulassig, im Übrigen als unbegrundet abgewiesen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Dagegen hat der Klager Berufung eingelegt, mit welcher er beantragt, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| das Urteil des Amtsgerichts Familiengericht Ludwigsburg vom 15.10.2004,\nAz.: 2 F 622/04, zugestellt am 25.10.2004 wird abgeandert. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Beklagte wird verurteilt, Kindesunterhalt an den Klager in Hohe von\nmonatlich 449,-- EUR zu bezahlen, fallig jeweils monatlich im Voraus zum 1.\neines jeden Monats beginnend mit dem 01.05.2004, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| hilfsweise: \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte hat an den Klager uber den in der Urkunde des Landratsamts ...\nvom 08.06.2004 Beurk.Reg.Nr. ... titulierten Betrag von 148,98 EUR weitere\n307,20 EUR zu bezahlen, fallig jeweils monatlich im Voraus zum 1. eines jeden\nMonats, beginnend mit dem 01.05.2004. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Weiter beantragt der Klager: \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager Unterhaltsruckstand in Hohe von\n921,-- EUR zu bezahlen nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem\nBasiszinssatz aus 307,-- EUR seit 01.03.2004, aus weiteren 307,-- EUR seit\n01.04.2004 und aus weiteren 307,-- EUR seit 01.05.2004. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager wiederholt im Wesentlichen seine erstinstanzliche Rechtsansicht\nund wendet sich gegen die Auffassung des Familiengerichts, wonach nur der\neinfache Tabellenbetrag abzuglich der vollen Halbwaisenrente und des halftigen\nKindergeldes geschuldet sei. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beklagte beantragt \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung des Klagers zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als richtig. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung des Klagers ist nach der bereits bewilligten Wiedereinsetzung\nin den vorigen Stand zulassig, aber nur im Hilfsantrag teilweise begrundet. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Soweit der Beklagte im Laufe des Verfahrens einen Titel in Form der\nJugendamtsurkunde vom 08.06.2004 uber monatlich 141,98 EUR ab 01.07.2004\ngeschaffen hat, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedurfnisses unzulassig.\nInsoweit folgt der Senat dem angefochtenen Urteil. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Richtig ist das angefochtene Urteil auch insoweit, als nur der einfache\nTabellensatz mit monatlich 384,-- EUR (unstreitig 135 % des Regelbetrags) als\nKindesunterhalt geschuldet wird. Der Senat halt insoweit an seiner bislang\nvertretenen Ansicht (FamRZ 2001, 1241) fest (ebenso OLG Hamm, 11. FamS, NJW-RR\n2004, 152; Kuhnigk, Die Bedarfsberechnung beim Kindesunterhalt durch\nVerdoppelung der Tabellenbetrage, FamRZ 2002, 923). Der durchaus verbreiteten\nGegenansicht (OLG Dresden NJW-RR 2003, 364; OLG Hamm, 12. FamS, FamRZ 2001,\n1023, 8. FamS., FamRZ 1991, 107; OLG Koln FamRZ 1992, 1219; AG Munchen FamRZ\n1989, 532; Kalthoener/Buttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Hohe des\nUnterhalts, 9. Aufl., Rdnr. 538; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., Einf.\nv. § 1601 Rdnr. 25), wonach fur den Bar- und Betreuungsunterhalt des Kindes\nder doppelte Tabellensatz anzusetzen ist, kann nicht gefolgt werden. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat ist nach wie vor der Auffassung, dass eine sogenannte\nMonetarisierung der Betreuungsleistung nicht vorzunehmen ist. Nur wenn\nkonkrete Betreuungsaufwendungen dargelegt werden (was hier nicht der Fall\nist), erhoht sich der Barunterhalt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| • Es ware auch widersinnig, fur Kinder in einem Alter, in dem die hochste\nBetreuung erforderlich ist, namlich in der Altersstufe 1 (1 bis 5 Jahre),\neinen deutlich niedrigeren monetarisierten Betreuungsunterhalt zuzusprechen\nals in der Altersstufe 3 (12 bis 17 Jahre) mit dem geringsten\nBetreuungsaufwand. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| • Folgt man dem Klager, hatte dieser mit monatlich 768,-- EUR einen hoheren\nBedarf als einem nicht berufstatigen Erwachsenen mit eigenem Haushalt zusteht\n(notwendiger Eigenbedarf/Selbstbehalt monatlich 730,-- EUR). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| • Die Verhaltnisse stimmen auch dann nicht mehr, wenn dem Klager jetzt\nmonatlich 768,-- EUR, ab Volljahrigkeit im August dieses Jahres jedoch nur\nnoch 442,-- EUR als Bedarf (in der 4. Altersstufe) zugesprochen wurden. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Dies alles spricht gegen eine Monetarisierung des Betreuungsunterhalts\ndurch Verdoppelung der Tabellenbetrage. \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Familiengerichts ist vom Tabellenbetrag nur die\nhalftige Halbwaisenrente mit monatlich 82,51 EUR als Bedarfsdeckung\nabzuziehen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| • Der Senat knupft hier an die Ansicht des Bundesgerichtshofs (FamRZ 1980,\n1199) an, wonach die Waisenrente nach dem Tod eines Stiefelternteils den\nbetreuenden und den barunterhaltspflichtigen Elternteil je halftig entlastet. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| • Auch sonst wird Einkommen minderjahriger Kinder halftig zur Entlastung\ndes betreuenden und des barunterhaltspflichtigen Elternteils verwendet (Ziff.\n12.2 SudL). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| • Im vorliegenden Fall wird der von der verstorbenen Mutter fruher\nerbrachte Betreuungsunterhalt nunmehr vom Vormund des Klagers geleistet.\nDeshalb erscheint es gerechtfertigt, dass ihm auch die Halfte der\nHalbwaisenrente zugutekommt. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach Abzug von 82,51 EUR vom Tabellenbetrag von 384,-- EUR ist der Klager\nnoch in Hohe von 301,49 EUR unterhaltsbedurftig. \n--- \n--- \n5. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Auch das Kindergeld ist hier wie im angefochtenen Urteil halftig\nanzurechnen. Bei der Kindergeldanrechnung nach § 1612 b Abs. 5 BGB ist\nentscheidend, ob das Kind mit dem Zahlbetrag des Unterhalts und dem\nanzurechnenden Teil der Halbwaisenrente das Existenzminimum von 135 % des\nRegelbetrags erhalt (Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 2 Rdnr. 510\na). Das ist vorliegend der Fall. Nach Abzug von 77,-- EUR vom offenen Bedarf\nvon 301,49 EUR verbleibt ein Zahlbetrag von 224,49 EUR. Davon abzuziehen sind\ndie bezahlten bzw. titulierten 141,98 EUR. Danach ist durch das Urteil noch\n**82,51 EUR** zu titulieren. \n--- \n--- \n6. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Im Ruckstandszeitraum von Marz 2004 bis zum Senatstermin im April 2005\nschuldet der Beklagte uber das Anerkenntnis hinaus 14 x 82,51 EUR = **1.155,14\nEUR** . \n--- \n--- \n7. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung begrundet sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit des Urteils aus §§ 708 Nr.\n10, 711 ZPO. Da die Unterhaltsberechnung bei Halbwaisen in der Rechtsprechung\nder Instanzgerichte hoch streitig und bisher hochstrichterlich nicht geklart\nist, wird nach § 543 Abs. 2 die Revision zugelassen. \n--- \n---\n\n
141,208
sg-freiburg-2005-08-12-s-9-as-104805
148
Sozialgericht Freiburg
sg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 9 AS 1048/05
2005-08-12
2019-01-08 17:33:19
2019-01-17 12:01:23
Entscheidung
## Tenor\n\n1\\. Der Bescheid der Beklagten vom 10.1.2005 in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vom 21.2.2005 und der Bescheid der Beklagten vom\n19.4.2005 werden abgeandert.\n\n2\\. Die Beklagte wird verurteilt, dem Klager fur die Zeit vom 1.1.2005 bis\n31.10.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch\ndes Sozialgesetzbuches (SGB II) in Hohe von monatlich 499,26 EUR (anstelle\nlediglich 492,00 EUR) zu bewilligen.\n\n3\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n4\\. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.\n\n5\\. Die Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber die Hohe von Leistungen nach dem Zweiten Buch\ndes Sozialgesetzbuches (SGB II). \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am XX.XX.XXXX. geborene, bei Antragstellung in X wohnhafte Klager bezog\nbis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe von der Agentur fur Arbeit X, zuletzt in\nHohe von 153,86 EUR wochentlich. Am 3.12.2004 beantragte er Leistungen nach\ndem SGB II. Dabei gab er insbesondere an, allein ein Zimmer in einer\nUnterkunft der Stadt X zu bewohnen und hierfur monatlich einen Pauschalbetrag\nin Hohe von 175 EUR zu bezahlen. Mit Bescheid vom 9.12.2004 gewahrte ihm die\nBeklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zunachst fur die Zeit\nvom 1.1.2005 bis 30.4.2005 in Hohe von 492 EUR monatlich, bestehend aus\nRegelleistungen in Hohe von 345 EUR sowie Kosten fur Unterkunft und Heizung in\nHohe von 147 EUR. Da die Kosten der Unterkunft in Hohe von 175 EUR direkt an\ndie Stadt uberwiesen wurden, zahlte die Beklagte dem Klager ab Januar 2005\neinen monatlichen Betrag von 317 EUR aus. Dagegen erhob der Klager mit\nSchreiben vom 10.1.2005 Widerspruch. Er trat zum einen dem Abzug von 28 EUR\nvon den Wohnkosten entgegen. Zum anderen berief er sich darauf, dass er am\n13.8.2004 eine Erklarung gem. § 428 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches\n(SGB III) unterzeichnet habe. Ihm stehe daher aus Vertrauensschutzgrunden eine\nLeistung in Hohe der bisher gewahrten Arbeitslosenhilfe zu. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2005 wies die Beklagte den Widerspruch\nals unbegrundet zuruck. Sie fuhrte aus, die Kosten fur die\nWarmwasseraufbereitung, Kochenergie, Beleuchtung sowie den sonstigen\nelektrischen Aufwand seien in der Regelleistung enthalten und deshalb in Form\neines Pauschalbetrages von 28 EUR aus der Nutzungsgebuhr von 175 EUR\nherauszurechnen. Zur Frage des Vertrauensschutzes außerte sie sich nicht. \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen diese Entscheidung erhob der Klager am 18.3.2005 Klage zum\nSozialgericht Freiburg. Am 25.4.2005 beantragte er außerdem, die Beklagte im\nWege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung\ndes Lebensunterhalts in der Hohe der ihm bis zum 31.12.2004 gewahrten\nArbeitslosenhilfe zu gewahren; hilfsweise sinngemaß, die Beklagte im Wege der\neinstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Abzug von 28 EUR von den\nWohnkosten zu unterlassen. Diesem Antrag entsprach das Gericht mit Beschluss\nvom 18.5.2005 teilweise entsprechend der heutigen Entscheidung. Hinsichtlich\nder Einzelheiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sowie des dortigen\nVorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Verfahrens S 9 AS 1581/05 ER\nverwiesen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager begrundet seine Antrag auf Leistungen in Hohe der bisherigen\nArbeitslosenhilfe mit einem durch seine Erklarung gem. § 428 SGB III\nbegrundeten Vertrauenstatbestand. Er stellt die Frage, ob insoweit nicht die\nBundesagentur fur Arbeit auf Beklagtenseite zu fuhren sei. Fursorglich macht\ner geltend, der Pauschalabzug fur Warmwasseraufbereitungs- und\nHaushaltsenergiekosten sei unbegrundet bzw. jedenfalls zu hoch. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte ist der Auffassung, § 428 SGB III gewahre keinen\nBestandsschutz fur die Hohe der zu Grunde liegenden Leistung. Die Hohe der\nAbzuge fur Warmwasser- und Energieaufwand beruhe auf den gemeinsamen\nRichtlinien des Landkreistages und des Stadtetags Baden-Wurttemberg zur\nUmsetzung des SGB II. Danach sei beim Bezug von 100% der Regelleistung ein\nAbzug von 9 EUR fur die Warmwasserbereitung und weiteren 19 EUR fur den\nsonstigen Energieaufwand vorzunehmen. Die Richtlinien gingen von einem\ndurchschnittlichen Stromverbrauch von monatlich 148 kWh eines Alleinstehenden\nim Jahr 1990 aus, fur den seinerzeit die Kosten unter Zugrundelegung der\ngunstigsten Stromtarife verschiedener Berichtsgemeinden im Land ermittelt und\nseither unter Berucksichtigung des Preisindexes fur Strom bis zum Jahr 2002\naktualisiert worden seien. Es sei davon auszugehen, dass die so festgelegte\nPauschale den tatsachlich mindestens anfallenden Kosten entspreche. Es\nwiderspreche der gesetzlichen Regelung, wenn die kommunalen Trager entgegen §\n6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II diese Kosten ganz oder teilweise zu tragen hatten,\nobwohl es sich insoweit um einen Teil der Regelleistung handele, die die\nBundesagentur fur Arbeit zu ubernehmen habe. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte bewilligte dem Klager mit weiterem Bescheid vom 19.4.2005\nhinsichtlich der Hohe und der Berechnungsgrundlagen gegenuber dem Bescheid vom\n9.12.2004/21.2.2005 unveranderte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts\nnach dem SGB II fur die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005. Der Klager hat gegen\ndiesen Bescheid mit Schreiben vom 28.6.2005 Widerspruch erhoben und angeregt,\nden Bescheid zum Gegenstand des bereits anhangigen Klageverfahren zu machen.\nHierzu hat sich die Beklagte nicht eingelassen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt nunmehr (teilweise sinngemaß), \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 9.12.2004 in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vom 21.2.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom\n19.4.2005 abzuandern und die Beklagte zu verurteilen, dem Klager Leistungen\nzur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1.1.2005 bis 31.10.2005 in Hohe von\nwochentlich 153,86 EUR zu bewilligen, \n--- \n| 10 \n--- \n| hilfsweise, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Beklagte unter Abanderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen,\ndem Klager Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1.1.2005 bis\n31.10.2005 in Hohe von monatlich 520 EUR (ohne Abzug des Pauschalbetrages fur\nWarmwasseraufbereitungs- und Haushaltsenergiekosten) zu bewilligen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte beantragt sinngemaß, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Das Gericht hat zur Aufklarung des Sachverhalts im Verfahren S 9 AS 1581/05\nER vom Sozialministerium Baden-Wurttemberg das dortige Erlauterungsschreiben\nvom 4.12.2002 (Az. 41-5011.2-22) betreffend "Regelsatz in der Sozialhilfe -\nHaushaltsenergiekostenanteil und anteilige Kosten fur die Warmwasserbereitung"\nbeigezogen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die den Klager betreffende Verwaltungsakte der Beklagten lag vor (Az.:\n61706-BG-0005651, 1 Bd.). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des\nVerfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannte\nVerwaltungsakte sowie die Gerichtsakten S 9 AS 1048/05 und S 9 AS 1581/05 ER\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht kann gem. § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch\nGerichtsbescheid und damit ohne mundliche Verhandlung entscheiden, da die\nSache keine besonderen Schwierigkeiten tatsachlicher oder rechtlicher Art\naufweist, der Sachverhalt geklart ist und die Beteiligten hierzu angehort\nwurden. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen\nzulassig und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4\nSGG statthaft. \n--- \n| 18 \n--- \n| Verfahrensgegenstand ist neben dem ursprunglich angefochtenen Bescheid vom\n9.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2005 auch der\nBescheid vom 19.4.2005. Dieser ist zwar nicht in unmittelbarer Anwendung des §\n96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da er einen\nFolgezeitraum betrifft, mithin den Bescheid vom 9.12.2004/21.2.2005 weder\nabandert noch ersetzt. § 96 Abs. 1 SGG ist vorliegend aber entsprechend\nanwendbar, da es sich bei dem Bescheid vom 19.4.2005 um einen Folgebescheid\nmit Wirkung fur einen weiteren Zeitraum im Rahmen eines sozialrechtlichen\nDauerrechtsverhaltnisses handelt und sich der Bescheidempfanger aus den\ngleichen Grunden wie gegen den Erstbescheid auch gegen jenen Bescheid wendet\n(vgl. etwa BSG-Urt. v. 12.12.1984, Az.: 7 RAr 86/83, veroff. in (juris)).\nEntgegen der Auffassung des 5. Senats des LSG Baden-Wurttemberg (Urt. v.\n19.3.2003, Az.: L 5 AL 753/02, veroff. in (juris)) ist die analoge Anwendung\ndes § 96 SGG in derartigen Fallen nicht etwa als Konsequenz der Änderung der\nVorschriften des Vierten Abschnitts des SGG (Kosten und Vollstreckung) durch\ndas Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG-ÄndG) vom\n17.8.2001 (BGBl. I, 2144) schlechthin ausgeschlossen. Der in dieser\nEntscheidung befurchteten Unkalkulierbarkeit des Kostenrisikos fur Klager in\ngerichtskostenpflichtigen Verfahren kann zwanglos dadurch entgegengewirkt\nwerden, dass als weitere Voraussetzung fur eine analoge Anwendung des § 96 SGG\nverlangt wird, dass keiner der Beteiligten dem widerspricht (wie dies bereits\njetzt der standigen Rechtsprechung im Beitragsrecht der gesetzlichen\nUnfallversicherung entspricht, vgl. BSG-Urt. v. 28.9.1999, Az.: B 2 U 40/98 R\n= SozR 3-2200 § 776 Nr. 5 u. v. 14.12.1999, Az.: B 2 U 38/98 R = SozR 3-2200 §\n539 Nr. 48). Vorliegend wunscht der Klager die Einbeziehung des Bescheids vom\n19.4.2005 und die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, so dass der\nanalogen Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG nichts entgegensteht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist in dem Umfang wie erkannt auch teilweise begrundet. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klager hat allerdings keinen Anspruch auf Gewahrung von Leistungen in\nHohe der bis zum 31.12.2004 bezogenen Arbeitslosenhilfe. Ein derartiger\nAnspruch kann nicht mehr auf die gesetzlichen Grundlagen zur Gewahrung von\nArbeitslosenhilfe gestutzt werden, denn diese wurden vom Gesetzgeber mit\nWirkung zum 1.1.2005 aufgehoben und im wesentlichen durch die im SGB II\nvorgesehenen Sozialleistungen ersetzt. Der Anspruch kann auch nicht mit einem\noffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Beklagten oder der Bundesagentur fur\nArbeit begrundet werden, denn der Klager hat - wie andere Arbeitslose, die von\nder sogenannten 58er-Regelung Gebrauch gemacht haben - keinen zweiseitig\nverpflichtenden Vertrag geschlossen, sondern lediglich eine einseitige\nErklarung des Inhalts abgegeben, dass er nicht arbeitsbereit ist und nicht\nalle Moglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschaftigungslosigkeit zu\nbeenden, gleichwohl im Rahmen des § 428 SGB III Arbeitslosenhilfe beziehen\nwill und sich deshalb bereit erklart, gem. § 428 Abs. 2 SGB III baldmoglichst\nAltersrente zu beantragen. Die Zusage einer bestimmten Leistungsart oder\nLeistungshohe durch einen Sozialleistungstrager ist mit dieser Erklarung nicht\nverbunden. Sie setzt im Gegenteil einen Leistungsanspruch - z. B. auf\nArbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe - voraus. Einer Änderung von\nLeistungshohe oder Leistungsgrund durch eine Rechtsanderung stehen daher weder\ndie vom Klager abgegebene Erklarung noch § 428 SGB III entgegen. Dies wird\noffensichtlich, wenn man sich vorstellt, der Gesetzgeber hatte - etwa auf\nGrund einer gunstigeren gesamtwirtschaftlichen Situation als derzeit\nvorliegend - die Arbeitslosenhilfe erhoht bzw. durch eine hohere andere\nSozialleistung ersetzt. In einer derartigen Situation wurden die bisherigen\nLeistungsbezieher im Rahmen der 58er-Regelung es sicherlich nicht akzeptieren,\nvon dieser Leistungsverbesserung unter Hinweis auf die von ihnen abgegebene\nErklarung ausgeschlossen zu werden. Fur das Gericht ist daruber hinaus der\ngeltendgemachte Vertrauensschutz auch deshalb nicht nachvollziehbar, da nicht\nersichtlich ist, welchen Nachteil die Inanspruchnahme der 58er-Regelung dem\nKlager gebracht haben soll. Die Regelung hat es ihm im Gegenteil ermoglicht,\nArbeitslosenhilfe trotz fehlender subjektiver Verfugbarkeit zu beziehen. Im\nGegenzug hat die zustandige Agentur fur Arbeit zwar keine\nVermittlungsleistungen erbracht, was aber - in Anbetracht fehlenden Interesses\nan einer Beschaftigung - fur den Klager keinen Nachteil darstellte.\nVertrauensschutz besteht im Rahmen des neuen Rechts insoweit, als ihm auch der\nBezug von Leistungen nach dem SGB II unter entsprechenden Voraussetzungen\nmoglich ist (§ 65 Abs. 4 SGB II). Will der Klager stattdessen seinen\nEntschluss revidieren, so steht es ihm frei, seine Erklarung aufgrund der\nÄnderung der Gesetzeslage zu widerrufen und in die Arbeitsvermittlung\nzuruckzukehren. Schließlich wurde es eine moglicherweise verfassungsrechtlich\nunzulassige, da sachlich nicht zu rechtfertigende (vgl. Art. 3 Abs. 1 des\nGrundgesetzes -GG-) Privilegierung derjenigen alteren Arbeitslosen darstellen,\ndie sich aus dem Arbeitsmarkt im Rahmen der 58er-Regelung zuruckgezogen haben,\nwenn dieser Personengruppe ein Vertrauensschutz hinsichtlich Art und Hohe der\nbis zum 31.12.2004 bezogenen Entgeltersatzleistungen zugebilligt wurde, nicht\naber den uber 58jahrigen Arbeitslosen, die in der Vermittlung verblieben sind.\nDiese wurden andernfalls gleichsam wegen ihrer Arbeitsbereitschaft\nbenachteiligt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die zum 1.1.2005 vorgenommenen\nRechtsanderungen fur eine Vielzahl von Sozialleistungsberechtigten, namentlich\nbisherige Bezieher von Arbeitslosenhilfe, zu spurbaren Einbußen gefuhrt haben,\ndie insbesondere bei alteren Arbeitslosen zu unvorhergesehenen und\nwirtschaftlich schmerzhaften Eingriffen in die Lebensplanung fuhren konnen.\nDieses Problem betrifft aber den auf Entgeltersatzleistungen wegen\nArbeitslosigkeit angewiesenen Personenkreis insgesamt und nicht etwa in\nbesonderer Weise die Unterzeichner von Erklarungen gem. § 428 SGB III. Die\nVorstellung des Klagers, sein Verzicht auf die Vermittlung werde durch die\nAbsenkung der ihm zustehenden Sozialleistungen "bestraft" (Schriftsatz vom\n11.7.2005) ist nicht nachvollziehbar, trifft doch die gesetzgeberische\nEntscheidung, die Arbeitslosenhilfe durch andere Sozialleistungen zu ersetzen,\nArbeitslose unabhangig davon, ob die Arbeitslosenhilfe im Rahmen des § 428 SGB\nIII bezogen wurde oder nicht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit der Klager die Frage aufgeworfen hat, ob er die Klage insoweit nicht\ngegen die Bundesagentur fur Arbeit richten musse, hat das Gericht aus\nfolgenden Grunden hieraus keine Konsequenzen gezogen (etwa durch Einbeziehung\nder Bundesagentur als weitere Beklagte oder durch Beiladung): Erstens hat der\nanwaltlich vertretene Klager hierzu keine eindeutige prozessuale Erklarung\netwa im Sinne einer Erweiterung der Klage abgegeben. Zweitens ware eine solche\nnach Überzeugung des Gerichts schon deshalb nicht tunlich gewesen, da die\nKlage, soweit sie auch gegen die Bundesagentur fur Arbeit erhoben worden ware,\nunzulassig gewesen ware. Diese Behorde hat namlich insoweit uberhaupt noch\nkeine Entscheidung getroffen. Vor Erhebung einer Anfechtungs- und\nVerpflichtungsklage wegen nicht gewahrter Sozialleistungen ist grundsatzlich\nzunachst eine Verwaltungsentscheidung uber den geltend gemachten\nSozialleistungsanspruch abzuwarten, solange die Voraussetzungen einer\nUntatigkeitsklage nicht gegeben sind und eine solche nicht beabsichtigt ist\n(vgl. LSG Baden-Wurttemberg, Urt. v. 26.9.1989, Az.: L 3 Ar 535/89 =\nBreithaupt 1990, 349). Im Übrigen besteht - wie sich aus den Ausfuhrungen oben\nergibt - nach Überzeugung des Gerichts auch gegen die Bundesagentur fur Arbeit\nkein Anspruch auf die begehrte Leistung. \n--- \n| 23 \n--- \n| Soweit der Klager den Abzug von Pauschalbetragen fur Warmwasser- und\nEnergiekosten rugt, ist zunachst festzustellen, dass gem. § 22 Abs. 1 Satz 1\nSGB II zwar Anspruch auf Leistungen fur Unterkunft und Heizung in Hohe der\ntatsachlichen Aufwendungen besteht, soweit diese angemessen sind. Hierzu\ngehoren neben der Kaltmiete auch die Nebenkosten, soweit sie vom Vermieter in\nrechtlich zulassiger Weise auf den Mieter umgelegt werden konnen (Kalhorn, in:\nHauck/Noftz, SGB II, K § 22, Rnr. 11). Zur Vermeidung einer doppelten\nBedarfsdeckung sind jedoch diejenigen Nebenkosten herauszurechnen, die sich\nauf Bedarfslagen beziehen, die bereits von der Regelleistung gem. § 20 SGB II\nabgedeckt werden (a. a. O., Rnr. 13). Dies ist insbesondere bei den Kosten der\nBereitung von Warmwasser sowie denen fur Elektrizitat der Fall. Diese Bedarfe\nsind in der dem Klager gewahrten Regelleistung von 345 EUR enthalten. Der\nhierfur von der Beklagten vorgenommene Abzug ist daher dem Grunde nach nicht\nzu beanstanden. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die von der Beklagten angesetzten Pauschalen sind jedoch der Hohe nach\nnicht gerechtfertigt. Aus Sinn und Zweck des aus dem Gesetz ableitbaren Abzugs\nder Warmwasser- und Elektrizitatskosten von den Nebenkosten - der Verhinderung\ndoppelter Bedarfsdeckungen - folgt, dass die Abzugsbetrage nicht uber den\nBetrag hinausgehen durfen, der bei der Bemessung der Regelleistung als diesem\nBedarf korrespondierend berucksichtigt wurde. Andernfalls waren die Empfanger\ndieser Sozialleistung gezwungen, die ihnen tatsachlich hierfur entstehenden\nKosten teilweise mit Hilfe von Anteilen des Regelsatzes bzw. der Regelleistung\nzu decken, die von ihnen benotigt werden und nach dem Willen des\nVerordnungsgebers dazu bestimmt sind, andere Bedarfe zu befriedigen. An Stelle\nder doppelten Bedarfsdeckung, die durch die pauschale Anrechnung vermieden\nwerden soll, wurde sonst eine Bedarfsunterdeckung zu Lasten des\nLeistungsberechtigten herbeigefuhrt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie\nvorliegend - die Kosten fur Haushaltsenergie und Warmwasserbereitung pauschal\nmit den Kosten der Unterkunft erhoben werden und somit nicht vom\nLeistungsempfanger durch ein verandertes Verbrauchsverhalten beeinflusst\nwerden konnen. Mit anderen Worten: Gewahrt der Verordnungsgeber dem\nLeistungsempfanger einen bestimmten Betrag X zur Deckung des Energiebedarfs,\ndarf nicht die zur Deckung der Unterkunftskosten bestimmte weitere\nSozialleistung um einen pauschalierten hoheren Betrag X+Y gekurzt werden mit\nder Begrundung, in dieser Hohe seien tatsachlich in den Unterkunftskosten\nEnergiekosten enthalten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der tatsachlich vom Verordnungsgeber bei der Bemessung des Regelsatzes bzw.\nder Regelleistung fur Alleinstehende berucksichtigte monatliche Betrag fur die\nKosten der Warmwasserbereitung und Haushaltsenergie liegt nicht bei 28 EUR,\nsondern lediglich bei 20,74 EUR, wie sich aus folgendem ergibt: \n--- \n| 26 \n--- \n| Aus § 20 SGB II sowie der Gesetzesbegrundung (BT-Drs. 15/1516, S. 56) ist\nersichtlich, dass fur die Hohe der Regelleistung die Vorschriften des Zwolften\nBuches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) uber die Regelsatze einschließlich der\nRegelsatzverordnung (RSV) maßgeblich sind. Diese wurden vom Verordnungsgeber -\nder Verordnungsbegrundung zufolge (BR-Drucks. 206/04, s. a. info also 2004, S.\n184 ff.) - auf der Grundlage der Verbrauchsausgaben der untersten 20 vom\nHundert der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der zum 1.7.2003\nhochgerechneten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 des statistischen\nBundesamts (ESV) unter Mitwirkung von Sachverstandigen ermittelt. Die\nVerordnungsbegrundung lasst eine exakte Bezifferung der Betrage, die jeweils\neinzelnen Bedarfen zuzuordnen sind, nicht zu. Dort wird lediglich angegeben,\nwelcher Prozentsatz des sog. Eckregelsatzes auf welche Ausgabenabteilung nach\nder EVS entfallt. Fur die Abteilung 04 "Wohnung, Wasser, Strom, Gas u. a.\nBrennstoffe", der der verfahrensgegenstandliche Warmwasser- und Energiebedarf\nzuzuordnen ist, wird ein Satz von 8% (dies entspricht 27,60 EUR) angegeben.\nDarin sind allerdings neben den laut Verordnungsgeber lediglich "weitgehend" -\nund eben nicht in vollem Umfang - zu berucksichtigenden Stromkosten gemaß EVS\nauch die "voll" anzuerkennenden Positionen fur Reparatur und Instandhaltung\nder Wohnung enthalten. Nach der Veroffentlichung des Deutschen Paritatischen\nWohlfahrtsverbandes (DPWV) "Zum Leben zuwenig" (Berlin 2004) sowie nach\nRoth/Thome, Leitfaden Sozialhilfe/Alg II von A-Z, Frankfurt a. M. 2005, S. 173\nschließlich konnen die Stromkosten - und damit die im Regelsatz\nberucksichtigten Energiekosten - aus der fortgeschriebenen EVS 1998 mit 20,74\nEUR (die Reparaturen mit 3,50 EUR und die Instandhaltungs- bzw.\nRenovierungsaufwendungen mit 1,69 EUR) berechnet werden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Überlegungen und Erkenntnisse zu Hohe des in der Regelleistung\nberucksichtigten Betrages fur Energiekosten hat das Gericht den Beteiligten\nbereits im Beschluss vom 18.5.2005 (Az.: S 9 AS 1581/05 ER) mitgeteilt und\nihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte hat ihnen gleichwohl\nin tatsachlicher Hinsicht nicht widersprochen. Das Gericht geht daher\nweiterhin davon aus, dass die vorstehenden Ausfuhrungen zur Berechnung des\nRegelsatzes bzw. der Regelleistung den Tatsachen entsprechen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das Gericht verkennt nicht, dass die von der Beklagten zugrundegelegten\nPauschalabzuge auf den Richtlinien der kommunalen Spitzenverbande in Baden-\nWurttemberg zur Anwendung des SGB II beruhen und mit den Werten der\nSozialhilferichtlinien Baden-Wurttemberg ubereinstimmen. Bei diesen\nRichtlinien handelt es sich jedoch um reines Innenrecht der Beklagten ohne\nRechtsnormqualitat und ohne bindende Wirkung fur die Gerichte. Rechtswirkungen\nentfalten sie nur insoweit, als eine Abweichung von ihren Grundsatzen entgegen\neiner bis dahin geubten Praxis einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3\nAbs. 1 GG) darstellt und daher unzulassig ist (sogenannte Selbstbindung der\nVerwaltung, dazu grds. BSG-Urt. vom 15.3.1979, Az: 11 RA 36/78 = BSGE 48, 92\nff.). Nach Überzeugung des Gerichts sind die baden-wurttembergischen\nRichtlinien zum SGB II und SGB XII hinsichtlich der darin vorgesehenen\nAbzugsbetrage fur Warmwasserbereitung bzw. Energieaufwand mit dem geltenden\nRecht nicht vereinbar. Dies aufgrund der Tatsache, dass im ab 1.1.2005\ngeltenden Eckregelsatz nach der RSV bzw. in der Regelleistung nach § 20 SGB II\nlediglich 20,74 EUR, nicht aber 28 EUR fur die Deckung der korrespondierenden\nBedarfe berucksichtigt sind. Die Richtlinien gehen demgegenuber von einer\nFortschreibung der am 11.6.1990 vom Sozialministerium Baden-Wurttemberg fur\nden Landkreistag Baden-Wurttemberg vorgenommenen Berechnung aus, die\nihrerseits auf einem durchschnittlichen monatlichen Stromverbrauch\nAlleinstehender in Hohe von 148 kWh beruhte, wie sich aus dem\nErlauterungsschreiben des Sozialministeriums vom 4.12.2002 ergibt. Eine auf\ndem Durchschnittsverbrauch basierende Berechnung kann aber die Hohe des\nPauschalabzugs nicht mehr rechtfertigen, wenn der Verordnungsgeber - wie zum\n1.1.2005 geschehen - nicht mehr einen auf dem Durchschnittsverbrauch\nbasierenden und ihm korrespondierenden Betrag bei der Bemessung des\nEckregelsatzes bzw. der Regelleistung zu Deckung des Bedarfes Haushaltsenergie\nheranzieht, sondern einen geringeren. \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Gericht teilt auch nicht die Sorge der Beklagten, wonach ein geringerer\nPauschalabzug entgegen § 6 SGB II zu einer teilweisen Belastung der kommunalen\nTrager mit tatsachlichen Energiekosten fuhre, die nach dem Willen des\nGesetzgebers vollstandig in die Tragerschaft der Bundesagentur fur Arbeit\nfallen sollten. Die Kosten der Unterkunft des Klagers betragen pauschal 175\nEUR, ohne dass eine Aufschlusselung in Grundmiete und Mietnebenkosten erfolgt\noder auch nur moglich ist, geschweige denn eine exakte Herausrechnung der\nKosten fur Warmwasser und Haushaltsenergie. Es geht mithin vorliegend nicht um\ndie Tragerschaft fur einen tatsachlich mathematisch exakt feststellbaren\nBetrag. Stattdessen ist vielmehr wertend zu ermitteln, welcher Anteil der\nmonatlichen Wohnpauschale von 175 EUR vom Klager aus seiner Regelleistung zu\nbestreiten ist. Nach Überzeugung des Gerichts kann dies nur der Teil der\nRegelleistung sein, der dem Klager nach dem Willen des Verordnungsgebers zu\ndiesem Zweck zur Verfugung steht, nicht aber ein durchschnittlicher\nEnergieverbrauch eines Alleinstehenden und ebensowenig der tatsachliche\nEnergieverbrauch des Klagers. Dabei handelt es sich um 20,74 EUR. Im Übrigen\nsind die Aufwendungen fur Unterkunft und Heizung von der Beklagten in voller\nHohe zu ubernehmen, mithin in Hohe von 154,26 EUR monatlich. Dabei handelt es\nsich in vollem Umfang um Leistungen gem. § 22 SGB II, fur die der kommunale\nTrager einzustehen hat und nicht etwa um restliche Haushaltsenergiekosten, fur\ndie die Bundesagentur fur Arbeit zustandig ware. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der von der Beklagten vorgenommene Pauschalabzug ist daher monatlich um\n7,26 EUR zu hoch. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Sie\nwaren daher abzuandern und die Beklagte war zur Gewahrung einer entsprechend\nhoheren Leistung zu verurteilen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des\nRechtsstreits. Das Gericht hat dabei von einer anteiligen Erstattung der\naußergerichtlichen Kosten des Klagers wegen der (kostenrechtlich) relativen\nGeringfugigkeit seines Obsiegens in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2\nder Zivilprozessordnung (ZPO) abgesehen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Berufung war wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen\n(§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht kann gem. § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch\nGerichtsbescheid und damit ohne mundliche Verhandlung entscheiden, da die\nSache keine besonderen Schwierigkeiten tatsachlicher oder rechtlicher Art\naufweist, der Sachverhalt geklart ist und die Beteiligten hierzu angehort\nwurden. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen\nzulassig und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4\nSGG statthaft. \n--- \n| 18 \n--- \n| Verfahrensgegenstand ist neben dem ursprunglich angefochtenen Bescheid vom\n9.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2005 auch der\nBescheid vom 19.4.2005. Dieser ist zwar nicht in unmittelbarer Anwendung des §\n96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da er einen\nFolgezeitraum betrifft, mithin den Bescheid vom 9.12.2004/21.2.2005 weder\nabandert noch ersetzt. § 96 Abs. 1 SGG ist vorliegend aber entsprechend\nanwendbar, da es sich bei dem Bescheid vom 19.4.2005 um einen Folgebescheid\nmit Wirkung fur einen weiteren Zeitraum im Rahmen eines sozialrechtlichen\nDauerrechtsverhaltnisses handelt und sich der Bescheidempfanger aus den\ngleichen Grunden wie gegen den Erstbescheid auch gegen jenen Bescheid wendet\n(vgl. etwa BSG-Urt. v. 12.12.1984, Az.: 7 RAr 86/83, veroff. in (juris)).\nEntgegen der Auffassung des 5. Senats des LSG Baden-Wurttemberg (Urt. v.\n19.3.2003, Az.: L 5 AL 753/02, veroff. in (juris)) ist die analoge Anwendung\ndes § 96 SGG in derartigen Fallen nicht etwa als Konsequenz der Änderung der\nVorschriften des Vierten Abschnitts des SGG (Kosten und Vollstreckung) durch\ndas Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG-ÄndG) vom\n17.8.2001 (BGBl. I, 2144) schlechthin ausgeschlossen. Der in dieser\nEntscheidung befurchteten Unkalkulierbarkeit des Kostenrisikos fur Klager in\ngerichtskostenpflichtigen Verfahren kann zwanglos dadurch entgegengewirkt\nwerden, dass als weitere Voraussetzung fur eine analoge Anwendung des § 96 SGG\nverlangt wird, dass keiner der Beteiligten dem widerspricht (wie dies bereits\njetzt der standigen Rechtsprechung im Beitragsrecht der gesetzlichen\nUnfallversicherung entspricht, vgl. BSG-Urt. v. 28.9.1999, Az.: B 2 U 40/98 R\n= SozR 3-2200 § 776 Nr. 5 u. v. 14.12.1999, Az.: B 2 U 38/98 R = SozR 3-2200 §\n539 Nr. 48). Vorliegend wunscht der Klager die Einbeziehung des Bescheids vom\n19.4.2005 und die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, so dass der\nanalogen Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG nichts entgegensteht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist in dem Umfang wie erkannt auch teilweise begrundet. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klager hat allerdings keinen Anspruch auf Gewahrung von Leistungen in\nHohe der bis zum 31.12.2004 bezogenen Arbeitslosenhilfe. Ein derartiger\nAnspruch kann nicht mehr auf die gesetzlichen Grundlagen zur Gewahrung von\nArbeitslosenhilfe gestutzt werden, denn diese wurden vom Gesetzgeber mit\nWirkung zum 1.1.2005 aufgehoben und im wesentlichen durch die im SGB II\nvorgesehenen Sozialleistungen ersetzt. Der Anspruch kann auch nicht mit einem\noffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Beklagten oder der Bundesagentur fur\nArbeit begrundet werden, denn der Klager hat - wie andere Arbeitslose, die von\nder sogenannten 58er-Regelung Gebrauch gemacht haben - keinen zweiseitig\nverpflichtenden Vertrag geschlossen, sondern lediglich eine einseitige\nErklarung des Inhalts abgegeben, dass er nicht arbeitsbereit ist und nicht\nalle Moglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschaftigungslosigkeit zu\nbeenden, gleichwohl im Rahmen des § 428 SGB III Arbeitslosenhilfe beziehen\nwill und sich deshalb bereit erklart, gem. § 428 Abs. 2 SGB III baldmoglichst\nAltersrente zu beantragen. Die Zusage einer bestimmten Leistungsart oder\nLeistungshohe durch einen Sozialleistungstrager ist mit dieser Erklarung nicht\nverbunden. Sie setzt im Gegenteil einen Leistungsanspruch - z. B. auf\nArbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe - voraus. Einer Änderung von\nLeistungshohe oder Leistungsgrund durch eine Rechtsanderung stehen daher weder\ndie vom Klager abgegebene Erklarung noch § 428 SGB III entgegen. Dies wird\noffensichtlich, wenn man sich vorstellt, der Gesetzgeber hatte - etwa auf\nGrund einer gunstigeren gesamtwirtschaftlichen Situation als derzeit\nvorliegend - die Arbeitslosenhilfe erhoht bzw. durch eine hohere andere\nSozialleistung ersetzt. In einer derartigen Situation wurden die bisherigen\nLeistungsbezieher im Rahmen der 58er-Regelung es sicherlich nicht akzeptieren,\nvon dieser Leistungsverbesserung unter Hinweis auf die von ihnen abgegebene\nErklarung ausgeschlossen zu werden. Fur das Gericht ist daruber hinaus der\ngeltendgemachte Vertrauensschutz auch deshalb nicht nachvollziehbar, da nicht\nersichtlich ist, welchen Nachteil die Inanspruchnahme der 58er-Regelung dem\nKlager gebracht haben soll. Die Regelung hat es ihm im Gegenteil ermoglicht,\nArbeitslosenhilfe trotz fehlender subjektiver Verfugbarkeit zu beziehen. Im\nGegenzug hat die zustandige Agentur fur Arbeit zwar keine\nVermittlungsleistungen erbracht, was aber - in Anbetracht fehlenden Interesses\nan einer Beschaftigung - fur den Klager keinen Nachteil darstellte.\nVertrauensschutz besteht im Rahmen des neuen Rechts insoweit, als ihm auch der\nBezug von Leistungen nach dem SGB II unter entsprechenden Voraussetzungen\nmoglich ist (§ 65 Abs. 4 SGB II). Will der Klager stattdessen seinen\nEntschluss revidieren, so steht es ihm frei, seine Erklarung aufgrund der\nÄnderung der Gesetzeslage zu widerrufen und in die Arbeitsvermittlung\nzuruckzukehren. Schließlich wurde es eine moglicherweise verfassungsrechtlich\nunzulassige, da sachlich nicht zu rechtfertigende (vgl. Art. 3 Abs. 1 des\nGrundgesetzes -GG-) Privilegierung derjenigen alteren Arbeitslosen darstellen,\ndie sich aus dem Arbeitsmarkt im Rahmen der 58er-Regelung zuruckgezogen haben,\nwenn dieser Personengruppe ein Vertrauensschutz hinsichtlich Art und Hohe der\nbis zum 31.12.2004 bezogenen Entgeltersatzleistungen zugebilligt wurde, nicht\naber den uber 58jahrigen Arbeitslosen, die in der Vermittlung verblieben sind.\nDiese wurden andernfalls gleichsam wegen ihrer Arbeitsbereitschaft\nbenachteiligt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die zum 1.1.2005 vorgenommenen\nRechtsanderungen fur eine Vielzahl von Sozialleistungsberechtigten, namentlich\nbisherige Bezieher von Arbeitslosenhilfe, zu spurbaren Einbußen gefuhrt haben,\ndie insbesondere bei alteren Arbeitslosen zu unvorhergesehenen und\nwirtschaftlich schmerzhaften Eingriffen in die Lebensplanung fuhren konnen.\nDieses Problem betrifft aber den auf Entgeltersatzleistungen wegen\nArbeitslosigkeit angewiesenen Personenkreis insgesamt und nicht etwa in\nbesonderer Weise die Unterzeichner von Erklarungen gem. § 428 SGB III. Die\nVorstellung des Klagers, sein Verzicht auf die Vermittlung werde durch die\nAbsenkung der ihm zustehenden Sozialleistungen "bestraft" (Schriftsatz vom\n11.7.2005) ist nicht nachvollziehbar, trifft doch die gesetzgeberische\nEntscheidung, die Arbeitslosenhilfe durch andere Sozialleistungen zu ersetzen,\nArbeitslose unabhangig davon, ob die Arbeitslosenhilfe im Rahmen des § 428 SGB\nIII bezogen wurde oder nicht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit der Klager die Frage aufgeworfen hat, ob er die Klage insoweit nicht\ngegen die Bundesagentur fur Arbeit richten musse, hat das Gericht aus\nfolgenden Grunden hieraus keine Konsequenzen gezogen (etwa durch Einbeziehung\nder Bundesagentur als weitere Beklagte oder durch Beiladung): Erstens hat der\nanwaltlich vertretene Klager hierzu keine eindeutige prozessuale Erklarung\netwa im Sinne einer Erweiterung der Klage abgegeben. Zweitens ware eine solche\nnach Überzeugung des Gerichts schon deshalb nicht tunlich gewesen, da die\nKlage, soweit sie auch gegen die Bundesagentur fur Arbeit erhoben worden ware,\nunzulassig gewesen ware. Diese Behorde hat namlich insoweit uberhaupt noch\nkeine Entscheidung getroffen. Vor Erhebung einer Anfechtungs- und\nVerpflichtungsklage wegen nicht gewahrter Sozialleistungen ist grundsatzlich\nzunachst eine Verwaltungsentscheidung uber den geltend gemachten\nSozialleistungsanspruch abzuwarten, solange die Voraussetzungen einer\nUntatigkeitsklage nicht gegeben sind und eine solche nicht beabsichtigt ist\n(vgl. LSG Baden-Wurttemberg, Urt. v. 26.9.1989, Az.: L 3 Ar 535/89 =\nBreithaupt 1990, 349). Im Übrigen besteht - wie sich aus den Ausfuhrungen oben\nergibt - nach Überzeugung des Gerichts auch gegen die Bundesagentur fur Arbeit\nkein Anspruch auf die begehrte Leistung. \n--- \n| 23 \n--- \n| Soweit der Klager den Abzug von Pauschalbetragen fur Warmwasser- und\nEnergiekosten rugt, ist zunachst festzustellen, dass gem. § 22 Abs. 1 Satz 1\nSGB II zwar Anspruch auf Leistungen fur Unterkunft und Heizung in Hohe der\ntatsachlichen Aufwendungen besteht, soweit diese angemessen sind. Hierzu\ngehoren neben der Kaltmiete auch die Nebenkosten, soweit sie vom Vermieter in\nrechtlich zulassiger Weise auf den Mieter umgelegt werden konnen (Kalhorn, in:\nHauck/Noftz, SGB II, K § 22, Rnr. 11). Zur Vermeidung einer doppelten\nBedarfsdeckung sind jedoch diejenigen Nebenkosten herauszurechnen, die sich\nauf Bedarfslagen beziehen, die bereits von der Regelleistung gem. § 20 SGB II\nabgedeckt werden (a. a. O., Rnr. 13). Dies ist insbesondere bei den Kosten der\nBereitung von Warmwasser sowie denen fur Elektrizitat der Fall. Diese Bedarfe\nsind in der dem Klager gewahrten Regelleistung von 345 EUR enthalten. Der\nhierfur von der Beklagten vorgenommene Abzug ist daher dem Grunde nach nicht\nzu beanstanden. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die von der Beklagten angesetzten Pauschalen sind jedoch der Hohe nach\nnicht gerechtfertigt. Aus Sinn und Zweck des aus dem Gesetz ableitbaren Abzugs\nder Warmwasser- und Elektrizitatskosten von den Nebenkosten - der Verhinderung\ndoppelter Bedarfsdeckungen - folgt, dass die Abzugsbetrage nicht uber den\nBetrag hinausgehen durfen, der bei der Bemessung der Regelleistung als diesem\nBedarf korrespondierend berucksichtigt wurde. Andernfalls waren die Empfanger\ndieser Sozialleistung gezwungen, die ihnen tatsachlich hierfur entstehenden\nKosten teilweise mit Hilfe von Anteilen des Regelsatzes bzw. der Regelleistung\nzu decken, die von ihnen benotigt werden und nach dem Willen des\nVerordnungsgebers dazu bestimmt sind, andere Bedarfe zu befriedigen. An Stelle\nder doppelten Bedarfsdeckung, die durch die pauschale Anrechnung vermieden\nwerden soll, wurde sonst eine Bedarfsunterdeckung zu Lasten des\nLeistungsberechtigten herbeigefuhrt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie\nvorliegend - die Kosten fur Haushaltsenergie und Warmwasserbereitung pauschal\nmit den Kosten der Unterkunft erhoben werden und somit nicht vom\nLeistungsempfanger durch ein verandertes Verbrauchsverhalten beeinflusst\nwerden konnen. Mit anderen Worten: Gewahrt der Verordnungsgeber dem\nLeistungsempfanger einen bestimmten Betrag X zur Deckung des Energiebedarfs,\ndarf nicht die zur Deckung der Unterkunftskosten bestimmte weitere\nSozialleistung um einen pauschalierten hoheren Betrag X+Y gekurzt werden mit\nder Begrundung, in dieser Hohe seien tatsachlich in den Unterkunftskosten\nEnergiekosten enthalten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der tatsachlich vom Verordnungsgeber bei der Bemessung des Regelsatzes bzw.\nder Regelleistung fur Alleinstehende berucksichtigte monatliche Betrag fur die\nKosten der Warmwasserbereitung und Haushaltsenergie liegt nicht bei 28 EUR,\nsondern lediglich bei 20,74 EUR, wie sich aus folgendem ergibt: \n--- \n| 26 \n--- \n| Aus § 20 SGB II sowie der Gesetzesbegrundung (BT-Drs. 15/1516, S. 56) ist\nersichtlich, dass fur die Hohe der Regelleistung die Vorschriften des Zwolften\nBuches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) uber die Regelsatze einschließlich der\nRegelsatzverordnung (RSV) maßgeblich sind. Diese wurden vom Verordnungsgeber -\nder Verordnungsbegrundung zufolge (BR-Drucks. 206/04, s. a. info also 2004, S.\n184 ff.) - auf der Grundlage der Verbrauchsausgaben der untersten 20 vom\nHundert der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der zum 1.7.2003\nhochgerechneten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 des statistischen\nBundesamts (ESV) unter Mitwirkung von Sachverstandigen ermittelt. Die\nVerordnungsbegrundung lasst eine exakte Bezifferung der Betrage, die jeweils\neinzelnen Bedarfen zuzuordnen sind, nicht zu. Dort wird lediglich angegeben,\nwelcher Prozentsatz des sog. Eckregelsatzes auf welche Ausgabenabteilung nach\nder EVS entfallt. Fur die Abteilung 04 "Wohnung, Wasser, Strom, Gas u. a.\nBrennstoffe", der der verfahrensgegenstandliche Warmwasser- und Energiebedarf\nzuzuordnen ist, wird ein Satz von 8% (dies entspricht 27,60 EUR) angegeben.\nDarin sind allerdings neben den laut Verordnungsgeber lediglich "weitgehend" -\nund eben nicht in vollem Umfang - zu berucksichtigenden Stromkosten gemaß EVS\nauch die "voll" anzuerkennenden Positionen fur Reparatur und Instandhaltung\nder Wohnung enthalten. Nach der Veroffentlichung des Deutschen Paritatischen\nWohlfahrtsverbandes (DPWV) "Zum Leben zuwenig" (Berlin 2004) sowie nach\nRoth/Thome, Leitfaden Sozialhilfe/Alg II von A-Z, Frankfurt a. M. 2005, S. 173\nschließlich konnen die Stromkosten - und damit die im Regelsatz\nberucksichtigten Energiekosten - aus der fortgeschriebenen EVS 1998 mit 20,74\nEUR (die Reparaturen mit 3,50 EUR und die Instandhaltungs- bzw.\nRenovierungsaufwendungen mit 1,69 EUR) berechnet werden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Überlegungen und Erkenntnisse zu Hohe des in der Regelleistung\nberucksichtigten Betrages fur Energiekosten hat das Gericht den Beteiligten\nbereits im Beschluss vom 18.5.2005 (Az.: S 9 AS 1581/05 ER) mitgeteilt und\nihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte hat ihnen gleichwohl\nin tatsachlicher Hinsicht nicht widersprochen. Das Gericht geht daher\nweiterhin davon aus, dass die vorstehenden Ausfuhrungen zur Berechnung des\nRegelsatzes bzw. der Regelleistung den Tatsachen entsprechen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das Gericht verkennt nicht, dass die von der Beklagten zugrundegelegten\nPauschalabzuge auf den Richtlinien der kommunalen Spitzenverbande in Baden-\nWurttemberg zur Anwendung des SGB II beruhen und mit den Werten der\nSozialhilferichtlinien Baden-Wurttemberg ubereinstimmen. Bei diesen\nRichtlinien handelt es sich jedoch um reines Innenrecht der Beklagten ohne\nRechtsnormqualitat und ohne bindende Wirkung fur die Gerichte. Rechtswirkungen\nentfalten sie nur insoweit, als eine Abweichung von ihren Grundsatzen entgegen\neiner bis dahin geubten Praxis einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3\nAbs. 1 GG) darstellt und daher unzulassig ist (sogenannte Selbstbindung der\nVerwaltung, dazu grds. BSG-Urt. vom 15.3.1979, Az: 11 RA 36/78 = BSGE 48, 92\nff.). Nach Überzeugung des Gerichts sind die baden-wurttembergischen\nRichtlinien zum SGB II und SGB XII hinsichtlich der darin vorgesehenen\nAbzugsbetrage fur Warmwasserbereitung bzw. Energieaufwand mit dem geltenden\nRecht nicht vereinbar. Dies aufgrund der Tatsache, dass im ab 1.1.2005\ngeltenden Eckregelsatz nach der RSV bzw. in der Regelleistung nach § 20 SGB II\nlediglich 20,74 EUR, nicht aber 28 EUR fur die Deckung der korrespondierenden\nBedarfe berucksichtigt sind. Die Richtlinien gehen demgegenuber von einer\nFortschreibung der am 11.6.1990 vom Sozialministerium Baden-Wurttemberg fur\nden Landkreistag Baden-Wurttemberg vorgenommenen Berechnung aus, die\nihrerseits auf einem durchschnittlichen monatlichen Stromverbrauch\nAlleinstehender in Hohe von 148 kWh beruhte, wie sich aus dem\nErlauterungsschreiben des Sozialministeriums vom 4.12.2002 ergibt. Eine auf\ndem Durchschnittsverbrauch basierende Berechnung kann aber die Hohe des\nPauschalabzugs nicht mehr rechtfertigen, wenn der Verordnungsgeber - wie zum\n1.1.2005 geschehen - nicht mehr einen auf dem Durchschnittsverbrauch\nbasierenden und ihm korrespondierenden Betrag bei der Bemessung des\nEckregelsatzes bzw. der Regelleistung zu Deckung des Bedarfes Haushaltsenergie\nheranzieht, sondern einen geringeren. \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Gericht teilt auch nicht die Sorge der Beklagten, wonach ein geringerer\nPauschalabzug entgegen § 6 SGB II zu einer teilweisen Belastung der kommunalen\nTrager mit tatsachlichen Energiekosten fuhre, die nach dem Willen des\nGesetzgebers vollstandig in die Tragerschaft der Bundesagentur fur Arbeit\nfallen sollten. Die Kosten der Unterkunft des Klagers betragen pauschal 175\nEUR, ohne dass eine Aufschlusselung in Grundmiete und Mietnebenkosten erfolgt\noder auch nur moglich ist, geschweige denn eine exakte Herausrechnung der\nKosten fur Warmwasser und Haushaltsenergie. Es geht mithin vorliegend nicht um\ndie Tragerschaft fur einen tatsachlich mathematisch exakt feststellbaren\nBetrag. Stattdessen ist vielmehr wertend zu ermitteln, welcher Anteil der\nmonatlichen Wohnpauschale von 175 EUR vom Klager aus seiner Regelleistung zu\nbestreiten ist. Nach Überzeugung des Gerichts kann dies nur der Teil der\nRegelleistung sein, der dem Klager nach dem Willen des Verordnungsgebers zu\ndiesem Zweck zur Verfugung steht, nicht aber ein durchschnittlicher\nEnergieverbrauch eines Alleinstehenden und ebensowenig der tatsachliche\nEnergieverbrauch des Klagers. Dabei handelt es sich um 20,74 EUR. Im Übrigen\nsind die Aufwendungen fur Unterkunft und Heizung von der Beklagten in voller\nHohe zu ubernehmen, mithin in Hohe von 154,26 EUR monatlich. Dabei handelt es\nsich in vollem Umfang um Leistungen gem. § 22 SGB II, fur die der kommunale\nTrager einzustehen hat und nicht etwa um restliche Haushaltsenergiekosten, fur\ndie die Bundesagentur fur Arbeit zustandig ware. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der von der Beklagten vorgenommene Pauschalabzug ist daher monatlich um\n7,26 EUR zu hoch. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Sie\nwaren daher abzuandern und die Beklagte war zur Gewahrung einer entsprechend\nhoheren Leistung zu verurteilen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des\nRechtsstreits. Das Gericht hat dabei von einer anteiligen Erstattung der\naußergerichtlichen Kosten des Klagers wegen der (kostenrechtlich) relativen\nGeringfugigkeit seines Obsiegens in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2\nder Zivilprozessordnung (ZPO) abgesehen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Berufung war wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen\n(§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n---\n\n
141,301
olgstut-2005-09-08-8-w-41505
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
8 W 415/05
2005-09-08
2019-01-08 18:44:03
2019-02-12 12:20:49
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde der Klagerin wird der\nKostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom\n30.6.2005 dahin\n\n** abgeandert ** **,**\n\ndass die vom Beklagten der Klagerin zu erstattenden Kosten 871,97 EUR nebst\nZinsen in Hohe von 5 %-Punkten uber dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit\n9.6.2005 betragen.\n\n2\\. Im ubrigen wird die sofortige Beschwerde der Klagerin gegen den\nKostenfestsetzungsbeschluss vom 30.6.2005\n\n** zuruckgewiesen. **\n\n3\\. Fur das Beschwerdeverfahren ist eine Gerichtsgebuhr nicht zu erheben. Von\nden außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klagerin 1/5\nund der Beklagte 4/5.\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf den Anfall einer Terminsgebuhr\nnach Nr. 3104 VV/RVG durch Abschluss des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO\nzugelassen.\n\nBeschwerdewert: 203,12 EUR\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Nach Klageinreichung und Klagerwiderung beantragten beide Parteien\nubereinstimmend die Aufhebung des anberaumten Termins zur mundlichen\nVerhandlung und das Ruhen des Verfahrens wegen Vergleichsverhandlungen. Nach\nAbschluss der außergerichtlichen Verhandlungen ohne Mitwirkung des Gerichts\nlegten die Parteien dem Gericht einen Vergleichsentwurf vor, worauf mit\nBeschluss des Landgerichts vom 24.5.2005 das Zustandekommen eines Vergleichs\nnach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde. Danach haben von den Kosten des\nRechtsstreits und insbesondere auch des Vergleichs der Beklagte 64 % und die\nKlagerin 36 % zu tragen. Der Streitwert des Verfahrens wurde auf 19.725,22 EUR\nund fur den Vergleich ein Mehrwert von 3.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Auf den Kostenantrag der Klagerin (ohne Mehrwertsteuer), der eine\nTerminsgebuhr nach Nr. 3104 VV / RVG in Hohe von 1,2 aus dem Streitwert von\n22.725,22 EUR enthielt, und den Kostenantrag des Beklagten, der eine\nTerminsgebuhr von 1,2 aus einem Streitwert von 19.725,22 EUR zuzuglich\nMehrwertsteuer enthielt, setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn\nnach Kostenausgleich die vom Beklagten der Klagerin zu erstattenden Kosten mit\n699,56 EUR fest. Die Terminsgebuhr wurde von ihr nicht berucksichtigt, da bei\neinem Abschluss eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO keine Terminsgebuhr\nanfalle. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen den am 18.7.2005 zugestellten Beschluss hat die Klagerin am 21.7.2005\ndie sofortige Beschwerde eingelegt, mit der die Klagerin die Festsetzung der\nTerminsgebuhr weiter verfolgt. Die Terminsgebuhr sei jedenfalls aufgrund der\nmundlichen Besprechungen und der Erorterung der Vergleichsmoglichkeiten vor\nAbschluss des Gerichtsvergleichs aus der Hohe eines Streitwerts von 22.725,22\nEUR gemaß der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV / RVG i.V.m. Nr. 3104 VV / RVG\nangefallen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Beschluss vom 25.8.2005 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts\nHeilbronn der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur\nEntscheidung vorgelegt. \n--- \nII. \n--- \n| 5 \n--- \n| 1\\. Das Rechtsmittel der Klagerin ist als sofortige Beschwerde statthaft.\nInsbesondere ist der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 ZPO von uber 200,-- EUR\nerreicht. Die Differenz von 64 % der beantragten Terminsgebuhr der Klagerin\naus einem Streitwert von 22.725,22 EUR ohne Mehrwertsteuer, also 526,85 EUR,\nund von 36 % der vom Beklagten beantragten Terminsgebuhr aus einem Streitwert\nvon 19.725,22 EUR zzgl. Mehrwertsteuer, also 323,72 EUR, betragt 203,12 EUR. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die statthafte sofortige Beschwerde wurde in zulassiger Weise eingelegt. \n--- \n| 7 \n--- \n| 2\\. Die sofortige Beschwerde der Klagerin hat teilweise in der Sache\nErfolg. \n--- \n| 8 \n--- \n| a) Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV / RVG entsteht eine Terminsgebuhr auch\nfur die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten\nBesprechungen ohne Beteiligung des Gerichts. Ob solche Terminsgebuhren in dem\nVerfahren, zu dessen Erledigung sie gefuhrt wurden, bei der Kostenfestsetzung\nberucksichtigt werden konnen (ablehnend Zoller-Herget ZPO 25. Aufl., § 104 RN\n21 „Terminsgebuhr" unter Hinweis auf die Erwagungen in BGH NJW 2002, 3713),\nkann dahingestellt bleiben, weil hier im Verfahren selbst durch den Abschluss\neines Vergleichs gemaß § 278 Abs. 6 ZPO nach der Rechtsprechung des Senats\neine Terminsgebuhr angefallen ist. \n--- \n| 9 \n--- \n| b) Der Senat teilt entgegen der Entscheidung des OLG Nurnberg die bei\nZoller/Greger (ZPO, 25. Aufl., § 278 Rn. 27) und Gerold/Schmidt/Muller-Rabe\n(RVG, 16. Aufl., Rn. 54) vertretene Auffassung, dass fur die Mitwirkung des\nRechtsanwalts bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs in einem Verfahren,\nfur das mundliche Verhandlung vorgeschrieben ist, die Terminsgebuhr nach Nr.\n3104 VV / RVG anfallt. Anders als Hartmann (Kostengesetze, 34. Aufl., RVG/VV\n3104, Rn. 30) sieht der Senat den Teilsatz „in einem Verfahren, fur das\nmundliche Verhandlung vorgeschrieben ist" als Obersatz, unter dem nachfolgend\ndie Falle aufgefuhrt sind, in denen eine Terminsgebuhr entsteht, auch wenn\neine mundliche Verhandlung tatsachlich nicht stattgefunden hat. „In einem\nsolchen Verfahren" bezieht sich nach Auffassung des Senats demnach auf das\nVerfahren, in dem eigentlich mundlich zu verhandeln ist, und gerade nicht auf\neinen schriftlichen Vergleich, der in einem Verfahren ohne vorgeschriebene\nmundliche Verhandlung geschlossen wird. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die ausdruckliche Erwahnung des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO erscheint\nbedeutsam im Hinblick auf die fruhere, ganz einhellige Rechtsprechung, wonach\nein solcher Vergleichsschluss keine Verhandlungs- oder Erorterungsgebuhr\nausgelost hat, da er weder von § 31 BRAGO noch von § 35 BRAGO erfasst wurde\n(m. w. Nachw. BGH AGS 2004, 231 = NJW 04, 2311 = FamRZ 04, 1195 = Rpfl 04, 524\n= JurBuro 04, 481 = MDR 04, 965 = AnwBl. 04, 593). In den ersten Entwurfen\nwird § 278 Abs.6 ZPO noch nicht aufgefuhrt. Nachdem § 35 BRAGO fast wortlich\nin Nr. 3104 VV / RVG aufgenommen worden ist, stellt die Anfugung des Falles\neines schriftlichen Vergleichsabschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO eine\nklarstellende Erganzung dar, die auch im Licht der Intention des Gesetzgebers\nzu sehen ist, die vergleichsweise Einigung in einem moglichst fruhen\nVerfahrensstadium zu fordern und zu honorieren und damit zur Beschleunigung\nder Gerichtsverfahren beizutragen und die Justiz zu entlasten (s. hierzu BT-\nDrucks. 15/1971, 209). \n--- \n| 11 \n--- \n| c) Allerdings ist die Terminsgebuhr von 1,2 entgegen der Auffassung der\nKlagerin nur aus einem Streitwert von 19.725,22 EUR festsetzungsfahig. Durch\nBeschluss des Landgerichts Heilbronn vom 24.5.2005 wurde der Streitwert des\nVerfahrens auf 19.725,22 EUR festgesetzt. An diese Festsetzung ist der\nRechtspfleger im Rahmen der Kostenfestsetzung gebunden (§ 63 Abs. 2 Satz 1\nGKG; vgl. Zoller-Herget a.a.O. § 104 RN 21 „Streitwert"; Thomas / Putzo ZPO\n26. Aufl., § 104 RN 10). Danach wurde lediglich fur den Vergleich und damit\nfur die Einigungsgebuhr ein Mehrwert von 3000,- EUR festgesetzt, wahrend es\nfur das ubrige Verfahren und damit die ubrigen Gebuhren beim\nVerfahrensstreitwert von 19.725,22 EUR verbleibt. Soweit sich die\naußergerichtlichen Gesprache der Parteien auf den Mehrwert des Vergleichs\nbezogen haben, ist eine dadurch ausgeloste Rechtsanwaltsvergutung in dem\nvorliegenden Verfahren nicht festsetzungsfahig, weil diese Kosten nicht im\nvorliegenden Rechtsstreit entstanden sind (vgl. Thomas / Putzo a.a.O. RN 7).\nVielmehr uberschritten die Besprechungen insoweit den Streitgegenstand des\nvorliegenden Verfahrens. \n--- \n| 12 \n--- \n| d) Die Klagerin kann danach von dem Beklagten 64 % einer 1,2-Terminsgebuhr\naus dem Streitwert von 19.725,22 EUR, also 496,13 EUR verlangen, wahrend der\nBeklagte von der Klagerin die beantragten 36 % aus einer 1,2-Terminsgebuhr aus\ndem Streitwert von 19.725,22 EUR zuzuglich Mehrwertsteuer erstattet verlangen\nkann. Die Differenz ergibt die 172,41 EUR, um die der\nKostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom\n30.6.2005 zugunsten der Klagerin zu erhohen war. \n--- \n| 13 \n--- \n| 3\\. Angesichts des uberwiegenden Erfolgs der sofortigen Beschwerde ist es\nangemessen, eine Gerichtsgebuhr nicht zu erheben (Nr. 1811 VV / GKG). Die\nEntscheidung zu den außergerichtlichen Kosten ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1,\n91, 92 Abs. 1 ZPO. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die anderslautende Entscheidung\ndes OLG Nurnberg zugelassen, die sich ihrerseits auf ein „obiter dictum" des\nBGH in der oben zitierten Entscheidung beruft. Dort ist - ohne nahere\nBegrundung - ausgefuhrt, dass beim Abschluss eines schriftlichen Vergleichs\nnach § 278 Abs. 6 ZPO neben der Einigungsgebuhr nach Nr. 1000 VV / RVG zwar\ndie Verfahrensgebuhr nach Nr. 3101 VV / RVG, nicht jedoch die Terminsgebuhr\nnach Nr. 3104 VV / RVG entsteht. \n---\n\n
141,694
olgkarl-2006-04-11-13-u-11105
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
13 U 111/05
2006-04-11
2019-01-08 22:21:12
2019-02-12 13:10:13
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom\n27.05.2005 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Klager hat auch die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Auf die tatsachlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug\ngenommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit seiner Berufung verfolgt der Klager seine erstinstanzlichen Anspruche\nin vollem Umfang weiter. \n--- \n**II.** \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Berufung des Klagers ist unbegrundet. Das Landgericht hat zurecht und\nmit weitgehend zutreffender Begrundung die Klage abgewiesen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die nur noch mit rechtlichen Argumenten gefuhrte Berufung ist nicht\ngeeignet, die rechtliche Bewertung des Landgerichts in Frage zu stellen. \n--- \n| 5 \n--- \n| 1\\. Zwischen den Parteien besteht kein Versicherungsvertrag oder ein\nversicherungsvertragsahnliches Rechtsverhaltnis, wie die Beklagte in der\nBerufungserwiderung mit zutreffenden Argumenten ausgefuhrt hat. \n--- \n| 6 \n--- \n| Es gibt unterschiedliche Konstellationen von Beschaffenheits- und\nHaltbarkeitsgarantien in Gebrauchtwagenhandel. Hierbei ist es auch denkbar,\ndass der Kraftfahrzeughandler dem Kaufer Versicherungsschutz verschafft,\ndenkbar ist aber z. B. auch, dass der Handler dem Kaufer eine Garantie gibt,\ndie er mit eigenen Beitragen bei einer Versicherungsgesellschaft\nruckversichert (vgl. hierzu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl. 2005 Rdnr.\n1409 ff.). Die letztgenannte Konstellation liegt hier vor, ein\nVersicherungsverhaltnis besteht dagegen nicht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch eine entsprechende Anwendung des § 6 VVG scheidet aus, weil eben kein\nVersicherungsverhaltnis vorliegt. Schon aus praktischen Grunden kann die\nBeklagte nicht wie ein Versicherer behandelt werden, weil sie als\nVertragswerkstatte nicht dazu verpflichtet sein kann, bei jedem\nWerkstattauftrag zu uberprufen, ob gleichzeitig ihre Haftung als Garantiegeber\nin Frage stehen kann oder nicht. Denn nicht jeder Kunde ist gleichzeitig\nGarantienehmer. \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Ob § 11 Abs. 1 q eine negative Leistungsbeschreibung oder eine den\nHauptleistungsanspruch einschrankende Modifikation darstellt, erscheint\nfraglich, weil nicht alleine die vom Verwender gewahlte Formulierung von AGB-\nKlauseln zur Beurteilung ausreichen kann. Es ist die Frage, ob, wie das\nLandgericht und das OLG Nurnberg (NJW 1997, 2186) meinen ( so wohl auch\nPalandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 307, Rdnr. 57), das Erfordernis\nvorgeschriebener Inspektionen tatsachlich Gegenstand, Art, Umfang, Quantitat\noder Qualitat der vertraglichen Leistung, also die Hauptleistungspflicht (vgl.\nBGH NJW 1990, 761) beschreibt. Diese Frage kann jedoch letztlich dahinstehen. \n--- \n| 9 \n--- \n| 3\\. Denn selbst wenn eine den Hauptleistungsanspruch einschrankende\nModifikation vorlage und damit eine Inhaltskontrolle der Klausel zulassig\nware, ergabe sich nicht ihre Unwirksamkeit. \n--- \n| 10 \n--- \n| Unwirksam ware die Klausel nur, soweit sie Beschrankungen des\nGarantieumfangs vorsehen wurde, die mit den berechtigten Erwartungen des\nVerbrauchers unvereinbar sind (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 57). \n--- \n| 11 \n--- \n| So bestand bei dem vom Bundesgerichtshof im Jahre 1991 entschiedenen Fall\n(NJW-RR 1991, 1013) kein schutzenswertes Interesse des Garantiegebers, eine\nauch nicht schadensursachliche entsprechende Obliegenheitsverletzung des\nGarantienehmers mit dem Argument bestehender Beweisschwierigkeiten zum Verlust\ndes Garantieanspruchs fuhren zu lassen. Anders ist die Situation aber im\nvorliegenden Fall, wo die Klausel nicht dem Schutzzweck des AGB-Gesetzes und\nden berechtigten Erwartungen des Kunden widerspricht, denn es ist nicht Sache\ndes AGB-Gesetzes, dem Kaufer neben dem fur ihn bedeutsamen\nGewahrleistungsanspruchen gegen den Verkaufer auch noch ein Mindestmaß an\nRechten aus einer daneben gegebenen Garantie zu geben (OLG Nurnberg, aaO.;\nUlmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl. 2001, Anhang §§ 9-11, Rdnr. 372,374),\njedenfalls wenn - wie hier (Garantie "incl.") - die Garantie kostenlos ist\n(vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, aaO., Rdnr. 374 a.E.). Der Inhalt der\nvorliegenden Garantiezusage widerspricht nicht dem verkehrstypischen und vom\nKunden nach Treu und Glauben zu erwartenden Deckungsumfang derartiger\nGarantien (vgl. OLG Nurnberg, aaO.; OLG Dusseldorf OLGR 1997, 145), außerdem\nsichert er dem Vertragshandler eine einkunftstrachtige Verdienstquelle auch im\nRahmen seines Kundendienst- und Reparaturgeschafts mit dem Ziel der\nKundenbindung (vgl. OLG Nurnberg, aaO.). Dies hat das Landgericht ebenfalls\nzutreffend ausgefuhrt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte ist im vorliegenden Fall gleich zu behandeln wie der\nGarantiegeber einer Anschlussgarantie im Neuwagenhandel (vgl. Reinking/Eggert,\naaO., Rdnr. 712 ff.), weil die Beklagte als Folge einer freiwilligen\nErweiterung der gesetzlichen Haftung (BGH NJW 1997, 3376) auch eine\nKundenbindung an sich - bzw. eine andere Vertragswerkstatt -bezweckte. Anders\nlage es nach diesen Ausfuhrungen dann, wenn ein Garantiegeber, der kein\nschutzenswertes Interesse an der Kundenbindung hat (also weder ein Hersteller\nnoch ein Kfz-Handler, sondern ein "freier" Garantiegeber) fur die Garantie\neinzustehen hat (vgl. Reinking/Eggert, aaO., Rdnr. 1417) . Die Klausel ist\ndeshalb nicht mit den berechtigten Erwartungen des Verbrauchers unvereinbar\nund ist somit wirksam und fuhrt, da diese Inspektionen unstreitig nicht\ndurchgefuhrt wurden, zum Verlust der Garantie. \n--- \n| 13 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO)\nliegen nicht vor. \n---\n\n
141,696
lg-rottweil-2006-04-11-2-o-49005
141
Landgericht Rottweil
lg-rottweil
Rottweil
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
2 O 490/05
2006-04-11
2019-01-08 22:21:14
2019-01-17 12:01:53
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Hohe\nvon 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.\n\nStreitwert: 30.677,51 EUR.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt Ersatz fur Aufwendungen, die er auf das Haus der\nBeklagten getatigt hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist der Sohn der im Jahre 1919 geborenen Beklagten. Er nahm in\ndem Zeitraum von 1974 bis 1995 am Haus der Beklagten Arbeiten vor und machte\nfinanzielle Aufwendungen zur Erhaltung, Verbesserung und zum Ausbau des Hauses\nund des Grundstuckes. Wahrend dieses Zeitraumes wohnte er auch mietfrei in dem\nHaus der Beklagten. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 29.06.1995 schlossen die Parteien gemeinsam mit der damaligen Ehefrau\ndes Klagers, Frau H., sowie den beiden Kindern des Klagers M. und S., einen\nnotariellen „Übergabe- und Pflegevertrag". Darin wurde die Übergabe des\nGrundbesitzes der Beklagten (Flst. im Grundbuch von W.) an die Kinder M. und\nS. vereinbart. In diesem Vertrag heißt es unter Ziff. I unter anderem: \n--- \n| 4 \n--- \n| „Der Veraußerer [die Beklagte] bzw. nach seinem Ableben Herr R. [Klager]\nsind berechtigt, die jeweilige Zuwendung an einen Erwerber zuruckzufordern,\nsofern \n--- \n| 5 \n--- \n| a) ein Erwerber gegen dieses Verfugungsverbot verstoßt; \n--- \n| 6 \n--- \n| b) ein Erwerber sich durch Verfehlungen gegenuber dem Veraußerer oder\nseinen Eltern oder einem Elternteil als undankbar erweist." \n--- \n| 7 \n--- \n| In Ziffer III des Vertrages heißt es unter der Überschrift\n„Abfindungsvereinbarung": \n--- \n| 8 \n--- \n| „R. [Klager] hat in den zuruckliegenden Jahren, und zwar seit 1974, in\nerheblichem Umfang durch Aufwand an Arbeitszeit und Geld Aufwendungen zur\nErhaltung, Verbesserung und zum Ausbau von Haus und Grundstuck getatigt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Vertragsschließenden veranschlagen den Wert dieser Leistungen mit\n60.000,- DM. \n--- \n| 10 \n--- \n| J. [Beklagte] und R. [Klager] erklaren sich darin einig, dass mit den\nZuwendungen gemaß Teil I. dieser Urkunde diese Leistungen von R. [Klager]\nabgegolten sind." \n--- \n| 11 \n--- \n| Aufgrund von behaupteten Verfehlungen forderte die Beklagte mit Klage vom\n23.09.1996 von den Kindern M. und S. des Klagers die Ruckubertragung des\nGrundstucks. Mit Versaumnisurteil vom 03.04.1997 des Landgerichts R. wurden\ndie Kinder zur Ruckubertragung verurteilt. In Folge des Versaumnisurteils\nwurde das Grundstuck auf die Beklagte zuruckubertragen. Mit notariellem\nVertrag vom 17.10.2002 ubertrug die Beklagte das Grundstuck auf ein weiteres\nEnkelkind. Der Kaufpreis entsprach der Hohe der valutierten Grundpfandrechte\nund wurde zur Ablosung von Handwerkerrechnungen verwendet. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte hat die Einrede der Verjahrung erhoben. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager behauptet, bei den im notariellen Vertrag zugesicherten\n60.000,00 DM handle es sich um Eigenleistungen des Klagers, die er in das Haus\ngesteckt habe, und nicht um Fremdleistungen von Werkunternehmen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager ist der Ansicht, dass mit der Zuwendung des Grundbesitzes an\nseine Kinder seine Arbeitsleistungen und finanziellen Leistungen abgegolten\nsein sollten. Mit der Ruckabwicklung durch das Versaumnisurteil sei die\nGeschaftsgrundlage dieser Vereinbarung weggefallen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 30.677,51 EUR nebst 5 % Punkten\nuber dem Basiszinssatz an Zinsen seit dem 19.01.2006 zu bezahlen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 18 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte behauptet, der Klager habe die Aufwendungen auf das Haus nicht\nselbst, sondern durch Werkunternehmen erbracht, die er nicht bezahlt habe. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei entreichert, da sie das Haus auf ein\nanderes Enkelkind ubertragen habe. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klage ist am 02.01.2006 beim Landgericht R. eingegangen und der\nBeklagten am 05.01.2006 zugestellt worden. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. \n--- \nI. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Das Landgericht R. ist sachlich und ortlich\nzustandig (§§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG, 12, 13 ZPO). \n--- \nII. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist nicht begrundet. Es kann offen bleiben, ob dem Klager\naufgrund der Ruckubertragung des Eigentums an dem Haus von seinen Kindern auf\ndie Beklagte ein Anspruch zusteht. Ein solcher ist, bestunde er, jedenfalls\nverjahrt. \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Zum Zeitpunkt des notariellen Vertrages im Jahr 1995 stand dem Klager\nein Anspruch gegen die Beklagte in Hohe von 60.000,00 DM zu. Dies steht fest\naufgrund des Anerkenntnisses im notariellen Vertrag. Die Parteien\nkonkretisierten die erbrachten Leistungen des Klagers in der\nAbfindungsvereinbarung dahingehend, dass sie sich einig waren, dass die vom\nKlager in der Zeit von 1974 bis 1995 erbrachten Leistungen einen Wert von\n60.000,00 DM haben. Der Umstand, dass die Parteien diese Leistungen in dem\nnotariellen Vertrag erwahnten, zeigt auch, dass die Parteien nicht davon\nausgingen, dass es sich bei den erbrachten Leistungen um bloße Gefalligkeiten\nhandelte. Durch die notarielle Erwahnung haben die Parteien vielmehr klar\nstellen wollen, dass ein entsprechender Anspruch bestand. \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Die Parteien haben mit der Abfindungsvereinbarung in dem notariellen\nVertrag einen Erlassvertrag gemaß § 397 Abs. 1 BGB geschlossen. Sie haben\ndamit uber den in derselben Urkunde festgestellten Anspruch des Klagers uber\n60.000,00 DM verfugt. \n--- \n| 27 \n--- \n| 3\\. Aufgrund der Ruckubertragung des Grundstuckes an die Beklagte durch das\nVersaumnisurteils aus dem Jahr 1997 konnte dem Klager ein Anspruch auf\nRuckabwicklung des Erlassvertrages zustehen. Ein solcher Anspruch ergabe sich\naus einer erganzenden Vertragsauslegung, die einem Anspruch wegen des Wegfalls\nder Geschaftsgrundlage vorgeht. Ob ein solcher Anspruch tatsachlich besteht,\nwird hier jedoch offen gelassen, da er jedenfalls verjahrt ist (siehe unten). \n--- \n| 28 \n--- \n| 4\\. Der mogliche Anspruch auf Ruckabwicklung des Erlassvertrages ist\nverjahrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjahrung erhoben. Die Verjahrung\nbeurteilt sich nicht nach § 196 BGB, sondern nach § 195 BGB. \n--- \n| 29 \n--- \n| a. Nach § 196 BGB verjahren in zehn Jahren die Anspruche auf Übertragung\ndes Eigentums an einem Grundstuck sowie die Anspruche auf die Gegenleistung.\nDie Gegenleistung ist in der Regel der Kaufpreis fur das Grundstuck, kann aber\nauch ein anderes Entgelt sein (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 196\nRn. 4). Es kann hier offen bleiben, ob der zwischen den Parteien im Jahr 1995\nvereinbarte Erlass eine Gegenleistung in diesem Sinne fur die Übertragung des\nGrundstucks an die Kinder des Klagers darstellt. Die zehnjahrige\nVerjahrungsdauer des § 196 BGB ist namlich nach Sinn und Zweck auf Anspruche\naus einer Ruckabwicklung eines Grundstucksgeschafts nicht anzuwenden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Vom Wortlaut her fallen Anspruche aus der Ruckubertragung eines\nGrundstuckes, zu denen der Schuldner aufgrund von Storungen des ursprunglichen\nLeistungsverhaltnisses verpflichtet ist, unter die Regelung des § 196 BGB. Es\nhandelt sich namlich auch bei den Ruckubertragungsanspruchen um „Anspruche auf\nÜbertragung des Eigentums an einem Grundstuck" und die korrespondierenden\n„Anspruche auf die Gegenleistung". Der Anspruchsinhalt andert sich nicht\ndadurch, dass es sich um einen Sekundaranspruch handelt. Zum Teil wird daher\nin der Kommentarliteratur vertreten, dass auch die Ruckgewahranspruche beider\nSeiten durch § 196 BGB abgesichert werden (Staudinger/Peters, BGB,\nNeubearbeitung 2004, § 196 Rn. 11; Palandt/Heinrichs, aaO, § 196 Rn. 5;\nMuKo/Grothe, BGB, 4. Aufl. 2003, § 196 Rn. 4; Erman/Schmidt-Rantsch, BGB, 11.\nAufl. 2004, § 196, Rn. 4). \n--- \n| 31 \n--- \n| Richtigerweise ist jedoch § 196 BGB fur Ruckabwicklungsanspruche\neinschrankend auszulegen, da die zehnjahrige Verjahrungsdauer nach Sinn und\nZweck lediglich fur solche Falle gelten soll, bei denen sich der Vollzug des\nursprunglichen Erfullungsanspruchs aus Grunden verzogern kann, auf die der\nleistungsbereite Schuldner keinen Einfluss hat (Bamberger/Roth, BGB,\nAktualisierung Januar 2005, § 196 Rn. 3). \n--- \n| 32 \n--- \n| Mit der Zehnjahresfrist soll insbesondere den Besonderheiten von Vertragen\nRechnung getragen werden, die Grundstucke oder Rechte an Grundstucken zum\nInhalt haben. Bei diesen Vertragen besteht die Besonderheit, dass der zur\nErfullung fuhrende Leistungserfolg nicht ausschließlich von der\nLeistungshandlung des Schuldner abhangt. Vermessungen und Katastereintragungen\nkonnen zu erheblichen Zeitverzogerungen fuhren. Hinzu kommen Verzogerungen im\nZusammenhang mit der vom Finanzamt zu erteilenden\nUnbedenklichkeitsbescheinigung, wenn der Kaufer uber die Hohe der\nGrunderwerbssteuer mit dem zustandigen Finanzamt streitet und deshalb die\nUnbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt wird (BT-Drucks. 14/6040, S. 105;\nMuKo/Grothe, BGB, 4. Aufl. 2003, § 196 Rn. 1). Bei Ruckubertragungen konnen\nderartige Probleme nicht mehr auftreten. Fur die Anspruche aus der\nRuckubertragung ist daher die Verjahrungsdauer nicht dem § 196 BGB zu\nentnehmen, vielmehr gilt die Regelverjahrung des § 195 BGB. Dies gilt\nunabhangig davon, ob die Ruckubertragung aufgrund einer Storung des\nursprunglichen Leistungsverhaltnisses vorgenommen wird oder weil der Schuldner\naufgrund eines vertraglichen Rucktrittsrechts zur Ruckubertragung verpflichtet\nist (Bamberger/Roth, aaO, § 196 Rn. 3). \n--- \n| 33 \n--- \n| b. Soweit im Jahr 1997 ein Anspruch auf Ruckabwicklung des Erlassvertrages\nbestand, unterliegt dieser somit der Regelverjahrung des § 195 BGB. Dieser\nAnspruch ist gemaß Art. 229, § 6 EGBGB spatestens zum Jahreswechsel 2004/2005\nverjahrt. \n--- \nIII. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur\nvorlaufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. \n--- \nI. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Das Landgericht R. ist sachlich und ortlich\nzustandig (§§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG, 12, 13 ZPO). \n--- \nII. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist nicht begrundet. Es kann offen bleiben, ob dem Klager\naufgrund der Ruckubertragung des Eigentums an dem Haus von seinen Kindern auf\ndie Beklagte ein Anspruch zusteht. Ein solcher ist, bestunde er, jedenfalls\nverjahrt. \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Zum Zeitpunkt des notariellen Vertrages im Jahr 1995 stand dem Klager\nein Anspruch gegen die Beklagte in Hohe von 60.000,00 DM zu. Dies steht fest\naufgrund des Anerkenntnisses im notariellen Vertrag. Die Parteien\nkonkretisierten die erbrachten Leistungen des Klagers in der\nAbfindungsvereinbarung dahingehend, dass sie sich einig waren, dass die vom\nKlager in der Zeit von 1974 bis 1995 erbrachten Leistungen einen Wert von\n60.000,00 DM haben. Der Umstand, dass die Parteien diese Leistungen in dem\nnotariellen Vertrag erwahnten, zeigt auch, dass die Parteien nicht davon\nausgingen, dass es sich bei den erbrachten Leistungen um bloße Gefalligkeiten\nhandelte. Durch die notarielle Erwahnung haben die Parteien vielmehr klar\nstellen wollen, dass ein entsprechender Anspruch bestand. \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Die Parteien haben mit der Abfindungsvereinbarung in dem notariellen\nVertrag einen Erlassvertrag gemaß § 397 Abs. 1 BGB geschlossen. Sie haben\ndamit uber den in derselben Urkunde festgestellten Anspruch des Klagers uber\n60.000,00 DM verfugt. \n--- \n| 27 \n--- \n| 3\\. Aufgrund der Ruckubertragung des Grundstuckes an die Beklagte durch das\nVersaumnisurteils aus dem Jahr 1997 konnte dem Klager ein Anspruch auf\nRuckabwicklung des Erlassvertrages zustehen. Ein solcher Anspruch ergabe sich\naus einer erganzenden Vertragsauslegung, die einem Anspruch wegen des Wegfalls\nder Geschaftsgrundlage vorgeht. Ob ein solcher Anspruch tatsachlich besteht,\nwird hier jedoch offen gelassen, da er jedenfalls verjahrt ist (siehe unten). \n--- \n| 28 \n--- \n| 4\\. Der mogliche Anspruch auf Ruckabwicklung des Erlassvertrages ist\nverjahrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjahrung erhoben. Die Verjahrung\nbeurteilt sich nicht nach § 196 BGB, sondern nach § 195 BGB. \n--- \n| 29 \n--- \n| a. Nach § 196 BGB verjahren in zehn Jahren die Anspruche auf Übertragung\ndes Eigentums an einem Grundstuck sowie die Anspruche auf die Gegenleistung.\nDie Gegenleistung ist in der Regel der Kaufpreis fur das Grundstuck, kann aber\nauch ein anderes Entgelt sein (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 196\nRn. 4). Es kann hier offen bleiben, ob der zwischen den Parteien im Jahr 1995\nvereinbarte Erlass eine Gegenleistung in diesem Sinne fur die Übertragung des\nGrundstucks an die Kinder des Klagers darstellt. Die zehnjahrige\nVerjahrungsdauer des § 196 BGB ist namlich nach Sinn und Zweck auf Anspruche\naus einer Ruckabwicklung eines Grundstucksgeschafts nicht anzuwenden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Vom Wortlaut her fallen Anspruche aus der Ruckubertragung eines\nGrundstuckes, zu denen der Schuldner aufgrund von Storungen des ursprunglichen\nLeistungsverhaltnisses verpflichtet ist, unter die Regelung des § 196 BGB. Es\nhandelt sich namlich auch bei den Ruckubertragungsanspruchen um „Anspruche auf\nÜbertragung des Eigentums an einem Grundstuck" und die korrespondierenden\n„Anspruche auf die Gegenleistung". Der Anspruchsinhalt andert sich nicht\ndadurch, dass es sich um einen Sekundaranspruch handelt. Zum Teil wird daher\nin der Kommentarliteratur vertreten, dass auch die Ruckgewahranspruche beider\nSeiten durch § 196 BGB abgesichert werden (Staudinger/Peters, BGB,\nNeubearbeitung 2004, § 196 Rn. 11; Palandt/Heinrichs, aaO, § 196 Rn. 5;\nMuKo/Grothe, BGB, 4. Aufl. 2003, § 196 Rn. 4; Erman/Schmidt-Rantsch, BGB, 11.\nAufl. 2004, § 196, Rn. 4). \n--- \n| 31 \n--- \n| Richtigerweise ist jedoch § 196 BGB fur Ruckabwicklungsanspruche\neinschrankend auszulegen, da die zehnjahrige Verjahrungsdauer nach Sinn und\nZweck lediglich fur solche Falle gelten soll, bei denen sich der Vollzug des\nursprunglichen Erfullungsanspruchs aus Grunden verzogern kann, auf die der\nleistungsbereite Schuldner keinen Einfluss hat (Bamberger/Roth, BGB,\nAktualisierung Januar 2005, § 196 Rn. 3). \n--- \n| 32 \n--- \n| Mit der Zehnjahresfrist soll insbesondere den Besonderheiten von Vertragen\nRechnung getragen werden, die Grundstucke oder Rechte an Grundstucken zum\nInhalt haben. Bei diesen Vertragen besteht die Besonderheit, dass der zur\nErfullung fuhrende Leistungserfolg nicht ausschließlich von der\nLeistungshandlung des Schuldner abhangt. Vermessungen und Katastereintragungen\nkonnen zu erheblichen Zeitverzogerungen fuhren. Hinzu kommen Verzogerungen im\nZusammenhang mit der vom Finanzamt zu erteilenden\nUnbedenklichkeitsbescheinigung, wenn der Kaufer uber die Hohe der\nGrunderwerbssteuer mit dem zustandigen Finanzamt streitet und deshalb die\nUnbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt wird (BT-Drucks. 14/6040, S. 105;\nMuKo/Grothe, BGB, 4. Aufl. 2003, § 196 Rn. 1). Bei Ruckubertragungen konnen\nderartige Probleme nicht mehr auftreten. Fur die Anspruche aus der\nRuckubertragung ist daher die Verjahrungsdauer nicht dem § 196 BGB zu\nentnehmen, vielmehr gilt die Regelverjahrung des § 195 BGB. Dies gilt\nunabhangig davon, ob die Ruckubertragung aufgrund einer Storung des\nursprunglichen Leistungsverhaltnisses vorgenommen wird oder weil der Schuldner\naufgrund eines vertraglichen Rucktrittsrechts zur Ruckubertragung verpflichtet\nist (Bamberger/Roth, aaO, § 196 Rn. 3). \n--- \n| 33 \n--- \n| b. Soweit im Jahr 1997 ein Anspruch auf Ruckabwicklung des Erlassvertrages\nbestand, unterliegt dieser somit der Regelverjahrung des § 195 BGB. Dieser\nAnspruch ist gemaß Art. 229, § 6 EGBGB spatestens zum Jahreswechsel 2004/2005\nverjahrt. \n--- \nIII. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur\nvorlaufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. \n---\n\n
141,831
olgkarl-2006-05-12-1-w-1806
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 W 18/06
2006-05-12
2019-01-08 22:22:31
2019-02-12 13:10:19
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des\nLandgerichts Heidelberg vom 08. Marz 2006 - 5 O 258/05 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. er Beklagte tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n3\\. er Gegenstandswert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 2.739,31 EUR\nfestgesetzt.\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin fordert von dem Beklagten die Ruckzahlung vorgeschossener\nHandelsvertreterprovisionen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin betreibt ein Unternehmen, das sich mit der Beratung uber\nVersicherungen, Vermogensanlagen und Finanzierungen befasst. Die Parteien\nschlossen am 08. August 2000 mit Wirkung zum 01.10.2000 einen so genannten\n„Mitarbeitervertrag", der mit Wirkung zum 01.02.2002 durch den „X Consultant\nVertrag" vom 21.01.2002 ersetzt wurde. Das Vertragsverhaltnis endete aufgrund\nder Kundigung des Beklagten zum 31.12.2002. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin vertritt die Auffassung, der Beklagte sei fur sie als\nselbststandiger Handelsvertreter tatig geworden, so dass der Rechtsweg zu den\nordentlichen Gerichten eroffnet sei. Dass die Klagerin dem Beklagten in den\nletzten 6 Monaten vor dem Ende des Vertragsverhaltnisses keine\nProvisionszahlungen mehr geleistet habe, sei durch die Aufrechnung von\nProvisionsruckzahlungsanspruchen gegen die endgultigen Provisionsanspruche des\nBeklagten begrundet, die durchschnittlich mehr als 1.000.-- EUR im Monat\nbetragen hatten. Die tatsachliche Nichtzahlung sei unerheblich. Bei der\nBerechnung des Durchschnitts der Provisionsanspruche des Beklagten seien\ndessen betriebliche Aufwendungen, insbesondere fur ein Notebook, nicht zu\nberucksichtigen. Der Beklagte meint hingegen, er sei als abhangiger\nArbeitnehmer der Klagerin anzusehen. Hieraus folge die Zustandigkeit der\nArbeitsgerichte. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Beschluss vom 8. Marz 2006, auf dessen Grunde wegen aller weiteren\nEinzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht Heidelberg den Rechtsweg\nzu den ordentlichen Gerichten gemaß § 13 GVG fur zulassig erachtet. \n--- \n| 5 \n--- \n| Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde, der die\nKlagerin entgegengetreten ist und der das Landgericht nicht abgeholfen hat. \n--- \nII. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die gemaß § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG, §§ 567, 569 ZPO zulassige sofortige\nBeschwerde ist nicht begrundet. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Rechtsstreit ist nicht gemaß §§ 48 ArbGG, 17 a GVG an das\nArbeitsgericht zu verweisen. Ob eine Streitigkeit dem burgerlichen Recht\nzuzuordnen und damit der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemaß § 13\nGVG eroffnet ist, hangt von der Natur des Rechtsverhaltnisses ab, aus dem der\nKlaganspruch hergeleitet wird. Da die Klagerin den Streitgegenstand bestimmt,\nist Grundlage der Entscheidung uber die Zulassigkeit des Rechtswegs ihr\nSachvortrag (OLGR Dusseldorf 2005, 540 ff. m.w.N.). Dabei kommt es jedoch\nnicht auf die Bewertung des Sachverhalts durch die Klagerin, sondern darauf\nan, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begrundung vorgetragenen\nTatsachen bei objektiver Wurdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach\ndem burgerlichen Recht zu beurteilen ist (OLG Karlsruhe B. v. 30.03.2004, 1 W\n20/04). \n--- \n| 8 \n--- \n| 1\\. Die Zustandigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich nicht bereits aus §\n84 Abs. 2 HGB i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Dies ware nur dann der Fall,\nwenn der Beklagte als Angestellter anzusehen ware. \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien im Mitarbeitervertrag (§\n2 Abs. 1) und „X Consultant Vertrag" (§ 1 Abs. 1) war der Klager allerdings\nselbststandiger Gewerbetreibender im Sinne von §§ 84 ff. HGB\n(Handelsvertreter). Die Frage, ob eine selbstandige Tatigkeit im Sinne des §\n84 HGB vorliegt, ist anhand eines Gesamtbildes von Vertragsgestaltung\neinerseits und Vertragshandhabung andererseits zu bestimmen (OLGR Saarbrucken\n2004, 572 ff. m.w.N.) Dabei ist zu prufen, ob der Beklagte seine Tatigkeit im\nWesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen konnte (§ 84 Abs.\n1 S. 2 HGB). Neben den im Gesetz selbst genannten Gesichtspunkten von Ort,\nZeit sowie Art und Weise der Tatigkeit ist dabei insbesondere auch abzuwagen,\nob und inwieweit ein unternehmerisches Risiko besteht und ob und auf welche\nArt und Weise die Vergutung berechnet wird. Dass der Handelsvertreter an\nWeisungen und Richtlinien des Auftraggebers gebunden ist, beruhrt seine\ngrundsatzliche Selbststandigkeit noch nicht (OLG Karlsruhe B. v. 30.03.2004, 1\nW 20/04). \n--- \n| 10 \n--- \n| Vorliegend konnte der Beklagte nach dem Vortrag der Klagerin Zeit und Ort\nseiner Tatigkeit, insbesondere die Zeit und den Ort von Kundengesprachen, im\nWesentlichen selbst bestimmen. Er erhielt eine Provision und hatte deswegen\nauch das wirtschaftliche Risiko eines Misserfolgs seiner Arbeit zu tragen. Es\ngibt nach dem Vortrag der Klagerin keinen Anlass, die ausdruckliche\nVereinbarung der Parteien uber die Selbststandigkeit des Beklagten als nur zum\nSchein getroffen und damit unwirksam anzusehen. Der Beklagte ist nicht\nAngestellter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB. \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Eine Zustandigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich aber auch nicht aus\n§ 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG. Wenn diese Vorschrift anwendbar ist, gilt ein\nHandelsvertreter als Arbeitnehmer. \n--- \n| 12 \n--- \n| a) § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG setzt zunachst voraus, dass ein Handelsvertreter\nzu dem Personenkreis gehort, fur den gemaß § 92 a HGB die untere Grenze der\nvertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann. Das ist\ndann der Fall, wenn der Handelsvertreter aufgrund vertraglicher Vereinbarungen\nnicht fur weitere Unternehmer tatig werden darf oder wenn ihm dies nach Art\nund Umfang der von ihm verlangten Tatigkeit nicht moglich ist (§ 92 a HGB).\nGemeint ist damit der so genannte echte „Ein-Firmenvertreter". \n--- \n| 13 \n--- \n| Zu Recht ging das Landgericht davon aus, dass der Beklagte nach dem Vortrag\nder Klagerin, insbesondere nach den vorliegenden Vertragsunterlagen, als „Ein-\nFirmenvertreter" zu qualifizieren ist. In § 2 des „X Consultant Vertrages" vom\n21.01.2002 wird dem Beklagten jede Tatigkeit fur ein anderes Unternehmen als\ndie Klagerin untersagt. Hieran andert auch nichts, dass sich in der\nentsprechenden Formulierung der einschrankende Zusatz „hauptberuflich"\nbefindet. Dieser soll, wie sich aus seiner Stellung im Satz ergibt, die\nTatigkeit des Beklagten als hauptberuflicher Natur beschreiben und nicht etwa\ndas Konkurrenzverbot fur nebenberufliche Tatigkeiten außer Kraft setzen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Dieses Ergebnis wird bestatigt durch das der genannten Vertragsbestimmung\nunmittelbar folgende Verbot der Beteiligung an Konkurrenzunternehmen. Ein\nsolches Verbot ware uberflussig, wenn der Beklagte nebenberuflich fur\nWettbewerber der Klagerin tatig sein durfte. \n--- \n| 15 \n--- \n| b) Hinzu kommen muss, dass der Handelsvertreter wahrend der letzten sechs\nMonate des Vertragsverhaltnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als\n1.000,00 EUR aufgrund des Vertragsverhaltnisses an Vergutung einschließlich\nProvision und Ersatz fur im regelmaßigen Geschaftsbetrieb entstandenen\nAufwendungen bezogen hat, § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG. \n--- \n| 16 \n--- \n| Da der Beklagte im Durchschnitt der letzten sechs Monate mehr als 1.000.--\nEUR Provisionsanspruche erwarb (vgl. unten 2. b) dd)), kommt es darauf an, ob\ndie tatsachliche Auszahlung der verdienten Provisionen erforderlich und ob bei\nder Berechnung dieses Betrages die Miete fur das Notebook des Beklagten und\nsonstige geschaftliche Aufwendungen abzuziehen sind. \n--- \n| 17 \n--- \n| aa) Bei der Ermittlung des Verdienstes sind weder Provisionsvorschusse oder\ngewahrte Darlehen, sondern nur die tatsachlich „verdienten" Provisionen zu\nberucksichtigen (OLG Saarbrucken aaO m.w.N.). Die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3\nS. 1 ArbGG bestimmt durch die Eroffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten\noder die Begrundung der Zustandigkeit der Zivilgerichtsbarkeit den\ngesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Die Beteiligten\ndurfen es deswegen nicht in der Hand haben, durch tatsachliche oder rechtliche\nHandlungen oder Erklarungen auf die Voraussetzungen von § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG\nund damit den Rechtsweg einzuwirken, weil hierin die unzulassige „Abwahl"\neines ohne solche Eingriffe zustandigen Richters liegen wurde. Aus diesem\nGrund sind Maßnahmen der Parteien, die auf den tatsachlichen Geldfluss\neinwirken (wie etwa schlichte Nichtzahlung), unbeachtlich. \n--- \n| 18 \n--- \n| bb) Der Beklagte erhielt im fraglichen Zeitraum keinerlei Zahlungen von der\nKlagerin mehr, weil die Klagerin mit ihrem Anspruch auf Ruckforderung von\nVorschusszahlungen gegen die Provisionsforderungen des Beklagten aufrechnete.\nEs kommt aber fur die Bemessung des durchschnittlichen Bezugs von Vergutung\nund Ersatz fur Aufwendungen nicht auf die tatsachliche Auszahlung, sondern auf\nden Vergutungsanspruch an (OLGR Dusseldorf 2005, 540 ff.). Die von einer der\nParteien vorgenommene Aufrechnung ist nach oben dargestellten Grundsatzen\nunbeachtlich. Durch die Aufrechnung werden lediglich Zahlung und sofortige\nRuckzahlung vermieden, so dass auch bei Provisionsanspruchen, die infolge\nAufrechnung erloschen sind, von „bezogener" Vergutung im Sinne von § 5 Abs. 3\nS. 1 ArbGG auszugehen ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| aaa) Dem steht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom\n01.11.2005 (4 W 46/05) nicht entgegen. Im dortigen Fall erfolgte fur einen\nbestimmten Monat (Dezember 2001) innerhalb der 6-Monats-Frist eine unter dem\nProvisionsanspruch liegende Auszahlung. Das Oberlandesgericht Frankfurt legte\nder Berechnung der durchschnittlichen Bezuge des dortigen Beklagten lediglich\ndie tatsachlich erfolgte Auszahlung und nicht den Provisionsanspruch zu\nGrunde. Bei dieser Auszahlung handelte es sich um einen Vorschuss; der den\nVorschuss ubersteigende Provisionsanspruch wurde mit Ruckforderungsanspruchen\naufgerechnet. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedene Fall ist einerseits dem\nvorliegenden insoweit nicht vergleichbar, als dort im fraglichen Zeitraum\nnicht die Aufrechnung, sondern die Überlagerung von Provisions- durch\nVorschusszahlungen entscheidend war. Andererseits uberzeugt die dort\nangefuhrte Begrundung nicht, maßgebend seien nur die verdienten und auch\nerfullten Provisionsanspruche. Die Aufrechnung ist ein Erfullungssurrogat\n(Palandt/Gruneberg, BGB 65. Aufl. § 387 Rdnr. 1). Es ist auch unter\nSchutzzweckgesichtspunkten nicht gerechtfertigt, bei § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG\nlediglich erfolgten Zahlungen (und nicht einer Aufrechnung) Erfullungswirkung\nbeizumessen. Zwar soll durch § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG der sozial schwachere\nHandelsvertreter einem Arbeitnehmer gleichgestellt werden, weil er besonders\nschutzbedurftig ist (OLG Hamm v. 04.07.2005, 18 W 25/05). Die\nSchutzbedurftigkeit hangt aber nicht davon ab, ob dem Handelsvertreter gerade\nim 6-Monats-Zeitraum uber 1.000.-- EUR monatlich zufließen. Hat er vor diesem\nZeitraum Vorschusszahlungen erhalten, stehen ihm entsprechende finanzielle\nMittel zur Verfugung, so dass seine Schutzbedurftigkeit nicht mit der\nAufrechnung des Unternehmers begrundet werden kann. \n--- \n| 21 \n--- \n| Ausschlaggebend ist vielmehr die aus der Verbindung niedriger\nProvisionsanspruche einerseits und der Stellung als „Ein-Firmenvertreter"\nandererseits folgende Beschrankung der wirtschaftlichen Betatigungsfreiheit\ndes Handelsvertreters, der zwar geringe Bezuge hat, aber keine Tatigkeit fur\nandere Unternehmer aufnehmen darf, um weitere Einnahmen zu erzielen. Dieser\nSchutzzweck wird aber nicht beeintrachtigt, wenn infolge einer Aufrechnung\nkeine Zahlungen auf Provisionsanspruche erfolgen, die im 6-Monats-Zeitraum\nuber 1.000.-- EUR monatlich im Durchschnitt betragen. Hier besteht nach der\ngesetzgeberischen Wertung keine besondere Schutzbedurftigkeit des\nHandelsvertreters infolge der Beschrankung seiner Betatigungsfreiheit, weil\nihm die Tatigkeit als „Ein-Firmenvertreter" eine ausreichende Lebensgrundlage\nbietet. Eine Aufrechnung mit Ruckforderungsanspruchen aufgrund fruher\ngeleisteter Zahlungen andert hieran nichts. \n--- \n| 22 \n--- \n| bbb) Auch aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 04.07.2005 (18\nW 25/05) folgt nicht, dass im vorliegenden Fall nur die tatsachlichen\nZahlungen (und nicht die erwirtschafteten Provisionsanspruche) zur Berechnung\ndes Durchschnittsbezugs maßgeblich waren. Die Entscheidung befasst sich\nvornehmlich mit der hier unerheblichen Frage, ob der (halftige) Verzicht des\nUnternehmers auf Vorschussruckzahlung als Provisionszahlung aufzufassen ist. \n--- \n| 23 \n--- \n| ccc) Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass bei der Ermittlung\ndes Durchschnittsbezugs nur endgultig verdiente Provisionen und nicht (unter\ndem Vorbehalt der Ruckforderung stehende) Vorschusszahlungen herangezogen\nwerden konnen (BGH NJW 1964, 497 ff.). Vorliegend hatte der Beklagte aber\ngerade endgultige Provisionsanspruche erworben, die im Durchschnitt uber\n1.000.-- EUR monatlich betrugen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Im Ergebnis wird durch die Aufrechnung der Klagerin mit\nRuckforderungsanspruchen die Berechnungsgrundlage fur den durchschnittlichen\nMonatsbezug des Beklagten nicht verandert. Es ist von den Provisionsanspruchen\nauszugehen, die er endgultig verdient hat. \n--- \n| 25 \n--- \n| cc) Die Kosten, die der Beklagte fur die Miete des Notebooks aufwendete,\nhaben ebenfalls außer Betracht zu bleiben, weil sie dem Beklagten nicht\naufgrund des Handelsvertretervertrages entstanden. Schon aus dem Wortlaut von\n§ 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG folgt, dass bei der Beurteilung des durchschnittlichen\nVerdienstes des Handelsvertreters Ersatzleistungen zu berucksichtigen sind,\ndie „auf Grund des Vertragsverhaltnisses" bezogen wurden. Hieran wird die\ngesetzgeberische Vorstellung deutlich, dass der Handelsvertreter grundsatzlich\nalle Aufwendungen selbst tragen muss, ohne dass sie verdienstmindernd zu\nberucksichtigen waren. Andernfalls konnten Ersatzleistungen des Unternehmers\ndie Bezuge des Handelsvertreters nicht erhohen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Hinzu kommt, dass mit Aufwendungen des Handelsvertreters, zu denen er dem\nUnternehmer gegenuber nicht verpflichtet ist, seine Schutzbedurftigkeit nicht\nbegrundet werden kann. Es ist nichts dafur ersichtlich, dass ein\nHandelsvertreter gerade seinem Vertragspartner gegenuber als sozial schwacher\nanzusehen sein sollte, nur weil er aus eigenem Entschluss besonders hohe\nAufwendungen tatigt. Ist der Handelsvertreter aus dem Handelsvertretervertrag\nselbst nicht zu den fraglichen Aufwendungen verpflichtet, stellt es keine\nPflichtverletzung dar, wenn er sie nicht tatigt. Der Unternehmer kann aus\neinem solchen Verhalten des Handelsvertreters keine diesem nachteiligen Folgen\n(wie etwa die Kundigung des Handelsvertretervertrages) herleiten. Der\nHandelsvertreter ist daher wegen außerhalb des Handelsvertretervertrages\nliegender Aufwendungen nicht schutzwurdig. \n--- \n| 27 \n--- \n| Im Ergebnis konnen daher nur Ausgaben verdienstmindernd berucksichtigt\nwerden, zu denen der Handelsvertreter aufgrund des Handelsvertretervertrages\nselbst verpflichtet ist. \n--- \n| 28 \n--- \n| Dass der Beklagte aufgrund des Mitarbeiter- oder des „X Consultant\nVertrages" zur Miete des Notebooks verpflichtet gewesen ware, ist dem Vortrag\nder Klagerin oder dem unstreitigen Sachverhalt aber nicht zu entnehmen.\nVielmehr ergibt sich aus § 10 des „X Consultant Vertrages" gerade, dass die\nVergutung fur die Überlassung von „EDV und Softwareuberlassung" durch einen\nseparaten Vertrag zu regeln war. \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur sonstige Aufwendungen, die der Beklagte aufgrund anderer Abreden mit\nder Klagerin oder Dritten zu tragen hat, geltend diese Ausfuhrungen sinngemaß. \n--- \n| 30 \n--- \n| dd) Nach dem Vortrag der Klagerin bezog der Beklagte im Durchschnitt mehr\nals 1.000.-- EUR an Provision. § 5 Abs. 3 S 1 ArbGG kann daher die\nZustandigkeit der Arbeitsgerichte nicht begrunden. \n--- \n| 31 \n--- \n| 3\\. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG nicht\nerfullt, verbleibt es bei der Zustandigkeit der ordentlichen Gerichte. Es\nkommt dann nicht darauf an, ob der Handelsvertreter in diesen Fallen noch als\narbeitnehmerahnliche Person angesehen werden kann. § 5 Abs. 3 ArbGG enthalt\neine fur Handelsvertreter in sich abgeschlossene Zustandigkeitsregelung, die\nder Regelung uber die Zustandigkeit der Arbeitsgerichte fur\narbeitnehmerahnliche Personen in § 5 Abs. 1 ArbGG vorgeht (OLG Saarbrucken aaO\nm.w.N.). \n--- \n| 32 \n--- \n| Gemaß § 97 ZPO hat der Beklagte die Kosten seiner erfolglosen sofortigen\nBeschwerde zu tragen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Beschwerdewert war auf ein Funftel des Hauptsachewertes festzusetzen\n(OLGR Celle 2005, 82 f. m.w.N.). \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 17 a Abs. 4 S. 5 GVG. \n---\n\n
142,159
vg-stuttgart-2006-07-27-18-k-263606
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
18 K 2636/06
2006-07-27
2019-01-08 23:42:11
2019-01-17 12:02:22
Beschluss
## Tenor\n\nDie aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der zu erwartenden Klage des\nAntragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.02.2005 in\nGestalt der Bescheide des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 29.05.2006\n(Anordnung des Sofortvollzugs) und vom 26.06.2006 (Widerspruchsbescheid) wird\nwiederhergestellt bzw. angeordnet.\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag ist zulassig (§ 80 Abs. 5 Satze 1 und 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr.\n4 VwGO bzw. § 80 Abs. 5 Satze 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. 12\nLVwVG) und begrundet. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des\nHauptsacheverfahrens der in den angefochtenen Bescheiden unter Androhung eines\nZwangsgelds in Hohe von 3.000,-- EUR verfugten Untersagung der Vermittlung von\nSportwetten keine Folge leisten zu mussen, uberwiegt das offentliche Interesse\nan der sofortigen Vollziehbarkeit, denn derzeit bestehen erhebliche Zweifel an\nder Rechtmaßigkeit der angefochtenen Verfugung. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antragsteller hat den Antrag zutreffend gegen die Antragsgegnerin als\nAusgangsbehorde gerichtet, obwohl der Sofortvollzug durch das\nRegierungsprasidium Stuttgart als Widerspruchsbehorde angeordnet wurde (vgl.\nKopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 140 m.w.N.). Wie im\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 26.06.2006\nzutreffend ausgefuhrt, ist Rechtsgrundlage fur Maßnahmen gegen gewerbliche\nSpielvermittler im Sinne von § 14 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in\nDeutschland vom 18.12.2003 (- LottStV -, in Baden-Wurttemberg veroffentlicht\ndurch Gesetz vom 09.06.2004, GBl. Seite 274) § 12 Abs. 1 LottStV, soweit sie\nder Durchsetzung des in §§ 5, 6 LottStV vereinbarten und in Baden-Wurttemberg\ndurch das Gesetz uber staatliche Lotterien, Wetten und Ausspielungen vom\n14.12.2004 (GBl. S. 894) - StLG - sowie das Gesetz zur Ausfuhrung des\nStaatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland vom 28.07.2005 (GBl. S. 586) -\nAGLottStV - umgesetzten staatlichen Monopols fur die Durchfuhrung von\nGlucksspielen dienen. Die nach Inkrafttreten des AGLottStV weiter bestehende\nZustandigkeit der Antragsgegnerin und des Regierungsprasidiums Stuttgart\nergibt sich aus dessen § 5, der als Übergangsvorschrift bestimmt, dass bei\nInkrafttreten des Gesetzes anhangige Verwaltungsverfahren von der nach\nbisherigem Recht zustandigen Behorde fortgefuhrt werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01\n- (NJW 2006, 1261) zur Rechtslage im Freistaat Bayern festgestellt, dass ein\nstaatliches Monopol fur Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des\nArt. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar ist, wenn es konsequent am Ziel der Bekampfung\nvon Suchtgefahren ausgerichtet ist, und dass das in Bayern errichtete\nstaatliche Wettmonopol in seiner gegenwartigen gesetzlichen und tatsachlichen\nAusgestaltung einen unverhaltnismaßigen Eingriff in die Berufsfreiheit\ndarstellt, weil die Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischen\nSpielverhalten nicht hinreichend gewahrleistet ist. Das\nBundesverfassungsgericht hat jedoch nicht die Nichtigkeit der Rechtslage in\nBayern festgestellt, sondern dem Bundes- oder Landesgesetzgeber eine Frist zur\nverfassungskonformen Neuregelung bis zum 31.12.2007 mit der Maßgabe\neingeraumt, dass wahrend der Übergangszeit die bisherige Rechtslage anwendbar\nbleibt und das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Unternehmen\nund deren Vermittlung weiterhin als verboten angesehen werden darf. Allerdings\nmusse in der Übergangszeit damit begonnen werden, das bestehende Wettmonopol\nkonsequent an einer Bekampfung der Wettsucht und einer Begrenzung der\nWettleidenschaft auszurichten. Bis zu einer Neuregelung seien eine Erweiterung\ndes Angebots staatlicher Wettveranstaltungen sowie eine gezielt zum Wetten\nauffordernde Werbung untersagt. Fur die weitergehende Prufung der\nVereinbarkeit des staatlichen Wettmonopols mit den Bestimmungen des\neuropaischen Gemeinschaftsrechts hat sich das Bundesverfassungsgericht\nausdrucklich fur nicht zustandig erklart, inhaltlich aber ausgefuhrt, die\nAnforderungen des deutschen Verfassungsrechts an die Rechtfertigung eines\nStaatsmonopols liefen den vom Europaischen Gerichtshof in dessen Urteil vom\n06.11.2003 - C-243/01 - (-Gambelli-, NVwZ 2004, 87) formulierten Vorgaben\nparallel. Die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprachen damit denen\ndes Grundgesetzes. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Rechtslage in Baden-Wurttemberg fußt auf den Regelungen des LottStV und\nenthalt im StLG und AGLottStV keine weitergehenden Bestimmungen zur\nSicherstellung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten Schutzzwecks.\nDamit erweist sich auch die Rechtslage in Baden-Wurttemberg als\nverfassungswidrig. Die sich danach stellende Frage, ob die derzeitige\ntatsachliche Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols in Baden-Wurttemberg\nden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts fur die Übergangszeit bis zum\n31.12.2007 entspricht, ist streitig. Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts\nStuttgart hat mit Beschluss vom 17.07.2006 - 4 K 2657/06 - ausgefuhrt, der\naktuelle Vollzug im Land gehe nach wie vor uber eine neutrale staatliche\nGluckspiel-Information hinaus und habe unverandert werbenden Charakter.\nDemgegenuber hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 19.07.2006\n- 4 K 1003/06 - entschieden, das Finanzministerium Baden-Wurttemberg habe am\n07.04.2006 einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgestellt, der die\nEinschrankung des Wettangebots, des Vertriebs und der Werbung sowie Maßnahmen\nzur Suchtpravention vorsehe, und setze diese Maßnahmen derzeit um. Damit konne\nder Vorwurf eines erheblichen Verstoßes gegen die Maßgaben des\nBundesverfassungsgerichts fur die Übergangszeit nicht aufrecht erhalten\nwerden, zumal nach den Ausfuhrungen des Bundesverfassungsgerichts bereits der\nBeginn der Ausrichtung des staatlichen Wettmonopols an dem Ziel der Bekampfung\nder Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft genuge. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die streitige Frage der derzeitigen Anwendbarkeit der vom\nBundesverfassungsgericht bestimmten Übergangsregelung nach nationalem Recht\nkann vorliegend offen bleiben, denn nach Auffassung der Kammer ist jedenfalls\nsehr zweifelhaft, ob auch hinsichtlich des Verstoßes der in Baden-Wurttemberg\ndas staatliche Wettmonopol begrundenden Vorschriften gegen das\nGemeinschaftsrecht eine vergleichbare Übergangsregelung dahingehend Anwendung\nfinden kann, dass trotz Unvereinbarkeit des Rechtslage mit der\nDienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit weiterhin das Staatsmonopol sofort\nvollziehbar durchgesetzt werden kann. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Europaische Gerichtshof hat mit Urteil vom 06.11.2003 (a.a.O.) zu einem\nvergleichbaren Staatsmonopol fur Gluckspiele in Italien entschieden, dass zum\neinen ein Verstoß gegen die nach Art. 43 EGV geschutzte Niederlassungsfreiheit\nhinsichtlich der in anderen EU-Mitgliedstaaten ansassigen Wettveranstalter und\nzum anderen ein Eingriff in den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 EGV)\nhinsichtlich der in anderen Mitgliedstaaten ansassigen Leistungserbringer\nsowie der im jeweiligen Staat ansassigen Vermittler und der dortigen Empfanger\nder Dienstleistungen vorliegen. Eine Beschrankung sei nur aus den in Art. 45\nund 46 EGV vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulassig und komme nur in Betracht,\nwenn das Staatsmonopol geeignet und erforderlich sei, um die mit Spielen und\nWetten einhergehenden sittlich und finanziell schadlichen Folgen fur den\nEinzelnen und fur die Gesellschaft zu bekampfen. Da die Vorgaben des\nGemeinschaftsrechts denen des Grundgesetzes entsprechen (BVerfG, Urteil vom\n28.03.2006, aaO), ist festzustellen, dass die derzeitige Rechtslage in Baden-\nWurttemberg gegen Art. 43 und 49 EGV verstoßt, da sie von ihrer Ausgestaltung\nher den Zielen nicht ausreichend Rechnung tragt, die sie rechtfertigen\nkonnten. Die Kammer geht dabei davon aus, dass im Falle der vom Antragsteller\nvermittelten Sportwetten die dem in Österreich ansassigen Veranstalter\nerteilte Konzession in Deutschland nicht gilt (so aber VG Gießen, Urteil vom\n21.11.2005 - 10 E 872/05 -). Der Europaische Gerichtshof ist in seinem Urteil\nvom 06.11.2003 (aaO) der gegenteiligen Auffassung des Generalanwalts vom\n13.03.2003 (C-243/01, Nr. 118, der sich im Übrigen im Verfahren C-338/04 u.a.\nder Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom 16.05.2006, Nr. 130,\nangeschlossen hat) offensichtlich nicht gefolgt. Denn sonst hatte die\nEntscheidung sowohl im Ergebnis als auch in der Begrundung anders ausfallen\nmussen (so zu Recht die 4. Kammer des beschließenden Gerichts in ihrem\nBeschluss vom 17.07.2006). \n--- \n| 8 \n--- \n| Den EG-Rechtsnormen kommt gegenuber gultigem nationalen Recht\nAnwendungsvorrang zu, wobei als gultiges nationales Recht vorliegend auch das\nvom Bundesverfassungsgericht definierte Übergangsrecht anzusehen ist.\nVorrangiges EG-Recht fuhrt zwar nicht zur Nichtigkeit entgegenstehender\nnationaler Bestimmungen, zwingt aber Gerichte und Verwaltungsbehorden dazu,\nsie insoweit nicht anzuwenden, als der Konflikt mit EG-Recht auftritt. Einer\nvorherigen Beseitigung dieser Bestimmungen auf gesetzgeberischem Wege oder\ndurch ein irgendwie geartetes verfassungsrechtliches Verfahren bedarf es nicht\n(vgl. EuGH, Urteil vom 09.03.1978 - Rs 106/77 -, Slg. 1978, I - 629; Jarass/\nBelijin , Die Bedeutung von Vorrang und Durchfuhrung des EG-Rechts fur die\nnationale Rechtssetzung und Rechtsanwendung, NVwZ 2004, 1 ff., m.w.N.;\nKopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 163). Anders als § 95 Abs. 3 BVerfGG in der durch\ndie Rechtsprechung des BVerfG vorgenommenen Auslegung kennt das\nGemeinschaftsrecht keine Übergangsregelung in dem Sinne, dass eine an sich\nverfassungswidrige Norm fur einen Übergangszeitraum weiterhin Geltung hat.\nAndererseits hat der Europaische Gerichtshof schon verschiedentlich\nentsprechende Übergangsregelungen getroffen (vgl. z.B. Urteil vom 30.05.2006 -\nC-317/04 und C-318/04 - sowie die zusammenfassende Darstellung im\nSchlussantrag der Generalstaatsanwaltin vom 14.03.2006, Nr. 130 ff, im\nVerfahren C-475/03, in dem es um die Frage geht, unter welchen Umstanden und\nwie die Wirkungen einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs zeitlich beschrankt\nwerden konnen). Die Kammer hat aber erhebliche Bedenken dagegen, dass Gerichte\nder Mitgliedsstaaten Voraussetzungen und Dauer einer europarechtlichen\nÜbergangsregelung jeweils - und moglicherweise unterschiedlich - im Einzelfall\nfestlegen (ebenso die 4. Kammer des beschließenden Gerichts im Beschluss vom\n17.07.2006; VG Arnsberg, Beschluss vom 23.05.2006 - 1 L 384/06 -; VG Minden,\nBeschluss vom 26.06.2006 - 3 L 249/06 -; vgl. auch den zitierten Schlussantrag\nder Generalanwaltin vom 14.03.2006 - C-475/03 -, Nr. 150, der fordert, dass\nder EuGH jede Entscheidung uber die Beschrankung der zeitlichen Wirkung eines\nseiner Urteile als Einzelfallentscheidung in Ansehung der jeweiligen Umstande\nzu treffen habe). Soweit ersichtlich hat der Europaische Gerichtshof bisher\nÜbergangsregelungen auch stets selbst getroffen bzw. die Beteiligten darauf\nhingewiesen, wie sie ihre fur eine Übergangsregelung vorgetragenen Interessen\nauf andere Weise ausreichend geltend machen konnen (vgl. Jarass/ Belijin ,\na.a.O., Seite 5, und die dort unter Fußnote 60 genannten Entscheidungen). Die\nAuffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom\n28.06.2006 - 4 B 961/06 - (ihm folgend auch VG Freiburg, a.a.O.), auch im\nHinblick auf den Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften sei eine\nÜbergangsregelung nach denselben zeitlichen wie materiellen Maßstaben\nangezeigt, wie sie das Bundesverfassungsgericht unter dem Gesichtspunkt des\nArt. 12 Abs. 1 GG angenommen habe, uberzeugt deshalb nicht. Das\nBundesverfassungsgericht hat sich ausdrucklich nicht mit dem Gewicht der\nInteressen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit befasst und\ninsofern auch nicht gepruft, ob die fur eine unterstellt zulassige\nÜbergangsregelung erforderliche schwerwiegende Gefahr (vgl. den Schlussantrag\nder Generalanwaltin vom 14.03.2006, aaO, Nr. 153) in einer den Anforderungen\ndes EuGH-Urteils vom 13.11.2003 - C-42/02 - (-Lindman-, Slg. 2003, I-13519)\ngenugenden Weise dargelegt worden ist. In dieser Entscheidung hat der\nEuropaische Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die von einem Mitgliedstaat\nfur die Einschrankung der Dienstleistungsfreiheit geltend gemachten\nRechtfertigungsgrunde (Gegenstand war die steuerliche Benachteiligung\nfinnischer Steuerpflichtiger bei der Teilnahme an einer in einem anderen\nMitgliedsstaat stattfindenden Lotterie) von einer Untersuchung zur\nZweckmaßigkeit und zur Verhaltnismaßigkeit der von diesem Staat erlassenen\nbeschrankenden Maßnahme begleitet werden mussen. Nach dem vom\nFinanzministerium Baden-Wurttemberg am 07.04.2006 vorgestellten\nMaßnahmenkatalog (Pressemitteilung Nr. 42/2006) ist erst vorgesehen, einer\nForschungseinrichtung den Auftrag zu erteilen, sich dezidiert mit dem\nSuchtpotential der einzelnen Spielangebote, der Werbung und der Vertriebswege\nzu befassen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Letztlich kann die Frage, ob die Verwaltungsgericht befugt sind, eine\neuroparechtliche Übergangsregelung entsprechend der vom\nBundesverfassungsgericht hinsichtlich des Grundgesetzverstoßes getroffenen\nMaßstaben vorzuschreiben, offen und ihre Beantwortung der\nHauptsacheentscheidung vorbehalten bleiben. Denn jedenfalls sind die hiergegen\nbestehenden Bedenken der Kammer so groß, dass allenfalls von einer offenen\nRechtslage gesprochen werden kann. Die danach vorliegend zu treffende\nInteressenabwagung hat zugunsten der Aussetzungsinteressen des Antragstellers\nzu erfolgen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Auch wenn der Antragsteller seine Gewerbetatigkeit erst im September 2004\naufgenommen hat und ihm das Risiko hinsichtlich ihrer Legalitat zu diesem\nZeitpunkt bekannt gewesen sein musste, ist zu berucksichtigen, dass er sich\nmoglicherweise auf Art. 49 EGV berufen kann und der Sofortvollzug der\nangefochtenen Verfugung seine derzeitige Existenzgrundlage gefahrdet.\nDemgegenuber ist das von der Antragsgegnerin angefuhrte Gefahrdungspotential\nder Vermittlung privater Gluckspiele dadurch relativiert, dass die staatlichen\nVeranstalter seit Jahren und jedenfalls bis zum Urteil des\nBundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 massiv um Teilnehmer geworben haben\nund die Bekampfung einer Suchtgefahr in diesem Zeitraum offensichtlich keine\nabsolute Prioritat genossen hat. Belastbare Fakten fur die Gefahren, die aus\nder beanstandeten gewerblichen Tatigkeit des Antragstellers resultieren,\nliegen wohl nicht vor bzw. sind in diesem Verfahren nicht dargelegt worden.\nWie ausgefuhrt will das Finanzministerium Baden-Wurttemberg eine entsprechende\nUntersuchung erst jetzt in Auftrag geben. Hinzuweisen ist auch auf die vom\nBundesverfassungsgericht unter Hinweis auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2004\ngetroffene Feststellung, dass bei weitem die meisten Spieler mit\nproblematischem oder pathologischem Spielverhalten nach derzeitigem\nKenntnisstand an Automaten spielen, die nach der Gewerbeordnung betrieben\nwerden durfen. An zweiter Stelle in der Statistik folgen Casino-Spiele. Alle\nandere Gluckspielformen tragen gegenwartig deutlich weniger zu problematischem\nund pathologischem Spielverhalten bei. Das Suchtpotential von Sportwetten mit\nfesten Gewinnquoten kann danach derzeit noch nicht abschließend beurteilt\nwerden, wenn auch nach ersten Untersuchungen das Suchtpotential von\nSportwetten nicht zu vernachlassigen ist. Vor diesem Hintergrund uberwiegt\nnach Auffassung der Kammer das Interesse des Antragstellers, bis zur\nRechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug verschont zu\nbleiben. Sollte die zu erwartende Neuregelung des staatlichen Gluckspiel-\nMonopols vorher folgen, steht es dem Antragsgegner frei, eine Abanderung der\nvorliegenden Entscheidung zu beantragen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Nach den vorstehenden Ausfuhrungen kann auch die Vollziehbarkeit der\nunselbstandigen Zwangsmittelandrohung keinen Bestand haben. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die\nStreitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr.\n2 GKG. Die Kammer orientiert sich dabei an der fur eine Gewerbeuntersagung\ngeltenden Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 und halt wegen des\nvorlaufigen Charakters der vorliegenden Entscheidung eine Halbierung dieses\nWerts fur angemessen. \n---\n\n
142,341
vg-karlsruhe-2006-08-21-6-k-156306
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 K 1563/06
2006-08-21
2019-01-09 08:12:52
2019-01-17 12:02:30
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Antrage werden abgelehnt.\n\n2\\. Der Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n3\\. Der Streitwert fur das Verfahren wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Antrage des Antragstellers, \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben,\ndurch geeignete Maßnahmen vorlaufig dafur zu sorgen, dass der an der ... in\n... gelegene Sandplatz nicht als Bolzplatz genutzt wird, sowie \n--- \n| 3 \n--- \n| 2\\. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben,\ndurch geeignete Maßnahmen vorlaufig dafur zu sorgen, dass der an der ... in\n... gelegene Kinderspielplatz nicht widmungswidrig genutzt wird \n--- \n| 4 \n--- \n| sind zulassig, jedoch nicht begrundet. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die gesetzlichen Voraussetzungen fur den Erlass der begehrten einstweiligen\nAnordnung, d.h. die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes und eines\nAnordnungsanspruches (siehe § 123 Abs.1 und Abs.3 VwGO, §§ 920 Abs.2, 294 ZPO\nentspr.), liegen weder hinsichtlich des Sandplatzes - Ballspielbereichs - (1.)\nnoch des ubrigen Kinderspielplatzes - Bereich der Spielgerate - (2.) vor. \n--- \n1. \n--- \n| 6 \n--- \n| Zunachst hat der Antragsteller keinen offentlich-rechtlichen\nUnterlassungsanspruch und damit Anordnungsanspruch gegen den unmittelbar an\nsein Grundstuck angrenzenden Ballspielbereich (Sandplatz) glaubhaft gemacht. \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der strittige\nBallspielbereich mit seiner konkreten Ausstattung von der Ausweisung als\n„Spielplatz" im Bebauungsplan Allmend der Antragsgegnerin vom 24.07.1995\ngedeckt. Bei dem Ballspielbereich handelt es sich gerade nicht um einen\ntypischen Bolzplatz, vielmehr ist die Sandflache einerseits und der sich\nnordlich anschließenden Bereich der Spielgerate als ein (Kinder-)Spielplatz zu\nqualifizieren. Kinderspielplatze sind auf die unmittelbare Nahe zur\nWohnbebauung angewiesen und als deren sinnvolle Erganzung sowohl im\nallgemeinen Wohngebiet (wie hier) als auch im reinen Wohngebiet grundsatzlich\nzulassig. Hiervon zu unterscheiden sind typische Bolzplatze, die auch und vor\nallem der spielerischen und sportlichen Betatigung Jugendlicher und junger\nErwachsener dienen. Sie unterscheiden sich von Kinderspielplatzen wegen der\nvon ihnen ausgehenden starkeren Auswirkungen auf ihre Umgebung und erfordern\ndeshalb eine andere bauplanungsrechtliche Beurteilung (BVerwG, Beschl. v.\n03.03.1992 - 4 B 70.91 -, BRS 54 Nr.43). Allerdings konnen auch\nKinderspielplatze durchaus Bereiche aufweisen, die fur Ballspiele geeignet und\nbestimmt sind. Dies kann namentlich dann der Fall sein, wenn es sich um\nkleinraumige Anlagen handelt, die im Wesentlichen auf die korperliche\nFreizeitbetatigung von Kindern zugeschnitten sind (OVG Nordrhein-Westfalen,\nUrt. v. 06.03.2006 - 7 A 4591/04 -, juris; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 16.04.2002\n- 10 S 2443/02 -, BRS 65 Nr.184; bestatigt durch BVerwG, Beschl. v. 11.02.2003\n- 7 B 88.02 -, BRS 66 Nr.171). \n--- \n| 8 \n--- \n| Davon ausgehend handelt es sich bei dem hier strittigen Bereich nicht um\neinen Bolzplatz, sondern um einen Ballspielbereich innerhalb eines\nSpielplatzes. Dies ergibt sich bereits aufgrund der Große und Ausstattung des\nBereiches. \n--- \n| 9 \n--- \n| Es fehlen etwa feste Tore, so dass diese von den Kindern durch Ablegen von\nKleidung o.a. selbst markiert werden mussen. Dass - so der Vortrag des\nAntragstellers - einige Kinder Tore zuweilen selbst mitbringen, macht die\nAnlage nicht zum Bolzplatz. Darin zeigt sich vielmehr, dass der Platz fur eine\nernsthafte sportliche Betatigung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen\ngerade nicht geeignet ist. Die mitgebrachten Tore durften -\ngerichtsbekanntermaßen - relativ klein dimensioniert sein und schon von daher\nein wettkampfmaßiges Ballspielen durch großere Gruppen nicht erlauben. Diese\nEinschatzung wird durch die Aufzeichnungen des Antragstellers, die er etwa fur\ndie Monate Marz bis Mai 2006 dem Gericht vorgelegt hat, bestatigt. Danach\nspielten an verschiedenen Tagen zwischen zwei und acht „Jungen" Fußball, nur\nein einziges Mal - am 11.04.2006 - spielten danach 10 Kinder Fußball. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dass der Sandplatz schon wegen seiner Große nicht als Bolzplatz im Sinne der\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 03.03.1992, aaO.) zu\nqualifizieren ist, ergibt sich auf Grundlage des vom Antragsteller vorgelegten\nLichtbildes. In diesem Zusammenhang kann die zwischen den Beteiligten\nstrittige Frage nach der genauen Große des Sandplatzes offen bleiben. Die\nFlache ist aufgrund ihrer Große jedenfalls offensichtlich nicht geeignet, den\nBewegungsdrang alterer Jugendlicher und junger Erwachsener, die sich zum\n„Freizeitkicken" treffen, Rechnung zu tragen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Als Bolzplatz im oben dargestellten Sinn ist der strittige Bereich im\nÜbrigen deshalb nicht geeignet, weil - wie aus dem vom Antragsteller\nvorgelegten Lichtbild zu ersehen ist - die tiefe Sandaufschuttung ein\nsportliches und ernsthaftes Fußballspielen verhindert. \n--- \n| 12 \n--- \n| Schließlich ergibt sich auch aus der Beschilderung des Spielplatzes -\ninsbesondere durch die altersmaßige Beschrankung auf Kinder unter 14 Jahren -,\ndass die Sandflache allein Kindern und nicht den Nutzern eines typischen\nBolzplatzes zur Verfugung steht. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der vom Antragsteller vorgebrachte Einwand, der Sandplatzbereich sei vom\nubrigen Spielplatzgelande durch einen 2,50 m hohen Zaun abgetrennt und konne\nschon deshalb raumlich nicht als Teil des eigentlichen Kinderspielplatzes\nangesehen werden, greift nicht. Die Umzaunung der Sandflache soll erkennbar\ndie Balle zuruckhalten, fur die Qualifizierung der Gesamtanlage als einen\nKinderspielplatz ist dieser Umstand unerheblich. Gleiches gilt fur den\nUmstand, dass die Parkbank des Spielplatzes mit dem Rucken zur Sandflache in\nRichtung auf den Geratebereich aufgestellt ist; dies erleichtert die\nBeaufsichtigung der Kleinkinder, die sich wohl vorwiegend im Bereich der\nSpielgerate aufhalten. \n--- \n| 14 \n--- \n| Aus der Qualifizierung des hier in Rede stehenden Sandplatzes als Teil des\nSpielplatzes folgt. dass es sich grundsatzlich um eine Einrichtung handelt,\ndie als sozialadaquat regelmaßig innerhalb von Wohnbebauung zulassig ist\n(BVerwG, Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 5.88 -, BRS 52 Nr.47). Grundsatzlich hat\ndamit der Antragsteller keinen Anspruch auf Beseitigung der Anlage bzw.\nUnterlassung der Nutzung. \n--- \n| 15 \n--- \n| b) Der Antragsteller hat ferner nicht glaubhaft gemacht, dass der strittige\nBallspielbereich im Hinblick auf die besonderen Umstanden des Einzelfalles\nausnahmsweise unzulassig ist. Dass der Gebietscharakter durch Wohnnutzung\ngepragt ist, begrundet von vornherein keine Ausnahme vom oben dargelegten\nGrundsatz. Um den Bedurfnissen von Kindern und etwaigen Betreuungspersonen\nRechnung zu tragen, gehoren Kinderspielplatze in die unmittelbare Nahe einer\nWohnbebauung; sie sind als deren sinnvolle Erganzung anzusehen. Dies gilt in\ngleicher Weise auch fur Kinderspielplatze wie dem hier zu beurteilenden, bei\ndem ein Ballspielbereich fur Kinder angeschlossen ist. Es ist daruber hinaus\nweder ersichtlich noch vom Antragsteller substantiiert - etwa durch die\nVorlage eines privaten Schallgutachtens - dargelegt, dass er unzumutbaren oder\ngar gesundheitsschadlichen Gerauschimmissionen ausgesetzt ist. Auch die\nweiteren pauschalen Behauptungen, „die Beeintrachtigungen hatten in den\nletzten Monaten erheblich zugenommen bzw. in den Abendstunden nehme das Bolzen\ngenau dann zu, wenn Berufstatige nach Erholung strebten", konnen die\nUnzulassigkeit des Spielplatzes nicht begrunden. Den Aufzeichnungen des\nAntragstellers fur die Monate Marz bis Mai 2006 lasst sich weder entnehmen,\ndass auf dem Sandplatz besonders haufig Fußball gespielt worden ist (ca. zehn\nEintrage fur Fußball auf dem Sandplatz) noch dass der Sandplatz zu besonders\nspaten Abendstunden genutzt worden ist (der spateste Eintrag am 21.05.2006\nnotiert 18.45 Uhr). Schließlich vermag auch die Behauptung des Antragstellers,\nam 21.07.2006 hatten acht Jungs gegen 21 Uhr auf dem Sandplatz Fußball\ngespielt, die Unzulassigkeit des Ballspielbereichs nicht zu begrunden.\nVielmehr belegen die vom Antragsteller angefuhrten „Vorfalle" eindrucksvoll,\ndass die Nutzung des Ballspielbereichs als sozial adaquat zu qualifizieren\nist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Haufigkeit als auch der Zeiten, zu\ndenen Ballspiele betrieben werden; im Übrigen machen die Aufzeichnungen des\nAntragstellers auch deutlich, dass - entsprechend der Altersbeschrankung -\nauch ganz vorwiegend Kinder den Ballspielbereich nutzen. \n--- \n| 16 \n--- \n| c) Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann auch nicht davon\nausgegangen werden, dass der Sandplatz nicht zum Fußballspielen gewidmet ist.\nDie Antragsgegnerin hat sowohl in den vorgerichtlichen Schreiben an den\nAntragsteller als auch im gerichtlichen Eilverfahren keinen Zweifel daran\ngelassen, dass sie ein gelegentliches „Kicken" auf dem Sandplatz durchaus\nakzeptiert und vom Widmungszweck als umfasst ansieht. Bereits im Jahre 2004\nhatte der Gemeinderat der Antragsgegnerin dem Antragsteller in Aussicht\ngestellt, mittelfristig einen Zaun entlang des Sandplatzes zu errichten; diese\nMaßnahme macht selbstverstandlich nur Sinn vor dem Hintergrund, dass\nBallspiele auf dem Gelande zugelassen sind. Etwas anderes ergibt sich auch\nnicht aus der Beschilderung des Kinderspielplatzes, wonach das Symbol eines\nfußballspielenden Kindes durchgestrichen ist. Diese Beschilderung ist zwar\nmissverstandlich und sollte von der Antragsgegnerin - zur Vermeidung von\nMissverstandnissen - uberklebt werden, wie sie es in ihrem Schriftsatz vom\n17.08.2006 angekundigt hat. Die Beschilderung ist aber nicht geeignet, den vom\nGemeinderat festgelegten Umfang der Widmung mit verbindlicher Wirkung\ngegenuber den Burgern einzuschranken; es handelt sich um ein Hinweis- und\nInformationsschild und gerade nicht um eine Regelung mit Außenwirkung. \n--- \n2. \n--- \n| 17 \n--- \n| Auch der gegen den ubrigen Kinderspielplatz - Bereich der Spielgerate -\ngerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt erfolglos. \n--- \n| 18 \n--- \n| a) Sinngemaß begehrt der Antragsteller im Hinblick auf die von ihm geltend\ngemachten Beeintrachtigungen durch die Einblicksmoglichkeiten der\nSpielplatzbenutzer sowie im Hinblick auf die durch die Nahe des\nKlettergerustes zu seinem Grundstuck bedingten „Larm- und Ballimmissionen"\neine Verlegung des Spielgerats „Klettergerust" weg von seiner\nGrundstucksgrenze. Das Gericht lasst ausdrucklich offen, ob insoweit ein\nAnordnungsanspruch und damit identisch ein in der Hauptsache geltend zu\nmachender Anspruch auf Verlegung des Klettergerustes besteht. Nur in einem\nbesonders gelagerten Einzelfall, etwa wegen der Lage des Klettergerusts\nunmittelbar neben Wohnraumen, konnte das Gerat - entsprechend dem\nRechtsgedanken nach § 15 Abs.1 BauNVO - bauplanungsrechtlich unzulassig sein\n(vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 12.12.1991, aaO.). Die Kammer hat ein\nKlettergerust „Ecoludic" wegen der Anzahl der moglichen Nutzer (= Kinder)\nsowie einer außergewohnlichen Hohen- und Breitenentwicklung des Gerats\nunmittelbar an der Grundstucksgrenze des klagenden Nachbarn als unzulassig\nqualifiziert, weil eine Verlegung des Spielgerates ohne Weiteres moglich war\n(Urt. v. 21.06.2005 - 6 K 31/04 -; bestatigt durch VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n15.11.2005 - 5 S 1553/05 -). Ob eine solche besondere Situation hier gegeben\nist, kann im streitgegenstandlichen Eilverfahren durch das Gericht nicht\nausreichend beurteilt werden; vielmehr bedarf es dazu der Einnahme eines\nAugenscheins in einem Hauptsacheverfahren. Das Gericht lasst ferner offen, ob\n- entsprechend dem Vortrag der Antragsgegnerin - ein moglicher Anspruch des\nAntragstellers auf Verlegung des Kletterturms materiell-rechtlich verwirkt\nist. Die Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte setzt wie jede Verwirkung -\nerstens - das Verstreichen eines langeren Zeitraums seit der Moglichkeit der\nGeltendmachung eines Rechts und - zweitens - besondere Umstande voraus, die\ndie verspatete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen\nlassen (vgl. dazu: BVerwG, Beschl. v. 16.04.2002 - 4 B 8/02 -, BRS 65 Nr.195). \n--- \n| 19 \n--- \n| Unabhangig von der Frage, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf\nVerlegung des Spielgerates glaubhaft gemacht hat, fehlt es jedenfalls an dem\nerforderlichen Anordnungsgrund, weil insoweit fur das Gericht eine besondere\nEilbedurftigkeit nicht ersichtlich ist. Zu Recht weist der Bevollmachtigte der\nAntragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die\nbauplanungsrechtliche Zulassigkeit des Klettergerustes bereits Gegenstand\neiner in den Jahren 2003 und 2004 gewechselten Korrespondenz zwischen dem\nAntragsteller und der Antragsgegnerin war, die mit Schreiben des\nBevollmachtigten der Antragsgegnerin vom 30.04.2004 ihren vorlaufigen\nAbschluss gefunden hatte. Der Antragsteller sieht sich seit Mitte des Jahres\n2003 und damit seit nunmehr drei Jahren den Auswirkungen und Immissionen des\nstreitgegenstandlichen Klettergerusts gegenuber. Dies gilt sowohl hinsichtlich\nder Einblicksmoglichkeiten auf sein Grundstuck als auch der Larmimmissionen\ndurch spielende Kinder auf dem Klettergerust. Allein die pauschale Behauptung\ndes Antragstellers, „die widmungswidrigen Nutzungen des Kinderspielplatzes und\ndamit auch die Beeintrachtigungen hatten in den letzten Monaten erheblich\nzugenommen", rechtfertigt ein Einschreiten gegen das Klettergerust im\nVerfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes nicht. Insbesondere eine gravierende\nVerschlechterung der Situation im Hinblick auf die „Einblicke in die\nPrivatsphare" und die Gerauschimmissionen durch spielende Kinder hat der\nAntragsteller nicht substantiiert behauptet. Die von ihm behauptete Zunahme\nder Beeintrachtigungen begrundet er im Wesentlichen mit „Ballspielen auf dem\nKlettergerust" und dem daraus folgenden Umstand, dass vermehrt Balle in sein\nGrundstuck fallen wurden. Dass spielende Kinder sich am bzw. auf dem\nKlettergerust Balle zuwerfen, kann aber weder als widmungswidrige Benutzung\neingeordnet noch kann damit (und mit den Ballen im Garten des Antragstellers)\ndie Verlegung des Klettergerusts im einstweiligen Anordnungsverfahren\ngerechtfertigt werden. \n--- \n| 20 \n--- \n| b) Auch soweit dem Antrag - als Minus zur Verlegung des Klettergerusts - ein\nAnspruch auf Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der „Ballimmissionen" entnommen\nwerden kann, fehlt es an der erforderlichen Eilbedurftigkeit und damit am\nAnordnungsgrund. Den Aufzeichnungen des Antragstellers ist zwar zu entnehmen,\ndass „ziemlich" haufig Balle in seinem Hausgarten landen. Diese\n„Belastigungen" rechtfertigen aber nicht den Erlass einer einstweiligen\nAnordnung, vielmehr muss eine endgultige Klarung dieser Problematik einem\nHauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dabei ist auch zu berucksichtigen,\ndass es zunachst Aufgabe des Antragstellers ist, sein Begehren gegenuber der\nAntragsgegnerin zu konkretisieren und insbesondere seine Antrage in Haupt- und\nHilfsantrage aufzugliedern. Bei einem Erfolg seines Antrags auf Verlegung des\nKlettergerustes durften konsequenter Weise keine weiteren Schutzmaßnahmen\nerforderlich sein. Dagegen wird im Falle der Beibehaltung der bisherigen\nAnordnung der Spielgerate in einem etwaigen Hauptsacheverfahren ein Anspruch\ndes Antragstellers auf Errichtung eines weiteren Sichtschutzes bzw. eines\nhoheren Zaunes zu prufen sein. Dem streitgegenstandlichen Antrag auf Erlass\neiner einstweiligen Anordnung lasst sich jedenfalls nicht hinreichend bestimmt\nentnehmen, welche vorlaufigen Schutzmaßnahmen - ohne eine Vorwegnahme der\nHauptsache - der Antragsteller zur Abwehr der „Ballimmissionen" begehrt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Im Übrigen hat die Antragsgegnerin sowohl vorgerichtlich (mit Schreiben des\nBurgermeisters der Antragsgegnerin vom 04.05.2006 an den Antragsteller und\nseine Ehefrau) als auch im gerichtlichen Eilverfahren die Errichtung eines\nBallfangzauns an der Grenze zum Anwesen des Antragstellers - jedenfalls fur\nden Bereich des Sandplatzes - angeboten. Auch dies spricht gegen die\nNotwendigkeit der Inanspruchnahme des gerichtlichen Eilrechtsschutzes bzw.\ngegen die Eilbedurftigkeit des geltend gemachten Anspruchs; ein solcher\nBallfangzaun wurde - unabhangig von der Frage, ob das Angebot der\nAntragsgegnerin auch fur den Bereich des Klettergerustes gilt - insgesamt\njedenfalls die Haufigkeit der „Ballimmissionen" auf dem Grundstuck des\nAntragstellers deutlich vermindern. \n--- \n| 22 \n--- \n| c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist auch kein Anordnungsgrund\nhinsichtlich seines Begehrens, die Benutzung des Kinderspielplatzes auf Kinder\nunter 12 Jahren zu beschranken, ersichtlich. Die Antragsgegnerin muss auch fur\nKinder zwischen 12 und 14 Jahren im naheren Wohnumfeld adaquate\nSpielmoglichkeiten bieten; auch Kinder bis 14 Jahre sind Kinder und keine\nJugendlichen. Im Übrigen fehlt hinsichtlich der begehrten Altersbeschrankung\njeder Vortrag, aus dem sich eine Eilbedurftigkeit ableiten ließe. \n--- \n| 23 \n--- \n| d) Ferner hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht,\ndass die Antragsgegnerin zeitliche Nutzungsbeschrankungen fur den\nKinderspielplatz verfugt, die uber die Regelungen in ihrer Polizeiverordnung\nvom 07.05.1999 (Zulassigkeit der Nutzung des Spielplatzes gemaß § 4 Abs.1 der\nVerordnung bis 22.00 Uhr) hinausgehen. Nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.12.1991, aaO.) besteht kein genereller\nAnspruch des Grundstucksnachbarn auf zeitliche Nutzungsbeschrankung eines\nKinderspielplatzes. Kinderspielplatze, die - wie hier - nach ihrer Ausstattung\nfur Kinder bis zu 14 Jahren eingerichtet sind, sind sozial adaquat und\ngefahrden von vornherein die Zweckbestimmung eines Wohngebiets nicht. Zwar\nhalten sich Kinder wahrend der Sommerzeit in aller Regel langer zum Spielen im\nFreien auf als wahrend der Wintermonate. Bereits die nur fur Kinder bis 14\nJahren geeignete Ausstattung des Kinderspielplatzes einschließlich des „wenig\nattraktiven" Ballspielbereiches fuhrt gleichsam zwangslaufig dazu, dass die\nNutzung des Kinderspielplatzes in den Abendstunden nicht „ausufert". Im\nÜbrigen sind die durch die Benutzung eines Kinderspielplatzes bis 22 Uhr\nabends fur die nahere Umgebung unvermeidbar verbundenen Larmimmissionen\nortsublich und damit den Nachbarn zumutbar, zumal diese Vorgange\ngerichtsbekanntermaßen auf nur wenige (warme) Abende in den Sommermonaten\nbeschrankt sind. Auch in diesem Zusammenhang hat der Antragsteller keine\nbesonderen Umstande des Einzelfalles vorgetragen, die abweichend von den\ndargelegten Grundsatzen einen Verstoß gegen das drittschutzende Gebot der\nRucksichtnahme begrunden konnten. Seinen Aufzeichnungen fur die Monate Marz\nbis Mai 2006 lassen sich keinerlei larmintensive Beeintrachtigungen durch\nspielende Kinder nach 20 Uhr entnehmen. Soweit er eine missbrauchliche Nutzung\ndes Kinderspielplatzes in den spaten Abendstunden durch Jugendliche rugt, kann\ndem jedenfalls nicht durch eine zeitliche Nutzungsbeschrankung des\nKinderspielplatzes fur die Nutzungsberechtigten begegnet werden. \n--- \n| 24 \n--- \n| e) Schließlich hat der Antragsteller auch keinen Anspruch darauf, dass die\nAntragsgegnerin zusatzliche Kontrollen zur Einhaltung der Ruhezeiten und zur\nSicherstellung der Nutzung des Spielplatzes allein durch Kinder bis zu 14\nJahren vornimmt. Storungen durch spatabends larmende Jugendliche auf dem\nSpielplatzgelande sind polizeirechtlich oder ordnungsrechtlich durch die\nzustandige allgemeine Ortspolizeibehorde und damit die Antragsgegnerin zu\nbeseitigen (vgl. dazu: BVerwG, Beschl. v. 29.05.1989 - 4 B 26/89 -, juris).\nAllerdings hat der Antragsteller unzumutbare Storungen im vorgenannten Sinne\nnicht glaubhaft gemacht. Nach Aktenlage uberwacht sowohl der Burgermeister der\nAntragsgegnerin, der im betreffenden Baugebiet wohnt, als auch der\nPolizeiposten Durmersheim regelmaßig die widmungsgerechte Nutzung des\nKinderspielplatzes. Nach Angaben der Antragsgegnerin konnten dabei „sachfremde\nNutzungen durch Jugendliche" uber das „normale" und wohl auch unvermeidliche\nMaß hinaus nicht festgestellt werden. Laut Aktenvermerk der Antragsgegnerin\nvom 13.04.2006 hat die Ehefrau des Antragstellers telefonisch selbst\neingeraumt, dass „Belastigungen durch altere Jugendliche inzwischen\nnachgelassen hatten". Vor diesem Hintergrund kann der pauschale und\nunsubstantiierte Vortrag des Antragstellers, „auf dem Klettergerust wurden\nsich Jugendliche unter Alkoholeinfluss laut unterhalten bzw. dort geradezu\nPartys feiern", einen Anspruch auf zusatzliche ortspolizeibehordliche\nMaßnahmen nicht begrunden. Auch den Aufzeichnungen des Antragstellers fur die\nMonate Marz bis Mai 2006 lassen sich unzumutbare Storungen durch spatabends\nlarmende Jugendliche nicht in nennenswerter Zahl entnehmen. Allein fur den\n26.05. und 27.05.2006 hat der Antragsteller solche Vorfalle notiert. Einzelne\nVorfalle einer missbrauchlichen Nutzung des Kinderspielplatzes eroffnen aber\nkeinen Anspruch auf standige Überwachung und Kontrolle, bei Einzelfallen -\ninsbesondere im Falle der Verwirklichung von Ordnungswidrigkeiten - ist der\nAntragsteller gehalten, zunachst den Polizeivollzugsdienst einzuschalten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 161 Abs.1, 154 Abs.1 VwGO. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs.3 Nr.1, 52 Abs.1 GKG. Das\nGericht hat entsprechend Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom Juli 2004 (VBlBW 2004, 469) fur die\nbeiden Antrage auf nachbarliches Einschreiten gegen den Kinderspielplatz bzw.\nden Sandplatz jeweils 7.500,00 EUR angesetzt und diesen Betrag wegen der\nVorlaufigkeit des Verfahrens halbiert. \n---\n\n
142,696
olgstut-2006-11-21-12-u-3206
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
12 U 32/06
2006-11-21
2019-01-09 09:15:47
2019-02-12 13:11:01
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 5.\nZivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 31.01.2006 - 5 O 519/04\n\n**a b g e a n d e r t:**\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszugen.\n\n3\\. Das Urteil ist fur die Beklagten vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Klager kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 %\ndes aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die\nBeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrags leisten.\n\n**Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 140.000,00 EUR**\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager verlangt Schadensersatz wegen steuerlicher Falschberatung. Die\nBeklagte Ziff. 1 ist eine Steuerberatungsgesellschaft in Form einer\nPartnerschaftsgesellschaft. Der Beklagte Ziff. 2 ist Partner dieser\nGesellschaft, er fuhrte die streitgegenstandliche Beratung durch. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Der Klager war Alleingesellschafter und Geschaftsfuhrer der E. GmbH (im\nFolgenden: GmbH), die sich mit der Ausubung des Elektrohandwerks, namlich der\nLieferung und Montage der elektrischen Ausstattung fur Gebaude befasste\n(Gesellschaftsvertrag Anlage B II 1/229, Geschaftsfuhreranstellungsvertrag\nAnlage B II 2/234). Der Klager ist Meister des Elektrohandwerks und fungierte\nzugleich als Betriebsleiter der GmbH. Der Hauptbetrieb der GmbH befand sich in\nB., sie fuhrte jedoch auch eine Zweigniederlassung in M.. Betriebsleiter\ndieses Zweigbetriebs war Herr M.. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Zweigniederlassung in M. nutzte auf der Grundlage eines am 30.06.1994\nzwischen dem Klager und der GmbH geschlossenen Mietvertrags (Anlage K 2/14)\nein Grundstuck, das im Alleineigentum des Klagers stand. Auf diesem\nBetriebsgrundstuck befand sich ein Gebaude mit Verkaufsraum, Buro- und\nLagerraumen sowie einer Werkstatt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Finanzamt B. ging in Anbetracht dieser Betriebsaufspaltung davon aus,\ndass die GmbH ihre gewerbliche Tatigkeit nicht selbstandig ausubte, sondern in\ndas Unternehmen des Klagers eingegliedert war, dass also eine Organschaft iSd\n§ 2 Abs. 2 UStG vorlag. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Anfang 2003 stellte der Klager fest, das die finanzielle Lage der GmbH\nproblematisch war. Ein weiterer Bankkredit wurde nicht bewilligt, da der\nKlager im Hinblick auf ein anhangiges Scheidungsverfahren keine Sicherheiten\nbieten konnte. Daraufhin wandte sich der Klager am 17.03.2003 an RA H., um mit\ndessen Hilfe einen Vergleich mit den Glaubigern der GmbH zustande zu bringen.\nDies scheiterte jedoch, da nur wenige Glaubiger dem Vorschlag zustimmten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager hatte die Beklagte Ziff. 1 in standiger Vertragsbeziehung sowohl\nfur sich als auch fur die GmbH mit der Buchfuhrung, der Wahrnehmung der\nsteuerlichen Angelegenheiten und der laufenden steuerlichen Beratung betraut,\nwobei der Beklagte Ziff. 2 fur die Beklagte Ziff. 1 tatig wurde. Ob der\nBeklagte Ziff. 2 an dem Gesprach vom 17.03.2003 mit RA H. beteiligt war, ist\nzwischen den Parteien streitig. Jedenfalls kam es am 10.04.2004 zu einem\nGesprach, an dem der Klager, der Beklagte Ziff. 2 und RA H. teilnahmen. Ob\ndabei uber die umsatzsteuerliche Organschaft gesprochen wurde, ist allerdings\nebenfalls streitig. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit einem beim Insolvenzgericht am 25.04.2003 eingegangenen Schreiben\nbeantragte die GmbH, das Insolvenzverfahren uber ihr Vermogen wegen drohender\nZahlungsunfahigkeit zu eroffnen (Anlage K 4/14). Mit Beschluss des\nInsolvenzgerichts vom 29.04.2003 wurde RA Dr. E. zum vorlaufigen\nInsolvenzverwalter bestellt, es wurde ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet.\nWegen der weiteren Befugnisse des vorlaufigen Insolvenzverwalters wird auf den\nBeschluss vom 29.04.2003 (Anlage K 5/14) Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte Ziff. 2 empfahl dem Klager, das Mietverhaltnis zu beenden.\nStreitig ist, ob er dem Klager erklarte, dass dies wegen\numsatzsteuerrechtlicher Folgen der Organschaft geschehen solle. Jedenfalls\nwandte sich der Klager als Geschaftsfuhrer der GmbH mit einem vom Beklagten\nZiff. 2 formulierten Schreiben vom 30.04.2003 (Anlage B 8/112) an den\nvorlaufigen Insolvenzverwalter und bat u.a. um Zustimmung fur die Zahlung der\nfur das Grundstuck in M. zu entrichtenden Miete fur den Monat Mai 2003. Die\nMiete war gemaß § 4 Ziff. 1 des Mietvertrags monatlich im voraus, spatestens\nam dritten Werktag eines Monats, zu bezahlen. Da die Nutzungsuberlassung\njedoch eigenkapitalersetzend war, verweigerte der vorlaufige\nInsolvenzverwalter die Zustimmung insbesondere unter Hinweis auf\nkapitalersatzrechtliche Grundsatze (Anlage B 9/112). Mit einem wiederum vom\nBeklagten Ziff. 2 vorbereiteten Schreiben vom 02.05.2005 (Anlage K 7/14)\nerklarte daraufhin der Klager gegenuber der GmbH die fristlose Kundigung des\nMietvertrags uber das Betriebsgrundstuck in M.. Ein Raumungsverlangen enthalt\ndas Schreiben nicht, es wird dort lediglich ausgefuhrt: „Hinsichtlich der\nRaumung der Mietraume werden wir gesondert auf Sie zukommen." Dies ist jedoch\nnicht geschehen, vielmehr nutzte die GmbH das Betriebsgrundstuck weiter. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 08.05.2003 fand ein Gesprach bei der Bank statt, bei dem der vorlaufige\nInsolvenzverwalter mit einer Kanzleikollegin, der Klager, der Beklagte Ziff. 2\nsowie Mitarbeiter der Bank anwesend waren. Der vorlaufige Insolvenzverwalter\naußerte Bedenken, ob die Organschaft durch die Kundigung des Mietvertrags\nbeendet worden sei. Der Beklagte Ziff. 2 hatte jedoch zwischenzeitlich das\nFinanzamt uber die Kundigung informiert und hatte dabei die Ansicht vertreten,\ndiese habe die Organschaft beendet. Nachdem seitens des Finanzamts kein\nausdrucklicher Widerspruch erfolgt war, sah sich der Beklagte Ziff. 2 in\nseiner Vorgehensweise bestatigt und brachte dies auch am 08.05.2003 zum\nAusdruck. Streitig ist, ob der vorlaufige Insolvenzverwalter auch die\nNiederlegung der Geschaftsfuhrung als eine aus seiner Sicht geeignete Maßnahme\nzur Beendigung der Organschaft nannte. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Auf der Basis der Rechtsauffassung des Beklagten Ziff. 2, die\numsatzsteuerliche Organschaft sei durch die Kundigung beendet worden,\nerfolgten fur die Zeit ab Mai 2003 keine Umsatzsteuervoranmeldungen durch den\nKlager als (bisherigen) Organtrager mehr. Die GmbH tatigte jedoch auch nach\nder Insolvenzantragstellung noch erhebliche Umsatze, da der Betrieb - mit\nZustimmung des vorlaufigen Insolvenzverwalters - fortgefuhrt wurde. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| RA H. wandte sich mit Schreiben vom 05.06.2003 und 12.06.2003 (Anlage B 3/45\nund B 4/45) an den Beklagten Ziff. 2. Er erklarte, die Kundigung des\nMietvertrags sei aus insolvenzrechtliche Grunden unwirksam. Man konne geltend\nmachen, dass der vorlaufige Insolvenzverwalter faktisch wie ein starker\nInsolvenzverwalter handele, also alle Entscheidungen treffe, allerdings\nbestunden gleichwohl insbesondere hinsichtlich eines noch im Raum stehenden\nVorsteuerberichtigungsanspruchs erhebliche Unsicherheiten. Eine allerdings\nvage Moglichkeit sei die Aufgabe der Geschaftsfuhrerstellung, jedoch sei dies\nnicht bzw. nur bedingt anzuraten, da unter dem Aspekt der Kundigung zur Unzeit\nSchadensersatzanspruche drohten. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Beschluss vom 29.06.2003 wurde das Insolvenzverfahren uber das Vermogen\nder GmbH eroffnet, der bisherige vorlaufige Insolvenzverwalter, RA Dr. E.,\nwurde zum Insolvenzverwalter bestellt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| In der Zeit vor dem Eroffnungsbeschluss waren bereits Aktivitaten im\nZusammenhang mit der Grundung einer Auffanggesellschaft fur die GmbH erfolgt.\nDer Klager hatte ursprunglich geplant, dass sein damals 21jahriger Sohn, der\nnoch die Schule besuchte und sich auf das Abitur vorbereitete, eine\nAuffanggesellschaft fur das gesamte Unternehmen grunden sollte. Dies\nscheiterte aber aus finanziellen Grunden. Die vom Sohn des Klagers tatsachlich\nnoch vor Eroffnung des Insolvenzverfahrens gegrundete Auffanggesellschaft, die\nH.. GmbH, ubernahm nur den Stammbetrieb der GmbH in B.. Der Sohn des Klagers\nwar Alleingesellschafter und Geschaftsfuhrer der Auffanggesellschaft, der\nKlager wurde als Betriebsfuhrer eingestellt, da der Sohn des Klagers nicht\nuber einen Meistertitel verfugte. Der Zweigbetrieb in M. wurde vom bisherigen\nBetriebsleiter, Herrn M., der ein einzelkaufmannisches Unternehmen gegrundet\nhatte, ubernommen. Herr M. mietete auch das im Eigentum des Klagers stehende\nBetriebsgrundstuck. Beide Auffangunternehmen nahmen am 01.07.2003 den Betrieb\nauf. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager ubertrug das Grundstuck in M. mit notariellem Vertrag vom\n26.09.2003 (Anlage B II 4/248) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf\nseinen Sohn. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Im Jahr 2003 fand eine Umsatzsteuersonderprufung beim Klager als fruherem\nOrgantrager statt. Dem Prufungsbericht vom 22.12.2003 (Anlage B 2/45) zufolge\nbestand die Organschaft bis zur Eroffnung des Insolvenzverfahrens am\n29.06.2003 fort. Die wirtschaftliche Eingliederung sei durch die Kundigung des\nMietvertrags nicht beendet worden, weil nicht alle Rechtsbeziehungen\nabgewickelt worden seien, vielmehr das Grundstuck als wesentliche\nBetriebsgrundlage weiterhin unentgeltlich uberlassen worden sei. Auch die\norganisatorische Eingliederung habe fortbestanden, da der vorlaufige\nInsolvenzverwalter nicht zum allgemeinen Vertreter der Schuldnerin bestellt\nworden sei; die Durchsetzung des Willens des Organtragers in der\nOrgangesellschaft sei weiterhin moglich gewesen. Bezuglich der fruher in\nAnspruch genommenen Vorsteuer sei davon auszugehen, dass die zugrunde\nliegenden Verbindlichkeiten erst mit Eroffnung des Insolvenzverfahrens\nuneinbringlich geworden seien. Da die Organschaft bis zu diesem Zeitpunkt\nbestanden habe, sei das Unternehmen des Organtragers zur Berichtigung des\nVorsteuerabzugs verpflichtet. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Auf der Basis dieser Prufungsfeststellungen setzte das Finanzamt B. mit\nBescheiden vom 31.01.2004 (Anlage K 8/14 bis K 10/14) gegen den Klager\nUmsatzsteuer-Vorauszahlungen fur die Monate April bis Juni 2003 wie folgt\nfest: \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| \n--- \n| April 2003: \n--- \n| USt. ./. Vorsteuer: \n--- \n| | 6.485,92 EUR \n--- \n| Mai 2003: \n--- \n| USt. ./. Vorsteuer: \n--- \n| | 23.662,58 EUR \n--- \n| Juni 2003: \n--- \n| USt. ./. Vorsteuer: \n--- \n| 769,12 EUR \n--- \n| | Vorsteuer- \nBerichtigung \n--- \n| 137.659,94 EUR \n--- \n| 138.429,06 EUR \n--- \n| Gesamt \n--- \n| | | 168.577,56 EUR \n--- \n| abzuglich bereits fur \nApril 2003 getilgter \nBetrage \n--- \n| | | \\- 2.853,92 EUR \n--- \n| Restzahlung \n--- \n| | | 165.723,64 EUR \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| In Hohe eines Teilbetrags von 35.000 EUR wurde die Steuer auf Antrag des\nKlagers gestundet (Anlage K 11/14, Anlage B 6/80). Ein Antrag des durch die\nBeklagte Ziff. 1 vertretenen Klagers auf teilweisen Erlass der Umsatzsteuer\nwar erfolglos (Anlage K 13/14). Das Finanzamt leitete wegen eines Betrags von\nrund 100.000 EUR im Juni 2004 die Vollstreckung ein (Anlage K 12/14).\nDaraufhin trat der Klager zur Sicherung der Steueranspruche am 16.07.2004\nAnspruche auf Schadensersatz gegen die Beklagte Ziff. 1 wegen Falschberatung\n(Vermeidung der Steuerpflicht des Organtragers bei rechtzeitiger Beendigung\nder Organschaft) an das Land Baden-Wurttemberg, vertreten durch das Finanzamt\nB., ab (Anlage K 14/14). Der Klager wurde jedoch ermachtigt, die Forderung im\neigenen Namen einzuziehen (Anlage K 15/14). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Am 09.03.2005 erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2003 (Anlage K 18/102),\ndem fur die Monate April bis Juni 2003 die bereits in den\nVorauszahlungsbescheiden genannten Betrage zugrunde liegen. Gegen diesen\nBescheid legte der weiterhin durch die Beklagte Ziff. 1 vertretene Klager\nEinspruch ein. Der Einspruch wurde (im Laufe des Berufungsverfahrens) mit\nBescheid vom 28.03.2006 zuruckgewiesen (Anlage B II 3/241). Die Organschaft\nhabe bis zur Eroffnung des Insolvenzverfahrens bestanden, die organisatorische\nEingliederung sei durch die Bestellung eines „schwachen" vorlaufigen\nInsolvenzverwalters nicht beendet worden. Auch die Vorsteuerberichtigung sei\nzutreffend gegen den Organtrager, also den hiesigen Klager, festgesetzt\nworden. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Ziff. 1 fur den Klager Klage\nzum Finanzgericht erhoben; das Verfahren ist noch anhangig. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Bereits mit Schreiben vom 17.06.2004 (Anlage K 16/14) hatte sich der Klager,\nvertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmachtigten, an die Beklagten\ngewandt und hatte geltend gemacht, falsch beraten worden zu sein. Die\nKundigung des Mietvertrags sei eine zur Beendigung der Organschaft ungeeignete\nMaßnahme gewesen, dem Klager hatten stattdessen geeignete Maßnahmen empfohlen\nwerden mussen, um die Organschaft zu beenden und die aus deren Fortbestand\nresultierende Steuerfestsetzung gegen den Klager zu vermeiden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. Mit seiner im November 2004 erhobenen Klage hat der Klager\nSchadensersatz in Hohe der festgesetzten Umsatzsteuer einschließlich\nVorsteuerberichtigung nebst den festgesetzten Saumniszuschlagen verlangt. Er\nhat vorgetragen, der Rat, den Mietvertrag durch eine fristlose Kundigung zu\nbeenden, sei falsch gewesen. Die Kundigung sei bereits aus\ninsolvenzrechtlichen Grunden unwirksam gewesen, insbesondere sei sie nicht\ngeeignet gewesen, die Organschaft zu beenden. Stattdessen hatte dem Klager\ngeraten werden mussen, die Geschaftsfuhrerstellung aufzugeben. Diesem Rat ware\nder Klager nachgekommen, was zur Beendigung der Organschaft gefuhrt hatte. Der\nKlager hatte in diesem Fall die Umsatzsteuer einschließlich des mit Wirkung\nfur Juni 2003 festgesetzten Vorsteuerberichtigungsanspruchs nicht bezahlen\nmussen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Klager hat beantragt, \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| die Beklagten zu verurteilen, an ihn 165.723,64 EUR nebst Zinsen in Hohe von\njahrlich 12 % aus 122.437,45 EUR seit dem 23.01.2004 zu bezahlen, \n--- \n| 24 \n--- \n| hilfsweise, \n--- \n| 25 \n--- \n| festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem\nKlager den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der fehlerhaften steuerlichen\nBeratung durch die Beklagten im Zusammenhang mit dem vorlaufigen\nInsolvenzverfahren ab dem 29.04.2003 entstanden ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Beklagten haben beantragt, \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Beklagten haben vorgetragen, dem Klager nicht nur die Kundigung, sondern\nauch die Übergabe des Mietobjekts empfohlen zu haben, der Klager sei insoweit\nihrem Rat aber nicht nachgekommen. Die Organschaft sei allerdings bereits\ndurch den Ausspruch der Kundigung beendet worden. Zudem habe der vorlaufige\nInsolvenzverwalter seine Befugnisse in einem derartigen Maß uberschritten,\ndass der Klager seinen Willen in der GmbH nicht mehr habe durchsetzen konnen,\nwas ebenfalls zur Beendigung der Organschaft gefuhrt habe. Umgekehrt sei die\nNiederlegung der Geschaftsfuhrung keine geeignete Maßnahme, um die Organschaft\nzu beenden. Einem ohnehin nicht sachgerechten und daher nicht geschuldeten Rat\nder Beklagten zur Beendigung der Geschaftsfuhrerstellung ware der Klager auch\nnicht nachgekommen, da zum einen der ihn insoweit beratende RA H. von dieser\nMaßnahme abgeraten hatte, und zum anderen der Klager wegen der geplanten\nÜberleitung des Unternehmens auf seinen Sohn weiterhin tatig sein wollte, wozu\nihn auch der vorlaufige Insolvenzverwalter gedrangt habe. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Schließlich sei die Festsetzung des Vorsteuerberichtigungsanspruch in Hohe\nvon 137.659,94 EUR gegen den Klager als fruheren Organtrager unabhangig von\neinem Fortbestand der Organschaft, diese Steuer ware also in keinem Fall\nvermeidbar gewesen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird\nBezug genommen auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 3\\. Das Landgericht hat Beweis erhoben durch eine schriftliche Aussage und\neine Vernehmung des zustandigen Finanzbeamten K. sowie durch Vernehmung von RA\nH. und des Insolvenzverwalters, RA Dr. E.. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Mit dem angefochtenen Urteil vom 31.01.2006 hat das Landgericht die Klage im\nHauptantrag und zudem fur die auf den Monat April 2003 entfallende\nUmsatzsteuer abgewiesen. Im Übrigen hat es auf den Hilfsantrag die\nErsatzpflicht der Beklagten festgestellt, da die Beklagten den Klager falsch\nberaten hatten. Weder der Rat zur bloßen Kundigung - ein Rat zur Raumung sei\nseitens der Beklagten nicht substantiiert dargelegt - noch die Geltendmachung\nder behaupteten faktisch „starken" Stellung des vorlaufigen\nInsolvenzverwalters entspreche dem Gebot, den sichersten Weg zur Beendigung\nder Organschaft zu empfehlen. Dieser hatte vielmehr darin bestanden, das\nGeschaftsfuhreramt niederzulegen, was die Beklagten dementsprechend auch\nhatten empfehlen mussen. Es bestehe eine tatsachliche Vermutung, dass der\nKlager diesem Rat nachgekommen ware. Die Organschaft ware dann, allerdings\nerst ab Mai 2003, beendet worden. Ein Schaden des Klagers in Hohe der\nfestgesetzten Umsatzsteuer einschließlich Vorsteuerberichtigung fur die Monate\nMai und Juni 2003 sei wahrscheinlich, ob er allerdings tatsachlich eintrete,\nkonne in Anbetracht des [scil. im Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils]\nnoch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahrens nicht endgultig beurteilt\nwerden, weshalb der Klager lediglich Feststellung und keine Zahlung verlangen\nkonne. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgrunde wird auf das\nangefochtene Urteil Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 4\\. Gegen das ihnen am 06.02.2006 zugestellte Urteil (Bl. 233 d.A.) haben\ndie Beklagten mit Schriftsatz vom 23.02.2006, der am selben Tag bei Gericht\neingegangen ist, Berufung eingelegt (Bl. 191 d.A.) und haben diese mit\nSchriftsatzen vom 06.04.2006, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist,\nbegrundet (Bl. 197 d.A.). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihre erstinstanzlichen Ausfuhrungen.\nInsbesondere machen sie geltend, die Niederlegung des Geschaftsfuhreramtes\nware rechtlich nicht ohne weiteres moglich gewesen, einen neuen geeigneten\nGeschaftsfuhrer mit entsprechender handwerklicher Qualifikation hatte der\nKlager nicht stellen konnen. Der Klager hatte sich zu diesem Schritt auch\nnicht entschlossen, da er die GmbH bis zur Übertragung auf seinen Sohn\nfortfuhren wollte und ihm auch RA H. davon abgeraten hatte. Zudem hatte diese\nMaßnahme in Anbetracht der Stellung des Klagers als Alleingesellschafter die\norganisatorische Eingliederung und damit die Organschaft nicht beendet. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| das Urteil des Landgerichts abzuandern und die Klage insgesamt abzuweisen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zur Niederlegung der\nGeschaftsfuhrung macht er geltend, sein Sohn hatte als Geschaftsfuhrer zur\nVerfugung gestanden, zudem ware die Einsetzung eines Notgeschaftsfuhrers in\nBetracht gekommen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die von\nihnen vorgelegten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll\nvom 17.10.2006 (Bl. 298 d.A.). \n--- \n**II.** \n--- \n| 42 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Beklagten fuhrt zur Abanderung des\nlandgerichtlichen Urteils und zur Klagabweisung. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Zwar liegt angesichts der schwer einzuschatzenden und fur den Klager mit\nerheblichen Risiken behafteten steuerlichen Situation (1.) eine\nPflichtverletzung des Beklagten Ziff. 2 vor, fur die die Beklagte Ziff. 1\nanalog § 31 BGB einzustehen hat. Die Beratung seitens der Beklagten war\nunzureichend, denn sie haben dem Klager lediglich die Kundigung des\nMietvertrags und damit eine ungeeignete Maßnahme empfohlen (2.). Die Beklagten\nwaren verpflichtet gewesen, dem Klager auch die Niederlegung der\nGeschaftsfuhrung als Moglichkeit aufzuzeigen und die Inanspruchnahme einer\nerganzenden gesellschaftsrechtlichen Beratung zu empfehlen, um dem Klager\numfassende Informationen uber Chancen und Risiken dieser Vorgehensweise\nzukommen zu lassen (3.). Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der\nKlager diesen Schritt in einer steuerlich wirksamen Weise vollzogen hatte,\nware er pflichtgemaß von den Beklagten und von seinem Rechtsanwalt umfassend\nberaten und informiert worden (4). \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| 1\\. Die Beklagten mussten ihren Überlegungen zugrunde legen, dass die nahe\nliegende Gefahr bestand, dass der Klager erheblichen Forderungen des\nFinanzamts im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer ausgesetzt sein wurde. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Spatestens Ende April 2003, als ein vorlaufiger Insolvenzverwalter bestellt\nworden war, mussten die Beklagten als standige steuerliche Berater des Klagers\nund der GmbH prufen, ob und welche Maßnahmen zur Beendigung der Organschaft\nempfohlen werden mussten. Ob ein fruheres Tatigwerden erforderlich gewesen\nware, kann dahinstehen, nachdem das Landgericht ausgesprochen hat, dass\nAnspruche erst fur die Zeit ab Mai 2003 in Betracht kommen und der Klager dies\nnicht mit einer Berufung angegriffen hat. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| a) Die Beklagten mussten davon ausgehen, dass in Anbetracht der\nBetriebsaufspaltung sowie der Alleingesellschafter- und\nAlleingeschaftsfuhrerstellung des Klagers in der GmbH eine umsatzsteuerliche\nOrganschaft iSd § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestand, was zwischen den Parteien\nunstreitig ist. Dies bedeutete, dass im Verhaltnis zum Finanzamt der\nOrgantrager, also der Klager mit seinem Unternehmen „Grundstucksvermietung an\ndie GmbH", Schuldner der Umsatzsteuer war. Die Organgesellschaft, also die\nGmbH, haftete fur Umsatzsteuer nur im Rahmen des § 73 AO. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| b) Solange die Organschaft fortbestand und die GmbH ungeachtet des\nInsolvenzantrags ihre Geschafte weiterfuhrte, also steuerpflichtige Umsatze\ntatigte, musste der Klager die dann entstehende Umsatzsteuerschuld des\nOrgankreises gegenuber dem Finanzamt tilgen, wobei zu befurchten war, dass er\nim Innenverhaltnis einen Ausgleich von der GmbH allenfalls in Hohe einer\ngeringen Insolvenzquote erhalten wird. In welchem Umfang eine Steuerbelastung\nzu befurchten war, war zwar noch nicht absehbar, da dies davon abhing, wie\nlange es dauern wurde, bis eine Entscheidung uber die Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens getroffen wird, und welche Umsatze bis zu diesem Zeitpunkt\ngetatigt werden, aber es stand jedenfalls das Risiko einer moglicherweise\nerheblichen Steuerbelastung im Raum. Diese Steuerbelastung war sicher zu\nvermeiden, sollte es gelingen, die Organschaft durch geeignete Maßnahmen zu\nbeenden, da ab diesem Zeitpunkt grundsatzlich - abgesehen von einer Haftung\naus sonstigen Grunden, etwa § 69 AO, wofur aber keine konkreten tatsachlichen\nAnhaltspunkte vorgetragen sind - die fruhere Organgesellschaft, also die GmbH,\nund nicht mehr der Klager als fruherer Organtrager Umsatzsteuerschuldner sein\nwurde. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| c) Zudem musste das Problem der Vorsteuerberichtigung bedacht werden. Die\nGmbH hatte in der Vergangenheit steuerpflichtige Leistungen bezogen, z.B.\nElektrozubehor erworben, um es bei ihren Auftraggebern einzubauen. In\nAnbetracht des Insolvenzantrags musste damit gerechnet werden, dass das\nEntgelt aus Sicht der Lieferanten uneinbringlich werden wurde, was zur Folge\nhatte, dass nicht nur seitens der Lieferanten der Steuerabzug, sondern auch\nder damit korrespondierende Vorsteuerabzug auf der Seite des\nLeistungsempfangers gemaß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigt werden musste.\nDieser Vorsteuerabzug war, nachdem der Organkreis der Soll-Versteuerung\nunterlag, in der Vergangenheit erfolgt, hatte also bereits im Zeitpunkt des\nErhalts der Lieferantenrechnung die Umsatzsteuerschuld des Organkreises\ngemindert bzw. zu einer Steuererstattung gefuhrt. Sobald jedoch das Entgelt\nuneinbringlich geworden war, konnte das Finanzamt einen entsprechenden\nVorsteuerberichtigungsanspruch geltend machen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Wenn die Organschaft in diesem Zeitpunkt noch bestand, wurde der mit\nUneinbringlichkeit der Lieferantenforderung entstehende\nVorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Klager als Organtrager festgesetzt\nwerden. Dies entsprach einer gefestigten Rechtsprechung des BFH (BFH/NV 1992,\n140; BFH/NV 1994, 277, BFH/NV 2002, 1352; spater auch - den Beklagten im\nZeitpunkt der Beratung noch nicht bekannt - BFH/NV 2004, 236; BFH/NV 2005,\n558). Im Innenverhaltnis des Organkreises war die entsprechende Vorsteuer\njedoch zumindest fast ausschließlich bei der GmbH entstanden, wie der Zeuge K.\nangegeben hat (Bl. 167 d.A.). Dies liegt auch nahe, da die GmbH in großem\nUmfang Waren fur ihre Tatigkeit beziehen musste, wogegen umgekehrt der Bezug\nvon Lieferungen und Leistungen seitens des Klagers mit seinem\nVermietungsunternehmen nur in sehr geringem Umfang vorstellbar ist.\nDementsprechend waren im Innenverhaltnis auch die Vorteile der Vorsteuer der\nGmbH zugute gekommen. Ohne den Insolvenzantrag hatte zwar der Klager im\nAußenverhaltnis den Vorsteuerberichtigungsanspruch des Finanzamts erfullen\nmussen, hatte den entsprechenden Betrag im Innenverhaltnis jedoch der GmbH\nbelasten konnen. Dies war in Anbetracht des Insolvenzantrags nicht mehr\nuneingeschrankt moglich. Wie bei der Umsatzsteuer fur die kunftige Tatigkeit\nder GmbH bestand also die Gefahr, dass der Klager eine Steuerschuld bezahlen\nmusste, die im Innenverhaltnis der GmbH zuzuordnen war, ohne diesen\nInnenausgleich vornehmen zu konnen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Ob diese Steuerbelastung im Zusammenhang mit der Vorsteuerberichtigung durch\neine Beendigung der Organschaft vermeidbar war, war offen. Dies hing zunachst\ndavon ab, in welchem Zeitpunkt von einer Uneinbringlichkeit der\nLieferantenforderungen auszugehen war, da in diesem Zeitpunkt zugleich der\nVorsteuerberichtigungsanspruch entstand. Zwar fallt die Uneinbringlichkeit\nhaufig mit der Eroffnung des Insolvenzverfahrens zusammen, jedoch ist dies\nnicht zwingend, Uneinbringlichkeit kann auch schon vorher eintreten.\nAllerdings muss von den Beklagten als standigen Beratern, die auch die\nBuchhaltung der GmbH erledigten, gefordert werden, dass sie die erforderliche\nBeratung vornehmen, sobald die Gefahr absehbar ist, dass\nLieferantenforderungen uneinbringlich werden konnen, so dass dieser Aspekt im\nFolgenden nicht von Bedeutung ist. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Insbesondere lag noch keine Entscheidung des BFH in einem\nHauptsacheverfahren vor, gegen wen der Vorsteuerberichtigungsanspruch\nfestzusetzen ist, wenn die Vorsteuer zwar zu einem Zeitpunkt in Anspruch\ngenommen worden war, in dem die Organschaft noch bestand, die\nUneinbringlichkeit aber erst eintrat (und damit der\nVorsteuerberichtigungsanspruch entstand), als die Organschaft beendet war.\nJedoch bestand die ernsthafte Moglichkeit, dass der BFH insoweit die Frage,\nwann die Organschaft geendet hatte, fur erheblich erachten wurde. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| In einem Fall, in dem die Organschaft im Dezember 1999 durch Verkauf von\nGeschaftsanteilen geendet hatte und Anfang Februar 2000 der Insolvenzantrag\nuber das Vermogen der fruheren Organgesellschaft gestellt, jedoch mangels\nMasse abgelehnt wurde, hatte das Finanzamt den Vorsteuerberichtigungsanspruch\nmit Wirkung fur Februar 2000 gegen den fruheren Organtrager festgesetzt. Das\nFG Gotha (Az II 1091/00 V) hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung\n(AdV) abgelehnt, da umsatzsteuerrechtlich der Organtrager die\nvorsteuerbelasteten Leistungen bezogen habe, also auch - unabhangig von einer\nzwischenzeitlichen Beendigung der Organschaft - Schuldner des\nkorrespondierenden Anspruchs auf Vorsteuererstattung sei. Der BFH entschied\nauf die zugelassene Beschwerde am 06.06.2002 (Az. V B 110/01, BFHE 199, 55),\nalso nahezu ein Jahr vor der hier streitgegenstandlichen Beratung, es sei -\nnicht zuletzt im Hinblick auf die vergleichbare Situation bei § 15a UStG -\nernstlich zweifelhaft, ob nicht auch beim Vorsteuerruckerstattungsanspruch\nnach § 17 UStG entscheidend auf den Zeitpunkt des die Ruckforderung\nauslosenden Ereignisses abzustellen sei, ob es mithin nicht auch hier\nerheblich sei, wenn das die Vorsteuerberichtigung auslosende Ereignis erst\nnach Beendigung der Organschaft eintritt. In einer weiteren Entscheidung vom\n06.06.2002, die in einem Hauptsacheverfahren erging (Az. V R 22/01, BFH/NV\n2002, 1352), hob der BFH damit korrespondierend hervor, die Zahlungspflicht\ndes Organtragers sei nur fur Falle der bis zur Uneinbringlichkeit\nfortbestehenden Organschaft geklart. Ob dies auch gelte, wenn die Organschaft\nim Zeitpunkt der Entstehung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs nicht mehr\nbestanden habe, sei damit nicht gesagt, diese Frage sei noch ungeklart. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die erstgenannte BFH-Entscheidung vom 06.06.2002 im AdV-Verfahren wurde in\nder Literatur zwar erwahnt, eine vertiefte Auseinandersetzung damit fand\nallerdings nicht statt. Rau/Durrwachter-Stadie, § 2 UStG Rn. 726.1 (Stand\nFebruar 2003) ist der Ansicht, der Vorsteuerberichtigungsanspruch sei in jedem\nFall gegen den (fruheren) Organtrager festzusetzen und zitiert die\nEntscheidung lediglich in einer Fußnote, meint aber - im Gegensatz zu einer\nVerfugung der OFD H. in der damaligen Fassung vom 19.05.1999, S 7105-101-StH\n542/ S 7105-40-StO 33 -, auch im Fall des § 15a UStG richte sich der Anspruch\nimmer gegen den Organtrager (aaO Rn. 727.2), vermeidet also die vom BFH\nangesprochene Ungleichbehandlung. Schmidt/Muller/Stocker, Die Organschaft im\nKorperschaftssteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht, 6. Auflage,\nerwahnt zwar (Rn. 1539) die BFH-Entscheidung, vertritt jedoch - nicht zuletzt\naus fiskalischen Erwagungen - gleichwohl die Ansicht (Rn. 1468, 1539 f.), der\nVorsteuerruckforderungsanspruch musse sich immer gegen den Organtrager\nrichten, da diesem auch der Vorsteuerabzug zustand. Erst am 18.11.2004 (also\nnach der streitgegenstandlichen Beratung) entschied das Niedersachsische FG am\n18.11.2004 (DStRE 2005, 972) in einem Hauptsacheverfahren, der\nVorsteuerberichtigungsanspruch sei ungeachtet einer zwischenzeitlichen\nBeendigung der Organschaft gegen den Organtrager, der die Vorsteuerbetrage in\nAnspruch genommen habe, festzusetzen. Die im Hinblick auf den Beschluss des\nBFH vom 06.06.2002 zugelassene Revision ist noch beim BFH anhangig (Az. V R\n2/05). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Nach alledem mussten die Beklagten, denen die Entscheidung des BFH vom\n06.06.2002 bekannt sein musste, sehen, dass jedenfalls die Moglichkeit\nbestand, dass der BFH in einem Hauptsacheverfahren entscheiden wurde, dass ein\nVorsteuerberichtigungsanspruch dann nicht mehr gegen den (fruheren)\nOrgantrager festgesetzt werden kann, wenn die Organschaft im Zeitpunkt der\nEntstehung dieses Anspruchs bereits beendet war. Umgekehrt bestand keine\nChance, die Festsetzung dieses Anspruchs gegen den Klager zu vermeiden, wenn\ndie Organschaft bis zur Insolvenzeroffnung fortbestand. Wie hoch ein moglicher\nVorsteuerberichtigungsanspruch sein wurde, konnten die Beklagten allerdings\nnicht sicher abschatzen, da dies davon abhing, in welchem Zeitpunkt der\nAnspruch entstehen wurde (im Zweifel im Zeitpunkt der Verfahrenseroffnung, wie\nlange es aber bis dahin dauern wurde, war unbekannt), und in welcher Hohe in\ndiesem Zeitpunkt Lieferantenforderungen, fur die der\nVorsteuererstattungsanspruch bereits geltend gemacht war, noch bestehen\nwurden. Zwar oblag auch die Fuhrung der Buchhaltung der GmbH den Beklagten,\njedoch war fur die Umsatzsteuervoranmeldungen eine Dauerfristverlangerung\ngewahrt worden, weshalb die Moglichkeit bestand, dass die Buchhaltung nicht\nauf dem aktuellen Stand war. Auch bezuglich des\nVorsteuerberichtigungsanspruchs musste jedenfalls davon ausgegangen werden,\ndass hohe Betrage in Betracht kommen konnten. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Die Beklagten mussten also den Klager zunachst dahingehend beraten, dass er\nbei einer fortbestehenden Organschaft sicher mit Forderungen des Finanzamts in\nnoch nicht abschatzbarer Hohe belastet werden wurde. Zudem mussten sie ihm\nerklaren, dass eine schnellstmogliche Beendigung der Organschaft die Situation\ndes Klagers in steuerlicher Hinsicht insoweit verbessern wurde, als er die\nkunftig anfallende Umsatzsteuer nicht schulden wurde, dass allerdings\nbezuglich des Vorsteuerberichtigungsanspruchs keine sichere Aussage getroffen\nwerden konne, weil hier zumindest auch die Gefahr bestand, dass dieser\nunabhangig von einer Beendigung der Organschaft gegen den Klager festgesetzt\nwerden konne. Jedoch musste auch verdeutlicht werden, dass Maßnahmen mit dem\nZiel einer Beendigung der Organschaft, die unter rein steuerlichen Aspekten\nausschließlich Vorteile bieten bzw. steuerliche Risiken des Klagers reduzieren\nwurden, moglicherweise unter anderen Aspekten neue Risiken beinhalten konnten.\nInsoweit musste dem Klager empfohlen werden, eine Beratung durch einen\nRechtsanwalt in Anspruch zu nehmen, um diese außersteuerlichen Aspekte prufen\nzu lassen. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| 2\\. Die Beratung durch die Beklagten war unzureichend und daher\npflichtwidrig. Sie haben dem Klager eine Maßnahme empfohlen, die bereits nicht\ngeeignet war, die Organschaft zu beenden, und haben zudem dem Klager\npflichtwidrig nicht genau erlautert, dass diese Maßnahme in zwei Schritten\numgesetzt werden musste. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| a) Die von den Beklagten empfohlene Kundigung des Mietvertrags war -\nunabhangig von einem weitergehende Rat zur Raumung - keine geeignete Maßnahme,\num die Organschaft uber das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung zu\nbeenden. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Die Kundigung war unwirksam. Dies folgt allerdings entgegen der Ansicht des\nKlagers nicht schon aus der Kundigungssperre des § 112 InsO, wie das\nLandgericht zutreffend erkannt hat. Diese Norm verhindert nur die Kundigung\nwegen eines bereits vor der Insolvenzantragstellung eingetretenen\nZahlungsverzugs. Hier jedoch hatte der vorlaufige Insolvenzverwalter erklart,\nder Zahlung der kunftigen Miete ab Mai 2003 nicht mehr zuzustimmen, der\nZahlungsverzug war also erst in der Zukunft, in einer Zeit nach\nAntragstellung, zu erwarten. Vielmehr steht die Unwirksamkeit der Kundigung im\nZusammenhang mit der Pflicht zur Erhaltung des Eigenkapitals der GmbH. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| aa) Der Klager hatte der GmbH das Betriebsgrundstuck auf der Grundlage des\nMietvertrags vom 30.06.1994 zur Nutzung uberlassen. Diese Nutzungsuberlassung\nwar bereits vor der Kundigung vom 02.05.2003 zu einer kapitalersetzenden\nGebrauchsuberlassung geworden. Eine solche Umqualifizierung eines\nMietverhaltnisses uber ein Grundstuck in funktionales Eigenkapital ist nach\nder standigen Rechtsprechung des BGH moglich, sie setzt voraus, dass der\nGesellschafter der GmbH die Nutzungsmoglichkeit beließ, obwohl sich die\nGesellschaft bereits in der Krise befand und der Gesellschafter die\nMoglichkeit gehabt hatte, die Nutzungsmoglichkeit zuruckzufordern, also den\nschuldrechtlichen Vertrag zu kundigen. Gleich zu behandeln sind Falle, in\ndenen der Gesellschafter im Zeitpunkt des Eintritts der Krise zwar den\nMietvertrag nicht kundigen kann, jedoch von der fur ihn als Gesellschafter\nbestehenden Moglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur Verfugung\ngestellten Mittel zu liquidieren, keinen Gebrauch macht (zum Ganzen BGHZ 109,\n55; BGHZ 121, 31; BGH NJW 1993, 2179; BGHZ 127, 1; BGH NJW 1998, 3200; BGH NJW\n2000, 3565; BGH ZIP 2005, 484). \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Die eigenen Angaben des Klagers bei seiner informatorischen Anhorung durch\nden Senat (Bl. 299 d.A.) erscheinen in zeitlicher Hinsicht bereits bedenklich.\nDanach stellte der Klager nach einem betriebswirtschaftlichen Seminar Anfang\nJanuar 2003 (in erster Instanz Bl. 83 noch auf das Jahr 2002 datiert) fest,\ndass die GmbH nur noch uber Aktiva von rund 50.000 EUR verfugte, und der\nVersuch, eine Erweiterung der Bankkredite zu erhalten, schlug am 26.02.2003\nfehl. Knapp drei Wochen spater, am 17.03.2003 fand ein Termin mit RA H. (dem\nKlager zufolge auch mit dem Beklagten Ziff. 2) statt, in dem Moglichkeiten\neines Vergleichs mit den Glaubigern erortert wurden. Es folgte am 24.03.2003\nein entsprechendes Schreiben an die Glaubiger mit der Bitte, sich bis\n04.04.2003 zu erklaren. Nachdem nur wenige Glaubiger zustimmt hatten, ging\nausweislich des Eingangsstempels wiederum drei Wochen spater, namlich am\nFreitag, 25.04.2003, der Insolvenzantrag ein, den der Klager allerdings schon\nam 21.04.2003 gestellt haben will. Die Zeitspanne vom 26.02.2003 bis auch nur\nzum 21.04.2003 uberschreitet die Frist des § 64 Abs. 1 GmbH deutlich. Befand\nsich die GmbH am 26.02.2003 in der Krise, hatte der Klager, um die\nUmqualifizierung der Gebrauchsmoglichkeit in Eigenkapital zu vermeiden, binnen\ndrei Wochen, also spatestens am 19.03.2003, von der ihm als\nAlleingesellschafter zu Gebote stehenden Moglichkeit, die Gesellschaft unter\nEntzug der ihr zur Verfugung stehenden Mittel zu liquidieren bzw. einen\nInsolvenzantrag zu stellen, Gebrauch machen mussen. Diese Frist konnte sich\nverlangern, solange nach objektiver Beurteilung erfolgversprechende\nVerhandlungen uber die Beseitigung der Krise gefuhrt wurden. Allerdings\nverstrich vom 26.02.2003 bis zur Aufnahme der Verhandlungen in Form des\nAnschreibens an die Glaubiger eine Frist von mehr als drei Wochen. Ob dieser\nVersuch erfolgversprechend war, kann nicht beurteilt werden, jedoch spricht\ndie Tatsache, dass nach den Angaben des Klagers nur wenige Glaubiger\nzustimmten, dagegen. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Letztlich sind dem Senat eigene Feststellungen und Bewertungen nicht\nmoglich, da kein substantiierter Tatsachenvortrag der Parteien zur\nwirtschaftlichen Situation der GmbH und den Erfolgsaussichten des\nSanierungsversuchs vorliegt. Die Parteien haben aber bereits in erster Instanz\nubereinstimmend vorgetragen, dass die Nutzungsuberlassung kapitalersetzend war\n(Bl. 129, 138, 147 d.A.). Im Berufungsverfahren argumentieren die Parteien\nebenso auf dieser Grundlage (Bl. 202, 261 d.A.). Danach ist davon auszugehen,\ndass die Nutzungsuberlassung kapitalersetzende Funktion hatte. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| bb) Ist eine Gebrauchsuberlassung kapitalersetzend, hat dies zur Folge, dass\nder Gesellschafter das laufende Nutzungsentgelt nicht fordern kann, die GmbH\nvielmehr, wie der vorlaufige Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 30.04.2003\nzutreffend geltend gemacht hat, berechtigt ist, das Grundstuck unentgeltlich\nzu nutzen (BGH aaO). Die von den Beklagten empfohlene und auch vorbereitete\nfristlose Kundigung des Mietvertrags wurde wegen des in Anbetracht der\nErklarung des Insolvenzverwalters fur die Zeit ab Mai 2003 zu erwartenden\nZahlungsverzugs ausgesprochen. Nachdem jedoch keine Zahlungen geschuldet\nwaren, kann auch kein Zahlungsverzug eintreten. Mangels eines wichtigen\nGrundes war die Kundigung als fristlose Kundigung unwirksam. Eine darin\nzugleich moglicherweise liegende ordentliche Kundigung konnte in Anbetracht\nder vereinbarten vertraglichen Kundigungsfristen erst zum 31.12.2013 wirksam\nwerden, konnte also ungeachtet der Frage der Raumung des Grundstucks die\nOrganschaft keinesfalls in auch nur absehbarer Zeit beenden, was aber aus\nsteuerlichen Grunden erforderlich gewesen ware. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| cc) Die zu einem fruheren Zeitpunkt, vor Ausspruch der unwirksamen\nKundigung, erfolgte Umqualifizierung des Mietverhaltnisses in funktionales\nEigenkapital hatte nicht per se zum Ende der wirtschaftlichen Eingliederung\nund damit der Organschaft gefuhrt. Nach wie vor uberließ der Klager der GmbH\ndas auf ihre Bedurfnisse zugeschnittene, namlich mit einem geeigneten Gebaude\nmit Werkstatt, Verkaufs- und Lagerraumen bebaute Grundstuck, stellte der GmbH\nalso fur ihren Zweigbetrieb in M. eine wesentliche Betriebsgrundlage zur\nVerfugung. Dass diese Überlassung in der konkreten Situation vom Klager\nzunachst nicht beendet werden konnte, weil Grundsatze der Kapitalerhaltung\nentgegenstanden, anderte nichts an der grundsatzlich bestehenden\nwirtschaftlichen Abhangigkeit der Betriebsgesellschaft von der herrschenden\nGesellschaft, also dem Vermietungsunternehmen des Klagers. Der BFH hat\nmehrfach entschieden, dass die bloße Moglichkeit, ein Vertragsverhaltnis zu\nkundigen und der beherrschten Gesellschaft damit die Betriebsgrundlage zu\nentziehen, ausreichend ist, auch wenn die ordentliche Kundigung auf Jahrzehnte\nhinaus ausgeschlossen ist, also lediglich eine Kundigung aus wichtigem Grund\nin Betracht kommt, deren Voraussetzungen erst noch eintreten mussen (BFHE 81,\n678; BFHE 92, 46). Eine vergleichbare Situation besteht hier. Der Klager hatte\nzumindest die Moglichkeit, seiner GmbH Kapital zukommen zu lassen und damit\ndie Umqualifizierung des Mietverhaltnisses in funktionales Eigenkapital\nruckgangig zu machen. Danach konnte er, sollte Zahlungsverzug oder ein anderer\nwichtiger Grund eintreten, das Mietverhaltnis fristlos kundigen und der GmbH\ndas Grundstuck entziehen. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Somit war der Rat zur fristlosen Kundigung des Mietverhaltnisses ungeeignet,\nda kein Kundigungsgrund bestand, die Kundigung also unwirksam war, und die\nOrganschaft, die nicht schon aus anderen Grunden geendet hatte, nicht beenden\nkonnte. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| b) Daruber hinaus hat das Landgericht zutreffend ausgefuhrt, dass eine\nisolierte Kundigung auch im Fall ihrer Wirksamkeit nicht geeignet gewesen\nware, die wirtschaftliche Eingliederung und damit die Organschaft zu beenden,\ndass es vielmehr erforderlich gewesen ware, der GmbH die Betriebsgrundlage\ntatsachlich zu entziehen. Sobald eine Kundigung ausgesprochen ist, ist die\nAbhangigkeit des beherrschten Unternehmens sogar noch starker als zuvor, da\ndie Entziehung des Betriebsgrundstucks jederzeit durch Geltendmachung des\nRaumungsanspruchs erfolgen kann. Erst wenn dieser Anspruch tatsachlich\ndurchgesetzt ist, die GmbH also den Besitz am Grundstuck aufgegeben und dieses\ngeraumt hat, sind die Rechtsbeziehungen zwischen Organtrager und fruherer\nOrgangesellschaft in Form der wirtschaftlichen Forderung und Erganzung\nbeendet. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Wenn die Kundigung - was hier ohnehin nicht anzunehmen ist - im Grundsatz\neine geeignete Maßnahme zur Beendigung der Organschaft gewesen ware, hatten\ndie Beklagten dem Klager genau erklaren mussen, wie diese Maßnahme zu\nvollziehen ist. Nachdem in dem von ihnen selbst formulierten\nKundigungsschreiben lediglich die Rede davon ist, wegen der Raumung werde der\nKlager gesondert auf die GmbH zukommen, waren die Beklagten in besonderem Maße\nverpflichtet gewesen, dem Klager zu verdeutlichen, dass dieser zweite Schritt,\nnamlich das konkrete Raumungsverlangen und dessen Durchsetzung,\nschnellstmoglich erfolgen muss, da ansonsten die Wirksamkeit der Maßnahme\nnicht gesichert ist. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Dass die Beklagten eine derartige Beratung durchgefuhrt haben, kann nicht\nangenommen werden. Zwar hat grundsatzlich der Mandant zu beweisen, dass der\nSteuerberater die geschuldete Beratung nicht erbracht hat, jedoch obliegt es\nzunachst dem Berater, substantiiert darzulegen, in welcher Weise er seine\nPflichten erfullt haben will (BGH NJW 1995, 2842; BGH NJW 1996, 2571). Dieser\nsekundaren Darlegungslast sind die Beklagten, wie das Landgericht mit Recht\nangenommen hat, nicht hinreichend nachgekommen. Sie haben nicht einmal\nvorgetragen, dem Klager ausdrucklich erklart zu haben, dass er fur die Raumung\nsorgen musse, vielmehr verwenden sie eher vage Begriffe, so etwa, dem Klager\nsei „ausdrucklich bedeutet worden", auch fur die Übergabe des Grundstucks zu\nsorgen. Insbesondere fehlt jede Angabe zu genaueren Zeitpunkten und Umstanden\nder Beratung. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Somit haben die Beklagten dem Klager eine Maßnahme vorgeschlagen, die schon\nper se nicht geeignet war, die Organschaft zu beenden, und haben zudem diese\nMaßnahme, die zwei Schritte - Kundigung und Durchsetzung des Raumungsanspruchs\n- erforderte, auch unvollstandig erlautert, was sich allerdings nicht mehr\nausgewirkt hat. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| 3\\. Die Beklagten mussten, wie oben unter 1. dargelegt, davon ausgehen, dass\ndie steuerliche Situation des Klagers durch eine schnellstmogliche Beendigung\nder Organschaft jedenfalls verbessert werden wurde, auch wenn es nicht sicher\nwar, ob alle drohenden umsatzsteuerlichen Belastungen vermeidbar waren. Zu\ndiesem Zweck mussten sie dem Klager alle in Betracht kommenden Maßnahmen zur\nBeendigung der Organschaft vorstellen und erklaren. Insbesondere durften die\nBeklagten nicht davon ausgehen, dass die Organschaft bereits unabhangig von\netwaigen seitens des Klagers einzuleitenden Maßnahmen geendet hatte, vielmehr\nbestand Handlungsbedarf. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| a) Die Organschaft bestand noch. Es wurde bereits ausgefuhrt, dass die\nProblematik des Kapitalerhalts und die damit zusammenhangende Umqualifizierung\nder Gebrauchsuberlassung in faktisches Eigenkapital die wirtschaftliche\nEingliederung unberuhrt ließ, also die Organschaft nicht beendet hatte (s.o.\nSeite ). Gleiches gilt unter dem Aspekt der organisatorischen Eingliederung\nfur die Bestellung des vorlaufigen Insolvenzverwalters; auch hier mussten die\nBeklagten bei der Beratung davon ausgehen, dass dies keinen Einfluss auf die\nOrganschaft hatte. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Die Beklagten machen im vorliegenden Verfahren geltend, der vorlaufige\nInsolvenzverwalter habe in einem derartigen Umfang seine vom Insolvenzgericht\nbestimmten Befugnisse uberschritten, dass die organisatorische Eingliederung\nder GmbH beendet worden sei, weil faktisch der Klager seinen Willen in der\nGmbH nicht mehr habe durchsetzen konnen. Ob und in welchem Umfang dieses von\nden Beklagten behauptete Verhalten des vorlaufigen Insolvenzverwalters in dem\nfruhen Zeitpunkt, in dem eine Beratung seitens der Beklagten erfolgen musste,\nbereits absehbar war, kann letztlich dahinstehen. In jedem Fall war die von\nden Beklagten jetzt vertretene Rechtsansicht in erheblichem Maße\nrisikobehaftet. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Der vorlaufige Insolvenzverwalter war als „schwacher" vorlaufiger Verwalter\nbestellt worden, es war lediglich angeordnet worden, dass Verfugungen des\nSchuldners, also der GmbH, nur mit Zustimmung des vorlaufigen\nInsolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 InsO). Das\nInsolvenzgericht hatte nicht etwa ein allgemeines Verfugungsverbot (§§ 22 Abs.\n1, 21 Abs. 2 Nr. 2 HS 1 InsO) ausgesprochen. Die Befugnisse des vorlaufigen\nInsolvenzverwalters ergaben sich uberwiegend bereits aus dem Gesetz (§ 22 Abs.\n3 InsO), weitergehende Befugnisse waren nur insoweit angeordnet, als der\nvorlaufige Insolvenzverwalter Bankguthaben und sonstige Forderungen einziehen\nund eingehende Gelder entgegennehmen sollte. Nach dem Umfang der formalen\nBestellung konnte der vorlaufige Insolvenzverwalter lediglich Maßnahmen des\nKlagers als Geschaftsfuhrer blockieren. Der BFH hat zwar fur das fruhere\nKonkurs- und Vergleichsverfahren auf die Befugnisse des Sequesters im\nEinzelfall abgestellt, hat es aber schon damals nicht fur die Beendigung der\nOrganschaft ausreichen lassen, dass Organtrager und Sequester gleich stark\nsind, also keiner ohne den anderen handeln kann (BFH NJW 1996, 1694; BFHE 182,\n426; BFH/NV 2002, 223; BFH Urt. vom 16.08.2001, Az. V R 34/01). Entscheidungen\ndes BFH zur InsO lagen im Zeitpunkt der Beratung durch die Beklagten noch\nnicht vor, die Beklagten mussten aber befurchten, dass die Rechtsprechung des\nBFH unverandert fortgefuhrt werden wurde. Dies wurde fur die InsO bedeuten,\ndass die Organschaft nicht beendet wird, wenn nur ein „schwacher" vorlaufiger\nInsolvenzverwalter bestellt wird, da auch dann die Situation gegeben ist, dass\nOrgantrager und vorlaufiger Insolvenzverwalter gleich stark sind (so\ninzwischen tatsachlich auch BFHE 204, 250 vom 01.04.2004, BFH/NV 2006, 1366\nvom 03.03.2006, wobei zudem hervorgehoben wurde, die fruheren Grundsatze zur\nKO, wonach es auf den Einzelfall ankomme, seien nicht ohne weiteres auf die\nInsO ubertragbar). \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Zur Frage einer etwaigen Befugnisuberschreitung war im Zeitpunkt der\nBeratung durch die Beklagten in der Rechtsprechung der Finanzgerichte bereits\nmehrfach entschieden worden, dass diese nicht zum Wegfall der\norganisatorischen Eingliederung fuhrt, vielmehr der Organtrager seine\nRechtsposition durch entsprechende Antrage im Insolvenzeroffnungsverfahren\nwahren musse (FG Nurnberg, Urt. vom 10.04.2000, KTS 2001, 509, nachfolgend BFH\n27.10.2000, Az. V B 102/00: Revision nicht zugelassen, da keine grundsatzliche\nBedeutung; FG Nurnberg, Urt. vom 09.08.2001, EWiR 2002, 361; Schleswig-\nHolsteinisches FG, Urt. vom 24.09.2002, EFG 2003, 1582, nachfolgend - jedoch\nerst am 01.04.2004 - BFHE 204, 520, wo diese Überlegung nicht beanstandet\nwurde; FG Munster, Urt. vom 01.04.2003, EFG 2004, 612). \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Unter Berucksichtigung der damals schon vorliegenden Entscheidungen war die\nAnsicht, die im Zeitpunkt der Beratung bereits erfolgte oder jedenfalls\nabsehbare behauptete Überschreitung der Befugnisse habe die organisatorische\nEingliederung und damit die Organschaft unabhangig von etwaigen weiteren\nMaßnahmen beendet, hoch risikobehaftet, sie durfte keinesfalls der Beratung\nzugrunde gelegt werden. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| b) Danach mussten die Beklagten dem Klager Maßnahmen nennen und ggf.\nempfehlen, die geeignet waren, die Organschaft zu beenden, weil in\nsteuerlicher Hinsicht ein Handlungsbedarf bestand. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Welche Maßnahmen insoweit von den Beklagten zu nennen waren, hat der Senat\nnicht von Amts wegen zu prufen. Vielmehr ist es Sache des Klagers, nicht nur\ndarzulegen und zu beweisen, dass die tatsachliche Beratung pflichtwidrig war,\nsondern auch in gleicher Weise vorzubringen, welche Beratung geschuldet\ngewesen ware. Der Klager kann nur dann mit Erfolg einen Anspruch gegen seinen\nBerater geltend machen, wenn neben der Pflichtverletzung in Form der\nunzureichenden oder unrichtigen Beratung, dem haftungsbegrundenden Tatbestand,\nauch eine haftungsausfullende Kausalitat vorliegt, der behauptete Schaden also\nohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten ware. Darlegungs- und\nbeweispflichtig fur den gesamten Kausalverlauf ohne die Pflichtverletzung ist\nder Mandant, ihm kommt lediglich insoweit eine Beweiserleichterung zugute, als\ndie haftungsausfullende Kausalitat nach Maßgabe des § 287 ZPO und nicht nach\ndem strengeren Maßstab des § 286 ZPO festzustellen ist. Dem Klager obliegt es\ndaher auch, vorzutragen, wie die vom Berater richtigerweise geschuldete\nBeratung hatte lauten mussen. Nachdem der Klager im vorliegenden Fall nur\nvorgetragen hatte, die Beklagten hatten ihn uber die Moglichkeit aufklaren\nmussen, die Geschaftsfuhrerstellung niederzulegen, hat sich die rechtliche\nPrufung auf diese Maßnahme zu beschranken. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.11.2006 zeigt der Klager\nangebliche andere Alternativen auf: Er hatte seine Geschaftsanteile an der\nGmbH einer Frau B. verkaufen oder schenken konnen oder hatte das\nBetriebsgrundstuck an Frau B. oder einen Herrn G. verkaufen bzw. seinem Sohn\nschenken konnen. Dieser Vortrag ist jedoch gemaß § 296a iVm § 525 ZPO nicht zu\nberucksichtigen; er gibt keinen Anlass zur Wiedereroffnung der mundlichen\nVerhandlung. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Zutreffend ist, worauf der Klager hinweist, dass das Landgericht\nunrichtigerweise davon ausging, der Klager konne sich bezuglich der\nNiederlegung der Geschaftsfuhrerstellung auf die Vermutung beratungsgerechten\nVerhaltens berufen, und dass das Landgericht daruber hinaus ohne weiteres\nannahm, diese Niederlegung hatte die Organschaft beendet, ohne zu\nberucksichtigen, dass die Amtsniederlegung, wie nachfolgend zu erortern ist,\nnur wirksam moglich ist, wenn zugleich ein Nachfolger bestellt wird, und dass\nschließlich die steuerliche Relevanz dieser Maßnahme davon abhangt, welche\nPerson als Nachfolger bestellt wird. Allerdings haben die Beklagten in ihrer\nBerufungsbegrundung (S. 10 ff., Bl. 206 d.A.) und erganzend im Schriftsatz vom\n20.04.2006 (Bl. 257 d.A.) umfassend die Fragen problematisiert, ob der Klager\nsein Amt uberhaupt hatte jederzeit niederlegen konnen, ob es einen\n„Ersatzmann" als Geschaftsfuhrer gegeben hatte, ob und welche Aspekte gegen\ndie Niederlegung gesprochen hatten, ob unter Berucksichtigung der\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vermutung beratungsgerechten\nVerhaltens in dieser Situation zur Anwendung kommen kann, und ob schließlich\ndie etwaige Niederlegung des Amts steuerliche Auswirkungen gehabt hatte. Der\nKlager hat mit Schriftsatz vom 04.05.2006 (Bl. 261 d.A.) auf diesen Vortrag\nder Beklagten erwidert, hat sich aber weiterhin nur darauf gestutzt, die\nBeklagten hatten ihm den Rat zur Niederlegung des Geschaftsfuhreramtes\nerteilen mussen, wobei er seinen Vortrag insoweit erganzt hat, als er\nvorgetragen hat, sein Sohn hatte als Geschaftsfuhrer zur Verfugung gestanden.\nDie Beklagten haben schließlich mit Schriftsatz vom 05.10.2006 (S. 6 ff., Bl.\n278 d.A.) nochmals dargelegt, warum aus ihrer Sicht auch der weitere Vortrag\ndes Klagers unzureichend sei. Der Senat hat sodann im Termin am 17.10.2006\nausweislich des Sitzungsprotokolls (S. 6 ff., Bl. 303 d.A.) seine\nRechtsansicht dargelegt, und hat zu erkennen gegeben, dass er die vorgenannten\nEinwendungen der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil teilt, wobei er\nberucksichtigt hat, dass der Klager bei seiner Anhorung im Termin erklarte\nhatte, dass sein Sohn damals noch Schuler war. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Es kann dahinstehen, wie zu entscheiden ware, hatte der Klager bereits im\nTermin vor dem Senat am 17.10.2006 substantiierten Vortrag gehalten, dass\nandere Moglichkeiten bestanden hatten, die Organschaft zu beenden\n(Veraußerung/schenkweise Übertragung des Grundstucks oder der Geschaftsanteile\nan eine seriose Person, also nicht an einen „Firmenbestatter"), die er\nwahrgenommen hatte, hatten die Beklagten ihm dazu geraten. Tatsachlich ist der\nVortrag in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz nach Schluss der mundlichen\nVerhandlung erfolgt. Hier stellt sich nicht primar die Frage, ob der Vortrag\nim Hinblick auf § 531 ZPO noch berucksichtigt werden konnte (zu dieser Frage\nist aber das vom Klager zitierte Urteil des BGH vom 21.09.2004, Az. VII ZR\n173/03, NJW-RR 2005, 167 ergangen), vielmehr liegt ein Fall des § 296a iVm §\n525 ZPO vor. Im Hinblick auf § 296a S. 2 ZPO sind wiederum die §§ 139 Abs. 5\nund 156 ZPO zu prufen; § 283 ZPO scheidet ersichtlich aus. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Eine Schriftsatzfrist nach § 139 Abs. 5 ZPO hat der Klager nicht beantragt.\nJedenfalls im Anwaltsprozess ist das Gericht auch nicht verpflichtet, einer\nPartei ohne einen derartigen Antrag eine Schriftsatzfrist zu gewahren (OLG\nHamm NJW-RR 2004, 2543). Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem\nder Senat in keiner Weise einschatzen konnte, ob der Klager noch weiteren\nVortrag hatte halten konnen. Dies hing namlich nicht nur von der abstrakten\nRechtsfrage ab, welche weiteren theoretischen Moglichkeiten es gab, eine\numsatzsteuerliche Organschaft zu beenden, sondern insbesondere auch von den\ndem Klager tatsachlich zu Gebote stehenden Handlungsoptionen. Der Senat kann\nnicht wissen, ob der Klager Personen gefunden hatte, die bereit gewesen waren,\nim damaligen Zeitpunkt mit ihm einen Kauf- oder Schenkungsvertrag uber die\nGmbH-Anteile oder das Grundstuck zu schließen. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Auch § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO fuhrt zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat ist\nim Termin seinen Hinweis- und Aufklarungspflichten nachgekommen. Es ist nicht\nersichtlich, dass der Klager nach den konkreten Umstanden nicht zu einer\nsofortigen Reaktion imstande gewesen ware. Dabei ist zu berucksichtigen, dass\ndie Frage der Handlungsoptionen des Klagers bei entsprechender Beratung durch\ndie Beklagten in den Schriftsatzen im Berufungsverfahren umfassend\nthematisiert worden war, es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die im\nTermin geaußerte Rechtsauffassung des Senats fur den Klager vollig\nuberraschend war (insoweit liegt eine grundlegend andere Konstellation vor als\nim Beschluss des BGH vom 18.09.2006, Az. II ZR 10/05). Es bestehen auch keine\nAnhaltspunkte dafur, dass der Klager nicht in der mundlichen Verhandlung vor\ndem Senat hatte entsprechend reagieren konnen. Der Klager war personlich\nanwesend, die Information, dass er Personen kannte, die zum Abschluss eines\nKauf- oder Schenkungsvertrags bereit gewesen waren, hatte er seinem\nProzessbevollmachtigten auf dessen entsprechende Frage in einer Pause geben\nkonnen, so dass der Klagervertreter den jetzt im Schriftsatz vom 18.11.2006\nenthaltenen Vortrag in der mundlichen Verhandlung hatte halten konnen. Der\nSenat hat die Sitzung nach Erteilung der rechtlichen Hinweise ausreichend\nlange unterbrochen; die Parteien hatten Gelegenheit, diese Hinweise und die\nsich daraus ergebenen Folgen mit ihren Prozessbevollmachtigten zu besprechen. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Es verbleibt also dabei, dass der Senat ausschließlich den Vorwurf der\nunterbliebenen Beratung hinsichtlich der Niederlegung der\nGeschaftsfuhrerstellung zu prufen hat. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| c) Die Beklagten waren verpflichtet, dem Klager zu erlautern, dass die\nAmtsniederlegung in rein steuerlicher Hinsicht zumindest unter bestimmten\nBedingungen die Chancen erhohte, die Organschaft zu beenden, dass aber\nerhebliche Unsicherheiten verblieben, dies also schon steuerlich keinesfalls\nein sicherer Weg war. Daruber hinaus mussten sie dem Klager empfehlen,\nerganzend eine (gesellschafts-) rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, die\nrichtigerweise zu dem Ergebnis gefuhrt hatte, dass die Beendigung der\nGeschaftsfuhrerstellung in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht schwierig und\nzudem risikobehaftet ist. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| aa) Die Aufgabe der Beklagten bestand darin, die steuerliche Beratung im\nZusammenhang mit den sich stellenden Fragen der Organschaft vorzunehmen. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| Sie konnen nicht mit Erfolg geltend machen, faktisch sei der Klager\nbezuglich der Niederlegung seines Amtes ausschließlich von RA H. beraten\nworden. Zwar war es tatsachlich so, dass die Beklagten sich mit dieser\nMoglichkeit nicht befasst haben, da der Beklagte Ziff. 2 von vornherein der\nAnsicht war, die Maßnahme sei nicht erfolgversprechend. Dies andert jedoch\nnichts daran, dass die Beklagten dem Klager die etwaigen steuerlichen -\ninsoweit nicht dem Mandat des RA H. unterliegenden - Auswirkungen dieser\nMaßnahme hatten erlautern mussen, auch wenn sie im Ergebnis dazu gekommen\nwaren, dass die steuerliche Situation durch diesen Schritt allenfalls\ngeringfugig verbessert worden ware. In der steuerlich problematischen\nSituation war es geboten, dem Klager jede Moglichkeit aufzuzeigen, die die\nChancen zumindest erhohte, die Organschaft zu beenden und damit die drohende\nSteuerbelastung ganz oder eventuell auch nur teilweise zu vermeiden. \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| In diesem Zusammenhang ist auch die zwischen den Parteien streitige Frage,\nob der vorlaufige Insolvenzverwalter bei einer Besprechung die\nAmtsniederlegung als mogliche Maßnahme zur Beendigung der Organschaft\nerwahnte, unerheblich. Die Beklagten waren verpflichtet, aus eigener Sachkunde\ndiese in Betracht kommende Moglichkeit zu erkennen, hinsichtlich ihrer\nsteuerlichen Auswirkungen einzuschatzen und den Klager entsprechend zu\ninformieren, unabhangig davon, ob ein Dritter diese Vorgehensweise erwahnt\nhatte. \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| bb) Die Beklagten hatten jedoch im Rahmen der geschuldeten Beratung auch\nerklaren mussen, dass die steuerliche Wirksamkeit der Amtsniederlegung\nfraglich ist und keinesfalls sicher zum gewunschten Erfolg fuhrt. Dabei musste\nzum einen die oben (Seite ) diskutierte Frage angesprochen werden, dass offen\nwar, ob der Vorsteuerberichtigungsanspruch eventuell unabhangig vom\nFortbestand der Organschaft in jedem Fall gegen den Klager als (fruheren)\nOrgantrager festgesetzt werden wurde. Insbesondere musste dargelegt werden,\ndass bereits nicht sicher war, ob die Niederlegung der Geschaftsfuhrerstellung\nuberhaupt die Organschaft beenden wurde. \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| Die Maßnahme zielte auf die Beseitigung der organisatorischen Eingliederung.\nDiese ware in ihrem Umfang sicher zumindest deutlich herabgesetzt worden, wenn\nder Klager nicht mehr Geschaftsfuhrer der GmbH gewesen ware. Allerdings war\nder Klager nach wie vor Alleingesellschafter und konnte auf dem Weg uber die\nGesellschafterversammlung das Handeln eines etwaigen neuen Geschaftsfuhrers\nbeeinflussen. In fruheren Entscheidungen neigte der BFH dazu, dieser Tatsache\nerhebliche Bedeutung beizumessen, also letztlich aus der finanziellen\nEingliederung auf eine organisatorische Eingliederung zu schließen (BFHE 89,\n402; BFHE 92, 46), allerdings waren in beiden Fallen weitere Indizien fur eine\norganisatorische Eingliederung gegeben. In einer spateren Entscheidung (BFH/NV\n1993, 133) hob der BFH jedoch hervor, dass aus der finanziellen Eingliederung\nnicht notwendigerweise die organisatorische Eingliederung folge, sondern dafur\nvielmehr erforderlich sei, dass die mit der finanziellen Eingliederung\nverbundene Moglichkeit einer Beherrschung der Organgesellschaft durch den\nOrgantrager in der laufenden Geschaftsfuhrung der Organgesellschaft\ntatsachlich wahrgenommen werden musse. In diesem Sinne fuhrt auch\nSchmidt/Muller/Stocker, Die Organschaft im Korperschaftssteuer-,\nGewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht, 6. Auflage, Rn. 1375 und 1381 aus, die\nbestehende Moglichkeit, dass der Organtrager etwa aufgrund der finanziellen\nBeherrschung seinen Willen durchsetzen konne, reiche nicht, vielmehr musse die\nBeherrschungsmacht durch organisatorische Maßnahmen tatsachlich verwirklicht\nsein. Das FG Baden-Wurttemberg (EFG 2006, 1110; Revision beim BFH anhangig\nunter Az. V R 76/05) fordert nicht einmal eine „Gestaltung" der Beziehungen in\nForm organisatorischer Maßnahmen, sondern lasst die faktische Beherrschung\ngrundsatzlich ausreichen, wobei es sogar davon ausgeht, dass eine Vermutung\nbesteht, dass der finanziell beherrschende Gesellschafter auf die\nGeschaftsfuhrung der beherrschten Gesellschaft einwirkt, diese Vermutung aber\nvom Gesellschafter widerlegt werden konne. Eine derartige Vermutung nimmt auch\nRau/Durrwachter-Stadie, § 2 UStG Rn. 698 an. \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| Die Beklagten mussten danach dem Klager erklaren, dass eine Niederlegung der\nGeschaftsfuhrerstellung steuerlich wirkungslos war, also nicht einmal die\nOrganschaft beenden konnte, wenn der Klager danach noch immer mittelbar oder\nunmittelbar Einfluss auf die Geschafte der GmbH nahm. In Anbetracht der hier\nwegen der Alleingesellschafterstellung des Klagers im maximalen Maße\nverwirklichten finanziellen Eingliederung konnte sogar nicht vollig\nausgeschlossen werden, dass die organisatorische Eingliederung als\neigenstandiges Merkmal bei der Beurteilung durch die Finanzverwaltung bzw.\nggf. die Finanzgerichtsbarkeit keine Rolle mehr spielen wurde oder jedenfalls\nzu Lasten des Klagers die vorstehend dargestellte Vermutung zur Anwendung\nkame, die dann vom Klager zu widerlegen ware. In steuerlicher Hinsicht war es,\num uberhaupt eine Chance zu haben, die organisatorische Eingliederung zu\nbeenden, unabdingbar, einen neuen Geschaftsfuhrer zu bestellen, der vom Klager\npersonlich wie auch sachlich weitestgehend unabhangig war, also auch moglichst\nnicht der Hilfe und Beratung durch den Klager bedurfte, um die GmbH fortfuhren\nzu konnen. Auch in diesem Fall jedoch war der steuerliche Erfolg der Maßnahme\nnicht sicher, sondern vielmehr risikobehaftet, was die Beklagten dem Klager\nklar sagen mussten. \n--- \n--- \n| 90 \n--- \n| cc) Hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Fragen und Probleme der\nNiederlegung des Geschaftsfuhrung mussten die Beklagten dem Klager raten,\nerganzend RA H. zu konsultieren, da die steuerliche Beurteilung der Frage, ob\neine Person noch Geschaftsfuhrer ist, von den gesellschaftsrechtlichen\nGrundlagen abhangt. Es gibt nicht etwa einen gesonderten steuerrechtlichen\nGeschaftsfuhrerbegriff (so ausdrucklich SaarlandOVG, Urt. vom 27.03.1990, Az.\n1 R 281/87; inzident durch Bezugnahme auf die zivilrechtliche Rspr. zur\nAmtsniederlegung auch BFH/NV 1993, 707; BFHE 143, 203). \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| Dass der Klager diesem Rat gefolgt ware, kann ohne weiteres unterstellt\nwerden, denn faktisch war RA H. insoweit fur den Klager tatig und befasste\nsich auch mit dieser Frage. Im tatsachlichen Ablauf der Geschehnisse fehlte\nlediglich die diesbezugliche steuerliche Beratung durch die Beklagten, zudem\nwar die von RA H. vorgenommene Prufung der Rechtslage nicht umfassend genug.\nIn dem hier zu diskutierenden fiktiven Kausalverlauf ist jedoch davon\nauszugehen, dass RA H. ausdrucklich beauftragt worden ware, dieses Thema\numfassend zu untersuchen, und dementsprechend auch eine vollstandige und\nrichtige Beratung erteilt hatte. \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| (1) RA H. hatte dem Klager erklaren mussen, dass nach der einschlagigen\nRechtsprechung davon auszugehen war, dass eine sofortige Beendigung des Amtes,\nalso der vom Anstellungsvertrag zu unterscheidenden Organstellung, nur wirksam\nwerden konnte, wenn zugleich ein neuer Geschaftsfuhrer bestellt wurde. \n--- \n--- \n| 93 \n--- \n| Die Beendigung der Organstellung durch Niederlegung des Geschaftsfuhreramtes\nist moglich, wobei der BGH fur die mehrgliedrige GmbH hervorgehoben hat, dass\ndiese Niederlegung grundsatzlich sofort wirksam ist, unabhangig davon, ob sie\nauf einen wichtigen Grund gestutzt wird oder nicht (BGHZ 121, 257; BGH NJW\n1995, 2850). Bereits vor der Entscheidung BGHZ 121, 257 vom 08.02.1993 hatten\nallerdings Instanzgerichte entschieden, dass die Niederlegung des Amts durch\nden Alleingeschaftsfuhrer einer GmbH, der zugleich ihr Alleingesellschafter\nist, unwirksam ist, wenn der Alleingesellschafter nicht zugleich einen neuen\nGeschaftsfuhrer bestellt (BayObLGZ 1981, 266; BayObLGZ 1992, 253; OLG Hamm\nOLGZ 1988, 411). Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 08.02.1993 nicht etwa\nausgefuhrt, der von ihm fur eine mehrgliedrige GmbH aufgestellte Grundsatz der\nsofortigen Wirksamkeit gelte in gleicher Weise auch fur die GmbH mit einem\nAlleingesellschafter-Geschaftsfuhrer, sondern hat vielmehr ausdrucklich offen\ngelassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Amtsniederlegung\nwegen Erklarung zur Unzeit oder wegen Rechtsmissbrauchlichkeit unwirksam sein\nkonne. Dementsprechend haben die Instanzgerichte auch nach dieser Entscheidung\ndes BGH die vorzitierte Rechtsprechung fortgefuhrt (BayObLGZ 1999, 171; OLG\nDusseldorf NJW-RR 2001, 609; KG KGRep 2001, 234; OLG Dresden NotBZ 2005, 112\nfur die Amtsniederlegung samtlicher Vorstande und Aufsichtsratsmitglieder bei\neiner AG). Zugrunde liegt der Gedanke, dass die Amtsniederlegung gerade in der\nKrise der GmbH rechtsmissbrauchlich ist, da sie zur Handlungsunfahigkeit der\nGmbH fuhrt, obwohl die GmbH in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation in\nbesonderem Maße auf ihren Geschaftsfuhrer angewiesen ist, nicht zuletzt, um\nihre Rechte im Insolvenzverfahren wahrzunehmen. Der Alleingesellschafter-\nGeschaftsfuhrer, der freiwillig die Verantwortung fur die GmbH ubernommen, sie\naber in die Situation der Insolvenzreife gebracht hat, darf sich dieser\nVerantwortung und den damit zusammenhangenden Pflichten als Geschaftsfuhrer\nnicht durch eine Amtsniederlegung entziehen; ein derartiges Verhalten ware\nrechtsmissbrauchlich. Dementsprechend kommt auch die Bestellung eines\nNotgeschaftsfuhrers nicht in Betracht, da keine Notlage vorliegt, sondern\ndiese erst durch das rechtsmissbrauchliche Verhalten des Alleingesellschafter-\nGeschaftsfuhrers herbeigefuhrt wurde. Gerade in der Situation der\nInsolvenzreife kann zudem regelmaßig die Vergutung eines Notgeschaftsfuhrers\nnicht sichergestellt werden, mit der Folge, dass sich niemand findet, der\nbereit ware, dieses Amt zu ubernehmen. \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| Von dieser Rechtsprechung musste RA H. ausgehen und musste sie dem Klager\nverdeutlichen, ihm also erklaren, dass er einen neuen Geschaftsfuhrer suchen\nmusste, wenn er sein Amt niederlegen wollte. Dabei lag auf der Hand, dass es\nunter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs keinen Unterschied machen wurde, ob der\nKlager sein Amt durch eine Erklarung in seiner Eigenschaft als\nAlleingeschaftsfuhrer niederlegte oder ob er in seiner Eigenschaft als\nAlleingesellschafter einen Beschluss fasste, sich als Geschaftsfuhrer\nabzuberufen; die letztgenannte Moglichkeit ware lediglich ein untauglicher\nVersuch, die vorgenannten Grundsatze der Rechtsprechung zu umgehen (so jetzt\nausdrucklich OLG Zweibrucken OLGRep. 2006, 501; diese Entscheidung konnte RA\nH. allerdings noch nicht kennen). \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| (2) Zudem musste RA H. dem Klager erklaren, dass die Niederlegung des\nGeschaftsfuhreramtes in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht Risiken barg, da\nSchadensersatzanspruche der GmbH entstehen konnten, wenn diese Niederlegung\nzur Unzeit erfolgte. \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| Derartige Schadensersatzanspruche konnten z.B. entstehen, wenn Auftrage der\nGmbH nicht ordnungsgemaß durchgefuhrt und fertig gestellt werden konnten, weil\nsich ein etwaiger neuer Geschaftsfuhrer nicht so gut auskannte wie der Klager,\nmit den laufenden Auftragen nicht vertraut war, Besonderheiten der Bauvorhaben\nnicht kannte etc. Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht des Klagers nicht\num die Verletzung etwaiger insolvenzrechtlicher Pflichten. Vielmehr stehen\nPflichten in Rede, die der Klager in seiner Eigenschaft als\nAlleingesellschafter-Geschaftsfuhrer gegenuber der GmbH hatte und die durch\nden Insolvenzantrag nicht geendet hatten. Ebenso handelte es sich nicht um\nAnspruche des Insolvenzverwalters, sondern um drohende Schadensersatzanspruche\nder GmbH, die der Insolvenzverwalter lediglich hatte geltend machen konnen. Ob\nund in welchem Umfang derartige Anspruche entstehen konnten, konnte nicht\nkonkret abgeschatzt werden, allerdings hatte die GmbH, was zwischen den\nParteien unstreitig ist, im Zeitpunkt des Insolvenzantrags in erheblichem\nUmfang laufende, noch nicht abgeschlossene Auftrage. Da die Beklagten\nverpflichtet waren, von Anfang an die Moglichkeit der Amtsniederlegung als\nsteuerliche Option darzustellen und insoweit auch auf die Beiziehung von RA H.\nhinzuwirken, ware auch die Beratung durch RA H. in einem sehr fruhen Zeitpunkt\nerfolgt, in dem noch nicht absehbar war, wie lange das\nInsolvenzeroffnungsverfahren noch dauern wurde und welche Auftrage in welchem\nUmfang gefahrdet sein konnten, in welchem Umfang also Schadensersatzanspruche\ndrohten. \n--- \n--- \n| 97 \n--- \n| Das Risiko derartiger Anspruche konnte allerdings deutlich verringert\nwerden, wenn der Klager auch nach einer Niederlegung des Amtes einem neuen\nGeschaftsfuhrer in weitem Umfang beratend zur Seite stand, also seine\nfachlichen und insbesondere betriebsspezifischen Kenntnisse einbrachte und\ndrohende gesellschaftsschadliche Fehlentscheidungen eines neuen\nGeschaftsfuhrers gegebenenfalls mit Hilfe einer entsprechenden Weisung der\nGesellschafterversammlung korrigierte. Allerdings war in steuerlicher Hinsicht\nunter dem Aspekt der gewunschten Beendigung der organisatorischen\nEingliederung genau diese fortbestehende tatsachliche Einflussnahme auf die\nGeschaftsfuhrung unbedingt zu vermeiden. Es bestand also ein Konflikt zwischen\nder steuerlich und der gesellschaftsrechtlich anzustrebenden Situation, der\nnicht auflosbar war. \n--- \n--- \n| 98 \n--- \n| RA H. musste den Klager auf diese drohenden Schadensersatzanspruche\nhinweisen und musste erklaren, dass in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht -\ninsoweit im diametralen Gegensatz zur steuerlichen Beratung der Beklagten, wie\nsie richtigerweise hatte lauten mussen - unter dem Aspekt der\nRisikoverringerung der Klager auch nach einer Amtsniederlegung weiterhin\nEinfluss auf die Geschaftsfuhrung der GmbH nehmen sollte, um dieser mit seinen\nKenntnissen und Fahigkeiten zur Verfugung zu stehen. \n--- \n--- \n| 99 \n--- \n| Im Zusammenwirken beider Berater hatte der Klager danach belehrt werden\nmussen, dass eine wirksame Niederlegung des Geschaftsfuhreramtes die\ngleichzeitige Bestellung eines neuen Geschaftsfuhrers erfordert. Steuerlich\nsollte dieser vollstandig unbeeinflusst vom Klager agieren, genau dies aber\nerhohte umgekehrt gesellschaftsrechtlich das Risiko, dass der Klager mit\nSchadensersatzanspruchen der GmbH in nicht abschatzbarer Hohe konfrontiert\nwird. Auch der steuerlich wunschenswerte Zustand eines unabhangigen neuen\nGeschaftsfuhrers war in Anbetracht der maximalen finanziellen Eingliederung\nund der daraus moglicherweise folgenden Vermutung keinesfalls ein sicherer Weg\nzur Beendigung der Organschaft. Schließlich bestand bezuglich des der Hohe\nnach nicht abschatzbaren Vorsteuerberichtigungsanspruchs zumindest das Risiko,\ndass dieser in jedem Fall, unabhangig von einer Beendigung der Organschaft,\ngegen den Klager festgesetzt wurde, die diesbezugliche Steuerbelastung also\nunvermeidbar war. Insgesamt konnte die Niederlegung des Geschaftsfuhreramtes\nkeinesfalls uneingeschrankt empfohlen werden, vielmehr musste der Klager nach\ndieser umfassenden steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Beratung die Vor-\nund Nachteile selbst abwagen und nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Aspekten\nentscheiden, wie er vorgehen will. \n--- \n--- \n| 100 \n--- \n| 4\\. Es kann auch unter Berucksichtigung der dem Klager zugute kommenden\nBeweiserleichterung des § 287 ZPO nicht festgestellt werden, dass sich der\nKlager bei pflichtgemaßem Verhalten der Beklagten, also einer Beratung im oben\ndargestellten Sinne einschließlich der erganzenden gesellschaftsrechtlichen\nBeratung durch RA H. dazu entschlossen hatte, die Geschaftsfuhrerstellung in\neiner Weise niederzulegen, die Auswirkungen auf seine steuerliche Situation\ngehabt hatte. \n--- \n--- \n| 101 \n--- \n| a) Zugunsten des Klagers kann unterstellt werden, dass er das Amt\nniedergelegt und seinen Sohn formal zum Geschaftsfuhrer bestellt hatte, ware\ner uber diese Moglichkeit informiert worden. Diese Vorgehensweise hatte jedoch\ndie steuerliche Situation des Klagers nicht verbessert, vielmehr ware von\neiner fortbestehenden Organschaft auszugehen gewesen. \n--- \n--- \n| 102 \n--- \n| Der damals 21jahrige Sohn des Klagers befand sich noch in der Schule und\nbereitete sich auf das Abitur vor. Er verfugte nicht einmal uber Kenntnisse im\nTatigkeitsbereich der GmbH, erst recht hatte er nicht den erforderlichen\nMeistertitel. Der Klager musste daher nicht nur weiterhin als Betriebsleiter\nmit Meistertitel zur Verfugung stehen, sondern musste insbesondere faktisch\ndie Geschafte der GmbH fuhren, da sein Sohn, der die Schule besuchen musste,\ndazu bereits in zeitlicher Hinsicht nicht imstande war, zudem fehlten ihm\nbetriebliche Erfahrung und fachliche Ausbildung. Hatte der Klager einen\nSchuler als neuen Geschaftsfuhrer eingesetzt, ohne diesen mit Rat und Tat zu\nunterstutzen, hatte ein derart hohes Risiko von Schadensersatzanspruchen der\nGmbH bestanden, dass RA H. von dieser Vorgehensweise dringend hatte abraten\nmussen. Zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klager seinen Sohn\nin eine Situation gebracht hatte, die dieser offensichtlich nicht alleine\nbewaltigen konnte, und die fur diesen deshalb wiederum mit unkalkulierbaren\nRisiken verbunden gewesen ware. \n--- \n--- \n| 103 \n--- \n| In diesem Zusammenhang muss insbesondere berucksichtigt werden, dass es im\nInteresse des Klagers und seines Sohns lag, den Betrieb der GmbH ungeachtet\ndes zwischenzeitlich gestellten Insolvenzantrags moglichst ungestort\nfortzufuhren, um die Übernahme des Geschaftsbetriebs durch den Sohn aus der\nInsolvenzmasse zu ermoglichen. Der Klager hat in seiner Klage selbst\nausgefuhrt (Bl. 8 d.A.), er habe eine ubertragende Sanierung gewunscht, es\nhabe seinem Wunsch entsprochen, dass die GmbH wahrend des vorlaufigen\nInsolvenzverfahrens Arbeiten ausfuhrt. Auch bei seinen informatorischen\nAnhorungen klang dieser Gedanke zumindest an, denn der Klager erklarte vor dem\nLandgericht (Bl. 83 d.A.), ihm sei daran gelegen gewesen, dass die laufenden\nAuftrage der GmbH zur Zufriedenheit der Kundschaft fertig gestellt werden, und\nerganzte vor dem Senat (Bl. 303 d.A.), er habe seinen guten Namen in M. nicht\nriskieren wollen, er habe vermeiden wollen, dass es heiße „der Schlawiner\nlasst uns hangen". Bemuhungen um den Erhalt des guten Namens „H." und auch um\ndie Zufriedenheit der Kundschaft sind aber in Anbetracht des bereits\ngestellten Insolvenzantrags wirtschaftlich nur dann verstandlich, wenn\nbeabsichtigt war, den Betrieb mit gleichem Tatigkeitsfeld, also gleicher\nKundschaft, und unter Verwendung des Namens „H." nach einer ubertragenden\nSanierung fortzufuhren. Tatsachlich hat der Klager auch entsprechende\nAktivitaten entfaltet, die Auffanggesellschaft fur seinen Sohn wurde noch vor\nEroffnung des Insolvenzverfahrens gegrundet, die neue Gesellschaft konnte\nbereits am 01.07.2003 ihren Betrieb aufnehmen. Ebenso erklarte RA H. bei\nseiner Zeugenaussage (Bl. 169 d.A.), der Klager habe bereits bei einer\nBesprechung am 17.03.2003, also noch vor Stellung des Insolvenzantrags,\ngefragt, ob ein Teil des Unternehmens auf seinen Sohn ubertragen werden konne,\ndem Klager sei grundsatzlich daran gelegen gewesen, die Firma oder zumindest\neinen Teil davon fur seinen Sohn zu erhalten. Auch der als Zeuge vernommene\nvorlaufige Insolvenzverwalter, RA Dr. E., sagte aus (Bl. 171 d.A.), die\nvorlaufige Betriebsfortfuhrung habe dem Wunsch des Klagers entsprochen, er,\nDr. E., sei damit einverstanden gewesen, solange auf seinem Konto Deckung\nvorhanden war. Der Klager habe die Kunden halten wollen im Hinblick darauf,\ndass sein Sohn nach der Verfahrenseroffnung moglicherweise den Betrieb\nubernehmen wollte. \n--- \n--- \n| 104 \n--- \n| Diese Vorgehensweise, bei der der Sohn des Klagers nur pro forma als\nGeschaftsfuhrer eingesetzt wird, faktisch jedoch der Klager weiterhin das Amt\ninnehat, war in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht risikoarm und war mit dem\nvon Klager und seinem Sohn angestrebten Ziel einer ubertragenden Sanierung,\ndie eine moglichst ungestorte Betriebsfortfuhrung bis zur Übertragung\nerforderte, vereinbar, weshalb auch angenommen werden kann, der Klager hatte\ndiese Maßnahme so durchgefuhrt. \n--- \n--- \n| 105 \n--- \n| In steuerlicher Hinsicht ware jedoch gegenuber der tatsachlichen Situation\nkeine auch nur geringfugige Besserstellung des Klagers erfolgt. Die Einsetzung\neines Schulers als Geschaftsfuhrer einer GmbH, bei dem es sich zudem um den\nSohn des Alleingesellschafters handelt, verbunden mit einer praktisch\nunveranderten Einflussnahme des Alleingesellschafters und bisherigen\nGeschaftsfuhrers auf die Geschaftsfuhrung ist offensichtlich ungeeignet, die\norganisatorische Eingliederung zu beenden. Vielmehr hatte sich die Rolle des\nSohns des Klagers auf die eines Strohmanns beschrankt, faktisch hatte der\nKlager - lediglich mit der Beschrankung durch den insolvenzrechtlichen\nZustimmungsvorbehalt - weiterhin seinen Willen in der GmbH durchgesetzt, als\nob er noch Geschaftsfuhrer gewesen ware. \n--- \n--- \n| 106 \n--- \n| Hatte sich der Klager wegen dieser steuerlichen Konsequenzen nicht dafur\nentschieden, seinen Sohn als Geschaftsfuhrer zu bestellen oder ware dieser mit\nder Bestellung nicht einverstanden gewesen, so hatte sich die unterbliebene\nBelehrung seitens der Beklagten ebenfalls nicht ausgewirkt. \n--- \n--- \n| 107 \n--- \n| b) Dass der Klager das Geschaftsfuhreramt in einer anderen, steuerlich\nzumindest moglicherweise wirksamen Weise niedergelegt hatte, also insbesondere\neinen von ihm unabhangigen neuen Geschaftsfuhrer bestellt und sich jeglicher\nEinflussnahme auf die Geschaftsfuhrung enthalten hatte, kann auch nicht nach\nMaßgabe des § 287 ZPO festgestellt werden; hierfur besteht keine uberwiegende\nWahrscheinlichkeit. \n--- \n--- \n| 108 \n--- \n| aa) Es fehlen bereits Darlegungen des Klagers, wer - abgesehen von seinem\nSohn - als Geschaftsfuhrer in Betracht gekommen ware. Wie oben (Seite )\nbereits ausgefuhrt, ist der Klager darlegungspflichtig fur den Kausalverlauf,\nwie er sich bei richtiger Beratung dargestellt hatte. Dazu gehort im\nvorliegenden Fall auch, wen er auf der Basis einer zutreffenden\ngesellschaftsrechtlichen Beratung, wonach die Wirksamkeit der Amtsniederlegung\nvon der Bestellung eines neuen Geschaftsfuhrers abhangt, zum Geschaftsfuhrer\nbestellt hatte. Der Klager hat hierzu lediglich ausgefuhrt, die Übernahme des\nAmts sei fur jeden gefahrlos moglich gewesen, da bereits Insolvenzantrag\ngestellt war; andere Personen als seinen Sohn hat er nicht benannt. Schon\ndiese Überlegungen des Klagers greifen aber zu kurz. Fur die Bereitschaft,\neine Geschaftsfuhrerstellung zu ubernehmen, ist nicht nur das Risiko von\nBedeutung, vielmehr stellt sich die Frage der Bezahlung. Diese war aber nicht\nsichergestellt, nachdem die GmbH bereits einen Insolvenzantrag gestellt hatte;\ndass der Insolvenzverwalter die Zustimmung erteilt hatte, einen neuen\nGeschaftsfuhrer einzustellen und diesen in ublicher Hohe zu bezahlen, kann\nnicht angenommen werden. Zudem kamen im Hinblick auf die oben dargestellten\nRisiken einer Schadensersatzpflicht gegenuber der GmbH nur branchenkundige,\nerfahrene Personen fur das Amt in Betracht. Diese mussten jedoch befurchten,\ndass ihr Name, der in samtlichen Veroffentlichungen des Insolvenzgerichts\ngenannt werden wurde, mit der Insolvenz der GmbH in Verbindung gebracht wurde,\nin Lieferanten- und Kundenkreisen wie auch bei anderen in dieser Branche\ntatigen Unternehmen also der Eindruck entstunde, diese Person hatte letztlich\ndie Insolvenz der GmbH verursacht. Da die Tatigkeit als Geschaftsfuhrer einer\nGmbH, die sich bereits im Insolvenzeroffnungsverfahren befindet,\nvoraussichtlich zeitlich sehr begrenzt ist, musste ein moglicher neuer\nGeschaftsfuhrer stets bedenken, dass er seinen guten Namen und seinen Ruf\nwahren musste, um eine Anschlussbeschaftigung finden oder ggf. ein eigenes\nUnternehmen betreiben zu konnen. Diese Erwagungen schranken den Kreis der\nmoglichen neuen Geschaftsfuhrer erheblich ein, weshalb es fur einen\nsubstantiierten Vortrag zur haftungsausfullenden Kausalitat erforderlich\ngewesen ware, dass der Klager zur Übernahme dieses Amtes bereite Personen\nkonkret benennt. \n--- \n--- \n| 109 \n--- \n| bb) Auch wenn unterstellt wird, dass es dem Klager gelungen ware, einen\npotentiellen neuen Geschaftsfuhrer zu finden, kann nicht mit uberwiegender\nWahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Klager diesem das Amt\nubertragen und sich fortan jeglicher Einflussnahme auf die Fuhrung der\nGeschafte enthalten hatte, sich also in einer Weise verhalten hatte, die\nsteuerlich zumindest moglicherweise eine Verbesserung gegenuber der\ntatsachlich bestehenden Situation zur Folge gehabt hatte. \n--- \n--- \n| 110 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann sich der Klager nicht auf die\nVermutung beratungsgerechten Verhaltens berufen. Die Anwendung dieser\nVermutung setzt voraus, dass ein bestimmter Rat geschuldet war und es in der\ngegebenen Situation unvernunftig gewesen ware, diesen Rat nicht zu befolgen;\nsie kann hingegen nicht zum Tragen kommen, wenn verschiedene Entscheidungen\nernsthaft in Betracht kommen und die Aufgabe des Beraters lediglich darin\nbesteht, dem Mandanten durch die erforderlichen fachlichen Informationen eine\nsachgerechte Entscheidung zu ermoglichen (BGHZ 123, 311; BGH NJW-RR 1999, 641;\nBGH NJW 2000, 2814; BGH NJW 2004, 444). Aus der vom Landgericht zitierten\nEntscheidung BGH NJW-RR 1992, 1110 ergibt sich nichts anderes, vielmehr lag\ndort, ohne dass der BGH dies ausdrucklich feststellte, eine Situation vor, in\nder bei richtiger Beratung nur eine einzige Entscheidung in Betracht gekommen\nware. Der Steuerberater hatte fur seinen Mandanten eine Klage erhoben, die\njedoch unzulassig war, woruber der Berater den Mandanten nicht belehrt hatte.\nVernunftige Grunde fur die Erhebung einer unzulassigen Klage lagen nicht vor. \n--- \n--- \n| 111 \n--- \n| Im vorliegenden Fall bestand dagegen eine offene Beratungssituation, wie\noben dargestellt. Die Verhaltensweise, die in steuerlicher Hinsicht die Gefahr\neiner der Hohe nach noch nicht abschatzbaren Umsatzsteuerbelastung zumindest\nverringern, aber wegen der Vorsteuerproblematik auch nicht in vollem Umfang\nsicher abwenden konnte, barg umgekehrt in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht\nein erhebliches Risiko der Belastung mit Schadensersatzanspruchen in ebenfalls\ndamals noch nicht abschatzbarer Hohe. Die in wirtschaftlicher Hinsicht\ngewunschte ubertragende Sanierung auf den Sohn erforderte einen moglichst\nungestorten Fortgang der Geschafte bis zur Übertragung, also die weitere\nMitwirkung des fach- und sachkundigen Klagers, was aber umgekehrt in\nsteuerlicher Hinsicht unbedingt zu vermeiden war. Jede in Betracht kommende\nVerhaltensweise hatte auf bestimmten Gebieten Vorteile bzw. erhohte die\nChancen auf eine dem Klager gunstige Losung, beinhaltete jedoch umgekehrt auf\nanderen Gebieten Nachteile und Risiken. \n--- \n--- \n| 112 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund ist die Erklarung des Klagers im Rahmen seiner\nAnhorung durch das Landgericht (Bl. 83 d.A.), wenn ihm gesagt worden ware,\ndass er sein Amt als Geschaftsfuhrer der GmbH niederlegen musse, um das\numsatzsteuerrechtliche Problem sicher zu losen, hatte er dies sofort gemacht,\ner ware nie das Risiko eingegangen, 160.000 EUR Steuern personlich bezahlen zu\nmussen, weitgehend bedeutungslos, da sie sich auf eine Situation bezieht, die\nbei richtiger Beratung nicht bestanden hatte. Es gab nicht diesen einen\neinfachen Weg, der nur Vorteile hatte und zudem die gesamte Steuerbelastung\nsicher vermieden hatte. \n--- \n--- \n| 113 \n--- \n| Zu berucksichtigen ist die Erklarung des Klagers insoweit, als er angegeben\nhat, nicht bereit gewesen zu sein, ein finanzielles Risiko in einer\nGroßenordnung von 160.000 EUR einzugehen. Auch dies lasst jedoch nicht den\nSchluss zu, dass der Klager sich mit uberwiegender Wahrscheinlichkeit fur die\nsteuerlich sinnvolle, wenngleich nicht sichere Niederlegung des Amts bei\ngleichzeitiger Einsetzung einer von ihm unabhangigen Person als\nGeschaftsfuhrer entschieden hatte. Dies wurde namlich voraussetzen, dass\nbereits im damaligen Zeitpunkt absehbar war, dass die in Betracht kommende und\nzumindest moglicherweise vermeidbare Steuerbelastung diese Großenordnung\nerreichen wurde, und dass umgekehrt auszuschließen war, dass die bei dieser\nVorgehensweise jedenfalls drohenden Schadensersatzersatzanspruche der\nGesellschaft dieselbe Großenordnung erreichen wurden. Wie sich aus der Hohe\nder nach dem Insolvenzantrag angefallenen Umsatzsteuer ergibt, hatte die GmbH\nersichtlich laufende Auftrage in großem Umfang. Waren diese nicht\nordnungsgemaß fertig gestellt worden, weil der Klager sein Geschaftsfuhreramt\nniederlegt, ohne fur einen geeigneten und kompetenten Nachfolger zu sorgen und\ndiesen zu unterstutzen, hatten also auch entsprechend hohe\nSchadensersatzanspruche entstehen konnen. Dass eine klare Aussage, die\ndrohende, aber vermeidbare Steuer werde sicher hoher sein als die anderenfalls\ndrohenden Schadensersatzanspruche, bereits im Zeitpunkt der Beratung, die zu\nBeginn des Insolvenzeroffnungsverfahrens erfolgen musste, moglich war, ist\nnicht ersichtlich und wird vom Klager auch nicht geltend gemacht. \n--- \n--- \n| 114 \n--- \n| Danach hat der Klager bereits nicht substantiiert dargelegt, wen er -\nabgesehen von seinem Sohn - als neuen Geschaftsfuhrer hatte einsetzen konnen,\nund insbesondere hat er keine Tatsachen vorgetragen, die in Anbetracht der\nkomplexen Entscheidungssituation den Schluss zulassen, der Klager hatte sich\nzumindest uberwiegend wahrscheinlich dafur entschieden, sein Amt als\nGeschaftsfuhrer niederzulegen, einen neuen Geschaftsfuhrer zu bestellen und\ndanach von Einflussnahmen auf die Geschaftsfuhrung abzusehen, was wiederum\nVoraussetzung dafur gewesen ware, dass die steuerliche Situation zumindest\nmoglicherweise gunstiger gewesen ware als sie es tatsachlich ist. \n--- \n--- \n| 115 \n--- \n| Somit liegt zwar eine Pflichtverletzung der Beklagten vor, jedoch kann auch\nunter Berucksichtigung der Beweiserleichterung des § 287 ZPO nicht\nfestgestellt werden, dass der Klager bei einer zutreffenden Beratung Maßnahmen\ngetroffen hatten, die ihn in steuerlicher Hinsicht besser gestellt hatten. Es\nfehlt an der haftungsausfullenden Kausalitat, weshalb die Klage abzuweisen\nist, die Berufung der Beklagten also Erfolg hat. \n--- \n**III.** \n--- \n| 116 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO. \n--- \n--- \n| 117 \n--- \n| Ein Grund, die Revision gemaß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht, da\ndie Rechtssache weder grundsatzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des\nRechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung\ndes Revisionsgerichts erfordert. \n---\n\n
143,135
olgstut-2007-07-04-4-ss-1982007-4-ss
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
4 Ss 198/2007; 4 Ss 198/07
2007-07-04
2019-01-09 15:02:00
2019-02-12 13:26:01
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Kunzelsau\nvom 15. November 2006, soweit der Angeklagte wegen mittelbarer\nFalschbeurkundung schuldig gesprochen wurde, mit den Feststellungen\n\n> > > > > **a u f g e h o b e n .**\n\nIn diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch\nuber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts\nKunzelsau\n\n> > > > > **z u r u c k v e r w i e s e n .**\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Amtsgericht Kunzelsau sprach den Angeklagten wegen mittelbarer\nFalschbeurkundung schuldig und erteilte ihm die Auflage, einen Geldbetrag von\n300,00 Euro zugunsten des Hilfs- und Wohltatigkeitsvereins … zu zahlen. Wegen\ndes Vorwurfs des wiederholten Verstoßes gegen die raumliche Beschrankung auf\nden Hohenlohekreis sprach es ihn frei. Der Angeklagte hat gegen das Urteil\nbeschrankt auf seine Verurteilung (Sprung-) Revision eingelegt. Er rugt Mangel\nder Anklageschrift und darauf beruhend einen fehlerhaften Eroffnungsbeschluss\nsowie die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die\nGeneralstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil, soweit der\nRevisionsfuhrer wegen mittelbarer Falschbeurkundung verurteilt wurde, gemaß §\n349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des\nAmtsgerichts Kunzelsau zuruckzuverweisen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Revision fuhrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur\nZuruckverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts\nKunzelsau. Der Schuldspruch wegen mittelbarer Falschbeurkundung gemaß § 271\nAbs. 1 StGB infolge unrichtiger Angaben in der Duldung vom 17. Februar 2005\nblieb nicht im Rahmen der zugelassenen Anklage vom 18. April 2006 bzw. des\nEroffnungsbeschlusses vom 31. August 2006. Das Rechtsmittel hat im Übrigen mit\nder Sachruge Erfolg. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die erhobene\nVerfahrensruge durchdringt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Das Amtsgericht Kunzelsau hat folgende Feststellungen getroffen: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Angeklagte stellte am 14. Januar 2003 beim Bundesamt fur die\nAnerkennung auslandischer Fluchtlinge in … einen Asylantrag und gab dabei\nbewusst wahrheitswidrig an, in … geboren zu sein. Dadurch hatte er die Chance,\nals Asylbewerber anerkannt zu werden und fur den Fall der Ablehnung wegen\nungeklarter Herkunft die Aussetzung der Abschiebung zu erreichen. Er nahm\ndabei billigend in Kauf, dass ihm daraufhin am 17. Februar 2005 eine Duldung\nerteilt wurde, in welcher der falsche Geburtsort und die falsche\nStaatsangehorigkeit festgehalten sind. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Demgegenuber lautet die zugelassene Anklage vom 18. April 2006, auf welcher\nder Eroffnungsbeschluss vom 31. August 2006 beruht, auszugsweise wie folgt: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| "Am 06. Januar 2003 reiste der Angeklagte, ohne im Besitz von\nAusweispapieren zu sein, in das Bundesgebiet ein. Am 14. Januar 2003 stellte\ner in … einen Asylantrag und gab hierbei bewusst der Wahrheit zu wider an, in\n… geboren zu sein. Die bewusst falschen Angaben des Angeklagten fuhrten dann -\nwie vom Angeklagten auch bezweckt - dazu, dass er mit den falschen Personalien\nals Asylbewerber registriert und in der Folgezeit in Registern und Dateien der\nmit ihm befassten Behorden gefuhrt wurde und ihm Personaldokumente ausgestellt\nwurden, die ihn als in … auswiesen." \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der dem Schuldspruch wegen mittelbarer Falschbeurkundung gem. § 271 Abs. 1\nStGB zugrundeliegende Sachverhalt (unrichtige Angaben zum Geburtsort und zur\nStaatsangehorigkeit in der Duldung vom 17. Februar 2005) ist nicht mehr von\ndem in der Anklage bzw. dem Eroffnungsbeschluss bezeichneten\nVerfahrensgegenstand umfasst. Hinreichend nach Zeit und Ort identifizierbares\nhistorisches Ereignis als Gegenstand der Anklage gem. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO\nund damit der Urteilsfindung gem. § 264 Abs. 1 StPO ist vielmehr nur die\nAsylantragstellung am 14. Januar 2003, infolge der dem Angeklagten von\nGesetzes wegen eine Bescheinigung uber die Aufenthaltsgestattung (§§ 63, 64\nAsylVfG) ausgestellt wurde. Das Urteil enthalt hierzu jedoch keine\nFeststellungen, weshalb die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an\neine andere Abteilung des Amtsgerichts Kunzelsau zuruckzuverweisen ist. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Die Verurteilung wegen mittelbarer Falschbeurkundung wird daruber\nhinaus auch nicht von den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zu den\nunrichtigen Angaben in der Duldung vom 17. Februar 2005 getragen. Denn die\nBescheinigung uber die vorubergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)\nnach § 60a AufenthG stellt keine offentliche Urkunde im Sinne des § 271 Abs. 1\nStGB dar. Die Duldung muss gemaß § 78 Abs. 7 Satz 2 AufenthG den Hinweis\nenthalten, dass der Inhaber mit ihr nicht der Passpflicht genugt. Sie kann\nuberdies mit dem Zusatz versehen werden, "die Personalangaben beruhen auf den\neigenen Angaben des Inhabers" (§ 78 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 Satz 2 Nr. 10\nAufenthG); hierzu enthalt das angefochtene Urteil keine Feststellungen. Daher\nerstreckt sich die Beweiskraft der Duldung gerade nicht auf die Personalien\ndes Auslanders. Dem steht auch nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.\nNovember 1976 (bei Holtz, MDR 1977, 283) entgegen, der die Urkunde uber die\nAussetzung der Abschiebung eines Auslanders nach § 17 Abs. 1 AuslG a.F. als\noffentliche Urkunde im Sinne von § 271 StGB qualifizierte und deren\nBeweiskraft auch auf die Identitat der darin als Empfanger benannten Person\nerstreckte, mit der Folge, dass die Merkmale des § 271 StGB auch dann erfullt\nseien, wenn die Personalangaben falsch sind. Denn diese Entscheidung erging\nzum Auslandergesetz a.F., welches fur die Duldung - anders als das neue\nAufenthG in § 78 Abs. 7 Satz 2 - gemaß § 23 AuslG a.F. lediglich Schriftform\nvorschrieb, nicht jedoch den Hinweis, dass der Auslander mit ihr nicht der\nPasspflicht genuge. Damit ist diese Entscheidung auf die neue Rechtslage nicht\nubertragbar. Gleiches gilt fur die Entscheidung des Amtsgerichts Bremen vom\n23. Januar 2003 (87 (72) Ds 290 Js 15959/02, zitiert nach juris), welches die\nQualifizierung der Duldung als offentliche Urkunde im Sinne von § 271 Abs. 1\nStGB zum einen auf deren Funktion als Ausweisersatz und zum anderen darauf\nstutzte, dass sie gerade keinen Hinweis enthalte, die aufgenommenen\nPersonalien beruhten allein auf den Angaben des Betroffenen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| 3\\. Fur die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die\nBescheinigung nach § 63 AsylVfG auch hinsichtlich der Personalangaben eine\noffentliche Urkunde im Sinne von § 271 StGB darstellt (vgl. BGHSt 42, 131;\nBrandenburgisches OLG, Beschluss vom 06. Dezember 2001 - 2 Ss 19/01, zitiert\nnach juris; aus der Lit.: LK-Gribbohm, StGB, 11. Aufl. 2001, § 271 Rn. 52;\na.A. MK-Freund, StGB, 2006, § 271 Rn. 28). \n--- \n---\n\n
149,135
vg-stuttgart-2007-07-24-4-k-443506
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 4435/06
2007-07-24
2019-01-09 18:34:06
2019-01-17 12:04:20
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Das Verfahren wird ausgesetzt.\n\n2\\. Dem Gerichtshof der Europaischen Gemeinschaft werden folgende Fragen zur\nVorabentscheidung vorgelegt:\n\na) Sind die Art. 43 und 49 EG dahingehend auszulegen, dass sie einem\ninnerstaatlichen Monopol auf bestimmte Gluckspiele, wie z. B. Sportwetten und\nLotterien, entgegenstehen, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat insgesamt\nan einer koharenten und systematischen Politik zur Beschrankung des\nGlucksspiels fehlt, weil die innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur\nTeilnahme an anderen Gluckspielen - wie staatlichen Sportwetten und Lotterien\n\\- ermuntern und hierfur werben, und ferner andere Spiele mit gleichem oder\nsogar hoherem Suchtgefahrdungspotential - wie Wetten auf bestimmte\nSportereignisse (Pferderennen), Automatenspiele und in Spielbanken - von\nprivaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden durfen?\n\nb) Sind die Artikel 43 und 49 EG dahingehend auszulegen, dass durch dafur\nzustandige staatliche Stellen der Mitgliedstaaten ausgestellte Genehmigungen\nder Veranstaltung von Sportwetten, die nicht auf das jeweilige Staatsgebiet\nbeschrankt sind, den Inhaber der Genehmigung wie auch von ihm beauftragte\nDritte berechtigen, auch im Bereich der anderen Mitgliedstaaten ohne weitere\nzusatzliche nationale Genehmigungen die jeweiligen Angebote zum Abschluss von\nVertragen anzubieten und durchzufuhren?\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin - eine deutsche juristische Person des Privatrechts - begehrt\ndie Aufhebung einer Verfugung des Beklagten, mit der ihr unter anderem\nuntersagt wurde, in Baden-Wurttemberg Sportwetten zu veranstalten, zu\nvermitteln, hierfur zu werben oder solche Tatigkeiten zu unterstutzen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist Mieterin des Geschaftslokals in der B.-Straße in S. Die\nvon ihr gemieteten Raumlichkeiten hat sie zum Teil an die Fa. A. GmbH, S.,\nuntervermietet. Die Fa. A. hat ihrerseits mit der Fa. D. Ltd., Gibraltar,\neinen Geschaftsbesorgungsvertrag zur Vermittlung von Sportwetten\nabgeschlossen. Die Firma D. Ltd. ist Inhaberin einer Lizenz der Regierung von\nGibraltar vom 16.02.2006, mit der ihr unter anderem die Veranstaltung von\nSportwetten erlaubt wird. Die Firma A. GmbH nimmt als Geschaftsbesorgerin und\nEmpfangsbotin auf Provisionsbasis Wetttauftrage der Kunden entgegen und leitet\ndiese Angebote online aus dem Geschaftslokal an das Unternehmen D. Ltd.\nweiter. Die rechtsverbindlichen Vertrage kommen zwischen den Kunden und der D.\nLtd zustande, wahrend die A. GmbH aus den Wettvertragen nicht verpflichtet und\nberechtigt wird. \n--- \n| 3 \n--- \n| Da nach Auffassung des Regierungsprasidiums Karlsruhe sowohl die Tatigkeit\nder Firma A. GmbH als auch die Tatigkeit der Klagerin verboten seien, teilte\ndieses der Klagerin mit Schreiben vom 06.10.2006 mit, dass beabsichtigt sei,\neine Untersagungsverfugung zu erlassen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Verfugung vom 23.11.2006 untersagte daraufhin das Regierungsprasidium\nder Klagerin, in Baden-Wurttemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln,\nhierfur zu werben oder solche Tatigkeiten zu unterstutzen. Weiter wurde der\nKlagerin aufgegeben, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher\nGluckspiele vorgehaltenen Gerate aus den offentlich zuganglichen Raumen zu\nentfernen (Ziffer 1). Sodann wurde der Klagerin aufgegeben, die untersagten\nTatigkeiten unverzuglich einzustellen und die Einstellung der Tatigkeiten dem\nRegierungsprasidium mitzuteilen (Ziffer 2). Unter Ziffer 3 der Verfugung wurde\ndie sofortige Vollziehung angeordnet. Schließlich wurde der Klagerin fur den\nFall, dass sie nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der Verfugung dieser\nnachkomme ein Zwangsgeld in Hohe von 10.000,00 EUR angedroht (Ziffer 4). Zur\nBegrundung fuhrte das Regierungsprasidium aus: Bei den hier in Frage stehenden\nveranstalteten Sportwetten mit festen Gewinnquoten handele es sich um ein\nGluckspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in\nDeutschland vom 18.12.2003 - LottStV - (GBl 2004, 274). Die Veranstaltung bzw.\nVermittlung des Gluckspiels erfolge auch offentlich. Indem die Klagerin der\nÖffentlichkeit Zugang zum Gluckspiel ermogliche, veranstalte sie dieses.\nVeranstalten in diesem Sinne sei nicht nur das Anbieten und Entgegennehmen von\nWetten, sondern auch das Vermitteln von Wetten sowie jede Unterstutzung\nsolcher Tatigkeiten. Da die Veranstaltung bzw. Vermittlung von Sportwetten\nhier auch ohne die erforderliche Erlaubnis i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB erfolge,\nliege ein strafbares Verhalten vor, zu dem die Klagerin jedenfalls\nstrafrechtlich relevante Beihilfe leiste. Rechtsgrundlage der\nUntersagungsverfugung sei § 12 Abs. 1 LottStV i.V.m. § 3 Abs. 1\nStaatslotteriegesetz vom 14.12.2004 - StLG - (GBl 2004, 894). \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen die am 25.11.2006 zugestellte Verfugung hat die Klagerin am\n11.12.2006 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zugleich um\nvorlaufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 29.12.2006 (4 K\n4436/06) stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung\nwieder her bzw. ordnete diese an. Die hiergegen vom Beklagten erhobene\nBeschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg durch Beschluss\nvom 06.02.2007 (6 S 224/07) zuruck. \n--- \n| 6 \n--- \n| Zur Begrundung beruft sich die Klagerin unter anderem auf die\ngemeinschaftsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, die es\nzulasse, die von einem anderen Mitgliedstaat ansassigen und dort\nkonzessionierten Veranstalter durchgefuhrte Sportwetten auch in Deutschland\nanzubieten und zu vermitteln. Der Veranstalter, die D. Ltd., Gibraltar habe\neine gultige staatliche Konzession Gibraltars. Zwar seien Beschrankungen der\nNiederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten nach\nder Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs nicht von vornherein\nunzulassig. Sie setzten jedoch eine koharente und systematische Politik der\nBegrenzung voraus. Eine solche liege aber in der Bundesrepublik Deutschland\nnicht vor. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Verfugung des Regierungsprasidiums vom 23.11.2006 aufzuheben. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und verweist zur Begrundung auf\ndie Ausfuhrungen in der angegriffenen Verfugung sowie im Verfahren des\nvorlaufigen Rechtsschutzes. \n--- \n| 10 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze\nverwiesen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Dem Gericht lagen die vom Regierungsprasidium gefuhrten Verwaltungsakten\nvor. \n--- \nII. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kammer entscheidet im Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche\nVerhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Gericht setzt in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO das Verfahren\naus, um die im Tenor formulierten Fragen dem Europaischen Gerichtshof zur\nVorabentscheidung vorzulegen (vgl. Art. 234 Abs. 1 lit. a) EG). \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Was die Durchfuhrung der hier in Frage stehenden Sportwetten in Baden-\nWurttemberg sowie die mit der Klage angegriffene Untersagungsverfugung\nbetrifft, stellt sich die Rechtslage fur die Kammer wie folgt dar: Nach Art. 5\nAbs. 1 LottStV haben die Lander im Rahmen der Zielsetzungen des § 1 LottStV\ndie ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glucksspielangebot\nsicherzustellen. Nach § 5 Abs. 2 LottStV konnen die Lander auf gesetzlicher\nGrundlage diese Aufgabe selbst, durch juristische Personen des offentlichen\nRechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische\nPersonen des offentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich\nbeteiligt sind, erfullen. Von dieser Moglichkeit hat das Land Baden-\nWurttemberg gemaß § 2 Abs. 1 Nr. 2 StLG Gebrauch gemacht und demzufolge die\nDurchfuhrung von Sportwetten (ausgenommen Wetten auf Pferderennen)\nmonopolisiert. Folge hiervon ist, dass nach § 6 LottStV insoweit keine\nErlaubnisse an andere Veranstalter erteilt werden konnen und auch tatsachlich\nnicht erteilt werden. § 12 Abs. 1 LottStV ermachtigt die zustandigen Behorden\ndes Landes im Rahmen einer bereichsspezifischen ordnungsrechtlichen\nGeneralklausel die erforderlichen Maßnahmen bzw. Anordnungen zu treffen, um\ndie Einhaltung der Bestimmungen des Staatsvertrags zu gewahrleisten. § 12 Abs.\n1 S. 2 LottStV benennt lediglich beispielhaft mogliche und zugelassene\nMaßnahmen, wie insbesondere die Untersagung der Veranstaltung unerlaubten\nGluckspiels. \n--- \n| 15 \n--- \n| Ausgehend hiervon ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die\nvorliegende Klage im Wesentlichen abzuweisen ware, wenn die von ihr\nformulierten Vorlagefragen negativ beantwortet wurden und demnach das\nbestehende Sportwettenmonopol mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ware.\nDemgegenuber musste die Klage im Falle der Gemeinschaftswidrigkeit des\nSportwettenmonopols Erfolg haben. \n--- \n| 16 \n--- \n| Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Klagerin kann sich als juristische\nPerson des Privatrechts (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) im Rahmen der durch Art. 2\nAbs. 1 GG geschutzten allgemeinen Handlungsfreiheit selbst auf die Normen des\nGemeinschaftsrechts (hier Art. 49 EG) berufen, auch wenn sie als Vermieterin\ndes Geschaftslokals selbst weder Dienstleistungserbringerin noch\nDienstleistungsempfangerin ist. In der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 - E 6,\n32; vom 18.07.1973 - 1 BvR 23/73 - E 35, 382) ist anerkannt, dass die\nHandlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nur durch unterverfassungsrechtliche\nNormen eingeschrankt werden kann die mit objektivem Verfassungsrecht vereinbar\nsind. Nichts anderes gilt nach Überzeugung der Kammer jedoch fur die Normen\ndes Gemeinschaftsrechts, die gegenuber dem nationalen Recht Anwendungsvorrang\ngenießen. Gibraltar fallt im Übrigen, was die Dienstleistungsfreiheit\nbetrifft, in den Anwendungsbereich des EG (vgl. Art. 299 Abs. 4 EG i.V.m. Art.\n28 der Beitrittsakte 1972). \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach dem gegenwartigen Sach- und Streitstand ist im Hinblick auf die\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulassigkeit von staatlichen\nMonopolen auf dem Gebiet des Lotterie- und Sportwettenwesens (vgl. BVerfG,\nUrteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 - E 115, 276; Kammerbeschlusse vom\n04.07.2006 - 1 BvR 138/05 - Juris; vom 29.08.2006 - 1 BvR 2772/04 - Juris; vom\n19.10.2006 - 1 BvR 2032/06 - Juris; vom 18.12.2006 - 1 BvR 874/06 - Juris)\ndavon auszugehen, dass auch ohne verfassungsmaßige Rechtsgrundlage fur eine\nbis 31.12.2007 geltende Übergangszeit nach der aktuellen Verwaltungspraxis das\nstaatliche Monopol verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. \n--- \n| 18 \n--- \n| Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass der Beklagte\nder Klagerin unter Berufung auf § 12 Abs. 1 LottStV eine unerlaubte\n„Veranstaltung von Sportwetten" untersagt hat. Zwar kann es durchaus\nzweifelhaft sein, ob der vom Beklagten zugrunde gelegte weite\nVeranstaltungsbegriff (vgl. Seite 4 der angegriffenen Verfugung), der auch\nalle Unterstutzungstatigkeiten, wie die Vermietung von Raumlichkeiten, in\ndenen selbst die Veranstaltung bzw. Vermittlung von Sportwetten stattfindet,\numfassen soll, mit dem Lotteriestaatsvertrag vereinbar ist. Da der Beklagte\njedoch ersichtlich auch jegliche Unterstutzungstatigkeiten erfassen wollte und\n§ 12 Abs. 1 LottStV, wie oben dargelegt, eine umfassende Rechtsgrundlage fur\nein behordliches Einschreiten darstellt, durfte mit der angegriffenen\nVerfugung auch gegenuber der Klagerin eingeschritten und ihr der Sache nach\ndie weitere Überlassung der hier in Frage stehenden Raume an die Fa. A. GmbH\nuntersagt werden. \n--- \n| 19 \n--- \n| Das Gericht geht mit dem Beklagten und der, soweit ersichtlich,\nubereinstimmenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil\nvom 21.06.2006 - 6 C 19.06 - NVwZ 2006, 1175; OVG Munster, Beschluss vom\n28.06.2006 - 4 B 961/06 - NVwZ 2006, 1078; vgl. auch BGH, Urteil vom\n28.11.2002 - 4 StR 260/02 - GewArch 2003, 332) davon aus, dass es sich bei den\nhier in Frage stehenden Wettveranstaltungen um Glucksspiele im Sinne des § 3\nAbs. 1 LottStV handelt, weil selbst im Falle eines bei den Spielteilnehmern\nunterstellten einschlagigen Sachverstandes gleichwohl die Entscheidung uber\nden Gewinn zumindest uberwiegend vom Zufall abhangt, ganz abgesehen davon,\ndass dieser Sachverstand gar nicht bei allen Teilnehmern vorausgesetzt werden\nkann. \n--- \n| 20 \n--- \n| Zweifelhaft erscheint allerdings, ob gegenuber der Klagerin, wie in Ziffer\n1 Satz 2 der angegriffenen Verfugung geschehen, auch eine Verpflichtung\nausgesprochen werden durfte, die vorgehaltenen Gerate aus den offentlich\nzuganglichen Raumen zu entfernen. Denn diese wurden im Rahmen des zwischen der\nKlagerin und der A. GmbH abgeschlossenen Mietvertrags von der Fa. A. GmbH und\nnicht von der Klagerin in die Raumlichkeiten eingebracht. Es erscheint daher\nfraglich, ob die Klagerin uberhaupt die erforderliche Verfugungsgewalt uber\ndiese Gerate innehat mit der Folge, dass eine entsprechende Verpflichtung\nausschließlich der Firma A. GmbH gegenuber hatte ausgesprochen werden durfen.\nDies kann jedoch vorliegend dahinstehen, da die Vorlagefragen sich in erster\nLinie auf den untersagenden Teil der angegriffenen Verfugung beziehen. Daher\nkann letztlich auch offen bleiben, ob die der Klagerin gesetzte Frist von zwei\nWochen fur die hier erforderliche zivilrechtliche Abwicklung des\nMietverhaltnisses ausreichend und angemessen ist. \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. Die Kammer hat grundlegende Zweifel daran, dass die hier anzuwendenden\nVorschriften des Lotteriestaatsvertrags sowie des Staatslotteriegesetzes mit\nGemeinschaftsrecht vereinbar sind. Ware dies nicht der Fall, so konnte\ngegenuber der Klagerin keine auf § 12 LottStV gestutzte Verfugung ergehen. Im\nÜbrigen ware auch der Tatbestand des unerlaubten Gluckspiels im Sinne von §\n284 StGB, zu dem die Klagerin zumindest strafrechtlich relevante Beihilfe\nleisten wurde, nicht erfullt. Gerade auf diesen Umstand hat der Beklagte zur\nBegrundung der angegriffenen Verfugung auch maßgeblich abgestellt. Die\nBedenken gegen eine Vereinbarkeit des hier in Frage stehenden Staatsmonopols\nergeben sich aus folgenden Überlegungen: \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Nach Auffassung des Europaischen Gerichtshofs stellen nationale\nRegelungen, die strafbewehrte Verbote des Sammelns der Annahme und der\nÜbertragung von Sportwetten enthalten, Beschrankungen der\nNiederlassungsfreiheit und des Dienstleistungsverkehrs dar, wenn der\nbetreffende Mitgliedstaat keine Genehmigung bzw. Konzession erteilt (Urt. v.\n06.11.2003 - Rs. C-243/01, Gambelli). Derartige Beschrankungen sind nach Art.\n49 EG grundsatzlich verboten und nur im Ausnahmefall zulassig. Die\nBeschrankungen mussen sich nach der Rechtsprechung des Europaischen\nGerichtshofs aus zwingenden Grunden des Allgemeininteresses ergeben. Sie\nmussen zunachst geeignet sein, die Verwirklichung des mit den Beschrankungen\nverfolgten Ziels zu gewahrleisten. Des Weiteren durfen sie nicht uber das zur\nZielerreichung erforderliche Maß hinausgehen. Schließlich durfen sie nur unter\nstrikter Beachtung des Grundsatzes der Verhaltnismaßigkeit eingefuhrt und\nnicht diskriminierend eingesetzt werden. Im Übrigen hat der Gerichtshof\nzuletzt wieder in der Sache Placanica (Urteil vom 06.03.2007 - Rs.C-338/04)\nbetont, dass den Mitgliedstaaten bei alledem ein Beurteilungs- bzw.\nErmessensspielraum zuzugestehen ist. Zu den eine Beschrankung rechtfertigenden\nzwingenden Grunden des Allgemeininteresses kann unter anderem die Vermeidung\nvon Anreizen zu uberhohten Ausgaben fur Gluckspiele gehoren. So konnten die\nsittlichen, religiosen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlichen und\nfinanziellen Folgen fur den Einzelnen wie fur die Gemeinschaft, die mit\nSpielen und Wetten einhergehen, ein ausreichendes Ermessen der staatlichen\nStellen fur eine Beschrankung rechtfertigen. Eine Monopolisierung und\nBegrenzung konne auch ein wirksamer Mechanismus sein, die im Bereich der\nGluckspiele tatigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel und Zweck zu\nkontrollieren, der Ausbeutung dieser Tatigkeiten zu kriminellen oder\nbetrugerischen Zwecken vorzubeugen (vgl. Urteil vom 06.03.2007). Dabei hat der\nEuropaische Gerichtshof auch entschieden, dass insbesondere strafrechtliche\nSanktionen dann nicht erforderlich und unverhaltnismaßig sein konnen, wenn\nstaatlich zugelassene nationale Einrichtungen zur Teilnahme an Sportwetten\nermutigen wurden. \n--- \n| 23 \n--- \n| Hiernach liegt es auf der Hand, dass die genannten Vorschriften der §§ 5\nAbs. 2 und 6 LottStV sowie § 2 Abs. 1 Nr. 2 StLG Beschrankungen der\nDienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des Europaischen\nGerichtshofs darstellen, weil sie Angehorigen anderer Mitgliedstaaten sowohl\ndas unmittelbare Tatigwerden in der Bundesrepublik Deutschland sowie eine\nVermittlungstatigkeit durch Dritte untersagen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach Auffassung der Kammer spricht alles dafur, dass die vorgenannten\nRegelungen sich als unzulassige Beschrankungen darstellen. \n--- \n| 25 \n--- \n| b) In diesem Zusammenhang ist zunachst festzuhalten, dass nach dem Urteil\ndes Europaischen Gerichtshofs in der Sache Lindman Rechtfertigungsgrunde, die\nvon einem Mitgliedsstaat zur Einschrankung der Dienstleistungsfreiheit geltend\ngemacht werden, nur dann anerkannt werden konnen, wenn sie zuvor von einer\nUntersuchung hinsichtlich der Zweckmaßigkeit und Verhaltnismaßigkeit der von\ndiesem Mitgliedstaat erlassenden beschrankenden Maßnahmen begleitet werden\n(Urt. v. 13.11.2003 - C 42/02; vgl. auch den Hinweis im Urteil vom 06.03.2007\nauf die durch den italienischen Senat durchgefuhrten Untersuchungen). \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen, hat vor Erlass der\ngegenwartig geltenden maßgeblichen Vorschriften des Staatslotterievertrages\nsowie des Staatslotteriegesetzes keine entsprechende Untersuchung uber die\nGefahren der Spielsucht und die Moglichkeiten deren Verhinderung\nstattgefunden. Die Bundesregierung hat in einer Stellungnahme vom 24.04.2007\nan die Europaische Kommission auf deren Anfrage am 22.03.2007 mitgeteilt, dass\ndie Lander lediglich fur den aktuell beratenen Entwurf eines neuen\nGluckspielstaatsvertrages entsprechende Untersuchungen herangezogen hatten und\nsolche auch noch kunftig in Auftrag geben wurden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach Ansicht der Kammer ist damit aber den Forderungen in der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs nicht in ausreichendem Maße\nRechnung getragen. \n--- \n| 28 \n--- \n| c) Von wesentlich großerer Bedeutung sind jedoch die folgenden weiteren\nÜberlegungen: Nach der vorgenannten Rechtsprechung des Europaischen\nGerichtshofs kann eine zulassige Beschrankung der Niederlassungs- und\nDienstleistungsfreiheit nur dann bejaht werden, wenn die Glucksspiel- und\nWetttatigkeit koharent und systematisch begrenzt wird. Von einer derartigen\nkoharenten und systematischen Begrenzung kann aber nach Überzeugung der Kammer\nnur dann gesprochen werden, wenn der Gesetzgeber grundsatzlich alle Sparten\nbzw. Sektoren von Gluckspielen bewertend in den Blick nimmt und sodann nach\nMaßgabe des jeweils ermittelten Gefahrdungs- bzw. Suchtpotentials auch\neinschreitet. Dem Urteil des Europaischen Gerichtshofs vom 06.03.2007 kann\nnicht mit der hinreichenden Deutlichkeit entnommen werden, dass eine rein\nsektorale Betrachtungsweise den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genugt,\ndieses ware auch nicht tragfahig zu begrunden (so auch nunmehr EFTA-\nGerichtshof, Urteil vom 14.03.2007 - E-1/06 - ZfWG 2007, 134). Einen\nbestimmten Sektor außer acht zu lassen, mag allenfalls dann gerechtfertigt\nsein, wenn dieser in der gesellschaftlichen Wirklichkeit lediglich\nuntergeordnete Bedeutung hat, insbesondere von dieser Kategorie von Gluckspiel\noffenkundig nur erheblich geringer zu bewertende Gefahren ausgehen und daher\nvernachlassigbar sind. Maßgeblich ist fur die Kammer dabei auch die\nÜberlegung, dass dann, wenn Beschrankungen der Dienstleistungsfreiheit\ngrundsatzlich verboten sind, Ausnahmen hiervon eng zu fassen sind und jeweils\neiner besonderen Begrundung bedurfen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Demzufolge durfte der Gesetzgeber nicht allein die hier zu beurteilenden\nSportwetten privater wie staatlicher Art in den Blick nehmen, sondern muss\nauch alle sonstigen vielfaltigen Formen des Gluckspiels in seine Überlegungen\nund Maßnahmen einbeziehen. Es geht dabei neben dem Lottospiel und dem Verkauf\nvon Losen an den Lottoannahmestellen vornehmlich um die Zulassung von\nGeldspielautomaten mit Gewinnmoglichkeiten in Casinos, Gaststatten,\nVergnugungsstatten und Spielhallen und das Angebot sogenannter Casinospiele in\nSpielbanken. Diese unterliegen zwar, wie ein Blick auf die §§ 33 c, 33 d und\n33 i GewO zeigt, einem detaillierten Konzessionssystem, eine Monopolisierung\nzugunsten staatlicher Stellen hat jedoch nicht stattgefunden mit der Folge,\ndass dieser Sektor bzw. Markt in vielfaltiger Weise privaten Unternehmen\noffensteht. Es sind bislang keine aussagekraftigen Erkenntnisse zutage\ngetreten, wonach etwa die nicht monopolisierten Gluckspielsektoren ein\nsignifikant geringeres Gefahrdungs- bzw. Suchtpotential darstellen konnten. Im\nGegenteil: Das Bundesverfassungsgericht ist in seinem Urteil vom 28.03.2006\ngerade davon ausgegangen, dass nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse ein\nbesonders hohes und gefahrliches pathologisches Spielverhalten insbesondere\nbei den vielfaltigen Geldspielautomaten bestehe. In der Literatur wird davon\nausgegangen, dass etwa 80 v.H der pathologisch Spielsuchtigen solche seien,\ndie an gewerblichen Geldspielgraten in Spielhallen und Gaststatten aktiv seien\n(vgl. Diegmann ZRP 2007, 126 <127> m.w.N.). \n--- \n| 30 \n--- \n| Der gebotenen gemeinschaftlichen Koharenz stunde allerdings nicht entgegen,\nwenn ein Mitgliedstaat nach und auf Grund einer Gesamtschau und\nGesamtbewertung bei der Umsetzung zunachst nur sektoral und abschnittsweise\nvorginge. Ware hiernach aufgrund eines Gesamtkonzepts zu erkennen, dass nach\nder Umsetzung von Teilmaßnahmen alsbald mit der Verwirklichung entsprechender\nBegrenzungen in anderen Sektoren zu rechnen ist, so lage dem ein zur\nBegrenzung der Dienstleistungsfreiheit geeignetes System zugrunde, das auch\nvor dem Willkurverbot (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) Bestand hatte. Es ist jedoch fur\ndie Kammer nicht ersichtlich, dass die maßgeblichen gesetzgeberischen\nKorperschaften der Bundesrepublik Deutschland namentlich gegen die\nvielfaltigen Automatenspiele vorgehen bzw. vorzugehen beabsichtigen. Denn die\nim Kontext des Abschlusses eines neuen Lotteriestaatsvertrags und infolge der\nEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Marz 2006 in Angriff\ngenommenen Maßnahmen beziehen die dargestellten privaten Unternehmern\noffenstehenden Glucksspielsektoren in keiner Weise mit ein. Auch bleibt die\nSparte der gewerblich betriebenen Wetten auf Pferderennen unangetastet (vgl. §\n2 Rennwett- und Lotteriegesetz i.d.F. v. 16.12.1986 - BGBl. I, 2441). Hinzu\nkommt ein Weiteres: Mit Wirkung vom 01.01.2006 erfolgte eine Änderung der\nSpielV (vgl. u.a. § 3 und § 13 SpielV, BGBl. I. 2006, 280) in einer Weise,\ndass verschiedene suchtrelevante Begrenzungen sogar gelockert wurden. So wurde\ndie Zahl der in einer Gaststatte zugelassenen Geld- und Warenspielgerate von\nzwei auf drei erhoht, die in Spielhallen zulassige Zahl von 10 auf 12 Gerate;\nzudem wurde hierbei noch die Mindestquadratmeterzahl von 15 auf 12 qm\nreduziert. Weiter erfolgte eine Reduzierung der Mindestspieldauer von 12 auf 5\nSekunden bei gleichzeitiger Erhohung der Verlustgrenze von 60 auf 80 EUR. Da\nder Bundesgesetzgeber gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auf dem Gebiet des\nLotterie- und Sportwettenwesens auch uber die konkurrierende\nGesetzgebungszustandigkeit verfugt, bedarf es keiner Erorterung, welche\nKonsequenzen in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht etwa aus einer\nunterschiedlichen Gesetzgebungszustandigkeit in einem foderalen Bundesstaat zu\nziehen waren. \n--- \n| 31 \n--- \n| Gerade dieses lediglich sektorale und im Übrigen hochst widerspruchliche\nVorgehen, ohne dass dem eine konzeptionelle Gesamtschau zugrunde lage, stellt\nhiernach keine geeignete und angemessene und daher koharente\nBegrenzungsmaßnahme dar. \n--- \n| 32 \n--- \n| An einer systematischen und koharenten Begrenzungspolitik fehlt es auch\ndeshalb, weil das staatliche Monopol in der Bundesrepublik bis heute in\nerheblichem Umfang werbend auftritt. Dies betrifft in besonderer Weise die\nAusspielungen im Zusammenhang mit dem sog. „Jackpot", bei denen in einer zum\nMitspielen geradezu aufreizenden Art und Weise werbend in die Öffentlichkeit\ngegangen wird. Wenn namlich im Internetauftritt sowie an den Annahmestellen\nlaufend die aktuellen, haufig erheblichen Bestande (teilweise mit\nzweistelligen Millionenbetragen) des Jackpots veroffentlicht werden, so wird\nbeim Publikum die - wenig realistische - Vorstellung vermittelt, den „Jackpot"\nselbst knacken zu konnen, womit ein zusatzlicher Anreiz geschaffen wird, (auch\nmit moglichst vielen Losen) an der Ausspielung teilzunehmen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Unter den Gesichtspunkten der Geeignetheit und Erforderlichkeit wie aber\nauch der Angemessenheit ist auch Folgendes zu bedenken: Die hier in den Blick\nzu nehmenden Wettanbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat eine\nentsprechende Erlaubnis bzw. Konzession erhalten haben, sind typischerweise in\nder gesamten Gemeinschaft mit einem Internetauftritt prasent, uber den\njedermann, so er denn im Besitz einer Kreditkarte ist, grenzuberschreitend die\nentsprechenden Wettangebote wahrnehmen kann. Dieses konnten Mitgliedstaaten,\ndie den entsprechenden Gluckspielsektor monopolisiert haben, nur aufgrund\nmassiver Eingriffe in die Internetkommunikation oder den internationalen\nZahlungsverkehr unterbinden. Der Kammer liegen keine Erkenntnisse vor, dass\ndiesbezugliche Planungen der Bundesrepublik Deutschland bestehen konnten,\nzumal eine derartige Vorgehensweise einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung\neher fremd sein durfte. Auch wenn sicherlich ein Teil der potentiellen\nDienstleistungsempfanger diese Moglichkeiten nicht wahrnehmen kann, so treten\nhier doch die Grenzen und notwendigen Defizite einzelstaatlicher Maßnahmen\noffen zu Tage. In diesem Zusammenhang ist ein Weiteres zu bedenken. Die\nstaatlichen Monopolbetriebe der Bundesrepublik Deutschland konnen umgekehrt\nuber ihren eigenen Internetauftritt in anderen Mitgliedstaaten ihre\nDienstleistungen anbieten und dort in Konkurrenz zu zugelassenen\nprivatwirtschaftlichen Anbietern treten, eine Entwicklung und Schieflage, die\nnur schwerlich mit einer innergemeinschaftlichen Dienstleistungsfreiheit\nvereinbar sein durfte und die Berechtigung einer Monopolisierung zusatzlich in\nFrage stellen muss. \n--- \n| 34 \n--- \n| Schließlich weist die Kammer daraufhin, dass der Gerichtshof im Urteil vom\n06.11.2003 (Rdn. 62) erneut betont hat, dass die Beschrankungen wirklich dem\nZiel dienen mussten, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und nicht der\nErschließung einer Finanzierungsquelle. Soweit mit den eingenommenen Geldern\nsoziale Aktivitaten finanziert werden sollten, so durfe es sich nur um eine\n„nutzliche Nebenfolge" handeln. Davon kann nach Überzeugung der Kammer\ngegenwartig in der Bundesrepublik nicht die Rede sein. Denn die staatlichen\nLotteriegesellschaften treten, zumal in der jungsten Vergangenheit und bis\nheute, unter Hinweis auf die Millionenbetrage, die jahrlich in die\nSportforderung und Finanzierung sozialer und kultureller Zwecke fließen,\nwerbend massiv in der Öffentlichkeit auf, so v.a. in ihren Internetauftritten\nund großflachiger Plakatwerbung. Dabei wird aber deutlich gemacht, dass ohne\neinen moglichst hohen Spiel- und Wettumsatz viele Projekte nicht mehr\nfinanzierbar waren. Dann aber stellt die Erzielung von (hohen) Einnahmen\nzumindest einen gleichgewichtigen Hauptzweck und nicht mehr nur einen\nnutzlichen Nebenzweck dar. In diesem Zusammenhang kann auch nicht\nunberucksichtigt bleiben, dass nach § 7 Abs. 2 StLG allein der\nHaushaltsgesetzgeber ohne weitere bindende gesetzliche Vorgaben nach\npolitischem Ermessen uber die Hohe des fur kulturelle, sportliche und soziale\nZwecke zu bildenden Wettmittelfonds entscheidet. Hinzu kommt, dass dann, wenn\ndie diesem Fonds zufließenden Mittel die festgelegte Obergrenze uberschreiten,\ndie Mittel zur allgemeinen Deckung des Haushalts zu verwenden sind mit der\nFolge, dass nicht einmal eine ausschließlich gemeinnutzige Verwendung der\nMittel sichergestellt ist. \n--- \n| 35 \n--- \n| d) Was die zweite von der Kammer formulierte Vorlagefrage betrifft, so hat\nin diesem Zusammenhang Generalanwalt Colomer in seinem Schlussantrag vom\n16.05.2006 in der Sache Placanica (vgl. Rdn. 128 ff.) im Einzelnen darauf\nhingewiesen, dass gerade im Bereich der Dienstleistungsfreiheit\ngemeinschaftsrechtlich von einem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von\nErlaubnissen bzw. Konzessionen auszugehen sei, die von einem Mitgliedstaat an\ndort niedergelassene Unternehmen nach entsprechenden Kontrollen erteilt worden\nseien. Die Kammer macht sich diese Ausfuhrungen ausdrucklich zu eigen. Eine\nderartige Sichtweise liegt auch in der hier zu beurteilenden Konstellation\nunter dem oben dargelegten Aspekt moderner Internetkommunikationsmoglichkeiten\ndurchaus nahe und lassen auch den von Generalanwalt Colomer herausgearbeiteten\nGrundsatz der gegenseitigen Anerkennung in einem neuen, anderen Licht\nerscheinen. Bedurften hiernach die in einem anderen Mitgliedstaat\nkonzessionierten Anbieter in der Bundesrepublik Deutschland keiner weiteren\nGenehmigung, so lage kein unerlaubtes Gluckspiel im Sinne des § 12 Abs. 1\nLottStV bzw. des § 284 StGB vor. \n--- \n| 36 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
149,214
lsgbw-2007-08-24-l-4-r-563006
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 R 5630/06
2007-08-24
2019-01-09 18:35:08
2019-01-17 12:04:24
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom\n05. Oktober 2006 abgeandert.\n\nDie Bescheide der Beklagten vom 29. Marz 2005 und 04. November 2005 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 werden aufgehoben,\nsoweit der Bewilligungsbescheid vom 21. Februar 2003 fur die Monate Januar und\nFebruar 2005 aufgehoben und ein Betrag von mehr als 2.569,57 EUR zur\nErstattung gefordert wird. Im Übrigen wird die Berufung zuruckgewiesen.\n\nDie Beklagte hat der Klagerin ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten\nbeider Rechtszuge zu erstatten.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen die Teilaufhebung der\nBewilligungsentscheidung uber Altersrente und die Pflicht zur Erstattung von\nEUR 3.085,15. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die 1941 geborene Klagerin beantragte am 29. Oktober 2002 Altersrente fur\nFrauen, die als Vollrente gezahlt werden sollte. Im Antrag verneinte sie, ab\nRentenbeginn Arbeitsentgelt oder steuerrechtlichen Gewinn zu erzielen, bejahte\naber (derzeit) versicherungspflichtig oder geringfugig beschaftigt oder\nselbstandig tatig zu sein. Laut handschriftlichem Aktenvermerk vom 27. Oktober\n2002 gab sie telefonisch an, sie sei laufend bei Omnibusreisen B. auf EUR\n325,00-Basis beschaftigt. Es wurde die Bescheinigung „Erklarung zum Antrag auf\nAltersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres" (R 230) der Firma F. B.\nOmnibusverkehr vom 03. Dezember 2002 vorgelegt, wonach die Klagerin vom 01.\nJanuar bis 31. Oktober 2002 als Putzhilfe monatlich EUR 325,00 brutto verdient\nhabe mit dem Anhang, sie werde weiter beschaftigt. Durch Bescheid vom 21.\nFebruar 2003 bewilligte die Beklagte (damals noch Landesversicherungsanstalt\nBaden-Wurttemberg) Altersrente fur Frauen ab 01. November 2002 mit einem\nanfanglichen monatlichen Zahlbetrag von EUR 775,49. Die laufende Zahlung\nerfolgte ab 01. April 2003. Der Bescheid enthielt auf Seite 3 unter\n„Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" den folgenden Hinweis: „Die\nAltersrente kann sich bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65.\nLebensjahres mindern oder wegfallen, sofern durch das erzielte Einkommen\n(Bruttoverdienst aus Beschaftigung bzw. Gewinn aus selbstandiger Tatigkeit)\ndie Hinzuverdienstgrenze uberschritten wird. Diese betragt ein Siebtel der\nmonatlichen Bezugsgroße, das sind bei Beginn der laufenden Zahlung 340,00 EUR.\nÄnderungen der Bezugsgroße erfolgen zum 01. Januar eines Jahres. Daher besteht\nbis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres die gesetzliche\nVerpflichtung, uns die Aufnahme oder Ausubung einer uber diesen Rahmen\nhinausgehenden Beschaftigung oder selbstandigen Tatigkeit unverzuglich\nmitzuteilen. Die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen ergibt sich aus der\nAnlage 19." In der Anlage 19 hieß es u.a.: „Die Hinzuverdienstgrenze betragt\nbei einer Rente wegen Alters als Vollrente monatlich EUR 325,00... Fur die\nZeit ab 01.02.2003 EUR 325,00.... Fur die Zeit ab 01.04.2003 EUR 340,00..." \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 20. Januar und 18. Februar 2005 fragte die Beklagte bei\nOmnibusverkehr B. an, welchen Beruf die Versicherte seit 01. November 2002\nausgeubt und welches Bruttoentgelt sie bezogen habe. Schon am 20. Januar 2005\nwar bei der Beklagten, ubermittelt von der Agentur fur Arbeit B., eine\nBescheinigung der Firma B. vom 18. Oktober 2004 eingegangen, wonach die\nKlagerin im September 2004 ein Nettoarbeitsentgelt von EUR 400,00 erzielt\nhabe; die Beschaftigung werde seit Februar 2000 ausgeubt. Der Arbeitgeber\nteilte unter dem 10. Marz 2005 mit, die Klagerin habe als seit Februar 2000\nbeschaftigte Reinigungskraft folgendes Bruttoentgelt erzielt: Von November\n2002 bis Marz 2003 jeweils EUR 325,00, im April und Mai 2003 („ganz normale\ngeringfugig Beschaftigte") EUR 400,00 im Juli 2003 EUR 287,00, sodann\ndurchgangig von August 2003 bis Januar 2005 EUR 400,00. Im Juni 2003 wurde\nkein Verdienst erzielt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Anhorungsschreiben vom 30. Marz 2005 eroffnete die Beklagte der\nKlagerin, es sei vorgesehen, die Rente ab 01. August 2003 zu mindern. Seit 01.\nApril 2003 stehe die Klagerin in einem Beschaftigungsverhaltnis, bei dem das\nEntgelt die Hinzuverdienstgrenze uberschreite. Deren Überschreiten sei nach §\n34 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nur zweimal (im\nKalenderjahr) unschadlich. Unter Berucksichtigung dieser Regelung solle die\nRente ab dem 01. August 2003, dem dritten Überschreiten, gemindert werden. Sie\nsei nur noch in Hohe von zwei Dritteln zu leisten, wobei sich ab 01. August\n2003 ein Zahlbetrag von EUR 520,41 und ab 01. April 2004 von EUR 515,58\nergebe. Die nach dem Rentenbescheid bestehende Meldepflicht sei zumindest grob\nfahrlassig verletzt worden. Es sei im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 und 3 des\nZehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) beabsichtigt, die Rente ab 01.\nAugust 2003 nur noch in Hohe von zwei Dritteln zu leisten und die fur die Zeit\nvom 01. August 2003 bis 30. April 2005 entstandene Überzahlung von EUR\n5.432,87 nach § 50 SGB X zuruckzufordern. Es bestehe Äußerungsfrist von drei\nWochen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Nach Einschaltung ihrer Bevollmachtigten außerte sich die Klagerin mit\nSchreiben vom 21. April 2005, eingegangen bei der Beklagten am 26. April 2005,\nes sei unklar, inwieweit das zweimalige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze\ngemaß § 34 Abs. 2 SGB VI berucksichtigt worden sei. Der Hinzuverdienst von EUR\n400,00 sei in Unkenntnis der Regelungen erzielt worden. Es stelle sich die\nFrage, ob es verfassungsmaßig sei, dass sich durch eine geringfugige\nÜberschreitung der Hinzuverdienstgrenze eine starkere Rentenkurzung ergebe,\nals die Differenz zwischen dem zulassigen Hinzuverdienst und dem Überschreiten\ndes Hinzuverdienstes betrage. Seit 01. Marz 2005 werde die\nHinzuverdienstgrenze von EUR 345,00 nicht mehr uberschritten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Durch Bescheid vom 29. Marz 2005, abgesandt am 25. April 2005, berechnete\ndie Beklagte die Rente neu. Ab 01. Mai 2005 wurden monatlich EUR 515,58\ngezahlt. Fur die Zeit vom 01. August 2003 bis 30. April 2005 ergebe sich eine\nÜberzahlung von EUR 5.432,87, die unter Teilrucknahme des\nBewilligungsbescheids vom 21. Februar 2003 zur Erstattung gefordert werde. Mit\ndem Widerspruch hiergegen trug die Klagerin vor, im Prinzip durfte die\nRuckforderung berechtigt sein. Allerdings musse auch fur die Jahre 2004 und\n2005 eine zweimalige Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze berucksichtigt\nwerden. Es verbleibe dabei, dass der Verdienst seit 01. Marz nur noch EUR\n345,00 betrage. Die Firma B. bestatigte unter dem 14. Juli 2005 folgende\nEntgelte: Marz und April EUR 345,00, Mai 2005 EUR 309,00 und Juni 2005 EUR\n216,00. Am 28. September 2005 gab sie an, der Verdienst der Klagerin im\nFebruar 2005 habe bei EUR 400,00 gelegen. Durch Bescheid vom 04. November 2005\nberechnete die Beklagte die Rente nochmals neu; wegen Einhaltung der\nHinzuverdienstgrenze seit 01. Marz 2005 bestehe wieder Anspruch auf die\nVollrente von monatlich EUR 777,16, ab 01. Juli 2005 EUR 773,31 und ab 01.\nDezember 2005 EUR 773,74. Die zu erstattende Überzahlung reduziere sich auf\nEUR 3.085,15. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den\nzuruckweisenden Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2006. Unter\nBerucksichtigung des erzielten Entgelts stehe die Rente vom 01. August 2003\nbis 28. Februar 2005 nur in Hohe von zwei Dritteln der Vollrente zu.\nMaßgeblich sei stets die im Vormonat eingehaltene Hinzuverdienstgrenze. Bei\ngleichbleibendem monatlichen Hinzuverdienst liege kein nur zweimaliges\n„Überschreiten" zu. Somit verbleibe es dabei, dass vom 01. August 2003 bis 28.\nFebruar 2005 nur die Rente in Hohe von zwei Dritteln zustehe. Sofern wegen nur\ngeringfugigen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze ein atypischer Fall\nanzunehmen sei, sei bei der Ermessensprufung dennoch zu berucksichtigen, dass\nder Gesetzgeber starre Hinzuverdienstgrenzen geregelt habe. Eine Minderung\nlediglich in dem Umfang des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze sei nicht\nvorgesehen. Im Rentenbescheid vom 21. Februar 2003 sei die aktuelle\nHinzuverdienstgrenze von EUR 340,00 mitgeteilt worden. Bereits kurz danach\nhabe sich im April 2003 das monatliche Bruttoentgelt auf EUR 400,00\ngesteigert. So kurze Zeit nach Zugang des Rentenbescheids sei es zuzumuten\ngewesen, sich bei einer deutlichen Erhohung des Arbeitsentgelts uber die\nAuswirkungen auf die Rente zu informieren. Der uberzahlte Betrag von EUR\n3.085,15 sei zu erstatten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Zur Begrundung der am 02. Februar 2006 zum Sozialgericht Konstanz (SG)\nerhobenen Klage trug die Klagerin vor, es sei unklar, weshalb ab 01. Dezember\n2005 nur eine Rente von EUR 773,74 zustehe, nachdem in einer Berechnung vom\n13. Oktober 2005 EUR 776,16 genannt gewesen seien. Außerdem mussten auch in\nden Jahren 2004 und 2005 jeweils zwei Monate des Überschreitens unschadlich\nbleiben. Im Übrigen musse die Entscheidung bei der geringen Überschreitung der\nHinzuverdienstgrenze als unbillig angesehen werden. Weiter ergebe sich die\nverfassungsrechtliche Frage, ob die Kurzung der eigentumsahnlich geschutzten\nRente uber den geringfugigen Hinzuverdienst hinaus eine Ungleichbehandlung\nhervorrufe. Die Eigentumsgarantie werde verletzt. Die Beklagte trat der Klage\nentgegen. Die Rente sei zutreffend berechnet. Die Fiktivberechnung vom 13.\nOktober 2005 sei fehlerhaft gewesen. Bei einem gleichbleibenden monatlichen\nHinzuverdienst sei kein unschadliches zweimaliges Überschreiten anzunehmen.\nVielmehr gelte das „Vormonatsprinzip". \n--- \n| 8 \n--- \n| Durch Urteil vom 05. Oktober 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begrundung\nlegte es dar, die Kurzung der Rente jedenfalls ab 01. August 2003 sei\nrechtmaßig. Auch treffe es zu, dass bei gleichbleibendem Hinzuverdienst nicht\nvon einem zweimaligen Überschreiten gesprochen werden konne. Die Regelungen\nseien verfassungsgemaß. Mit dem sog. Übersicherungseinwand solle verhindert\nwerden, dass durch Rente und Hinzuverdienst ein hoheres Gesamteinkommen\nerzielt werden konne, als dieses zuvor versichert gewesen sei. Die Klagerin\nsei verstandlich uber die aktuelle Hinzuverdienstgrenze unterrichtet gewesen\nund habe grob fahrlassig ihre Mitteilungspflicht verletzt. Ein atypischer Fall\nsei nicht zu prufen gewesen. Die Beklagte habe auch die Handlungsfristen\neingehalten. Die Ruckforderung in Hohe von EUR 3.085,15 sei rechtmaßig. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen das am 08. November 2006 zugestellte Urteil hat die Klagerin am 09.\nNovember 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie verbleibt\ndabei, jedenfalls musse ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze\nin den Jahren 2004 und 2005 unschadlich sein. Es durfe keinen Unterschied\nmachen, ob die Überschreitung durch schwankende oder gleichbleibende Betrage\nzustande komme. Daruber hinaus sei § 34 Abs. 2 SGB VI insoweit\nverfassungswidrig, als starre Grenzen bestunden. Es konne nicht sein, dass\nbereits ein geringfugiges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze zu einer\nbetrachtlichen Rentenkurzung fuhre. Dies stelle letztlich eine Strafregelung\ndar, die uber die verfassungsrechtlich gebotenen Grenzen hinaus gehe. Die\nRegelung sei zweckverfehlt und willkurlich. Mit dem Übersicherungseinwand\nkonne nicht argumentiert werden. Vielmehr fuhre die hier praktizierte\nAnwendung des Gesetzes zu einer Untersicherung. Etwa bei der\nHinterbliebenenrente sei eine anteilige Anrechnung gewahlt worden. Es musse\nein garantierter Gesamtbetrag, namlich die Rente, vermindert um den die\nHinzuverdienstgrenze uberschreitenden Betrag, verbleiben. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin beantragt sinngemaß, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05. Oktober 2006 sowie die\nBescheide vom 29. Marz 2005 und 04. November 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag. Der hochstrichterlichen\nRechtsprechung, wonach bei fehlendem Verschulden eine Aufhebung und\nRuckforderung nur in Hohe des Mehrverdienstes erfolgen konne, werde seitens\nder Rentenversicherungstrager nicht gefolgt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich ubereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats\nohne mundliche Verhandlung einverstanden erklart. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der\nKlageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Versicherungsnummer) Bezug\ngenommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin hat zu einem geringen Teil Erfolg,\nsoweit in den angegriffenen Bescheiden die Rentenbewilligung auch fur die\nMonate Januar und Februar 2005 teilweise aufgehoben und eine Überzahlung von\nmehr als EUR 2.569,57 verlangt worden ist. Im Übrigen ist die Berufung nicht\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsachlichen oder\nrechtlichen Verhaltnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit\nDauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der\nVerwaltungsakt mit Wirkung fur die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2\nSGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der\nVerhaltnisse u.a. aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch\nRechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher fur ihn\nnachteiliger Änderungen der Verhaltnisse vorsatzlich oder grob fahrlassig\nnicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des\nVerwaltungsaktes Einkommen oder Vermogen erzielt worden ist, das zum Wegfall\noder zur Minderung des Anspruchs gefuhrt haben wurde (Nr. 3), oder der\nBetroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in\nbesonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt\nergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise\nweggefallen ist (Nr. 4). Wesentlich ist jede tatsachliche oder rechtliche\nÄnderung, die sich auf Grund oder Hohe der bewilligten Leistung auswirkt\n(Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1300 § 48 Nr. 48). Eine rechtserhebliche\nÄnderung liegt insbesondere dann vor, wenn der Anspruch nach dem fur die\nLeistung maßgebenden materiellen Recht entfallen ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide beruhen nicht auf einem\nAnhorungsmangel (vgl. zur erforderlichen Anhorung § 24 Abs. 1 SGB X). Der\nunter dem 29. Marz 2005 datierte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde\nerst nach der mit Schreiben vom 30. Marz 2005, mit dem eine Äußerungsfrist von\ndrei Wochen gesetzt worden war, eingeleiteten Anhorung mit dem Zugang der\nAbsendung mit Schreiben vom 25. April 2005 wirksam (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1\nSGB X). Selbst wenn die Beklagte im Bescheid die innerhalb der Äußerungsfrist\nvorgebrachten Einwendungen nicht mehr berucksichtigt hatte, ware der\nAnhorungsmangel durch die Durchfuhrung des Widerspruchsverfahrens geheilt\nworden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Da die Klagerin eine Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres\nbezogen hat, setzte der Anspruch auf Altersrente fur Frauen nach § 237a Abs. 1\nSGB VI gemaß § 34 Abs. 2 Satz 1 SGG VI auch voraus, dass die\nHinzuverdienstgrenzen nicht uberschritten waren. Letztere Vorschrift wurde\ndurch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember\n1995, BGBl. I S. 1824 dahingehend geandert, dass die Formulierung, die Rente\nwerde „nur geleistet....", dahin ersetzt wurde, dass „Anspruch" auf eine Rente\nnur bestehe, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht uberschritten werde. Diese\nRegelung stellt klar, dass - anders als bei der fur die Renten wegen\nverminderter Erwerbsfahigkeit geltenden Regelung in § 96a SGB VI - die\nEinhaltung der Hinzuverdienstgrenze unmittelbar den Rentenanspruch beruhrt und\nnicht nur die Hohe der Rentenzahlung bestimmt (Bundestags-Drucksache 13/3150\nS. 41 zu Nr. 5 Buchst. a; vgl. auch BSG SozR 3-2600 § 34 Nr. 1). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Hinzuverdienstgrenze betrug gemaß § 34 Abs. 3 SGB VI (1.) bei einer\nRente wegen Alters als Vollrente ein Siebtel der monatlichen Bezugsgroße (dies\nwaren in der bis zum 31. Marz 2003 geltenden Fassung EUR 325,00 und nach der\nab 01. April 2003 geltenden Fassung - Gesetz vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S.\n4621 - EUR 340,00, in den Jahren 2004 und 2005 EUR 345,00), (2.) bei einer\nRente wegen Alters als Teilrente von a. ein ein Drittel der Vollrente das\n23,3-fache, b. der Halfte der Vollrente das 17,5-fache, c. zwei Dritteln der\nVollrente das 11,7-fache des aktuellen Rentenwerts, (§ 68 SGB VI),\nvervielfaltigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB\nVI) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters,\nmindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten. Beim Bezug der Altersrente als\nVollrente war von der monatlichen Hinzuverdienstgrenze fur das Jahr 2003 von\nEUR 340,00 fur die Jahre 2004 und 2005 von EUR 345,00 auszugehen. Damit\nbestand allenfalls noch Anspruch auf die nachst niedrigere Rente in Hohe von\nzwei Dritteln der Vollrente; die Berechnung des maßgeblichen Hinzuverdienstes\nmit Blick auf einen noch niedrigeren Anspruch ist hier entbehrlich. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI wird die Hinzuverdienstgrenze nicht\nuberschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer\nBeschaftigung oder selbstandigen Tatigkeit oder vergleichbares Einkommen im\nMonat die in Abs. 3 genannten Betrage nicht ubersteigt, wobei ein zweimaliges\nÜberschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Hohe der Hinzuverdienstgrenze\nnach Abs. 3 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die\nBeklagte hat diese Vorschrift zugunsten der Klagerin so ausgelegt, dass der\nBezug von Arbeitsentgelt in Hohe von EUR 400,00 in den Monaten April und Mai\n2003 rentenunschadlich geblieben ist, weil anschließend bis zur erneuten\nÜberschreitung der Hinzuverdienstgrenze ab 01. August 2003 die Monate Juni\n2003 (kein Einkommen) und Juli 2003 (Einkommen EUR 287,00) gelegen haben; ob\nund inwieweit ein von der Beklagten sonst in Anspruch genommenes\n„Vormonatsprinzip", das im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat, gilt,\nbleibt hier unerheblich (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. Juni 2007 - L 4 R\n6037/06 - rechtskraftig). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nicht zu folgen ist der Auffassung der Klagerin, auch im Jahr 2004 sei ein\nunschadliches Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze fur zwei Monate zu\nberucksichtigen. In diesem Kalenderjahr ist (schon seit August 2003) die\nHinzuverdienstgrenze von EUR 340,00 durchgangig in gleicher Hohe (EUR 400,00)\nuberschritten gewesen. Die zweimalige Ausnahme von der Hinzuverdienstgrenze\nzielt auf den Ausgleich von Schwankungen bei sonst gleichbleibendem\nArbeitsentgelt (BSG SozR 3- 2600 § 34 Nr. 4), wobei das BSG in dieser\nEntscheidung lediglich die fruhere engere Auffassung, allein auf\nSonderzuwendungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld zielend, auf einen\nausnahmsweise erzielten Mehrarbeitsverdienst ausgeweitet hat. Es ergibt sich\ndaher nicht, dass bei einem uber mehrere Jahre andauernden\nBeschaftigungsverhaltnis ohne Schwankungen des Arbeitsentgelts und der\nArbeitszeit generell in jedem Kalenderjahr ein zweimaliges Überschreiten der\nHinzuverdienstgrenze rentenunschadlich ware. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Hingegen ist der Auffassung der Klagerin entgegen derjenigen der Beklagten\nund des SG fur die Monate Januar und Februar 2005 zu folgen. Im Jahr 2005 ist\nes insoweit zu Schwankungen in Arbeitszeit und Arbeitsentgelt gekommen, als ab\nMarz 2005 das Arbeitseinkommen wieder bei EUR 345,00 bzw. bei EUR 309,00/EUR\n216,00 gelegen hat. Die zweimalige Überschreitungsmoglichkeit hat ihren Grund\ndarin, den Bedurfnissen der Praxis Rechnung zu tragen und zu ermoglichen,\nArbeitsvertrage so auf die Hinzuverdienstgrenzen abzustellen, dass diese\nunabhangig von den Schwankungen bei den Arbeitsstunden eingehalten werden\nkonnen und ein Jahresausgleich gefunden werden kann und somit\nEinkommensschwankungen abgefangen werden sollen (vgl. Bundestags-Drucksache\n11/4124 S. 161 zu § 34). Es ist nicht ersichtlich, dass ein Überschreiten der\nGrenzen in den Monaten Januar und Februar 2005 schadlicher sein soll als im\nVerlauf des Kalenderjahres oder gegen dessen Ende; insoweit findet das bereits\nzitierte Vormonatsprinzip im Gesetz keine Stutze (vgl. nochmals Senatsurteil\nvom 22. Juni 2007 zum Fall des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze bereits\nim ersten Monat des Rentenbeginns). Hatte die Klagerin im weiteren Verlauf des\nJahres 2005 nochmals die Hinzuverdienstgrenze uberschritten, ware dies\nschadlich gewesen. Insoweit ist nach der gesetzlichen Regelung eine\nUngleichbehandlung nicht gerechtfertigt; darauf, dass die Reduzierung des\nVerdienstes ab Marz 2005 auf die Arbeitgeberanfragen der Beklagten vom Januar\nund Februar 2005 zuruckzufuhren sein konnte, kommt es nicht an. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klagerin hat - bezogen auf die Zeit von August 2003 bis Dezember 2004 -\ngrob fahrlassig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ihre\nMitteilungspflicht verletzt. Aus dem Rentenbescheid vom 21. Februar 2003 war\nersichtlich, dass die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze ab April 2003 bei EUR\n340,00 lag. Dieser Betrag ist nicht identisch mit der Entgelt-\nGeringfugigkeitsgrenze, die sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches des\nSozialgesetzbuchs (SGB IV) zum 01. April 2003 deutlich von EUR 325,00 auf EUR\n400,00 erhohte. Moglichweise sind die Klagerin und der Arbeitgeber insoweit,\nals das Arbeitsentgelt ab April 2003 erstmals auf EUR 400,00 erhoht wurde, das\nRisiko eines Irrtums eingegangen. Dies entschuldigt aber nicht. Die Klagerin\nwar im Rentenbescheid unter „Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" daruber\nbelehrt worden, bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres\nbestehe die Verpflichtung, die Aufnahme einer uber das Entgelt von EUR 340,00\nab 01. April 2003 hinausgehenden Beschaftigung oder selbstandigen Tatigkeit\nunverzuglich mitzuteilen. Das Außerachtlassen von Hinweisen in den\nuberschaubaren Erlauterungen und Anlagen zum Rentenbescheid ist im Allgemeinen\ngrob fahrlassig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner\nPersonlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erlauterungen nicht\nverstehen konnte (BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Der Betrag von\nEUR 340,00, fur die Zeit ab 01. April 2003 mit dem Hinweis genannt, es handle\nsich um ein Siebtel der monatlichen Bezugsgroße, wie er sowohl im\nRentenbescheid selbst als auch in dessen Anlage enthalten war, war fur die\nKlagerin hinreichend verstandlich. Die Verstandlichkeit war nicht dadurch\nbeeintrachtigt, dass im Rentenbescheid in der Anlage 19 auch noch die fur die\nZeit ab Rentenbeginn bis Marz 2003 geltende Hinzuverdienstgrenze von EUR\n325,00 nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI angegeben war, die bis 31. Marz 2003 der\nEntgelt-Geringfugigkeitsgrenze entsprochen hatte. Anhaltspunkte, dass die\nKlagerin von der Beachtung dieses Hinweises uberfordert war, sind nicht\nersichtlich. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Anders als bei der Anrechnungsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X\nist bei Nr. 2 die Aufhebung und Ruckforderung nicht nur soweit moglich, als\nsich die zu Unrecht bezogene Sozialleistung und das Einkommen, das zu deren\nWegfall gefuhrt hat, decken (BSGE 60, 180 = SozR 1300 § 48 Nr. 26 fur das\nArbeitslosengeld; SozR 3-1300 § 48 Nr. 37 fur die Rente; fortgefuhrt in SozR\n3-1300 § 48 Nr. 42 fur das Kindergeld). Dies wird in der Kommentarliteratur\nnicht beanstandet (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 34 Abs. 6 RdNr. 44;\nSteinwedel a.a.O., § 48 SGB X RdNr. 50). Die Regelung ist auch nicht\nverfassungswidrig. Zwar mag zutreffen, dass allein der vom SG zitierte\n„Übersicherungseinwand" den Wegfall der ganzen Rente bei geringfugiger\nÜberschreitung der Hinzuverdienstgrenze nicht zu rechtfertigen vermag. Was\njedoch in den Fallen schuldlosen nachtraglichen Zuflusses anderer\nSozialleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X noch zumutbar\nsein mag, ware hier kaum noch praktikabel. Versicherungstrager und Versicherte\nwaren wahrend des gesamten Bezugszeitraums der vorzeitigen Altersrente zur\nEinhaltung und Überwachung regelmaßiger detaillierter Abrechnungen gezwungen.\nDem sollen die starren Grenzen des Hinzuverdienstes entgegenwirken, die es\nermoglichen, dass die Versicherten neben dem Rentenbezug zwar noch einer\ngering entlohnten Beschaftigung nachgehen konnen, durch das Überschreiten der\nGrenze aber zu erkennen geben, dass sie sich noch mehr als geringfugig dem\nKreis der Erwerbstatigen zugehorig wissen. Hierin liegt kein bedenklicher\nEingriff im Sinne der Gleichbehandlung oder des Schutzes eigentumsahnlicher\nAnwartschaften; die Regelung belastet nur dann wesentlich, wenn, wie im Fall\nder Klagerin, grob schuldhaftes Handeln zu Aufhebung und\nErstattungsverpflichtung fuhrt. Insoweit kann, wie die Beklagte und das SG\nzutreffend dargelegt haben, auch kein atypischer Fall angenommen werden, der\nzu Ermessenserwagungen verpflichten wurde. Ein atypischer Fall kann auch nicht\ndeswegen angenommen werden, weil der Beklagten jedenfalls aufgrund des\nRentenantrags, der Erklarung vom 27. November 2002 und der Bescheinigung der\nFirma B. vom 03. Dezember 2002 durchaus bekannt war, das die Klagerin auch\nuber den 31. Oktober 2002 hinaus dort noch erwerbstatig war und die Beklagte\ndann von sich aus die Auskunft beim Arbeitgeber fur die Zeit ab 01. Oktober\n2002 eingeholt hat. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die einjahrige Handlungsfrist gemaß § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit §\n45 Abs 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der gemaß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Betrag ermaßigt sich von\nEUR 3.085,15 um EUR 515,58 (zweimal EUR 257,79); dies ergibt EUR 2.569,57.\nRechenfehler sind nicht ersichtlich. Über Modalitaten der Erstattung ist hier\nnicht zu befinden (standige Rechtssprechung). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160\nAbs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Klarungsbedurftig und -fahig ist die Frage, ob\nsich ein von der Beklagten in Anspruch genommenes „Vormonatsprinzip" hindernd\nauf den Teilerfolg der Klagerin auswirken konnte. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin hat zu einem geringen Teil Erfolg,\nsoweit in den angegriffenen Bescheiden die Rentenbewilligung auch fur die\nMonate Januar und Februar 2005 teilweise aufgehoben und eine Überzahlung von\nmehr als EUR 2.569,57 verlangt worden ist. Im Übrigen ist die Berufung nicht\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsachlichen oder\nrechtlichen Verhaltnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit\nDauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der\nVerwaltungsakt mit Wirkung fur die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2\nSGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der\nVerhaltnisse u.a. aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch\nRechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher fur ihn\nnachteiliger Änderungen der Verhaltnisse vorsatzlich oder grob fahrlassig\nnicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des\nVerwaltungsaktes Einkommen oder Vermogen erzielt worden ist, das zum Wegfall\noder zur Minderung des Anspruchs gefuhrt haben wurde (Nr. 3), oder der\nBetroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in\nbesonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt\nergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise\nweggefallen ist (Nr. 4). Wesentlich ist jede tatsachliche oder rechtliche\nÄnderung, die sich auf Grund oder Hohe der bewilligten Leistung auswirkt\n(Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1300 § 48 Nr. 48). Eine rechtserhebliche\nÄnderung liegt insbesondere dann vor, wenn der Anspruch nach dem fur die\nLeistung maßgebenden materiellen Recht entfallen ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide beruhen nicht auf einem\nAnhorungsmangel (vgl. zur erforderlichen Anhorung § 24 Abs. 1 SGB X). Der\nunter dem 29. Marz 2005 datierte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde\nerst nach der mit Schreiben vom 30. Marz 2005, mit dem eine Äußerungsfrist von\ndrei Wochen gesetzt worden war, eingeleiteten Anhorung mit dem Zugang der\nAbsendung mit Schreiben vom 25. April 2005 wirksam (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1\nSGB X). Selbst wenn die Beklagte im Bescheid die innerhalb der Äußerungsfrist\nvorgebrachten Einwendungen nicht mehr berucksichtigt hatte, ware der\nAnhorungsmangel durch die Durchfuhrung des Widerspruchsverfahrens geheilt\nworden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Da die Klagerin eine Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres\nbezogen hat, setzte der Anspruch auf Altersrente fur Frauen nach § 237a Abs. 1\nSGB VI gemaß § 34 Abs. 2 Satz 1 SGG VI auch voraus, dass die\nHinzuverdienstgrenzen nicht uberschritten waren. Letztere Vorschrift wurde\ndurch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember\n1995, BGBl. I S. 1824 dahingehend geandert, dass die Formulierung, die Rente\nwerde „nur geleistet....", dahin ersetzt wurde, dass „Anspruch" auf eine Rente\nnur bestehe, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht uberschritten werde. Diese\nRegelung stellt klar, dass - anders als bei der fur die Renten wegen\nverminderter Erwerbsfahigkeit geltenden Regelung in § 96a SGB VI - die\nEinhaltung der Hinzuverdienstgrenze unmittelbar den Rentenanspruch beruhrt und\nnicht nur die Hohe der Rentenzahlung bestimmt (Bundestags-Drucksache 13/3150\nS. 41 zu Nr. 5 Buchst. a; vgl. auch BSG SozR 3-2600 § 34 Nr. 1). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Hinzuverdienstgrenze betrug gemaß § 34 Abs. 3 SGB VI (1.) bei einer\nRente wegen Alters als Vollrente ein Siebtel der monatlichen Bezugsgroße (dies\nwaren in der bis zum 31. Marz 2003 geltenden Fassung EUR 325,00 und nach der\nab 01. April 2003 geltenden Fassung - Gesetz vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S.\n4621 - EUR 340,00, in den Jahren 2004 und 2005 EUR 345,00), (2.) bei einer\nRente wegen Alters als Teilrente von a. ein ein Drittel der Vollrente das\n23,3-fache, b. der Halfte der Vollrente das 17,5-fache, c. zwei Dritteln der\nVollrente das 11,7-fache des aktuellen Rentenwerts, (§ 68 SGB VI),\nvervielfaltigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB\nVI) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters,\nmindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten. Beim Bezug der Altersrente als\nVollrente war von der monatlichen Hinzuverdienstgrenze fur das Jahr 2003 von\nEUR 340,00 fur die Jahre 2004 und 2005 von EUR 345,00 auszugehen. Damit\nbestand allenfalls noch Anspruch auf die nachst niedrigere Rente in Hohe von\nzwei Dritteln der Vollrente; die Berechnung des maßgeblichen Hinzuverdienstes\nmit Blick auf einen noch niedrigeren Anspruch ist hier entbehrlich. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI wird die Hinzuverdienstgrenze nicht\nuberschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer\nBeschaftigung oder selbstandigen Tatigkeit oder vergleichbares Einkommen im\nMonat die in Abs. 3 genannten Betrage nicht ubersteigt, wobei ein zweimaliges\nÜberschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Hohe der Hinzuverdienstgrenze\nnach Abs. 3 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die\nBeklagte hat diese Vorschrift zugunsten der Klagerin so ausgelegt, dass der\nBezug von Arbeitsentgelt in Hohe von EUR 400,00 in den Monaten April und Mai\n2003 rentenunschadlich geblieben ist, weil anschließend bis zur erneuten\nÜberschreitung der Hinzuverdienstgrenze ab 01. August 2003 die Monate Juni\n2003 (kein Einkommen) und Juli 2003 (Einkommen EUR 287,00) gelegen haben; ob\nund inwieweit ein von der Beklagten sonst in Anspruch genommenes\n„Vormonatsprinzip", das im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat, gilt,\nbleibt hier unerheblich (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. Juni 2007 - L 4 R\n6037/06 - rechtskraftig). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nicht zu folgen ist der Auffassung der Klagerin, auch im Jahr 2004 sei ein\nunschadliches Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze fur zwei Monate zu\nberucksichtigen. In diesem Kalenderjahr ist (schon seit August 2003) die\nHinzuverdienstgrenze von EUR 340,00 durchgangig in gleicher Hohe (EUR 400,00)\nuberschritten gewesen. Die zweimalige Ausnahme von der Hinzuverdienstgrenze\nzielt auf den Ausgleich von Schwankungen bei sonst gleichbleibendem\nArbeitsentgelt (BSG SozR 3- 2600 § 34 Nr. 4), wobei das BSG in dieser\nEntscheidung lediglich die fruhere engere Auffassung, allein auf\nSonderzuwendungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld zielend, auf einen\nausnahmsweise erzielten Mehrarbeitsverdienst ausgeweitet hat. Es ergibt sich\ndaher nicht, dass bei einem uber mehrere Jahre andauernden\nBeschaftigungsverhaltnis ohne Schwankungen des Arbeitsentgelts und der\nArbeitszeit generell in jedem Kalenderjahr ein zweimaliges Überschreiten der\nHinzuverdienstgrenze rentenunschadlich ware. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Hingegen ist der Auffassung der Klagerin entgegen derjenigen der Beklagten\nund des SG fur die Monate Januar und Februar 2005 zu folgen. Im Jahr 2005 ist\nes insoweit zu Schwankungen in Arbeitszeit und Arbeitsentgelt gekommen, als ab\nMarz 2005 das Arbeitseinkommen wieder bei EUR 345,00 bzw. bei EUR 309,00/EUR\n216,00 gelegen hat. Die zweimalige Überschreitungsmoglichkeit hat ihren Grund\ndarin, den Bedurfnissen der Praxis Rechnung zu tragen und zu ermoglichen,\nArbeitsvertrage so auf die Hinzuverdienstgrenzen abzustellen, dass diese\nunabhangig von den Schwankungen bei den Arbeitsstunden eingehalten werden\nkonnen und ein Jahresausgleich gefunden werden kann und somit\nEinkommensschwankungen abgefangen werden sollen (vgl. Bundestags-Drucksache\n11/4124 S. 161 zu § 34). Es ist nicht ersichtlich, dass ein Überschreiten der\nGrenzen in den Monaten Januar und Februar 2005 schadlicher sein soll als im\nVerlauf des Kalenderjahres oder gegen dessen Ende; insoweit findet das bereits\nzitierte Vormonatsprinzip im Gesetz keine Stutze (vgl. nochmals Senatsurteil\nvom 22. Juni 2007 zum Fall des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze bereits\nim ersten Monat des Rentenbeginns). Hatte die Klagerin im weiteren Verlauf des\nJahres 2005 nochmals die Hinzuverdienstgrenze uberschritten, ware dies\nschadlich gewesen. Insoweit ist nach der gesetzlichen Regelung eine\nUngleichbehandlung nicht gerechtfertigt; darauf, dass die Reduzierung des\nVerdienstes ab Marz 2005 auf die Arbeitgeberanfragen der Beklagten vom Januar\nund Februar 2005 zuruckzufuhren sein konnte, kommt es nicht an. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klagerin hat - bezogen auf die Zeit von August 2003 bis Dezember 2004 -\ngrob fahrlassig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ihre\nMitteilungspflicht verletzt. Aus dem Rentenbescheid vom 21. Februar 2003 war\nersichtlich, dass die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze ab April 2003 bei EUR\n340,00 lag. Dieser Betrag ist nicht identisch mit der Entgelt-\nGeringfugigkeitsgrenze, die sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches des\nSozialgesetzbuchs (SGB IV) zum 01. April 2003 deutlich von EUR 325,00 auf EUR\n400,00 erhohte. Moglichweise sind die Klagerin und der Arbeitgeber insoweit,\nals das Arbeitsentgelt ab April 2003 erstmals auf EUR 400,00 erhoht wurde, das\nRisiko eines Irrtums eingegangen. Dies entschuldigt aber nicht. Die Klagerin\nwar im Rentenbescheid unter „Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" daruber\nbelehrt worden, bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres\nbestehe die Verpflichtung, die Aufnahme einer uber das Entgelt von EUR 340,00\nab 01. April 2003 hinausgehenden Beschaftigung oder selbstandigen Tatigkeit\nunverzuglich mitzuteilen. Das Außerachtlassen von Hinweisen in den\nuberschaubaren Erlauterungen und Anlagen zum Rentenbescheid ist im Allgemeinen\ngrob fahrlassig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner\nPersonlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erlauterungen nicht\nverstehen konnte (BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Der Betrag von\nEUR 340,00, fur die Zeit ab 01. April 2003 mit dem Hinweis genannt, es handle\nsich um ein Siebtel der monatlichen Bezugsgroße, wie er sowohl im\nRentenbescheid selbst als auch in dessen Anlage enthalten war, war fur die\nKlagerin hinreichend verstandlich. Die Verstandlichkeit war nicht dadurch\nbeeintrachtigt, dass im Rentenbescheid in der Anlage 19 auch noch die fur die\nZeit ab Rentenbeginn bis Marz 2003 geltende Hinzuverdienstgrenze von EUR\n325,00 nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI angegeben war, die bis 31. Marz 2003 der\nEntgelt-Geringfugigkeitsgrenze entsprochen hatte. Anhaltspunkte, dass die\nKlagerin von der Beachtung dieses Hinweises uberfordert war, sind nicht\nersichtlich. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Anders als bei der Anrechnungsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X\nist bei Nr. 2 die Aufhebung und Ruckforderung nicht nur soweit moglich, als\nsich die zu Unrecht bezogene Sozialleistung und das Einkommen, das zu deren\nWegfall gefuhrt hat, decken (BSGE 60, 180 = SozR 1300 § 48 Nr. 26 fur das\nArbeitslosengeld; SozR 3-1300 § 48 Nr. 37 fur die Rente; fortgefuhrt in SozR\n3-1300 § 48 Nr. 42 fur das Kindergeld). Dies wird in der Kommentarliteratur\nnicht beanstandet (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 34 Abs. 6 RdNr. 44;\nSteinwedel a.a.O., § 48 SGB X RdNr. 50). Die Regelung ist auch nicht\nverfassungswidrig. Zwar mag zutreffen, dass allein der vom SG zitierte\n„Übersicherungseinwand" den Wegfall der ganzen Rente bei geringfugiger\nÜberschreitung der Hinzuverdienstgrenze nicht zu rechtfertigen vermag. Was\njedoch in den Fallen schuldlosen nachtraglichen Zuflusses anderer\nSozialleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X noch zumutbar\nsein mag, ware hier kaum noch praktikabel. Versicherungstrager und Versicherte\nwaren wahrend des gesamten Bezugszeitraums der vorzeitigen Altersrente zur\nEinhaltung und Überwachung regelmaßiger detaillierter Abrechnungen gezwungen.\nDem sollen die starren Grenzen des Hinzuverdienstes entgegenwirken, die es\nermoglichen, dass die Versicherten neben dem Rentenbezug zwar noch einer\ngering entlohnten Beschaftigung nachgehen konnen, durch das Überschreiten der\nGrenze aber zu erkennen geben, dass sie sich noch mehr als geringfugig dem\nKreis der Erwerbstatigen zugehorig wissen. Hierin liegt kein bedenklicher\nEingriff im Sinne der Gleichbehandlung oder des Schutzes eigentumsahnlicher\nAnwartschaften; die Regelung belastet nur dann wesentlich, wenn, wie im Fall\nder Klagerin, grob schuldhaftes Handeln zu Aufhebung und\nErstattungsverpflichtung fuhrt. Insoweit kann, wie die Beklagte und das SG\nzutreffend dargelegt haben, auch kein atypischer Fall angenommen werden, der\nzu Ermessenserwagungen verpflichten wurde. Ein atypischer Fall kann auch nicht\ndeswegen angenommen werden, weil der Beklagten jedenfalls aufgrund des\nRentenantrags, der Erklarung vom 27. November 2002 und der Bescheinigung der\nFirma B. vom 03. Dezember 2002 durchaus bekannt war, das die Klagerin auch\nuber den 31. Oktober 2002 hinaus dort noch erwerbstatig war und die Beklagte\ndann von sich aus die Auskunft beim Arbeitgeber fur die Zeit ab 01. Oktober\n2002 eingeholt hat. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die einjahrige Handlungsfrist gemaß § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit §\n45 Abs 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der gemaß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Betrag ermaßigt sich von\nEUR 3.085,15 um EUR 515,58 (zweimal EUR 257,79); dies ergibt EUR 2.569,57.\nRechenfehler sind nicht ersichtlich. Über Modalitaten der Erstattung ist hier\nnicht zu befinden (standige Rechtssprechung). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160\nAbs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Klarungsbedurftig und -fahig ist die Frage, ob\nsich ein von der Beklagten in Anspruch genommenes „Vormonatsprinzip" hindernd\nauf den Teilerfolg der Klagerin auswirken konnte. \n---\n\n
149,225
lsgbw-2007-08-29-l-2-so-197907-w-b
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 2 SO 1979/07 W-B
2007-08-29
2019-01-09 18:35:14
2019-01-17 12:04:25
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde des Beschwerdefuhrers wird der Beschluss des Sozialgerichts\nUlm vom 5. Februar 2007 abgeandert. Der Streitwert fur das Verfahren S 6 SO\n3045/06 wird auf 2.500,-EUR festgesetzt.\n\nKosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| In dem beim Sozialgericht Ulm (SG) anhangig gewesenen Klageverfahren S 6 SO\n3045/06 wandten sich der Beschwerdefuhrer (Bf) und seine Ehefrau als Klager\ngegen den Bescheid des Beschwerdegegners (Bg) vom 07.08.2006 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 29.08.2006, mit dem der Bf und seine Ehefrau\naufgefordert worden waren, gemaß § 117 Sozialgesetzbuch Zwolftes Buch (SGB\nXII) gegenuber dem Bg Auskunft uber ihre Einkommens- und Vermogensverhaltnisse\nzu erteilen und in dem fur den Fall des Nichtbefolgens ein Zwangsgeld in Hohe\nvon 120 EUR angedroht worden war. Das Klageverfahren wurde am 09.12.2006 durch\nRucknahme von Seiten der Ehefrau des Bf und am 21.12.2006 durch\nErledigterklarung des Bf beendet. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit rechtskraftigem Beschluss vom 05.02.2007 entschied das SG, dass der Bf\nund seine Ehefrau die Kosten des Verfahrens zu tragen haben. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Beschluss vom 24.11.2006 stellte das SG den vorlaufigen Streitwert auf\n6.250 EUR fest. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Beschluss vom 05.02.2007 hat es den Streitwert unter Abanderung des\nvorlaufigen Beschlusses auf 5.000 EUR festgesetzt. Zur Begrundung hat es im\nWesentlichen ausgefuhrt, das Auskunftsersuchen betreffe keine konkrete\nForderung des Bg, weshalb gem. § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. VII.2 des\nStreitwertkatalogs fur die Sozialgerichtsbarkeit 2006 die Halfte des\nRegelstreitwerts von 5.000 EUR festzusetzen sei. Da es sich um zwei Klager und\ndamit um eine subjektive Klagenhaufung gehandelt habe, sei der Streitwert auf\n5.000 EUR (=2 x 2.500) festzusetzen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bf vom 20.02.2007: Der Streitwert\nsei auf jeweils 500 EUR festzusetzen. Nach dem Vortrag des Beklagten habe es\nsich um den Prufungszeitraum von Juni bis Dezember 2004 gehandelt, in dem der\nLeistungsempfanger 504 EUR erhalten habe; allein der „Leistungsbezug" sei\nStreitgrund, dementsprechend sei der Streitwert bestimmbar. Im Übrigen sei die\nZustandigkeit der Sozialgerichte bei einem Streit uber „die vermeintlichen\nzivilrechtlichen Anspruche nach § 91 Abs. 1 bis 3 BSHG" fraglich. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Bg halt die angefochtene Entscheidung fur zutreffend. Gegenstand des\nKlageverfahrens sei ihr Auskunftsbegehren und nicht eine bezifferte\nGeldleistung gewesen. \n--- \n**II.** \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beschwerde des Bf, der das SG nicht abgeholfen hat (§174\nSozialgerichtsgesetz <SGG>), ist zulassig, insbesondere frist- und formgerecht\n(§§ 68, 63 Gerichtskostengesetz <GKG> i.V.m. 173 SGG) eingelegt worden. Sie\nist auch begrundet, denn der angefochtene Beschluss halt einer rechtlichen\nPrufung nicht in vollem Umfang stand. \n--- \n| 8 \n--- \n| Da der Bf (ebenso seine Ehefrau) und die Bg nicht zu den in § 183\nSozialgerichtsgesetz (SGG) genannten - kostenprivilegierten - Personen\n(Versicherte, Leistungsempfanger einschließlich\nHinterbliebenenleistungsempfanger, Behinderte oder deren\nSonderrechtsnachfolger) gehoren, werden Kosten nach den Vorschriften des GKG\nerhoben (§ 197a SGG); das Verfahren ist daher gemaß § 1 Abs. 1 Nr. 4 GKG\ngerichtskostenpflichtig. Gemaß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert\ngerichtskostenpflichtiger Verfahren nach der sich aus dem Antrag der(s)\nKlager(s) (hier: des Bf und seiner Ehefrau) fur ihn/sie ergebenden Bedeutung\nder Sache nach Ermessen zu bestimmen. Nach § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben\nVerfahren und in demselben Rechtszug grundsatzlich die Werte mehrerer\nStreitgegenstande zusammen gerechnet; hieraus folgt, dass die Anzahl der\nKlager in einem Verfahren fur die Bestimmung des Streitwertes ohne Bedeutung\nist. Dem entsprechend hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung\nvom 14.09.2006 - B 6 KA 24/06 B <soweit ersichtlich nicht veroffentlicht> \\-\nausgefuhrt, es komme im Falle subjektiver Klagehaufung nicht auf die Anzahl\nder Prozessrechtsverhaltnisse, sondern lediglich darauf an, ob mehrere\nunterschiedliche Streitgegenstande vorlagen. Dem schließt sich der Senat nach\neigener Prufung an (s. auch Streitwertkatalog fur die Sozialgerichtsbarkeit,\nStand 1. April 2007, B 5.3; Bode in Mutschler, Kostenrecht in offentlich-\nrechtlichen Streitigkeiten, S. 215). Bietet der Sach- und Streitstand fur die\nBestimmung des Streitwerts keine genugenden Anhaltspunkte, ist gem. § 52 Abs.\n2 GKG ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Streitgegenstand des Klageverfahrens war die Rechtmaßigkeit des\nAuskunftsersuchens sowie der Zwangsgeldandrohung. Entgegen der Auffassung des\nBf ist nicht der im Jahre 2004 stattgehabte Leistungsbezug des Sohnes der\nEhefrau des Bf Streitgegenstand, denn die Rechtmaßigkeit dieses\nLeistungsbezuges stand im Klageverfahren in keiner Weise zur Debatte. Deswegen\nist unerheblich, in welcher Hohe der Leistungsempfanger in dem\nAuskunftszeitraum Leistungen bezogen hat. Deren Hohe gibt daher keine\nAnhaltspunkte fur die Bestimmung des Streitwerts. \n--- \n| 10 \n--- \n| Zunachst hat das SG die Zustandigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zutreffend\nbejaht, denn der Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens betraf eine\nAngelegenheit der Sozialhilfe (§ 117 SGB XII, § 116 BSHG), fur die seit dem\n01.01 2005 die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zustandig sind (§ 51 SGG). \n--- \n| 11 \n--- \n| Fur das Auskunftsersuchen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass es\ninsoweit nicht um eine konkrete Forderung des Bg geht. Es hat sich bei der\nFestsetzung des Streitwerts (in diesem Klagepunkt) auch zu Recht am\nStreitwertkatalog der Sozialgerichtsbarkeit orientiert. Dieser ist zwar fur\ndie Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht verbindlich (s. dort Punkt A 4),\naber im Hinblick darauf, dass der Streitwertkatalog auf der Grundlage der\nRechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entwickelt worden ist\nund seine Anwendung zu einer Vereinheitlichung der Maßstabe der Festsetzung\nund damit zu einer Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Entscheidungen fuhrt,\nrichtet auch der Senat seine Streitwertfestsetzung am genannten Katalog aus.\nNach dessen Punkt C VII 2 ist der Streitwert fur ein Auskunftsbegehren (§ 117\nSGB XII; inhaltsgleich § 116 BSHG) auf die Halfte des Regelstreitwerts von\n5.000,-EUR, also 2.500,-EUR festzusetzen. Entgegen der Auffassung des SG ist\njedoch eine Verdoppelung dieses Streitwerts unter dem Aspekt der subjektiven\nKlagehaufung - wie oben ausgefuhrt - nicht rechtmaßig. Insoweit ist der\nangefochtene Beschluss daher zu andern. \n--- \n| 12 \n--- \n| Bei der Festsetzung des Streitwerts fur den Streitgegenstand der Androhung\nvon Zwangsgeld folgt der Senat im Ergebnis und in der Begrundung der vom SG\ndargelegten Festsetzung; in diesem Punkt ergibt sich somit kein eigener\nStreitwert. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Streitwert ist daher insgesamt auf 2.500,-EUR festzusetzen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG. \n--- \n| 15 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). \n---\n\n
149,266
vg-stuttgart-2007-09-17-17-k-12607
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
17 K 126/07
2007-09-17
2019-01-09 18:35:36
2019-01-17 12:04:27
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragt die Klagerin.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin ist beihilfeberechtigte Beamtin des Beklagten mit einem\nBemessungssatz fur Beihilfe von 50 %. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 17.04.2006 stellte sie einen Antrag auf Beihilfe u.a. fur Aufwendungen\nfur RelaxSan HE und Spiruptilo "Flamingo" HE in Hohe von 132,50 EUR nach einer\nVerordnung des Heilpraktikers ... vom 17.03.2006. Diese Verordnung enthielt\nden Vermerk: "Rezepturarzneimittel, dient der Heilung, nicht der\nNahrungserganzung". \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 17.05.2006 lehnte das LBV den Antrag insoweit ab. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen legte die Klagerin Widerspruch ein. Sie berief sich darauf, sie\nmusse Beihilfe bekommen, da die Verordnung zu Heilzwecken erfolgt sei. Weiter\nbezog sie sich auf Rechtsprechung des OVG Koblenz und des AG Frankfurt am\nMain. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2006 - abgeschickt am 09.06.2006 - wies\ndas LBV den Widerspruch zuruck. Zur Begrundung fuhrte es aus, ein Mittel sei\nnicht beihilfefahig wenn es geeignet sei, Guter des taglichen Bedarfs zu\nersetzen. Dies sei vorliegend der Fall, da die Praparate\nNahrungserganzungsmittel seien. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 11.07.2006 hat die Klagerin Klage erhoben. Sie beruft sich zusatzlich\ndarauf, bei den streitigen Mitteln handele es sich um biomolekulare\nRezepturen. Sie enthielten zusatzliche medizinische Wirkstoffe. Sie wurden in\nder Apotheke hergestellt und seien keine Nahrungserganzungsmittel. In anderen\nLandern seien sie als Medikamente zugelassen. Es handele sich um\nRezepturarzneimittel, die nur von einem Therapeuten verordnet werden durften.\nSie hatten heilende und lindernde Wirkung. Um Nahrungserganzungsmittel handele\nes sich nicht, da sie nicht in der Liste der Nahrungserganzungsmittel\nenthalten seien. Schließlich hat die Klagerin Produktbeschreibungen der Mittel\nvorgelegt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| den Beklagten zu verpflichten, ihr fur Aufwendungen aufgrund der Verordnung\nvon ... vom 17.03.2006 Beihilfe in Hohe von 66,25 EUR zu gewahren, und den\nBescheid des LBV vom 17.05.2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom 09.06.2006\naufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Er beruft sich weiterhin darauf, bei den Mitteln handele es sich um\nNahrungserganzungsmittel. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das Gericht hat eine Stellungnahme des Gesundheitsamts ... vom 15.03.2007\neingeholt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten einschließlich der\nStellungnahme des Gesundheitsamts ... vom 15.03.2007 und die beigezogenen\nBehordenakten verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Im Einverstandnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der\nKammer entscheiden (§ 87 a VwGO). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen die Klagerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5\nVwGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefahig die\nAufwendungen fur von Ärzten, Zahnarzten oder Heilpraktikern nach Art und\nUmfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen.\nNicht beihilfefahig sind Aufwendungen fur Mittel, die geeignet sind, Guter des\ntaglichen Bedarfs zu ersetzen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften, insbesondere im Sinne\ndes § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO kommen grundsatzlich nur Mittel in Betracht, die dazu\nbestimmt sind, ihre Wirkung im Rahmen der Krankenbehandlung durch Anwendung am\noder im menschlichen Korper zu erzielen. Das deckt sich im Wesentlichen mit\ndem engeren Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG).\nDiese Begriffsbestimmung ist zwar angesichts des ganz andersartigen Zweckes\ndes Arzneimittelgesetzes, fur die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu\nsorgen (§ 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht zu ubertragen, das\ndie Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten\nund ihrer Angehorigen regelt. Sie kann aber als Ausgangspunkt fur die\nBestimmung der dort verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 30.05.1996, ZBR 1996, 314). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind\nArzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind,\ndurch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Korper Krankheiten,\nLeiden, Korperschaden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu\nverhuten oder zu erkennen. Keine Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG\nLebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und\nFuttermittelgesetzbuches (LFGB). § 2 Abs. 2 LFGB verweist insoweit auf die\nDefinition des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Danach sind\n"Lebensmittel" alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von\ndenen nach vernunftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in\nverarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von\nMenschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zahlen auch diatetische\nLebensmittel; dies sind nach § 1 Abs. 1 Diatverordnung Lebensmittel, die fur\neine besondere Ernahrung bestimmt sind. Darunter fallen gemaß § 1 Abs. 4 a\nDiatverordnung auch diatetische Lebensmittel fur besondere medizinische Zwecke\n(bilanzierte Diaten); dies sind Erzeugnisse, die auf besondere Weise\nverarbeitet oder formuliert und fur die diatetische Behandlung von Patienten\nbestimmt sind. Sie werden nach § 1 Abs. 4 a S. 3 Diatverordnung unterteilt in\nvollstandige bilanzierte Diaten und in erganzende bilanzierte Diaten. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| In Zweifelsfallen kommt es fur die begriffliche Abgrenzung\n(Arzneimittel/Lebensmittel bzw. Mittel, die geeignet sind, Guter des taglichen\nBedarfs zu ersetzen) entscheidend auch auf die vom Hersteller angegebene\nZweckbestimmung des Mittels an. In der Regel bestehen keine Zweifel daran,\ndass die vom Hersteller genannte Zweckbestimmung zutreffenden Aufschluss\ndaruber gibt, welchem Zweck nach wissenschaftlicher oder allgemeiner\nVerkehrsauffassung das Mittel zu dienen bestimmt ist (vgl. insgesamt Urt. der\nerkennenden Kammer vom 09.05.2007 - 17 K 1795/06 -). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Dabei ist entscheidend darauf abzustellen, wie sich die Zweckbestimmung des\nProdukts fur einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und\nverstandigen Verbraucher darstellt; die Verkehrsauffassung knupft regelmaßig\nan eine schon besehende Auffassung uber den Zweck vergleichbarer Mittel und\nihre Anwendung an, die wiederum davon abhangt welche Anwendungsmoglichkeiten\nsolche Mittel ihrer Art nach haben (OVG Luneburg, Beschl. vom 08.07.2004,\nNVwZ-RR 2004, 840, zur Abgrenzung von Lebensmitteln\n(Nahrungserganzungsmitteln) und Arzneimitteln; vgl. BVerwG, Urt. v.\n24.11.1994, DÖV 1995, 685, zur Arzneimitteleigenschaft). Die Einschatzung, ob\nes sich um ein Arzneimittel handelt, kann dagegen nicht von der konkreten\nBehandlung abhangen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 21.08.2000 - 4 S 856/00\n-). Der insoweit abweichenden Auffassung des OVG Koblenz (vgl. Urt. v.\n27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG -) vermag sich das Gericht nicht anzuschließen.\nInsbesondere kann es keine Frage der Menge sein, ob ein Mittel als\nArzneimittel angesehen wird. So kann zum Beispiel Mineralwasser nicht dadurch\nzu einem Arzneimittel werden, dass ein Arzt seinem Patienten Mineralwasser zur\nEinnahme von - weit uber dem Durchschnitt liegenden - 4 Litern pro Tag\nverschreibt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Im vorliegenden Fall handelt es sich nach der in den Behordenakten\nenthaltenen Selbstdarstellung der Herstellerfirma Heck Bio-Pharma im Internet\nbei den streitigen Mitteln um Multi-Mineralstoffrezepturen. Keine Rede ist\ndort von "Arzneimitteln" oder "Rezepturarzneimitteln". Auch unter dem dort\nenthaltenen Oberbegriff der "Rezepturen" steht nur "gezielte Mikronahrstoff-\nKombinationen auf wissenschaftlicher Basis". Ein durchschnittlicher Betrachter\nwird diese Angaben dahin verstehen, dass es sich bei den Praparaten um\nNahrungs- bzw. Nahrungserganzungsmittel handelt, ein Hinweis auf Wirkungen als\nArzneimittel lasst sich daraus nicht entnehmen. Der dort verwandte Begriff\n"Mikronahrstoff-Kombinationen" spricht vielmehr eindeutig fur\nNahrungserganzungsmittel. Auch aus den mit der Klageschrift vorgelegten\nProduktbeschreibungen der Herstellerfirma lasst sich nichts anderes entnehmen.\nDort werden die Produkte als "biomolekulare Rezepturen" bezeichnet, woraus\nsich ebenfalls kein Hinweis auf Heilwirkungen entnehmen lasst. Die\nProduktbeschreibung fur Spiruptilo "Flamingo" wird daruber hinaus mit dem\nZusatz: "Fur mehr Vitalitat und Leistungsfahigkeit" versehen. Auch daraus\nlasst sich nicht auf eine Wirkung als Arzneimittel schließen. Schließlich\nenthalten auch die Einzelbeschreibungen zu den Zweckbestimmungen der\nRezepturen keine Hinweise auf heilende, lindernde, verhutende oder erkennende\nWirkung in Bezug auf Krankheiten, Leiden, Korperschaden oder krankhafte\nBeschwerden. Die dort genannten "Wirkungen" sind vollig unspezifisch und\nallgemein gehalten und nicht etwa auf bestimmte Erkrankungen bezogen. Dabei\nreicht insbesondere eine "Beeinflussung" nicht aus. Es ware Sache des\nHerstellers, konkrete Wirkungen als Arzneimittel anzugeben, schon um auch die\nubrigen Rechtsfolgen einer solchen Klassifizierung herbeizufuhren. Danach\nspricht alles dafur, dass es sich - ausschließlich - um Lebensmittel handelt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Diese Einschatzung wird im Ergebnis durch die Stellungnahme des\nGesundheitsamts ... vom 15.03.2007 bestatigt. Dort wird ausgefuhrt, dass nach\nden Angaben des Herstellers zwar unterstutzende, sublimierende, regulierende\noder stimulierende Funktionen genannt werden, jedoch keine heilenden\nFunktionen. Daruber hinaus wird dargelegt, dass fur die Bestandteile der\nProdukte ein therapeutischer Nachweis fehlt bzw. nicht ausreichend gesichert\nist. Auch dies spricht gegen die Annahme einer Arzneimitteleigenschaft. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Daruber hinaus ist nach dem Urteil der erkennenden Kammer vom 09.05.2007\n(a.a.O.) bei Mitteln, die auch anderen Zwecken als der Krankenbehandlung zu\ndienen bestimmt sind, zu fordern, dass sie im konkreten Fall zur\nKrankenbehandlung eingesetzt werden. Dies ist vorliegend nicht dargetan. Zwar\nenthielt die Verordnung vom 17.03.2006 den Vermerk: "Rezepturarzneimittel,\ndient der Heilung, nicht der Nahrungserganzung". Dies genugt aber nicht, da\nnicht erkennbar ist, der Heilung welcher Erkrankung die Mittel dienen sollen.\nDie mit gerichtlicher Verfugung vom 13.06.2007 hierzu angeforderte Äußerung\nvon ... hat die Klagerin nicht vorgelegt. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Berufung ist wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen\n(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Gericht schließt sich insoweit der Entscheidung\nim Urteil der erkennenden Kammer vom 09.05.2007 (a.a.O.) und in vergleichbaren\nspater entschiedenen Fallen an. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Im Einverstandnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der\nKammer entscheiden (§ 87 a VwGO). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen die Klagerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5\nVwGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefahig die\nAufwendungen fur von Ärzten, Zahnarzten oder Heilpraktikern nach Art und\nUmfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen.\nNicht beihilfefahig sind Aufwendungen fur Mittel, die geeignet sind, Guter des\ntaglichen Bedarfs zu ersetzen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften, insbesondere im Sinne\ndes § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO kommen grundsatzlich nur Mittel in Betracht, die dazu\nbestimmt sind, ihre Wirkung im Rahmen der Krankenbehandlung durch Anwendung am\noder im menschlichen Korper zu erzielen. Das deckt sich im Wesentlichen mit\ndem engeren Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG).\nDiese Begriffsbestimmung ist zwar angesichts des ganz andersartigen Zweckes\ndes Arzneimittelgesetzes, fur die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu\nsorgen (§ 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht zu ubertragen, das\ndie Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten\nund ihrer Angehorigen regelt. Sie kann aber als Ausgangspunkt fur die\nBestimmung der dort verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 30.05.1996, ZBR 1996, 314). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind\nArzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind,\ndurch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Korper Krankheiten,\nLeiden, Korperschaden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu\nverhuten oder zu erkennen. Keine Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG\nLebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und\nFuttermittelgesetzbuches (LFGB). § 2 Abs. 2 LFGB verweist insoweit auf die\nDefinition des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Danach sind\n"Lebensmittel" alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von\ndenen nach vernunftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in\nverarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von\nMenschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zahlen auch diatetische\nLebensmittel; dies sind nach § 1 Abs. 1 Diatverordnung Lebensmittel, die fur\neine besondere Ernahrung bestimmt sind. Darunter fallen gemaß § 1 Abs. 4 a\nDiatverordnung auch diatetische Lebensmittel fur besondere medizinische Zwecke\n(bilanzierte Diaten); dies sind Erzeugnisse, die auf besondere Weise\nverarbeitet oder formuliert und fur die diatetische Behandlung von Patienten\nbestimmt sind. Sie werden nach § 1 Abs. 4 a S. 3 Diatverordnung unterteilt in\nvollstandige bilanzierte Diaten und in erganzende bilanzierte Diaten. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| In Zweifelsfallen kommt es fur die begriffliche Abgrenzung\n(Arzneimittel/Lebensmittel bzw. Mittel, die geeignet sind, Guter des taglichen\nBedarfs zu ersetzen) entscheidend auch auf die vom Hersteller angegebene\nZweckbestimmung des Mittels an. In der Regel bestehen keine Zweifel daran,\ndass die vom Hersteller genannte Zweckbestimmung zutreffenden Aufschluss\ndaruber gibt, welchem Zweck nach wissenschaftlicher oder allgemeiner\nVerkehrsauffassung das Mittel zu dienen bestimmt ist (vgl. insgesamt Urt. der\nerkennenden Kammer vom 09.05.2007 - 17 K 1795/06 -). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Dabei ist entscheidend darauf abzustellen, wie sich die Zweckbestimmung des\nProdukts fur einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und\nverstandigen Verbraucher darstellt; die Verkehrsauffassung knupft regelmaßig\nan eine schon besehende Auffassung uber den Zweck vergleichbarer Mittel und\nihre Anwendung an, die wiederum davon abhangt welche Anwendungsmoglichkeiten\nsolche Mittel ihrer Art nach haben (OVG Luneburg, Beschl. vom 08.07.2004,\nNVwZ-RR 2004, 840, zur Abgrenzung von Lebensmitteln\n(Nahrungserganzungsmitteln) und Arzneimitteln; vgl. BVerwG, Urt. v.\n24.11.1994, DÖV 1995, 685, zur Arzneimitteleigenschaft). Die Einschatzung, ob\nes sich um ein Arzneimittel handelt, kann dagegen nicht von der konkreten\nBehandlung abhangen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 21.08.2000 - 4 S 856/00\n-). Der insoweit abweichenden Auffassung des OVG Koblenz (vgl. Urt. v.\n27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG -) vermag sich das Gericht nicht anzuschließen.\nInsbesondere kann es keine Frage der Menge sein, ob ein Mittel als\nArzneimittel angesehen wird. So kann zum Beispiel Mineralwasser nicht dadurch\nzu einem Arzneimittel werden, dass ein Arzt seinem Patienten Mineralwasser zur\nEinnahme von - weit uber dem Durchschnitt liegenden - 4 Litern pro Tag\nverschreibt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Im vorliegenden Fall handelt es sich nach der in den Behordenakten\nenthaltenen Selbstdarstellung der Herstellerfirma Heck Bio-Pharma im Internet\nbei den streitigen Mitteln um Multi-Mineralstoffrezepturen. Keine Rede ist\ndort von "Arzneimitteln" oder "Rezepturarzneimitteln". Auch unter dem dort\nenthaltenen Oberbegriff der "Rezepturen" steht nur "gezielte Mikronahrstoff-\nKombinationen auf wissenschaftlicher Basis". Ein durchschnittlicher Betrachter\nwird diese Angaben dahin verstehen, dass es sich bei den Praparaten um\nNahrungs- bzw. Nahrungserganzungsmittel handelt, ein Hinweis auf Wirkungen als\nArzneimittel lasst sich daraus nicht entnehmen. Der dort verwandte Begriff\n"Mikronahrstoff-Kombinationen" spricht vielmehr eindeutig fur\nNahrungserganzungsmittel. Auch aus den mit der Klageschrift vorgelegten\nProduktbeschreibungen der Herstellerfirma lasst sich nichts anderes entnehmen.\nDort werden die Produkte als "biomolekulare Rezepturen" bezeichnet, woraus\nsich ebenfalls kein Hinweis auf Heilwirkungen entnehmen lasst. Die\nProduktbeschreibung fur Spiruptilo "Flamingo" wird daruber hinaus mit dem\nZusatz: "Fur mehr Vitalitat und Leistungsfahigkeit" versehen. Auch daraus\nlasst sich nicht auf eine Wirkung als Arzneimittel schließen. Schließlich\nenthalten auch die Einzelbeschreibungen zu den Zweckbestimmungen der\nRezepturen keine Hinweise auf heilende, lindernde, verhutende oder erkennende\nWirkung in Bezug auf Krankheiten, Leiden, Korperschaden oder krankhafte\nBeschwerden. Die dort genannten "Wirkungen" sind vollig unspezifisch und\nallgemein gehalten und nicht etwa auf bestimmte Erkrankungen bezogen. Dabei\nreicht insbesondere eine "Beeinflussung" nicht aus. Es ware Sache des\nHerstellers, konkrete Wirkungen als Arzneimittel anzugeben, schon um auch die\nubrigen Rechtsfolgen einer solchen Klassifizierung herbeizufuhren. Danach\nspricht alles dafur, dass es sich - ausschließlich - um Lebensmittel handelt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Diese Einschatzung wird im Ergebnis durch die Stellungnahme des\nGesundheitsamts ... vom 15.03.2007 bestatigt. Dort wird ausgefuhrt, dass nach\nden Angaben des Herstellers zwar unterstutzende, sublimierende, regulierende\noder stimulierende Funktionen genannt werden, jedoch keine heilenden\nFunktionen. Daruber hinaus wird dargelegt, dass fur die Bestandteile der\nProdukte ein therapeutischer Nachweis fehlt bzw. nicht ausreichend gesichert\nist. Auch dies spricht gegen die Annahme einer Arzneimitteleigenschaft. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Daruber hinaus ist nach dem Urteil der erkennenden Kammer vom 09.05.2007\n(a.a.O.) bei Mitteln, die auch anderen Zwecken als der Krankenbehandlung zu\ndienen bestimmt sind, zu fordern, dass sie im konkreten Fall zur\nKrankenbehandlung eingesetzt werden. Dies ist vorliegend nicht dargetan. Zwar\nenthielt die Verordnung vom 17.03.2006 den Vermerk: "Rezepturarzneimittel,\ndient der Heilung, nicht der Nahrungserganzung". Dies genugt aber nicht, da\nnicht erkennbar ist, der Heilung welcher Erkrankung die Mittel dienen sollen.\nDie mit gerichtlicher Verfugung vom 13.06.2007 hierzu angeforderte Äußerung\nvon ... hat die Klagerin nicht vorgelegt. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Berufung ist wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen\n(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Gericht schließt sich insoweit der Entscheidung\nim Urteil der erkennenden Kammer vom 09.05.2007 (a.a.O.) und in vergleichbaren\nspater entschiedenen Fallen an. \n---\n\n
159,980
lsgbw-2008-05-30-l-12-as-199307
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 12 AS 1993/07
2008-05-30
2019-01-10 11:47:20
2019-01-17 12:04:49
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.3.2007\nwird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klager im\nBerufungsverfahrens zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist die Hohe der Kosten der Unterkunft nach § 22\ndes Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die miteinander verheirateten Klager sind erwerbsfahig und Eigentumer ihrer\nin H. gelegenen Wohnung, welche eine Gesamtgroße von 55 m 2 hat. Fur den Kauf\nder Wohnung haben sie einen Immobilienkredit aufgenommen, auf den sie\nmonatlich 306,06 Euro Schuldzinsen entrichten. Das Finanzamt H. gewahrt den\nKlagern eine jahrliche Eigenheimzulage in Hohe von 1.278,23 Euro. Nach einer\nZusatzvereinbarung zwischen den Klagern und der Landesbausparkasse B. vom\n06.06.2001 wird die Eigenheimzulage zur Ansparung eines vorfinanzierten\nBausparvertrages verwendet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte bewilligte den Klagern mit Bescheid vom 22.05.2006 Leistungen\nfur Kosten der Unterkunft und Heizung fur die Zeit vom 01.04.2006 bis\n31.08.2006 in Hohe von monatlich 314,62 Euro. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Dieser Betrag setzt sich nach der Bewilligung durch die Beklagte wie folgt\nzusammen: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \n \n122,00 EUR | \n(1.470,00/12 Monate) | \nZinsen laut Darlehn Nr. ... \n \n80,45 EUR | \n(965,36/12 Monate) | \nZinsen laut Darlehn Nr. ... \n \n103,11 EUR | \n(1.237,32/ 12 Monate) | \nZinsen laut Darlehn Nr. ... \n \n2,78 EUR | \n(33,33/12 Monate) | \nKaminfeger \n \n3,28 EUR | \n(39,39/12 Monate) | \nVersicherung \n \n13,42 EUR | \n(161,00/12 Monate) | \nMullgebuhr \n \n5,38 EUR | \n(64,53/12 Monate) | \nGrundsteuer \n \n| \n| \n \n \n389,60 EUR | \nGesamtbetrag | \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte brachte von diesem Betrag die auf den Monat umgerechnete\nEigenheimzulage, Einkommen der Klagerin zu Ziff. 2 aus einer geringfugigen\nBeschaftigung und die Kosten fur Haushaltsenergie in Abzug, was zur\nmonatlichen Gewahrung von 314,62 Euro fuhrte. Die Beklagte wies hierzu darauf\nhin, dass die Eigenheimzulage von auf den Monat umgerechnet 106,52 Euro auf\ndie anerkannten Kosten der Unterkunft anzurechnen sei. Von den Heizkosten in\nHohe von 75,- Euro monatlich sei eine Energiepauschale fur die\nWarmwasseraufbereitung in Hohe von 8,90 Euro abzuziehen. Die Bewilligung\nerfolge erst ab dem 01.04.2006, weil zuletzt am 29.09.2005 wegen fehlender\nMitwirkung die Leistungen abgelehnt worden seien. Die Neubewilligung erfolge\nerst nach Vorlage aller fehlender Unterlagen am 06.04.2006. Bei der\nBedarfsberechnung sei außerdem ein Einkommen des Klagers in Hohe von 17,28\nEuro monatlich und ein Einkommen der Klagerin ebenfalls von 17,28 Euro\nmonatlich abzusetzen gewesen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Seinen Widerspruch begrundete der Klager zu Ziff. 1 damit, dass die\nEigenheimzulage aufgrund der Zusatzvereinbarung mit der LBS nicht vom Bedarf\nabgesetzt werden konne. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2006\nals unbegrundet zuruck. Die Aufwendungen fur die Kredittilgungen durften nach\nder Rechtssprechung nicht als Bedarf berucksichtigt werden, da es ansonsten zu\neiner Eigentumsbildung aus offentlichen Mitteln kame. Die Schuldzinsen\nhingegen seien bei den Kosten der Unterkunft in Hohe der maximalen Netto-\nKaltmiete als Bedarf anerkennungsfahig. Da die monatlichen Zinszahlungen in\nHohe von durchschnittlich 306,06 Euro angemessen seien, wurden sie als Bedarf\nin der Leistungsberechnung anerkannt. Die Eigenheimzulage sei anzurechnen, da\nsie die Aufwendungen fur Schuldzinsen tilge und nur fur die Finanzierung von\nWohnraum gewahrt werde. Bezuglich der mit dem Widerspruch ebenfalls\nvorgetragenen Leistungsgewahrung vor dem 01.04.2006 verwies die Beklagte auf\nden „bestandskraftigen Ablehnungsbescheid vom 29.09.2006". \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Änderungsbescheid vom 12.09.2006 erhohte die Beklagte die monatliche\nLeistungsbewilligung auf 349,18 Euro monatlich fur die Zeit vom 01.04. bis\n31.08.2006, weil sie das Einkommen der Klagerin zu Ziff. 2 nunmehr nicht mehr\nanrechnete. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 15.09.2006 hat der Klager zu Ziff. 1 beim Sozialgericht Heilbronn (SG)\nKlage erhoben. Die Eigenheimzulage sei zur Deckung des Darlehens bei der LBS\neingesetzt worden und werde daher zweckbestimmt verwendet. Nach der\nzwischenzeitlich vorliegenden Rechtssprechung sei sie nicht als Einkommen\nanzurechnen. Die sogenannte bedarfsmindernde Anrechnung der Beklagten sei\nnichts anderes als die Anrechnung der Eigenheimzulage als Einkommen und ein\nVersuch, uber die Hinterture an diese zweckbestimmte Leistung zu gelangen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die steuerfinanzierten Leistungen nach\ndem SGB II nach dem ausdrucklichen Willen des Gesetzgebers nachrangige und\nbedarfsorientierte Leistungen seien. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass\n„bereits befriedigte" Bedarfslagen nicht Gegenstand der Leistungsgewahrung\nsein konnten. Bei den Kosten der Unterkunft bei einem Eigenheim wurden nach\nder Rechtssprechung neben den angemessenen Nebenkosten lediglich die\nSchuldzinsen, nicht aber die Tilgungsleistungen berucksichtigt. Sofern ein\nHilfesuchender seine Eigenheimzulage an die kreditgewahrende Bank abgetreten\nhabe werde diese - wie allgemein bekannt - zunachst auf die Schuldzinsen und\ndann erst als Tilgung auf das eigentliche Darlehen angerechnet. Dadurch wurden\ndie Schuldzinsen verringert werden, so dass diesbezuglich kein oder ein\nverminderter Bedarf bestehe. Wurde mit der Berucksichtigung bereits mit der\nEigenheimzulage gedeckter Schuldzinsen ein bereits gedeckter und daher nicht\nmehr bestehender Bedarf in die Bedarfsberechnung einfließen, wurde der\nkommunale Trager gegen eines der tragenden Prinzipien des SGB II und den\nGrundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von durch die\nAllgemeinheit aufgebrachten Steuermitteln verstoßen. Daher sei die\nEigenheimzulage auf die tatsachlichen Schuldzinsen und nicht auf die gesamten\nKosten der Unterkunft anzurechnen. Trotz Abtretung der Eigenheimzulage noch\nvorhandene ungedeckte angemessene Schuldzinsen, kalte Nebenkosten und\nHeizkosten wurden bei der Bedarfsberechnung berucksichtigt. Dies gewahrleiste,\ndass der Erhalt des selbstgenutzten Eigenheims nicht gefahrdet, sondern\nlediglich eine gesetzwidrige Vermogensbildung verhindert werde. Der\nGesetzgeber habe diese Praxis auch inzwischen dadurch gebilligt, dass er sie\nim Rahmen der zahlreichen Gesetzesanderungen zum SGB II nicht durch eine\nÄnderung der gesetzlichen Vorschriften in Frage gestellt habe. Der Gesetzgeber\nhabe es bei der Regelung in § 1 Abs. 1 Nr.7 AlG II-Verordnung, nach der die\nEigenheimzulage nicht als Einkommen zu berucksichtigen sei, soweit sie\nnachweislich zur Finanzierung einer nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht\nals Vermogen zu berucksichtigenden Immobilie verwendet werde, belassen. Die\nden Klagern gewahrte Eigenheimzulage mindere nach der Vereinbarung mit der LBS\ndie tatsachlich zu zahlenden Schuldzinsen in Hohe von monatlich 122,50 Euro. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 22.03.2007 unter Abanderung der\nangefochtenen Bescheide verurteilt, den Klagern fur die Zeit vom 01.04.2006\nbis zum 31.08.2006 weitere Leistungen fur Kosten der Unterkunft in Hohe von\n106,52 Euro zu gewahren. Der Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung\nverringere sich nicht dadurch, dass die Klager eine Eigenheimzulage erhielten.\nDie Eigenheimzulage in Hohe von jahrlich 1.278,23 Euro werde vom Finanzamt\nnicht an die Klager direkt ausgezahlt, sondern sei vielmehr an die\nLandesbausparkasse B. zur Ansparung eines vorfinanzierten Bausparvertrages\nabgetreten. Sie diene damit im konkreten Fall nicht zur teilweisen Begleichung\nder Zinsen fur die Eigentumswohnung der Klager, sondern vielmehr zu Tilgung.\nNach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien Leistungen fur die Unterkunft und Heizung\nin Hohe der tatsachlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen\nseien. Soweit die Aufwendungen fur die Unterkunft den der Besonderheit des\nEinzelfalls angemessenen Umfang uberstiegen, seien sie als Bedarf des\nalleinstehenden Hilfebedurftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu\nberucksichtigen, wie es dem alleinstehende Hilfebedurftigen oder der\nBedarfsgemeinschaft nicht moglich oder nicht zuzumuten sei, durch einen\nWohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu\nsenken, in der Regel jedoch langstens fur 6 Monate, § 22 Abs. 2 SGB II. Zu den\nnach § 22 SGB II zu berucksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung\nzahlten bei Eigenheimen bzw. Eigentumswohnungen lediglich die hierfur\naufzuwendenden Schuldzinsen, nicht hingegen die Tilgungsleistungen (unter\nHinweis auf Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R\n-). Da die Eigenheimzulage im vorliegenden Fall auf die Tilgung verwendet\nwerde, konne sie deswegen bereits nicht, wie die Beklagte meine, zur Minderung\ndes nach dem SGB II zu berucksichtigen Bedarfs fuhren. Entgegen der Auffassung\nder Beklagten fuhre dies auch nicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten\nVermogensmehrung. Zwar weise die Beklagte zu Recht darauf hin, dass Leistungen\nnach dem SGB II nicht zur Vermogensbildung fuhren sollten. Zur\nVermogensmehrung fuhre vorliegend jedoch nicht die Leistung nach dem SGB II,\nsondern die Eigenheimzulage. Diese solle jedoch nach ihrem Gesetzeszweck\ngerade dazu dienen, auch Bevolkerungsschichten mit einem geringeren Einkommen\ndie Bildung von Wohneigentum zu ermoglichen. Außerdem sei nach § 1 Abs. 1 Nr.\n7 AlG II-Verordnung die Eigenheimzulage nicht bedarfsmindernd anzurechnen,\nwenn sie zweckentsprechend verwendet werde. Zu berucksichtigen sei daruber\nhinaus, dass es im SGB II eine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechende\nRegelung nicht gebe, wonach Bedarfe abweichend festgelegt werden konnten, wenn\nim Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt sei oder\nunabweisbar seiner Hohe nach erheblich von einem durchschnittlichen abweiche.\nWegen der grundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache ließ das SG die Berufung\ngegen seine Entscheidung zu. Das Urteil des SG ist der Beklagten am 11.04.2007\nzugestellt worden. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Am 19.04.2007 hat die Beklagte beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.\nDas Urteil des SG basiere zunachst auf der fehlerhaften Annahme, dass die\nEigenheimzulage im vorliegenden Fall auf die Tilgung der Darlehen verwendet\nwerde. Tatsachlich decke die Eigenheimzulage den Bedarf an den zu zahlenden\nZinsen des Vorfinanzierungskredits in Hohe von 122,50 Euro monatlich, worauf\ndie Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 10.01.2007 an das SG hinwiesen habe.\nIm Übrigen hatten die Klager auch kein Anrecht darauf, die Eigenheimzulage\nausschließlich zur Tilgung - oder wie hier - zur Ansparung einer\nTilgungsleistung statt zur Begleichung von Schuldzinsen zu nutzen (unter\nBerufung auf LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.04.2007 - L 5 B 149/07\nAS ER -). Denn anderenfalls wurde letztlich uber die Leistungen der\nGrundsicherung in Form der Zahlungen der Schuldzinsen der Vermogensaufbau\ndurch Tilgung eines Kredits uber die Eigenheimzulage ermoglicht werden. Es sei\njedoch nicht Aufgabe des SGB II, einen Vermogensaufbau zu Lasten des\nSteuerzahlers zu finanzieren. Fehl gehe auch der Hinweis des SG auf § 1 Abs. 1\nNr. 7 AlG II- Verordnung. Eine Bedarfsminderung sei in dieser Vorschrift\nuberhaupt nicht angesprochen. Auch die Begrundung des SG mit § 28 Abs. 1 Satz\n2 SGB XII sei unrichtig. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII betreffe nur Regelsatze,\nnicht jedoch Kosten der Unterkunft. Die dort enthaltene Öffnungsklausel diene\ndazu, im Hinblick auf die Pauschalierung der Regelsatze auf abweichende\nBedarfslagen reagieren zu konnen. Auf die Kosten der Unterkunft und Heizung\nbeziehe sich § 28 Abs. 1 SGB XII nicht, da diese in Satz 1 der Vorschrift\nausdrucklich ausgenommen seien und Satz 2 sich auf diesen Satz 1 beziehe. Eine\nÖffnungsklausel bedurfe es bei den Kosten der Unterkunft und Heizung auch gar\nnicht, weil hierfur die Leistungen individuell erfolgten. Es gebe insofern\nzwar Angemessenheitsgrenzen bei den Tragern, jedoch keine Pauschalierungen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.03.2007 abzuandern und die\nKlage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung der Beklagten zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klager halten das angefochtene Urteil fur rechtmaßig. Es stehe außer\nFrage, dass die Wohnung der Klager Schonvermogen nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II\nsei, da die Wohnung sich ihrer Große und Ausstattung nach sogar noch innerhalb\nder Angemessenheitsgrenze einer Mietwohnung im Stadtkreis H. befinde. Nach der\nAlg II-Verordnung seien außer den in § 11 Abs. 3 SGB II genannten Einnahmen\nnicht als Einkommen zu berucksichtigen die Eigenheimzulage, soweit sie\nnachweislich zur Finanzierung einer nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 des SGB II\nnicht als Vermogen zu berucksichtigenden Immobilie verwendet werde. Das SG\nhabe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Tilgung sich vorliegend nicht aus\nder Leistung nach dem SGB II, sondern aus der Eigenheimzulage gemaß ihrem\ngesetzgeberischen Zweck ergebe. Im Ergebnis werde die Eigenheimzulage\nmittelbar wie Einkommen angerechnet, was unter Berucksichtigung des Alters der\nKlager sowie des Sinns und des Zwecks des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht\nzulassig sei. Schließlich seien in jedem Fall die Kosten zu ubernehmen, die\nangemessenen Mieten vergleichbarer Mietwohnungen entsprachen (unter Berufung\nauf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.02.2006 - L 20 AS 39/06 -), weil\nansonsten eine erhebliche Benachteiligung von Wohnungseigentumern erfolge.\nAußerdem sei nicht nachzuvollziehen, wie die Beklagte auf die berechneten\nZinsbelastungen komme. Aus der Bescheinigung der Bank ergebe sich fur das\nDarlehen mit der Nummer 601 505 124 eine monatliche Belastung von 117,60 Euro\nund bei dem Darlehen Nummer 601 505 131 eine monatliche Belastung von 161,06\nEuro, wozu eine Bescheinigung uber die Aufnahme von Fremdmitteln vom\n24.07.2006 vorgelegt wurde. Schließlich seien von der Beklagten auch zu keinem\nZeitpunkt die Rucklagen fur die Instandhaltungskosten, welche seitens der\nWohnungseigentumer zu erbringen seien, berucksichtigt worden. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte nimmt nach einem von den Bevollmachtigten der Klager\nvorgelegten Bescheid vom 13.04.2007 jedenfalls seit dem 01.03.2007 eine\nAnrechnung der Eigenheimzulage nicht mehr vor. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Fur die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der\nBeteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des\nSozialgerichts sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und\nzulassige Berufung ist nicht begrundet, da die den Klagern gewahrte\nEigenheimzulage nicht auf die Gewahrung von Leistungen nach dem SGB II\nanzurechnen ist. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverstandnis der\nBeteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mundliche Verhandlung\nentschieden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klager zu Ziff. 1 und zu\nZiff. 2 als gemeinsame Klager gegen die streitgegenstandlichen Bescheide\nanzusehen sind. Die Klager bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB\nII, fur die der Klager zu 1. nach § 38 SGB II die Berechtigung besitzt,\nLeistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der\nBedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist hinsichtlich der\nsubjektiven Klagehaufung eine großzugige Auslegung fur eine Übergangszeit bis\n30.6.2007 erforderlich. Fur eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum,\nund bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht\num Gesamtglaubiger iS des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als\nGlaubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen;\nvielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Anspruche.\nUnhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit\neiner Gesamtglaubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -).\nFur eine Übergangszeit bis 30.6.2007 sind daher Antrage im Verwaltungs- und\nGerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen,\ngroßzugig auszulegen; im Zweifel ist von Antragen aller\nBedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von\nEntscheidungen uber die Anspruche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG,\nUrteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -). Das vorliegende Klageverfahren\nbetrifft Zeitraume vor dem Übergangszeitraum des 30.06.2007, weswegen das SG\ntrotz der vom Klager zu Ziff. 1 allein erhobenen Klage und der alleine an den\nKlager zu Ziff. 1 adressierten Bescheide der Beklagten zu Recht die Klagerin\nzu Ziff. 2 in das Aktivrubrum aufgenommen hat. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Streitgegenstand ist vorliegend allein die Hohe von Leistungen fur den\nZeitraum vom 01.04.2006 bis 31.08.2006. Denn eine analoge Anwendung des § 96\nAbs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide fur Folgezeitraume im Rahmen des SGB II\nist grundsatzlich nicht gerechtfertigt. Wurden die Leistungen jedoch ohne\nzeitliche Begrenzung abgelehnt, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens -\nje nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit (BSG,\nUrteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -). Bescheide uber die Bewilligung von\nLeistungen nach dem SGB II fur Folgezeitraume werden daher - anders als im\nArbeitsforderungsrecht - regelmaßig nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG\nGegenstand bereits laufender Klageverfahren (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b\nAS 10/06 R -). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Auch soweit die angegriffenen Bescheide eine Ablehnungsentscheidung der\nBeklagten fur Leistungen vor dem 01.04.2006 enthalten, findet keine zeitliche\nAusdehnung des allein streitgegenstandlichen Zeitraums vom 01.04.2006 bis\n31.08.2006 statt. Denn insofern ist nach dem Hinweis der Beklagten auf ihren\nbestandskraftigen Ablehnungsbescheid vom 29.09.2005 (wegen fehlender\nMitwirkung) von den Klagern vor dem SG kein weitergehender Antrag erfolgt;\nauch hat das SG ausdrucklich nur uber die Hohe von Leistungen fur die Zeit vom\n01.04.2006 bis 31.08.2006 entschieden, was von den Bevollmachtigten der\nKlager, die keine Anschlussberufung eingelegt haben, nicht gerugt worden ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Da insofern aber das Urteil des SG auch fur die Klager eine Belastung\nenthalt, ist der von der Beklagten formulierte Berufungsantrag auf Abanderung\ndes SG-Urteils in dem von ihr vorformulierten Sinn aus ihrer Sicht zutreffend\ngewahlt und bedarf keiner Korrektur. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Tenor des SG wird im Übrigen trotz einer nicht ganz klaren Formulierung\nso zu verstehen sein, dass die Beklagte nicht nur zur einmaligen Leistung von\n106,52 Euro fur die Zeit vom 01.04. bis zu 31.08.2006, sondern zu einer\nmonatlichen Leistung in diesem Zeitraum in dieser Hohe verurteilt worden ist,\nwas sich aus den Entscheidungsgrunden, aber auch aus der Bezugnahme auf die\nmonatlich zu gewahrenden Kosten der Unterkunft im Tenor der Entscheidung des\nSG selbst ergibt. Fur die Zulassigkeit der Berufung hatte dies keine\nBedeutung, da das SG die Berufung zugelassen hat und außerdem auch die\nBeklagte die alleinige Berufungsfuhrerin ist. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, die angefochtene\nEntscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Nachdem der Verordnungsgeber\ndurch die Neufassung von § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V ausdrucklich klargestellt\nhat, dass die Eigenheimzulage eine zweckbestimmte Einnahme ist, die nach § 11\nAbs. 3 Nr. 1a SGB II nicht als Einkommen zu berucksichtigen ist, ist es aus\nden vom SG genannten Grunden nicht angangig, diesen gesetzgeberischen Willen\ndadurch zu umgehen, dass die Eigenheimzulage auf die Zinsbelastung fur die\nFinanzierung einer selbstgenutzten Eigentumswohnung angerechnet wird. Das SG\nhat insoweit zutreffend festgestellt, dass bei § 22 SGB II vom tatsachlichen\nWohnbedarf auszugehen ist, soweit er angemessen ist. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Darauf, dass mit der anrechnungsfreien Eigenheimzulage Eigentum gebildet\nwird, was durch die Gewahrung von Leistungen der Grundsicherung fur\nArbeitslose nach dem SGB II nicht unterstutzt werden soll, kommt es nach der\nNeuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V nicht mehr an. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Eine Ungleichbehandlung mit Mietern sieht der Senat im Übrigen hierdurch\nnicht, denn mit der (angemessenen) Miete bildet dieser gegebenenfalls Eigentum\nbeim Vermieter. Dies durfte nach Ansicht der Beklagten wohl noch weniger aus\nGrundsicherungsleistungen erfolgen. Es hat also bei der Entscheidung des\nGesetz- und Verordnungsgebers zu verbleiben, die Eigenheimzulage\nanrechnungsfrei zu lassen (vgl. das Urteil des Senats vom 17.03.2008 - L 12 AS\n3336/07 -). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Eigenheimzulage wird auch unstreitig zur Finanzierung einer selbst\ngenutzten Immobilie im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II verwendet,\nweswegen eine Anrechnung unterbleiben muss (so auch Landessozialgericht\nMecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 01.11.2007 - L 10 AS 55/06 -;\nLandessozialgericht fur das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 09.05.2007 -\nL 12 AS 32/06 - und vom 04.10.2006 - L 12 AS 8/05 -; Landessozialgericht\nSachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.06.2006 - L 2 B 78/06 AS ER -;\nLandessozialgericht fur das Saarland, Urteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -;\nLandessozialgericht Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 01.08.2005 - L 7 AS\n2875/05 ER-B -; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 07.07.2005 - L 5 B\n116/05 ER AS -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschlusse vom\n27.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER - und vom 25.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER -). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die von der Beklagten alleine zitierte Entscheidung des\nLandessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.04.2007 - L 5 B\n149/07 AS-ER), nach der kein Anspruch des Hilfebedurftigen auf Übernahme der\ndie Schuldzinsen ubersteigenden Tilgungsraten bestehen soll, weil Leistungen\ndes SGB II nicht der Vermogensbildung dienen, ist vorliegend nicht\neinschlagig. Dieser - nach summarischer Prufung im einstweiligen Rechtsschutz\nergangenen - Entscheidung lag neben der anderen Finanzierungssituation der\ndortigen Antragstellerin insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als die\nWohnung der dortigen Antragstellerin anders als im vorliegenden Fall als\nunangemessen groß im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II beurteilt\nworden ist; nachdem die dortige Antragsgegnerin dennoch im wesentlichen\nunterlegen ist, kann der Senat nicht erkennen, inwieweit die zitierte\nEntscheidung den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu stutzen vermag. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Eine genaue rechtliche Einordnung des hier vorliegenden vorfinanzierten\nBausparvertrags der Klager ist danach im Übrigen bereits deswegen nicht\nveranlasst, weil die Anrechnungsfreiheit der Eigenheimzulage eine\nGrundsatzentscheidung des Gesetzgebers darstellt, welche nicht dadurch in\nFrage gestellt werden kann, wie im Einzelfall die Einbringung der\nEigenheimzulage in die Finanzierung der Immobilie erfolgt. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Lage nach dem\nGesetz unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln (vgl. zur Nichtzulassung der\nRevision bei dieser Rechtsfrage auch Landessozialgericht fur das Saarland,\nUrteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -). Das BSG hat im Übrigen bereits in\neinem obiter dictum darauf hingewiesen, dass die Bewertung der Eigenheimzulage\nals Einkommen rechtlichen Bedenken unterliegt und die Änderung der Alg II-\nVerordnung ab 01.10.2005 insoweit nur klarstellende Funktion hatte (BSG,\nUrteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R -). \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und\nzulassige Berufung ist nicht begrundet, da die den Klagern gewahrte\nEigenheimzulage nicht auf die Gewahrung von Leistungen nach dem SGB II\nanzurechnen ist. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverstandnis der\nBeteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mundliche Verhandlung\nentschieden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klager zu Ziff. 1 und zu\nZiff. 2 als gemeinsame Klager gegen die streitgegenstandlichen Bescheide\nanzusehen sind. Die Klager bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB\nII, fur die der Klager zu 1. nach § 38 SGB II die Berechtigung besitzt,\nLeistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der\nBedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist hinsichtlich der\nsubjektiven Klagehaufung eine großzugige Auslegung fur eine Übergangszeit bis\n30.6.2007 erforderlich. Fur eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum,\nund bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht\num Gesamtglaubiger iS des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als\nGlaubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen;\nvielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Anspruche.\nUnhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit\neiner Gesamtglaubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -).\nFur eine Übergangszeit bis 30.6.2007 sind daher Antrage im Verwaltungs- und\nGerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen,\ngroßzugig auszulegen; im Zweifel ist von Antragen aller\nBedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von\nEntscheidungen uber die Anspruche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG,\nUrteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -). Das vorliegende Klageverfahren\nbetrifft Zeitraume vor dem Übergangszeitraum des 30.06.2007, weswegen das SG\ntrotz der vom Klager zu Ziff. 1 allein erhobenen Klage und der alleine an den\nKlager zu Ziff. 1 adressierten Bescheide der Beklagten zu Recht die Klagerin\nzu Ziff. 2 in das Aktivrubrum aufgenommen hat. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Streitgegenstand ist vorliegend allein die Hohe von Leistungen fur den\nZeitraum vom 01.04.2006 bis 31.08.2006. Denn eine analoge Anwendung des § 96\nAbs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide fur Folgezeitraume im Rahmen des SGB II\nist grundsatzlich nicht gerechtfertigt. Wurden die Leistungen jedoch ohne\nzeitliche Begrenzung abgelehnt, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens -\nje nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit (BSG,\nUrteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -). Bescheide uber die Bewilligung von\nLeistungen nach dem SGB II fur Folgezeitraume werden daher - anders als im\nArbeitsforderungsrecht - regelmaßig nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG\nGegenstand bereits laufender Klageverfahren (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b\nAS 10/06 R -). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Auch soweit die angegriffenen Bescheide eine Ablehnungsentscheidung der\nBeklagten fur Leistungen vor dem 01.04.2006 enthalten, findet keine zeitliche\nAusdehnung des allein streitgegenstandlichen Zeitraums vom 01.04.2006 bis\n31.08.2006 statt. Denn insofern ist nach dem Hinweis der Beklagten auf ihren\nbestandskraftigen Ablehnungsbescheid vom 29.09.2005 (wegen fehlender\nMitwirkung) von den Klagern vor dem SG kein weitergehender Antrag erfolgt;\nauch hat das SG ausdrucklich nur uber die Hohe von Leistungen fur die Zeit vom\n01.04.2006 bis 31.08.2006 entschieden, was von den Bevollmachtigten der\nKlager, die keine Anschlussberufung eingelegt haben, nicht gerugt worden ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Da insofern aber das Urteil des SG auch fur die Klager eine Belastung\nenthalt, ist der von der Beklagten formulierte Berufungsantrag auf Abanderung\ndes SG-Urteils in dem von ihr vorformulierten Sinn aus ihrer Sicht zutreffend\ngewahlt und bedarf keiner Korrektur. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Tenor des SG wird im Übrigen trotz einer nicht ganz klaren Formulierung\nso zu verstehen sein, dass die Beklagte nicht nur zur einmaligen Leistung von\n106,52 Euro fur die Zeit vom 01.04. bis zu 31.08.2006, sondern zu einer\nmonatlichen Leistung in diesem Zeitraum in dieser Hohe verurteilt worden ist,\nwas sich aus den Entscheidungsgrunden, aber auch aus der Bezugnahme auf die\nmonatlich zu gewahrenden Kosten der Unterkunft im Tenor der Entscheidung des\nSG selbst ergibt. Fur die Zulassigkeit der Berufung hatte dies keine\nBedeutung, da das SG die Berufung zugelassen hat und außerdem auch die\nBeklagte die alleinige Berufungsfuhrerin ist. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, die angefochtene\nEntscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Nachdem der Verordnungsgeber\ndurch die Neufassung von § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V ausdrucklich klargestellt\nhat, dass die Eigenheimzulage eine zweckbestimmte Einnahme ist, die nach § 11\nAbs. 3 Nr. 1a SGB II nicht als Einkommen zu berucksichtigen ist, ist es aus\nden vom SG genannten Grunden nicht angangig, diesen gesetzgeberischen Willen\ndadurch zu umgehen, dass die Eigenheimzulage auf die Zinsbelastung fur die\nFinanzierung einer selbstgenutzten Eigentumswohnung angerechnet wird. Das SG\nhat insoweit zutreffend festgestellt, dass bei § 22 SGB II vom tatsachlichen\nWohnbedarf auszugehen ist, soweit er angemessen ist. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Darauf, dass mit der anrechnungsfreien Eigenheimzulage Eigentum gebildet\nwird, was durch die Gewahrung von Leistungen der Grundsicherung fur\nArbeitslose nach dem SGB II nicht unterstutzt werden soll, kommt es nach der\nNeuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V nicht mehr an. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Eine Ungleichbehandlung mit Mietern sieht der Senat im Übrigen hierdurch\nnicht, denn mit der (angemessenen) Miete bildet dieser gegebenenfalls Eigentum\nbeim Vermieter. Dies durfte nach Ansicht der Beklagten wohl noch weniger aus\nGrundsicherungsleistungen erfolgen. Es hat also bei der Entscheidung des\nGesetz- und Verordnungsgebers zu verbleiben, die Eigenheimzulage\nanrechnungsfrei zu lassen (vgl. das Urteil des Senats vom 17.03.2008 - L 12 AS\n3336/07 -). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Eigenheimzulage wird auch unstreitig zur Finanzierung einer selbst\ngenutzten Immobilie im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II verwendet,\nweswegen eine Anrechnung unterbleiben muss (so auch Landessozialgericht\nMecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 01.11.2007 - L 10 AS 55/06 -;\nLandessozialgericht fur das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 09.05.2007 -\nL 12 AS 32/06 - und vom 04.10.2006 - L 12 AS 8/05 -; Landessozialgericht\nSachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.06.2006 - L 2 B 78/06 AS ER -;\nLandessozialgericht fur das Saarland, Urteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -;\nLandessozialgericht Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 01.08.2005 - L 7 AS\n2875/05 ER-B -; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 07.07.2005 - L 5 B\n116/05 ER AS -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschlusse vom\n27.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER - und vom 25.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER -). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die von der Beklagten alleine zitierte Entscheidung des\nLandessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.04.2007 - L 5 B\n149/07 AS-ER), nach der kein Anspruch des Hilfebedurftigen auf Übernahme der\ndie Schuldzinsen ubersteigenden Tilgungsraten bestehen soll, weil Leistungen\ndes SGB II nicht der Vermogensbildung dienen, ist vorliegend nicht\neinschlagig. Dieser - nach summarischer Prufung im einstweiligen Rechtsschutz\nergangenen - Entscheidung lag neben der anderen Finanzierungssituation der\ndortigen Antragstellerin insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als die\nWohnung der dortigen Antragstellerin anders als im vorliegenden Fall als\nunangemessen groß im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II beurteilt\nworden ist; nachdem die dortige Antragsgegnerin dennoch im wesentlichen\nunterlegen ist, kann der Senat nicht erkennen, inwieweit die zitierte\nEntscheidung den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu stutzen vermag. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Eine genaue rechtliche Einordnung des hier vorliegenden vorfinanzierten\nBausparvertrags der Klager ist danach im Übrigen bereits deswegen nicht\nveranlasst, weil die Anrechnungsfreiheit der Eigenheimzulage eine\nGrundsatzentscheidung des Gesetzgebers darstellt, welche nicht dadurch in\nFrage gestellt werden kann, wie im Einzelfall die Einbringung der\nEigenheimzulage in die Finanzierung der Immobilie erfolgt. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Lage nach dem\nGesetz unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln (vgl. zur Nichtzulassung der\nRevision bei dieser Rechtsfrage auch Landessozialgericht fur das Saarland,\nUrteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -). Das BSG hat im Übrigen bereits in\neinem obiter dictum darauf hingewiesen, dass die Bewertung der Eigenheimzulage\nals Einkommen rechtlichen Bedenken unterliegt und die Änderung der Alg II-\nVerordnung ab 01.10.2005 insoweit nur klarstellende Funktion hatte (BSG,\nUrteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R -). \n---\n\n
160,005
fg-baden-wurttemberg-2008-06-05-3-k-14207
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 K 142/07
2008-06-05
2019-01-10 11:47:34
2019-01-17 12:04:50
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager war seit ... verheiratet, lebt jedoch seit ... dauernd getrennt.\nEr wird fur die Veranlagungszeitraume 2001 und 2002 (Streitjahre) einzeln zur\nEinkommensteuer veranlagt. Seinen Wohnsitz hatte der Klager in den\nStreitjahren in X. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager war seit Anfang 1987 bei der Y AG in Z/Kanton Q/Schweiz\n(Confoederatio Helvetica -im folgenden: CH-) als Leiter der Exportabteilung\nDeutschland beschaftigt (Hinweis auf Ziff. 1 des Arbeitsvertrags vom ..., auf\nden auch im ubrigen Bezug genommen wird -Bl. 95-96 der FG-Akten-). Die\nStatuten der Y AG (im folgenden: Y-AG) in der fur das Streitjahr maßgeblichen\nFassung vom ... wurden dem Finanzgericht (FG) vorgelegt. Auf diese wird Bezug\ngenommen (Bl. 149-160 der FG-Akten). Ein Organisationsreglement im Sinne von\nArt. 716b des Bundesgesetzes betreffend die Erganzung des Schweizerischen\nZivilgesetzbuches (Funfter Teil: Obligationenrecht) -OR- wurde dem FG nicht\nvorgelegt (vgl. zum Organisationsreglement: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel,\nSchweizerisches Aktienrecht, Bern, 1996, § 11), weil es ein solches bei der\nY-AG nicht gibt, weil der Verwaltungsrat die gesamte Geschaftsfuhrung selbst\nubernommen hat (Schreiben der Y-AG vom 5. Juli 2007, Bl. 160 der FG-Akten),\nwas ohne Organisationsreglement „bei kleinen und ubersichtlichen\nVerhaltnissen" zulassig sein kann (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 11\nRn: 17). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager wurde am ... 1992 durch den Verwaltungsrat der Y-AG zum Direktor\nbestellt (nach Art. 716a Abs. 1 Nr. 4 OR; s. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel,\na.a.O., § 30 Rn. 46 -Hinweis auf den Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom ...,\nBl. 97 der FG-Akten, der vom Prasidenten des Verwaltungsrats, V1; und vom\n[weiteren] Mitglied des Verwaltungsrats, V2; unterschrieben wurde - s.\nSchreiben des Klagers vom 27. Juni 2007 in Verbindung mit dem beigefugten\nHandelsregisterauszug, Bl. 133. ff der FG-Akten-) und dem entsprechend am ...\n1992 in das schweizerische Handelsregister eingetragen (Handelsregisterauszug\ndes Kantons Q -Hauptregister- vom ... Bl. 128 [links unten] und 129 der FG-\nAkten). Der Umfang der Vertretungsmacht des Klagers (nach Art. 718a Abs. 1 OR,\nalle Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck der Gesellschaft mit sich\nbringen kann [Forstmoser/Meier-Hayoz/Nebel, a.a.O., § 30 Rn. 92; dieselben,\na.a.O., § 21 Rn. 5]) wurde durch eine Kollektivklausel eingeschrankt, nach der\nfur den Klager „Kollektivunterschrift zu zweien" vorgesehen wurde (Bl. 129 der\nFG-Akten; vgl. hierzu: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht\nObligationenrecht II, 2. Aufl., 2002, Basel -im folgenden: BSK OR II-\nBearbeiter: Watter, Art. 718a Rn. 19; BSK OR II/Baudenbacher, a.a.O., Art. 555\nRn. 2 ff.). Nur der Prasident der Y-AG hatte Einzelvertretungsbefugnis (s.\nHandelsregisterauszug des Kantons Q vom ..., Bl. 135 der FG-Akten). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Arbeitsverhaltnis (vgl. hierzu: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O. §\n29 Rn. 60; E. Homburger, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch,\nTeilband V 5b, Zurich 1997, Art. 716b Rn. 758) des Klagers mit der Y-AG endete\nzum ... 2004 (Hinweis auf ..., Bl. 98 der FG-Akten). Die Eintragung des\nKlagers im Schweizerischen Handelsregister wurde daraufhin geloscht (vgl. Art.\n711 Abs. 1 OR- s. ...; Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Q\n-Hauptregister- vom ..., Bl. 165 und 166 der FG-Akten). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Als Leiter der Exportabteilung Deutschland (s. Nachtrag vom ... zum\nAnstellungsvertrag vom ..., Bl. 97 der FG-Akten) unternahm der Klager in den\nStreitjahren im wesentlichen Dienstreisen in die Bundesrepublik Deutschland.\nDiese Dienstreisen trat der Klager durchweg an seinem Wohnort in X an und\nkehrte am Ende der Dienstreisen dorthin zuruck, ohne seine Arbeitsstatte in\nZ/CH an diesen Tagen noch aufzusuchen. Im Rahmen der Dienstreisen ubernachtete\ner in der Bundesrepublik Deutschland (im folgenden auch: BRD) an 49 Tagen (in\n2001) und an 52 Tagen (in 2002). Im ubrigen hielt er sich auch in\n„Drittstaaten" (Drittlandern) auf, wobei er auch eintagige Dienstreisen in\nDrittstaaten unternahm. Wegen der Gestaltung der Dienstreisen im Einzelnen\nwird auf die nachfolgend dargelegten Tabellen Bezug genommen: \n--- \n--- \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n| **Aufstellung der Nichtr uckkehrtage fur 2001** \n--- \n| **Datum/** \n**Ü bernachtungen:** \n--- \n| **Ort** \n--- \n| **Anzahl der Übernachtungen in der BRD:** \n--- \n| **Drittland:** \n--- \n| **Berechnung der steuerpflichtigen Tage durch den Beklagten:** \n--- \n| Januar \n--- \n| 9. \n--- \n| .../F \n--- \n| | 1 \n--- \n| | 16./19. \n--- \n| ... \n--- \n| 3 \n--- \n| | 4 \n--- \n| | 25./26. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 30. \n--- \n| /F \n--- \n| | 1 \n--- \n| | | | | \n| Februar \n--- \n| 31.1./1.2. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 5./8. \n--- \n| ... \n \n--- \n| 3 \n--- \n| | 4 \n--- \n| | 14./16. \n--- \n| .../Italien \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 20./21. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| Marz \n--- \n| 1./2. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 14./16. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 20./21. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 27./30. \n--- \n| ... \n--- \n| 3 \n--- \n| \n| | | | | \n| April \n--- \n| 3. \n--- \n| .../F \n--- \n| | 1 \n--- \n| | 17./19. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 23./26. \n--- \n| ... \n--- \n| 3 \n--- \n| | 4 \n--- \n| | | | | \n| Mai \n--- \n| 8./10. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 15. \n--- \n| .../Österreich \n--- \n| | 1 \n--- \n| | 21./22. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 28./30. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| Juni \n--- \n| 25./26. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| Juli \n--- \n| 11./13. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 23./24. \n--- \n| .../Frankreich \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 25./27. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| August \n--- \n| 21./23. \n--- \n| .../Österreich \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| September \n--- \n| 5./6. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 12./14. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 19./20. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| Oktober \n--- \n| 4./6. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 15./18. \n--- \n| ... \n--- \n| 3 \n--- \n| | 4 \n--- \n| | 29./30. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| November \n--- \n| 7./8. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 13./14. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 19./23. \n--- \n| ... \n--- \n| 4 \n--- \n| | 5 \n--- \n| | | | | \n| Dezember \n--- \n| 3./5. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 6./7. \n--- \n| .../Tschechien \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| **Total** \n--- \n| | | **49** \n--- \n| **14** \n--- \n| **72** \n--- \n--- \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| \n--- \n| **Aufstellung der Nichtr uckkehrtage fur 2002** \n--- \n| **Datum/** \n**Ü bernachtungen:** \n--- \n| **Ort** \n--- \n| **Anzahl** \n**Ü bernachtungen in der BRD:** \n--- \n| **Drittland:** \n--- \n| **Berechnung der steuerpflichtigen Tage durch den Beklagten:** \n--- \n| Januar \n--- \n| 08.10. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 15./16. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 21./22. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 22./23. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 28./29 \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 29./31. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| Februar \n--- \n| 13. \n--- \n| .../Österreich \n--- \n| | 1 \n--- \n| - \n--- \n| | 18. \n--- \n| .../Frankr. \n--- \n| | 1 \n--- \n| 1 \n--- \n| | 19./20. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 27./28. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| Marz \n--- \n| 11./12. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 19./21. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| April \n--- \n| 8./9. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 17./18. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 23./24. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 24./26. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| Mai \n--- \n| 6./7. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 13./15. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 21./22. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 31./1.6. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| Juni \n--- \n| 5./6. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 19./20. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 26./28. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| Juli \n--- \n| 2./3. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 8./10. \n--- \n| .../Österreich \n--- \n| | 3 \n--- \n| - \n--- \n| | 17./18. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 23./25. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 29./31. \n--- \n| .../Italien \n--- \n| | 3 \n--- \n| 3 \n--- \n| | | | | \n| August \n--- \n| 6./8. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 12./14. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 26./30. \n--- \n| ... \n--- \n| 4 \n--- \n| | 5 \n--- \n| | | | | \n| September \n--- \n| 10./11. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 17./19. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 25./26. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 30.-2.10. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | | | | \n| Oktober \n--- \n| 22./24. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 29./30. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | | | | \n| November \n--- \n| 5./6. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 13./14. \n--- \n| ... \n--- \n| 1 \n--- \n| | 2 \n--- \n| | 20./22. \n--- \n| ... \n--- \n| 2 \n--- \n| | 3 \n--- \n| | 25. \n--- \n| .../F \n--- \n| | 1 \n--- \n| | | | | \n| **Total** \n--- \n| | | **52** \n--- \n| **9** \n--- \n| **92** \n--- \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Bei der Berechnung der Nichtruckkehrtage (Nichtruckkehren im schweizerischen\nSprachgebrauch; nach den Angaben des Klagers fur 2001: 63 und fur 2002: 61 -s.\nzuvor) aus Anlass der Dienstreisen in Drittstaaten (14 fur 2001 und 9 fur\n2002) wurde ** jeder ** (Dienst-)Reisetag als Nichtruckkehrtag berucksichtigt\n(in Übereinstimmung mit einer generellen Verstandigungsvereinbarung zwischen\nder deutschen Finanzverwaltung und der eidgenossischen Steuerverwaltung,\nwiedergegeben in: Locher/Meier/von Siebenthal/Koch, Doppelbesteuerungsabkommen\nSchweiz-Deutschland B 15 a.2 Nr. 31 [2]; Schreiben des Bundesministeriums der\nFinanzen -BMF- vom 19. September 1994 IV C 6 - S 1301 Schz - 60/94, BStBl I\n1994, 683 zu Tz. 14 Satz 2). Im ubrigen wurden die Tage (im Streitjahr 2001 49\nTage und im Streitjahr 2002 52 Tage), an denen der Klager in der\nBundesrepublik Deutschland ubernachtete, als beruflich veranlasste\nNichtruckkehrtage angesetzt. Demzufolge errechnete der Klager fur das\nStreitjahr 2001 63 und fur das Streitjahr 2002 61 Nichtruckkehrtage. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager ging in den Einkommensteuererklarungen fur die Streitjahre davon\naus, dass er mit seinen Einnahmen aus der Tatigkeit fur die Y-AG nicht als\nGrenzganger im Sinne von Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik\nDeutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der\nDoppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermogen\nvom 11. August 1971 (DBA-Schweiz) der deutschen Besteuerung unterliege. Nach\nden Bescheinigungen vom 30. Marz 2004 (fur 2001 und 2002) seines Arbeitgebers,\ndie jeweils den Sichtvermerk des Steueramts des Kantons Q vom 13. April 2004\ntragen (und unter Hinweis auf die oben wiedergegebenen Einzelaufstellungen),\nsei er an mehr als 60 Tagen aufgrund seiner Arbeitsausubung nicht an seinen\nWohnsitz zuruckgekehrt (im Jahr 2001 an 63 Tagen und in 2002 an 61 Tagen). Nur\nden Teil seines Arbeitslohns in den Streitjahren, der auf seine Tatigkeit in\nder Bundesrepublik Deutschland und in Drittstaaten entfalle (fur 2001: 76.908\nDM und fur 2002: 43.802 EUR [Zeilen 2 der Anlagen N, ...]), beurteilte der\nKlager als im Inland steuerpflichtig. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| In den Lohnausweisen fur die Streitjahre bestatigt der Arbeitgeber des\nKlagers, dass der Quellensteuerabzug vom Arbeitslohn fur 2001 ... CHF und fur\n2002 ... CHF betrug (Hinweis auf die Steuerbescheinigungen des\nFinanzdepartements [Kantonalen Steueramts] des Kantons Q fur 2001 vom ... und\nfur 2002 vom ... [Bl. 106 und 107 der FG-Akten]). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) folgte dem im wesentlichen in dem\n(erstmals unter dem Vorbehalt der Nachprufung ergangenen)\nEinkommensteueranderungsbescheid fur 2001 vom ... 2004, der gemaß § 365 Abs. 3\nder Abgabenordnung (AO) Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde, und im\nursprunglichen (unter Vorbehalt der Nachprufung ergangenen)\nEinkommensteuerbescheid fur 2002 vom ... 2004. Ausgehend von steuerpflichtigen\nTagen wegen der Arbeitsausubung in Deutschland und Drittstaaten (fur 2001: 86\nTage [= 14 Tage in Drittstaaten + 72 Tage in der Bundesrepublik Deutschland,\n...] und fur 2002: 92 Tage [...]) errechnete das FA die im Inland\nsteuerpflichtigen Einnahmen des Klagers aus nichtselbstandiger Arbeit fur 2001\nauf ... DM (= ... CHF [= Bruttolohn total lt. Lohnausweis] x 86/240 x 1,28 DM\n[durchschnittlicher Umrechnungskurs]) und fur 2002 auf ... EUR (= ... CHF [=\nBruttolohn total lt. Lohnausweis] x 92/240 x 0,68 EUR). Den restlichen Teil\ndes Arbeitslohns berucksichtigte das FA bei der Berechnung des Steuersatzes\n(fur 2001: ... DM und fur 2002: ... EUR). Im ubrigen rechnete es die auf die\nsteuerpflichtigen Einnahmen erhobene Schweizerische Quellensteuer gemaß § 34c\nAbs. 1 EStG auf die tarifliche Einkommensteuer der Streitjahre an (fur 2001:\n... DM und fur 2002: ... EUR, ...). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit den Bescheiden vom 29. Dezember 2004 wurde fur die Streitjahre der\nVorbehalt der Nachprufung aufgehoben. Hiergegen legte der Klager form- und\nfristgerecht Einspruch ein (...). Den Antrag des Klagers, das Ruhen des\nVerfahrens anzuordnen, lehnte das FA (aus nicht nachvollziehbaren Grunden) mit\nBescheid vom 25. Januar 2005 ab (Hinweis auf die damals anhangigen und\npublizierten Revisionsverfahren zu den Az. I R 81/04 [Vorentscheidung: Urteil\ndes FG Koln vom 24. Mai 2004 10 K 494/00, EFG 2005, 22] und I R 18/04\n[Vorentscheidung des FG Baden-Wurttemberg, Außensenate Stuttgart vom 10.\nDezember 2003 12 K 172/01, EFG 2004, 870]). Mit Einspruchsentscheidung vom 3.\nFebruar 2005 wurde der Einspruch als unbegrundet zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Anschließend erhob der Klager form- und fristgerecht Klage, mit der er\nweiterhin geltend macht, dass er als Direktor der Y-AG im Hinblick auf Art. 15\nAbs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz mit seinen Einnahmen aus nichtselbstandiger Arbeit\n-auch soweit sie auf seine Tatigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und in\nDrittstaaten entfallen- nicht der Besteuerung im Inland unterliege. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Beschluss vom 25. Juni 2007 3 K 142/07 wurde der Rechtsstreit durch den\n3. (Voll-) Senat auf den Einzelrichter ubertragen. Am 9. Juli 2007 fand vor\ndem Einzelrichter ein Termin zur mundlichen Verhandlung statt. Der Termin\nwurde nach seinem Beginn aufgehoben, nachdem dem Finanzgericht (FG) bei dieser\nGelegenheit durch einen Bediensteten des Finanzministeriums Baden-Wurttemberg\ndie Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 6. Juli 2007\n3- S 1301/3 (Bl. 194-218 der FG-Akten) zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH)\nvom 25. Oktober 2006 I R 17/04 (zur amtlichen Veroffentlichung vorgesehen,\nbisher veroffentlicht u.a. in: BFH/NV 2007, 875) ubergeben worden war. Auf die\nNiederschrift uber die mundliche Verhandlung, die den Beteiligten bekannt\ngegeben wurde, wird Bezug genommen (Bl. 222-224 der FG-Akten). Mit Beschluss\ndes Einzelrichters vom 27. April 2007 3 K 142/07 wurde der Rechtsstreit auf\nden 3. (Voll-) Senat zuruck ubertragen. \n--- \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager beantragt, die Bescheide fur 2001 und 2002 vom 29. Dezember 2004\nund die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2005 der\nGestalt zu andern, dass die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt wird. \n--- \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das FA beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Begrundung verweist es im wesentlichen auf die Ausfuhrungen im BMF-\nSchreiben 3 S 1301/3 und im Schreiben des Finanzministeriums Baden-Wurttemberg\nvom 23. Juli 2007 3 S 1301 Schweiz/3 (Bl. 279 ff der FG-Akten). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beteiligten haben auf die Durchfuhrung einer mundlichen Verhandlung\nverzichtet (Hinweis auf das Schreiben des Klagers 14. Mai 2008 [Bl. 290 der\nFG-Akten] und das Schreiben des FA vom 15. Mai 2008 [Bl. 294 der FG-Akten]). \n--- \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem Senat lagen folgende Akten vor: \n--- \n| 20 \n--- \n| 1 Bd Einkommensteuerakten Bd III Stnr.: ... \n--- \n| 21 \n--- \n| 1 Bd Rechtsbehelfsakten Stnr.: ... \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Die angegriffenen Verwaltungsakte vom ... 2004\nsind insoweit rechtmaßig, als das FA in ihnen die Einkommensteuer nicht\nniedriger festgesetzt hat (Hinweis insoweit auf die Bescheide vom ... 2004\n[fur 2001] und vom ... 2004 [fur 2002]): Denn der Klager unterliegt als\nGrenzganger im Sinne von Art. 15a DBA-Schweiz mit seinen Einkunften aus\nunselbstandiger Arbeit der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Ungeachtet und damit ohne Rucksicht auf die generellere Bestimmung des\nArt. 15 DBA-Schweiz (und demzufolge auch ohne Beachtung der Bestimmung des\nArt. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz zu den leitenden Angestellten [vgl. hierzu: BMF-\nSchreiben vom 7. Juli 1997 IV C 6 - S 1301 Schz - 37/97, BStBl I 1997, 723 zu\n2.], die insoweit seit dem 1. Januar 1994 den nicht leitenden Angestellten\ngleichgestellt sind -vgl. die Bundesratliche Botschaft uber ein Protokoll zur\nÄnderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland\nvom 1. Marz 1993, Ziffer 2 Besonderer Teil Artikel II Abs. 2, Bundesblatt\n-BBl- Band I 1993, 1521, 1525) sind Gehalter, Lohne und ahnliche Vergutungen,\ndie ein Grenzganger aus unselbstandiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat\ngemaß der spezielleren Bestimmung (BFH-Urteile vom 15. September 2004 I R\n67/03, BFH/NV 2005, 267 zu II. 1.; vom 26. Juli 1995 I R 80/94, BFH/NV 1996,\n200 zu II. 4.) des Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz zu besteuern, in dem der\nGrenzganger ansassig ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Grenzganger im Sinne des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz ist jede in einem\nVertragsstaat ansassige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren\nArbeitsort hat und von dort regelmaßig zuruckkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1\nDBA-Schweiz). Zum Begriff des Grenzgangers gehort, dass der Arbeitnehmer\nregelmaßig die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz\nin beide Richtungen uberquert (vgl. zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1994:\nBFH-Urteil vom 21. August 1996 I R 80/95, BStBl II 1997, 134). Die\nGrenzgangereigenschaft eines Arbeitnehmers hangt damit nicht allein von der\nregelmaßigen Ruckkehr nach Arbeitsende aus dem Tatigkeitsstaat in den\nWohnsitzstaat ab (so aber Hundt, Der Betrieb -DB- 1995, 171, zu II. 2. bb [2];\nvgl. im ubrigen: Kempermann, Finanz-Rundschau -FR- 1994, 564, II. 2.). Das\nErfordernis der regelmaßigen Ruckkehr „von dort" (also dem Tatigkeitsstaat)\nsetzt denknotwendig voraus, dass der Arbeitnehmer sich regelmaßig „nach dort"\n(also in den Tatigkeitsstaat) begibt (vgl. in diesem Zusammenhang: BFH-\nBeschluss vom 16. Marz 1994 I B 186/93, BStBl II 1994, 696 zu II. 2.; Zuger\nin: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der\nDoppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003, S. 177 [191 ff] zu II. 5.; Kolb in:\nKorperschaftsteuer Internationales Steuerrecht Doppelbesteuerung, Festschrift\nfur Wassermeyer, Munchen 2005, S. 757 [763 ff] zu II. 2. b). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Hiernach bestehen an der Grenzgangereigenschaft des Klagers insoweit keine\nZweifel. Der Klager hat sich zwar in den Streitjahren fast an samtlichen\nTagen, an denen er auf Geschaftsreisen in der Bundesrepublik Deutschland und\nin Drittstaaten/Drittlandern unterwegs war, nicht in den Tatigkeitsstaat (die\nSchweiz) begeben. Dies war im Streitjahr 2001 an ca. 90 Arbeitstagen, im\nStreitjahr 2002 an ca. 88 Arbeitstagen (Nr. II 2. des Verhandlungsprotokolls\nzum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991, BGBl II 1993, 1889, BStBl I\n1993, 929 -im folgenden: Verhandlungsprotokoll-; Hinweis im ubrigen auf Art. 3\nAbs. 2 DBA-Schweiz in Verbindung mit Art. 319 OR ff.) der Fall. Ausgehend von\nden ublicherweise in den Streitjahren bei Grenzgangern zu berucksichtigenden\n240 Arbeitstagen (Hinweis auf Fach A Teil 2 Nummer 8 Grenzgangerhandbuch) hat\nder Klager damit im Streitjahr 2001 die Grenze an rund 150 Arbeitstagen und im\nStreitjahr 2002 an rund 152 Arbeitstagen in beide Richtungen uberquert. Er hat\ndamit mehr als nur gelegentlich, wenn auch nicht taglich, was auch nicht\nerforderlich ist, die Grenze zur Schweiz in beide Richtungen uberquert. Mithin\nist von einem regelmaßigen Pendeln uber die Grenze auszugehen als **einer**\nnotwendigen Voraussetzung fur die Grenzgangereigenschaft des Klagers. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Entgegen den Angaben in der Aufstellung der Nichtruckkehrtage fur die\nStreitjahre (s. S. 5-7 des Tatbestandes) ist der Klager nicht an mehr als 60\nArbeitstagen im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz nicht an seinen\nWohnsitz zuruckgekehrt, weil die Nichtruckkehren in Zusammenhang mit den\nGeschaftsreisen in die Bundesrepublik Deutschland nicht bei der Berechnung der\nNichtruckkehrtage zu berucksichtigen sind. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| a) Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz entfallt die\nGrenzgangereigenschaft (nur) dann, wenn der Arbeitnehmer bei einer\nBeschaftigung wahrend des gesamten Kalen-derjahres (vgl. hierzu: Nr. II 3 des\nVerhandlungsprotokolls) an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner\nArbeitsausubung nicht an seinen Wohnsitz zuruckkehrt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| aa) Bei der Auslegung von Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens ist\nnicht nur auf deren Wortlaut (dem jedoch eine besondere Bedeutung zukommt:\nHenkel in: Gosch/Kroppen/Grotherr, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar,\nGrundlagen Rn. 23-25; Art. 31 Abs. 4 des Wiener Abkommens uber die Vertrage\nvom 23. Mai 1969 , BGBl II 1985, 926 ff -WÜRV-), sondern auch auf den\nsystematischen Zusammenhang (Henkel in:Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O.\nGrundlagen Rn. 26- 32; Art. 31 Abs. 2 und 3 WÜRV) und den Sinn und Zweck der\nauszulegenden Bestimmung abzustellen (BFH-Urteile vom 23. Februar 2005 I R\n13/04, BFH/NV 2005, 1241; vom 15. Juni 1973 III R 118/70, BStBl II 1973, 810;\nArt. 31 Abs. 1 WÜRV). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz ist -fur sich gesehen-\nkeine Einschrankung der Gestalt zu entnehmen, dass bei der Berechnung der mehr\nals 60 Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer auf Grund seiner Arbeitsausubung\nnicht an seinen Wohnsitz (im Ansassigkeitsstaat) zuruckgekehrt ist, die\nArbeitstage nicht zu berucksichtigen sind, an denen er seiner Arbeit im\nAnsassigkeitsstaat (hier: der Bundesrepublik Deutschland) nachgegangen ist.\nBetrachtet man den systematischen Zusammenhang des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-\nSchweiz mit der Bestimmung des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz, in dem zur\nGrenzgangereigenschaft ausgefuhrt wird, dass diese Person „ **von dort** "\n(dem Arbeitsort in dem anderen Vertragsstaat -demzufolge aus der Schweiz-)\nregelmaßig an ihren Wohnsitz zuruckkehrt sein muss, ist jedenfalls eine\nAuslegung nicht ausgeschlossen, Arbeitstage in der Bundesrepublik Deutschland\n(dem Ansassigkeitsstaat) nicht bei den Nichtruckkehren zu berucksichtigen,\nweil der Arbeitnehmer an diesen Tagen nicht „von dort" (also dem Arbeitsort in\ndem anderen Vertragsstaat -der Schweiz-) an seinen Wohnsitz im\nAnsassigkeitsstaat nicht zuruckgekehrt ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| bb) Jedenfalls gebietet der Sinn und Zweck der Grenzgangerregelung, die\nArbeitstage im Ansassigkeitsstaat des Arbeitnehmers nicht zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Sinn und Zweck der Bestimmung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz, dem\nTatigkeitsstaat (hier: der Schweiz) das Besteuerungsrecht zu geben, ist, dass\nder Staat des Arbeitsortes, der uber die Berucksichtigung der Lohnzahlung als\nBetriebsausgaben Steuerausfalle bei der Besteuerung des Arbeitgebers von\nGrenzgangern hinnehmen muss, zu diesem Verzicht nur bereit ist, wenn sich der\nArbeitnehmer nicht langere Zeit im Staat des Arbeitsortes aufhalt. Kehrt der\nArbeitnehmer auf Grund der Arbeitsausubung an mehr als 60 Arbeitstagen nach\nArbeitsende nicht zuruck, besteht eine besonders intensive Eingliederung in\ndie Arbeitsorganisation des Tatigkeitsstaates, weil bei einer Nichtruckkehr\n**von dort** (Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz), also aus dem\nTatigkeitsstaat und damit bei einem Verbleiben im Tatigkeitsstaat eine\nbesonders enge Verbindung zum Arbeitsort besteht (Mossner, Recht der\nInternationalen Wirtschaft -RIW- 2001, 433, 439). Der Arbeitnehmer, der in dem\nanderen Vertragsstaat seine Arbeit ausubt und jeweils nach Arbeitsende in den\nWohnsitzstaat zuruckkehrt, hat dagegen keine **engeren** **Bindungen** (BFH-\nUrteil vom 1. Marz 1963 VI 119/61 U, BStBl III 1963, 212) an den\nTatigkeitsstaat, die dessen Besteuerungsrecht rechtfertigen konnten. Er bleibt\ndem Lebenskreis des Wohnsitzstaates wie dort tatige Arbeitnehmer\neingegliedert, dem daher das Besteuerungsrecht fur die Einkunfte aus\nunselbstandiger Arbeit zukommt (BFH-Beschluss vom 16. Marz 1994 I B 186/93,\nBStBl II 1994, 696; Kamphasen/Buscher in: Struck/Kaminski/Kohler,\nAußensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 OECD-MA Rn. 261 und\n262). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Angesichts dieser Zielsetzung ware es aber nicht nur „seltsam" (s. Zuger in:\nGassner/Lang/Lechner/Schuch/Starunger [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der\nDoppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003, S. 177 [190]), fur einen Arbeitnehmer,\nder sich taglich an seinen Arbeitsort im Tatigkeitsstaat begibt und damit\nseine Tatigkeit ausschließlich in der Schweiz (als dem Tatigkeitsstaat)\nausubt, gleichwohl dem Wohnsitzstaat (Ansassigkeitsstaat) das\nBesteuerungsrecht fur die Einkunfte aus unselbstandiger Arbeit zuzuerkennen.\nDer Klager dagegen, der seine Beschaftigung in den Streitjahren an 76 Tagen\n(in 2001) und an 88 Tagen (in 2002) in der Bundesrepublik Deutschland ausgeubt\nhat, wurde aus der Grenzgangerbesteuerung des Wohnsitzstaates (der\nBundesrepublik Deutschland) fallen, obwohl er weniger intensiv in die\nArbeitsorganisation der Tatigkeitsstaates eingegliedert ist, weil er an den\nArbeitstagen in der Bundesrepublik Deutschland nicht seinen Arbeitsort in Z/CH\nund diesen demzufolge nicht taglich aufgesucht hat und er zudem andererseits\ndem Lebenskreis des Wohnsitzstaates (der Bundesrepublik Deutschland) mehr\nverhaftet ist (weil er seine Arbeitkraft auch dem Wohnsitzstaat gewidmet hat)\nals der Grenzganger, der seine Arbeit ausschließlich in der Schweiz verrichtet\nhat. Die -hierin deutlich werdende- engere Bindung an den Wohnsitzstaat\nrechtfertigt geradewegs nicht den Wegfall von dessen Besteuerungsrecht. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Auch soweit fur das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates hinsichtlich der\nEinkunfte aus unselbstandiger Arbeit von Grenzgangern als Grund angefuhrt\nwird, dass der Arbeitnehmer steuerlich nach den „Bedingungen seines taglichen\nLebens" behandelt werden soll, d.h. zuhause besteuert und mit anderen\nArbeitnehmern gleichbehandelt werden soll, die in unmittelbarer Nachbarschaft\nzum Grenzganger wohnen, jedoch im Inland arbeiten (Wassermeyer in:\nDebatin/Wassermeyer, a.a.O. MA Art. 15 Rn. 170a), sind Arbeitstage in der\nBundesrepublik Deutschland nicht bei der Berechnung von Nichtruckkehrtagen zu\nberucksichtigen. Der Grenzganger arbeitet an diesen Tagen genauso wie sein\nNachbar (der kein Grenzganger ist) im Inland. Demzufolge konnen solche\nArbeitstage nicht dazu fuhren, dass er nicht zuhause (in der Bundesrepublik\nDeutschland) besteuert wird. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Eine -von den zuvor dargelegten Erwagungen abweichende- Auslegung der\nGrenzgangerbestimmungen des DBA-Schweiz, dass eine Tatigkeit im\nAnsassigkeitsstaat dessen Besteuerungsrecht zum Wegfall bringen soll, kann\nsystematisch nicht begrundet werden (Sinz/Blanchard, Internationales\nSteuerrecht -IStR- 2003, 258, zu 2.2.1), bzw. wurde zu einem widersinnigen\nErgebnis fuhren (Kessler/Sinz/Achilles-Pujol, DBA-Kommentar\nDeutschland/Frankreich 2007, Art. 13 Einkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit ,\nS. 123 und 124 zu V. unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001\nI B 94/01, BFH/NV 2002, 479 -gleicher Auffassung wohl auch:\nGeiger/Hartmann/Alscher, IStR 1994, 9, 12 zu Tz. 3.3 unten-). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Der erkennende Senat weicht mit seiner zuvor dargelegten Auffassung,\ndass Geschaftsreisen in die Bundesrepublik Deutschland (in den\nAnsassigkeitsstaat des Arbeitnehmers) nicht bei Berechnung der\nNichtruckkehrtage im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zu\nberucksichtigen sind, von einer generellen Vereinbarung zwischen der deutschen\nFinanzverwaltung und der schweizerischen Eidgenossischen Steuerverwaltung ab\n(Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen, Schweiz-\nDeutschland, B 15 a.2 Nr. 21 unter Hinweis auf eine Verlautbarung der\nEidgenossischen Steuerverwaltung vom 16. Januar 2004; Kolb in:\nKorperschaftsteuer Internationales Steuerecht Doppelbesteuerung, Festschrift\nfur Wassermeyer, Munchen 2005, S. 757, 765 zu II. 2. b; Schreiben des\nBundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 19. September 1994 IV C 6 - S 1301\nSchz - 60/94, BStBl I 1994, 683, Tzn. 13 und 14 Satz 1). Hieraus ergeben sich\nkeine Bedenken. Verstandigungsvereinbarungen kommt keine unmittelbare\nGesetzeskraft zu. Sie dienen als Auslegungshilfe, wenn das in ihnen\ndargestellte Verhandlungsergebnis auch mit den Auslegungsregeln der\nallgemeinen Rechtslehre (Wassermeyer, Steuer und Wirtschaft, 1990, 404)\ngewonnen werden kann (BFH-Urteil vom 21. August 1996 I R 80/95, BStBl II 1997,\n134, mit weiteren Nachweisen; Hardt in: Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz\nArt. 26 Rn. 205 und 206, mit umfangreichen Nachweisen zur hochstrichterlichen\nRechtsprechung). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zur Vermeidung von\nWiederholungen wird auf die zuvor dargelegten Ausfuhrungen zu 2. Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die zuvor dargelegten Rechtsgrundsatze gelten auch dann, wenn die sich aus\nden allgemeinen Grundsatzen ergebende Auslegung (wie im vorliegenden Fall\ndurch den erkennenden Senat) im Zusammenhang mit der Praxis des anderen\nVertragsstaates (hier: der Schweiz) zu Schwierigkeiten fuhren kann (wovon\nausgegangen werden kann). Nur auf Grund einer gesetzlichen Regelung ware es\nmoglich, eine Bindungswirkung fur die (Finanz)Gerichte zu erreichen (BFH-\nUrteil vom 9. Oktober 1985 I R 128/80, BStBl II 1988, 810). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| 4\\. Nach den zuvor dargelegten Erwagungen ergibt sich eine hohere\nEinkommensteuer als diejenige, die in den angegriffenen Bescheiden (Hinweis\nauf den Bescheid vom 29. Dezember 2004 in Verbindung mit\nEinkommensteueranderungsbescheid vom 27. April 2004 -fur 2001- und auf den\nBescheid vom 29. Dezember 2004 in Verbindung mit dem Einkommensteuerbescheid\nvom 3\\. November 2004) vom FA festgesetzt wurde. Der Senat ist an einer\nhoheren Steuerfestsetzung wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren zu\nberucksichtigenden Verboserungsverbots gehindert (Verbot der reformatio in\npeius -Graber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl., 2006, §\n96 Rn. 5 mit umfangreichen Nachweisen zur hochstrichterlichen\nFinanzrechtsprechung). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 5\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung\n-FGO-. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 6\\. Die Revision war zuzulassen. Der Sache kommt grundsatzliche Bedeutung zu\n(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wegen der Rechtsfrage, ob Arbeitstage im\nAnsassigkeitsstaat des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Nichtruckkehrtage\nim Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zu berucksichtigen sind. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| 7\\. Um den Beteiligten ggf. einen zweiten Rechtsgang zu ersparen, weist der\nerkennende Senat vorsorglich (ohne Bindungswirkung fur das weitere Verfahren)\ndarauf hin, dass nach seiner Auffassung der Klager eine in Art. 15 Abs. 4 Satz\n1 DBA-Schweiz abschließend (Urteil des FG Munchen vom 23. Juli 2003 1 K\n1231/00 IStR 2004, 168) genannte Tatigkeit bzw. eine in Art. 15 Abs. 4 Satz 1\nDBA-Schweiz bestimmte Tatigkeit als leitender Angestellter (BFH-Beschluss vom\n12. September 2006 I B 27/06, BFH/NV 2007, 13 zu II. 4.) und zwar die eines\nDirektors im Sinne von Art. 718 Abs. 2 OR (BSK OR II-Watter Art. 718 Rn. 15;\nForstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 29 Rn. 47-61; dieselben, a.a.O., § 30\nRn. 91-98) mit einer Kollektivklausel (BSK OR II-Baudenbacher Art. 2 ff) in\nden Streitjahren ausgeubt hat (Hinweis auf die tatsachlichen und rechtlichen\nFeststellungen im Tatbestand zu S. 3 und 4 und auf die BFH-Entscheidungen vom\n19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, zu 2.; vom 8. April 1992 I R\n68/91, BFH/NV 1993, 295 zu II. 2.), und er im ubrigen dem BFH-Urteil in BFH/NV\n2007, 593 folgt. Die Ausfuhrungen im an den Senat gerichteten BMF-Schreiben\nvom 6. Juli 2007 entsprechen im wesentlichen den Erwagungen, die der BMF\nbereits im Revisionsverfahren zum Aktenzeichen I R 81/04 vorgebracht hat und\ndie dem erkennenden Senat vorliegen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Die angegriffenen Verwaltungsakte vom ... 2004\nsind insoweit rechtmaßig, als das FA in ihnen die Einkommensteuer nicht\nniedriger festgesetzt hat (Hinweis insoweit auf die Bescheide vom ... 2004\n[fur 2001] und vom ... 2004 [fur 2002]): Denn der Klager unterliegt als\nGrenzganger im Sinne von Art. 15a DBA-Schweiz mit seinen Einkunften aus\nunselbstandiger Arbeit der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Ungeachtet und damit ohne Rucksicht auf die generellere Bestimmung des\nArt. 15 DBA-Schweiz (und demzufolge auch ohne Beachtung der Bestimmung des\nArt. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz zu den leitenden Angestellten [vgl. hierzu: BMF-\nSchreiben vom 7. Juli 1997 IV C 6 - S 1301 Schz - 37/97, BStBl I 1997, 723 zu\n2.], die insoweit seit dem 1. Januar 1994 den nicht leitenden Angestellten\ngleichgestellt sind -vgl. die Bundesratliche Botschaft uber ein Protokoll zur\nÄnderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland\nvom 1. Marz 1993, Ziffer 2 Besonderer Teil Artikel II Abs. 2, Bundesblatt\n-BBl- Band I 1993, 1521, 1525) sind Gehalter, Lohne und ahnliche Vergutungen,\ndie ein Grenzganger aus unselbstandiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat\ngemaß der spezielleren Bestimmung (BFH-Urteile vom 15. September 2004 I R\n67/03, BFH/NV 2005, 267 zu II. 1.; vom 26. Juli 1995 I R 80/94, BFH/NV 1996,\n200 zu II. 4.) des Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz zu besteuern, in dem der\nGrenzganger ansassig ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Grenzganger im Sinne des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz ist jede in einem\nVertragsstaat ansassige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren\nArbeitsort hat und von dort regelmaßig zuruckkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1\nDBA-Schweiz). Zum Begriff des Grenzgangers gehort, dass der Arbeitnehmer\nregelmaßig die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz\nin beide Richtungen uberquert (vgl. zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1994:\nBFH-Urteil vom 21. August 1996 I R 80/95, BStBl II 1997, 134). Die\nGrenzgangereigenschaft eines Arbeitnehmers hangt damit nicht allein von der\nregelmaßigen Ruckkehr nach Arbeitsende aus dem Tatigkeitsstaat in den\nWohnsitzstaat ab (so aber Hundt, Der Betrieb -DB- 1995, 171, zu II. 2. bb [2];\nvgl. im ubrigen: Kempermann, Finanz-Rundschau -FR- 1994, 564, II. 2.). Das\nErfordernis der regelmaßigen Ruckkehr „von dort" (also dem Tatigkeitsstaat)\nsetzt denknotwendig voraus, dass der Arbeitnehmer sich regelmaßig „nach dort"\n(also in den Tatigkeitsstaat) begibt (vgl. in diesem Zusammenhang: BFH-\nBeschluss vom 16. Marz 1994 I B 186/93, BStBl II 1994, 696 zu II. 2.; Zuger\nin: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der\nDoppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003, S. 177 [191 ff] zu II. 5.; Kolb in:\nKorperschaftsteuer Internationales Steuerrecht Doppelbesteuerung, Festschrift\nfur Wassermeyer, Munchen 2005, S. 757 [763 ff] zu II. 2. b). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Hiernach bestehen an der Grenzgangereigenschaft des Klagers insoweit keine\nZweifel. Der Klager hat sich zwar in den Streitjahren fast an samtlichen\nTagen, an denen er auf Geschaftsreisen in der Bundesrepublik Deutschland und\nin Drittstaaten/Drittlandern unterwegs war, nicht in den Tatigkeitsstaat (die\nSchweiz) begeben. Dies war im Streitjahr 2001 an ca. 90 Arbeitstagen, im\nStreitjahr 2002 an ca. 88 Arbeitstagen (Nr. II 2. des Verhandlungsprotokolls\nzum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991, BGBl II 1993, 1889, BStBl I\n1993, 929 -im folgenden: Verhandlungsprotokoll-; Hinweis im ubrigen auf Art. 3\nAbs. 2 DBA-Schweiz in Verbindung mit Art. 319 OR ff.) der Fall. Ausgehend von\nden ublicherweise in den Streitjahren bei Grenzgangern zu berucksichtigenden\n240 Arbeitstagen (Hinweis auf Fach A Teil 2 Nummer 8 Grenzgangerhandbuch) hat\nder Klager damit im Streitjahr 2001 die Grenze an rund 150 Arbeitstagen und im\nStreitjahr 2002 an rund 152 Arbeitstagen in beide Richtungen uberquert. Er hat\ndamit mehr als nur gelegentlich, wenn auch nicht taglich, was auch nicht\nerforderlich ist, die Grenze zur Schweiz in beide Richtungen uberquert. Mithin\nist von einem regelmaßigen Pendeln uber die Grenze auszugehen als **einer**\nnotwendigen Voraussetzung fur die Grenzgangereigenschaft des Klagers. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Entgegen den Angaben in der Aufstellung der Nichtruckkehrtage fur die\nStreitjahre (s. S. 5-7 des Tatbestandes) ist der Klager nicht an mehr als 60\nArbeitstagen im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz nicht an seinen\nWohnsitz zuruckgekehrt, weil die Nichtruckkehren in Zusammenhang mit den\nGeschaftsreisen in die Bundesrepublik Deutschland nicht bei der Berechnung der\nNichtruckkehrtage zu berucksichtigen sind. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| a) Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz entfallt die\nGrenzgangereigenschaft (nur) dann, wenn der Arbeitnehmer bei einer\nBeschaftigung wahrend des gesamten Kalen-derjahres (vgl. hierzu: Nr. II 3 des\nVerhandlungsprotokolls) an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner\nArbeitsausubung nicht an seinen Wohnsitz zuruckkehrt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| aa) Bei der Auslegung von Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens ist\nnicht nur auf deren Wortlaut (dem jedoch eine besondere Bedeutung zukommt:\nHenkel in: Gosch/Kroppen/Grotherr, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar,\nGrundlagen Rn. 23-25; Art. 31 Abs. 4 des Wiener Abkommens uber die Vertrage\nvom 23. Mai 1969 , BGBl II 1985, 926 ff -WÜRV-), sondern auch auf den\nsystematischen Zusammenhang (Henkel in:Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O.\nGrundlagen Rn. 26- 32; Art. 31 Abs. 2 und 3 WÜRV) und den Sinn und Zweck der\nauszulegenden Bestimmung abzustellen (BFH-Urteile vom 23. Februar 2005 I R\n13/04, BFH/NV 2005, 1241; vom 15. Juni 1973 III R 118/70, BStBl II 1973, 810;\nArt. 31 Abs. 1 WÜRV). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz ist -fur sich gesehen-\nkeine Einschrankung der Gestalt zu entnehmen, dass bei der Berechnung der mehr\nals 60 Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer auf Grund seiner Arbeitsausubung\nnicht an seinen Wohnsitz (im Ansassigkeitsstaat) zuruckgekehrt ist, die\nArbeitstage nicht zu berucksichtigen sind, an denen er seiner Arbeit im\nAnsassigkeitsstaat (hier: der Bundesrepublik Deutschland) nachgegangen ist.\nBetrachtet man den systematischen Zusammenhang des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-\nSchweiz mit der Bestimmung des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz, in dem zur\nGrenzgangereigenschaft ausgefuhrt wird, dass diese Person „ **von dort** "\n(dem Arbeitsort in dem anderen Vertragsstaat -demzufolge aus der Schweiz-)\nregelmaßig an ihren Wohnsitz zuruckkehrt sein muss, ist jedenfalls eine\nAuslegung nicht ausgeschlossen, Arbeitstage in der Bundesrepublik Deutschland\n(dem Ansassigkeitsstaat) nicht bei den Nichtruckkehren zu berucksichtigen,\nweil der Arbeitnehmer an diesen Tagen nicht „von dort" (also dem Arbeitsort in\ndem anderen Vertragsstaat -der Schweiz-) an seinen Wohnsitz im\nAnsassigkeitsstaat nicht zuruckgekehrt ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| bb) Jedenfalls gebietet der Sinn und Zweck der Grenzgangerregelung, die\nArbeitstage im Ansassigkeitsstaat des Arbeitnehmers nicht zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Sinn und Zweck der Bestimmung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz, dem\nTatigkeitsstaat (hier: der Schweiz) das Besteuerungsrecht zu geben, ist, dass\nder Staat des Arbeitsortes, der uber die Berucksichtigung der Lohnzahlung als\nBetriebsausgaben Steuerausfalle bei der Besteuerung des Arbeitgebers von\nGrenzgangern hinnehmen muss, zu diesem Verzicht nur bereit ist, wenn sich der\nArbeitnehmer nicht langere Zeit im Staat des Arbeitsortes aufhalt. Kehrt der\nArbeitnehmer auf Grund der Arbeitsausubung an mehr als 60 Arbeitstagen nach\nArbeitsende nicht zuruck, besteht eine besonders intensive Eingliederung in\ndie Arbeitsorganisation des Tatigkeitsstaates, weil bei einer Nichtruckkehr\n**von dort** (Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz), also aus dem\nTatigkeitsstaat und damit bei einem Verbleiben im Tatigkeitsstaat eine\nbesonders enge Verbindung zum Arbeitsort besteht (Mossner, Recht der\nInternationalen Wirtschaft -RIW- 2001, 433, 439). Der Arbeitnehmer, der in dem\nanderen Vertragsstaat seine Arbeit ausubt und jeweils nach Arbeitsende in den\nWohnsitzstaat zuruckkehrt, hat dagegen keine **engeren** **Bindungen** (BFH-\nUrteil vom 1. Marz 1963 VI 119/61 U, BStBl III 1963, 212) an den\nTatigkeitsstaat, die dessen Besteuerungsrecht rechtfertigen konnten. Er bleibt\ndem Lebenskreis des Wohnsitzstaates wie dort tatige Arbeitnehmer\neingegliedert, dem daher das Besteuerungsrecht fur die Einkunfte aus\nunselbstandiger Arbeit zukommt (BFH-Beschluss vom 16. Marz 1994 I B 186/93,\nBStBl II 1994, 696; Kamphasen/Buscher in: Struck/Kaminski/Kohler,\nAußensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 OECD-MA Rn. 261 und\n262). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Angesichts dieser Zielsetzung ware es aber nicht nur „seltsam" (s. Zuger in:\nGassner/Lang/Lechner/Schuch/Starunger [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der\nDoppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003, S. 177 [190]), fur einen Arbeitnehmer,\nder sich taglich an seinen Arbeitsort im Tatigkeitsstaat begibt und damit\nseine Tatigkeit ausschließlich in der Schweiz (als dem Tatigkeitsstaat)\nausubt, gleichwohl dem Wohnsitzstaat (Ansassigkeitsstaat) das\nBesteuerungsrecht fur die Einkunfte aus unselbstandiger Arbeit zuzuerkennen.\nDer Klager dagegen, der seine Beschaftigung in den Streitjahren an 76 Tagen\n(in 2001) und an 88 Tagen (in 2002) in der Bundesrepublik Deutschland ausgeubt\nhat, wurde aus der Grenzgangerbesteuerung des Wohnsitzstaates (der\nBundesrepublik Deutschland) fallen, obwohl er weniger intensiv in die\nArbeitsorganisation der Tatigkeitsstaates eingegliedert ist, weil er an den\nArbeitstagen in der Bundesrepublik Deutschland nicht seinen Arbeitsort in Z/CH\nund diesen demzufolge nicht taglich aufgesucht hat und er zudem andererseits\ndem Lebenskreis des Wohnsitzstaates (der Bundesrepublik Deutschland) mehr\nverhaftet ist (weil er seine Arbeitkraft auch dem Wohnsitzstaat gewidmet hat)\nals der Grenzganger, der seine Arbeit ausschließlich in der Schweiz verrichtet\nhat. Die -hierin deutlich werdende- engere Bindung an den Wohnsitzstaat\nrechtfertigt geradewegs nicht den Wegfall von dessen Besteuerungsrecht. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Auch soweit fur das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates hinsichtlich der\nEinkunfte aus unselbstandiger Arbeit von Grenzgangern als Grund angefuhrt\nwird, dass der Arbeitnehmer steuerlich nach den „Bedingungen seines taglichen\nLebens" behandelt werden soll, d.h. zuhause besteuert und mit anderen\nArbeitnehmern gleichbehandelt werden soll, die in unmittelbarer Nachbarschaft\nzum Grenzganger wohnen, jedoch im Inland arbeiten (Wassermeyer in:\nDebatin/Wassermeyer, a.a.O. MA Art. 15 Rn. 170a), sind Arbeitstage in der\nBundesrepublik Deutschland nicht bei der Berechnung von Nichtruckkehrtagen zu\nberucksichtigen. Der Grenzganger arbeitet an diesen Tagen genauso wie sein\nNachbar (der kein Grenzganger ist) im Inland. Demzufolge konnen solche\nArbeitstage nicht dazu fuhren, dass er nicht zuhause (in der Bundesrepublik\nDeutschland) besteuert wird. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Eine -von den zuvor dargelegten Erwagungen abweichende- Auslegung der\nGrenzgangerbestimmungen des DBA-Schweiz, dass eine Tatigkeit im\nAnsassigkeitsstaat dessen Besteuerungsrecht zum Wegfall bringen soll, kann\nsystematisch nicht begrundet werden (Sinz/Blanchard, Internationales\nSteuerrecht -IStR- 2003, 258, zu 2.2.1), bzw. wurde zu einem widersinnigen\nErgebnis fuhren (Kessler/Sinz/Achilles-Pujol, DBA-Kommentar\nDeutschland/Frankreich 2007, Art. 13 Einkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit ,\nS. 123 und 124 zu V. unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001\nI B 94/01, BFH/NV 2002, 479 -gleicher Auffassung wohl auch:\nGeiger/Hartmann/Alscher, IStR 1994, 9, 12 zu Tz. 3.3 unten-). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Der erkennende Senat weicht mit seiner zuvor dargelegten Auffassung,\ndass Geschaftsreisen in die Bundesrepublik Deutschland (in den\nAnsassigkeitsstaat des Arbeitnehmers) nicht bei Berechnung der\nNichtruckkehrtage im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zu\nberucksichtigen sind, von einer generellen Vereinbarung zwischen der deutschen\nFinanzverwaltung und der schweizerischen Eidgenossischen Steuerverwaltung ab\n(Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen, Schweiz-\nDeutschland, B 15 a.2 Nr. 21 unter Hinweis auf eine Verlautbarung der\nEidgenossischen Steuerverwaltung vom 16. Januar 2004; Kolb in:\nKorperschaftsteuer Internationales Steuerecht Doppelbesteuerung, Festschrift\nfur Wassermeyer, Munchen 2005, S. 757, 765 zu II. 2. b; Schreiben des\nBundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 19. September 1994 IV C 6 - S 1301\nSchz - 60/94, BStBl I 1994, 683, Tzn. 13 und 14 Satz 1). Hieraus ergeben sich\nkeine Bedenken. Verstandigungsvereinbarungen kommt keine unmittelbare\nGesetzeskraft zu. Sie dienen als Auslegungshilfe, wenn das in ihnen\ndargestellte Verhandlungsergebnis auch mit den Auslegungsregeln der\nallgemeinen Rechtslehre (Wassermeyer, Steuer und Wirtschaft, 1990, 404)\ngewonnen werden kann (BFH-Urteil vom 21. August 1996 I R 80/95, BStBl II 1997,\n134, mit weiteren Nachweisen; Hardt in: Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz\nArt. 26 Rn. 205 und 206, mit umfangreichen Nachweisen zur hochstrichterlichen\nRechtsprechung). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zur Vermeidung von\nWiederholungen wird auf die zuvor dargelegten Ausfuhrungen zu 2. Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die zuvor dargelegten Rechtsgrundsatze gelten auch dann, wenn die sich aus\nden allgemeinen Grundsatzen ergebende Auslegung (wie im vorliegenden Fall\ndurch den erkennenden Senat) im Zusammenhang mit der Praxis des anderen\nVertragsstaates (hier: der Schweiz) zu Schwierigkeiten fuhren kann (wovon\nausgegangen werden kann). Nur auf Grund einer gesetzlichen Regelung ware es\nmoglich, eine Bindungswirkung fur die (Finanz)Gerichte zu erreichen (BFH-\nUrteil vom 9. Oktober 1985 I R 128/80, BStBl II 1988, 810). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| 4\\. Nach den zuvor dargelegten Erwagungen ergibt sich eine hohere\nEinkommensteuer als diejenige, die in den angegriffenen Bescheiden (Hinweis\nauf den Bescheid vom 29. Dezember 2004 in Verbindung mit\nEinkommensteueranderungsbescheid vom 27. April 2004 -fur 2001- und auf den\nBescheid vom 29. Dezember 2004 in Verbindung mit dem Einkommensteuerbescheid\nvom 3\\. November 2004) vom FA festgesetzt wurde. Der Senat ist an einer\nhoheren Steuerfestsetzung wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren zu\nberucksichtigenden Verboserungsverbots gehindert (Verbot der reformatio in\npeius -Graber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl., 2006, §\n96 Rn. 5 mit umfangreichen Nachweisen zur hochstrichterlichen\nFinanzrechtsprechung). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 5\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung\n-FGO-. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 6\\. Die Revision war zuzulassen. Der Sache kommt grundsatzliche Bedeutung zu\n(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wegen der Rechtsfrage, ob Arbeitstage im\nAnsassigkeitsstaat des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Nichtruckkehrtage\nim Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zu berucksichtigen sind. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| 7\\. Um den Beteiligten ggf. einen zweiten Rechtsgang zu ersparen, weist der\nerkennende Senat vorsorglich (ohne Bindungswirkung fur das weitere Verfahren)\ndarauf hin, dass nach seiner Auffassung der Klager eine in Art. 15 Abs. 4 Satz\n1 DBA-Schweiz abschließend (Urteil des FG Munchen vom 23. Juli 2003 1 K\n1231/00 IStR 2004, 168) genannte Tatigkeit bzw. eine in Art. 15 Abs. 4 Satz 1\nDBA-Schweiz bestimmte Tatigkeit als leitender Angestellter (BFH-Beschluss vom\n12. September 2006 I B 27/06, BFH/NV 2007, 13 zu II. 4.) und zwar die eines\nDirektors im Sinne von Art. 718 Abs. 2 OR (BSK OR II-Watter Art. 718 Rn. 15;\nForstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 29 Rn. 47-61; dieselben, a.a.O., § 30\nRn. 91-98) mit einer Kollektivklausel (BSK OR II-Baudenbacher Art. 2 ff) in\nden Streitjahren ausgeubt hat (Hinweis auf die tatsachlichen und rechtlichen\nFeststellungen im Tatbestand zu S. 3 und 4 und auf die BFH-Entscheidungen vom\n19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, zu 2.; vom 8. April 1992 I R\n68/91, BFH/NV 1993, 295 zu II. 2.), und er im ubrigen dem BFH-Urteil in BFH/NV\n2007, 593 folgt. Die Ausfuhrungen im an den Senat gerichteten BMF-Schreiben\nvom 6. Juli 2007 entsprechen im wesentlichen den Erwagungen, die der BMF\nbereits im Revisionsverfahren zum Aktenzeichen I R 81/04 vorgebracht hat und\ndie dem erkennenden Senat vorliegen. \n---\n\n
160,008
olgstut-2008-06-05-7-u-2808
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
7 U 28/08
2008-06-05
2019-01-10 11:47:39
2019-02-12 12:21:09
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 16.\nZivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 11. Januar 2008 - 16 O 113/06 -\nwird mit der Maßgabe zuruckgewiesen, dass die Klage als unzulassig abgewiesen\nwird, soweit Versicherungsleistungen fur die Zeit vom 09. Mai 2008 bis 13.\nJanuar 2010 verlangt werden.\n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n3\\. Der Klager tragt die Kosten der Berufung.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert der Berufung: 16.667,00 EUR\n\n## Gründe\n\n| | **A.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen wegen\nArbeitsunfahigkeit aus einer im Zusammenhang mit dem Kauf eines Fahrzeugs\nabgeschlossenen Restkredit-Lebensversicherung mit Arbeitsunfahigkeits-\nZusatzversicherung. Am 30. Mai 2004 erlitt der damals 54 Jahre alte Klager als\nRadfahrer einen Unfall beim Zusammenstoß mit einem Pkw. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist der Auffassung, seit diesem Zeitpunkt wurden die\nVoraussetzungen fur eine bedingungsgemaße Arbeitsunfahigkeit vorliegen. Die\nBeklagte hat Leistungen (333,33 EUR monatlich) bis 31. Marz 2005 und die\nMonate September und Oktober 2005 erbracht. Fur die weiteren Zeitraume, in\ndenen der Klager Leistungen geltend macht, beruft sich die Beklagte auf\nLeistungsausschlusse wegen Vorliegens einer behandlungsbedurftigen psychischen\nErkrankung bzw. von Berufs- oder Erwerbsunfahigkeit. \n--- \n| 3 \n--- \n| § 6 f der vereinbarten Allgemeinen Bedingungen fur die Arbeitsunfahigkeits-\nZusatz-versicherung zur Restkredit-Lebensversicherung (Anl. K 1) lautet: \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \n| „Der Versicherer leistet nicht, wenn der Versicherungsfall verursacht ist\n... \n--- \n| f) durch eine Arbeitsunfahigkeit infolge einer behandlungsbedurftigen\npsychischen Erkrankung;" \n--- \n| 5 \n--- \n| § 4 Abs. 4 lit. c lautet: \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n| „Der Anspruch auf Arbeitsunfahigkeitsrente erlischt, ... \n--- \n| c) wenn der Versicherungsnehmer unbefristet berufs- oder erwerbsunfahig\nwird;". \n--- \n| 7 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen\nUrteils Bezug genommen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, weil die\nArbeitsunfahigkeit des Klagers durch eine behandlungsbedurftige psychische\nErkrankung verursacht worden sei, weshalb zu Gunsten der Beklagten der\nvereinbarte Leistungsausschluss in § 6 lit. f der Allgemeinen\nVersicherungsbedingungen fur die Restkredit-Lebensversicherung (AVB) greife.\nFur diese Zeitraume konne die krankhafte Storung nur mit ihrer psychogenen\nNatur erklart werden; die Arbeitsunfahigkeit beruhe nicht auf einer\nhirnorganischen Beeintrachtigung, in deren Folge sich erst die Psyche\nkrankhaft verandere. \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen die Klagabweisung wendet sich der Klager mit dem Rechtsmittel der\nBerufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach\ndie noch anhaltende psychische Erkrankung Folge einer hirnorganischen\nSchadigung sei. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| das angefochtene Urteil abzuandern und die Beklagte zu verurteilen, \n--- \n| 12 \n--- \n| 1\\. an den Klager 2.666,66 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten\nuber dem Basiszinssatz seit 01. Marz 2006 zu zahlen; \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. a) an die C.-Bank AG, M. mit Wirkung ab 01.04.2006 fur die Dauer der ab\ndiesem Zeitpunkt luckenlos nachgewiesenen Arbeitsunfahigkeit, langstens bis\n13. Januar 2010, monatlich 333,33 EUR zu bezahlen, fallig jeweils zum Ersten\neines Monats, bei Zahlungsverzug zu verzinsen mit jeweils 5 Prozentpunkten\nuber dem Basiszinssatz; \n--- \n| 14 \n--- \n| b) hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die\nvorstehend lit. 2 a) bezeichneten Leistungen zu erbringen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen des weiteren schriftsatzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat hat den Sachverstandigen Prof. Dr. F. erganzend gehort. Wegen der\nEinzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08. Mai 2008 (Bl. 180 ff\nd.A.) verwiesen. \n--- \n**B** \n--- \n| 19 \n--- \n| Die zulassige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. \n--- \n**I.** \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klage ist unzulassig, soweit der Klager mit dem Klagantrag Nr. 2 a\nVersicherungsleistungen fur die Zeit nach Schluss der mundlichen Verhandlung\nvor dem Senat (08. Mai 2008) geltend macht. Die besonderen\nZulassigkeitsvoraussetzungen des § 258 ZPO liegen nicht vor, insbesondere ist\ndie Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Arbeitsunfahigkeitsrente\nnicht allein vom Zeitablauf abhangig (BGH NJW 1986, 3142), sondern vom\n(Fort-)Bestand bedingungsgemaßer Arbeitsunfahigkeit. Dabei handelt es sich um\neinen grundsatzlich ungewissen, veranderlichen Zustand, uber den sich\ngrundsatzlich nur schwer verlassliche Prognosen stellen lassen. Von daher\nunterscheidet sich die vorliegend geltend gemachte Versicherungsleistung von\nBerufs-unfahigkeits- oder Invaliditatsrenten, die jeweils eine\nLeistungseinschrankung auf Dauer (vgl. §§ 2 Abs. 1 BUZ und 7 Abs. 1 AUB 94)\nvoraussetzen. Im Falle der Anerkennung oder Feststellung der Leistungspflicht\ndes Versicherers ist diese nur noch vom Zeitablauf abhangig, es sei denn, ein\nbesonderes Nachprufungsverfahren (§ 7 BUZ) fuhrt zu einer anderen Beurteilung. \n--- \n| 21 \n--- \n| Unzulassig ist auch der hilfsweise gestellte Antrag (Nr. 2 b), soweit er auf\ndie Feststellung einer zukunftigen Leistungspflicht gerichtet ist.\nGrundsatzlich sind der Klarung durch eine Feststellungsklage nur gegenwartige\nRechtsverhaltnisse zuganglich. Fur die Erstattungspflicht in der\nKrankheitskostenversicherung hat der Bundesgerichtshof (VersR 2006, 535) eine\nAusnahme in Fallen zugelassen, in denen der Versicherungsnehmer mit Vorlage\neines Heil- und Kostenplans dargelegt hat, dass die darin vorgeschlagene\nBehandlung aus arztlicher Sicht erforderlich ist. Damit ist die vorliegende\nFallgestaltung in der Zukunft liegender Leistungen fur Zeitraume der\nArbeitsunfahigkeit nicht vergleichbar. \n--- \n**II.** \n--- \n| 22 \n--- \n| Dem Landgericht ist zu folgen, soweit es dem Klager weitere Anspruche auf\neine Arbeitsunfahigkeitsrente versagt hat. \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Zwar ist nach den Feststellungen des Sachverstandigen Prof. Dr. F. davon\nauszugehen, dass der Klager bis zum Schluss der mundlichen Verhandlung\narbeitsunfahig war. Die Arbeitsunfahigkeit beruht jedoch auf einer\nbehandlungsbedurftigen psychischen Erkrankung, weshalb sich die Beklagte zu\nRecht auf den Ausschlusstatbestand in § 6 lit. f AVB berufen kann. \n--- \n| 24 \n--- \n| a) Die Klausel ist weder uberraschend noch intransparent. Sie halt einer\nInhaltskontrolle nach § 307 BGB Stand (OLG Karlsruhe MDR 2008, 267 mit\nzustimmender Anmerkung Rixecker ZfS 2008, 162). \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Risikoausschlussklauseln sind eng auszulegen. Sie durfen nicht weiter\nausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen\nZwecks und der gewahlten Ausdrucksweise erfordern (standige Rechtsprechung,\nz.B. BGH VersR 1995, 162). Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob der\nvorgenannte Ausschluss nur zum Tragen kommt, wenn die Arbeitsunfahigkeit\nausschließlich oder ganz uberwiegend auf einer psychischen Gesundheitsstorung\nberuht und keine Anwendung findet bei einer Mitursachlichkeit von\nunbedeutenden psychischen oder nervosen Storungen, die fur sich alleine nicht\ngeeignet sind, eine Arbeitsunfahigkeit herbeizufuhren (OLG Schleswig RuS 2005,\n119) oder ob es naher liegt - wie auch vom Landgericht angenommen -, eine\nParallele zu dem Ausschlusstatbestand in § 2 Abs. 4 AUB 94 zu ziehen. Dieser\nAusschlusstatbestand erfasst Gesundheitsschadigungen infolge psychischer\nReaktionen, die sowohl auf Einwirkung von außen uber Schock, Schreck, Angst\noder Ähnliches erfolgen, als auch auf unfallbedingter Fehlverarbeitung beruhen\n(BGH VersR 2003, 634). Fehlt es an einem korperlichen Trauma oder kann die\nkrankhafte Storung des Korpers nur mit ihrer psychogenen Natur erklart werden,\nwill der Versicherer keinen Versicherungsschutz ubernehmen. Andererseits soll\nVersicherungsschutz bestehen, wenn durch einen Unfall beispielsweise eine\nhirnorganische Schadigung verursacht wird, was dann die Psyche des\nGeschadigten krankhaft verandert. Die organische Schadigung oder Reaktion, die\nzu einem psychischen Leiden fuhrt, vermag den Ausschlusstatbestand nicht\nauszulosen (BGH VersR 2004, 1039 und 1449). \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach den auch aus Sicht des Senats uberzeugenden schriftlichen und\nmundlichen Ausfuhrungen des Sachverstandigen Prof. Dr. F. beruhte die\nArbeitsunfahigkeit des Klagers in den Zeitraumen, fur welche er zusatzliche\nLeistungen geltend macht, ausschließlich auf psychischen Gesundheitsstorungen.\nDiese psychischen Beeintrachtigungen beruhen nicht auf einer organischen\nSchadigung. \n--- \n| 27 \n--- \n| c) Die dagegen von der Berufung wiederholten Einwendungen bleiben ohne\nErfolg. \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Sachverstandige hat den vorgelegten Arztberichten entnommen, dass der\nKlager bei dem Unfall am 30. Mai 2004 ein leichtes Schadelhirntrauma erlitten\nhat. Fur eine Contusio cerebri (gedecktes mittelschweres oder schweres\nSchadelhirntrauma) fanden sich weder klinisch noch im Rahmen der Bildgebung\nAnhaltspunkte. Der Sachverstandige hat in der mundlichen Verhandlung vor dem\nSenat nochmals dargelegt, warum die von den behandelnden Ärzten zunachst\ngestellte Diagnose „Contusio cerebri" durch die tatsachlichen Befunde nicht\nschlussig gestutzt werden kann. So wurden klinische Symptome einer Contusio\ncerebri fehlen. Auch die Einordnung der Befunde in die sog. Glasgow-Coma-Scale\nergebe, dass beim Klager lediglich ein leichtes Schadelhirntrauma vorgelegen\nhabe. Auch die Bildgebung - Computertomogramm - zeige lediglich Normalbefunde\nund nicht solche, die bei einer Contusio cerebri zu erwarten gewesen waren.\nHirnorganische Beeintrachtigungen, die die Psyche des Klagers krankhaft\nverandert haben konnten, hat der Sachverstandige verneint. \n--- \n| 29 \n--- \n| Weiter hat der Sachverstandige nachvollziehbar dargelegt, dass beim Klager\neine psychische Reaktion auf die Tatsache des Unfalls vorliege, nicht eine\npsychische Reaktion ausgelost durch die Gehirnerschutterung als organischer\nErkrankung (vgl. auch OLG Brandenburg VersR 2006, 1251 zum Fall einer\nposttraumatischen Belastungsstorung). Der Klager, so der Sachverstandige\nweiter, reagiere auf Belastungen mit einer depressiven Symptomatik. Die\nDepression ware auch bei einer isolierten beruflichen Belastung\n(Arbeitsplatzverlust) eingetreten. Die Interpretation einer Neigung zu\ndepressivem Verhalten ziehe sich durch die klinischen Befunde der stationaren\nAufenthalte des Klagers hindurch. Anhaltspunkte dafur seien bereits dem\nBericht uber die erste stationare Behandlung nach dem Unfall im Klinikum Sch.\nG. im Juni 2004 zu entnehmen. Weiter weist der Sachverstandige auf die\narztlichen Berichte uber die Aufenthalte in der Schlossklinik B. B. (Juli\n2005) und Reha-Zentrum B. O. (Juli 2007) hin, wo jeweils von einer Tendenz zur\nSomatisierung und der hohen narzisstischen Krankbarkeit des Klagers gesprochen\nwerde. Diese Einschatzung decke sich mit den vom Sachverstandigen im Rahmen\nder eigenen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnissen. Entgegen der Auffassung\ndes Klagers liegen hinreichende Anknupfungstatsachen fur die Schlussfolgerung\ndes Sachverstandigen vor. Sie hat nicht zwingend zur Voraussetzung, dass der\nKlager auch schon vor dem Unfall am 30. Mai 2004 psychisch auffallig gewesen\nsein musste. Als ein maßgeblich negativ auf die psychische Situation des\nKlagers einwirkendes Ereignis hat der Sachverstandige nachvollziehbar den\nVerlust des Arbeitsplatzes des Klagers im Sommer 2004 angesehen. Ohne Erfolg\nbleibt deshalb die Ruge des Klagers, es fehle an hinreichenden Feststellungen\nzu seinem psychischen Zustand vor dem Unfall. \n--- \n| 30 \n--- \n| 2\\. Da der Leistungsausschluss in § 6 lit. f AVB zu Gunsten der Beklagten\ngreift, kann dahinstehen, ob sie auch deshalb leistungsfrei wurde, weil der\nKlager unbefristet berufs- oder erwerbsunfahig im Sinne von § 4 Abs. 4 lit. c\nAVB wurde, was sein Vortrag nahe legen konnte, er habe ab dem 01.08.2006\nlaufende Rente wegen „voller Erwerbsminderung" aus der gesetzlichen\nRentenversicherung erhalten. \n--- \n**III.** \n--- \n| 31 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor.\nEntscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsatzlicher Bedeutung wirft die\nRechtssache nicht auf. \n--- \n**IV.** \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. \n---\n\n
193,710
ovgrlp-2008-10-31-10-a-1085108
910
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
ovgrlp
Rheinland-Pfalz
Verwaltungsgerichtsbarkeit
10 A 10851/08
2008-10-31
2019-02-12 09:26:57
2019-02-12 14:03:08
Urteil
ECLI:DE:OVGRLP:2008:1031.10A10851.08.0A
\n \n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\nAuf die Berufung des Klagers wird unter Abanderung des Urteils des\nVerwaltungsgerichts Koblenz vom 12. Marz 2008 die Verfugung des Beklagten vom\n23. August 2007 aufgehoben.\n\n \n\n \n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszuge.\n\n \n\n \n\nDas Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n\n \n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Klager wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner in Polen\nerworbenen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer im Jahr 1970 geborene Klager ist deutscher Staatsangehoriger. Er erlangte\nerstmals im Jahr 1988 eine deutsche Fahrerlaubnis der Klasse 3. Diese wurde\nihm durch Strafbefehl des Amtsgerichts Dieburg vom 20. Mai 1996 wegen zweier\nam 19. Januar 1996 begangener fahrlassiger Trunkenheitsfahrten nebst\nFahrerflucht bei einer nachtraglich festgestellten Blutalkoholkonzentration\nvon 1,23 %o unter Verhangung einer siebenmonatigen Wiedererteilungssperre\nentzogen. Nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Klasse 3 im Jahr 1997 und\nderen Erweiterung auf die Klassen 2, 4 und 5 im Jahr 1998 entzog das\nAmtsgericht Aschaffenburg diese dem Klager mit Strafbefehl vom 22. November\n2001 wegen einer am 30. Oktober 2001 begangenen neuerlichen fahrlassigen\nTrunkenheitsfahrt bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,34 %o unter\nVerhangung einer zehnmonatigen Wiedererteilungssperre. Ein vom Klager im Jahr\n2004 angestrengtes Wiedererteilungsverfahren scheiterte, weil er das von der\nFahrerlaubnisbehorde geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht\nvorlegte.\n\n \n\n3\n\n \n\nAm 21. Dezember 2006 erwarb der Klager in Polen uber die Firma „M. mit Sitz in\nB. eine polnische Fahrerlaubnis der Klasse B; in dieser wurde als sein\nWohnsitz Stettin eingetragen. Nachdem der Beklagte erfahren hatte, dass der\nKlager mit dieser Fahrerlaubnis am motorisierten Straßenverkehr im\nBundesgebiet teilnahm, und festgestellt hatte, dass dieser seit dem 3. Juni\n2004 ununterbrochen in seinem Zustandigkeitsbereich gewohnt hatte, bat er das\nKraftfahrtbundesamt, wegen der Einzelheiten dieses Fuhrerscheinerwerbs bei der\npolnischen Fahrerlaubnisbehorde nachzufragen. Außerdem forderte er unter dem\n31. Juli 2007 den Klager gemaß § 13 Nr. 2 b und 11 Abs. 3 Nr. 5 b der\nFahrerlaubnis-Verordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen\nGutachtens auf, wobei er ihm zur Vorlage seiner diesbezuglichen\nEinverstandniserklarung eine Frist bis zum 19. August 2007 setzte. Zur\nBegrundung fuhrte der Beklagte aus, dass der Klager bei dem Erwerb der\npolnischen Fahrerlaubnis vor dem Hintergrund seiner wiederholten\nTrunkenheitsfahrten sowie angesichts des damit verbundenen Verstoßes gegen das\neuroparechtlich vorgeschriebene Wohnsitzprinzip und des offensichtlichen\nVerschweigens des Umstandes, dass ihm im Bundesgebiet wegen nicht ausgeraumter\nEignungsbedenken keine Fahrerlaubnis hatte erteilt werden konnen,\nrechtsmissbrauchlich gehandelt habe. Damit sei der Klager nicht berechtigt,\nmit seiner polnischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet ein Kraftfahrzeug zu\nfuhren, bzw. jedenfalls aber gehalten, die weiterhin gegen seine Fahreignung\nbestehenden Bedenken durch die Vorlage eines entsprechenden Eignungsnachweises\nauszuraumen. Sollte er der Anordnung keine Folge leisten, bestehe Grund zu der\nAnnahme, dass er Eignungsmangel zu verbergen habe, weswegen ihm sodann gemaß §\n11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung das Recht aberkannt wurde, von der\npolnischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet weiterhin Gebrauch zu machen.\nAllerdings konne von der Untersuchung abgesehen werden, sofern der Klager\ninnerhalb der genannten Frist eine Bescheinigung der polnischen\nAusstellungsbehorde vorlege, wonach er ihr gegenuber die in der Bundesrepublik\nbestehenden Eignungsbedenken bzw. seine Alkoholproblematik aufgedeckt habe und\ndeshalb arztlich untersucht worden sei.\n\n \n\n4\n\n \n\nNachdem der Klager weder die geforderte Einverstandniserklarung noch die ihm\nanheimgegebene Bescheinigung fristgerecht vorlegte, entzog ihm der Beklagte\nmit Verfugung vom 23. August 2007 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung\ndie polnische Fahrerlaubnis mit der Folge der Aberkennung des Rechts, von\ndieser weiterhin in der Bundesrepublik Gebrauch zu machen. Zur Begrundung\nwiederholte er im Wesentlichen seine schon im Zusammenhang mit der\nUntersuchungsanordnung dargelegten Grunde. Zugleich wies er darauf hin, dass\nder Verfugung auch nicht etwa der Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 der\nFuhrerscheinrichtlinie 91/439/EWG, wie er vom Europaischen Gerichtshof\nentwickelt worden sei, entgegenstehe, da der Klager sich bei dem Erwerb der\npolnischen Fahrerlaubnis rechtsmissbrauchlich verhalten habe.\n\n \n\n5\n\n \n\nGegen diese Verfugung legte der Klager am 4. September 2007 Widerspruch ein,\nuber den bislang nicht entschieden wurde. Ein von ihm außerdem gestellter\nAntrag auf Aussetzung deren sofortiger Vollziehung blieb in beiden Instanzen\nohne Erfolg (vgl. dazu Beschluss des Senates vom 18. Dezember 2007 - 10 B\n11101/07.OVG -).\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Klager hat unter dem 7. Januar 2008 Untatigkeitsklage erhoben. Zur\nBegrundung hat er geltend gemacht: Der in der Fuhrerscheinrichtlinie\nverankerte Anerkennungsgrundsatz stelle in seiner Ausformung durch den\nEuropaischen Gerichtshof gleichsam den Schlussstein der europaischen\nHarmonisierungsbestrebungen auf dem Gebiet des Fahrerlaubnisrechts dar. Er\nkonne mithin weder unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit noch unter\nNutzbarmachung des Missbrauchsgedankens in Frage gestellt werden. Überdies\nhabe auch der Europaische Gerichtshof durchaus gesehen, dass es derartige\nMissbrauchsfalle gebe; er habe insofern jedoch deutlich gemacht, dass dem\nMissbrauch dort zu begegnen sei, wo er stattfinde, also bei den ausstellenden\nBehorden. Offenbar sehe auch der Beklagte selbst das ahnlich, da er ihm\nandernfalls sofort die Fahrerlaubnis entzogen hatte, statt ihm zuerst noch die\nAusraumung etwaiger fortbestehender Eignungszweifel mittels einer Begutachtung\nzu ermoglichen. Dessen ungeachtet seien diese Zweifel aber auch in der Sache\nnicht begrundet. Seine letzte Trunkenheitsfahrt liege inzwischen sechs Jahre\nzuruck; uberdies habe er unterdessen mit seinem polnischen Fuhrerschein etwa\nacht Monate im Bundesgebiet am motorisierten Straßenverkehr teilgenommen, ohne\nsich etwas zu Schulden kommen zu lassen. Auch die Verletzung des\nWohnsitzprinzips gebe dem Beklagten kein Überprufungsrecht. Tatsachlich habe\ner selbst gegenuber der polnischen Behorde nichts verschwiegen; diese habe von\nseiner fruheren deutschen Fahrerlaubnis gewusst, wie sie vermutlich sogar sein\nFuhrerscheinregister gekannt habe.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Klager hat beantragt,\n\n8\n\n \n\nden Bescheid vom 23. August 2007 aufzuheben.\n\n9\n\n \n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n10\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n11\n\n \n\nZur Begrundung hat er uber die Grunde des angefochtenen Bescheides hinaus\nvorgetragen: Die vom Klager angefuhrte Rechtsprechung des Europaischen\nGerichtshofes sei auf den vorliegenden Fall nicht ubertragbar, rechne dieser\ndoch zu den unter dem Schlagwort des „Fuhrerscheintourismus" zusammengefassten\nFallen des Rechtsmissbrauchs; in diesen gehe es den Betreffenden nicht um das\nGebrauchmachen von europaischen Freizugigkeitsrechten, sondern allein darum,\nohne erkennbare Bindung zum Ausstellerstaat lediglich die Unzulanglichkeiten\nim innereuropaischen Informationsaustausch auszunutzen, um so die\nfahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften des Heimatstaates zu umgehen.\n\n \n\n12\n\n \n\nDiese Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12. Marz 2008\nabgewiesen. In den Entscheidungsgrunden ist ausgefuhrt: Die Klage sei als\nUntatigkeitsklage zulassig, aber nicht begrundet. Die gegenuber dem Klager\nangeordnete Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei\nangesichts der in § 28 Abs. 1 Satz 3 bzw. Abs. 4 Nr. 3, Abs. 5 der\nFahrerlaubnis-Verordnung enthaltenen Regelungen nach dem deutschen\nFahrerlaubnisrecht ebenso wenig zu beanstanden wie die nachfolgende auf § 3\nAbs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes und § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-\nVerordnung i.V.m. § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung gestutzte\nEntziehungsverfugung. Das Vorgehen des Beklagten verstoße auch nicht gegen den\nvom Europaischen Gerichtshof entwickelten europarechtlichen\nAnerkennungsgrundsatz; dieser komme vorliegend nicht zur Anwendung, da sich\nder Klager bei dem Erwerb der polnischen Fahrerlaubnis rechtsmissbrauchlich\nverhalten habe. Zwar verwehrten fur sich genommen weder der Verstoß gegen das\neuroparechtlich vorgesehene Wohnsitzerfordernis noch der Umstand, dass ein\nBurger den leichteren Zugang zur Erlangung einer Fahrerlaubnis in einem\nanderen EU-Land nutze, die Berufung auf den Anerkennungsgrundsatz. Indessen\nkomme hier hinzu, dass dem Klager die Fahrerlaubnis im Bundesgebiet angesichts\nzweimaliger Entziehung wegen Trunkenheitsfahrten ohne positive Begutachtung\nnicht wieder erteilt worden ware und dass er diese Vorgeschichte gegenuber der\npolnischen Fahrerlaubnisbehorde ersichtlich nicht aufgedeckt habe. Sodann habe\ner diese Behorde aber auch daruber getauscht, dass er sich an sie ohne\ntatsachliche Wohnsitznahme in Polen lediglich zum Zwecke der Wiedererlangung\neines Fuhrerscheins zu dessen ausschließlicher Nutzung im Bundesgebiet gewandt\nhabe. Damit greife zweifelsohne der Missbrauchsgedanke Platz, der allen\nRechtsordnungen immanent sei. Er gelte auch im EU-Recht, wie sich daran zeige,\ndass in die 3. EU-Fuhrerscheinrichtlinie (RL 2006/126/EG) nunmehr eine\nentsprechende Missbrauchsregelung sogar ausdrucklich aufgenommen worden sei;\ndies belege, dass die Eindammung des „Fuhrerscheintourismus" aus\neuroparechtlicher Sicht gewunscht werde.\n\n \n\n13\n\n \n\nGegen dieses Urteil hat der Klager die vom Senat zugelassene Berufung\neingelegt. Zur Begrundung macht er in Erganzung seines bisherigen Vorbringens\ngeltend: Der Europaische Gerichtshof habe in Fortfuhrung seiner bisherigen\nRechtsprechung in seinen diesbezuglich ergangenen jungsten Entscheidungen vom\n26. Juni 2008 abermals bekraftigt, dass die Fahrerlaubnisbehorden des\nAufnahmemitgliedstaates grundsatzlich keine Kompetenz hatten, die Entscheidung\ndes ausstellenden Mitgliedstaates zu uberprufen oder gar außer Kraft zu\nsetzen. Eine solche Vorgehensweise verstoße gegen den europarechtlichen\nGesichtspunkt des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten wie\nauch gegen das Souveranitatsprinzip. Soweit der Europaische Gerichtshof\nAusnahmen zulasse, wenn sich aus unbestreitbaren Informationen aus dem\nAusstellermitgliedstaat oder aus der Fahrerlaubnis selbst eine Verletzung des\nWohnsitzprinzips ergebe, seien diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfullt.\nIn Sonderheit seien sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Entziehungsverfugung\nnicht erfullt gewesen; damit musse auch der nachtragliche Versuch des\nBeklagten, vielleicht doch noch derartige unbestreitbare Informationen aus\nPolen beizubringen, als untauglich angesehen werden.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n15\n\n \n\nunter Abanderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 12. Marz 2008\nden Bescheid des Beklagten vom 23. August 2007 aufzuheben.\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n \n\n18\n\n \n\nZur Begrundung verweist er noch darauf, dass sich der Europaische Gerichtshof\nauch in seinen jungsten Entscheidungen nicht zum Missbrauchgedanken geaußert\nhabe; vielmehr habe er erneut die Falle unberucksichtigt gelassen, in denen\nsich die Betreffenden - wie vorliegend der Klager - von einem anderen EU-Staat\nohne Ausubung ihrer Grundfreiheiten unter bewusster Umgehung der\nheimatstaatlichen Eignungsvorschriften eine Fahrerlaubnis hatten ausstellen\nlassen. Erkennbar habe der Klager im Zusammenhang mit dem Erwerb seiner\npolnischen Fahrerlaubnis dem erforderlichen Wohnsitzerfordernis nicht einmal\nansatzweise genugt. Unterdessen habe die polnische Fahrerlaubnisbehorde auf\ndie diesbezugliche Anfrage des Kraftfahrtbundesamtes mitgeteilt, dass der\nKlager nunmehr von der dortigen Polizei uberpruft werde und der Vorgang bei\nder Staatsanwaltschaft liege, weswegen sie vor dem Abschluss dieses Verfahrens\nkeine Entscheidung treffen konne.\n\n \n\n19\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nSchriftsatze der Beteiligten, die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten\nsowie auf die Gerichtsakten des vorangegangenen Aussetzungsverfahrens (10 B\n11101/07.OVG) verwiesen. Die genannten Vorgange waren Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n20\n\n \n\nDie zulassige Berufung des Klagers fuhrt in der Sache zum Erfolg. Das\nVerwaltungsgericht hatte der zulassigerweise als Untatigkeitsklage erhobenen\nAnfechtungsklage gegen die Verfugung des Beklagten vom 23. August 2007\nstattgeben mussen, da sich diese - anders als auch vom Senat selbst noch im\nvorausgegangenen Aussetzungsverfahren angenommen - als rechtswidrig erweist\nund den Klager in seinen Rechten verletzt.\n\n \n\n21\n\n \n\nDer Beklagte hat als Rechtsgrundlage fur die in der Verfugung in erster Linie\nausgesprochene Entziehung der polnischen Fahrerlaubnis des Klagers § 3 Abs. 1\nSatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der Fassung vom 5. Marz 2003\n(BGBl. I S. 310) mit nachfolgenden Änderungen sowie § 46 Abs. 1 der\nFahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) mit\nnachfolgenden Änderungen herangezogen. Dabei hat er den Klager gemaß § 11 Abs.\n8 FeV deshalb als ungeeignet zum Fuhren von Kraftfahrzeugen angesehen, weil\ndieser das von ihm wegen bestehender Eignungszweifel geforderte medizinisch-\npsychologische Gutachten bzw. die ersatzweise verlangte Bescheinigung der\npolnische Fahrerlaubnisbehorde nicht fristgerecht vorgelegt hatte. Damit\nbezweckte der Beklagte gemaß § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG bzw. § 46 Abs. 5 Satz 2\nFeV die Wirkung einer Aberkennung des Rechts des Klagers, von seiner\nFahrerlaubnis weiterhin im Inland Gebrauch zu machen.\n\n \n\n22\n\n \n\nDabei kann dahinstehen, inwieweit sich die solchermaßen verfugte\nFahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts als\nrechtmaßig erweist. Bedenken konnten hiergegen deshalb bestehen, weil der\nKlager mit der von ihm in Polen erworbenen Fahrerlaubnis bereits kraft\nGesetzes nach Maßgabe der § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV im Bundesgebiet von Anfang an\nohnehin kein Kraftfahrzeug hatte fuhren durfen, nachdem ihm hier seine\ndeutsche Fahrerlaubnis von einem Gericht entzogen worden war. Ebenso kann\ndahinstehen, inwieweit der Beklagte vor diesem Hintergrund dennoch etwa zu\nGunsten des Klagers von einer diesen zumindest einstweilen auch zum Fuhren von\nKraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigenden EU-Fahrerlaubnis hatte ausgehen\nkonnen, um ihm sodann wegen der bestehenden Eignungszweifel auf der Grundlage\ndes § 28 Abs. 1 Satz 3 FEV oder aber gegebenenfalls auch auf der des § 28 Abs.\n5 Satz 3 FeV die Vorlage des in Rede stehenden Gutachtens aufzugeben.\n\n \n\n23\n\n \n\nGleichfalls bedarf schließlich keiner Vertiefung, dass sich die angefochtene\nVerfugung auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts gemaß § 28 Abs. 4 Nr.\n3 FeV bzw. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 und 2 FeV jedenfalls insoweit\nals rechtmaßig erweist, als sie konkludent die Feststellung enthalt, dass der\nKlager von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet keinen Gebrauch\nmachen darf, und als sie diesem deshalb die Vorlage seines polnischen\nFuhrerscheins zur Eintragung des Vermerks „Fahrerlaubnis gilt nicht in der\nBundesrepublik Deutschland" aufgibt (vgl. dazu Hentschel,\nStraßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 28 FeV, Rdnr. 12 sowie VGH Mannheim,\nBeschl. vom 17. Juli 2008 - 10 S 1688/08 -).\n\n \n\n24\n\n \n\nDiese Fragen konnen vorliegend deshalb offen bleiben, weil die angefuhrten\nBestimmungen des deutschen Rechts in der Gestalt des § 28 Abs. 1 Satz 3, Abs.\n4 Nr. 3 und Abs. 5 FeV nicht im Einklang mit dem vom Europaischen Gerichtshof\nin Auslegung der Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 sowie 8 Abs. 2 und 4 der\neuroparechtlichen Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 uber den\nFuhrerschein (ABl. Nr. L 237/1) - RiL 91/439/EWG - entwickelten\nAnerkennungsgrundsatz stehen und weil sich der Klager zudem - anders als vom\nSenat insofern im Aussetzungsverfahren noch angenommen - auch auf diesen\nAnerkennungsgrundsatz berufen kann. Der Senat halt mit Blick auf die\nWeiterfuhrung der diesbezuglichen Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs\nin seinen jungsten Urteilen vom 26. Juni 2008 - C-329/06 (Wiedemann), C-343/06\n(Funk) sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u. a.) - (BA 2008, S. 255, DAR\n2008, S. 459) an seiner bisherigen Rechtsprechung zum „Rechtsmissbrauch" in\nFallen der vorliegenden Art nicht mehr fest.\n\n \n\n25\n\n \n\nNach der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs sieht Art. 1 Abs. 2 RiL\n91/439/EWG die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten der EU\nausgestellten Fuhrerscheine ohne jede Einschrankung vor. Diese Bestimmung\nerlegt den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die\nkeinen Ermessenspielraum auf Maßnahmen einraumt, die zu erlassen sind, um\ndieser Verpflichtung nachzukommen. Demnach darf der Aufnahmestaat die\nAnerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fuhrerscheins\nweder von irgendeiner Formalitat abhangig machen noch den Inhaber eines\nsolchen Fuhrerscheins verpflichten, dessen Anerkennung zu beantragen. Es ist\nallein Aufgabe des Ausstellermitgliedstaates zu prufen, ob die im\nGemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere\ndiejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung erfullt sind, und\nob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Der Besitz\neines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Fuhrerscheins ist damit zugleich\nals Nachweis dafur anzusehen, dass dessen Inhaber am Tag der Erteilung diese\nVoraussetzungen erfullte. Auch der Umstand, dass ein Mitgliedstaat eine\nstrengere arztliche Untersuchung als die in der Richtlinie beschriebenen\nvorsehen kann, beruhrt daher nicht dessen Verpflichtung, die Fuhrerscheine\nanzuerkennen, die die anderen Mitgliedstaaten entsprechend der Richtlinie\nausgestellt haben.\n\n \n\n26\n\n \n\nDaraus folgt fur den Europaischen Gerichtshof weiter, erstens, dass ein\nAufnahmemitgliedstaat, der die Erteilung einer Fahrerlaubnis insbesondere nach\ndem Entzug eines fruheren Fuhrerscheins von strengeren nationalen\nVoraussetzungen abhangig macht, die Anerkennung eines zu einem spateren\nZeitpunkt von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fuhrerscheins nicht\nmit der Begrundung ablehnen kann, dass der Inhaber diesen neuen Fuhrerschein\ngemaß einer Regelung erlangt hat, die nicht dieselben Anforderungen aufstellt,\nwie sie der Aufnahmestaat vorsieht. Zweitens verbietet der Grundsatz der\ngegenseitigen Anerkennung der Fuhrerscheine, dass ein Aufnahmemitgliedstaat\ndie Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten\nFuhrerscheins mit der Begrundung ablehnt, der Inhaber habe nach vom\nAufnahmemitgliedstaat stammenden Informationen zum Zeitpunkt der Ausstellung\ndes Fuhrerscheins die Voraussetzungen fur dessen Erlangung nicht erfullt. Da\ndie Richtlinie 91/439 dem Ausstellermitgliedstaat die ausschließliche\nZustandigkeit verleiht, sich zu vergewissern, dass die von ihm ausgestellten\nFuhrerscheine unter Beachtung der in dieser Richtlinie vorgesehenen\nVoraussetzungen erteilt werden, ist es ebenfalls allein dessen Sache,\ngeeignete Maßnahmen in Bezug auf diejenigen Fuhrerscheine zu ergreifen, bei\ndenen sich nachtraglich herausstellt, dass ihre Inhaber diese Voraussetzungen\nnicht erfullten. Hat ein Aufnahmemitgliedstaat dennoch triftige Grunde, die\nOrdnungsmaßigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten\nFuhrerscheins zu bezweifeln, so hat er dies dem anderen Mitgliedstaat im\nRahmen der gegenseitigen Unterstutzung und des Informationsaustauschs\nmitzuteilen bzw. kann er - falls von dessen Seite geeignete Maßnahmen\nausbleiben - gegen ihn ein Verfahren nach Art. 227 des EG-Vertrages einleiten,\num durch den Gerichtshof einen Verstoß gegen die Verpflichtungen der\nRichtlinie 91/439 feststellen zu lassen.\n\n \n\n27\n\n \n\nNur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet Art. 8 Abs. 2 und 4 RiL\n91/439/EWG dem Europaischen Gerichtshof zufolge den Mitgliedstaaten aus\nGrunden der Verkehrssicherheit ihre innerstaatlichen Vorschriften uber\nEinschrankung, Aussetzung oder Aufhebung auf den Inhaber eines EU-\nFuhrerscheins anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem\nHoheitsgebiet hat. Diese Befugnis kann jedoch nur auf ein Verhalten des\nBetroffenen nach dem Erwerb des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten\nFuhrerscheins gestutzt werden. Außerdem bleibt es den Aufnahmemitgliedstaaten\nunbenommen, einer Person, der in seinem Hoheitsgebiet die Fahrerlaubnis mit\neiner Sperrfrist entzogen worden war, die Anerkennung eines von einem anderen\nMitgliedstaat wahrend dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Fuhrerscheins zu\nversagen.\n\n \n\n28\n\n \n\nDiese Rechtsprechung hat der Europaische Gerichtshof in seinen angefuhrten\njungsten Urteilen nunmehr fur den Fall weiter entwickelt, dass der neue\nFuhrerschein unter Missachtung der von der Richtlinie aufgestellten\nWohnsitzvoraussetzung ausgestellt wurde. Dieser kommt im Verhaltnis zu den\nubrigen in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen eine besondere\nBedeutung zu, weil sie mangels einer vollstandigen Harmonisierung der\nRegelungen der Mitgliedstaaten uber die Erteilung der Fahrerlaubnis dazu\nbeitragt, den sogenannten „Fuhrerscheintourismus" zu bekampfen. Das\nWohnsitzerfordernis ist unerlasslich, weil sich danach vor dem Hintergrund der\nEinmaligkeit der Fahrerlaubnis der Ausstellermitgliedstaat und die\nVoraussetzungen der Fahreignung bestimmen. Danach kann der\nAufnahmemitgliedstaat die Anerkennung der Fahrberechtigung ablehnen, wenn sich\nauf der Grundlage von Angaben entweder im Fuhrerschein selbst oder anderen vom\nAusstellermitgliedstaat herruhrenden unbestreitbaren Informationen ergibt,\ndass diese in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 aufgestellte\nWohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Fuhrerscheins nicht\nerfullt war, wogegen insoweit lediglich vom Aufnahmemitgliedstaat selbst\nstammende Informationen hierfur nicht ausreichen.\n\n \n\n29\n\n \n\nSoweit der Senat gemaß seinem grundlegenden Beschluss vom 21. Juni 2007 - 10 B\n10291/07.OVG - bisher davon ausgegangen ist, dass in Fallen der vorliegenden\nArt ein nicht schutzwurdiger Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, weil sich der\nFahrerlaubnisinhaber wegen der bei ihm nach inlandischem Recht bestehenden\nEignungszweifel offensichtlich - ohne jeglichen Zusammenhang mit einem\ngemeinschaftsrechtlichen Vorgang - nur deshalb an die Behorde eines\nMitgliedstaates gewandt hat, um dort ohne weiteres eine Fahrerlaubnis zu\nerlangen, kann daran mit Blick auf die dargelegte Weiterentwicklung der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofes nicht mehr festgehalten werden.\n\n \n\n30\n\n \n\nInsofern hat dieser vielmehr nun mit der gebotenen Eindeutigkeit\nherausgestellt, dass auch dann, wenn dem Betreffenden unter „Missachtung" des\nWohnsitzerfordernisses oder der Eignungsvoraussetzungen, die der\nAufnahmemitgliedstaat insoweit zur Gewahrleistung der\nStraßenverkehrssicherheit vorsieht, ein EU-Fuhrerschein ausgestellt wird, die\nÜberprufung der Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses - abgesehen von der\naufgezeigten Ausnahme - sowie die Feststellung der Fahreignung allein Sache\nder ausstellenden Fahrerlaubnisbehorde ist. Dabei hat der Gerichtshof\nerkennbar unter diesem Begriff der „Missachtung" nicht etwa nur die Falle\neines schlicht fehlerhaften Verwaltungshandelns, sondern ebenso die Falle des\nRechtsmissbrauchs im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung gesehen. Dies\nwird in besonderer Weise deutlich mit Blick auf die von ihm nunmehr naher\nproblematisierte Nichteinhaltung des Wohnsitzerfordernisses, hat er damit im\nZusammenhang doch ausdrucklich herausgestellt, dass dieses Wohnsitzerfordernis\nmangels der vollstandigen Harmonisierung der Regelungen der Mitgliedstaaten\nuber die Fuhrerscheinerteilung dazu beitrage, den „Fuhrerschein-Tourismus" zu\nbekampfen.\n\n \n\n31\n\n \n\nDiese Erwagungen belegen, dass der Europaische Gerichtshof auf die Anerkennung\nvon EU-Fuhrerscheinen ahnliche Grundsatze anwendet wie auf die Anerkennung\nberuflicher Qualifikationen oder sonstiger behordlicher Erlaubnisse, deren\nErteilungsvoraussetzungen durch Mindeststandards gemeinschaftsrechtlich\ngeregelt sind. Das strikte Anerkennungsprinzip beruht dabei auf der\nZuerkennung von Kompetenzen zur Ausstellung behordlicher Erlaubnisse, die fur\ndie Ausubung der gemeinschaftsrechtlichen Freiheiten erforderlich sind. Diese\nKompetenz zur Ausstellung des Fuhrerscheins liegt beim Staat des ordentlichen\nWohnsitzes, an dem der Betreffende wegen personlicher oder beruflicher\nBindungen gewohnlich, d.h. mindestens 185 Tage im Jahr wohnt (Art. 9 RiL\n91/493/EWG). Die wahrgenommene Kompetenz begrundet fur den Ausstellerstaat\nzugleich die Verantwortung fur die Rechtmaßigkeit seiner Entscheidung\nbeginnend bei seiner Zustandigkeit bis hin zur materiellen Rechtmaßigkeit des\nvon ihm erteilten Fuhrerscheins. Die ubrigen Mitgliedstaaten haben auf diese\nRechtmaßigkeit der Entscheidung zu vertrauen und dementsprechend keine\nKompetenz, diese auf Grund eigener - und sei es gegebenenfalls sogar besserer\n- Erkenntnisse in Frage zu stellen. Dies gilt dabei nicht nur mit Blick auf\ndie formelle und materielle Rechtmaßigkeit der Fuhrerscheinausstellung,\nsondern - wie nunmehr hinreichend deutlich zu Tage tritt - eben auch und in\ngleicher Weise fur Falle eines offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Auch hier\nist es allein Sache des Ausstellerstaates, etwa ihm unterlaufene Fehler zu\nbeheben. Diese Kompetenzzuweisung erlaubt nur dann eine Ausnahme, wenn der\nAusstellerstaat selbst in nicht bezweifelbarer Weise zu erkennen gibt, dass\nseine Zustandigkeit gar nicht begrundet gewesen ist. Diese Sichtweise erklart\nzudem, warum der Europaische Gerichtshof schon in der Vergangenheit im\nZusammenhang mit den ihm vorgelegten Fragen nicht naher auf die Befugnisse des\nAufnahmestaates, den in anderen Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen in\nRechtsmissbrauchsfallen die Anerkennung zu versagen, eingegangen war und auch\ndie seinen jungsten Entscheidungen zu Grunde liegenden - gerade den Gedanken\ndes Rechtsmissbrauchs ansprechenden - neuerlichen Vorlagefragen bereits dahin\numformuliert hat, dass sie sich fur ihn wiederum nur unter dem Blickwinkel\ndieser Kompetenzthematik beantworten ließen (vgl. Hailbronner, NJW 2007, S.\n1089, Dauer, NJW 2008, S. 2381 sowie bereits Beschluss des 7. Senates des\nerkennenden Gerichts vom 15. August 2005, DAR 2005, S. 650, OVG Hamburg, DAR\n2007, S. 106 und VGH Munchen, DAR 2007, S. 535) .\n\n \n\n32\n\n \n\nUnter Zugrundelegung dieser Erwagungen, die zugleich zu einem entsprechend\nreduzierten tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 Satz 3 und Abs.\n4 Nr. 3, Abs. 5 FeV fuhren, erweist sich die Verfugung des Beklagten als\nrechtswidrig. Da dem Klager die polnische Fahrerlaubnis außerhalb der zuletzt\nfestgelegten Sperrfrist erteilt worden war und er sich seit deren Ausstellung\nkeinerlei Verkehrsverstoße mehr hatte zu Schulden kommen lassen, hatte der\nBeklagte nicht nur vorbehaltlos die Gultigkeit dieses Fuhrerscheins auch fur\ndas Bundesgebiet anzuerkennen, sondern in diesem zugleich auch den Nachweis\ndafur zu sehen, dass der Klager im Zeitpunkt dessen Ausstellung die hierfur\ngemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Mindestvoraussetzungen insbesondere gerade\nhinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung erfullt hatte.\n\n \n\n33\n\n \n\nZwar war dieser wahrend des Erteilungsverfahrens weiterhin im\nZustandigkeitsbereich des Beklagten wohnhaft geblieben und hatte er seinerzeit\nin Polen ersichtlich nur einen Scheinwohnsitz begrundet. Demgegenuber ergibt\nsich jedoch aus dem Fuhrerschein selbst, dass der Klager damals in Stettin\nwohnhaft gewesen war. Daneben liegen auch sonst keine unbestreitbaren\nInformationen von Seiten der polnischen Ausstellungsbehorde vor, wonach der\nKlager das Wohnsitzerfordernis nicht erfullt gehabt hatte. Stattdessen hat\ndiese Behorde insofern unter dem 29. September 2008 lediglich wissen lassen,\ndass der Klager zwar von der Polizei uberpruft werde und der Vorgang bei der\nStaatsanwaltschaft liege, dass sie jedoch solange das Verfahren nicht\nabgeschlossen sei, keine Entscheidung treffen konne. Der dahingehenden vom\nEuropaischen Gerichtshof zugelassenen Ausnahme vom Anerkennungsgrundsatz kann\nder vorliegende Fall auch nicht etwa deshalb gleichgestellt werden, weil der\nKlager selbst nicht geltend macht, sich seinerzeit dem europarechtlichen\nWohnsitzerfordernis entsprechend in Polen niedergelassen zu haben (vgl. dazu\nKonig, DAR 2008, S. 464 sowie Dauer, NJW 2008, S. 2381).\n\n \n\n34\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n \n\n35\n\n \n\nDie vorlaufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167\nVwGO.\n\n \n\n36\n\n \n\nDie Revision ist gemaß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der grundsatzlichen\nBedeutung der Rechtssache hinsichtlich der Frage zuzulassen, inwieweit\nangesichts der jungsten Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs noch Raum\nfur eine Nutzbarmachung des Rechtsmissbrauchsgedankens durch die\nAufnahmestaaten bleibt.\n\n \n\n37\n\n \n\n**Beschluss**\n\n38\n\n \n\nDer Wert des Streitgegenstandes wird fur das Berufungsverfahren auf 5.000,-- €\nfestgesetzt (§§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. II 2, 46.3 des Streitwertkataloges\nfur die Verwaltungsgerichtsbarkeit).\n\n
193,965
lagrlp-2008-08-15-8-ta-15208
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
8 Ta 152/08
2008-08-15
2019-02-12 09:34:54
2019-02-12 14:03:49
Beschluss
ECLI:DE:LAGRLP:2008:0815.8TA152.08.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nAuf die sofortige Beschwerde der Klagerin wird der Beschluss des\nArbeitsgerichts Koblenz vom 25.06.2008 - AZ: 4 Ca 322/08 - wie folgt\nabgeandert:\n\n \n\n \n\nDer Rechtsweg zu den Gerichten fur Arbeitssachen ist zulassig.\n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten uber die Zulassigkeit des Rechtsweges.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klagerin war bei der Beklagten auf Provisionsbasis als Kundenberaterin fur\nden Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen tatig. Mit E-Mail vom\n18.01.2008 erklarte die Beklagte die Geschaftsbeziehung mit der Klagerin fur\nbeendet.\n\n \n\n3\n\n \n\nMit ihrer am 07.02.2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klageschrift hat die\nKlagerin folgende Antrage angekundigt:\n\n \n\n4\n\n \n\n1\\. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhaltnis der Klagerin durch\nschriftliche Kundigung der Beklagten vom 18.01.2008, zugegangen am 18.01.2008,\nzum 18.01.2008 nicht aufgelost worden ist.\n\n \n\n5\n\n \n\n2\\. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhaltnis auch nicht durch andere\nBeendigungstatbestande endet, sondern zu unveranderten Bedingungen uber den\nBeendigungszeitpunkt hinaus fortbesteht.\n\n \n\n6\n\n \n\n3\\. Sollte die Beklagte im Gutetermin nicht zu Protokoll des Gerichtes\nerklaren, dass sie die Klagerin weiterbeschaftigen wird, sofern ein der Klage\nstattgebendes Urteil ergeht, wird weiter beantragt, die Beklagte zu\nverurteilen, die Klagerin fur den Fall des Obsiegens mit dem\nFeststellungsantrag, dass das Arbeitsverhaltnis nicht durch die Kundigung\naufgelost wurde, zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als zu\neinem monatlichen Bruttogehalt von Euro bis zu einer rechtskraftigen\nEntscheidung uber den Feststellungsantrag weiter zu beschaftigen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Beklagte hat die Zulassigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten\ngerugt.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Klagerin ist der Ansicht, ihr Beschaftigungsverhaltnis bei der Beklagten\nsei rechtlich als Arbeitsverhaltnis zu qualifizieren. Die Beklagte vertritt\ndemgegenuber die Auffassung, die Klagerin sei bei ihr als freie Mitarbeiterin\ntatig gewesen.\n\n \n\n9\n\n \n\nMit Beschluss vom 25.06.2008 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den\nArbeitsgerichten fur unzulassig erklart und den Rechtsstreit an das\nAmtsgericht C-Stadt verwiesen.\n\n \n\n10\n\n \n\nGegen diesen, hier am 09.07.2008 zugestellten Beschluss hat die Klagerin am\n23.07.2008 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der\nBeschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur\nEntscheidung vorgelegt.\n\n \n\n11\n\n \n\nZur Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den\nAkteninhalt Bezug genommen.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n12\n\n \n\nDie nach §§ 48 Abs. 1, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 567 Abs. 1 ZPO statthafte und\nvorliegend insgesamt zulassige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Rechtsweg zu den Gerichten fur Arbeitssachen ist eroffnet.\n\n \n\n14\n\n \n\nNach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG sind die Gerichte fur Arbeitssachen zustandig fur\nburgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern uber\ndas Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhaltnisses. Gemaß § 5 Abs. 1\nSatz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes Arbeiter\nund Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschaftigten. Nach § 5\nAbs. 1 Satz 2 ArbGG gelten in dieser Hinsicht als Arbeitnehmer ferner solche\nPersonen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstandigkeit als\narbeitnehmerahnliche Personen anzusehen sind.\n\n \n\n15\n\n \n\nIm Streitfall kann offen bleiben, ob die Klagerin als Arbeitnehmerin oder\nzumindest als arbeitnehmerahnliche Person im materiell-rechtlichen Sinne\nanzusehen ist. Die Zustandigkeit fur Arbeitsgerichte folgt namlich vorliegend\ndaraus, dass sich der Streitfall als sic-non-Fall darstellt.\n\n \n\n16\n\n \n\nDie Klagerin hat beantragt, festzustellen, dass ihr Arbeitsverhaltnis durch\neine seitens der Beklagten ausgesprochene Kundigung nicht beendet worden ist\n(Klageantrag zu 1.), nicht durch andere Beendigungstatbestande endet, sondern\nzu unveranderten Bedingungen fortbesteht (Klageantrag zu 2.). Mit diesem\nAntragsinhalt ist Streitgegenstand nicht nur die Frage, ob das\nVertragsverhaltnis zwischen den Parteien durch Kundigung oder in sonstiger\nWeise beendet worden ist. Streitgegenstand ist vielmehr auch, ob dieses\nVertragsverhaltnis ein Arbeitsverhaltnis ist. Die beantragte Feststellung\nsetzt voraus, dass im Zeitpunkt der Kundigung ein Arbeitsverhaltnis zwischen\nden Parteien tatsachlich bestanden hat. Andernfalls ist der Antrag schon\ndeshalb unbegrundet (BAG v. 26.05.1999 - 5 AZR 664/98 - NZA 1999, 987 ff.).\nDer Klageerfolg hangt bei dieser Antragsstellung folglich auch von Tatsachen\nab, die zugleich fur die Bestimmung des Rechtsweges entscheidend sind. Wegen\ndieser Doppelrelevanz sind die Gerichte fur Arbeitssachen zur Entscheidung\nuber solche Antrage, wie sie die Klagerin gestellt hat, berufen (BAG v.\n19.12.2000 - 5 AZB 16/00 - NZA 2001, 285; BAG v. 17.01.2001 - 5 AZB 18/00 -\nNZA 2001, 341). Bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhaltnis, so ist\ndie Klage bereits deshalb als unbegrundet abzuweisen.\n\n \n\n17\n\n \n\nFur den Klageantrag zu 3. folgt die Zustandigkeit der Gerichte fur\nArbeitssachen zumindest daraus, dass dieser als uneigentlicher Hilfsantrag\nhinsichtlich des Rechtsweges das Schicksal des Hauptantrages teilt (BAG v.\n17.01.2001 a. a. O., m. w. N.).\n\n \n\n18\n\n \n\nNach alledem war der angefochtene Beschluss abzuandern und der Rechtsweg zu\nden Gerichten fur Arbeitssachen fur zulassig zu erklaren.\n\n \n\n19\n\n \n\nFur die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Diese\nEntscheidung ist daher unanfechtbar.\n\n
102,848
fg-schleswig-holsteinisches-2008-11-05-2-k-507
1,067
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht
fg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Finanzgerichtsbarkeit
2 K 5/07
2008-11-05
2018-11-23 07:30:17
2019-02-14 05:39:41
Urteil
ECLI:DE:FGSH:2008:1105.2K5.07.0A
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten darüber, ob der Eigenanteil der Klägerin an den\nBeiträgen zur betrieblichen Altersversorgung steuerfrei ist.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klägerin ist Arbeitnehmerin der X, der Beigeladenen. Von ihrem Arbeitslohn\nbehält die Beigeladene Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer sowie\nSozialversicherungsbeiträge ein.\n\n \n\n3\n\n \n\nNach § 5 Abs. 2 des Personalüberleitungstarifvertrages des Y und der\nBeigeladenen mit der ….Gewerkschaft (A) vom 15. November 1994 finden die\nTarifverträge des öffentlichen Dienstes BAT/BMT-G II sowie den BAT/BMT-G II\nergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge in den für den Bereich der\nVereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände sowie des Kommunalen\nArbeitgeberverbandes Schleswig-Holstein jeweils geltenden sonstigen\neinschlägigen Tarifverträgen für die übergehenden Arbeitsverhältnisse\nAnwendung. Die in den Tarifverträgen vorgesehenen Regelungen für eine\nzusätzliche Altersversorgung (VBL) finden keine Anwendung (s. § 6\nVersorgungsvereinbarung).\n\n4\n\n \n\nNach § 6 des Personalüberleitungstarifvertrages steht die Beigeladene den\neinzelnen Arbeitnehmern im Wege eines echten Vertrages zu Gunsten Dritter\ndafür ein, dass den Beschäftigten keine Nachteile in der Zusatzversorgung\nentstehen.\n\n \n\n5\n\n \n\nEine Zusatzvereinbarung zum Personalüberleitungstarifvertrag enthält die\nRegelung, dass mit Wirkung ab 1. Januar 2005 die zusätzliche Altersversorgung\nüber die Zusatzversorgungskasse …. (B) sichergestellt wird. Die Beitragssätze\nfür die Zusatzversorgung betragen danach ab 1. Januar 2005 für den Arbeitgeber\n3,39 % des Bruttoeinkommens und für den Arbeitnehmer 1,41 % des\nBruttoeinkommens. Ab 1. Januar 2006 betragen die Beitragssätze für die\nZusatzversorgung für den Arbeitgeber 3,9 % des Bruttoeinkommens und für den\nArbeitnehmer 0,9 % des Bruttoeinkommens.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie Beigeladene hat mit der B am 23. Dezember 2004 einen\nGruppenversicherungsvertrag abgeschlossen. Versicherungsnehmer ist nach dem\nVertrag die Beigeladene. Ihre Rechte und Pflichten ergeben sich gemäß § 2 des\nGruppenversicherungsvertrages, so weit in dem Gruppenversicherungsvertrag\nnichts Abweichendes geregelt ist, aus einer entsprechenden Anwendung der\nVorschriften der Satzung der Zusatzversorgungskasse in der Fassung der 3.\nSatzungsänderung zum Bereich der Pflichtversicherung. Gemäß § 3 des\nGruppenversicherungsvertrages sollen die Versicherungen der Arbeitnehmer in\nForm eines Abrechnungsverbandes II (kapitalgedeckt) durchgeführt werden. Neben\neinem Beitrag von 4 % wird eine Rückstellung für Zinsrisiken gebildet. Diese\nbeträgt im Jahr 2005 zunächst 0,8 %. Nach § 4 des\nGruppenversicherungsvertrages tragen die Arbeitnehmer vom Beitrag der\nArbeitgeber einschließlich der Rückstellung für Zinsrisiken vorbehaltlich\neiner entsprechenden tarifvertraglichen Regelung 1,41 % des\nzusatzversorgungspflichtigen Entgelts. Nach den Vorschriften der Satzung der B\n(§§ 31 ff und §§ 45 bis 52) haben die Versorgungsberechtigten bei Eintritt des\nVersicherungsfalls einen Anspruch auf die Leistungen, wenn ein Leistungsantrag\ngestellt wurde und die von der Kasse geforderten Unterlagen beigefügt waren.\n\n \n\n7\n\n \n\nNach den Angaben der Beigeladenen und der Klägerin zum\nLohnsteueranmeldungsverfahren 2006 gewährte die Beigeladene als Arbeitgeberin\nihren Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung durch\nGruppenversicherung bei der Kommunalen Zusatzversorgungskasse Mecklenburg-\nVorpommern (B). Die Finanzierung erfolge durch ein rein kapitalgedecktes\nSystem im Abrechnungsverband II der B. Vom Gesamtversicherungsbeitrag in Höhe\nvon 4,8 % des Arbeitslohns hätten die Arbeitnehmer aufgrund einer\ntarifvertraglichen Regelung eine Eigenbeteiligung in Höhe von 0,9 % des\nzusatzversorgungspflichtigen Entgelts zu tragen, die die Arbeitgeberin vom\nLohn einbehalte und zusammen mit dem Arbeitgeberanteil an die B abführe.\n\n \n\n8\n\n \n\nMit der am 26. Oktober 2006 beim Beklagten eingegangenen Lohnsteueranmeldung\nfür Oktober 2006 meldete die Arbeitgeberin auch die Lohnsteuer der Klägerin\nan. Als Bemessungsgrundlage diente der Bruttoarbeitslohn einschließlich des\nArbeitnehmeranteils am Beitrag zur B in Höhe von 21,85 EUR.\n\n \n\n9\n\n \n\nGegen diese Festsetzung legte die Klägerin am 3. November 2006 Einspruch ein,\nsoweit auf ihre Eigenbeteiligung an der Zusatzaltersversorgung in Höhe von\n21,85 EUR Lohnsteuer von 4,66 EUR und Kirchensteuer von 0,42 EUR einbehalten\nworden war. Zur Begründung trug sie vor, die Arbeitnehmereigenbeteiligung sei\nnicht lohnsteuerpflichtig, sondern unterfalle dem Anwendungsbereich des § 3\nNr. 63 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Versicherungsvertrag, der der\nAltersversorgung zu Grunde liege, bestehe ausschließlich zwischen der B als\nVersicherer und der Beigeladenen als Versicherungsnehmer. Nach der\nAusgestaltung der Beitragspflicht gegenüber der Pensionskasse sei im\nStreitfall allein die Beigeladene Schuldnerin der Gesamtbeiträge. Dass die\nArbeitgeberin die Arbeitnehmer wirtschaftlich an der Beitragszahlung\nbeteilige, sei für die Frage der Steuerpflicht belanglos. Der gesamte Beitrag\nstelle sich - ungeachtet der Finanzierung im Innenverhältnis - als\nArbeitgeberbeitrag im Sinne des § 3 Nr. 63 EStG dar. Der abweichenden\nAuffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 15. Januar 2004, IV C 5-S\n1901-125/03 an die Arbeitsgemeinschaft Kommunale und Kirchliche\nAltersversorgung) sei auch insoweit nicht beizupflichten, als sich diese\ndarauf stütze, bei den Arbeitnehmer-Eigenbeiträgen handele es sich um Beiträge\nim Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über die Verbesserung der\ngesetzlichen Altersversorgung (BetrAVG), für die allenfalls die Riester-\nFörderung durch die Altersvorsorgezulage und gegebenenfalls ein zusätzlicher\nSonderausgabenabzug beansprucht werden könnten. § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG\nverlange den Abschluss eines selbstständigen Versicherungsverhältnisses\nzwischen Arbeitnehmer und Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung\naufgrund einer freiwilligen Entscheidung des Arbeitnehmers mit dem Ziel einer\nüber die Pflichtversicherung hinausgehenden Verbesserung der Versorgung auf\nder Grundlage einer so genannten „Umfassungszusage“ des Arbeitgebers. Im\nStreitfall bestehe der Versicherungsvertrag ausschließlich zwischen der\nArbeitgeberin und der B. Der einzelne Arbeitnehmer sei ohne die Möglichkeit\neiner freiwilligen Entscheidung auf kollektivrechtlicher Grundlage zur\nLeistung des Arbeitnehmerbeitrags verpflichtet. Die Arbeitnehmerbeteiligung\nstelle lediglich eine teilweise Refinanzierung des Arbeitgeberbeitrags dar und\nziele nicht auf eine darüber hinausgehende Verbesserung der Versorgung ab.\nSchließlich fehle es auch an der erforderlichen Umfassungszusage der\nArbeitgeberin, mit der diese die Einstandsverpflichtung für die freiwillig vom\nArbeitnehmer begründete ergänzende Versicherung übernehme. Vielmehr treffe den\nArbeitgeber im vorliegenden Fall auf kollektivrechtlicher Basis die\nVerpflichtung zur Zusatzversorgung als Pflichtversicherung.\n\n \n\n10\n\n \n\nMit Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 2006 wurde der Einspruch als\nunbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die\nArbeitnehmerbeiträge zur Zusatzversorgung der Klägerin steuerpflichtiger\nArbeitslohn seien, weil es sich nicht um rein arbeitgeberfinanzierte Beiträge\nund auch nicht um Beiträge aus einer Entgeltumwandlung handele. Nach § 3 Nr.\n63 EStG seien steuerfrei die Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten\nDienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine\nDirektversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen\nAltersversorgung, bei der eine Auszahlung der zugesagten Alters-,\nInvaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente\noder eines Ausgleichsplans vorgesehen sei, soweit die Beiträge im Kalenderjahr\n4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht\nübersteigen. Die Steuerfreiheit hänge somit unter anderem davon ab, dass der\nArbeitgeber die Beiträge leiste. Neben den rein arbeitgeberfinanzierten\nBeiträgen seien auch solche Beiträge steuerfrei, die durch Entgeltumwandlung\nfinanziert würden (Schreiben des BMF vom 17. November 2004, Bundessteuerblatt\n-BStBl- I 2004, 1065, Tz. 171). Eine solche Entgeltumwandlung sei gegeben,\nwenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, künftige Arbeitslohnansprüche\nzu Gunsten einer Altersversorgung herabzusetzen. Dass im Streitfall eine\nEntgeltumwandlungsvereinbarung vorläge, sei nicht vorgetragen worden und auch\nnicht ersichtlich. Von Arbeitgeberbeiträgen, die aus einer Entgeltumwandlung\nresultierten, seien die eigenen Beiträge des Arbeitnehmers im Sinne des § 1\nAbs. 2 Nr. 4 BetrAVG, die nicht unter die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 63 EStG\nfallen, abzugrenzen. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG liege betriebliche\nAltersversorgung auch vor, wenn der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem\nArbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen\nAltersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine\nDirektversicherung leiste und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen\naus diesen Beiträgen umfasse. Solche Beiträge leiste der Arbeitnehmer selbst\naus seinem zugeflossenen Arbeitsentgelt. Die Beiträge seien auch dann eigene\nBeiträge des Arbeitnehmers, wenn sie vom Arbeitgeber direkt an die\nVersorgungseinrichtung abgeführt würden (BMF-Schreiben vom 17. November 2004,\nTz. 171).\n\n11\n\n \n\nIm Streitfall handele es sich um solche Eigenbeiträge des Arbeitnehmers. Die\nBeitragszahlung der Klägerin sei begründet in der tarifvertraglichen Regelung,\nnach der die Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Tarifvertrags einen\nfestgeschriebenen Teil ihres Gehalts über den Arbeitgeber an die\nZusatzversorgungskasse entrichten. Der Tarifvertrag für die zusätzliche\nAltersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (ATV-K) vom 1.\nMärz 2002 lege in seiner Präambel dar, die Zusatzversorgung des öffentlichen\nDienstes solle grundlegend neu geregelt werden. Das bisherige\nGesamtversorgungssystem werde zum 31. Dezember 2000 geschlossen und durch ein\nPunktesystem ersetzt, in dem diejenigen Leistungen zugesagt würden, die sich\nergeben würden, wenn eine Gesamtbeitragsleistung von 4 % des Entgelts\nvollständig in ein kapitalgedecktes System eingezahlt würde. Bei den\nZusatzversorgungseinrichtungen könnte als Leistung der betrieblichen\nAltersversorgung auch eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge durch\neigene Beiträge des Arbeitnehmers unter Inanspruchnahme der steuerlichen\nFörderung durchgeführt werden. Zur Finanzierung der Zusatzversorgung regelten\ndie §§ 15 ff ATV-K dann, dass eine Umlagefinanzierung und -gegebenenfalls\nzusätzlich oder ausschließlich- eine kapitalgedeckte Finanzierung möglich sei.\nSoweit die Zusatzversorgungseinrichtung für die Pflichtversicherung Beiträge\nim Kapitaldeckungsverfahren von höchstens 4 % des\nsozialversicherungspflichtigen Entgelts erhebe, trage diese der Arbeitgeber (§\n18 Abs. 1 ATV-K).\n\n12\n\n \n\nIm Streitfall habe die Klägerin dargelegt, dass ihr Arbeitgeber Beiträge in\nHöhe von 4,8 % des sozialversicherungspflichtigen Entgelts an die B abführe\nund dass die Versorgungskasse den Vertrag im Abrechnungsverband II, also im\nKapitaldeckungsverfahren führe. Bis höchstens 4 % des Arbeitslohns würden\nsomit als Beitrag des Arbeitgebers gelten (Beitragsschuldner nach § 18 Abs. 1\nATV-K) und seien nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei. Der\nGesamtversicherungsbeitrag sei jedoch im Streitfall höher als dieser\nHöchstbetrag; 0,9 % vom Arbeitslohn würden unmittelbar zu Lasten der Klägerin\neinbehalten. Dieser Arbeitnehmerbeitrag sei also offensichtlich zusätzliche\neigene Beitragszahlung der Klägerin; insoweit greife die Regelung des\nTarifvertrags zur Beitragsschuldnerschaft des Arbeitgebers nicht. Dass diese\nZahlung nicht freiwillig, sondern in Erfüllung der tarifvertraglichen\nVerpflichtung als Arbeitnehmerin des öffentlichen Dienstes geleistet werde,\nsei für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Durch Zahlung des\nArbeitgebers an den Versorgungsträger werde - in Erfüllung einer\nLohnverwendungsabrede auf der Grundlage des Tarifvertrags - der Lohnanspruch\ndes Arbeitnehmers erfüllt.\n\n13\n\n \n\nDie Annahme von Eigenbeiträgen des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4\nBetrAVG scheitere im Streitfall auch nicht an einer fehlenden Umfassungszusage\ndes Arbeitgebers. Denn die Arbeitgeberin habe sich über den Tarifvertrag\nverpflichtet, die Zusatzversorgung auf der Basis des Punktesystems gemäß ATV-K\nzu gewähren. Dieses Berechnungssystem berücksichtige aber die gesamten\nBeitragszahlungen einschließlich des Arbeitnehmerbeitrages, so dass die Zusage\ndes Arbeitgebers auf Zusatzversorgung auch die Leistungen aus diesen Beiträgen\numfasse. Auch in Höhe des Eigenanteils an den Beitragszahlungen zur B sei der\nKlägerin nach alledem steuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen.\n\n \n\n14\n\n \n\nHiergegen hat die Klägerin am 5. Januar 2007 Klage erhoben. Zur Begründung\nträgt sie vor, § 3 Nr. 63 EStG sei auch auf die Arbeitnehmereigenbeteiligung\nan den kapitalgedeckten Pflichtbeiträgen der Arbeitgeber anzuwenden. Die von\nder Klägerin getragenen Beträge seien nicht lohnsteuerpflichtig.\n\n15\n\n \n\n§ 3 Nr. 63 EStG begrenze die Steuerfreiheit auf „Beiträge des Arbeitgebers“.\nDieser Be-griff sei auslegungsbedürftig und grundsätzlich dahingehend zu\ninterpretieren, dass es insoweit auf die Ausgestaltung der\nBeitragsverpflichtungen gegenüber der Pensionskasse ankomme. Um einen Beitrag\ndes Arbeitgebers handele es sich danach stets dann, wenn dieser (und nicht der\nArbeitnehmer) Beitragsschuldner gegenüber der Pensionskasse sei. Aufgrund der\nMaßgeblichkeit dieses formalen Kriteriums sei es belanglos, ob der Arbeitgeber\noder der Arbeitnehmer wirtschaftlich die Beitragszahlung übernehme und wer von\nbeiden verwaltungstechnisch die Beiträge an die Kasse abführe. Diese Auslegung\ndes § 3 Nr. 63 EStG sei deckungsgleich mit der Auslegung, die der Begriff\n„Zuwendungen des Arbeitgebers“ im Rahmen der §§ 4 c und 40 b EStG finde. So\nhabe der BFH einen Arbeitgeberbeitrag, der zur Anwendung des § 40 b EStG\nführe, nur für den Fall angenommen, in dem eine ausschließliche Verpflichtung\ndes Arbeitgebers gegenüber der Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung\nbestanden hätte (BFH, BStBl II 1991, 647). Im Umkehrschluss dazu habe der BFH\ndie Einordnung einer Zahlung als Arbeitgeberbeitrag im Sinne des § 40 b EStG\nverneint, wenn der Arbeitnehmer hierzu kraft der zu Grunde liegenden\nVersorgungsordnung der Pensionskasse eigenständig verpflichtet gewesen sei.\nZwar sei diese BFH-Entscheidung zu § 40 b Abs. 1 EStG in der Fassung der\nStreitjahre 1980 und 1981 ergangen, jedoch habe diese Vorschrift ebenso wie §\n3 Nr. 63 EStG an Beiträge bzw. Zuwendungen des Arbeitgebers angeknüpft.\n\n16\n\n \n\nBezogen auf die gesetzlich geregelten Typen der arbeitnehmerfinanzierten\nVorsorge (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BetrAVG) folge aus dem soeben genannten\nUnterscheidungskriterium, wer im konkreten Fall Beitragsschuldner der\nPensionskasse bzw. Versicherung sei, dass einerseits die Entgeltumwandlung\ngemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG unter den übrigen Voraussetzungen des § 3 Nr.\n63 EStG steuerfrei sei, weil der Arbeitgeber Beitragsschuldner der\nVersicherung sei. Umgekehrt verhalte es sich bei dem anderen\narbeitnehmerfinanzierten betriebsrentlichen Versorgungstyp, den\n„Eigenbeiträgen des Arbeitnehmers“ im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG, da\nhier im Unterschied zur Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer Beitragsschuldner\nsei. Diese würden zutreffend vom Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG\nausgeschlossen, auch wenn sie vom Arbeitgeber an die Versorgungseinrichtung\nabgeführt würden. Dieser Ausschluss sei gerechtfertigt, weil der Arbeitnehmer\nbei echten Eigenbeiträgen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG anders als im\nFalle der Entgeltumwandlung begriffsnotwendig Beitragsschuldner der\nVersorgungseinrichtung sei. Nach den gesetzgeberischen Absichten und dem neuen\nZweck des § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG ziele die Bestimmung insbesondere auf die\nFörderung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ab, da die Abkehr vom\nGesamtversorgungsmodell und die damit verbundene Absenkung des\nVersorgungsniveaus die Schaffung von Anreizen für eine freiwillige\nZusatzversorgung der betroffenen Arbeitnehmer mit steuerlicher Förderung\ngeboten habe. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber klarstellen wollen,\ndass betriebliche Altersversorgung auch vorliege, soweit neben\nArbeitgeberbeiträgen, d.h. während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses,\nauch Beiträge vom Arbeitnehmer aus dem Arbeitsentgelt zur Finanzierung einer\nbetrieblichen Altersversorgung geleistet würden. Nur um die bis dahin rein\nprivate Altersversorgung aus bereits lohnversteuerten Eigenbeiträgen des\nArbeitnehmers auf der Grundlage selbstständiger Versicherungsverträge mit\nexternen Versorgungsträgern und somit auch den Zusatzversorgungseinrichtungen\ndes öffentlichen Dienstes nicht mit dem Zertifizierungsverfahren gemäß §§ 1 ff\ndes Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zu belasten, habe der\nGesetzgeber den Kunstgriff angewandt, die private Altersvorsorge aus\nEigenbeiträgen der betrieblichen, vom Zertifizierungsgebot gemäß § 82 Abs. 2\nEStG befreiten Altersversorgung zuzuordnen. Regelungsgegenstand des § 1 Abs. 2\nNr. 4 BetrAVG sei daher gerade nicht die schon vor der Neuregelung\npraktizierte Arbeitnehmereigenbeteiligung als Refinanzierung von\nArbeitgeberbeiträgen zur Pflichtversicherung.\n\n17\n\n \n\nDie hier zu beurteilende Arbeitnehmereigenbeteiligung an den kapitalgedeckten\nPflichtbeiträgen der Arbeitgeber sei entgegen der Auffassung der\nFinanzverwaltung betriebsrentenrechtlich kein Eigenbeitrag des Arbeitnehmers\nim Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG, sondern stelle sich bei genauer Besicht\nals eine auf rein arbeitsrechtlicher Ebene geregelte interne Refinanzierung\nder Arbeitgeberbeiträge dar, die keine der konstituierenden Voraussetzungen\nfür Eigenbeiträge der Arbeitnehmer im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG\nerfülle. Denn es fehle an dem dafür erforderlichen selbstständigen\nVersicherungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und der Versorgungseinrichtung und\nder Arbeitnehmer sei damit nicht Beitragsschuldner der Versorgungseinrichtung.\nDie Eigenbeitragsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer\nstelle sich vielmehr als echter Vertrag zu Gunsten Dritter dar. Die\nArbeitnehmereigenbeteiligung der Klägerin beruhe allein auf der\narbeitsrechtlichen Regelung durch Tarifverträge bzw. Arbeitsrichtlinien im\nInnenverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen. Abgesehen davon sei der\nEigenbeitrag der Klägerin keiner im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG, weil\nder Typus der eigenen Beitragsversorgung des Arbeitnehmers nach der\ngesetzlichen Konzeption auf eine über die gesetzliche Rentenversicherung und\ndie Pflichtzusatzversorgung hinausgehende Verbesserung der Altersversorgung\ndurch eine zusätzliche freiwillige Versicherung zugeschnitten sei. Danach sei\n§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG auf Arbeitnehmeranteile einer Pflichtversicherung von\nvornherein unanwendbar. Weiter fehle es auch an der notwendigen Freiwilligkeit\nder zusätzlichen Versorgung durch Eigenbeiträge des Arbeitnehmers. Schließlich\nmangele es auch an einer „Umfassungszusage“ im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4\nBetrAVG, mit der der Arbeitgeber die Einstandspflicht für die freiwillig vom\nArbeitnehmer begründete ergänzende Versicherung übernehme. Da es sich also\ninsgesamt um Beiträge des Arbeitgebers zu kapitalgedeckten\nVersorgungseinrichtungen handele, seien diese gemäß § 3 Nr. 63 EStG\nsteuerfrei.\n\n18\n\n \n\nDie Richtigkeit dieser Überlegungen werde schließlich dadurch bestätigt, dass\nnur bei der von der Klägerin vertretenen Einordnung schwere Systembrüche mit\ngravierenden Nachteilen für alle Beteiligten vermieden werden könnten. Der\nEigenbeitrag der Klägerin unterscheide sich wirtschaftlich und strukturell\nnicht von einer reinen Absenkung der Bruttoversorgung beim gleichzeitigen\nVerzicht des Arbeitgebers auf jegliche interne Beteiligung des Arbeitnehmers\nan der betrieblichen Altersversorgung. Eine solche wäre gemäß § 3 Nr. 63 EStG\nin den gesetzlichen Grenzen vollständig steuerfrei. Der Lohnabzug wegen der\nArbeitnehmereigenbeteiligung laufe im wirtschaftlichen Ergebnis auf dasselbe\nhinaus und könne steuerlich nicht ungleich behandelt werden.\n\n19\n\n \n\nDie Versagung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 63 EStG und die Verweisung des\nArbeitnehmers auf die Riester-Förderung beeinträchtige deren Zielsetzung, den\nArbeitnehmern einen Anreiz für den Aufbau zusätzlicher freiwilliger\nVersicherungen über die Renten- und Pflichtversicherung hinaus zu geben, da\ndie Pflichtversicherung aufgrund der kollektiv-rechtlichen Vereinbarungen\nohnehin abgeschlossen werde und, schlimmer noch, die Riester-Förderung auf\ndiese Weise für die sowieso aufgrund kollektiv-rechtlicher Verpflichtung zu\nentrichtenden Beiträge „verbraucht“ würde. Somit werde gefördert, was nach dem\nGesetz gar nicht gefördert werden solle. Zudem würde eine Einführung der\nRiester-Förderung im Rahmen der Pflichtversicherung die\nZusatzversorgungskosten mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand\nbelasten und erhebliche Verwaltungskosten zur Folge haben, die die\nZusatzversorgung insgesamt verteuern würde. Durch den Mehraufwand für die\nseparate Zulagenverwaltung und Bearbeitung, für die EDV sowie vor allem für\nDruck- und Versandkosten ergebe sich unter Berücksichtigung der Zulagen eine\nmonatliche Versorgungsanwartschaft in der Größenordnung von ca. 0,30 EUR bis\nknapp 1,00 EUR. Die unterschiedliche Verfallbarkeit der Arbeitgeberanteile und\nArbeitnehmeranteile gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG i.V.m. § 1 b Abs. 5 Satz 1\nBetrAVG würde auch in vielen Fällen nur zu Kleinstrenten aus den\nArbeitnehmeranteilen führen. Im Ergebnis bestehe kein Zweifel daran, dass aus\nrechtlich-formalen und aus systematischen Gründen auch die von der Klägerin\ngetragene Arbeitnehmereigenbeteiligung am Arbeitgeberbeitrag in der\nkapitalgedeckten Zusatzversorgung dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG\nunterfalle und nicht steuerpflichtig sei. Hinsichtlich der Einzelheiten der\nKlagebegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 8. Februar 2007\nverwiesen (Bl. 60 bis 77 GA).\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 24. Oktober 2007 ist von der Klägerin\nnicht angefochten worden.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n22\n\n \n\nfestzustellen, dass die Lohnsteueranmeldung vom 26. Oktober 2006 und die dazu\nergangene Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 2006 insoweit rechtswidrig\nsind, als nach ihnen Lohnsteuer von der der Klägerin getragenen\nArbeitnehmereigenbeteiligung an den Arbeitgeberbeiträgen in der\nkapitalgedeckten Zusatzversorgung enthalten ist.\n\n \n\n23\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n24\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n25\n\n \n\nDer Beklagte verweist zur Begründung auf die in der Einspruchsentscheidung\nvertretene Rechtsauffassung.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.\n\n \n\n27\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens\nder Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie 1 Band\nRechtsbehelfsakten zur Steuer-Nr. … verwiesen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n28\n\n \n\nDie Klage ist zulässig.\n\n \n\n29\n\n \n\nDie Klägerin konnte die Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers - so weit sie sie\nwie hier betrifft - aus eigenem Recht anfechten. Mit Ergehen des\nEinkommensteuerbescheides für 2006 vom 24. Oktober 2007 ist aber das\nRechtsschutzbedürfnis für eine Rechtsverfolgung im Wege der Anfechtungsklage\ngegen die Lohnsteueranmeldung für den Monat Oktober 2006 entfallen und eine\nErledigung der Hauptsache eingetreten (BFH, Urteil vom 5. Oktober 2005 VI R\n152/01, BFHE 211, 249, BStBl II 2006, 94; BFH, Urteil vom 20. Juli 2005 VI R\n165/01, BFHE 209, 571, BStBl II 2005, 890).\n\n30\n\n \n\nDie Klägerin hat darüber hinaus ein berechtigtes Interesse an der Feststellung\nder gerügten Rechtswidrigkeit des Lohnsteuerabzugs gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4\nFGO. Die zu entscheidende Rechtsfrage ist auch für die folgenden Lohnsteuer-\nAnmeldungen bis zur Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses der Klägerin\nvon Bedeutung (BFH, Urteile vom 20. Juli 2005 VI R 165/01, a.a.O.; vom 5.\nOktober 2005 VI R 152/01, a.a.O.).\n\n \n\n31\n\n \n\nDie Klage ist aber nicht begründet.\n\n \n\n32\n\n \n\nDenn die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung\ngleichstehende Lohnsteueranmeldung der X für Oktober 2006 in Gestalt der\nEinspruchsentscheidung vom 21. Dezember 2006 ist nicht rechtswidrig gewesen;\neine Feststellung der Rechtswidrigkeit kommt daher nicht in Betracht (§ 100\nAbs. 1 Satz 4 FGO).\n\n \n\n33\n\n \n\nDie Beigeladene ist verpflichtet, Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung vom\nArbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das Finanzamt\nabzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Lohnsteueranmeldung steht gemäß §\n168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung\ngleich.\n\n \n\n34\n\n \n\nZu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere\nBezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten\nDienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 Lohnsteuer-\nDurchführungsverordnung (LStDV) alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem\nDienstverhältnis zufließen; dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung\nund in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Demgemäß ist Arbeitslohn\nnach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jeder gewährte\nVorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Das ist\nder Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der\nZurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit\nRücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung\ndes Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das\nZurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist\n(BFH-Urteile vom 15. Februar 2006 VI R 92/04, BFHE 212, 445, BStBl II 2006,\n445; vom 26. Juni 2003 VI R 112/98, BStBl II 2003, 886; vom 30. Mai 2001 VI R\n159/99, BStBl II 2001, 815, jeweils m. w. N.).\n\n \n\n35\n\n \n\nIm Streitfall ist der Klägerin auch der strittige Bestandteil des tariflich\ngeschuldeten Arbeitslohns, der auf ihre Eigenbeteiligung an der\nZusatzaltersversorgung in Höhe von 21,85 EUR entfiel, den die Beigeladene als\nArbeitgeber an die B abgeführt hat, zunächst als Arbeitslohn zugeflossen. Es\nist zwischen den Beteiligten auch nicht strittig, dass die Klägerin insoweit\nEinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat, die grundsätzlich\nsteuerbar sind.\n\n \n\n36\n\n \n\nEntgegen der Ansicht der Klägerin liegen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 63\nEStG für eine Steuerfreiheit nicht vor. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind\nBeiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an einen\nPensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung zum Aufbau\neiner kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, bei der eine Auszahlung\nder zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder\nHinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines\nAuszahlungsplans vorgesehen ist, soweit die Beiträge im Kalenderjahr 4 Prozent\nder Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht\nübersteigen, steuerfrei.\n\n \n\n37\n\n \n\nIm Streitfall handelt es sich bei der B um eine Pensionskasse.\nZusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 18\nBetrAVG sind als Pensionskasse anzusehen, wenn sie einen Rechtsanspruch\ngewähren (R 129 Abs. 4 LStR; R 4c Abs. 1 EStR; Schmidt/Weber-Grellet, EStG,\n28. Auflage, § 4c Rz. 1). Dieses ist im Streitfall gegeben.\n\n \n\n38\n\n \n\nLohnsteuerfrei sind nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG nur Beiträge des Arbeitgebers.\nBeiträge aus dem versteuertem Vermögen des Arbeitnehmers (hierzu gehören\njedenfalls so genannte Eigenbeiträge gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG) sind\nhingegen nicht begünstigt, da sie nicht aus dem Vermögen des Arbeitgebers\ngezahlt werden. Dies gilt auch dann, wenn sie vom Arbeitgeber an die\nVersorgungseinrichtung abgeführt werden. Wenn die Beiträge mittels\nEntgeltumwandlung (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG) finanziert wurden, wird ebenfalls\ndie begrenzte Lohnsteuerfreiheit des § 3 Nr. 63 EStG gewährt (Kirchhof/Söhn,\nEStG, Kommentar, § 3 Rn. B 63/53; Höfer, BetrAVG-Kommentar, Band II,\nSteuerrecht, Rn. 1715; Warnke, Anwendung des Alterseinkünftegesetzes auf die\nbetriebliche Altersversorgung - Steuerliche Zweifels- und Abgrenzungsfragen,\nEStB 2004, 446; BMF-Schreiben vom 5. Februar 2008, BStBl I 2008, 420 Tz. 205;\nsiehe hierzu auch § 3 Nr. 63 Satz 2 EStG).\n\n \n\n39\n\n \n\nDa eine Finanzierung mittels Entgeltumwandlung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG\nim Streitfall unstreitig nicht vorliegt, kommt jedenfalls aus diesem Grund\neine Lohnsteuerfreiheit nicht in Betracht.\n\n \n\n40\n\n \n\nBei den strittigen Beiträgen handelt es sich entgegen der Ansicht der Klägerin\nauch nicht um nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG steuerfreie Beiträge des\nArbeitgebers, weil dieser Versicherungsnehmer bei der B und Beitragsschuldner\nist. Vielmehr liegt eine Eigenbeteiligung der Klägerin an den Beiträgen für\ndie Pensionskasse vor, die von ihr aus dem zuvor versteuerten Einkommen\n(Arbeitslohn) erbracht wird. Dies ergibt die Auslegung des vom Gesetzgeber\nverwandten Begriffs „Beiträge des Arbeitgebers“.\n\n \n\n41\n\n \n\nZur Auslegung des Tatbestandsmerkmals des § 3 Nr. 63 EStG „Beiträge des\nArbeitgebers“ kann die Rechtsprechung des BFH zu § 40b EStG herangezogen\nwerden, weil dort der Begriff „Zuwendungen des Arbeitgebers“ zum Aufbau einer\nbetrieblichen Altersversorgung verwendet wird (Hügelschäffer, Aktuelle\nsteuerrechtliche Fragen in der Zusatzversorgung des öffentlichen und\nkirchlichen Dienstes, BetrAV 2005, 351, 355). Der BFH hat in seinem zu § 40b\nEStG ergangenen Urteil vom 12. April 2007 (VI R 55/05, BFHE 217, 558, BStBl II\n2007, 619) das Urteil des FG Münster vom 26. April 2005 (13 K 323/01 L, EFG\n2005, 1703) aufgehoben, nach dem es für die Qualifizierung einer Zahlung als\nArbeitgeberbeitrag im Sinne des § 40b EStG nicht darauf ankomme, wer die\nVersicherungsbeiträge finanziere - d.h. wer durch sie wirtschaftlich belastet\nwerde, sondern wer sie gegenüber der Versicherungsgesellschaft schulde. Im\ndortigen Streitfall gewährte der Arbeitgeber auf der Grundlage seiner\nVersorgungsordnung seinen Mitarbeitern eine Zusatzversorgung durch Abschluss\nvon Direktversicherungen. Jeder Mitarbeiter war verpflichtet, sich zusätzlich\nmit 20 v.H. des Prämienbeitrags zu beteiligen. Dieser sog. Eigenanteil wurde\nim Wege des Gehaltsabzugs vom Arbeitgeber abgeführt. Ohne Eigenbeteiligung\nsollte der Anspruch auf eine Zusatzversorgung entfallen. Versicherungsnehmer\nund Beitragsschuldner des abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages war\nder Arbeitgeber. Der BFH führte in seinem Urteil vom 12. April 2007 (VI R\n55/05, a.a.O.) aus, dass zum Arbeitslohn auch Ausgaben gehören können, die ein\nArbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahe stehende Personen\nfür den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des\nTodes abzusichern (Zukunftssicherung). Die Arbeitslohnqualität von\nZukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen\nDritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang -\nwirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem\nArbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck\nseiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist nach der Rechtsprechung des\nBFH auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die\nder Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch\nauf die Leistung zusteht (BFH-Urteile vom 16. April 1999 VI R 60/96, BStBl II\n2000, 406, m. w. N.; in BStBl II 2001, 815; vom 12. September 2001 VI R\n154/99, BStBl II 2002, 22; vom 20. Juli 2005 VI R 165/01, BFH/NV 2005, 1939;\nvom 14. September 2005 VI R 148/98, BStBl II 2006, 532; vom 14. September 2005\nVI R 32/04, BStBl II 2006, 500; vom 15. Februar 2006 VI R 92/04, BStBl II\n2006, 528). Dementsprechend wird die Arbeitslohnqualität von\nBeitragsleistungen in den Fällen der Direktversicherung, bei der der\nArbeitgeber nach dem Innenverhältnis mit dem Arbeitnehmer nur die Pflicht hat,\ndie Beiträge für die Versorgung einzubehalten und an den Versicherer\nabzuführen, bejaht. Beiträge zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmer, die aus\nverwendetem Arbeitslohn stammen und damit von diesen getragen werden, haben\ndagegen keine Arbeitslohnqualität. Daraus ergibt sich, dass Leistungen nur\ndann Beiträge i.S. des § 40b EStG sind, sofern sie als steuerpflichtiger\nArbeitslohn zu qualifizieren sind. Insoweit handelt es sich um "zu\nbesteuernde" Beiträge i.S. des § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG. Prämien oder\nPrämienteile, die aus bereits versteuertem Arbeitslohn stammen, sind keine\nBeiträge i.S. der Vorschrift, auch wenn sich, wie im Streitfall, der\nArbeitgeber gegenüber der Versicherung zur Zahlung verpflichtet hat.\nWirtschaftlich betrachtet sind solche Arbeitnehmeranteile eigene Beiträge der\nArbeitnehmer und damit keine Beiträge des Arbeitgebers, was Voraussetzung der\nPauschalierung gemäß § 40b EStG ist. Diese Grundsätze sind auch bei der\nDurchschnittsberechnung der Pauschalierungsgrenze bei mehreren Arbeitnehmern\n(§ 40b Abs. 2 Satz 2 EStG) zu beachten. Auch hier sind unter Beitrag bzw.\nTeilbeitrag nur solche Leistungen zu verstehen, die Arbeitslohn sind. Besteht\nder Gesamtbeitrag aus einem als Arbeitslohn steuerpflichtigen, vom Arbeitgeber\nerbrachten Anteil und einem nicht steuerbaren, vom Arbeitnehmer aus\nversteuerten Einkommen erbrachten Anteil, so ist nur der Arbeitgeberanteil in\ndie Durchschnittsberechnung einzubeziehen.\n\n \n\n42\n\n \n\nDiesen Grundsätzen des BFH schließt sich der Senat an. Übertragen auf den\nStreitfall bedeutet dies nach Auffassung des Senats, dass es auch im\nStreitfall für die Qualifizierung als Arbeitgeberbeitrag nicht darauf ankommt,\nob sich der Arbeitgeber gegenüber der Versicherung zur Zahlung verpflichtet\nhat. Vielmehr ist ebenso wie bei der Auslegung des § 40b EStG auch bei der\nAuslegung des § 3 Nr. 63 EStG auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise\nabzustellen. Wirtschaftlich betrachtet sind die strittigen\nArbeitnehmereigenanteile eigene Beiträge der Klägerin und damit keine Beiträge\ndes Arbeitgebers, was Voraussetzung der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG\nwäre. Der von der Beigeladenen an die B abgeführte Eigenanteil der Klägerin\nstammt aus verwendetem Arbeitslohn, und diese Zahlungen sind von ihr zu\ntragen. Dieser Eigenanteil wird aus bereits zuvor versteuertem Arbeitslohn\nerbracht. Es kann sich deshalb nicht um einen Arbeitgeberbeitrag im Sinne des\n§ 3 Nr. 63 EStG handeln.\n\n \n\n43\n\n \n\nDas von der Klägerin angeführte Urteil des BFH vom 29. April 1991 (VI R 61/88,\nBFHE 164, 289, BStBl II 1991,647) zu § 40b EStG führt zu keiner abweichenden\nBeurteilung. Zwar wurde in diesem Urteil darauf abgestellt, dass solche\nLeistungen nicht als eigene Zuwendung des Arbeitgebers anzusehen seien, zu\ndenen der Arbeitnehmer gegenüber der Pensionskasse rechtlich verpflichtet sei.\nIn diesem Fall waren aber auch die Arbeitnehmer Mitglieder der Pensionskasse\nund Beitragsschuldner. Die umgekehrte Fallgestaltung, dass der Arbeitnehmer\ngegenüber der Pensionskasse rechtlich nicht verpflichtet ist, hat der BFH\njedoch nicht entschieden. Das Urteil des FG Münster mit der Schlussfolgerung,\ndass es für die Qualifizierung einer Zahlung als Arbeitgeberbeitrag im Sinne\ndes § 40b EStG darauf ankomme, wer die Versicherungsbeiträge gegenüber der\nVersicherungsgesellschaft schulde, hat der BFH mit dem oben angeführten Urteil\nvom 12. April 2007 (VI R 55/05, a.a.O) jedoch aufgehoben.\n\n \n\n44\n\n \n\nOb es sich im Streitfall auch um Eigenbeiträge gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG\nhandelt, kann der Senat offen lassen. Nach dieser Vorschrift liegt\nbetriebliche Altersversorgung auch vor, wenn der Arbeitnehmer Beiträge aus\nseinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen\nAltersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine\nDirektversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen\naus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind\nhierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen\nBeiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden. Nach der amtlichen\nBegründung wird mit der Regelung klargestellt, dass betriebliche\nAltersversorgung auch vorliegt, soweit neben Arbeitgeberbeiträgen, d.h.\nwährend des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, auch Beiträge vom\nArbeitnehmer aus dem Arbeitsentgelt zur Finanzierung einer betrieblichen\nAltersversorgung (z.B. nach der Satzung einer Pensionskasse) geleistet werden.\nVoraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Zusage des Arbeitgebers auch\ndie Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst. Zu diesen Beiträgen gehören etwa\ndie von den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes aus versteuertem und\nverbeitragtem Arbeitsentgelt zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen\nAltersversorgung gezahlten „Eigenbeiträge“ zur Versorgungsanstalt des Bundes\nund der Länder (Bundestags-Drucksache 14/9700, S. 34 zu Artikel 3). Die\nAltersversorgung aus Eigenbeiträgen wurde herkömmlicherweise der privaten\nAltersvorsorge zugerechnet, weil der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem\nversteuerten und verbeitragten Einkommen leistet. Er bessert damit seine\nAltersversorgung durch Nutzung des vom Arbeitgeber eingeschalteten\nVersorgungsträgers (Lebensversicherer, Pensionskasse oder Pensionsfonds) auf.\nDurch die Einführung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG wurde die private\nAltersvorsorge aus Eigenbeiträgen nun der betrieblichen Altersvorsorge\nzugeordnet, um den eventuellen Sonderausgabenabzug gemäß §§ 79 ff. EStG i.V.m.\n§ 10 a EStG zu ermöglichen. Das steuerliche Privileg der Lohnsteuerfreiheit\nder Beiträge kann bei Eigenbeiträgen jedoch nicht gewährt werden (Höfer,\nBetrAVG-Kommentar, Band II, Steuerrecht, Rn. 2580 f.; Warnke, Anwendung des\nAlterseinkünftegesetzes auf die betriebliche Altersversorgung - Steuerliche\nZweifels- und Abgrenzungsfragen, EStB 2004, 446).\n\n \n\n45\n\n \n\nIm Streitfall werden Eigenbeiträge von der Klägerin als Arbeitnehmerin aus dem\nArbeitsentgelt an die B geleistet, indem die Beigeladene als Arbeitgeber in\nErfüllung der tarifvertraglichen Regelung den strittigen Betrag vom\nArbeitslohn einbehält und an die B weiterleitet. Es liegt auch eine\nUmfassungszusage des Arbeitgebers vor. Diese liegt dann vor, wenn sich der\nArbeitnehmer aus seinem (Netto-)Arbeitsentgelt an der Finanzierung der\nLeistungen beteiligt und die Zusage des Arbeitgebers auch den\nselbstfinanzierten Teil mit umfasst (Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der\nbetrieblichen Altersversorgung, Band I, 1. Teil, Rn. 922). Dies ist hier\ngegeben, weil die Beigeladene sich tarifvertraglich verpflichtet hat, die\nZusatzversorgung auf der Grundlage von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen\nzu gewährleisten. Die Zusage der Beigeladenen umfasst damit auch die von den\nArbeitnehmern selbst finanzierten Beiträge. Dies spricht für die Annahme von\nEigenbeiträgen, die vom Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG ausgeschlossen\nsind (vgl. auch Warnke, EStB 2004, 446).\n\n \n\n46\n\n \n\nOb im Streitfall kein „echter“ Eigenbeitrag im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4\nBetrAVG (so terminologisch z. B. Drols, Handbuch betriebliche\nAltersversorgung, 2. Auflage, S. 291; Langohr-Plato, Rechtshandbuch\nBetriebliche Altersversorgung, 3. Auflage, Rn. 283) vorliegt, weil\nBeitragsschuldner gegenüber der B allein die Beigeladene ist, kann\ndahinstehen. Entscheidend ist nicht die Zuordnung der Eigenbeiträge der\nKlägerin in betriebsrentenrechtlicher Hinsicht, sondern im Hinblick auf die\nsteuerrechtliche Vorschrift des § 3 Nr. 63 EStG, die auf der Grundlage der\nwirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen ist. Danach handelt es sich hier\naber - wie bereits dargelegt - um Eigenbeiträge der Klägerin, die von ihr aus\nversteuertem Arbeitslohn finanziert werden.\n\n \n\n47\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.\n\n \n\n48\n\n \n\nDie außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig,\nweil diese sich nicht durch einen Sachantrag am Kostenrisiko beteiligt hat.\n\n \n\n49\n\n \n\nDie Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung\nder Rechtssache zugelassen. Die Frage, wie die Zahlungen der\nArbeitnehmereigenanteile lohnsteuerlich zu beurteilen sind, berührt das\nInteresse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung\ndes Rechts. Die Revision war auch gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung\ndes Rechts zuzulassen, weil der Streitfall im allgemeinen Interesse\nVeranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung des in § 3 Nr. 63 EStG\nverwandten Begriffs Beiträge des Arbeitgebers aufzustellen.\n\n \n\n
102,860
ovgsh-2008-09-24-2-lb-208
1,066
Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
ovgsh
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 LB 2/08
2008-09-24
2018-11-23 07:30:21
2019-02-14 05:40:20
Urteil
ECLI:DE:OVGSH:2008:0924.2LB2.08.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen\nVerwaltungsgerichts - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 30. März 2007\ngeändert.\n\n \n\nDie Klage wird insgesamt abgewiesen.\n\n \n\nDer Kläger trägt auch insoweit die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nHinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.\nDem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in\nHöhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor\nin gleicher Höhe Sicherheit leistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n\nDer Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.042,28 Euro festgesetzt.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Kläger wendet sich noch gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag\nfür die Schmutzwasserwasserentsorgung im Gebiet des Beklagten.\n\n2\n\n \n\nDer Beklagte baute in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in der Gemeinde\nRiepsdorf die zentrale Abwasserkanalisation und schloss in der Ortslage\nThomsdorf im Januar 1998 die Arbeiten an den Entsorgungseinrichtungen ab und\nstellte das Mischkanalsystem betriebsfertig her (Veröffentlichung zur\nBetriebsfertigkeit erfolgte am 16.01.1998). Das gesammelte Abwasser wird\nabgeleitet und in der Klärteichanlage Altratjensdorf in der Gemeinde Riepsdorf\ngereinigt.\n\n3\n\n \n\nDer Kläger und seine Ehefrau erwarben im September 1999 zu je ½ Eigentum an\ndem Hausgrundstück ... in der Ortslage Thomsdorf, Flurstück … der Flur ….\nDieses Grundstück hat für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung einen\nAnschluss erhalten.\n\n4\n\n \n\nMit Bescheid vom 12.10.2001 zog der Beklagte den Kläger zu einem\nAnschlussbeitrag für die Schmutzwasserentsorgung in Höhe von 4.117,50 DM und\nzu einem Anschlussbeitrag für die Oberflächenentwässerung in Höhe von 4.018,68\nDM, insgesamt also zu 8.136,18 DM, heran. Den vom Kläger eingelegten\nWiderspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2003 zurück\nund setzte den Abwasserbeitrag für Schmutzwasser- und Niederschlagswasser auf\ninsgesamt 4.150,44 Euro neu fest. Zur Begründung führte er an, dass die jetzt\nerfolgte Beitragsfestsetzung zu einer leichten Reduzierung des angeforderten\nBeitrags führe, da eine Neuberechnung der Beitragskalkulation im Zusammenhang\nmit der Währungsumstellung von DM auf Euro stattgefunden habe.\n\n5\n\n \n\nAm 13.10.2003 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im\nWesentlichen geltend gemacht, dass der Voreigentümer, von dem die Eheleute das\nGrundstück im Jahr 1999 erworben hätten, herangezogen werden müsste. Auch\nentsprächen die jeweils festgesetzten Beträge nicht dem maßgeblichen\nSatzungsrecht.\n\n6\n\n \n\nDer Kläger hat schriftsätzlich beantragt,\n\n7\n\n \n\nden Beitragsbescheid des Beklagten vom 12.10.2001 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 17.09.2003 aufzuheben.\n\n8\n\n \n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n10\n\n \n\nZur Begründung hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger als\nEigentümer im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide beitragspflichtig sei,\nund zwar gesamtschuldnerisch neben seiner Ehefrau.\n\n11\n\n \n\nMit Urteil vom 30.03.2007 hat das Verwaltungsgericht die maßgeblichen\nBescheide insoweit aufgehoben, als der festgesetzte Beitrag den Betrag von\n2.108,16 Euro übersteigt. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen\ndarauf abgestellt, dass in Ermangelung eines tragfähigen Ortsrechts der\nBescheid rechtswidrig sei, soweit in ihm ein Beitrag für die\nSchmutzwasserentsorgung festgesetzt worden sei. Dem Ortsrecht des Beklagten\nliege die rechtswidrige Entscheidung zugrunde, technisch getrennte und infolge\nihrer unterschiedlichen Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse den\nanzuschließenden Grundstücken unterschiedliche Vorteile bietende\nEntwässerungssysteme zu einer öffentlichen Einrichtung\n„Schmutzwasserentsorgung“ zusammenzufassen. Zur Begründung wiederholt das\nVerwaltungsgericht seine Ausführungen aus dem rechtskräftigen Urteil vom\n26.04.2002 (9 A 9/99), wonach die Reinigungsleistung der Klärteichanlagen\nhinter der des Zentralklärwerks zurückbleibe und daher die Entscheidung des\nBeklagten zur Zusammenfassung der Entwässerungssysteme vom\nOrganisationsermessen nicht mehr gedeckt sei. Im Übrigen hat das\nVerwaltungsgericht die Klage abgewiesen, da der Kläger gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1\nKAG persönlich beitragspflichtig sei.\n\n12\n\n \n\nGegen dieses ihm am 16.04.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am\n14.05.2007 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Der Senat hat mit\nBeschluss vom 07.01.2008 die Berufung zugelassen.\n\n13\n\n \n\nIn der Berufungsbegründung macht der Beklagte geltend, dass er verschiedene,\nhinsichtlich der Leitungssysteme technisch getrennte\nSchmutzwasserreinigungssysteme, die zu einer rechtlichen Einheit als einer\nSchmutzwassereinrichtung für ca. 85.700 Einwohnerwerte (EW) zusammengefasst\nseien, betreibe. Wie sich aus der aktuell gültigen Kalkulation ergebe, würden\nneben dem zentralen Klärwerk in Cismar, eine Belebtanlage für 60.000 EW, mit\neinem entsprechend weitläufigen Leitungssystem etc. und sechs Klärteichanlagen\nfür bis zu 815 EW, auch verschiedene kleinere Belebt- und Tropfkörperanlagen\nfür bis zu 620 EW zur Sammlung, zentralen Reinigung und Ableitung des\nSchmutzwassers betrieben. Der Kläger leite wie die übrigen Bewohner aus der\nOrtslage Thomsdorf in der Gemeinde Riepsdorf seine häuslichen Abwässer über\ndas verbandseigene Sammelleitungssystem in die Klärteichanlage Altratjensdorf\nein.\n\n14\n\n \n\nDie Entscheidung des Beklagten, die Kläranlage Altratjensdorf ebenso wie die\nanderen kleineren Systeme mit dem Zentralklärwerk in Cismar zu einer Anlage\nzusammen zu fassen, sei nicht willkürlich. Den angeschlossenen Grundstücken\nwürden vergleichbare Vorteile geboten und zwar sowohl hinsichtlich der\nArbeitsweise wie auch hinsichtlich der Arbeitsergebnisse. Das\nVerwaltungsgericht habe sich in seiner Urteilsbegründung mit dem\nBeurteilungsmaßstab „schlechterdings unvergleichbar“ nicht auseinander\ngesetzt. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, die Reinigungswirkung der\nKlärteichanlagen etc. bleibe erklärtermaßen hinter der des Klärwerks zurück,\nsei diese Aussage als Behauptung sachlich falsch. Die Beitragskalkulation\n„Abwasserbeiträge 2000“ enthalte die Passage: „Bei Abfallen der\nReinigungsleistung infolge schädlicher, nicht satzungsgemäßer Einleitung wird\ndie Biologie der kleinen Belebungsanlagen mittels Belebungsschlamm aus dem\nZentralklärwerk Cismar wieder optimiert.“ Dieser Satz enthalte keine Aussage\nzur generellen Vergleichbarkeit der Anlagen, sondern greife lediglich eine\nseltene Sondersituation als Reaktion auf einen Störfall auf, der vor allem dem\nHinweis auf eine Verzahnung der ansonsten technisch getrennten Systeme in der\nArbeitspraxis des Verbandes diene. Auch setze sich das Verwaltungsgericht,\ntrotz Kenntnis des Beschlusses des OVG vom 20.12.2006 - 2 MB 14/06 -, nicht\nmit der Frage auseinander, dass nicht jede Abweichung in absoluten Zahlen beim\nArbeitsergebnis so wesentlich sei, dass eine Zusammenfassung unter rechtlichen\nGesichtspunkten nicht zulässig wäre. Die damalige Kalkulation aus dem Jahre\n2000 sei extern aufgestellt worden und diese Aussagen seien in die aktuelle\nBeitragskalkulation nicht übernommen worden.\n\n15\n\n \n\nAuch werde der Maßstab des Verwaltungsgerichts, der bei dem Stichwort\nArbeitsweise angelegt worden sei, nicht deutlich. Es komme insoweit lediglich\nauf drei verschiedene Stufen an, eine mechanische, eine mechanisch-biologische\nund eine chemische Abwasserbehandlung. Hinsichtlich der Arbeitsweise\nenthielten sämtliche zentralen Klärsysteme, nach dem Investitionsvolumen, wie\nes als Grundlage für die Beitragshöhe in die Kalkulation als Aufwand\naufgenommen worden sei, einheitlich verschiedene Klärstufen. Beispielhaft\nwerde auf die Systemzeichnung vom Juli 2002 des Reinigungssystems in Marxdorf,\nGemeinde Schashagen, verwiesen. Systemisch sei diese Zeichnung auf das\nZentralklärwerk zu übertragen. Einheitlich enthielten die Reinigungssysteme\nfür Schmutzwasser je eine mechanische Reinigungsstufe. Diese bestehe im\nZentralklärwerk aus Rechenanlage, Sandfang und Vorklärbecken. Bei allen\nkleinen Systemen werde diese mechanische Reinigungsstufe von zwei Schächten\nübernommen. Die Reinigungssysteme enthielten zudem eine biologische\nReinigungsstufe mit der Verminderung von Kohlenstoff- und\nStickstoffverbindungen. Eine mögliche biologische Phosphat-Elimination sei in\nkeiner der verbandseigenen Anlagen in der biologischen Reinigungsstufe\nvorhanden. Dieser Reinigungsstufe seien aus der juristisch missverständlichen\nvom Verwaltungsgericht erneut zitierten Aufstellung der Klärtechnik des\nZentralklärwerks in der Kalkulation 2000 die biologische Reinigung, sowie die\nNitrifikation und Denitrifikation zuzuordnen. Die in dieser Aufstellung\naufgelistete biologische Reinigung sei vermutlich von der externen Verfasserin\nin einem engeren Sinne aufgefasst und auf den Abbau von Kohlenstoff bezogen\nworden. Unzweifelhaft gehörten indes auch Nitrifikation und Denitrifikation\nzur biologischen Reinigungsstufe. In ein und denselben Klärwerken erfolge\nnämlich unter diesen Begriffen bei gezieltem Einsatz von Bakterien die\nVerminderung auch der Stickstoffbelastung des Schmutzwassers. Soweit in dem\nSchema zwei nacheinander geschaltete Schächte für die biologische Reinigung\naufgeführt seien, so enthielten die Klärteichanlagen zwei Teiche\nhintereinander, die unter Einsatz von Klärwerkstechnik in gleicher Weise der\nbiologischen Reinigung des Schmutzwassers dienten. Ebenfalls einheitlich für\nalle Klärsysteme gleich welcher Art seien in der Beitragskalkulation die\nKosten für die Phosphatfällung als chemischer Reinigungsstufe enthalten. Die\nSystemzeichnung weise diese Stufe vergleichbar mit der Zentralkläranlage und\nden Klärteichen durch den Hinweis einer FeCl 2 (Eisenchlorid) - Zugabe aus.\n\n16\n\n \n\nNach der Kommentarliteratur sei eine weitere Differenzierung von\nReinigungsleistungen nicht erforderlich. Rein vorsorglich werde aber darauf\nhingewiesen, dass für alle Systeme gleichermaßen vor Ableitung der geklärten\nAbwässer eine Nachklärung mit anschließender Filtration stattfinde. Dies lasse\nauch die Systemzeichnung erkennen, denn es folge dem Schacht für die\nNachklärung ein Probeentnahmeschacht, der mit einem Vliesfilter ausgestattet\nsei. Der Umstand, dass das Zentralklärwerk zusätzlich mit einer UV-Anlage\nbestückt sei, sei im Beitragsrecht nicht relevant, da diese Baumaßnahme zur\nWahrung der Badewasserqualität in den Aufwand für die Beiträge nicht\neingeflossen sei. Die UV-Anlage sei nach Beschlussfassung durch die\nVerbandsversammlung zur Verminderung der Anzahl der Keime im Abwasser gebaut\nund den drei genannten Reinigungsstufen, Mechanik, Biologie und Chemie\nnachgeschaltet worden. Es handele sich um eine freiwillige Maßnahme zur\nVerminderung von Keimen, da das gereinigte Schmutzwasser aus der Belebtanlage\ndes Zentralklärwerks Cismar in einen Vorfluter eingeleitet werde, der wenige\nhundert Meter weiter in die Ostsee münde und zwar in einem Bereich, der noch\nzum Badestrand der Gemeinde Grömitz gehöre.\n\n17\n\n \n\nHinsichtlich der Arbeitsergebnisse sei ebenfalls eine Vergleichbarkeit bei all\nden Klärsystemen gegeben. Jedenfalls könne man bei den unterschiedlichen\nErgebnissen nicht von schlechterdings unvergleichbar sprechen. Auch insoweit\nstelle die Organisationsentscheidung keine Überschreitung des Willkürverbotes\ndar. Für die Vergleichbarkeit im Sinne der grundstücksbezogenen Vorteilslage\nsei nicht auf die regelmäßig zu ermittelnden Messergebnisse im\nKlärwerksbetrieb abzustellen, sondern auf die zulässigen Ableitungswerte, und\nzwar auf die Werte, die die Konzentration der Parameter auswiesen und nicht\ndie der Schmutzfracht. Auf die Schmutzfracht als Vergleichsmaßstab könne nicht\nabgestellt werden, da dies eine Vergleichbarkeit der Arbeitsergebnisse bei\nunterschiedlich großen Reinigungsanlagen immer ausschließen würde. Vielmehr\nseien als Vergleichsmaßstab die zulässigen Einleitungswerte aus den\nwasserrechtlichen Erlaubnisbescheiden über die Konzentration, ausdrückt in\nMilligramm pro Liter, anzuwenden. Es werde für problematisch erachtet, wenn\nauf die regelmäßig zu erhebenden Messergebnisse abgestellt werden würde, die\nabhängig von vielen Faktoren Schwankungen unterlägen. In diesem Fall wäre dann\nzu klären, ob es auf Durchschnittswerte wöchentlich, monatlich oder aufs ganze\nJahr gesehen ankomme. Gerade aufgrund des Tourismusgeschäfts in den\nKüstenbereichen komme es im Jahresverlauf zu großen Schwankungen in den\nMessergebnissen. Auch komme es regelmäßig in allen Klärsystemen, welcher Art\nauch immer, je nach Witterung zu erheblichen Schwankungen durch Kälte oder\nHitze, durch Trockenheit oder Starkregenereignisse. Auch im Bereich der\nbiologischen Reinigungsstufe bestehe eine große Störanfälligkeit.\n\n18\n\n \n\nAllein die vergleichbare Arbeitsweise in all den Klärsystemen intendiere und\nindiziere die Vergleichbarkeit der Arbeitsergebnisse. Die vergleichbare\nArbeitsweise beschränke sich nämlich nicht auf die drei großen Bereiche\nMechanik, Biologie und Chemie. Vielmehr enthielten die Anlagen -\nbeitragsrechtlich relevant - einheitlich die Investitionen für die Reinigung\nvon Sperrstoffen, nicht bindigen Stoffen und festen organischen Stoffen, für\nKohlenstoff- und Stickstoff-Elimination, für die Phosphatfällung, für eine\nNachklärung und für einen abschließenden Filter. Einheitlich für die Systeme\nwerde so die Vorgabe des Optimierungsgebotes für Kläranlagen aus dem\nWasserrecht erfüllt.\n\n19\n\n \n\nBei der Planung der zentralen Schmutzwassersysteme seien auch\nbetriebswirtschaftliche Aspekte in den Blick zu nehmen. Ob also ein Ort oder\neine Ortslage über eine längere Druckrohrleitung an die große Zentralanlage in\nCismar angeschlossen werde oder werden solle oder ein eigenes Leitungssystem\nmit Reinigungsmöglichkeiten erhalte, hänge im Wesentlichen vom Kostenfaktor\nab, wobei die Frage des jeweiligen Reinigungssystems wesentlich von der\nGeländetopografie mitbestimmt werde. Bei der Entscheidung zur Ableitung der\nhäuslichen Abwässer in Thomsdorf habe man sich aus Kostengründen in dem\nAbwasserkonzept entschieden, die zentrale Entwässerung nicht an eine\nDruckrohrleitung anzuschließen, sondern an die Klärteichanlage Altratjensdorf\n(Anlage 2, GA Bl. 105). Von dieser wirtschaftlichen Vorgehensweise\nprofitierten im konkreten Fall sowohl die an die Zentralkläranlage\nangeschlossenen Grundstückseigentümer wie auch diejenigen der Klärteichanlage.\n\n20\n\n \n\nBei der Betrachtung vergleichbarer Vorteile müsse die jeweilige Größe eines\nSystems in besonderer Weise beachtet werden. Die Anforderungen an\nReinigungsleistungen seien nämlich nach den einschlägigen Rechtsvorschriften\ndes Wasserrechts je nach Größe unterschiedlich ausgestaltet. Die notwendige\nEinleitungserlaubnis der Landeswasserbehörde zur Ableitung der geklärten\nAbwässer in ein Gewässer werde bei dem Zentralklärwerk nur bei strengeren\nEinleitungsgrenzwerten erteilt, als bei den kleineren Anlagen. Der Beklagte\nsehe über die Vorgaben hinaus die Stickstoff-Elimination und auch die\nPhosphatfällung auch in seinen kleinen Anlagen vor, obwohl er nach den\nVorgaben dazu nicht verpflichtet sei. Die Differenzierung je nach Größe des\nReinigungssystems sei vor allem darauf zurückzuführen, dass bei der Ableitung\nder gereinigten Abwässer die enthaltene Schmutzfracht vom Gewässer verkraftet\nwerden müsse. Diese unterschiedlichen Anforderungen an die Reinigungssysteme\naus den wasserrechtlichen Einleitungserlaubnissen hinsichtlich der Ergebnisse\nder Reinigung bei der Schadstoffkonzentration je nach Größe vermittelten, wenn\nund solange sie dem wasserrechtlichen Optimierungsgebot des\nWasserhaushaltsrechts und dem Landeswasserrecht Rechnung trügen und genügten,\nwie dies hier der Fall sei, den jeweils angeschlossenen Grundstücken einen\nvergleichbaren Erschließungsvorteil.\n\n21\n\n \n\nIm Übrigen begegne das anzuwendende Satzungsrecht und die darauf beruhende\nBeitragsveranlagung keinen durchgreifenden Bedenken. Die\nTiefenbegrenzungsregelung und die Regelung zur Veranlagung von\nAußenbereichsgrundstücken sei nicht zu beanstanden.\n\n22\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n23\n\n \n\ndas Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 30.03.2007 zu\nändern und die Klage vollständig abzuweisen.\n\n24\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n25\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n26\n\n \n\nZur Begründung beruft er sich auf die Begründung des Verwaltungsgerichts.\n\n27\n\n \n\nDie Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und\nEntscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung\ngemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags\nder Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die\nwechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n28\n\n \n\nDie zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der angegriffene Bescheid\nüber die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag vom 12. Oktober 2001 in\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2003 ist auch im Hinblick\nauf den Anschlussbeitrag für die Schmutzwasserentsorgung rechtmäßig. Daher ist\ndas angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.\n\n29\n\n \n\nRechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Anschlussbeitrag für\ndie Schmutzwasserentsorgung ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. der Beitragssatzung zur\nSatzung des Zweckverbandes Karkbrook über die Entwässerung von Grundstücken\nund den Anschluss an zentrale oder dezentrale Abwasseranlagen in der Fassung\ndes 2. Nachtrages vom 12.02.2003 (BS) in Verbindung mit der Satzung über die\nEntwässerung der Grundstücke und den Anschluss an zentrale oder dezentrale\nAbwasseranlagen des Zweckverbandes Karkbrook sowie für das Einsammeln,\nAbfahren und Behandeln des in Hauskläranlagen anfallenden Schlamms\neinschließlich der Abwälzung der Abwasserabgabe auf Kleineinleiter in der\nFassung des 3. Nachtrages vom 12.02.2003 (AS).\n\n30\n\n \n\nNach § 1 Abs. 1 Satz 1 BS betreibt der Beklagte die Abwasserentsorgung als\ndrei selbständige öffentliche Einrichtungen für die Schmutzwasserentsorgung\n(a), Niederschlagsentwässerung (b) und die Fäkalschlammentsorgung (c).\n\n31\n\n \n\nGemäß § 2 BS wird ein Beitrag zur Deckung des Aufwands für die Herstellung und\nAus- und den Umbau der zentralen und dezentralen Abwasserentsorgungsanlagen\nerhoben, soweit dieser nicht durch Zuschüsse, Abwassergebühren oder auf andere\nArt gedeckt wird. Nach § 2 Abs. 2 lit. a BS sind Bestandteile der\nAbwasseranlage bei einem Trennsystem dessen Schmutzwasserkanalnetz\neinschließlich der Hauptsammler, Druckrohrleitung, Schmutzwasserpumpstationen,\nSchmutzwasserreinigungsanlagen, Grundstücksanschlussleitungen innerhalb des\nöffentlichen Verkehrsraumes, nach § 2 Abs. 2 lit. b BS beim Mischwassersystem\ndas Mischwasserkanalnetz einschließlich der Hauptsammler, Übergabe- und\nAuslaufbauwerke, Klärteichanlagen und Grundstücksanschlussleitungen innerhalb\ndes öffentlichen Verkehrsraumes. Die aus den Teileinrichtungen gebildete\nGesamtanlage stellt nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BS eine tatsächliche und technische\nuntrennbare Einheit dar.\n\n32\n\n \n\nDie dem Ortsrecht zugrunde liegende Entscheidung des Beklagten, die technisch\nund funktional getrennten Entwässerungssysteme zu einer öffentlichen\nEinrichtung „Schmutzwasserentsorgung“ zusammenzufassen, ist nicht zu\nbeanstanden.\n\n33\n\n \n\nEine Gemeinde ist aufgrund ihres Organisationsermessens grundsätzlich\nberechtigt, leitungsmäßig voneinander getrennte Entwässerungseinrichtungen als\nrechtlich einheitliche Einrichtung mit einheitlichen Entwässerungsabgaben zu\nbetreiben (std. Rechtsprechung vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.11.1975 - II A\n203/74 -, E 31, S. 252, OVG Lüneburg, Urteil vom 24.05.1989 - 9 L 3/89 -, Die\nGemeinde 1990, S. 29 = NVwZ-RR 1990, 507; Senatsurteile vom 26.03.1992 - 2 L\n167/91 -, Die Gemeinde 1992, S. 322 = KStZ 1992, S. 157 und vom 24.10.2001 - 2\nL 29/00 -, Die Gemeinde 2002, S. 69 = NordÖR 2002, S. 239 und dem 22.01.2003 -\n2 K 1/01, SchlHA 2003, S. 155).\n\n34\n\n \n\nEntscheidend ist insoweit nicht die technische Ausgestaltung, sondern die\nrechtliche Bestimmung durch die Gemeinde. Die satzungsrechtliche\nZusammenfassung technisch voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme ist\naus Rechtsgründen allein dann ausgeschlossen, wenn sie in ihrer Arbeitsweise\nund in ihren Arbeitsergebnissen so unterschiedlich sind, dass eine\nVergleichbarkeit der Anlagen schlechterdings ausgeschlossen ist (vgl. hierzu\nBVerwG, Beschluss vom 03.07.1978 - 7 B 118 - 124/78 -, Buchholz 401.84\nBenutzungsgebühren Nr. 40 sowie Senatsurteil vom 24.10.2001 - 2 L 29/00 -,\na.a.O.). Dies ist indes nur anzunehmen, wenn das Äquivalenzprinzip oder der\nGleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n25.03.1985 - 8 B 11/84 -, KStZ 1985, S. 129 und Urteil vom 20.12.2000 - 11 C\n7.00 -, DVBl. 2001, S. 488 zur Abfallgebühr) und eine Zusammenfassung als\nrechtliche Einheit mit gleichen Beitragssätzen als willkürlich erscheint. Eine\nGemeinde kann danach mehrere technisch getrennte, funktionell gleichartige\nleitungsgebundene Ent- und Versorgungssysteme zu einer Einrichtung im\nRechtssinne zusammenfassen, wenn den anzuschließenden Grundstückseigentümern\nvergleichbare Vorteile geboten werden (Senatsurteil vom 22.01.2003 - 2 L\n170/01 -).\n\n35\n\n \n\nNach diesen Maßstäben ist gegen die dem Satzungsrecht zugrundeliegende\nOrganisationsentscheidung nichts zu erinnern.\n\n36\n\n \n\nDem beklagten Zweckverband gehören zehn Gemeinden an, deren Schmutzwasser\nteils in dem Zentralklärwerk in Cismar (mechanische Reinigung mit\nRechenanlage, Sandfang und Vorklärbecken, biologische Reinigung,\nPhosphatfällung, Nitrifikation und Denitrifikation, Filtration, UV-Anlage) und\nteils Klärteichanlagen (Belebungs- bzw. Tropfkörperanlagen) zugeführt wird.\nDas klägerische Grundstück leitet in die Klärteichanlage Altratjensdorf ein\nund ist damit an eine der dezentralen Abwasserreinigungsanlagen angeschlossen.\n\n37\n\n \n\nBei der Beurteilung der Vergleichbarkeit der Abwasseranlagen ist in\nbeitragsrechtlicher Hinsicht auf die mit der Einrichtung verbundene\nVorteilsvermittlung abzustellen. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG sind die Beiträge\nnach Vorteilen zu bemessen, wobei der Vorteil der Inanspruchnahmemöglichkeit\neiner öffentlichen Abwassereinrichtung in der Erhöhung des Gebrauchswertes des\nGrundstücks besteht. Unterschiedliche Vorteile können Folge unterschiedlicher\nArbeitsergebnisse der Systeme sein, aber auch mit unterschiedlichen\nArbeitsergebnissen zusammenhängen (vgl. Habermann, KAG-Kommentar, in Praxis\nder Kommunalverwaltung, § 8 Rdnr. 413 m.w.N.).\n\n38\n\n \n\nEine grundsätzliche Vergleichbarkeit der Reinigungsleistungen, das sind die\nArbeitsergebnisse, und damit der Vorteilslage, kann anhand der\nwasserrechtlichen Erlaubnisse belegt werden (vgl. Habermann, a.a.O., § 8 Rn.\n413). Die wasserrechtlich normierten Einleitungsverpflichtungen nach § 31 LWG\ni.V.m. §§ 7a, 18a WHG geben einen Hinweis darauf, welche Mindeststandards bei\nder möglichst unschädlichen Abwasserbeseitigung einzuhalten sind. Die in der\nAbwasserverordnung geregelten Anforderungen an die Qualität des kommunalen\nAbwassers (vgl. Abwasserverordnung vom 15.10.2002, BGBl. I 2002, S. 4048,\nAnhang 1, Abschnitt C.) bei seiner Einleitung in Gewässer geben einen Maßstab\nab, der je nach Größenklasse der Abwasserbehandlungsanlage die\nLeistungsfähigkeit der Anlage kennzeichnet. Die Leistungsfähigkeit der Anlagen\nwird dadurch vergleichbar, was dann auch beitragsrechtlich zugrunde zu legen\nist.\n\n39\n\n \n\nDemgegenüber erscheinen andere Maßstäbe zu einer Vergleichbarkeit der\nLeistungsfähigkeit der Abwasserbehandlungsanlagen weniger tauglich, da sie,\nwie z.B. bei einem Abstellen auf die Einleitungsergebnisse, von vielen\nweiteren, mehr oder wenig zufällig eintretenden Faktoren abhängen.\n\n40\n\n \n\nNach der Darstellung des Beklagten wird durch die verschiedenen\nAbwasserbehandlungsanlagen in Bezug auf die zulässigen Einleitungswerte\neinheitlich dem Optimierungsgebot nach dem Wasserhaushaltsgesetz und der dazu\nergangenen Einleitungsverordnung Rechnung getragen.\n\n41\n\n \n\nDie Arbeitsweise der Klärteichanlagen unterscheidet sich systematisch nicht\nvon der des zentralen Klärwerks in Cismar. Dies hat der Beklagte hinsichtlich\nder Arbeitsweisen dargetan. Das Wasser wird jeweils durch mechanische\nReinigung, eine biologische Reinigungsstufe und eine chemische Reinigungsstufe\nzur Phosphatfällung behandelt. Auch eine Filtration erfolgt einheitlich.\n\n42\n\n \n\nDa die Zusammenfassung der Einrichtungen nicht zu beanstanden ist, durfte auch\nder jeweils entsprechende Aufwand berücksichtigt und in die Kalkulation\neingestellt werden. Die Erhebung eines einheitlichen Anschlussbeitrages ist\nzulässig.\n\n43\n\n \n\nIn die Aufwandsverteilung ist aber nur solcher Aufwand einzustellen, der zu\nden vergleichbaren Arbeitsweisen und -ergebnissen beiträgt. Der Aufwand für\ndie UV-Bestrahlung, die nur im Zentralklärwerk Cismar stattfindet, ist danach\nnicht zu berücksichtigen. Die zusätzlich im Zentralklärwerk in Cismar\ndurchgeführte UV-Bestrahlung zur Keimreduzierung ist eine freiwillige Leistung\nund im umzulegenden Aufwand nicht berücksichtigt worden. Aber sehr wohl zu\nberücksichtigen ist der Aufwand für die überobligatorische Stickstoff-\nElimination und Phosphatfällung, die in den verschiedenen Anlagentypen\ngleichermaßen stattfindet. Denn eine Verbesserung der Abwasserklärung schafft\neinen zusätzlichen Vorteil, weil die von den Grundstücken nach der\nAbwasserbehandlung nur in ein Gewässer eingeleitet werden dürfen, wenn ihre\nSchadstofffracht so gering wie möglich gehalten, zumindest jedoch nach den\nallgemeinen Regeln der Technik reduziert worden ist (vgl. Senatsurteil v.\n30.11.1992 - 2 L 285/91-, SchlHA 1993, S. 121).\n\n44\n\n \n\nDanach ist festzustellen, dass die Zusammenfassung der verschiedenen\nEinrichtungen zulässig ist, da eine Unterschiedlichkeit der Arbeitsweise und\ndes Arbeitsergebnisses eine Vergleichbarkeit nicht schlechterdings ausschließt\nund den an die unterschiedlichen Anlagen anzuschließenden Grundstücken eine\ngleiche Vorteilslage geboten wird.\n\n45\n\n \n\nAnhaltspunkte dafür, dass sich der Aufwand pro Leistungseinheit (EW) für das\nZentralklärwerk einerseits und die übrigen Kläranlagen andererseits\nnennenswert unterscheidet, sind nicht ersichtlich. Jedenfalls begründen die\nUnterschiede keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes und des dem\nBeitragsrecht innewohnenden Äquivalenzprinzips. Auf der Rechtsgrundlage des\nKAG und des Satzungsrechts des Beklagten ist es nicht zu beanstanden, dass er\nauch wirtschaftliche Überlegungen derart in seine Planungen einstellt, dass er\ndie für alle Anschlusspflichtigen günstigsten Aufwandslösungen favorisiert,\nvon dem Bau langer Anschlussleitungen absieht und die dezentralen\nKlärteichanlagen weiter betreibt. Eine mögliche Alternative des Anschlusses\naller oder jedenfalls weiterer Anschlusspflichtiger an das Zentralklärwerk\nstellt unter Aufwandsgesichtspunkten für die Anschlussbeitragspflichtigen\nnicht unbedingt eine günstigere Alternative dar.\n\n46\n\n \n\nDie vom Verwaltungsgericht in der in Bezug genommenen Entscheidung zum\nVerfahren 9 A 9/99 beanstandeten Regelungen zur Tiefenbegrenzung in § 5 a Abs.\n3 c BS sind aufgrund der Einheitlichkeit der Siedlungsstruktur der\nVerbandsgemeinden und wegen der Vielzahl von Innenbereichssatzungen von wenig\npraktischer Bedeutung. Nach der Rechtsprechung führt eine fehlerhafte\nTiefenbegrenzung nur dann zur Rechtswidrigkeit der Beitragssatzung, wenn sich\ndaraus eine zu geringe Beitragsfläche ergibt. In der Regel kann jedoch\nausgeschlossen werden, dass die durchschnittliche Bebauungstiefe von 50 m im\nVerbandsgebiet überschritten wird, insoweit fehlen hier konkrete Anhaltspunkte\nfür eine solche Überschreitung. Sofern wegen unterschiedlicher Verhältnisse in\nden Baugebieten eine Differenzierung geboten sein sollte, berührte dies im\nÜbrigen die Beitragsbemessung im Einzelfall, nicht aber die Kalkulation des\nBeitragssatzes (so Senatsbeschluss vom 20.12.2006 - 2 MB 14/06 - unter Bezug\nauf Senatsurteil vom 25.01.2003 - 2 L 170/01 -; Urteil vom 07.04.2004 - 2 LB\n45/03 -; Beschluss erging zum Satzungsrecht des Beklagten).\n\n47\n\n \n\nAuch die Satzungsregelung zu Behandlung von Außenbereichsgrundstücken führt\nnicht zur Heranziehung des Klägers zu einem fehlerhaften Beitragssatz. Soweit\ndas Ortsrecht keine vorteilsgerechte Verteilungsvorsorge in Bezug auf bebaute\nAußenbereichsgrundstücke enthält, weil insofern nur auf tatsächlich\nangeschlossene und nicht auch auf nur anschließbare Baulichkeiten abgestellt\nwird, ist zweifelhaft, ob sich daraus ein fehlerhafter Beitragssatz ergeben\nkönnte. Der Beklagte führt dazu aus, dass es im gesamten Verbandsgebiet\ntatsächlich kein Außenbereichsgrundstück gäbe, das eine Anschlussmöglichkeit\nan die öffentliche Abwasserentsorgung hätte, ohne von dieser\nAnschlussmöglichkeit Gebrauch gemacht zu haben (Zustand konkreter\nVollständigkeit). Sofern der Beklagte alle anschließbaren Baulichkeiten im\nAußenbereich in die Kalkulation eingestellt hat, läge danach trotz\nfehlerhafter Satzung kein unzutreffender Beitragssatz vor (so Senatsbeschluss\nvom 04.02.2003 - 2 L 83/02 - zum Satzungsrecht des Beklagten).\n\n48\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidungen\nzur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10,\n711 ZPO.\n\n49\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen (§ 132\nAbs. 2 VwGO).\n\n \n\n
103,775
lagmv-2008-11-14-3-sa-8408
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
3 Sa 84/08
2008-11-14
2018-11-23 16:30:10
2019-02-14 06:15:43
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom\n06.02.2008 - 4 Ca 1262/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.\n\n \n\nII. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zu gelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers.\n\n2\n\n \n\nDer Kläger war bis zum 31.12.2007 bei dem beklagten Land als Oberarzt in der\nKlinik und Poliklinik für Innere Medizin/Abteilung Hämatologie und Onkologie\narbeitsvertraglich auf der Grundlage des Tarifvertrages für Ärztinnen und\nÄrzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 (künftig: TV-Ärzte) tätig.\n\n3\n\n \n\nMit Schreiben vom 11.06.2007 wurde der Kläger rückwirkend zum 01.07.2006 zum\n"stellvertretenden Abteilungsleiter" bestellt. In dem benannten Schreiben\nheißt es - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:\n\n4\n\n \n\n"Sehr geehrter Herr Prof. ...,\n\n5\n\n \n\nmit Wirkung vom 01.07.2006 übertrage ich Ihnen zunächst für die Dauer von 5\nJahren die Aufgabe des Stellvertretenden Abteilungsleiter in Ihrer\nEinrichtung.\n\n6\n\n \n\nDie Stellvertretung bezieht sich ausschließlich auf die Dauer der\nAbwesenheitsvertretung des Abteilungsleiters.\n\n7\n\n \n\nDiese Ernennung begründet nicht die tarifrechtliche Eingruppierung als\nständiger Vertreter."\n\n8\n\n \n\nDer Kläger war zuletzt in die Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 eingruppiert. Mit\nseiner Klage begehrt er eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 3.\n\n9\n\n \n\nDer Kläger hat beantragt,\n\n10\n\n \n\ndas beklagte Land zu verurteilen, den Kläger rückwirkend ab dem 1. Juli 2006\nin die Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an\nUniversitätskliniken (TV-Ärzte) einzustufen.\n\n11\n\n \n\nDas beklagte Land hat beantragt,\n\n12\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n13\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf\ndie angefochtene Entscheidung Bezug genommen.\n\n14\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Rostock hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen\nargumentiert, der Kläger sei nicht "ständiger Vertreter" im Sinne der\nEntgeltgruppe Ä 4. Sowohl die Tätigkeitsdarstellung vom 21.08.1995 als auch\ndas Schreiben des beklagten Landes vom 11.06.2007 beinhalte lediglich die\nÜbertragung einer sogenannten "Abwesenheitsvertretung". Diese reiche aber\nnicht aus, um die tariflichen Anforderungen an einen "ständigen Vertreter"\nerfüllen zu können.\n\n15\n\n \n\nGegen diese am 02.06.2008 zugegangene Entscheidung richtet sich die am\n07.03.2008 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene\nBerufung des Klägers nebst Begründung mit Schriftsatz vom 02.07.2008\n(eingegangen bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern am gleichen\nTag).\n\n16\n\n \n\nDer Kläger hält an seiner Rechtsauffassung fest. Die Unterscheidung zwischen\n"Anwesenheits- und Abwesenheitsvertretung" erschließe sich dem Kläger bereits\ndeshalb nicht, weil eine "Anwesenheitsvertretung" ohnehin ausgeschlossen sei.\nDer Kläger sei mithin "ständiger Vertreter" des Chefarztes im tariflichen\nSinne, und zwar sowohl nach den Vorgaben des TV-Ärzte als auch nach denen des\nBAT-O. Auch bei Anwesenheit des Chefarztes habe der Kläger sämtliche\nmedizinische und organisatorische Entscheidungen so treffen können, wie sie\nauch der Chefarzt habe treffen dürfen. Eine Rücksprache sei insoweit nicht\nnotwendig gewesen. Der Kläger habe jederzeit und ohne Einschränkung die\ngleichen Rechte und Pflichten gehabt, wie sie auch dem Chefarzt zugestanden\nhätten und er - der Kläger - diese "neben dem Chefarzt" auch ausgeübt habe,\nund zwar vollzeitig.\n\n17\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n18\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 06.02.2008 (Aktenzeichen: 4 Ca\n1262/07) aufzuheben und nach dem Klageantrag erster Instanz zu entscheiden.\n\n19\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n20\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n21\n\n \n\nDas beklagte Land verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Dem Kläger sei\nlediglich die Abwesenheitsvertretung, nicht aber die "ständige Vertretung" im\nSinne der Entgeltgruppe Ä 4 übertragen worden.\n\n22\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszug wird auf die zwischen\nden Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n23\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht Rostock hat die\nKlage mit der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei abgewiesen.\n\n \n\nI.\n\n24\n\n \n\nDer Kläger verfügt gegenüber dem beklagten Land nicht über einen Anspruch auf\nEingruppierung nach § 12 Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 3 TV-Ärzte.\n\n25\n\n \n\nIn die benannte Entgeltgruppe ist einzugruppieren die Fachärztin/der Facharzt,\nder/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom\nArbeitgeber übertragen worden ist. In der entsprechenden Protokollerklärung\nheißt es wie folgt:\n\n26\n\n \n\n"Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der\nGesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher\ninnerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden."\n\n27\n\n \n\nDiese Protokollnotiz wiederum ist durch die Tarifvertragsparteien im\nWesentlichen wortgleich aus dem BAT/BAT-O (Protokollnotiz Nr. 3 zur\nVergütungsgruppe I Fallgruppe 4 der Anlage 1 a zum BAT) übernommen worden.\n\n28\n\n \n\nDa insoweit keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis der benannten\nProtokollnotizen ersichtlich sind - und von den Parteien im Übrigen auch nicht\nvorgetragen werden - ist davon auszugehen, dass die Protokollnotiz zur\nEntgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte im Sinne der Protokollnotiz Nr. 3 zur\nVergütungsgruppe I Fallgruppe 4 der Anlage 1 a zum BAT zu verstehen ist. Eine\nabweichende Auslegung kommt mithin vorliegend nicht in Betracht, so dass auf\ndie diesbezüglich ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung (insbesondere\nBAG vom 14.08.1991 - 4 AZR 25/91 -; juris) zurückgegriffen werden kann.\n\n29\n\n \n\nDanach kommt die Bejahung des tariflichen Merkmals des "ständigen Vertreters"\nnur dann in Betracht, wenn der "ständige Vertreter" die Aufgaben des leitenden\nArztes auch bei dessen dienstlicher Anwesenheit vollumfänglich wahrnimmt. Der\n"ständige Vertreter" muss die Aufgaben neben dem leitenden Arzt zu erledigen\nhaben (BAG vom 14.08.1991, a. a. O.). Lediglich die Übertragung der\nAbwesenheitsvertretung reicht danach - offensichtlich entgegen der Auffassung\ndes Klägers - eben gerade nicht aus.\n\n30\n\n \n\nGemessen an den genannten Voraussetzungen muss die Klage ohne Erfolg bleiben.\n\n31\n\n \n\nDenn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Kläger sowohl nach der\nTätigkeitsdarstellung vom 21.08.1995 als auch auf der Grundlage des Schreibens\ndes beklagten Landes vom 11.06.2007 - ausdrücklich - die\n"Abwesenheitsvertretung" übertragen worden war.\n\n32\n\n \n\nDieser Umstand ist durch den Kläger auch weder erstinstanzlich noch in der\nBerufungsbegründung in Abrede gestellt worden. Soweit der Kläger erstmals in\nder Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 11.09.2008 vorträgt, er habe auch im\nFalle der Anwesenheit des Chefarztes in sämtlichen organisatorischen und\nmedizinischen Angelegenheiten - neben dem Chefarzt - die identischen\nEntscheidungskompetenzen inne gehabt, so ist dieser Vortrag unbeachtlich. Zum\neinen sind die benannten Angaben zu pauschal, um daraus eine "ständige\nVertretung" im tariflichen Sinne schließen zu können, was zu Lasten des\ninsoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers geht.\n\n33\n\n \n\nZum anderen trägt auch der Kläger nicht vor, dass ihm - anders als nach dem\nWortlaut des Schreibens des beklagten Landes vom 11.06.2007 - der von ihm\nangegebene Aufgabenumfang im Fall der Anwesenheit des Chefarztes durch die\nKlinikumsleitung des beklagten Landes und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt\nübertragen worden sein soll.\n\n34\n\n \n\nLediglich rein vorsorglich sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass\ngegebenenfalls eine Billigung des leitenden Arztes im Sinne der Duldung der\nAusführung von Tätigkeiten eines "ständigen Vertreters" im tariflichen Sinn\ndurch den Vertreter nicht als ausreichend erachtet werden kann, sondern\nvielmehr die Übertragung entsprechender Tätigkeiten durch das jeweilige\nvertretungsberechtigte Organ auf Arbeitgeberseite erforderlich ist (BAG vom\n14.08.1991, a. a. O.).\n\n35\n\n \n\nNach alledem ist wie erkannt zu entscheiden.\n\n \n\nII.\n\n36\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.\n\n37\n\n \n\nRevisionszulassungsgründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht\nersichtlich.\n\n38\n\n \n\nDiese Entscheidung befindet sich im Einklang mit der höchstrichterlichen\nRechtsprechung (BAG vom 14.08.1991, a. a. O.).\n\n
104,671
lg-rostock-2008-08-01-19-qs-6508
480
Landgericht Rostock
lg-rostock
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
19 Qs 65/08
2008-08-01
2018-11-24 03:30:15
2019-02-14 06:53:57
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nI. Der Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 18.04.2008 (34 Gs 250/08) wird\naufgehoben.\n\n \n\nEs wird festgestellt, dass die Anforderung der Kriminalpolizeiinspektion\nRostock zur Verfügungstellung eines Lichtbildes vom 13.02.2007 und die\nVerwendung des in der Folge durch das Stadtamt B. übermittelten Lichtbildes\nder Beschwerdeführerin rechtswidrig war.\n\n \n\nDie Blätter 74 (Ausdruck des Antrags auf Ausstellung eines Reisepasses) und\n102 (WLV-Nr. WLV213936181) des 1. Aktenbandes sind durch Fehlblätter zu\nersetzen und so zu verwahren, dass sie jederzeit bei beschränkt zu gewährender\nAkteneinsicht von der Einsichtnahme ausgenommen werden können.\n\n \n\nII. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der\nBeschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren hat die Staatskasse zu tragen.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerdeführerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer\nÜbermittlung des Passbildes durch die Passbehörde auf Anforderung der Polizei\nzur Erstellung einer Wahllichtbildvorlage.\n\n \n\nI.\n\n2\n\n \n\nGegen die Beschwerdeführerin wurde mit Strafanzeige vom 01.01.2007 ein\nErmittlungsverfahren eingeleitet. Aus der Anzeige ist nicht zu entnehmen,\nwelches Verhalten die Beschwerdeführerin verdächtig gemacht haben soll. Auch\nin dem Tätigkeitsbericht der Polizei mit selbem Datum (Bl. 8, 9 d.A.) ist dies\nnicht vermerkt. Dort wird wiederum nur die Beschwerdeführerin als\nVerantwortliche benannt und von bekannten Tätern gesprochen. In der\nZeugenvernehmung des Z wird die Beschwerdeführerin nicht erkennbar genannt.\nDer Kurzbericht Nr. 008494 (Bl. 13 d.A.) verhält sich auch nicht zu den\nUmständen des Tatverdachts. Dort wird die Beschwerdeführerin nur als\nTatverdächtige einer gefährlichen Körperverletzung genannt und für den\nSachverhalt auf den Kurzbericht Nr. 008500 verwiesen. In jenem Kurzbericht\n(Bl. 17 d.A.) wird zunächst von einer Gruppe unbekannter Täter gesprochen und\ndavon, dass die in dem Kurzbericht genannte Person, nämlich E, als einer der\nTatverdächtigen benannt worden sei. Irgendwelche nähere Informationen zu der\nBeschwerdeführerin sind dort nicht festgehalten. Der E äußerte sich zur Sache\nund gab an, dass er nur seine Freundin nach Hause gebracht habe und nicht an\ndem Vorfall beteiligt gewesen sei (Bl. 18-22 d.A.). Der Einsatzbericht Nr.\n02-202-31.12.06 beschreibt allgemein den Vorfall ohne zu erläutern, worauf der\nTatverdacht hinsichtlich der zwei Festgenommenen begründet wurde (Bl. 23\nd.A.). Der E bestätigte nochmals im Rahmen der erkennungsdienstlichen\nBehandlung seine Darstellung, welche durch die ermittlungsführende Beamtin\nauch als glaubwürdig angesehen wurde (Bl. 33 d.A.). Die Zeugin A, die Freundin\ndes E bestätigte dessen Darstellung (Bl. 35-39 d.A.). Der Zeuge POM W, welcher\nden ganzen Vorfall durchgehend beobachtet haben will, konnte die\nBeschwerdeführerin nicht als mögliche Täterin identifizieren (Bl. 43, 44\nd.A.). Aus der E-Mail v. 31.01.2007 (Bl. 49 d.A.) kann entnommen werden, dass\ndie Beschwerdeführerin selbst als Geschädigte eine Anzeige erstattet hatte,\nohne jedoch offenbar nähere Angaben zum Sachverhalt zu machen. Mit Datum vom\n31.07.2007 ordnete die Polizei unter Angabe des § 81b StPO, 2. Alternative\numfangreiche erkennungsdienstliche Maßnahmen (Lichtbilder in Form von\nGanzaufnahmen, Sonderaufnahmen und Anregung der Aufnahme in Lichtbildkartei,\nFingerabdrücke, Handflächenabdrücke, Personenbeschreibung) gegen die\nBeschwerdeführerin an (Bl. 50 d.A.). Auf den Einzelfall bezogene Ausführungen\nenthielt die Anordnung nicht. Die Erstellung einer Wahllichtbildvorlage wurde\nangefordert (vgl. Bd. I, Bl. 51 f.d.A.). Die Beschwerdeführerin kam der Ladung\nzum Zwecke der Durchführung der Anordnung nicht nach. Sie erhob vielmehr\nWiderspruch und stellte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.02.2007 gegen die\nAnordnung vor dem Verwaltungsgericht Schwerin einen Antrag auf Erlass einer\neinstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung des\nWiderspruchs vom gleichen Tag wieder herzustellen und die Polizei anzuweisen,\ndie erkennungsdienstliche Maßnahme bis zur Entscheidung über den Antrag zurück\nzu stellen (Bd. I, Bl. 58-63 d.A.).\n\n3\n\n \n\nIn Absprache mit dem Verwaltungsgericht Schwerin vom 13.02.2007 verzichtete\ndie Polizei zunächst auf die Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahme\n(Bd. I, Bl. 66 d.A.). Am gleichen Tag forderte sie aber gemäß § 2b PersAuswG\nvom Stadtamt B. Lichtbilder an, ohne den Grund der Anforderung weiter zu\nspezifizieren. Aus dem Vermerk vom 13.02.2007 (Bd. I, Bl. 75 d.A.) geht\nhervor, dass an diesem Tag die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Schwerin\nwegen des genannten Antrages stattfinden sollte. Am Nachmittag des 13.02.2007\nholte die Mitarbeiterin der Polizei einen Ausdruck des angeforderten\nLichtbildes von der Passbehörde ab und erstellte eine Wahllichtbildvorlage\n(WLV-Nr. WLV213936181, Bd. I., Bl. 102 d.A.). Diese wurde im weiteren Verlauf\nder Ermittlungen mehreren Zeugen vorgelegt.\n\n4\n\n \n\nMit Datum vom 15.02.2007 beantragte die Beschwerdeführerin vorsorglich im\nHinblick auf eine mögliche erneute Anordnung einer erkennungsdienstlichen\nBehandlung richterliche Entscheidung (Bd. I., Bl. 80 f.d.A.). Nach\nAkteneinsicht widersprach die Beschwerdeführerin mit anwaltlichem Schriftsatz\nvom 27.02.2007 der Wahllichtbildvorlage und ihrer Verwendung (Bd. I, Bl. 83\nf.d.A.).\n\n5\n\n \n\nDie Wahllichtbildvorlage wurde bei der Vernehmung des Zeugen S vorgelegt. Der\nZeuge konnte keinerlei weiterführende Angaben zu einem Tatverdacht gegen die\nBeschwerdeführerin machen (Bl. 96 ff. d.A.).\n\n6\n\n \n\nDie Zeugin R berichtete von der Festnahme eines Mädchens, ohne aber klare\nAngaben zu möglicherweise strafbaren Handlungen dieser Person machen zu\nkönnen. Auf der vorgelegten Wahllichtbildvorlage kann sie die\nBeschwerdeführerin nicht als die damals festgenommene Person identifizieren.\nDa aber nur eine weibliche Person festgenommen wurde, dürften ihre Angaben\nsich auf die Festnahme der Beschwerdeführerin beziehen (Bl. 107 ff. d.A.).\n\n7\n\n \n\nDer Zeuge A konnte Angaben zum Vorfall machen, nicht jedoch zu einer\nBeteiligung der Beschwerdeführerin, auf der vorgelegten Wahllichtbildvorlage\nerkannte er sie nicht (Bl. 116 ff. d.A.). Ähnliches gilt für die Zeugin V (Bl.\n126 ff. d.A.).\n\n8\n\n \n\nDie Zeugin S berichtete - wie auch ihr Mann - von dem ganzen Geschehen und\ninsbesondere von einer Auseinandersetzung zwischen einer männlichen Person,\nwelche augenscheinlich dem rechten Lager zugeordnet werden konnte, und einer\nweiblichen Person, welche dem schwarzen Block zugehörig schien. Von einer\nFestnahme der weiblichen Person berichtete sie nicht, auf der\nWahllichtbildvorlage konnte sie die Beschwerdeführerin nicht erkennen (Bl. 134\nff. d. A.).\n\n9\n\n \n\nDer Zeuge L konnte keine Angaben zu der Beteiligung der Beschwerdeführerin\nmachen (Bl. 145 ff. d.A.), ebenso wenig wie der Zeuge H. (Bl. 165 ff. d.A.).\n\n10\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht Schwerin gab mit Beschluss vom 30.03.2007 dem Antrag\nvom 12.02.2007 statt (Bd. I, Bl. 179-187 d.A.).\n\n11\n\n \n\nMit Schriftsatz vom 21.05.2007 beantragte die Beschwerdeführerin die\nVernichtung des von der Passbehörde übersandten Antrages nebst Foto (Bd. I,\nBl. 188 d.A.). Nachdem ihr durch die Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden war,\ndass die Vernichtung zusammen mit den Akten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist\nerfolgen würde, beantragte sie mit Schriftsatz vom 20.08.2007 eine\ngerichtliche Entscheidung mit dem Ziel festzustellen, dass die Anforderung des\nLichtbildes rechtswidrig gewesen sei (Bd. I, Bl. 195 d.A.).\n\n12\n\n \n\nDie sachbearbeitende Polizeibeamtin nahm mit Vermerk vom 04.09.2007 zur\nGrundlage der Anforderung des Passbildes Stellung (Bl. 200 f. d.A.).\n\n13\n\n \n\nMit Schriftsatz vom 18.02.2008 beantragte die Beschwerdeführerin erneut\nvorsorglich richterliche Entscheidung für den Fall, dass die\nerkennungsdienstliche Behandlung auf § 81b 1. Alternative StPO gestützt werden\nsollte. Ferner legte sie dar, dass gegen Maßnahmen der Polizei das Gericht\nentsprechend § 98 II StPO angerufen werden könne (Bd. II., Bl. 218 f.d.A.).\n\n14\n\n \n\nDas Amtsgericht Rostock wies mit Beschluss vom 18.04.2008 den Antrag auf\ngerichtliche Entscheidung zurück. Welcher Antrag konkret zurückgewiesen wurde,\nwurde im Tenor nicht bezeichnet. In den Gründen wurde jedoch ausgeführt, dass\ndie Beschuldigte beantragt habe, festzustellen, dass die Anforderung des\nPassbildes durch die Ermittlungsbehörden rechtswidrig gewesen sei und dass\ndieser Antrag keinen Erfolg habe (Bd. II, Bl. 226 f. d.A.).\n\n \n\nII.\n\n15\n\n \n\nDer Antrag auf richterliche Entscheidung ist zulässig, es liegt insbesondere\ndas erforderliche Rechtsschutzinteresse vor.\n\n16\n\n \n\n1\\. Zutreffend ging das Amtsgericht davon aus, dass nicht über den Antrag auf\nrichterliche Entscheidung zu entscheiden war, welcher für den Fall gestellt\nwurde, dass die erkennungsdienstliche Behandlung auf § 81b 1. Alternative StPO\ngestützt werden sollte. Da keine weitere erkennungsdienstliche Behandlung\nangeordnet worden war, konnte der Schriftsatz vom 18.02.2008 nur so verstanden\nwerden, dass der Antrag vom 20.08.2007 aufrecht erhalten werden sollte mit dem\nHinweis auf das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 98 II 2 StPO.\n\n17\n\n \n\n2\\. Das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 98 II 2 StPO ist auch\ngrundsätzlich geeignet, Ermittlungsmaßnahmen einer gerichtlichen Überprüfung\nzu unterziehen, soweit eine gewisse Eingriffsintensität erreicht wird.\n\n18\n\n \n\na) Bei der Anforderung eines Passbildes von den Passbehörden handelt es sich\num eine Ermittlungstätigkeit im Rahmen der allgemeinen Befugnisnorm des § 161\nI StPO (vgl. BayObLG, Beschluß vom 27. 8. 2003, NStZ 2004, 91). Grundsätzlich\nist die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfspersonen in der StPO\nabschließend geregelt, soweit Prozesshandlungen betroffen sind, sie also auf\ndie Einleitung, Durchführung und Gestaltung des Ermittlungsverfahrens\ngerichtet sind. Soweit die StPO keine Rechtsbehelfe vorsieht, sind\nErmittlungshandlungen nicht gesondert anfechtbar. Da auch keine\nJustizverwaltungsakte vorliegen, ist im Regelfall auch nicht der Rechtsschutz\nnach den §§ 23 ff EGGVG eröffnet. Etwas anderes gilt dann, wenn es sich um\nMaßnahmen handelt, welche erheblich in Grundrechte eingreifen. Hier gebietet\ndas in Art. 19 IV GG verbürgte Verfahrensgrundrecht auf effektiven und\nmöglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen\nGewalt eine Rechtsschutzmöglichkeit durch die Fachgerichte zu eröffnen (vgl.\nKarlsruher Kommentar/Schoreit, 5. Aufl. EGGVG § 23 Rn 31 ff.; BVerfG, Beschluß\nvom 30.04.1997, NJW 1997, 2163 ff.).\n\n19\n\n \n\nSoweit also geltend gemacht wird, dass durch eine Ermittlungshandlung der\nStrafverfolgungsbehörden Grundrechte verletzt worden seien, ist hierfür das\nVerfahren nach § 98 II 2 StPO eröffnet.\n\n20\n\n \n\nb) Zulässigkeitsvoraussetzung ist jedoch, dass ein Rechtsschutzinteresse\nvorliegt, was dann der Fall ist, wenn ein tiefgreifender Eingriff in\nGrundrechte geltend gemacht wird (vgl. Schoreit aaO Rn 31f, BVerfG aaO S.\n2164). Bei solchen Eingriffen kann auch dann noch ein Rechtsschutzinteresse\ngegeben sein, wenn die Maßnahme bereits erledigt ist.\n\n21\n\n \n\naa) Derart erhebliche Grundrechtseingriffe kommen vor allem bei Anordnungen in\nBetracht, die das Grundgesetz - wie in den Fällen des Art. 13 II und Art. 104\nII und III - vorbeugend dem Richter vorbehalten hat (BVerfG aaO). Ein solcher\nFall liegt hier nicht vor, da die Anforderung von Passbildern weder nach § 161\nStPO noch nach § 22 PassG (hier einschlägig, da das Foto aus einem Passantrag\nübermittelt wurde) oder § 2b PersAuswG einer durch das Grundgesetz\nvorgesehenen richterlichen Anordnung bedarf.\n\n22\n\n \n\nbb) Betroffen ist bei der Verwertung des Passbildes das allgemeine\nPersönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 1 I, 2 I GG in der\nAusprägung des Rechts am eigenen Bild.\n\n23\n\n \n\nEin allgemeines oder gar umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der\neigenen Person enthält Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG allerdings nicht. Das\nRecht am eigenen Bild gewährleistet dem Einzelnen aber Einfluss- und\nEntscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von\nBildaufzeichnungen seiner Person durch andere geht. Das Schutzbedürfnis ergibt\nsich vor allem aus der Möglichkeit, das auf eine bestimmte Situation bezogene\nErscheinungsbild eines Menschen von ihr zu lösen und das Abbild jederzeit\nunter für den Betroffenen nicht überschaubaren Voraussetzungen vor Dritten zu\nreproduzieren. Je leichter dies ist, umso größer kann das Schutzbedürfnis sein\n(vgl. BVerfG, Urteil vom 15. 12. 1999, NJW 2000, 1021, 1022; BVerfG, Beschluss\nvom 26. 2. 2008, NJW 2008, 1793, 1794, jew.m.w.Nachw.).\n\n24\n\n \n\nDer im vorliegenden Fall geltend gemachte Eingriff ist tiefgreifend, auch wenn\nein Grenzfall gegeben ist. Durch die Weitergabe des Bildes wurde zwar nicht\ndie Gefahr geschaffen, dass ein unkontrolliert großer Personenkreis hiervon\nKenntnis nehmen konnte, da das Bild allein für die Zwecke des konkreten\nErmittlungsverfahrens benötigt wurde. Innerhalb dieses Verfahrens sollte das\nBild aber einer größeren Anzahl von Zeugen vorgelegt werden und es bestand die\nMöglichkeit einer Kenntnisnahme durch Beschuldigte und ihre Verteidiger sowie\nsonstigen Personen mit Akteneinsichtsrecht. Aufgrund des zu Grunde liegenden\nSachverhalts unter Beteiligung einer Vielzahl von Zeugen und möglichen Tätern\ndroht die Kenntnisnahme durch einen relativ großen Personenkreis. Diese\nVorgänge können von der Beschwerdeführerin in keiner Weise kontrolliert\nwerden. Allein die Möglichkeit gegen die Maßnahme Dienstaufsichtsbeschwerde zu\nerheben (vgl. hierzu Karlsruher Kommentar/Wache, 5. Aufl. StPO § 163 Rn 33)\nwird in solchen Fällen nicht den Interessen der Beschwerdeführerin gerecht.\n\n25\n\n \n\nAußerdem besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, da die Polizei\neindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie das Vorgehen weiterhin für\nrechtmäßig hält, so dass zu besorgen ist, dass sie in ähnlichen Fällen\nwiederum so vorgehen wird.\n\n \n\nIII.\n\n26\n\n \n\nDie Anforderung des Passbildes war rechtswidrig. Weder die Voraussetzungen des\n§ 22 PassG noch des § 2b PersAuswG lagen vor.\n\n27\n\n \n\nVoraussetzung der Datenübermittlung ist jeweils zunächst, dass die ersuchende\nBehörde auf Grund von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche\nDaten zu erhalten, und dass die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten\nnicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen. Bereits an\ndiesen Voraussetzungen fehlt es hier. Als Aufgaben- und Befugnisnorm greift\nhier § 163 StPO, die allgemeine Erforschungspflicht der Polizei. Der\nerforderliche Anfangsverdacht einer Straftat war gegeben. Die Erforderlichkeit\nder Beiziehung eines Lichtbildes zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben war\naber nicht hinreichend erkennbar. Der ganze Vorfall spielte sich in der\nSilvesternacht ab. Die Rolle der Beschwerdeführerin war in keiner Weise näher\naufgeklärt. Es gab keine konkreten Anzeichen dafür, dass irgend welche näheren\nErkenntnisse durch Vorlage des Passbildes gewonnen werden könnten. Da die\nBeiziehung eines Lichtbildes zur Vorlage bei einer größeren Anzahl an Personen\neinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt, sind an\ndie Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme über das Mindestmaß hinaus\nerhöhte Anforderungen zu stellen. Es ist daher zumindest zu verlangen, dass\ngewisse Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Vorlage des Lichtbildes zu\nkonkreten Ermittlungserfolgen führen könnte, was hier nicht der Fall war.\n\n28\n\n \n\nFerner ist nach beiden Vorschriften erforderlich, dass die Daten bei dem\nBetroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erhoben werden\nkönnen oder nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten\nerforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss. Eine\nspezielle Befugnisnorm im Sinn des § 163 I a.E. StPO für die Anfertigung von\nLichtbildern ist bei Ermittlungen gegen einen Beschuldigten in Form des § 81b\n1. Alt. StPO gegeben und für sonstige erkennungsdienstliche Zwecke in § 81b 2.\nAlt. StPO. Danach kann im Regelfall das Lichtbild bei dem Betroffenen erhoben\nwerden. Anders als in bestimmten Bußgeldverfahren, bei welchen eine Masse von\nPersonendaten erhoben werden müssen, was ggf. nur im automatisierten\nAbrufverfahren mit vertretbarem Aufwand möglich ist (vgl. OLG Stuttgart,\nBeschluss vom 26. 8. 2002, NStZ 2003, 93 ff.), ist die Einholung des\nLichtbildes bei dem Betroffenen im Rahmen der speziellen Eingriffsermächtigung\ndes § 81b StPO auch ohne unverhältnismäßig großen Aufwand möglich. Gerade im\nvorliegenden Fall wollte die Polizei ja auch diesen Weg beschreiten und wich\nnicht etwa wegen des Aufwandes sondern wegen der durch die\nRechtsmitteleinlegung verbundenen Zeitverzögerung auf die allgemeine\nBefugnisnorm aus. Rechtliche Hindernisse, welche gerade dem Schutz des\nBetroffenen dienen sollen, können aber nicht dafür verwandt werden, die\nSubsidiaritätsregelungen des PassG bzw. des PersAuswG auszuhebeln. Richtig ist\nzwar, dass die Anforderung eines Lichtbildes über die Passbehörde ein milderes\nMittel darstellen kann, als die ggf. zwangsweise Erstellung eines Bildes im\nWege des § 81b StPO. Es kann daher durchaus zulässig sein, diesen Weg zu\ngehen, wenn eine vollziehbare Anordnung nach § 81b StPO vorliegt. Ein solcher\nFall war aber vorliegend gerade nicht gegeben, da die Anordnung nach § 81b 2.\nAlt. StPO nicht vollziehbar war und eine nach § 81b 1. Alt. StPO nicht vorlag.\nAußerdem ist zu beachten, dass die heimliche Datenerhebung meist einen\nbesonders tiefgreifenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht\ndarstellt. Die StPO sieht daher im Regelfall eine offene Vorgehensweise vor,\nsoweit dies den Ermittlungszweck nicht gefährdet (vgl. hierzu BVerfG, Urteil\nvom 2.3.2006, MMR 2006, 217, 221 ff.).\n\n29\n\n \n\nDie Übermittlungsanforderung und die hierauf erfolgte Übermittlung des Bildes\nsowie die Verwendung des Bildes war somit rechtswidrig.\n\n30\n\n \n\nEine Vernichtung des Lichtbildes und der Wahllichtbildvorlage hat zusammen mit\nden Akten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu erfolgen. Um eine weitere\nVerbreitung der Bilder zu verhindern, sind diese aber in einem gesonderten\nAktenteil zu verwahren, um sie ohne weiteres bei Gewährung einer beschränkten\nAkteneinsicht entnehmen zu können (vgl. § 3 Nr. 1a (3) Aktenordnung ord. Ger.\nMV).\n\n \n\nIV.\n\n31\n\n \n\nDie Kosten des Verfahren hat wegen des Erfolges der Beschwerde die Staatskasse\nzu tragen. Die Auslagenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung\ndes § 467 I StPO (vgl. Meyer-Goßner, 50. Aufl. StPO § 464 Rn. 11a, 473 Rn. 2).\n\n
104,921
olgsh-2008-02-21-11-u-10205
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
11 U 102/05
2008-02-21
2018-11-24 07:30:17
2019-02-14 07:06:02
Urteil
ECLI:DE:OLGSH:2008:0221.11U102.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Kläger wird das am 19. September 2005 verkündete Urteil\nder 17. Zivilkammer des Landgerichts Kiel geändert und die Beklagte\nverurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 9.805,85 € nebst Zinsen in Höhe\nvon 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2002 zu\nzahlen.\n\n \n\nDie Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten\nRechtszug.\n\n \n\nDas Urteil ist vorläufig vollstreckbar.\n\n \n\nDer Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.805,85 € festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen der infolge einer\nÜberschwemmung am 18.07.2002 auf ihrem Grundstück eingetretenen Schäden. Das\nLandgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, ein ursächlicher\nZusammenhang zwischen der etwaigen Amtspflichtverletzung und dem eingetretenen\nSchaden fehle. Gegen diese Klageabweisung richtet sich die von den Klägern\nform- und fristgerecht eingelegte (Bl. 181, 194, d. A.) und begründete (Bl.\n197, 204, 205 ff. d. A.) Berufung, mit der sie die Verurteilung gemäß dem\nerstinstanzlichen Antrag begehren.\n\n2\n\n \n\nDie Kläger beantragen,\n\n3\n\n \n\ndas angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die\nKläger als Gesamtgläubiger 9.805,85 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz\nseit dem 14. November 2002 zu zahlen.\n\n4\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n5\n\n \n\ndie Berufung der Kläger zurückzuweisen.\n\n6\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das\nangefochtene Urteil (Bl. 172 ff. d. A.) und die von den Parteien gewechselten\nSchriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n7\n\n \n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens\ndes Sachverständigen Dipl.-Ing. B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme\nwird auf das schriftliche Gutachten vom 14.09.2007 und das Protokoll der\nSitzung vom 29. Januar 2008 (Bl. 416 - 417 d. A.) Bezug genommen.\n\n \n\nII.\n\n8\n\n \n\nDie zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg. Die Kläger haben\ngegen die Beklagte gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG einen Anspruch auf\nZahlung von Schadensersatz in Höhe von 9.805,85 €.\n\n9\n\n \n\nDie Beklagte hat ihre Amtspflichten bei der Sammlung und Beseitigung der\nAbwässer einschließlich des Niederschlagswassers in ihrem\nZuständigkeitsbereich verletzt. Gemäß § 31 Abs. 1 LWG ist die\nAbwasserbeseitigung in Schleswig-Holstein den Gemeinden im Rahmen der\nSelbstverwaltung übertragen worden. Die Sammlung und Beseitigung der Abwässer\neinschließlich des Niederschlagswassers gemäß § 30 Abs. 1 LWG obliegt daher\nder Gemeinde als hoheitliche Aufgabe. Für Fehler bei der Planung, der\nHerstellung und dem Betrieb einer solchen Anlage, die nicht nur dem\nallgemeinen Interesse dient, sondern auch die Anlieger und Nutzer im Rahmen\ndes Zumutbaren vor Überschwemmungsschäden schützen soll, hat die Gemeinde nach\nAmtshaftungsgrundsätzen einzustehen (BGH NJW 1998, 1307; NVwZ 1999, 689, 690).\nIn den Schutzbereich dieser Amtspflicht fallen auch solche Schäden, die darauf\nberuhen, dass Regenwasser infolge einer fehlerhaften Planung, Dimensionierung\noder Wartung der Regenwasserkanalisation gar nicht erst in diese gelangt,\nsondern ungefasst in anliegende Gebäude dringt oder auf anliegende Grundstücke\nfließt (BGH VersR 2002, 444). Aus der umfassenden Aufgabenzuweisung in § 31\nAbs. 1 LWG i.V.m. § 30 Abs. 1 LWG ergibt sich dementsprechend die\ngrundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung des\nNiederschlagswassers in ihrem Zuständigkeitsbereich.\n\n10\n\n \n\nDie Verpflichtung der Beklagten zur Unterhaltung und Erneuerung des hier in\nRede stehenden Grenzgrabens ergibt sich aus der Vereinbarung vom\n01./05./09.07.1994 zwischen dem Land Schleswig-Holstein, der Gemeinde S und\nder Beklagten. Gemäß § 1 dieser Vereinbarung hat die Beklagte die\nVerpflichtung zur Unterhaltung und Erneuerung u.a. des Gewässers mit Anlagen\nvon Baustation 0 + 557 bis 0 + 919 übernommen. In diesem Abschnitt liegt der\nhier streitige Bereich des Grenzgrabens, der unmittelbar an dem Grundstück der\nKläger entlang führt. Diese Erneuerungs- und Unterhaltungspflicht ergibt sich\ndarüber hinaus auch aufgrund des Umstands, dass die Beklagte die\nSachherrschaft über den Grenzgraben tatsächlich ausübt und die\nUnterhaltungspflicht durch den Einsatz eigenen Personals und eigener\nSachmittel erfüllt.\n\n11\n\n \n\nZwar steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest, dass - wie die\nKläger behaupten - das Abwasserableitungssystem der Beklagten fehlerhaft\nkonstruiert und unterhalten worden ist, insbesondere das Abflussrohr im\nverrohrten Teil des Grenzgrabens zu gering dimensioniert und keine\nausreichende Absicherung gegen Verstopfung des Krautfangrechen gegeben war.\nDer Sachverständige B hat diese Behauptungen der Kläger nicht bestätigt. Er\nhat in seinem schriftlichen Gutachten und ergänzend in der mündlichen\nVerhandlung ausgeführt, dass die geplanten und gebauten Anlagen und Maßnahmen\nder Regenwasserableitung im Bereich des Grundstücks der Kläger sowie der\nvorhandene Krautfangrechen den Regeln der Technik entsprechen würden. Auch ein\nlängerer Rechen hätte die im Juli 2002 aufgetretenen Probleme nicht\nverhindert. Nach den technischen Vorgaben und Richtlinien von November 1990\nsei der Grenzgraben sowohl für ein 10- als auch ein 20-jähriges Regenereignis\nausreichend dimensioniert. Theoretisch könne es daher nicht zu einem Aufstau\nüber das Gelände, mithin nicht zu einem Abfließen von Oberflächenwasser in\nRichtung K und damit nicht zu einem Abließen auf das Grundstück der Kläger\nkommen. Die am 17./18.07.2002 festgestellten Überflutungen seien verursacht\ndurch Extremregen in Verbindung mit dem Zusetzen des Krautrechens durch\nTreibgut. Bei derartigen Verhältnissen würden die Randbedingungen der\ntheoretischen Berechnungen nicht mehr stimmen. Die Ausführungen des\nSachverständigen B waren anschaulich, nachvollziehbar und überzeugend. Der\nSenat schließt sich diesen Ausführungen an.\n\n12\n\n \n\nSoweit der Sachverständige weiter ausführt, dass er eine Neuberechnung unter\nBerücksichtigung aller maßgeblichen abwasserwirtschaftlichen, technischen und\ngeografischen Besonderheiten nicht vorgenommen habe, kommt es hierauf nicht\nan. Denn die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten ergibt sich daraus,\ndass sie trotz ausreichender Anhaltspunkte für die Annahme, dass die\nbestehende Anlage nicht geeignet war, das anfallende Regenwasser ausreichend\naufzufangen, keine Abhilfemaßnahmen vorgenommen oder veranlasst hat.\n\n13\n\n \n\nNach dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme steht nämlich fest, dass die\nUrsache für die Überschwemmung auf dem Grundstück der Kläger am 18.07.2002\ndarin liegt, dass bei der Verfüllung des Grenzgrabens in Teilbereichen ein\nQuergefälle in Richtung Grundstück K … entstanden ist und hierdurch\nNiederschlagswasser aus dem Grenzgraben aufgrund dessen Überfüllung auf das\nGrundstück der Kläger geflossen ist. Der Sachverständige B führt hierzu in\nseinem Gutachten aus, dass bei extremen Regenfällen in Verbindung mit einem\nerhöhten Anfall von Treibgut der Krautrechen und der Schacht des Grenzgrabens\nüberstaut werden, dann Oberflächenwasser in Richtung K/ S-Weg oberirdisch\nabfließen, dieses aufgrund des vorhandenen Gefälles auf das Grundstück der\nKläger fließen und dort zu Überschwemmungen führen könne. Der Sachverständige\nempfiehlt zur Vermeidung von Schäden bei zukünftigen Starkregen neben der\nErrichtung eines sog. Flintbeker Huts, an der Grenze zum Grundstück der Kläger\neine Mini-Spundwand oder eine kleine Mauer zu errichten. Auch darin folgt der\nSenat den Ausführungen des Sachverständigen.\n\n14\n\n \n\nDas bedeutet aber, dass die Beklagte wegen dieser Verfüllung des Grenzgrabens\nund der Schaffung eines Quergefälles zum Grundstück der Kläger hin aufgrund\nder auf dem Grundstück der Kläger aufgetretenen Überschwemmung im Jahre 2001\nsowie der vorherigen Überschwemmung (deren genaues Datum nicht mitgeteilt\nworden ist) verpflichtet war, bei der Unterhaltung und dem Ausbau des ihrem\nZuständigkeitsbereich unterliegenden Grenzgrabens Maßnahmen zur Verbesserung\ndes Entwässerungssystems und zur Vermeidung weiterer Überschwemmungen auf dem\nGrundstück der Kläger entsprechend den von dem Sachverständigen\nvorgeschlagenen Maßnahmen zu veranlassen und umzusetzen.\n\n15\n\n \n\nEine nach den anerkannten Regeln der Technik geplante und errichtete Anlage\nbraucht zwar nicht so ausgelegt zu werden, dass sie auch katastrophenartige\nNiederschlagsmengen, wie sie erfahrungsgemäß nur in größeren Zeitabständen\nvorkommen, problemlos aufnehmen kann (BGH VersR 2002, 444; BGH VersR 1990,\n156). Wirtschaftliche Gründe zwingen jede Gemeinde dazu, das Fassungsvermögen\neiner Regenwasserableitung nicht so groß zu bemessen, dass es auch bei jedem\nseltenen, außergewöhnlich heftigen Regen ausreicht. Es muss im allgemeinen\ngenügen, dass die Abwasseranlage einem aufgrund festgelegter Erfahrungswerte\nberechneten Regen gewachsen ist, wobei es von den jeweiligen Umständen\nabhängt, ob zur Grundlage der Berechnung eine Regenmenge (Berechnungsregen)\ngenommen werden kann, die statistisch nur einmal in zwei, drei, fünf, zehn\noder gar fünfzig Jahren auftritt (BGH VersR 1990, 156; BGH NJW-RR 1991, 734).\nAllerdings kommt es für die Dimensionierung und sonstige Gestaltung eines\nEntwässerungssystems entscheidend auf die im konkreten Fall gegebenen\ntatsächlichen Verhältnisse an. Auszugehen ist dabei von der Menge des\nabzuführenden Wassers. Die örtlichen Gegebenheiten, insbesondere etwaige\nBesonderheiten des Gebiets sowie die Wasserführung sind ebenso zu\nberücksichtigen, wie die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß eines zu\nbefürchtenden Schadens im Verhältnis zur Durchführbarkeit und\nWirtschaftlichkeit von Abwehrmaßnahmen. Allgemeine Regeln etwa im Hinblick auf\neinen bestimmten Berechnungsregen sind dann nicht mehr allein maßgebend, wenn\nim konkreten Fall bestimmte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein darauf\nzugeschnittenes Abwassersystem außerstande ist, das anfallende Wasser nicht\nnur in seltenen Ausnahmefällen zu bewältigen (BGH NJW-RR 1991, 733).\n\n16\n\n \n\nDie Frage nach erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen bei der Unterhaltung\ndes Grenzgrabens im Zuständigkeitsbereich der Beklagten war daher nicht darauf\nzu beschränken, ob - bei isolierter Betrachtung - das Entwässerungssystem\nentsprechend den technischen Vorgaben und Richtlinien ausreichend\ndimensioniert ist. Zeigt sich, dass es immer wieder zu Schadensfällen kommt,\nmuss die verantwortliche Gemeinde oder Stadt tätig werden, um diesem Missstand\nabzuhelfen (BGH VersR 1984, 38). Die Beklagte war aufgrund der vorangegangenen\nEreignisse verpflichtet, Abhilfemaßnahmen zu veranlassen. Denn diese\nbegründeten ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die bestehende\nEntwässerungsanlage nicht mehr ausreichend war.\n\n17\n\n \n\nDie Kläger haben sich insoweit auf bereits vor dem streitgegenständlichen\nEreignis stattgefundene Überschwemmungen berufen. Sie haben geltend gemacht,\nsich mehrfach wegen dieser Problematik an die zuständigen Mitarbeiter der\nBeklagten gewandt zu haben. Bereits am 08.07.2001 sei es infolge einer\nÜberlastung des Grenzgrabens zu einer Überflutung des klägerischen Grundstücks\ngekommen. Die Beklagte habe ihre Schadensersatzverpflichtung anerkannt und den\nSchaden erstattet. Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen nicht und räumt\nein, dass ihr die Situation bekannt gewesen sei und durch Mitarbeiter\nregelmäßig kontrolliert worden sei. Die Kläger haben ihren Vortrag in der\nmündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 03.12.2003 weiter konkretisiert\nund erklärt, es habe insgesamt drei Überschwemmungen gegeben, eine weniger\ngravierende, eine im Jahr 2001 und die streitgegenständliche Überschwemmung im\nJahr 2002. Dieses Vorbringen hat die Beklagte ebenfalls nicht bestritten.\nHiernach lagen für die Beklagte genügend Anhaltspunkte vor, um anzunehmen,\ndass die bestehende Entwässerungsanlage und die getroffenen Maßnahmen nicht\n(mehr) ausreichend waren, das anfallende Wasser nicht nur in seltenen\nAusnahmefällen, sondern darüber hinaus auch bei häufigeren Anlässen zu\nbewältigen. Es ist nicht geltend gemacht worden, dass es sich im Jahre 2001\n(auch) um einen Jahrhundertregen gehandelt hat. Gleiches gilt für die\nÜberschwemmung davor. Trotz wiederholter entsprechender Hinweise seitens der\nKläger hat die Beklagte keinerlei Veränderungen im Bereich des Einlaufs des\nGrenzgrabens in den verrohrten Teil bzw. im Bereich des Grundstücks der Kläger\nvorgenommen und damit ihre Amtspflichten verletzt.\n\n18\n\n \n\nDies gilt unabhängig von der Frage, ob die Beklagte selbst die Verfüllung des\nRegenwasservorflutgrabens in den 70er Jahren vorgenommen hat oder nicht.\nJedenfalls hat sie gemäß der Vereinbarung vom 01.07./05.07./09.07.1994\nzwischen dem Land Schleswig-Holstein, der Gemeinde S und der Beklagten „die\nUnterhaltung und den Ausbau“ des fraglichen Abschnitts des Grenzgrabens\nübernommen. Damit oblag es der Beklagten, für entsprechende Abhilfe zu sorgen.\nDies gilt auch, wenn unterstellt wird, dass die Beklagte nicht für die\nRegenrückhaltebecken zuständig und auch im Übrigen nur für einen Teil des\nGrenzgrabens zum Ausbau und zur Unterhaltung verpflichtet war.\n\n19\n\n \n\nDie hiernach gegebene schuldhafte Amtspflichtverletzung der Beklagten war auch\nursächlich für den bei den Klägern eingetretenen Schaden. Ob und in welcher\nHöhe den ersatzberechtigten Klägern infolge der Pflichtverletzung der\nBeklagten ein zu ersetzender Schaden entstanden ist, ist gemäß § 287 Abs. 1\nZPO zu entscheiden. Hiernach ist die Beweisführung erleichtert. Im Unterschied\nzu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO, die für den Beweis der\nhaftungsbegründenden Kausalität gelten, reicht für die haftungsausfüllende\nKausalität eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende\nWahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus (BGH NJW-RR\n1992, 997). Nach den Ausführungen des Sachverständigen B, denen der Senat auch\ninsoweit folgt, hätten die erwähnten Maßnahmen - Beseitigung des Gefälles,\nErrichtung einer Mini-Spundwand und Anlegung eines sog. Flintbeker Huts - den\nSchaden mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert. Das Wasser wäre an der\nGarage der Kläger vorbei geflossen und hätte nicht zu der Überschwemmung mit\nden eingetretenen Schäden geführt.\n\n20\n\n \n\nIm Hinblick auf den Aufwand und die Kosten der genannten Maßnahmen, die der\nSachverständige mit insgesamt 3.000,00 bis 4.000,00 € eingeschätzt hat, waren\ndiese Maßnahmen der Beklagten auch zumutbar.\n\n21\n\n \n\nSoweit sich die Beklagte darauf beruft, dass auch ein fehlerfreies\nAbwassersystem den Belastungen des Jahrhundertregens nicht standgehalten\nhätte, kann dahin stehen, ob am 18.07.2002 ein Jahrhundertregen vorgelegen\nhat. Jedenfalls hat die Beklagte nicht bewiesen, dass es auch bei einem\nfehlerfreien Abwassersystem am 18.07.2002 zu der Überschwemmung auf dem\nGrundstück der Kläger gekommen wäre. Denn - wie bereits dargelegt - hätten die\ngenannten Maßnahmen, zu denen die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die\nÜberschwemmung mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert.\n\n22\n\n \n\nDie Kläger können daher gemäß § 249 ff. BGB Schadensersatz in der geltend\ngemachten Höhe von 9.805,85 € verlangen und zwar hinsichtlich des PKW Ford\nFiesta, … , die Reparaturkosten in Höhe von 4.248,37 €, die Kosten des\nSachverständigengutachtens in Höhe von 423,63 € und die Mietwagenkosten in\nHöhe von 237,92 €. Hinsichtlich der Schäden an dem PKW VW, … , können die\nKläger ebenfalls die Reparaturkosten in Höhe 3.739,06 € sowie die Kosten für\ndas Sachverständigengutachten in Höhe von 428,04 € ersetzt verlangen.\nSchließlich stehen den Klägern auch die Kosten für die Reparatur des\nRasenmähers in Höhe von 205,98 € und des Hochdruckreinigers in Höhe von 19,49\n€ zu. Ebenfalls können sie die Erstattung der Kosten für die\nSchlammbeseitigung in Höhe von 200,00 € sowie die Kosten für Fotoarbeiten in\nHöhe von 13,03 € ersetzt verlangen. Die entstandenen Kosten sind von den\nKlägern jeweils durch Vorlage der entsprechenden Rechnungen substantiiert\ndargelegt worden. Soweit die Beklagte den entstandenen Schaden lediglich\npauschal der Höhe nach bestritten hat, war dieses Bestreiten im Hinblick auf\ndie substantiierte Darlegung der Kläger gemäß § 138 Abs. 2 ZPO nicht\nausreichend, worauf bereits die Kläger auf Seite 5 ihres Schriftsatzes vom\n19.11.2003 (Bl. 41 d. A.) hingewiesen haben. Aus dem Vortrag der Beklagten\nergibt sich nicht, ob bestritten werden soll, dass die behaupteten Schäden\nüberhaupt entstanden sind, oder dass die durchgeführten Reparaturmaßnahmen\nerforderlich oder geeignet waren oder dass die Reparaturkosten der Höhe nach\nentstanden oder angemessen sind. Schließlich können die Kläger, soweit sie\nselbst Aufräum- und Reinigungsarbeiten ausgeführt haben, für die aufgewandte\nArbeitszeit und das zur Reinigung verbrauchte Wasser ebenfalls Schadensersatz\nverlangen. Den insoweit geltend gemachten Betrag in Höhe von 290,33 € hält der\nSenat gem. § 287 Abs. 1 ZPO noch für angemessen.\n\n23\n\n \n\nSoweit sich die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung auf die Einrede\nder Verjährung berufen hat, kann dahin stehen, ob dieses Vorbringen nach § 531\nZPO zurückzuweisen ist. Dem Schadensersatzanspruch der Kläger steht jedenfalls\nnicht die Einrede der Verjährung entgegen. Für Amtshaftungsansprüche gilt\ngemäß § 195 BGB die dreijährige Verjährungsfrist. Entscheidend für den Beginn\nder Verjährung sind die Entstehung des Anspruchs und Kenntnis bzw. grob\nfahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen\nund der Person des Schuldners. Das Setzen einer Schadensursache und das\nEntstehen einer risikobehafteten Situation genügt nicht. Vielmehr muss der\nSchaden entstanden sein (Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., § 199, Rn. 15; Mü-\nKo/Papier, 4. Aufl., § 839, Rn. 358). Demnach begann die Verjährung nicht vor\ndem Jahre 2002, in dem der hier streitige Schaden entstanden ist. Soweit die\nBeklagte darauf verweist, dass das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten\nbereits im Jahre 1994 mit der Übernahme der Verpflichtung zur Unterhaltung und\nErneuerung des Grenzgrabens begonnen hat, führt dies zu keiner anderen\nBeurteilung. Gemäß § 852 BGB a. F. wäre für den Beginn der Verjährung\nebenfalls erforderlich, dass die Kläger Kenntnis vom Schaden und der Person\ndes Ersatzpflichtigen erlangt hätten. Diese Kenntnis wäre vorhanden, wenn dem\nGeschädigten zuzumuten ist, gegen eine bestimmte Person eine\nSchadensersatzklage, zumindest als Feststellungsklage zu erheben\n(Palandt/Thomas, 59. Aufl., § 852, Rn. 4). Solange noch kein Schaden\neingetreten war, konnte keine Schadensersatzklage erhoben werden, so dass auch\nhiernach die Verjährungsfrist erst mit Eintritt des Schadens begonnen hätte\nund rechtzeitig durch die am 02.04.2003 eingegangene Klage gehemmt wurde.\n\n24\n\n \n\nDen Klägern ist gemäß § 254 BGB auch kein Mitverschulden am Schadenseintritt\ndeshalb vorzuwerfen, weil sie ihre Fahrzeuge nicht rechtzeitig aus der\nüberschwemmten Garage herausgenommen haben. Es ist einem Geschädigten nicht\nzuzumuten, jeweils beim Auftreten starker Regenfälle sein Fahrzeug aus der\nGarage zu entfernen, wenn ein derartiges Ereignis lediglich jährlich einmal\npassiert, was jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt der Fall war. Es ist nicht\nersichtlich, dass die Kläger ohne weiteres erkennen konnten und mussten, dass\nes sich am 17./18.07.2002 um Starkregenfälle handeln würde, die zur\nÜberschwemmung der Garage führen. Darüber hinaus können bei einem Fahrzeug,\ndas bei einem Starkregen im Freien abgestellt wird, aufgrund der dort\nbestehenden Gefahrenlage ebenfalls Schäden entstehen. Die Beklagte hat nicht\ndargelegt, ob und welche Gelegenheit bestand, die Fahrzeuge der Kläger während\nder Starkregenfälle gefahrlos abstellen zu können.\n\n25\n\n \n\nDer Zinsanspruch in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes folgt aus §§ 286 Abs. 1\nSatz 1, 288 Abs. 1 BGB aus Verzug. Die Kläger haben die Beklagte, nachdem\ndiese ihre Schadensersatzpflicht abgelehnt hatte, mit Schreiben vom 23.10.2002\n(Bl. 49 d. A.) zur Zahlung der mit der Klage geltend gemachten, im Einzelnen\naufgelisteten Schadenspositionen aufgefordert. Damit kam die Beklagte mit der\nZahlung in Verzug, auch wenn in dem Schreiben die Gesamtschadenssumme\nfehlerhaft nur mit 7.805,85 € anstatt 9.805,85 € angegeben worden ist.\n\n26\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 63 Abs.\n2 GKG.\n\n27\n\n \n\nDie Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die vorliegende\nRechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des\nBundesgerichtshofs weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.\n\n \n\n
104,954
lsgsh-2008-01-11-l-3-al-5906
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 3 AL 59/06
2008-01-11
2018-11-24 07:30:25
2019-02-14 07:08:21
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2008:0111.L3AL59.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29.\nJuli 1998 wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2000 wird abgewiesen.\n\n \n\nAußergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu\nerstatten.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten darüber, ob sich die Klägerin als öffentlich-\nrechtliche Arbeitgeberin im Rahmen einer Erstattungspflicht nach § 128\nArbeitsförderungsgesetz (AFG) auf die Härteklausel des § 128 Abs. 2 Nr. 2, 2.\nAlternative (Gefährdung verbleibender Arbeitsplätze) berufen kann. Der\nRechtsstreit wird als Musterverfahren betrieben; zwischen den Beteiligten ist\neine Reihe ähnlich gelagerter Streitsachen anhängig.\n\n2\n\n \n\nDer ...1934 geborene Arbeitnehmer W. C. (C.) war von 1982 bis Ende 1994 bei\nder Beklagten als Friedhofsarbeiter beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis\nendete aufgrund Auflösungsvertrages vom 3. November 1994, den die Parteien des\nArbeitsverhältnisses auf der Grundlage einer Dienstvereinbarung vom 24. März\n1994 über die einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Rahmen\neiner Vorruhestandsregelung geschlossen haben.\n\n3\n\n \n\nAm 2. Januar 1995 meldete C. sich arbeitslos und stellte einen Antrag auf\nGewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Nachdem die Beklagte mit Bescheiden vom\n9. Januar 1995 das Ruhen des Alg-Anspruchs wegen Eintritts einer 12wöchigen\nSperrzeit sowie wegen des Erhalts einer Abfindung festgestellt hatte,\nentsprach sie dem Leistungsantrag für die Zeit ab 26. März 1995 unter den\nerleichterten Voraussetzungen des § 105 c AFG. Seit dem 1. Januar 1996 erhält\nC. von der damaligen Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein (heute:\nDeutsche Rentenversicherung Nord) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.\n\n4\n\n \n\nMit Bescheid vom 12. Juli 1995 wies die Beklagte die Klägerin auf ihre\nErstattungspflicht gemäß § 128 AFG hin und forderte sie auf, für die Zeit vom\n27. März bis 26. Juni 1995 (Abrechnungszeitraum) Alg sowie Beiträge zur\nKranken- und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 6.074,15 DM zu\nerstatten. Hiergegen legte die Klägerin am 24. Juli 1995 Widerspruch ein.\n\n5\n\n \n\nGleichzeitig beantragte sie, von der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs. 2 Nr.\n2, 2. Alternative AFG befreit zu werden. Zur Begründung führte sie aus, dass\ndiesem Antrag ihre angespannte Haushaltslage zugrunde liege. Sie müsse auch im\nPersonalkostenbereich drastische Einsparungen vornehmen. Um den notwendigen\nPersonalabbau vornehmen zu können, sei es erforderlich, älteren\nArbeitnehmer/innen das Ausscheiden im Rahmen eines sogenannten Vorruhestandes\nzu ermöglichen. Trotz anfänglicher Erfolge sei deutlich erkennbar, dass im\nBereich der Personalausgaben noch weitere Einsparungen vorgenommen werden\nmüssten. Dies solle auch durch zusätzliche Freisetzungen im Rahmen der\nVorruhestandsregelung realisiert werden. Durch diese Maßnahmen solle erreicht\nwerden, dass die verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet würden. Diesem\nZiel aber laufe eine Erstattung des an ihren ehemaligen Mitarbeiter gezahlten\nAlg entgegen. Eine Pflicht zur Erstattung des Alg würde das\nEinsparungspotential reduzieren und hätte unweigerlich zur Folge, dass in\nentsprechender Höhe weitere Personalausgaben eingespart werden müssten. Dies\nwürde zu einer Gefährdung weiterer Arbeitsplätze führen.\n\n6\n\n \n\nAuf Nachfrage der Beklagten, ob der Widerspruch auf das Vorliegen des\nBefreiungstatbestandes nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AFG erweitert werden\nsolle, teilte die Klägerin unter Vorlage eines ihr übersandten Erhebungsbogens\nzur Feststellung dieses Befreiungstatbestandes mit, dass während des zu Grunde\ngelegten Zeitraums vom 9. Mai 1994 bis zum 8. Mai 1995 die vom Gesetz\ngeforderte Höhe der Personalverminderung von 3 vom Hundert (v.H.) innerhalb\neines Jahres nicht erreicht worden sei. Sie behalte sich vor, die Entwicklung\nder Beschäftigtenzahl auch künftig auszuwerten und ggf. einen Befreiungsantrag\nzu stellen, sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen würden. In dem\nbeigefügten Erhebungsbogen gab die Klägerin die Gesamtzahl der bei ihr in dem\ngenannten Zeitraum Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraums mit 3.658,25,\ndarunter 546 ältere Arbeitnehmer, an. In dem genannten Zeitraum seien 281\nPersonaleinstellungen (korrigierter Wert gemäß Schriftsatz vom 29. Dezember\n1998) erfolgt; die Zahl der ausgeschiedenen Arbeitnehmer betrage für diesen\nZeitraum 356, davon 56,25 ältere Arbeitnehmer.\n\n7\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 28. August 1995 wies die Beklagte den Widerspruch\nals unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin\nvorliegend nach § 128 AFG erstattungspflichtig sei. Auf den geltend gemachten\nAusschlusstatbestand des § 128 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AFG könne sie sich\nnicht berufen. Es handele sich bei der Klägerin um einen konkursunfähigen\nöffentlich-rechtlichen Arbeitgeber. Dieser könne keine Gefährdung des\nFortbestandes des Unternehmens durch die Erstattung und damit eine unzumutbare\nBelastung im Sinne von § 128 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative AFG geltend machen.\n§ 128 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AFG könne nur im Zusammenhang mit dem\nWegfall der Erstattungspflicht wegen Existenzgefährdung (§ 128 Abs. 2 Nr. 2,\n1. Alternative AFG) gesehen werden. Die 2. Alternative des\nBefreiungstatbestandes könne nur so verstanden werden, dass sie eine Vorstufe\nzur 1. Alternative bedeute. Könne ein Arbeitgeber sich - wie die Klägerin -\nnicht auf die 1. Alternative des Befreiungstatbestandes berufen, könne auch\nnicht das Vorliegen der 2. Alternative geltend gemacht werden. Angesichts der\nvon der Klägerin gemachten Angaben über die Personalverminderung scheide auch\neine Befreiung von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AFG\nwegen Personalabbaus aus.\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin hat am 26. September 1995 bei dem Sozialgericht (SG) Lübeck Klage\nerhoben.\n\n9\n\n \n\nNach Klagerhebung erließ die Beklagte für weitere Abrechnungs-Zeiträume bis\nEnde 1995 Erstattungsbescheide vom 11. Oktober 1995 sowie vom 11. und 31.\nJanuar 1996, die jeweils Gegenstand des Klageverfahrens wurden. Unter dem 21.\nFebruar 1996 erließ die Beklagte darüber hinaus einen Grundlagenbescheid, mit\ndem sie die Klägerin für verpflichtet erklärte, ihr das für C. gezahlte Alg\nsowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und\nRentenversicherung ab dem 27. März 1995 für längstens 624 Tage zu erstatten.\nAuch der Bescheid vom 21. Februar 1996 wurde Gegenstand des Klageverfahrens.\n\n10\n\n \n\nIm März 1996 waren die Erstattungsforderungen der Beklagten beglichen.\n\n11\n\n \n\nZur Klagebegründung hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem\nWiderspruchsverfahren wiederholt und vertieft und weiterhin die Auffassung\nvertreten, dass Kommunen sich durchaus auf § 128 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative\nAFG berufen dürften.\n\n12\n\n \n\nNachdem die Beteiligten übereinstimmend den Prozessstoff auf diese Frage\nbeschränkt hatten, hat die Klägerin beantragt,\n\n13\n\n \n\nfestzustellen, dass sie sich entgegen der von der Beklagten in den Bescheiden\nvom 12. Juli 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August\n1995 und den Bescheiden vom 11. Oktober 1995, 11. Januar 1996, 31. Januar 1996\nund 21. Februar 1996 vertretenen Auffassung auf die Härteklausel des § 128\nAbs. 2 Nr. 2 AFG berufen darf.\n\n14\n\n \n\nDie Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide\nbeantragt,\n\n15\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n16\n\n \n\nMit Urteil vom 29. Juli 1998 hat das SG die Klage abgewiesen und zur\nBegründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Trotz an sich\ngebotener Anfechtungsklage sei sie angesichts der von den Beteiligten\nvorgenommenen Begrenzung des Streitgegenstandes als Feststellungsbegehren\nstatthaft. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Kammer vermöge die der\nbegehrten Feststellung zugrunde gelegte Auffassung der Klägerin hinsichtlich\nder Befreiung von der Erstattungspflicht nicht zu teilen. Die Klägerin könne\nsich nicht auf § 128 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AFG berufen. Was die 2. Alternative\ndieser Bestimmung angehe, pflichte die Kammer der Auffassung der Beklagten\nbei, wonach auch dieser Tatbestand auf Kommunen keine Anwendung finden könne.\nZwar sei es zutreffend, dass diese Alternative eine Existenzgefährdung des\nUnternehmens nicht voraussetze und dass weder der Wortlaut der Vorschrift noch\ndie Begründung des Regierungsentwurfs Kommunen von deren Anwendung ausnehme.\nSinn und Zweck der durch Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz verfassungsrechtlich\ngarantierten Existenz der Gemeinden schlössen mangels Konkursfähigkeit von\nKommunen aber nicht nur deren Berufen auf den Ausnahmetatbestand der 1.\nAlternative aus, sondern stünden auch einer Anwendung der 2. Alternative der\nVorschrift entgegen. Es sei durchaus denkbar, dass auch eine Kommune wie etwa\nein privates Unternehmen in finanzielle Bedrängnis geraten könne und dadurch\nin der Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben gefährdet sei. Im Vergleich zu\nprivaten Unternehmen sei die Klägerin aber nicht vorrangig auf die Erzielung\nvon Gewinnen ausgerichtet, sondern auf die Erfüllung der ihr obliegenden\nöffentlichen Aufgaben. Allein dieser - politisch - bestimmte Umfang der\nöffentlichen Aufgaben sei maßgeblich für die Zahl der zu dessen Erfüllung\nnotwendigen Arbeitsplätze. Durch die Verpflichtung zur Erstattung von\nLeistungen gemäß § 128 AFG sei daher keine Arbeitsplatzgefährdung zu erkennen.\nDass der zur Erfüllung der gebotenen öffentlichen Aufgabe erforderliche\nArbeitsplatz nur deswegen nicht besetzt oder wegfallen würde, weil die\nKlägerin ihrer Verpflichtung zur Erstattung gemäß § 128 AFG nachkommen müsse,\nsei eine nicht nachvollziehbare Vorstellung. Das hier gefundene Ergebnis sei\nauch nicht unbillig. Zwar möge die Klägerin das in Aussicht genommene\nEinsparungsziel leichter erreichen können, wenn ihre Erstattungspflicht gemäß\n§ 128 AFG entfalle. Hierbei handele es sich aber um eine generelle Folge der\nErstattungspflicht nach § 128 AFG, die gerade nicht grundsätzlich entfallen\nsolle. Durch diese Bestimmung solle gerade verhindert werden, dass Arbeitgeber\nLeistungen der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung zur\nVerbesserung ihrer betrieblichen Personalstruktur nutzten. Kündigungen älterer\nArbeitnehmer sollten verhindert werden und die Rentenversicherung sowie die\nBundesanstalt für Arbeit finanziell entlastet werden. Eine\nHaushaltskonsolidierung vorwiegend durch die sogenannte 58er-Regelung\ndurchzuführen, widerspreche dem eindeutigen Sinn des Gesetzgebers. Im Übrigen\nhabe die Klägerin vorliegend in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen,\ndass die Erstattungsforderung im Haushalt berücksichtigt worden sei. Es habe\nein ausgeglichener Haushalt verabschiedet werden können; die\nErstattungsforderung sei ausgeglichen worden.\n\n17\n\n \n\nGegen das ihr am 12. Oktober 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 6.\nNovember 1998 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG)\neingegangene Berufung der Klägerin. Im Verfahren haben die Beteiligten\nzunächst weiter darüber gestritten, ob die Klägerin sich als Kommune auf die\nHärteklausel des § 128 Abs. 2 berufen könne. In diesem Zusammenhang hat die\nKlägerin auf zwei Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12. November und 16.\nDezember 1998 verwiesen, durch die sie sich in ihrer Rechtsauffassung gestützt\nsah. Die Verfahren waren seinerzeit beim Bundessozialgericht (BSG) im\nNichtzulassungsbeschwerdeverfahren unter den Az. B 7 AL 22/99 B und B 7 AL\n30/99 anhängig.\n\n18\n\n \n\nIn der Berufungsverhandlung am 15. Oktober 1999 hat die Beklagte den\nGrundlagenbescheid vom 21. Februar 1996 aufgehoben. Der Senat hat die\nBeteiligten in dieser Verhandlung darauf hingewiesen, dass er die\nFeststellungsklage als Elementenfeststellungsklage für unzulässig halte. Im\nÜbrigen sei er der Auffassung, dass die Klägerin als Kommune sind\ngrundsätzlich auf § 128 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AFG berufen könne. Der\nSenat halte den Rechtsstreit aber insoweit nicht für entscheidungsreif, weil\nes an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehle.\n\n19\n\n \n\nHierauf hat die Klägerin erklärt, dass sie an der erhobenen Feststellungsklage\nnicht festhalte. Sie beantrage nunmehr,\n\n20\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. Juli 1998 sowie den Bescheid der\nBeklagten vom 12. Juli 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.\nAugust 1995 und die Bescheide vom 11. Oktober 1995, 11. Januar 1996 und 31.\nJanuar 1996 aufzuheben.\n\n21\n\n \n\nDie Beklagte hat in der Verhandlung am 15. Oktober 1999 beantragt,\n\n22\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n23\n\n \n\nDem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten,\n\n24\n\n \n\nim Hinblick auf noch anzustellende Ermittlungen sowie eine etwaige\nEntscheidung durch das BSG das Ruhen des Verfahrens anzuordnen,\n\n25\n\n \n\nhat der Senat durch Beschluss vom 15. Oktober 1999 stattgegeben.\n\n26\n\n \n\nNachdem das BSG die Nichtzulassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des\nLSG Nordrhein-Westfalen mit Beschlüssen vom 20. Dezember 1999 als unzulässig\nverworfen hatte, hat die Beklagte das aufgrund des Beschlusses vom 15. Oktober\n1999 ruhende Verfahren mit am 09. März 2000 eingegangenem Schriftsatz wieder\naufgenommen.\n\n27\n\n \n\nAußerhalb des gerichtlichen Verfahrens erließ die Beklagte nach einer mit\nSchreiben vom 13. April 2000 erfolgten Anhörung der Klägerin den\nErstattungsbescheid vom 25. Mai 2000, der inhaltlich die Bescheide vom 12.\nJuli und 11. Oktober 1995 sowie vom 11. und 31. Januar 1996 ersetzte.\nInsgesamt belief sich die Erstattungsforderung der Beklagten für die Zeit vom\n27. März bis 30. Dezember 1995 auf 18.689,60 DM = 9.555,84 EUR. Der Bescheid\nvom 25. Mai 2000 wurde Gegenstand des Berufungsverfahrens.\n\n28\n\n \n\nIm Hinblick auf zwischenzeitlich anhängig gewordene BSG-Verfahren mit\nähnlicher Problematik (B 11 AL 47/00 R, B 11 AL 49/00 R und B 11 AL 50/00 R)\nist auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten mit Beschluss des Senats vom\n18. Dezember 2000 erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Nachdem\ndas BSG die dem Ruhen zu Grunde liegende Rechtsfrage mit Urteil vom 22. März\n2001 (B 11 AL 50/00 R) entschieden hatte, hat die Beklagte das ruhende\nVerfahren mit am 22. März 2006 eingegangenem Schriftsatz wieder aufgerufen.\nDie Klägerin hat hierauf mit einem am 19. Mai 2006 eingegangenen Schriftsatz\nerklärt, dass sie das Verfahren fortführen wolle.\n\n29\n\n \n\nZur Begründung der Berufung macht sie nunmehr geltend: Das BSG habe\nmittlerweile durch Urteil vom 21. November 2002 (B 11 AL 37/02 R) eine\nGrundsatzentscheidung für die Anwendbarkeit der Härtefallregelung auf Kommunen\ngetroffen. Danach entfalle die Erstattungspflicht auch für den kommunalen\nArbeitgeber, wenn dieser darlege und nachweise, dass die Erstattung des Alg\ndie nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährden\nwürde. Nach Auffassung des BSG müsse der zur Erstattung herangezogene\nArbeitgeber darlegen und beweisen, dass die durch die Erstattungsforderungen\nherbeigeführte wirtschaftliche Gesamtsituation generell geeignet sei, den noch\nvorhandenen Bestand an Arbeitsplätzen zu gefährden. Ein konkreter Nachweis,\nwelche Arbeitsplätze direkt durch die Erstattungsforderungen gefährdet würden,\nsei allerdings nicht erforderlich. Andererseits reiche nicht bereits ein lang\nandauerndes Haushaltsdefizit für die Annahme einer Gefährdung weiterer\nArbeitsplätze aus. Hinzu kommen müsse nach der Rechtsprechung des BSG, dass\neine Kommune lang andauernde Haushaltsdefizite aufweise und diesen Defiziten\nebenfalls andauernd mit Personaleinsparungen begegne, also bereits in der\nVergangenheit zur Reduzierung des Haushaltsdefizits tatsächlich die absolute\nZahl der Beschäftigten über die bloße Fluktuation hinaus vermindert habe.\nLiege eine solche Konstellation vor, sei zu erwarten, dass die Kommune auch in\nZukunft auf nicht unerhebliche Erstattungsforderungen der Bundesagentur für\nArbeit zur Verminderung des Defizits mit Einsparungen auch bei den\nPersonalkosten durch den Abbau von weiteren Stellen reagieren werde und\ndadurch eine Gefährdung von weiteren Arbeitsplätzen im Sinne des § 128 Abs. 2\nNr. 2 AFG vorliege mit der Folge, dass die Erstattungspflicht entfalle. Das\nBSG habe diese Rechtsprechung inzwischen durch Urteil vom 10. Februar 2004 (B\n7 AL 98/02 R) bestätigt.\n\n30\n\n \n\nIhrer Auffassung nach erfülle sie diese Voraussetzungen. Sie habe sich unter\nDarstellung der Entwicklung der städtischen Haushaltssituation und des\nPersonalbestandes der Hansestadt Lübeck an die Kommunalaufsicht im\nInnenministerium des Landes Schleswig-Holstein als fachkundige Stelle gewandt\nund hierauf die nunmehr zur Gerichtsakte gereichte Stellungnahme vom 18.\nJanuar 2006, deren Inhalt sie sich zu Eigen mache, erhalten. Wegen der\nweiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf ihren Schriftsatz\nvom 31. Juli 2006 sowie auf die mit der Stellungnahme vom 18. Januar 2006 zur\nAkte gereichten Anlagen Bezug genommen.\n\n31\n\n \n\nDie Klägerin beantragt nunmehr,\n\n32\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. Juli 1998 und den Bescheid der\nBeklagten vom 25. Mai 2000 aufzuheben.\n\n33\n\n \n\nDie Beklagte beantragt sinngemäß,\n\n34\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 25. Mai 2000\nabzuweisen.\n\n35\n\n \n\nSie erwidert: Das Gutachten vom 18. Januar 2006 enthalte lediglich globale\nAussagen über die Haushaltsentwicklung der Klägerin und sei nicht geeignet,\nden erforderlichen Nachweis zu erbringen. Auch aus den vorgelegten Unterlagen\nsei die Auswirkung der Erstattungsforderung der Beklagten auf das Erfordernis\nweiterer Personalreduktionen nicht erkennbar. Zu fordern sei eine Kausalität\nder Erstattungsforderungen für eine vermehrte Personalreduzierung. Hierzu sei\nfestzuhalten, dass die Klägerin Personaleinsparungen nur auf der Grundlage\neiner langfristig und planvoll angelegten Konsolidierung der Personalkosten\nvorgenommen habe. Dabei sei ausschließlich die natürliche Fluktuation durch\nAnwendung einer Wiederbesetzungssperre genutzt und einem durch\nBetriebsvereinbarung definierten Personenkreis eine Vorruhestandsvereinbarung\nangeboten worden. Die Klägerin habe von vornherein eine Reduzierung des\nPersonalbestandes unter vollständiger Ausschöpfung dieser Instrumente\nbeabsichtigt. Eine Ausdehnung des Einsparungspotentials sei schon deshalb\nausgeschlossen gewesen, weil auf einseitige Maßnahmen wie insbesondere\narbeitgeberseitige Kündigungen verzichtet worden sei. Soweit eine\nPersonalverlagerung durch Betriebsübergang in haushaltstechnisch\nausgegliederte Bereiche erfolgt sei, ergebe sich keine andere Beurteilung.\nDenn ein Betriebsübergang löse die Arbeitsverhältnisse nicht, sondern setzte\nsie mit dem Übernehmer fort, so dass der Schutzzweck des § 128 Abs. 2 Nr. 2\nAFG, den Bestand der Arbeitsplätze zu gewährleisten, nicht tangiert werde. Im\nÜbrigen sei die von der Klägerin getroffene Entscheidung für die\nPrivatisierung von Teilbereichen der öffentlichen Verwaltung grundsätzlicher\nNatur und nicht durch die Erstattungsansprüche der Beklagten veranlasst.\nSchließlich sei auf den in der neueren BSG-Rechtsprechung beschriebenen\nSchwellenwert von 3 v.H. zu verweisen, der die zusätzliche wesentliche\nPersonalreduzierung betreffe und nicht die insgesamt vorgenommene\nPersonalreduzierung. Vorliegend werde der Wert schon nicht durch die\nplangemäßen, überwiegend die Erstattungspflicht auslösenden Vorruhestandsfälle\nerreicht und erst recht nicht durch ein zusätzliches Ausscheiden von\nMitarbeitern.\n\n36\n\n \n\nDie Gerichtsakten und die die Alg-Gewährung an C. sowie die hier strittige\nErstattungsforderung der Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge haben dem\nSenat vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes\nund des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n37\n\n \n\nDie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig.\nInsbesondere ist der Beschwerdewert, der bei einer Erstattungsstreitigkeit\nzwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden nach §\n144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Gesetzes\nvom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) 10.000 DM betrug, erreicht. Die Berufung\nist jedoch nicht begründet.\n\n38\n\n \n\nDas SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings hätte es den\nim Verhandlungstermin am 29. Juli 1998 in Änderung des in der Klageschrift\nformulierten Anfechtungsbegehrens ausdrücklich gestellten Feststellungsantrag\nals unzulässig abweisen müssen. Denn das formulierte Feststellungsbegehren war\nals sog. Elementenfeststellungsklage nicht statthaft.\n\n39\n\n \n\nMit einer Feststellungsklage kann gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG unter anderem\nbegehrt werden die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines\nRechtsverhältnisses. Unter Rechtsverhältnis versteht man die Rechtsbeziehungen\nzwischen Personen oder Personen und Gegenständen, die sich aus einem konkreten\nSachverhalt aufgrund einer Norm (des öffentlichen Rechts nicht\nverfassungsrechtlicher Art) für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander\noder einer Person zu einer Sache ergeben (Keller in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 55 Rz 4 m.w.N.). Nach diesen\nMaßstäben mag die Frage, ob die Klägerin zur Erstattung des von der Beklagten\ndem Arbeitnehmer C. geleisteten Alg (einschließlich der hierauf entfallenden\nSozialversicherungsbeiträge) gemäß § 128 AFG verpflichtet ist, ein\nRechtsverhältnis im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG begründen. Der von der\nKlägerin im erstinstanzlichen Verfahren gestellte Feststellungsantrag bezieht\nsich indessen - unbeschadet aller Fragen der Subsidiarität der\nFeststellungsklage (vgl. dazu Keller, a.a.O., § 55 Rz 19 ff. m.w.N.) - nicht\nauf die umfassende Klärung der Erstattungspflicht, sondern greift nur eine\neinzelne Frage, die zwischen den Beteiligten streitig ist, heraus. Zwar ist in\nder Rechtsprechung des BSG in Sonderfällen die Ausnahmeform der sogenannten\nElementenfeststellungsklage für möglich gehalten worden, ohne dass das BSG -\nsoweit ersichtlich - jemals abschließend über die grundsätzliche\nStatthaftigkeit dieser Form der Feststellungsklage entschieden hätte (vgl.\nBSG, Urteil vom 18.01.1995, 5 RJ 20/94, SozR 3-2600 § 149 Nr. 3 m.w.N.). Dabei\nist entscheidend darauf abgestellt worden, ob durch die begehrte Feststellung\nder Streit der Beteiligten im Ganzen bereinigt wird (BSG, Urteil vom\n27.01.1977, 7 RAr 17/76, SozR 4100 § 34 Nr. 6 m.w.N.). Das wäre hier bei einer\nfür die Klägerin positiven inhaltlichen Entscheidung über den\nFeststellungsantrag nicht der Fall, weil daran anschließend - wie auch das\nvorliegende Berufungsverfahren belegt - über das Vorliegen der\ntatbestandlichen Voraussetzungen der Härteklausel gestritten worden wäre.\n\n40\n\n \n\nDem kann nicht entgegengehalten werden, dass jedenfalls der (ursprüngliche)\nStreit über die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG auf\ndie Klägerin als Kommune vollständig hätte ausgeräumt werden können. Denn mit\ndieser Begründung könnte jede Tatfrage zum Gegenstand einer Feststellungsklage\ngemacht werden, da es prinzipielles Ziel gerichtlicher Entscheidungen ist, den\nStreit über die dem Gericht zur Beantwortung vorgelegten Fragen zu beenden\n(vgl. BSG, Urteil vom 18.01.1995, a.a.O. - am Ende).\n\n41\n\n \n\nNachdem der Senat die Beteiligten in der ersten Berufungsverhandlung vom 15.\nOktober 1999 auf die Unzulässigkeit der Elementenfeststellungsklage\nhingewiesen hat, hat die Klägerin ihren Berufungsantrag in ein\nAnfechtungsbegehren umgestellt. Es kann offen bleiben, ob hierin eine\nKlageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG lag (generell verneinend beim\nÜbergang von der Feststellungsklage zur Anfechtungsklage Leitherer in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 99 Rz 4), weil in der rügelosen Einlassung\nder Beklagten auf den Anfechtungsantrag jedenfalls eine Einwilligung im Sinne\nvon § 99 SGG zu sehen ist.\n\n42\n\n \n\nDer Bescheid vom 25. Mai 2000, der den zunächst angefochtenen\nErstattungsbescheid vom 12. Juli 1995 in der Fassung des\nWiderspruchsbescheides vom 28. August 1995 sowie die weiteren\nErstattungsbescheide vom 11. Oktober 1995, 11. Januar 1996 und 31. Januar 1996\nersetzt hat, ist gemäß § 96 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des\nBerufungsverfahrens geworden mit der Folge, dass der Senat über diesen\nBescheid auf Klage zu entscheiden hat (vgl. allg. Leitherer, a.a.O., § 96 Rz 7\nm.w.N.).\n\n43\n\n \n\nDie Klage gegen den Bescheid vom 25. Mai 2000 ist jedoch nicht begründet; der\nangefochtene Bescheid ist rechtsfehlerfrei.\n\n44\n\n \n\nNach § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG (in der Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember\n1992, BGB1. I S. 2044) erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose\ninnerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den\nnach § 104 Abs. 2 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage\nin einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der\nBundesanstalt vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58.\nLebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Gemäß § 128 Abs. 4 AFG\nerstreckt sich diese Erstattungspflicht auch auf die auf das Alg entfallenden\nSozialversicherungsbeiträge.\n\n45\n\n \n\nDass die Voraussetzungen von § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG vorliegen, ist zwischen\nden Beteiligten zu Recht unstreitig. Insbesondere hat die Beklagte auch zu\nRecht die Klägerin als Kommune in den Kreis der erstattungspflichtigen\nArbeitgeber einbezogen. Weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck\nder Vorschrift beschränkt sich § 128 AFG nämlich auf eine Erstattungspflicht\nprivatrechtlicher Arbeitgeber. Auch dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht\nunstreitig und bedarf insoweit keiner weiteren Begründung.\n\n46\n\n \n\nZweifelhaft ist hier allein, ob die Erstattungspflicht aus einem der im Gesetz\ngenannten Gründe nicht eintritt bzw. ob die Klägerin sich auf einen\nBefreiungstatbestand berufen kann. Die Gründe für einen Nichteintritt der\nErstattungspflicht gemäß\n\n47\n\n \n\n§ 128 Abs. 1 Satz 2 AFG liegen - was zwischen den Beteiligten ebenfalls zu\nRecht unstreitig ist - hier nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen\nfür den § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AFG genannten Befreiungstatbestand bei\nPersonalverminderung nicht gegeben.\n\n48\n\n \n\nAls Befreiungstatbestand kommt - auch dies ist zwischen den Beteiligten im\nAusgangspunkt zu Recht unstreitig - allenfalls § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG in\nBetracht, wobei die Klägerin sich lediglich auf die zweite Alternative dieser\nVorschrift beruft. Nach § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG entfällt die\nErstattungspflicht, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass die\nErstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die\nErstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des\nPersonalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären. Insoweit ist zum\nNachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle\nerforderlich.\n\n49\n\n \n\nDie ursprünglich allein zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die\nHärtefallregelung des § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG auf Kommunen anwendbar ist, ist\nzwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des BSG geklärt. Mit Urteil vom 10.\nFebruar 2004, B 7 AL 98/02 R, veröffentlicht in juris, hat das BSG\nentschieden, dass sich auch eine nicht insolvenzfähige Kommune grundsätzlich\nzum Ausschluss der Erstattungsforderung auf § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG berufen\nkann. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat und macht sich zur Begründung die\nin dem Urteil des BSG vom 10. Februar 2004 hierzu gemachten Ausführungen, die\nden Beteiligten bekannt sind, zu Eigen. Zu weiter gehenden Ausführungen\nbesteht insoweit kein Anlass, zumal die Beklagte ihre ursprünglich vertretene\nund vom SG bestätigte Auffassung, § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG finde auf Kommunen\nals öffentlich-rechtliche Arbeitgeber keine Anwendung, nach Ergehen der BSG-\nRechtsprechung ersichtlich nicht aufrecht erhält.\n\n50\n\n \n\nDie Voraussetzungen der Härteregelung nach § 128 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative\nAFG liegen jedoch nicht vor. Maßgebend ist, ob die Erstattung für die Klägerin\neine unzumutbare Härte bedeuten würde, weil durch die Erstattung die nach\nDurchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären.\nDie Entscheidung über den Wegfall der Erstattungspflicht wegen Gefährdung von\nArbeitsplätzen erfordert zum Zeitpunkt, zu dem die Erstattung zu erheben ist,\neine - gegebenenfalls nachträgliche - Prognose auf die möglichen Auswirkungen\nder Erstattung. Das schließt die Berücksichtigung späterer Entwicklungen nicht\naus. Für die Prognose ist der Zeitraum maßgeblich, in dem der jeweilige\nErstattungsbetrag zu erheben ist. Die Stellungnahme der fachkundigen Stelle\nist als Beteiligtenvorbringen zu würdigen; sie begründet weder die Vermutung\nihrer Richtigkeit noch ist sie für Verwaltung und Gerichte bindend (BSG,\nUrteil vom 21. September 2000, B 11 AL 7/00 R, BSGE 87, 132).\n\n51\n\n \n\nAllein ein Haushaltsdefizit, also ein negativer Verwaltungshaushalt, schließt\nnach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. Februar 2004, a.a.O., m.w.N.)\nErstattungsansprüche gegenüber einer Kommune nicht aus. Allerdings sieht das\nBSG bei nicht konkursfähigen öffentlichen Unternehmen das negative\nBetriebsergebnis, also das Haushaltsdefizit einer Kommune, und die Erfüllung\nder Erstattungsforderungen aus der Substanz des Unternehmens als Indiz für die\nGefährdung von Arbeitsplätzen an. Für die Anwendung der Härteregelung ist\nausreichend, dass die durch die Erstattungsforderungen herbeigeführte\nwirtschaftliche Gesamtsituation generell geeignet ist, auch den verbliebenen\nBestand an Arbeitsplätzen zu gefährden, wobei es eines Nachweises der\nGefährdung konkreter Arbeitsplätze nicht bedarf (Urteil vom 10. Februar 2004,\na.a.O.).\n\n52\n\n \n\nFür die Beurteilung einer unzumutbaren Belastung wegen der Gefährdung\nverbliebener Arbeitsplätze kommt es nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil\nvom 10. Februar 2004, a.a.O.) darauf an, dass die Klägerin ihrem\nHaushaltsdefizit durch wirkliche Personaleinsparungen - nicht etwa durch\nVerlagerung von Personal in haushaltstechnisch ausgegliederte Bereiche -\nbegegnet und dass über die Fluktuation und Personalplanung hinaus wegen der\nErstattungsforderungen Personaleinsparungen - bezogen auf den Zeitpunkt, in\ndem die Erstattungsbeträge zu erheben sind - in nicht unwesentlich vermehrtem\nUmfang geplant sind. Das BSG geht dabei davon aus, dass nicht jede noch so\ngeringfügige Stellenreduktion als "wesentlich" angesehen werden kann. Dazu\nheißt es im Urteil vom 10. Februar 2004, a.a.O.: Einen Anhalt für die\nWesentlichkeit eines geplanten Personalabbaus liefere insofern § 128 Abs. 1\nSatz 2 Nr. 6 AFG. Jedenfalls soweit der dort genannte Schwellenwert von 3 v.H.\nüberschritten sei, dürfte einer Kommune im Regelfall der Nachweis eines\nwesentlichen Personalabbaus gelungen sein.\n\n53\n\n \n\nNach diesen Maßstäben ist der Klägerin der Nachweis eines wesentlichen\nPersonalabbaus wegen der Erstattungsforderungen schon deshalb nicht gelungen,\nweil nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten Unterlagen der in § 128 Abs. 1\nSatz 2 Nr. 6 AFG genannte Schwellenwert von 3 v.H. nicht erreicht wird. Damit\nerscheinen die Erstattungsforderungen der Beklagten im Verhältnis zu den durch\ndie Personalverminderungen eingesparten Kosten als nicht wesentlich. Die\nBeklagte verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die von der Klägerin zur\nAkte gereichten Schlussberichte für die Haushaltsjahre 1995, 1996 und 1997.\nDaraus ergibt sich, dass im Zusammenhang mit Vorruhestandsvereinbarungen 1995\n69 Mitarbeiter und 1996 81 Mitarbeiter ausgeschieden sind (S. 36 des Berichts\nfür 1995, S. 36 des Berichts für 1996). Bis zum 31. Dezember 1997 haben 182\nArbeitnehmer einen Antrag auf Vorruhestand gestellt. Nach dem\nJahresabschlussbericht 1997 (S. 39) wurden 124 Fälle positiv entschieden.\nEntlassungen aus betriebsbedingten Gründen sind weder beabsichtigt gewesen\nnoch tatsächlich erfolgt; die beabsichtigte Personalreduzierung durch gezielte\nBeendigung von Arbeitsverhältnissen sollte - wie bereits in der\nDienstvereinbarung vom 24. März 1994 festgeschrieben war - nur durch\nAufhebungsverträge im Rahmen vereinbarter Vorruhestandsregelungen erfolgen. In\nRelation zur Gesamtzahl der Beschäftigten, die die Klägerin im\nVerwaltungsverfahren mit 3.658,25 (Stand: 9. Mai 1994) angegeben hat (Bl. 34\nder Verwaltungsvorgänge), ist der Schwellenwert von 3 v.H. damit weder bis zur\nFälligkeit der letzten Erstattungsforderung am 1. April 1996 (vgl. zum\nmaßgeblichen Beurteilungszeitpunkt auch Henke in Eicher/ Schlegel, SGB II, §\n147a Rz 298) noch in dem anschließenden Zeitraum erreicht worden; für eine\nanders lautende Prognose gab es keinen hinreichenden Anhaltspunkte. Erst recht\nist in dieser Größenordnung keine zusätzliche wesentliche Personalreduzierung\nwegen der Erstattungsforderungen erfolgt. Soweit der Personalbestand über die\nVorruhestandsfälle hinaus zurückgegangen ist, verweist die Beklagte zu Recht\ndarauf, dass dies auf Fluktuation und fehlende Wiederbesetzung von Stellen\nbzw. die Auslagerung in haushaltstechnisch ausgegliederte Bereiche\nzurückzuführen ist und insoweit außer Ansatz bleiben muss.\n\n54\n\n \n\nUnabhängig von Vorstehendem kann die Härteklausel nur bei ursächlichem\nZusammenhang zwischen der Erstattungsforderung und der Gefährdung der\nverbliebenen Arbeitsplätze gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2001, B\n11 AL 50/00 R, BSGE 88, 31). Bei der Beurteilung des ursächlichen\nZusammenhangs haben Gründe, die außerhalb der wirtschaftlichen Situation des\nvon der Erstattungsforderung betroffenen Unternehmens liegen, außer Betracht\nzu bleiben (BSG, Urteil vom 22. März 2001, a.a.O.). Die erforderliche\nKausalität liegt hier - wie die Beklagte zu Recht geltend macht - nicht vor.\nWenn nämlich die Dienstvereinbarung vom 24. März 1994 sich nur auf mögliche\nVorruhestandsregelungen bezog, konnte die Klägerin insoweit keinen Einfluss\nauf die Zahl derjenigen nehmen, die von dem Angebot Gebrauch machen würden.\nAndere Instrumente zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen haben im\nZusammenhang mit Erstattungsforderungen der Beklagten nach § 128 AFG keine\nAnwendung gefunden. Dies macht deutlich, dass die Beendigung von\nArbeitsverhältnissen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den\nErstattungsforderungen der Beklagten stand bzw. stehen sollte.\n\n55\n\n \n\nNach allem hat die Beklagte zu Recht die angefochtenen Erstattungsforderungen\nerhoben. Zur Höhe lassen die Erstattungsbescheide Rechtsfehler nicht erkennen;\nsolche sind auch nicht von der Klägerin geltend gemacht worden.\n\n56\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG findet hier noch keine\nAnwendung, weil das Verfahren vor Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes\n(SGG-ÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2158) rechtshängig geworden ist\n(vgl. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG; BSG, Beschluss vom 05. Mai 2003,\nB 13 SF 5/02 S, SozR 4-1500 § 183 Nr. 1; Meyer-Ladewig/ Leitherer in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 183 Rz 12).\n\n57\n\n \n\nDer Senat hat vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des BSG keinen\nAnlass gesehen, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.\n\n \n\n
105,678
fg-schleswig-holsteinisches-2007-12-06-1-k-14704
1,067
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht
fg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 147/04
2007-12-06
2018-11-24 13:30:19
2019-02-26 18:38:36
Urteil
ECLI:DE:FGSH:2007:1206.1K147.04.0A
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten über die steuerliche Anerkennung einer im\nJahresabschluss 1998 der Klägerin ausgewiesenen Verbindlichkeit, welche auf in\nden Jahren 1992 bis 1994 erbrachten Beratungsleistungen einer Gesellschafterin\nberuhen soll.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie 1982 gegründete Klägerin betreibt einen Einzelhandel mit ....\nGründungsgesellschafter waren Herr A mit einer Stammeinlage von 22.500 DM,\nFrau B mit einer Stammeinlage von 2.500 DM und Herr C mit einer Stammeinlage\nvon 25.000 DM. Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 13. Februar 1984\ntrat Herr C seinen Anteil an der Klägerin an die ... S.A., ..., Schweiz\n(nachfolgend O) ab. Die Übertragung erfolgte unentgeltlich, “da es sich um die\nAuflösung eines Treuhandverhältnisses” handeln sollte. Alleiniger\nGesellschafter und organschaftlicher Vertreter der X ist Herr C. Dieser hat\nden Anteil der X an der Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2002 wieder selbst\nübernommen.\n\n \n\n3\n\n \n\nBereits am 26. November 1982 schloss die Klägerin mit der X einen Vertrag über\ndie Beratung “in allen finanziellen und betriebswirtschaftlichen Belangen”.\nSie sollte ”bei den Wareneinkäufen das anstehende Engagement bezüglich der\nHöhe, Planung der durchzuführenden Ausgaben, auch speziell in Bezug auf die\nLiquiditätslage und den Warenbestand der Gesellschaft die Beratung\ndurchzuführen”. Als Vergütung war eine Provision auf den Nettoeinkaufswert der\nbezogenen Waren, und zwar bis 50.000 DM 5%, von 50.001 - 100.000 DM 3% und\nüber 100.000 DM 1,5 % vorgesehen. Auf den näheren Inhalt des Vertrages wird\nverwiesen. Die Beratungsleistungen sollen nach den Angaben der Klägerin von\nHerrn C für die X erbracht worden sein. Die Klägerin rechnete die\nProvisionsschuld wie folgt ab: 1992 40.314,06 DM, 1993 46.278,76 DM und 1994\n35.438,79 DM, Summe 122.031,61 DM. Eine Zahlung ist unterblieben. Die Klägerin\nwies deshalb in ihrer Rechnungslegung entsprechende Verbindlichkeiten aus.\n\n \n\n4\n\n \n\nMit Wirkung zum 31. Dezember 1994 kündigte die Klägerin den Beratungsvertrag\nmit der O, “weil die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft Kosten\ndieser Größenordnung nicht mehr zulassen und die Notwendigkeit der Tätigkeit\nnicht mehr erforderlich erscheint”. In der Gesellschafterversammlung vom 23.\nJuni 1994 wurde mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Klägerin\nzudem vereinbart, dass die Provisionen der X “erst nachrangig ausgeglichen\nwerden”.\n\n \n\n5\n\n \n\nIm Anschluss an eine Außenprüfung der Klägerin betreffend die\nVeranlagungszeiträume 1998 - 2000 gelangte der Beklagte - das Finanzamt (FA) -\nu.a. zu der Überzeugung, dass die gegenüber der X ausgewiesene Verbindlichkeit\nerfolgswirksam aufzulösen sei. Eine von ihr erbrachte Leistung sei nicht\nfestzustellen. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um\nScheinleistungen handele. Es fehlten zudem ordnungsgemäße Rechnungen. Am 3.\nFebruar 2003 erließ das FA gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)\ngeänderte Körperschaftsteuer (KSt-)Bescheide, geänderte Feststellungsbescheide\ngemäß § 47 KStG sowie geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag\n(GewStMB) betreffend den Zeitraum 1997 bis 2000, mit welchen es die\nPrüfungsfeststellungen umsetzte. Die streitige Verbindlichkeit löste es in\n1997 gewinnerhöhend auf, weil es zunächst davon ausging, dass dies der erste\nnoch nicht in Bestandskraft gewachsene Veranlagungszeitraum sei. Hiergegen\nerhob die Klägerin am 11. Februar 2003 Einspruch, mit welchem sie mangels\nPrüfungserweiterung Festsetzungsverjährung für den Veranlagungszeitraum 1997\ngeltend machte. Das FA folgte dieser Auffassung und löste die Verbindlichkeit\nerstmals in 1998 auf. Der geänderte KSt-Bescheid 1998, der geänderte\nFeststellungsbescheid gemäß § 47 KStG zum 31.12.1998 und der geänderte GewStMB\n1998 ergingen am 18. März 2003. Die Änderung erfolgte jeweils gemäß § 174 Abs.\n4 AO.\n\n \n\n6\n\n \n\nAm 4. April 2003 beantragte die Klägerin, die Einkommenserhöhung in den\nvorgenannten Änderungsbescheiden 1998 ersatzlos aufzuheben und daraus folgend\ndie Steuerbescheide für 1999 und 2000 zu ändern. Das FA lehnte das\nÄnderungsbegehren mit Verfügung vom 20. Juni 2003 ab. Den hiergegen am 1. Juli\n2003 erhobenen Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2004\nzurück: Eine betriebliche Veranlassung der Vergütung und eine tatsächliche\nLeistungserbringung durch den angeblichen Berater sei nach wie vor nicht\nnachgewiesen. Die Verbindlichkeit sei deshalb im ersten noch offenen\nVeranlagungszeitraum zu ändern. Dies sei richtigerweise das Jahr 1998. Wegen\ndes Irrtums über den ersten noch offenen Veranlagungszeitraum sei das FA gemäß\n§ 174 Abs. 4 AO verfahrensrechtlich zur Änderung der betreffenden Bescheide\nbefugt gewesen.\n\n \n\n7\n\n \n\nMit der 19. Juli 2004 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen\ngeltend:\n\n \n\n8\n\n \n\nDie vereinbarten Beratungsleistungen seien entsprechend der geschlossenen\nVereinbarung tatsächlich erbracht und ordnungsgemäß abgerechnet worden. Der\nGründungsgesellschafter A habe zuvor lediglich als Verkäufer in einem\n...geschäft gearbeitet, so dass er auf eine beratende Unterstützung angewiesen\ngewesen sei. Bei der X handele es sich auch nicht um eine sog.\nDomizilgesellschaft. Dies werde durch die Bescheinigung ihrer\nWirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 17. Juli 2002 bestätigt. Diese sei\nvielmehr aktiv tätig gewesen und habe die Provisionsansprüche auch in ihren\nGeschäftsbüchern verbucht. Das FA verkenne zudem, dass eine GmbH keine\nPrivatsphäre habe.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Klägerin beantragt, das FA unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 20.\nJuni 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2004 zu\nverpflichten, den geänderten KSt-Bescheid 1998 sowie den geänderten\nFeststellungsbescheid nach § 47 KStG zum 31.12.1998 und den geänderten GewStMB\n1998 - jeweils vom 18. März 2003 -mit der Maßgabe zu ändern, dass die\nGewinnerhöhung aus der Auflösung der ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber\nder X aus Beratervertrag rückgängig zu machen ist.\n\n \n\n10\n\n \n\nDas FA beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n \n\n11\n\n \n\nDie Verbindlichkeit sei zu Recht in 1998 aufgelöst worden. Eine Leistung der X\nfür die Klägerin sei nicht nachgewiesen. Die im Gesellschafterprotokoll vom\n23. Juni 1994 niedergelegte Stundung von Ansprüchen der X halte zudem einem\nFremdvergleich nicht stand. Es sei kein Zahlungstermin vereinbart worden. Eine\nRegelung über Sicherheiten und Zinsen fehle ebenfalls. Die vorgelegten\nRechnungen betreffend die Leistungen der X seien auch in formeller Hinsicht\nnicht ordnungsgemäß. Es fehlten Datum und Zahlungshinweise. Das Vorliegen von\nScheinrechnungen könne nicht ausgeschlossen werden. Die Voraussetzungen einer\nBetriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) seien deshalb\nnicht gegeben.\n\n \n\n12\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nzwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das\nProtokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2007 verwiesen. Die\nsteuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n13\n\n \n\nDie Klage ist begründet.\n\n \n\n14\n\n \n\nDie Ablehnung der begehrten Bescheidänderung verletzt die Klägerin in ihren\nRechten, § 101 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Bilanzberichtigung ist\nrückgängig zu machen, weil die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen nicht\nvorliegen. Die beanstandeten Einkommensminderungen stellen sich nämlich als\n(passivierte) verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) dar, welche in den Jahren\nihrer Entstehung 1992 bis 1994, nicht aber im Streitjahr 1998 aufzudecken\ngewesen wären. Sofern sich das FA hieran möglicherweise unter dem\nGesichtspunkt der Festsetzungsverjährung gehindert sieht, kann eine Korrektur\nnicht ersatzweise nach den Grundsätzen des Bilanzzusammenhangs im ersten noch\noffenen Veranlagungsjahr erfolgen.\n\n \n\n15\n\n \n\nNach § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich das, was als Einkommen einer Körperschaft\ngilt und wie es zu ermitteln ist, nach den Vorschriften des EStG und des KStG.\nDie Einkommensermittlungsvorschriften des EStG sind auf Körperschaften jedoch\nnur insoweit anwendbar, als ihnen nicht spezielle Regelungen des KStG\nvorgehen. Ein solches Vorrangverhältnis ist hier gegeben. Das\nkörperschaftsteuerliche Institut der vGA geht für seinen Anwendungsbereich der\nBilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG und sonstigen Bilanzkorrekturen als\nspeziellere Regelung vor. Die Gewinnerhöhung kann hier auch nicht auf § 8 Abs.\n3 Satz 2 KStG gestützt werden. Die Rechtsfolge dieser Vorschrift besteht weder\nin der Versagung des Betriebsausgabenabzugs noch in der Korrektur der\nSteuerbilanz, sondern in einer außerbilanziellen Gewinnkorrektur. Die\ngewinnerhöhende Wirkung hat zudem ausschließlich im Entstehungsjahr der vGA\nanzusetzen. Einer vGA, die in einem früheren Veranlagungszeitraum\nstattgefunden hat, kann nicht durch eine spätere Bilanzkorrektur der Boden\nentzogen werden (vgl. nur Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 5. Februar\n2003 1 K 49/99, EFG 2003, 566; Wassermeyer, Stbg 1997, 529, 534).\nDementsprechend bleibt eine in der Steuerbilanz ausgewiesene Verbindlichkeit\nvom Vorliegen einer vGA unberührt, wenn und soweit diese - wie hier -\nzivilrechtlich wirksam besteht (BFH, Urteil vom 21. August 2007 I R 74/06 -\njuris).\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Tatbestand einer vGA ist erfüllt, weil die vorgesehene Vergütung unter den\nhier vorliegenden Umständen als nicht fremdüblich zu qualifizieren ist. Die\ngemäß dem Beratervertrag von der X geschuldete Leistung war schon inhaltlich\nnicht hinreichend bestimmt. Sie fällt zudem weitgehend in den Kernbereich der\nvom GmbH-Geschäftsführer geforderten Leitungsaufgabe. Hinzu kommt, dass\njegliche Verknüpfung zum Erfolg der Gesellschaft bzw. dem konkreten Erfolg der\nBeratung fehlte und dies obwohl die Klägerin sich in vergleichsweise engen\nfinanziellen Verhältnissen befand. Ein ordentlicher und gewissenhafter\nGeschäftsleiter hätte daher keine Veranlassung zum Abschluss eines derartigen\nVertrages mit einem GmbH-Gesellschafter, erst recht nicht zu den vereinbarten\nKonditionen.\n\n \n\n17\n\n \n\nDer Tatbestand einer vGA entfällt hier auch nicht deshalb, weil es in den\nJahren 1992 - 1994 wegen der Passivierung der Forderungen (noch) nicht zu\neinem Mittelabfluss gekommen ist. Es reicht aus, dass es - wie hier - in der\nSteuerbilanz zu einer Vermögensminderung gekommen ist (vgl. BFH, Urteil vom\n14. Juli 2004 I R 16/03, BStBl II 2004, 1010).\n\n \n\n18\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des FA bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte für ein\nScheingeschäft im Sinne des § 41 Abs. 2 AO. Der Abschluss des Beratervertrages\nwar zur Überzeugung des Senats ernstlich gemeint, denn den Vertragsparteien\nkam es ja gerade auf eine Zuwendung an die X bzw. die Schaffung eines\nzivilrechtlich wirksamen Verpflichtungstatbestandes an. Dass die Beratung bei\nvernünftiger kaufmännischer Beurteilung das vereinbarte Honorar nicht wert war\nund/ oder möglicherweise nur oberflächlich durchgeführt wurde, lässt den\nzivilrechtlichen Verpflichtungstatbestand nicht entfallen. Etwas anderes\nergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin lediglich selbst erstellte\nProvisionsabrechnungen, nicht aber formell ordnungsgemäße Rechnungen der X\nvorgelegt hat. Denn die Vertragsparteien waren sich ausweislich des\nvorgelegten Protokolls über die Gesellschafterversammlung vom 23. Juni 1994\nüber die Höhe und die ursprüngliche Fälligkeit der abgerechneten Beträge sowie\nüber deren Fortbestand als “nachrangige Verbindlichkeit” einig. Dass die\n“nachrangige” Verbindlichkeit zu späterer Zeit, z.B. im Wege des Verzichts,\nzivilrechtlich erloschen wäre, ist weder qualifiziert vorgetragen noch sonst\nersichtlich. Auch eine nicht näher definierte nachrangige Verbindlichkeit ist\ngrundsätzlich als Fremdkapital auszuweisen. Ob eine Verbindlichkeit\nmöglicherweise in nicht fremdüblicher Weise umgewandelt bzw. gestundet wurde,\nist für die Bilanzierung der Kapitalgesellschaft unerheblich.\n\n \n\n19\n\n \n\nAus den vorgenannten Gründen ergibt sich zugleich, dass auch kein\nBilanzierungsfehler im Sinne einer irrtümlichen Bilanzierung vorliegt. Die\nVerbuchung als Aufwand und der Ausweis entsprechender Verbindlichkeiten\ngegenüber der X erfolgte vielmehr bewusst und gewollt und dies auch in der\nausgewiesenen Höhe.\n\n \n\n20\n\n \n\nDas FA kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine mangelnde betriebliche\nVeranlassung (§ 4 Abs. 4 EStG) der Aufwendungen bzw. der ausgewiesenen\nVerbindlichkeit berufen. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung hat\neine Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre. Eine unter\nsteuerlichen Gesichtspunkten gebotene Gewinnkorrektur ist deshalb vorrangig\nunter Anwendung des Rechtsinstituts der vGA vorzunehmen (vgl. nur BFH, Urteile\nvom 12. August 2007 I R 32/06, BFH/NV 2007, 2424 und I R 74/06 vom 21. August\n2007).\n\n \n\n21\n\n \n\nNach allem ist der Klage mit der Kostenfolge aus den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3\nSatz 3 FGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit\nfolgt aus § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.\nDie Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.\n\n \n\n
105,964
lg-rostock-2008-04-11-1-s-5407
480
Landgericht Rostock
lg-rostock
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
1 S 54/07
2008-04-11
2018-11-24 16:30:05
2019-02-26 18:47:40
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das am 21. Marz 2007 verkundete Urteil des\nAmtsgerichts Rostock - 49 C 401/06 - wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klagerin zu tragen.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Klagerin betreibt in R. einen fur jedermann zuganglichen Parkplatz. Nach\nihren dort ausgehangten "Allgemeinen Bedingungen fur die Benutzung des\nParkplatzes - Parkplatzordnung-" (vgl. Anlage K 1, Bl. 6ff d.A.) kommt mit dem\nAbstellen eines Pkw auf dem Parkplatz ein Nutzungsvertrag uber einen\nAbstellplatz zustande. Die Nutzung erfolge nur gegen Entgelt. Das\nNutzungsentgelt bestimmte sich fur jeden belegten Abstellplatz nach der\naushangenden Nutzungsentgelt-Liste an den Parkscheinautomaten. Der Nutzer habe\ndemnach ein erhohtes Parkentgelt in Hohe von 10,- ε pro Kalendertag zu zahlen,\nwenn kein Parkschein gelost werde. Mit der Ermittlung der Fahrzeughalter\nbeauftrage die Klagerin regelmaßig ihre Vertragsanwalte. Die dadurch\nentstehenden Kosten in Hohe von 20,- € erhebe sie zusatzlich zu dem erhohten\nParkentgelt. Am 09.03., 10.03., 19.03., 25.03., 26.03. und 01.04.2006 wurde\nein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen H …, dessen Halter in dieser Zeit\nder Beklagte war, auf dem Parkplatz der Klagerin abgestellt, ohne das\nParkentgelt zu entrichten. Die Klagerin beziffert ihr erhohtes Parkentgelt\neinschließlich entstandener Kosten auf 80,- €.\n\n2\n\n \n\nDie Klagerin hat behauptet, der Beklagte selbst habe sein Fahrzeug dort\nabgestellt.\n\n3\n\n \n\nSie hat beantragt,\n\n4\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, an sie 80,- € zzgl. 5 Prozentpunkte Zinse uber\ndem Basiszinssatz seit 05.07.2006 zu zahlen sowie\n\n5\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, sie von einer Kostenforderung ihrer\nProzessbevollmachtigten in Hohe von 19,50 € freizustellen.\n\n6\n\n \n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n7\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n8\n\n \n\nEr behauptet, er verleihe sein Fahrzeug regelmaßig an andere Personen,\ninsbesondere an Familienangehorige. Wer tatsachlich das Fahrzeug an den\nrelevanten Tagen auf dem Parkplatz der Klagerin abgestellt habe, wisse er\nnicht.\n\n9\n\n \n\nDas Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klagerin weder einen\nvertraglichen noch einen deliktischen Anspruch auf Zahlung eines erhohten\nParkentgelts oder auf Schadensersatz habe. Ein Vertrag sei zwischen Klagerin\nund dem Beklagten nicht zustande gekommen.\n\n10\n\n \n\nHiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und gleichermaßen\nbegrundete Berufung der Klagerin.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\nII.\n\n11\n\n \n\nDie Klagerin hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf\nZahlung des geltend gemachten erhohten Parkentgelts in Hohe von 80,- € gegen\nden Beklagten.\n\n12\n\n \n\n1\\. Ein vertraglicher Anspruch der Klagerin auf Zahlung des erhohten\nParkentgelts einschließlich der Nebenkosten gegen den Beklagten ist nicht\nanzunehmen, da ein diesbezuglich erforderlicher Miet- oder Verwahrvertrag nur\nmit dem jeweiligen Fahrer des abgestellten Fahrzeuges oder einem sonstigen\nNutzer zustande kommt, nicht aber automatisch mit dem Halter des Fahrzeuges.\n\n13\n\n \n\nDie Begrundung einer vertraglichen Verpflichtung des Fahrzeughalters durch ein\nentsprechendes schlussiges oder sozialtypisches Verhalten ist im Streitfall\nbereits deshalb abzulehnen, weil ein diesbezugliches Verhalten des Beklagten\nstreitig und nicht nachweisbar ist. Eine allgemeine zivilrechtliche\nHalterhaftung fur Parkplatzgebuhren ist dem deutschen Recht fremd.\n\n14\n\n \n\nDie Klagerin war sodann im Ergebnis nicht in der Lage, den Beweis zu fuhren,\ndass ein diesbezuglicher Vertrag zwischen ihr und dem Beklagten zustande\ngekommen ist.\n\n15\n\n \n\nEine Beweislastumkehr oder die Anwendung der Grundsatze der sekundaren\nDarlegungs- und Beweislast finden zugunsten der Klagerin keine Anwendung. Eine\nentsprechende Umkehr der Darlegungslast konnte sich allenfalls darauf\nbeziehen, der Beklagte personlich das Fahrzeug an den jeweiligen Tagen auf dem\nParkplatz der Klagerin abgestellt hat, nicht aber zwingend welche\nFamilienangehorigen dies moglicherweise in eigener Person vorgenommen haben.\n\n16\n\n \n\n2\\. Die Klagerin hat gegenuber dem Beklagten keinen vertraglichen sekundaren\nSchadensersatzanspruch, da der Beklagte ihr gegenuber materiell-rechtlich zu\nkeiner weiteren Auskunft uber die Nutzung des Fahrzeuges zu den streitigen\nTagen verpflichtet war. Entsprechendes gilt fur eine Verpflichtung zur\nOffenbarung der Person des entsprechenden Fahrers. Es gibt im Ergebnis keine\nallgemeine Rechtspflicht fur einen Halter, gegenuber einem Dritten Auskunft\nuber den Namen eines Fahrers zu verschaffen. Die Tatsache, dass jemand\nInformationen besitzt, die fur einen anderen bedeutsam sind, begrunden\ngrundsatzlich keine Auskunftspflicht.\n\n17\n\n \n\n3\\. Auch eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet aus, da die Norm ein\nHandeln des Beklagten personlich voraussetzt. Weder ein eigenes Handeln noch\nein Verschulden kann dem Beklagten nachgewiesen werden. Der Beklagte hat auch\nnicht gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen, in dem er das Fahrzeug\nan einen Dritten als Fahrer ubergeben hat.\n\n18\n\n \n\nEin Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 25a StVG scheidet ebenfalls aus, da\n§ 25a StVG den Ersatz von Verwaltungskosten vorsieht, wenn der Fahrer\nunbekannt bleibt. Diese aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht stammende Vorschrift\nist fur zivilrechtliche Anspruche nicht anwendbar.\n\n19\n\n \n\nDie Klagerin kann den Beklagten daher weder in seiner Eigenschaft als Nutzer\noder Fahrer des Fahrzeuges noch als Fahrzeughalter in Anspruch nehmen.\nInsbesondere einer Halterhaftung fur private Parkgebuhren scheidet nach\nderzeitiger Rechtslage aus.\n\n20\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.\n\n21\n\n \n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht aus §§ 708 Nr.\n10, 711, 713 ZPO.\n\n22\n\n \n\nGrunde fur die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen\nnicht vor.\n\n
108,096
olgrost-2007-07-09-3-u-9406
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
3 U 94/06
2007-07-09
2018-11-25 20:30:17
2019-02-11 06:08:48
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung des Klagers gegen das am 02.05.2006 verkundete Urteil des\nLandgerichtes Rostock - 10 O 444/04 - wird auf seine Kosten zuruckgewiesen.\n\n \n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n\nDem Klager bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in\nHohe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte\nvorher Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n \n\nGegenstandswert der Berufung: 32.480,00 EUR.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDer Klager als Insolvenzverwalter uber das Vermogen der Firma M. und S. GmbH\n(Schuldnerin) nimmt den Beklagten auf Ruckzahlung von Beratungshonorar in\nAnspruch.\n\n2\n\n \n\nDer Beklagte ist Unternehmensberater. Die Schuldnerin schloss mit ihm am\n16.09.2002 einen Vertrag, der die Beratung zu folgenden Schwerpunkten zum\nGegenstand hatte:\n\n3\n\n \n--- \n\\- Starke-/Schwacheanalyse des Unternehmens, \n\\- Analyse zur Rentabilitatsentwicklung, \n\\- Entwicklungsstrategie und Liquiditatssicherung sowie \n\\- Realisierungsvorschlage fur die Unternehmenskonzeption. \n \n4\n\n \n\nGem. § 3 des Vertrages hatten die Vertragsparteien davon Kenntnis, dass die\nBeratung mit 6.000,00 € aus Mitteln des Landes Mecklenburg-Vorpommern und des\nEFRE gefordert werden konnte und der Vertrag nur mit dem Forderbescheid\nwirksam wurde.\n\n5\n\n \n\nDer Beklagte sollte in der Zeit vom 01.08.-15.12.2002 tatig sein. Als Honorar\nwaren 12.000,00 € zzgl. gesetzliche Umsatzsteuer ausbedungen, wobei ein\nTagessatz von 500,00 € zzgl. Umsatzsteuer anfiel.\n\n6\n\n \n\nEinen weiteren Beratungsvertrag zu Fragen der Absatz- und Exporthilfe schloss\ndie Schuldnerin mit dem Beklagten am 22.10.2002. Die Projekterarbeitung sollte\nin der Zeit vom 21.10.2002 bis 28.02.2003 erfolgen. Als Honorar waren\n36.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer ausbedungen. Nach § 7 wurde dieser Vertrag erst\nwirksam mit Erteilung des Zuwendungsbescheides aus Mitteln des Landes\nMecklenburg- Vorpommern und des Europaischen Fond fur regionale Entwicklung.\n\n7\n\n \n\nDie Zuwendungsbescheide datieren vom 12.12. und vom 19.12.2002.\n\n8\n\n \n\nDer Beklagte beendete seine Tatigkeit bei der Schuldnerin nach seinem\nVorbringen am 11.11.2002. Er legte zwei Gutachten vor, und zwar das\n"Unternehmenskonzept zur weiteren Entwicklung der M. und S. GmbH", sowie eine\n"Absatzkonzeption" am 20.12.2002. Die erste Rechnung des Beklagten an die\nSchuldnerin vom 02.12.2002 endet mit 16.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer, die\nzweite Rechnung vom 20.12.2002 schließt mit 12.000,00 € ab. Beide Rechnungen\nwaren "Sofort Nettokasse" zu begleichen. Die Schuldnerin zahlte an den\nBeklagten am 13.01.2003 30.000,00 € und am 15.01.2003 weitere 2.480,00 €. Zum\nZeitpunkt der Zahlungen war die Schuldnerin zahlungsunfahig. Am 30.01.2003\nbeantragte sie deswegen die Eroffnung des Insolvenzverfahrens uber ihr\nVermogen (AG Stralsund, 14 IN 82/03). Das Verfahren wurde am 25.03.2003\neroffnet; der Klager wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach\nInsolvenzanfechtung begehrt er Ruckzahlung der 32.480,00 € nebst Zinsen zur\nInsolvenzmasse.\n\n9\n\n \n\nEr trug vor, die Schuldnerin sei bereits seit 31.07.2002 zahlungsunfahig\ngewesen; dies weise der Zwischenabschluss ihrer Steuerberater aus, den sie\nanlasslich eines Gesellschafterwechsels habe erstellen lassen. Der Beklagte\nhabe aufgrund seiner Tatigkeit als Unternehmensberater die wirtschaftlichen\nRahmenbedingungen gekannt. Zur Erfullung seines Auftrages habe die Schuldnerin\nihm im Oktober/November 2002 die Debitoren- und Kreditorenaufstellungen sowie\nspater auch die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Monate Januar bis\nNovember 2002 ubergeben. Ein Mitarbeiter des Beklagten habe am Geschaftssitz\nder Schuldnerin erlebt, dass Glaubiger bereits im November/Dezember 2002 zur\nBegleichung ihrer seit langem offenen Forderungen vorstellig geworden seien.\n\n10\n\n \n\nDer Beklagte wandte ein, er sei davon ausgegangen, dass die Sanierung der\nSchuldnerin gelingen werde. Aus dem ihm vorliegenden Zwischenabschluss zum\n31.07.2002 habe sich keine Überschuldung der Schuldnerin ergeben.\nZahlenmaterial habe diese ihm nur rudimentar zur Verfugung gestellt.\nJedenfalls seien ihm bei Erhalt der Zahlungen im Januar 2003 weder die\nZahlungsunfahigkeit der Schuldnerin, noch zwingend daraufhin deutende Umstande\nbekannt gewesen.\n\n11\n\n \n\nDas Landgericht wies die Klage mit der Begrundung ab, die Anfechtung gem. §\n130 InsO greife nicht durch, da der Klager nicht habe beweisen konnen, dass\nder Beklagte die Zahlungsunfahigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der\nZahlungen gekannt habe. Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und\nStreitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand und die\nEntscheidungsgrunde des angefochtenen Urteils.\n\n12\n\n \n\nHiergegen wendet sich der Klager mit seiner Berufung. In Erganzung seines\nerstinstanzlichen Vorbringens betont er insbesondere, dass die Beklagte die\nbetriebswirtschaftlichen Auswertungen der Monate bis November 2002 erhalten\nhabe, dass der Mitarbeiter der Beklagten zugegen gewesen sei, als Glaubiger\ndie Zahlung ihrer offenen Forderungen angemahnt hatten und dass der\nGeschaftsfuhrer der Schuldnerin dem Beklagten bzw. seinen Mitarbeitern\nmitgeteilt habe, dass die Schuldnerin Sozialversicherungsbeitrage nicht in dem\ngeschuldeten Umfang bezahlt habe.\n\n13\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n14\n\n \n\nunter Abanderung des Urteils des Landgerichts Rostock vom 02.05.2006 den\nBeklagten zu verurteilen, an ihn 32.480,00 € nebst Zinsen in Hohe von 5\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2005 zu zahlen.\n\n15\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n16\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n17\n\n \n\nZur Verteidigung des landgerichtlichen Urteils wiederholt er, dass ihm die\nZahlungsunfahigkeit der Schuldnerin im Januar 2003 nicht bekannt gewesen sei.\nDie betriebswirtschaftlichen Auswertungen fur die Zeit von Mai bis November\n2002 habe die Schuldnerin ihm, dem Beklagten, nicht wahrend seiner Tatigkeit\nzur Verfugung gestellt. Die Unterlagen fur Oktober und November 2002 hatten\ndie Steuerberater der Schuldnerin offensichtlich erst am 11.12. und 19.12.2002\nerstellt, somit nach Abschluss seiner Beratungstatigkeit. Im Übrigen seien\ndiese Unterlagen nicht aussagekraftig. Selbst wenn man die Richtigkeit der von\ndem Klager vorgelegten Zahlen unterstelle, sei fruhestens zum 19.12.2002 fur\neinen Dritten erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin uberschuldet gewesen\nsei. Er wiederholt, dass ihm nur die von dem Steuerberater bestatigten\nUnterlagen per 28.02.2002 vorgelegen hatten. Auf dieser Basis und den\ninnerbetrieblichen, nicht vom Steuerberater bestatigten Auswertungen per\n31.03. und 30.04.2002, habe er, der Beklagte, das Unternehmenskonzept\nerarbeitet. Eingearbeitet worden seien die Angaben der Schuldnerin zu den\neinzelnen Monaten bis September 2002. Im Übrigen bestreite er, dass in seinem\nbzw. eines Mitarbeiters Beisein Glaubiger offene Forderungen angemahnt hatten\nund dass der Geschaftsfuhrer der Schuldnerin ihm, dem Beklagten gegenuber\ngeaußert habe, dass er die Sozialversicherungsbeitrage nur teilweise\nentrichtet habe.\n\n18\n\n \n\nAußerdem liege ein anfechtungsfreies Bargeschaft vor, da die Rechnungen erst\nnach Erteilung der Zuwendungsbescheide, d. h. nach dem 19.12.2002 fallig\ngeworden und die Zahlungen noch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang\nerfolgt seien.\n\n19\n\n \n\nIm Dezember 2002 habe die Schuldnerin mit der D. Bank Gesprache uber eine\nErhohung des Kreditrahmens um 200.000,00 € gefuhrt. Der Senat hat hieruber\nBeweis erhoben gem. Beweisbeschluss vom 04.04.2007 (Bl. 552-553 d. A.). Zum\nErgebnis der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 18.06.2007 (Bl.\n564-570 d. A.) verwiesen.\n\n \n\n**II.**\n\n20\n\n \n\nDem Klager steht kein Anspruch auf Ruckgewahr der angefochtenen Zahlungen der\nSchuldnerin vom 13.01.2003 und 12.01.2003 gem. den §§ 130, 143 InsO zu, da es\nsich vorliegend um Bargeschafte gem. § 142 InsO handelte. Leistungen des\nSchuldners, fur die unmittelbar gleichwertige Gegenleistungen in sein Vermogen\ngelangt sind, sind nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1\nInsO gegeben sind. Dies ist nicht der Fall. Vorliegend kommt nur eine\nInsolvenzanfechtung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Betracht.\n\n21\n\n \n\na) Die Zahlung des angemessenen Honorars fur ernsthafte und nicht von\nvornherein aussichtslos erscheinende Sanierungsbemuhungen - wie hier - kann\nselbst bei deren Scheitern nach den Grundsatzen uber das Bargeschaft der\nDeckungsanfechtung entzogen sein (vgl. BGH Urteil vom 28.01.1988 - IX ZR\n102/87, ZIP 1988, 324; BGH Urteil vom 18.07.2002 - IX ZR 480/00, ZIP 2002,\n1540 = NJW 2002, 3252). So liegt es hier.\n\n22\n\n \n\nFur die Annahme eines Bargeschafts ist wesentliche Voraussetzung, ein\nunmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung\n(BGH, Urteil vom 18.07.2002 - IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = NZI 2002, 543).\nIn dem weiteren Urteil vom 18.07.2002 (IX ZR 480/00), das die Bezahlung des\nHonorars fur den mit einer Unternehmenssanierung beauftragten Rechtsanwalt\nbetrifft, sieht der BGH den zeitlichen Zusammenhang nicht mehr gegeben, wenn\ndie am 30. Juli fallige Zahlung erst am 22. September erfolgt.\n\n23\n\n \n\nDer von der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 28, 344 [347]; WM 1955, 404)\ngeforderte enge zeitliche Abstand zwischen dem Auftrag bzw. Vertragsschluss\nund der Erbringung der Vergutung fur den Auftrag ist noch gegeben. Wann ein\nBargeschaft vorliegt, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung;\nkurzfristige Nachleistung des einen Teils braucht nicht notwendig dagegen zu\nsprechen und den Sachverhalt anfechtbar zu machen (BGH WM 1955, 405). Ein\nBargeschaft wird etwa verneint, wenn zwischen Vertragsschluss und Zahlung zwei\noder vier Monate liegen. Die Leistungen mussen in unmittelbarem Zusammenhang,\nd. h. Zug um Zug oder in engem zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht worden\nsein. Die Zeitspanne zwischen Leistung und Gegenleistung darf nicht so lang\nsein, dass sie unter Berucksichtigung der ublichen Zahlungsbrauche den\nCharakter eines Kreditgeschaftes annimmt. Insbesondere liegt kein Bargeschaft\nmehr vor, wenn dem bei Falligkeit nicht zahlenden Schuldner mittels Stundung\nein Zahlungsaufschub gewahrt wird (Dauenheim in Frankfurter Kommentar zur\nInsO, 4. Aufl., Rn. 5 zu § 142). In seinem Urteil vom 17.11.1958 (BGHZ 28,\n344) lasst der Bundesgerichtshof einen zeitlichen Abstand von etwa drei Wochen\nzwischen dem Auftrag und der Gegenleistung (Abtretung) einem Bargeschaft nicht\nentgegen stehen. Entsprechend liegt es hier. Die Schuldnerin bezahlte die\nRechnungen vom 02.12.2002 und 20.12.2002, am 13.01.2003 und 15.01.2003.\nErstere Rechnung bezog sich auf den Beratervertrag vom 22.10.2002. Diese wurde\nfallig erst mit Rechtswirksamkeit des Vertrages vom 22.10.2002.\nRechtswirksamkeit trat erst mit Erteilung der Zuwendungsbescheide vom 12.12.\nund 19.12.2002 ein. Zur Bezahlung dieser Rechnung war mithin die Schuldnerin\nerst nach Zugang der genannten Zuwendungsbescheide verpflichtet, dies kann\nfruhestens am 21. oder 22.12.2002 gewesen sein wobei der Senat davon ausgeht,\ndass der letztere Bescheid innerhalb der normalen Postlaufzeit zuging. Die\nzweite Rechnung vom 20.12.2002 uber 13.920,00 € war gleichfalls erst nach\nErteilung des Zuwendungsbescheides und deren Zugang fallig. Unter\nBerucksichtigung der normalen Postlaufzeit war dies hier am 23.12.2002.\nBerucksichtigt man weiter, dass zwischen der Falligkeit der Rechnungen und der\nZahlung die Weihnachts- und Neujahrstage lagen, so ist von einem unmittelbaren\nZusammenhang zwischen Rechnungsstellung/Falligkeit und Leistung auszugehen.\n\n24\n\n \n\nb) Die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO liegen nicht vor, denn eine\nvorsatzliche Glaubigerbenachteiligung kann der Schuldnerin nicht vorgeworfen\nwerden, insbesondere gewahrte sie dem Beklagten keine inkongruente Deckung,\naus der sich ein starkes Beweisanzeichen fur den Benachteiligungsvorsatz des\nSchuldners ergibt (Dauernheim in Frankfurter Komm. zur InsO, Rn. 12 zu § 133\nm.w.N.; BGH ZIP 2004, 1060).\n\n25\n\n \n\nc) Der Senat musste deswegen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen des §\n130 Abs. 1 Nr. 1 InsO tatsachlich vorliegen und der Beklagte wusste, dass die\nSchuldnerin am 13. bzw. 15.01.2003 zahlungsunfahig war oder ob er zumindest\nUmstande kannte, die zwingend auf Zahlungsunfahigkeit schließen ließen (§ 130\nAbs. 1 Nr. 1, 2 InsO).\n\n \n\n**III.**\n\n26\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.\n\n27\n\n \n\nZur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.\n\n \n\n
108,562
lg-kiel-2006-08-23-37-qs-6206
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
37 Qs 62/06
2006-08-23
2018-11-26 01:30:15
2019-02-14 08:30:52
Beschluss
ECLI:DE:LGKIEL:2006:0823.37QS62.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die beantragte Anordnung -\ndurch gesonderten Beschluss - erlassen.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nEs sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Beschuldigten die\nErlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 69 StGB entzogen werden wird\n(§ 111 a StPO). Entgegen teilweise vertretener Auffassung (etwa BayOLG,\nBeschluss vom 6. April 1993, 1 St RR 59/93, MDR 1993, 1100 f. m. w. N.)\nerfasst der Begriff des Kraftfahrzeugs i. S. d. Vorschrift auch Motorboote.\nDas folgt schon aus dem Wortlaut, der keine Beschränkung auf Landfahrzeuge\nerkennen lässt. Gegen eine solche Beschränkung sprechen auch Sinn und Zweck\nder Vorschrift und die Gesetzessystematik. Die Norm soll die\nVerkehrssicherheit schützen, die in gleicher Weise durch eine Person gefährdet\nwird, die ihre Ungeeignetheit zum Umgang mit motorisierten Fahrzeugen im\nStraßenverkehr oder wie hier mit einem Motorboot gezeigt hat. Im Übrigen nimmt\n§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausdrücklich auf § 316 StGB Bezug, der ebenfalls nicht\nauf den Straßenverkehr bzw. Landfahrzeuge beschränkt ist. Historische\nArgumente (BayOLG a. a. O.) vermögen demgegenüber nicht durchzugreifen. Dass\nsich die Definitionen in § 1 Abs. 2 StVG und § 248 b Abs. 4 StGB nicht\nheranziehen lassen, folgt schon aus deren ausdrücklicher Beschränkung auf\n„dieses Gesetz“ bzw. „diese Vorschrift“, beim StVG außerdem aus dessen Sinn\nund Zweck, weil es ausschließlich den Straßenverkehr regelt und sich deshalb\nauch nur mit Landfahrzeugen befassen muss (wie hier LG München II, Beschluss\nvom 27. Oktober 1992, Az. 9 Qs 9/92, NZV 1993, 83 f; Tröndle/Fischer, StGB,\n52. Aufl., München 2004, § 69 Rn. 3). Vorliegend bestehen dringende Gründe für\ndie Annahme, dass sich der Beschuldigte nach § 316 StGB schuldig gemacht hat,\nso dass das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllt ist oder dass ihm\ndie Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB entzogen werden wird. Dass er sich bei\nca. 2,5 o/oo, Vorsatz und Verursachung eines Verkehrsunfalls - so diese\nFeststellungen auch in der Hauptverhandlung getroffen werden -, als ungeeignet\nzum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, bedarf keiner weiteren\nErörterung.\n\n \n\n
108,866
olgsh-2006-06-21-2-w-8806
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
2 W 88/06
2006-06-21
2018-11-26 04:30:13
2019-02-14 08:39:31
Beschluss
ECLI:DE:OLGSH:2006:0621.2W88.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nZum zuständigen Gericht wird das Amtsgericht Darmstadt bestimmt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin macht gegen die Beklagte aus einem Anzeigenauftrag 229,68 Euro\nnebst Zinsen geltend. Das Auftragsformular verweist auf die umseitig\naufgedruckten AGB, deren Nr. 18 bestimmt, dass im Geschäftsverkehr mit\nKaufleuten bei Klagen Gerichtsstand der Sitz des Verlages ist. Dementsprechend\nwar im Mahnbescheidsantrag als Gericht, vor dem ein streitiges Verfahren\ndurchzuführen ist, das Amtsgericht Pinneberg angegeben. Das Amtsgericht\nPinneberg hat nach Abgabe der Sache an die Prozessabteilung die Parteien\ndarauf hingewiesen, dass es die Gerichtsstandsvereinbarung wegen Verstoßes\ngegen § 307 BGB für unwirksam und sich deshalb für örtlich unzuständig halte.\nEs hat sich auf den Hilfsantrag der Klägerin durch Beschluss vom 20.04.2006\nfür örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das "örtlich\nzuständige" Amtsgericht Darmstadt verwiesen. Dieses hat die Übernahme des\nVerfahrens durch Beschluss vom 16.05.2006 abgelehnt. Daraufhin hat das\nAmtsgericht Pinneberg die Sache dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht\nin Schleswig zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.\n\n2\n\n \n\nDie Vorlage ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO im Rahmen eines negativen\nKompetenzkonfliktes zulässig. Zum zuständigen Gericht war das Amtsgericht\nDarmstadt zu bestimmen.\n\n3\n\n \n\nAn sich war das Amtsgericht Pinneberg auf Grund der Gerichtsstandsvereinbarung\nnach Nr. 18 AGB örtlich zuständig. Diese Klausel ist entgegen seiner Meinung\nnicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Der Senat folgt der\nnahezu einhellig in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung,\nwonach Gerichtsstandsklauseln in AGB zwischen Kaufleuten grundsätzlich wirksam\nsind (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 307 Rn. 107 m.w.Nw.). Die\nBegründung der abweichenden Meinung - soweit ersichtlich, wurde diese vor\netlichen Jahren lediglich vom Landgericht Karlsruhe vornehmlich in zwei\nEntscheidungen vertreten (JZ 1989, 690 und NJW 1996, 1417) - vermag nicht zu\nüberzeugen. Sie ist bereits mehrmals zutreffend im einzelnen widerlegt worden\n(vgl. zum Beispiel Wolf in der Anmerkung zum erstgenannten Urteil a.a.O. S.\n695 und Fischer MDR 2000, 682, 683 unter Hinweis auf Ulmer/Brandner/Hensen,\nAGBG, 8. Aufl., Anh. §§ 9 bis 11 Rn. 402). Sie schränkt die grundsätzlich nach\n§ 38 ZPO und Art. 17 EuGVVO gesetzlich eröffnete und praktisch übliche Wahl\ndes Gerichtsstandes übermäßig ein, dramatisiert die „Last der\nAuswärtsprozessführung“ für Vollkaufleute und bedient sich bei der\nInhaltskontrolle des in diesem Zusammenhang nicht statthaften Arguments, dass\nes im Allgemeininteresse liege, den mit der Einbeziehungsfrage verbunden\ngerichtlichen Prüfungsaufwand zu vermeiden. Ein Schutzbedürfnis für den\nVertragspartner entfällt auch deshalb, weil er als Kaufmann selbst AGB mit\nAbwehr - und Ausschließlichkeitsklauseln aufstellen kann. Hieran ändert auch\nnichts der Umstand, dass vorliegend Gerichtsstand der (jeweilige) Sitz des\nVerlages der Klägerin sein soll. Weshalb er an seinem früheren Sitz klagen\nsoll, zu dem keine Beziehung mehr besteht, ist nicht einzusehen, desgleichen\nnicht, weshalb die Wahrnehmung seiner Rechte durch den Vertragspartner, der\nsich ohnehin mit der Abbedingung des gesetzlichen Gerichtsstandes\neinverstanden erklärt hat, hierdurch unzumutbar beschränkt wird. Mit dem\nEingang der Akten beim Amtsgericht Pinneberg war die Wahl dieses\nGerichtsstandes grundsätzlich auch bindend geworden.\n\n4\n\n \n\nAllerdings sind im Bestimmungsverfahren die Bindungswirkungen von\nVerweisungsbeschlüssen nach § 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zu beachten. Das\nAmtsgericht Pinneberg hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 20.04.2006 an\ndas Amtsgericht Darmstadt verwiesen. Dieser Beschluss ist bindend, weil er\nnicht willkürlich ist und auch den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs\ngewahrt hat. Zwar sind die genannten vereinzelt gebliebenen Entscheidungen des\nLG Karlsruhe jeweils durch das Berufungsgericht geändert (vgl. zuletzt OLG\nKarlsruhe NJW 1996, 2041) und in der durchaus ernst zu nehmenden Kritik als\n„abwegig“ (Fischer a.a.O.) bzw. als ein „an Don Quijote erinnernder Kampf\ngegen Gerichtsstandsklauseln im kaufmännischen Verkehr“ (Heinrichs NJW 1997,\n1407, 1412 Fn. 141) bezeichnet worden, und hat sich Fischer deshalb dafür\nausgesprochen, eine auf diese Auffassung gestützte Verweisung als willkürlich\nanzusehen. Andererseits vertritt der Bundesgerichtshof die Auffassung, dass\nwegen der im deutschen Recht fehlenden Präjudizienbindung ein\nVerweisungsbeschluss nicht schon deshalb willkürlich sei, weil er von einer\nfast einhelligen Rechtsauffassung abweiche (NJW-RR 2002, 1498; NJW 2003,\n3201). Das Amtsgericht hat seine abweichende Auffassung auch näher begründet.\nDer Senat hält es nicht für sinnvoll, entsprechend seiner früheren Auffassung\n(vgl. MDR 2000, 1453) von der Auffassung des Bundesgerichts abzuweichen.\n\n \n\n
108,910
ovgsh-2006-04-26-2-lb-4005
1,066
Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
ovgsh
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 LB 40/05
2006-04-26
2018-11-26 04:30:20
2019-02-14 08:42:45
Urteil
ECLI:DE:OVGSH:2006:0426.2LB40.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen\nVerwaltungsgerichts - 14. Kammer - vom 09. November 2004 geändert.\n\n \n\nDie Bescheide der Beklagten vom 08.07.2002 und der Widerspruchsbescheid vom\n26.08.2002 werden aufgehoben.\n\n \n\nDie Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten\nabwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n\nDer Streitwert wird gemäß § 13 Abs. 2 GKG a.F. auf 885,30 Euro festgesetzt.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zur Fremdenverkehrsabgabe für\ndas Jahr 2002.\n\n2\n\n \n\nDie Beklagte ist ein anerkannter Kurort (Nordseeheilbad) und erhebt auf der\nGrundlage der Fremdenverkehrsabgabensatzung vom 17. Dezember 1999 (FAS)\nFremdenverkehrsabgaben als Gegenleistung für besondere Vorteile aus der\ngemeindlichen Fremdenverkehrsförderung. Abgabepflichtig sind natürliche und\njuristische Personen sowie nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, die\nselbständig fremdenverkehrsbezogene entgeltliche Leistungen anbieten (§ 2\nFAS). Der den Pflichtigen aus der Fremdenverkehrsförderung erwachsende\ngeldwerte Vorteil errechnet sich aus dem fremdenverkehrsbedingten Teil der\numsatzsteuerbereinigten jährlichen Einnahme des Pflichtigen, multipliziert mit\ndem durchschnittlichen Mindestgewinnanteil an den Einnahmen. Maßgeblich für\ndie Ermittlung der jährlichen Einnahmen sind die Einnahmen des Vorjahres (§ 4\nAbs. 1 und 4 FAS).\n\n3\n\n \n\nDie Kläger vermieten im Gebiet der Beklagten Ferienwohnungen. Für das Vorjahr\n2001 hatte der Kläger zu 1) für die Wohnung Nr. 1 einen Umsatz von 17.322,57\nEuro, der Kläger zu 2) für die Wohnung Nr. 2 einen Umsatz von 15.338,17 DM und\nder Kläger zu 3) für die Wohnung Nr. 4 einen Umsatz von 18.382,-- DM und für\ndie Wohnung Nr. 8 einen Umsatz von 12.711,-- DM angegeben. Die Beklagte zog\ndie Kläger mit Bescheiden vom 08. Juli 2002 zur Fremdenverkehrsabgabe für das\nErhebungsjahr 2002 heran, wobei sie einen Vorteilssatz von 100 %, einen\nMindestgewinnanteil von 28 % und einen Abgabensatz von 7,7 % zugrunde legte.\nDer Kläger zu 1) wurde zu einer Fremdenverkehrsabgabe in Höhe von 373,47 Euro,\nder Kläger zu 2) zu einer Fremdenverkehrsabgabe in Höhe von 169,08 Euro und\nder Kläger zu 3) für die Wohnung Nr. 4 zu einer Fremdenverkehrsabgabe in einer\nHöhe von 202,63 Euro sowie für die Wohnung Nr. 8 zu einer\nFremdenverkehrsabgabe in Höhe von 140,12 Euro herangezogen.\n\n4\n\n \n\nDer von den Klägern am 29. Juli 2002 eingelegte Widerspruch wurde durch\nWiderspruchsbescheid vom 26. August 2002 zurückgewiesen.\n\n5\n\n \n\nDie Kläger haben am 25. September 2002 Klage vor dem Verwaltungsgericht\nerhoben.\n\n6\n\n \n\nDie Kläger haben vorgetragen, dass die Beklagte das Kostendeckungsprinzip\nnicht beachtet habe, weil sie weder das Aufkommen aus der\nFremdenverkehrsabgabe noch die mit ihr zu deckenden Kosten in der\nentsprechenden Vorperiode korrekt ermittelt habe.\n\n7\n\n \n\nDie Kläger haben beantragt,\n\n8\n\n \n\ndie Bescheide der Beklagten über die Festsetzung von Fremdenverkehrsabgaben\n2002 vom 08. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.\nAugust 2002 aufzuheben.\n\n9\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n10\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n11\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 09. November 2004\nabgewiesen. Weder das Satzungsrecht noch die Anwendung des Satzungsrechtes\nbegegne rechtlichen Bedenken.\n\n12\n\n \n\nDie Kläger haben am 27. Dezember 2004 einen Antrag auf Zulassung der Berufung\ngestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 05. Juli 2005 entsprochen hat.\n\n13\n\n \n\nDie Kläger tragen vor, die Satzungsbestimmungen zur Bemessungsgrundlage seien\nfehlerhaft angewandt worden. Es würden nicht die umsatzsteuerbereinigten\nEinnahmen zugrunde gelegt, sondern es werde darauf abgestellt, ob die\nUmsatzsteuer bereits gezahlt worden sei. Zudem würden von den Bruttoeinnahmen\nkeinerlei weitere Kosten in Abzug gebracht. Dies führe z.B. dazu, dass die vom\nFeriengast gezahlte Vermittlungsprovision doppelt mit der\nFremdenverkehrsabgabe belegt werde.\n\n14\n\n \n\nDer auf die Betriebsart der Kläger anzuwendende Gewinnsatz sei zu hoch\nangesetzt. Es sei realitätsfremd, davon auszugehen, dass mit einer\nFerienwohnung im Gebiet der Beklagten bei Mieteinnahmen von 50.000,-- Euro ein\nGewinn von 28 % = 14.000,-- Euro erzielt werden könne. Es sei festzustellen,\ndass die Betriebsartentabelle eine Vielzahl bizarrer Vorstellungen über die\nGewinnentwicklung in gewerblichen Unternehmen aufweise. Sowohl die\nVorteilssätze wie auch die Abgabensätze seien rechtsfehlerhaft angesetzt.\n\n15\n\n \n\nKonstruktion und Erhebung der Fremdenverkehrsabgabe seien so gestaltet, dass\ndurch die Abgabe die teilweise Deckung des allgemeinen Haushalts der Beklagten\nermöglicht werde, obwohl die Abgabe nur zur Deckung eines prozentual genau\nfestgelegten Teils der Kosten der Fremdenverkehrsförderung dienen solle. Die\nFremdenverkehrsförderung der Beklagten erfolge zu einem wesentlichen Teil\ndurch die Tourismus GmbH Nordseeheilbad ..., deren Anteile von der Beklagten\nund der ... Dampfschiff-Reederei gehalten würden. Die GmbH erhalte nach dem\nmit ihr geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag hierfür ein Entgelt, das\ninsbesondere aus den vereinnahmten Kur- und Fremdenverkehrsabgaben bestehe.\nDeshalb werde die GmbH von der Beklagten als „Kostenträger“ behandelt mit der\nFolge, dass die Kosten der GmbH unmittelbar in die Kalkulation der Abgabe\neingestellt würden. Dies sei angesichts der gewandelten Rechtsprechung des OVG\nLüneburg rechtlich bedenklich. Zudem sei nicht gesichert, ob die Aufträge der\nTourismus GmbH betriebsbedingt und betriebsnotwendig seien. Bei der\nAbgabenkalkulation würden nur die Aufwendungen, nicht jedoch auch die\nerzielten Einnahmen berücksichtigt. Die Tourismus GmbH vermittele Feriengäste\nnicht nur für Vermieter im Bereich der Stadt ..., sondern auch für Vermieter\nin ..., den Halligen und .... Trotz dessen werde der gesamte hierbei\nentstehende Aufwand in die Kalkulation der Fremdenverkehrsabgabe eingestellt.\n\n16\n\n \n\nDie Kläger beantragen,\n\n17\n\n \n\ndas Urteil des Verwaltungsgerichts vom 09. November 2004 zu ändern und die\nBescheide vom 08. Juli 2002 und vom 26. August 2002 aufzuheben.\n\n18\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n19\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n20\n\n \n\nSie tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen. Insbesondere sei es rechtlich\nunbedenklich, in der Beitragskalkulation den Aufwand der Tourismus GmbH\nNordseeheilbad ... zu berücksichtigen. Der Vorwurf, bei der Kalkulation sei\nnur der Aufwand berücksichtigt worden, nicht aber die Einnahmen aus den\nEinrichtungen, sei unzutreffend. Die Kläger unterschieden nicht zwischen der\nAufwandkalkulation und der Deckungskalkulation.\n\n21\n\n \n\nDie Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und\nEntscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung\ngemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags\nder Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die\nwechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug\ngenommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n22\n\n \n\nDie Berufung der Kläger ist zulässig und auch begründet. Die angefochtenen\nBescheide vom 08. Juli 2002 und der Widerspruchsbescheid vom 26. August 2002\nsind rechtswidrig. Sie sind deshalb unter Änderung des angefochtenen Urteils\naufzuheben.\n\n23\n\n \n\nAllerdings hat die Beklagte entgegen der Auffassung der Kläger ihr\nSatzungswerk in rechtlich nicht zu beanstandener Weise angewandt. Dass der\nSatzungstext in § 4 Abs. 1 FAS von den „umsatzsteuerbereinigten jährlichen\nEinnahmen“ spricht, der Erklärungsvordruck für die Fremdenverkehrsabgabe\nhingegen von „Bruttoeinnahmen abzüglich Umsatz- oder Mehrwertsteuer, soweit\ndiese gezahlt wird“, mag auf den ersten Blick irritieren und hinsichtlich des\nErklärungsvordrucks auch unglücklich formuliert sein. Bei einer dem\nmaßgeblichen Satzungswortlaut konformen Auslegung ist ein Auseinanderfallen\nder Erklärungsinhalte jedoch nicht festzustellen. Mit beiden Formulierungen\nwird angesprochen, dass die Bruttoeinnahmen im Falle der Umsatzsteuerpflicht\num den Betrag der Umsatzsteuer zu mindern sind. Ungleichbehandlungen je nach\ndem Vorliegen einer Vorsteuerpflicht haben ihre Ursache in den Zufälligkeiten\nder persönlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen und sind unter dem\nGesichtspunkt der Praktikabilität der Abgabenerhebung hinzunehmen.\nVergleichbares gilt für die angebliche Doppelbelastung von\nVermittlungsprovisionen, einerseits bei dem Wohnungsvermieter, andererseits\nbei dem Vermittler.\n\n24\n\n \n\nDie von den Klägern erhobene Berufung ist jedoch begründet, weil der in § 5\nSatz 2 der FAS festgesetzte Abgabesatz auf einer rechtsfehlerhaften\nKalkulation beruht, deshalb unwirksam ist und für die Heranziehung der Kläger\nsomit keine wirksame satzungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage besteht. Die\nBeklagte hat nämlich die Aufwendungen der Tourismus GmbH Nordseeheilbad ... zu\nUnrecht in die Berechnung eingestellt.\n\n25\n\n \n\nDie Frage, welche Kosten eine Gemeinde in die Kalkulation ihrer\nFremdenverkehrsabgabe (oder Kurabgabe) einstellen darf, wenn sie sich im\nZusammenhang mit der Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und\nErholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen und zur\nFremdenverkehrswerbung einer in privatrechtlicher Form organisierten\nGesellschaftsform, etwa wie hier einer GmbH bedient, ist in der Rechtsprechung\nder Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet worden. Dabei ist davon\nauszugehen, dass berücksichtigungsfähig nur diejenigen Aufwendungen und Kosten\nsind, die der Gemeinde im Rahmen der Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung\nihrer öffentlichen Einrichtungen selbst entstehen (so auch noch OVG Lüneburg,\nUrt. v. 13.11.1990 - 9 K 11/89 -, NVwZ-RR 1992, 40; im Anschluss daran der\nSenat als obiter dictum in seinem Urteil v. 24.08.2000 - 2 L 226/98 -,\ninsoweit in NordÖR 2001, 221 nicht abgedruckt). Unternehmen privatrechtlicher\nForm sind - von den Fällen der Beleihung abgesehen - nicht befugt, öffentlich-\nrechtliche Abgaben zu erheben (vgl. Senatsurteil v. 15.03.2006 - 2 LB 9/05 -).\nDie Tourismus GmbH Nordseeheilbad ... wäre somit zur Abgabenerhebung nicht\nbefugt.\n\n26\n\n \n\nBedient sich eine Gemeinde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der Rechtsformen\ndes Privatrechts, so ist sie an dieser Entscheidung festzuhalten. Sie kann\nnicht einerseits die Vorteile der privatrechtlichen Ausgestaltung für sich in\nAnspruch nehmen, andererseits aber zugleich als öffentliche Hand die Verluste\nder privatrechtlichen Gesellschaft durch Erhebung von öffentlich-rechtlichen\nEntgelten abdecken, die Privatunternehmen ohne Beteiligung der öffentlichen\nHand nicht zu tragen hätten (OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.1990 - 9 K 11/89 -,\na.a.O.).\n\n27\n\n \n\nDie Tourismus GmbH Nordseeheilbad ... hat als juristische Person des privaten\nRechts eine eigene Rechtspersönlichkeit. Der von ihr betriebene Aufwand ist\ndeshalb nicht - gleichzeitig - Aufwand der zur Abgabenerhebung berechtigten\nGemeinde (so auch OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.1990 - 9 K 11/89 -, a.a.O.). Aus\nder in § 102 Abs. 1 GO angesprochenen Befugnis, privatrechtliche\nGesellschaften zu gründen oder sich an ihnen zu beteiligen, kann nicht\ngeschlossen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers deren Aufwand als\nAufwand der Gemeinde angesehen werden soll.\n\n28\n\n \n\nAuch aus dem bei der Kalkulation vorliegenden Vertragswerk ergibt sich nicht,\ndass der Aufwand der Tourismus GmbH Nordseeheilbad ... durch eine übernommene\nVerpflichtung zu einem Aufwand der Beklagten geworden wäre. Bei der Erstellung\nder Kalkulation bestand keine wirksame Vergütungsvereinbarung. Diese ist erst\nspäter im Geschäftsbesorgungsvertrag mit Rückwirkung geschlossen worden und\nauch dies nur im Grundsatz. Eine bestimmte Aufwandshöhe wurde jedoch auch\nhierbei nicht festgelegt.\n\n29\n\n \n\nEine betragsmäßig nicht bestimmte Verlustabdeckung wäre aus abgabenrechtlicher\nSicht überdies kein berücksichtigungsfähiger Aufwand der Gemeinde. Sie ist\nnicht identisch und auch nicht kongruent mit den in § 10 Abs. 1 Nrn. 2 und 1\nKAG angesprochenen Aufwendungen und Kosten. Sie entstehen der Gemeinde nicht\nin ihrer Eigenschaft als Trägerin dieser Einrichtungen, sondern allein\ndeshalb, weil die Gemeinde dies als Gesellschafterin aufgrund der\ngesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen zu leisten hat. (OVG Lüneburg, Urt. v.\n13.11.1990 - 9 K 11/89 -, a.a.O.).\n\n30\n\n \n\nDer Abwendung des OVG Lüneburg von dieser selbst entwickelten Rechtsprechung\nvermag der Senat nicht zu folgen. Dass die öffentliche Fremdenverkehrswerbung\nund der Betrieb der öffentlichen Fremdenverkehrseinrichtungen auch dann eine\nAufgabe der Gemeinde bleibt, wenn sie sich hierfür einer GmbH bedient (OVG\nLüneburg, Urt. v. 26.02.2002 - 9 K 2694/99 -, ZKF 2002, 205), spielt in\nabgabenrechtlicher Hinsicht keine Rolle (vgl. Senatsurteil v. 27.01.2003 - 2\nLB 287/02 -, NordÖR 2003, 420). Zur Erhebung der Abgabe berechtigt bleibt\nallein die Gemeinde. Allein ihr Aufwand und ihre Kosten sind\nberücksichtigungsfähig; ein Aufwand der GmbH müsste als Fremdleistungskosten\nvermittelt werden.\n\n31\n\n \n\nDies kann entgegen der gewandelten Rechtsprechung des OVG Lüneburg (vgl.\nhierzu die Darstellung im Urt. v. 26.02.2002 - 9 K 2694/99 -, a.a.O.) nicht\ndadurch geschehen, dass die von der GmbH übernommenen Kosten rechnerisch auf\ndiejenigen Kosten bereinigt werden, die dem Bereich der Herstellung,\nVerwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten\nöffentlichen Einrichtungen und der Fremdenverkehrswerbung zugeordnet werden\nkönnen. Allein durch eine solche rechnerische Zuordnung werden der Aufwand und\ndie Kosten der rechtlich selbständigen GmbH noch nicht Aufwand und Kosten der\nrechtlich davon zu unterscheidenden Gemeinde.\n\n32\n\n \n\nRechtlich unergiebig ist auch der Hinweis darauf, dass die Gemeinde nach den\ngemeindewirtschaftlichen Bestimmungen etwa der §§ 101 ff GO berechtigt ist,\nsich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der privatrechtlichen Betätigungsformen\nzu bedienen. Aus der Befugnis hierzu kann noch nicht darauf geschlossen\nwerden, dass die sich bei einer solchen Betätigung ergebenden\nbetriebswirtschaftlichen Kosten in die entsprechende Kalkulation der von der\nGemeinde erhobenen Abgaben einbezogen werden dürfen. Dies bedürfte vielmehr\neiner ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, deren Existenz nicht ersichtlich\nist.\n\n33\n\n \n\nUnbeachtlich ist in diesem Zusammenhang auch, welches Maß des Einflusses die\nGemeinde auf das Geschäftsgebaren der GmbH hat. Mehrheitsverhältnisse in der\nGesellschafterversammlung und Abreden über die Beteiligung an den zu\ntreffenden Entscheidungen können nicht überspielen, dass Gemeinde und GmbH\njeweils selbständige juristische Personen sind. Leistungen der GmbH können in\ndie Abgabenkalkulation deshalb nur dann Eingang finden, wenn die Entgelte\ndafür der Gemeinde in Rechnung gestellt werden und dann als\nFremdleistungskosten (vgl. zum Gebührenrecht Thiem/Böttcher, Rdnr. 209 ff zu §\n6 KAG) Berücksichtigung finden.\n\n34\n\n \n\nDiese Betrachtungsweise steht im Einklang mit den allgemeinen\nabgabenrechtlichen Überlegungen. Die zur Abgabenerhebung berechtigte\nKörperschaft hat bei der Festsetzung der Abgabensätze die Grundsätze des\nmateriellen Haushaltsrechts, insbesondere die der Sparsamkeit und\nWirtschaftlichkeit zu beachten (so zum Gebührenrecht: Senatsurt. v. 24.06.1998\n- 2 L 113/97 -, Die Gemeinde 1998, 304 = KStZ 1999, 135 = NordÖR 1998, 314 =\nSchlHA 1998, 264 = ZKF 1999, 273). Nur die zur Leistungserbringung\nerforderlichen Aufwendungen sind abgabefähig, nicht dagegen überflüssige oder\nübermäßige. Wollte man nicht das Entgelt für die jeweils erbrachte\nFremdleistung, sondern die Höhe des von der GmbH erwirtschafteten Verlustes in\ndie Abgabenkalkulation einstellen, so entfiele die Möglichkeit, die\nFremdleistungskosten in jedem jeweiligen Fall der Beauftragung und\nLeistungserbringung auf ihre Erforderlichkeit hin zu bewerten (vgl. hierzu\nSenatsurt. v. 24.06.1998 - 2 L 113/97 -, a.a.O.).\n\n35\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur\nvorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711\nVwGO.\n\n36\n\n \n\nGründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.\n\n \n\n
109,717
olgrost-2007-05-02-2-u-5403
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
2 U 54/03
2007-05-02
2018-11-26 09:54:06
2019-02-11 10:18:14
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Klagerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des\nLandgerichts Schwerin vom 03.07.2003 - Az.: 4 O 82/03 - teilweise geandert und\nwie folgt gefasst:\n\n \n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin € 81.304,04 nebst Zinsen in Hohe\nvon funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2005 zu zahlen.\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\nDie weitergehende Berufung der Klagerin und die Anschlussberufung der\nBeklagten werden zuruckgewiesen.\n\n \n\nDie Kosten des Rechtsstreits haben die Klagerin zu 65 % und die Beklagte zu 35\n% zu tragen.\n\n \n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n\nDie Klagerin und die Beklagte durfen die Vollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Hohe des auf Grund des Urteils gegen sie\nvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor\nder Vollstreckung Sicherheit in Hohe des jeweils zu vollstreckenden Betrages\nleistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**A.**\n\n1\n\n \n\nDie Klagerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Architektenhonorar.\n\n2\n\n \n\nDie Parteien vereinbarten mit Vertrag vom 17.12.1997/12.02.1998\nGrundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 5 nach § 15 HOAI fur das Vorhaben\n"Neubau Quartierbebauung B-Plan Gebiet Nr. 04 in M. ohne Rathausplatzbereich"\nauf den Flurstucken Nr. 123 bis 136 (Sudquartier) und Nr. 66 bis 80\n(Nordquartier). Dem vorformulierten und von der Klagerin verwendeten\nVertragstext waren die Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Architektenvertrag\n(AVA) beigefugt.\n\n3\n\n \n\nIn der handschriftlich eingefugten Ziffer 13. des Vertrages verabredeten die\nParteien:\n\n4\n\n \n\n_"Die Leistungsphasen 2.1.1 und 2.1.2 werden bereits bearbeitet; Auftrag ist\ninsoweit erteilt. F ur die weiteren Leistungsphasen 2.1.3 bis 2.1.5 wird\njeweils gesondert Auftrag erteilt."_\n\n5\n\n \n\nUnter Ziffer 8.3 der AVA heißt es hinsichtlich der Kundigungsfolgen:\n\n6\n\n \n\n_"In allen ubrigen Fallen erhalt der AN das volle Honorar fur die bis zur\nKundigung erbrachten Leistungen; fur die infolge der Kundigung entfallenden\nLeistungen erhalt der AN das volle Honorar abzuglich ersparter Aufwendungen,\ndie mit 40% fur die vom AN noch nicht erbrachten Leistungen vereinbart werden.\nAG bleibt die Moglichkeit zum Nachweis hoherer Einsparungen offen."_\n\n7\n\n \n\nAls sich ein Vorhaben hinsichtlich eines Ärztehauses konkretisiert hatte, bat\ndie Klagerin die Beklagte mit Schreiben vom 08.10.1998, die Beauftragung bis\nzur Leistungsphase 4 zu bestatigten, da schnellstens der Bauantrag fur das\nerste Haus gestellt werden solle. Die Beklagte sandte dieses Schreiben mit\neinem Bestatigungsvermerk zuruck.\n\n8\n\n \n\nMit Schreiben vom 22.10.1999 erklarte die Beklagte gegenuber dem Burgermeister\nder Stadt M., sie stelle ihre Bemuhungen um eine Bebauung der Flache wegen\nVertrauensverlustes ein. Nachdem die Klagerin davon erfahren hatte, erkundigte\nsie sich mit Schreiben vom 16.11.1999 und vom 21.12.1999 bei der Beklagten\nunter Hinweis auf die Einstellung der Projektentwicklung nach dem Sachstand.\nEine konkrete Antwort erhielt sie nicht.\n\n9\n\n \n\nDie Klagerin rechnete erbrachte und nicht erbrachte Leistungen der\nLeistungsphasen 1 bis 4 fur das gesamte Sud- und Nordquartier ab und verlangte\nerstinstanzlich aus der (zweiten) Schlussrechnung vom 04.04.2002 ein Honorar\nvon € 234.522,52 nebst Zinsen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen\nSach- und Streitstandes wird gemaß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die\ntatsachlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.\n\n10\n\n \n\nDas Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von € 12.930,39 nebst Zinsen\nverurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begrundung hat es im\nWesentlichen ausgefuhrt, der Klagerin stehe Vergutung nur fur die erbrachten\nLeistungsphasen 1 und 2 bezuglich des Eck- und Mittelhauses (Haus 1 und 2) am\nMarkt zu. Die Leistungsphasen 1 und 2 seien nicht fur das gesamte nordliche\nund sudliche Quartier beauftragt worden. Angesichts der Vereinbarung vom\n08.10.1998 konne die Klagerin zwar grundsatzlich auch Honorar fur die nicht\nerbrachten Leistungen der Phasen 3 und 4 hinsichtlich des Ärztehauses\nverlangen. Der anderweitige Erwerb, den sich die Klagerin anrechnen lassen\nmusse, ubersteige indes diese Vergutung. Im Einzelnen wird auf die\nEntscheidungsgrunde des angefochtenen Urteils verwiesen.\n\n11\n\n \n\nDagegen wendet sich die Klagerin mit der Berufung, mit der sie zunachst die\nZahlung weiterer € 221.592,13 begehrt hat.\n\n12\n\n \n\nNachdem die Klagerin zwischenzeitlich weitere Rechnungen vom 14./15.10.2004\nund vom 22.02.2005 gelegt hatte, verlangt sie nunmehr restliches Honorar fur\nerbrachte und nicht erbrachte Leistungen aus der uberarbeiteten\nSchlussrechnung vom 09.05.2005. Sie ist nun unter Hinweis auf die der letzten\nSchlussrechnung beigefugten Kostenschatzungen nach DIN 276/1981 fur die\neinzelnen Gebaude der Auffassung, ihr stehe Honorar in Hohe von € 152.421,89\n(Rechnung vom 09.05.2005) bzw. € 102.189,41 (unter Berucksichtigung des\nSachverstandigengutachtens) zu.\n\n13\n\n \n\nDie Klagerin ist der Ansicht, mit dem Architektenvertrag vom\n17.12.1997/12.02.1998 seien ihr die Leistungsphasen 1 und 2 fur das gesamte\nGebiet des B-Plans - mit Ausnahme des Rathausplatzbereichs - ubertragen\nworden. Die Leistungsphasen 3 und 4 seien gesondert zumindest fur das\nÄrztehaus (Hauser 1 und 2) vereinbart worden. Sie habe die Leistungsphasen 1\nund 2 fur die Hauser 1 und 2 voll erbracht. Dies gelte auch fur die\nLeistungsphase 1 hinsichtlich der ubrigen Hauser des Sudquartiers (Hauser 3 -\n7). Soweit die Sachverstandige Dr. E. in ihrem Gutachten weitere\nTeilleistungen als erbracht festgestellt habe, mache sie sich den Inhalt des\nGutachtens zu Eigen.\n\n14\n\n \n\nAuf die Erstellung von Kostenschatzungen nach DIN 276 im Rahmen der\nLeistungsphase 2 habe die Beklagte ausdrucklich verzichtet.\n\n15\n\n \n\nDie Beklagte habe durch ihr Verhalten Ende 1999 den Vertrag konkludent\ngekundigt. Ihr stehe daher auch Honorar fur nicht erbrachte Leistungen\nabzuglich ersparter Aufwendungen zu, die pauschal mit 40% vereinbart worden\nseien. Sie habe sich aus Kulanz indes den Gewinn aus anderen vier Auftragen in\nHohe von DM 65.030,70 anrechnen lassen wollen, auch wenn es sich dabei nicht\num echte Fullauftrage gehandelt habe. Diese Auftrage hatten ihre vier\nMitarbeiter zeitgleich zum Auftrag der Beklagten, den sie - die Klagerin -\nallein ausgefuhrt habe, bearbeitet. Nach der Kundigung habe sie ihre\nMitarbeiter bei den anderen Bauvorhaben unterstutzt. Um zusatzliche\nArchitektenauftrage habe sie sich bis zum 13.04.2000 vergeblich bemuht. Weiter\nanzurechnen seien ersparte Sachkosten von 3% und ersparte Personalkosten von\nDM 10.640,-. Jedenfalls stehe ihr fur nicht erbrachte Leistungen eine\nVergutung von 60% zu.\n\n16\n\n \n\nDie Leistungen der Leistungsphasen 1 und 2 fur die Quartierbebauung und der\nLeistungenphasen 3 und 4 fur das Ärztehaus, die sie bis zur Freistellung von\nder weiteren Auftragserledigung im Telefonat vom 03.12.1999 durch die Beklagte\nnoch nicht ausgefuhrt habe, hatte sie spatestens bis zum 13.04.2000\nabschließen konnen.\n\n17\n\n \n\nUnter Klagerucknahme im Übrigen beantragt die Klagerin nunmehr,\n\n18\n\n \n\ndas angefochtene Urteil zu andern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere\n€ 102.189,41 nebst 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz ab dem 25.02.2005\nzu zahlen,\n\n19\n\n \n\nsowie,\n\n20\n\n \n\ndie Anschlussberufung zuruckzuweisen.\n\n21\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n22\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen,\n\n23\n\n \n\nsowie im Wege der Anschlussberufung,\n\n24\n\n \n\ndas angefochtene Urteil zu andern und die Klage insgesamt abzuweisen.\n\n25\n\n \n\nDie Beklagte ist der Auffassung, der Architektenvertrag sei auch hinsichtlich\nder Leistungsphasen 1 und 2 unter dem gemeinsamen Vorbehalt geschlossen\nworden, dass die Klagerin erst vergutungspflichtige Planungstatigkeit\nentfalten sollte, wenn die Beklagte fur Teilflachen Mietinteressenten gefunden\nhabe. Mit dem Vertrag seien nur die Planungsleistungen fest beauftragt worden,\ndie - wie in Ziffer 13. des Vertrages genannt - bereits in Arbeit gewesen\nseien. Die Klagerin sei daher lediglich mit Leistungen fur das Eck- und das\nMittelhaus am Markt (Hauser 1 und 2) beauftragt worden.\n\n26\n\n \n\nDie Leistungen, die die Klagerin vor Vertragsschluss, z.B. im Jahr 1996,\nerbracht habe, seien als kostenlose Akquisetatigkeit anzusehen, die sie im\nÜbrigen auch nicht fur die Beklagte, sondern fur die GbR erbracht habe, die\nsich seinerzeit bei der Stadt M. als Investor beworben habe. Nachdem die Stadt\nder Projektentwicklung durch die GbR zugestimmt habe, hatten die\nGesellschafter der GbR die Beklagte gegrundet, die mit Einverstandnis der\nStadt das Vorhaben weitergefuhrt habe.\n\n27\n\n \n\nDie Beklagte habe die Klagerin weder im Telefonat vom 03.12.1999 von weiteren\nLeistungen freigestellt noch sei in ihrem Schreiben vom 13.04.2000 konkludent\neine Kundigung des Vertrages zu sehen. Denn darin habe sie - die Beklagte -\nerklart, sei sei an einer vernunftigen Losung und einer weiteren\nZusammenarbeit interessiert. Der Architektenvertrag sei daher erst nach dem\n13.04.2000 beendet worden.\n\n28\n\n \n\nDie Schlussrechnungen der Klagerin seien nicht pruffahig. Die Aufteilung des\nB-Plan-Gebiets in 14 Gebaude und eine Tiefgarage finde keine Anknupfungspunkte\nin den Vereinbarungen der Parteien und sei daher willkurlich. Die von der\nKlagerin berucksichtigten anrechenbaren Kosten seien nicht nachvollziehbar\nermittelt und hinsichtlich der einzelnen Gebaude widerspruchlich. Daruber\nhinaus enthielten die der letzten Schlussrechnung nach der Kostenschatzung\nnach DIN 276/1981 vom 02.05.2005 zu Grunde gelegten anrechenbaren Kosten\nentgegen § 9 Abs. 2 HOAI die gesetzliche Umsatzsteuer.\n\n29\n\n \n\nDas Vorbringen der Klagerin zum anderweitigen Erwerb sei im Hinblick auf die\nvorherigen Schlussrechnungen widerspruchlich und insbesondere angesichts der\nZeitlaufte nicht plausibel. Daruber hinaus habe die Klagerin nicht dargelegt,\nwelchen anderweitigen Erwerb sie nach dem 13.04.2000 bis April 2002 erzielt\nhabe. Die Zeitspanne von zwei Jahren als Ausfuhrungszeitraum habe die Klagerin\nselbst genannt. Im Übrigen sei die Klagerin insoweit an ihre Schlussrechnung\nvom 04.04.2002 gebunden, in der sie sich anderweitigen Erwerb von DM\n251.452,70 habe anrechnen lassen.\n\n30\n\n \n\nErganzend wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n31\n\n \n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. S. und Ulf Z.\nsowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Sachverstandigen Dr.\nJutta E. und deren mundliche Anhorung. Wegen des Ergebnisses der\nBeweisaufnahme wird auf die Protokolle der mundlichen Verhandlungen vom\n03.11.2004 (Bl. 375 ff. d.A.) und vom 28.03.2007 (Bl. 688 ff. d.A.) sowie das\nschriftliche Sachverstandigengutachten vom 05.07.2006 verwiesen.\n\n \n\n**B.**\n\n32\n\n \n\nDie zulassige Berufung der Klagerin hat in der Sache zum Teil Erfolg. Die\nunselbststandige Anschlussberufung der Beklagten hat keinen Erfolg.\n\n33\n\n \n\nDie Klagerin hat insgesamt einen Anspruch auf Architektenhonorar in Hohe von €\n81.304,04 aus §§ 631, 649 BGB i.V.m. §§ 8 Abs. 1 HOAI.\n\n \n\nI.\n\n34\n\n \n\n1\\. Mit dem Architektenvertrag vom 17.12.1997/12.01.1998 hat die Beklagte die\nKlagerin verbindlich mit den Leistungsphasen 1 und 2 fur die gesamte Flache\ndes B-Plan-Gebiets Nr. 04 in Malchin - mit Ausnahme des Rathausplatzes -\nbeauftragt. Die Klagerin hatte damit Planungsleistungen der Phasen 1 und 2\nsowohl fur das nordliche als auch fur das sudliche Quartier zu erbringen. Das\nergibt sich aus dem Inhalt der Vertragsurkunde. Danach umfasste die zu\nbeplanende Flache samtliche Flurstucke des Sud- und des Nordquartiers. Eine\ngesonderte Auslosung der Leistungsphasen 1 und 2 fur das vom Planungsauftrag\nerfasste Gebiet, oder Teile davon, war nach Ziffer 13. des Vertrages nicht\nvereinbart. Vielmehr ist dieser Regelung zu entnehmen, dass die ersten beiden\nPhasen mit Vertragsschluss fest in Auftrag gegeben worden sind.\n\n35\n\n \n\nDie von der Beklagten behauptete mundliche Einschrankung des Auftrages\nhinsichtlich der Leistungsphasen 1 und 2 auf Flachen, fur die\nMietinteressenten gefunden waren, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des\nSenats bewiesen. Der Zeuge R. S. konnte eine solche Einschrankung mit\nhinreichender Sicherheit nur fur die Phasen 3 und 4 bestatigen. Insoweit hat\ndie Vereinbarung ihren Niederschlag in Ziffer 13. des Vertrages gefunden,\nindem uber die Leistungsphasen 1 und 2 hinausgehende Leistungen von einer\ngesonderten Beauftragung abhangig waren.\n\n36\n\n \n\nIm Übrigen hat der Zeuge S. lediglich bekundet, er gehe davon aus, dass auch\ndie Leistungsphasen 1 und 2 von dieser Abrede umfasst gewesen seien. Das\nSammeln von Informationen und das Erstellen erster Planungsuberlegungen seien\nallerdings Kenntnisse gewesen, die die Klagerin bereits durch die Erstellung\ndes B-Plans erlangt habe. Genaueres konne er dazu aber nicht mehr sagen.\nJedenfalls sei die Klagerin fur das sudliche Quartier auch hinsichtlich der\nubrigen Grundstucke mit Wissen und Wollen der Beklagten tatig geworden.\nInsgesamt habe die Beklagte aber beide Quartiere bebauen wollen, so wie es von\nder Stadt verlangt worden sei.\n\n37\n\n \n\nDies reicht nicht aus, um die von der Beklagten behauptete mundliche\nZusatzabrede zu belegen. Konkrete Vereinbarungen hinsichtlich der\nLeistungsphasen 1 und 2, die - anders als bezuglich der weiteren\nLeistungsphasen - nicht in Ziffer 13. des Vertrages formuliert sind, hat der\nZeuge S. nicht schildern konnen. Dass er von einer solchen Einschrankung des\nAuftrages ausgegangen ist, vermag eine hinreichende Abrede nicht zu ersetzen.\nFerner ist auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein Grund ersichtlich,\nweshalb die Einschrankung bezuglich der Leistungsphasen 3 bis 5 in den\nVertragstext aufgenommen worden ist, im Hinblick auf die Leistungsphasen 1 und\n2 hingegen nicht. Daruber hinaus ist den Bekundungen des Zeugen zu entnehmen,\ndass die Klagerin auch nach seiner Darstellung im Auftrag der Beklagten\nLeistungen fur weitere Flurstucke - zumindest des Sudquartiers - erbringen\nsollte und erbracht hat.\n\n38\n\n \n\n2\\. Durch die Erganzungsvereinbarung vom 08.10.1998 ist der Auftrag um die\nLeistungsphasen 3 und 4 fur das Ärztehaus - Mittelhaus am Markt (Haus 2) -\nerweitert worden.\n\n39\n\n \n\nEine weitergehende Auslosung der Leistungsphasen 3 und 4 fur das ubrige\nPlangebiet oder zumindest fur das Eckhaus (Haus 1) lasst sich den Erklarungen\nder Parteien indes nicht entnehmen. Mit Schreiben der Klagerin vom 08.10.1998\nhat die Klagerin um die Beauftragung bis Leistungsphase 4 gebeten, weil der\nBauantrag fur das erste Haus gestellt werden sollte. Dies war das Ärztehaus,\ndas nach dem seinerzeitigen Stand der Projektentwicklung als Mittelhaus am\nMarkt (Haus 2) vorgesehen war. Nach dem objektivierten Empfangerhorizont bezog\nsich die Bitte um Erteilung des zusatzlichen Auftrages lediglich auf dieses\nGebaude, denn nur fur dieses Haus sollte eine Genehmigungsplanung in Angriff\ngenommen werden. Aus diesem Grund bezieht sich die Annahmeerklarung des\nGeschaftsfuhrers der Beklagten nur auf das Haus 2, nicht aber auch auf das\nEckgebaude oder die gesamte Flache des B-Plans.\n\n \n\nII.\n\n40\n\n \n\nDie Beklagte hat den Vertrag durch schlussiges Handeln im Dezember 1999\ngekundigt.\n\n41\n\n \n\nEin Werkvertrag kann konkludent gekundigt werden, indem der Auftraggeber durch\nsein Verhalten den Wunsch nach Vertragsbeendigung eindeutig zum Ausdruck\nbringt. Eine Kundigung des Architektenvertrages ist im Einzelfall gegeben,\nwenn der Auftraggeber nach außen hin deutlich macht, dass er das Bauvorhaben\ninsgesamt nicht oder nicht mit dem Architekten fortsetzen will\n(Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., Einl., Rn. 132; Munchener\nKommentar/Busche, BGB, 4. Aufl., § 649, Rn. 9). Eine Kundigungserklarung liegt\ndeshalb z.B. vor, wenn der Auftraggeber nach Ankundigung die Arbeiten selbst\nausfuhrt und den Architekten nicht mehr hinzuzieht (BGH WM 1972, 1025), einen\nanderen Architekten beauftragt oder eine Alternativplanung verwirklicht (OLGR\nSaarbrucken 2005, 201). Dies gilt erst recht, wenn der Auftraggeber kund tut,\nvon dem Bauvorhaben generell und endgultig Abstand zu nehmen.\n\n42\n\n \n\nSo ist es hier. Mit Schreiben vom 22.10.1999 hat die Beklagte gegenuber dem\nBurgermeister der Stadt M. erklart, sie stelle ihre Bemuhungen hinsichtlich\nder Bebauung des B-Plan-Gebiets ein. Davon hat die Klagerin erfahren, wenn\nauch nicht von der Beklagten. Auf ihre mehrfachen Anfragen bei der Beklagten\nzum weiteren Vorgehen mit Schreiben vom 16.11.1999 und vom 21.12.1999 hat sich\ndiese nicht geaußert. Nach den eingereichten Telefonnotizen der Klagerin ist\nsie bei ihren telefonischen Nachfragen am 03.12.1999 und 03.02.2000 lediglich\ndurch die Beklagte damit vertrostet worden, sie werde zuruckgerufen. Dass die\nKlagerin im Telefongesprach am 03.12.1999 aufgefordert worden sei, ihre\nLeistungen einzustellen, ist dem entsprechenden Vermerk der Klagerin indes\nnicht zu entnehmen.\n\n43\n\n \n\nGleichwohl ist das gesamte Verhalten der Beklagten, das fur sie erkennbar auch\nder Klagerin zur Kenntnis gelangt ist, als konkludente Kundigung des\nArchitektenvertrages anzusehen. Insbesondere liegt nicht nur eine reine\nUntatigkeit der Beklagten vor, mit der Folge, dass das Vertragsverhaltnis\nmoglicherweise lediglich als unbeendet einzuordnen gewesen ware. Unstreitig\nhat die Beklagte im Oktober 1999 durch Erklarung gegenuber der Stadt Malchin\ndas gesamte Bauvorhaben nach außen hin aufgegeben. Spatestens durch das\nSchreiben der Klagerin vom 16.11.1999 war ihr deutlich, dass die Klagerin\nanderweitig von der Einstellung der Projektentwicklung wusste und sie aus\ndiesem Grund eine Information der Beklagten uber den Sachstand anforderte. Die\nmangelnde Reaktion auf dieses Schreiben kann nur dahin verstanden werden, dass\ndie Beklagte weitere Planungsleistungen der Klagerin zu dem aufgegebenen\nProjekt endgultig nicht mehr entgegen nehmen wollte.\n\n44\n\n \n\nEs kann daher offen bleiben, ob die Beklagte berechtigt war, den Vertrag mit\nSchreiben vom 30.04.2003 wahrend des Rechtstreits in der ersten Instanz wegen\nZerruttung des Vertrauensverhaltnisses aus wichtigem Grund zu kundigen. Zu\ndiesem Zeitpunkt war der Vertrag bereits beendet.\n\n \n\nIII.\n\n45\n\n \n\nDas Honorar der Klagerin ist gemaß § 8 Abs. 1 HOAI fallig. Insbesondere ist\ndie Schlussrechnung vom 09.05.2005 pruffahig.\n\n46\n\n \n\nDie Klagerin hat die (denkbaren) Gebaude auf dem Gebiet der B-Plans gemaß §§ 8\nAbs. 1, 22 Abs. 1 HOAI einzeln abgerechnet. Der Rechnung liegt gemaß § 10 Abs.\n2 Nr. 1 HOAI eine Kostenschatzung nach DIN 276/1981 vom 02.05.2005 zu Grunde.\nDies reicht aus, denn eine Kostenberechnung ist nicht erstellt worden.\n\n47\n\n \n\nDie Klagerin hat die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen hinsichtlich\nder einzelnen Gebaude getrennt dargestellt. Sie hat ferner angegeben, welche\nersparten Aufwendungen und welchen konkreten anderweitigen Erwerb sie sich fur\ndie Zeit nach der Vertragsbeendigung Anfang Dezember 1999 anrechnen lasst.\nDabei kommt es hier zunachst nicht darauf an, ob die Klagerin den\nanderweitigen Erwerb im Hinblick auf die fruheren Schlussrechnungen\nwiderspruchsfrei dargestellt hat. Dies ist eine Frage der Richtigkeit der\nRechnung.\n\n \n\nIV.\n\n48\n\n \n\nDie anrechenbaren Kosten sind auf der Grundlage der Kostenschatzungen nach DIN\n276/1981 vom 02.05.2005, die die Klagerin mit der letzten Schlussrechnung\nvorgelegt hat, abzuglich der Umsatzsteuer zu ermitteln.\n\n49\n\n \n\n1\\. Die von der Klagerin angegebenen anrechenbaren Kosten sind jeweils um die\nUmsatzsteuer von 16% zu bereinigen, die gemaß § 9 Abs. 2 HOAI im Rahmen der\nHonorarberechnung außer Betracht zu bleiben hat.\n\n50\n\n \n\nKostenermittlungen mussen nach DIN 276, Teil 1, Ziffer 1, die Umsatzsteuer\nenthalten. Die Klagerin hat nicht vorgetragen, dass das bei den von ihr\nvorgelegten Kostenschatzungen nach DIN 276/1981 vom 02.05.2005 nicht der Fall\nist. Dies ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Weil die Klagerin die in den\nKostenschatzungen angegebenen Betrage als anrechenbare Kosten in ihre\nHonorarrechnung ubernommen hat, liegen dieser daher auch die\nUmsatzsteueranteile zu Grunde. Das verstoßt gegen § 9 Abs. 2 HOAI; die\nUmsatzsteuer ist herauszurechnen.\n\n51\n\n \n\n2\\. Weitere konkrete Einwendungen hat die Beklagte gegen die letzten\nKostenschatzungen vom 02.05.2005 nicht erhoben. Soweit die Beklagte der\nfruheren - ahnlichen - Kostenschatzung nach DIN 276/1993 entgegen getreten\nist, bleibt ihr Vorbringen auch in Ansehung der letzten Kostenermittlung ohne\nErfolg.\n\n52\n\n \n\nGegen die fruhere Kostenermittlung hatte die Beklagte eingewendet, die\nAufteilung in 14 Baukorper und die Tiefgarage sei willkurlich und nicht\nnachvollziehbar. Keine Kalkulation lasse erkennen, auf welches Bauvolumen sie\nsich beziehe, so dass die Bezugsgroße fehle. Nicht nachvollziehbar sei, dass\nhinsichtlich des Eck- und Mittelhauses (Hauser 1 und 2) DM 2.000,-/m²\nangerechnet werde, wahrend fur die ubrigen Gebaude ein geringerer Betrag\nanfalle (z.B. Haus 3: DM 1.319,67/m²). Die Hauser 1 und 2 unterschieden sich\nnicht von der Nachbarbebauung, so dass eine zutreffende Kostenermittlung in\netwa gleiche Erstellungskosten hatte ergeben mussen. Dieses Vorbringen reicht\nnicht aus, um den anrechenbaren Kosten wirksam entgegen zu treten.\n\n53\n\n \n\nDie Aufteilung der Flache in 14 Baukorper und eine Tiefgarage durch die\nKlagerin ist nicht zu beanstanden. Der Auftrag bestand in der Ausgestaltung\ndes Bebauungsplanes, an dessen Festsetzungen sich die Klagerin unwidersprochen\ngehalten hat. Ist - wie hier - die Abrechnung gemaß § 22 Abs. 1 HOAI fur\neinzelne Gebaude erforderlich und sind die Leistungen der Phasen 1 und 2\njedoch uberwiegend, insbesondere fur das Nordquartier, noch nicht erbracht,\nmuss jede sinnvolle Aufteilung der Flachen in einzelne Gebaude ausreichen. Die\nZeichnung der Klagerin zur Aufteilung der Flachen (Anlage 1 zur\nSchlussrechnung vom 22.02.2005) ist in diesem Sinne plausibel.\n\n54\n\n \n\nDas jeweils zu Grunde gelegte Bauvolumen ergibt sich zwar nicht aus den\neinzelnen Kostenschatzungen. Es ist jedoch fur die Hauser 1 und 2 den\nvorgelegten Planungsunterlagen der Klagerin zu entnehmen. Fur die ubrigen\nBauwerke hat die Klagerin in den Schlussrechnungen die angenommene Grundflache\ngenannt. Nach ihrer Vorbemerkung ist sie zudem von einer 3-geschossigen\nBebauung ausgegangen. Das Bauvolumen kann daher unschwer ermittelt werden.\n\n55\n\n \n\nDie hoheren Kosten pro m² Geschossflache bei den Hausern 1 und 2 hat die\nKlagerin nachvollziehbar damit begrundet, dass bei diesen beiden Hausern wegen\nder fortgeschrittenen Planung Nettobauflachen zu Grunde gelegt werden konnten,\nwahrend im Übrigen lediglich Bruttobauflachen herangezogen werden konnten.\nDaruber hinaus ist die Differenz der Kosten nicht so hoch, wie von der\nBeklagten behauptet. Fur das Haus 1 ergibt sich bei einer Nettobauflache von\n687,12 m² und anrechenbaren Kosten von brutto DM 1.259.032,53 ein Betrag von\nDM 1.832,33/m². Fur Haus 2 errechnet sich bei einer Nettobauflache von 689 m²\nund anrechenbaren Kosten von brutto DM 1.161.657,17 ein Aufwand von DM\n1.686,-/m². Bei den ubrigen Gebauden lassen sich Bruttokosten pro m²\nbebaubarer Flache im Sudquartier von DM 1.3193,67 (Haus 3) bis DM 1.559,41\n(Haus 7) und im Nordquartier von DM 1.159,41 (Haus 8) bis DM 1.550,18 (Haus\n10) errechnen. Dabei ist zu berucksichtigen, dass im Nordquartier noch die\nKosten der darunter gelegenen Tiefgarage (DM 1.000,-/m²) anfallen. Diese\nPreisdifferenzen lassen sich - wie von der Klagerin dargelegt - plausibel\ndamit erklaren, dass bei einer Kostenschatzung auf der Grundlage der gesamten\nbebaubaren Flache die Herstellungskosten pro angenommenem Quadratmeter\ngeringer anzusetzen sind, als bei einer genaueren Berechnung an Hand einer\nfortgeschrittenen Planung.\n\n56\n\n \n\nEs kommt daher nicht auf den rechnerischen Quadratmeterpreis an, sondern\ndarauf, ob die Kostenansatze der Klagerin innerhalb der aufgegliederten\nKostenschatzungen fur die einzelnen Gebaude angemessen und zutreffend sind.\nDazu hat der Architekt nach den allgemeinen Grundsatzen der\nBeweislastverteilung zunachst die zu Grunde gelegten anrechenbaren Kosten\ndarzutun und zu substantiieren. Dem genugt die nunmehr vorgelegte\nKostenschatzung der Klagerin vom 02.05.2005. Eine weitere Aufgliederung und\nErlauterung der anrechenbaren Kosten ist erst dann erforderlich, wenn der\nBauherr die anrechenbaren Kosten mit einem konkreten Gegenvortrag in Frage\nstellt (BGH BauR 2002, 1421; BauR 1992, 278). Einzelnen Berechnungsgrundlagen\nist die Beklagte indes nicht mit einem widerstreitenden Vorbringen entgegen\ngetreten. Das pauschale Bestreiten der Beklagten reicht nicht aus.\n\n \n\nV.\n\n57\n\n \n\nFur erbrachte Leistungen hat die Klagerin einen Honoraranspruch in Hohe von €\n15.457,56 einschließlich Mehrwertsteuer.\n\n58\n\n \n\n1\\. Der Umfang der erbrachten Leistungen ergibt sich aus dem schriftlichen\nGutachten der Sachverstandigen Dr. J. E., das diese in der Verhandlung\nmundlich erlautert hat. Der Senat schließt sich den nachvollziehbaren und im\nErgebnis widerspruchsfreien Ausfuhrungen der Sachverstandigen im Wesentlichen\nan. Im Einzelnen:\n\n59\n\n \n\na) Die Leistungsphase 1 (gesamt = 3%) ist bereits nach dem schriftlichen\nGutachten nicht fur das gesamte Sudquartier (Haus 1 - 7) als erbracht\nanzusehen.\n\n60\n\n \n\nDaruber hinaus sind die Planungszeichnungen, die die Klagerin erst unter dem\n23.06.2000 und dem 18.01.2000 erstellt hat, nicht als vertragsgemaße\nLeistungserbringung zu betrachten. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen ist das\nVertragsverhaltnis durch das konkludente Verhalten der Beklagten zu diesem\nZeitpunkt bereits beendet gewesen. Leistungen, die nach dem\nKundigungszeitpunkt erfolgten, fehlt damit die vertragliche Grundlage. Nach\nden mundlichen Ausfuhrungen der Sachverstandigen betreffen diese Zeichnungen\ndie erste Teilleistung der Leistungsphase 1 fur die Hauser 1 bis 3. Durch\nEntfall der Teilarbeiten aus dem Jahr 2000 verringert sich nach der plausiblen\nEinschatzung der Sachverstandigen die Bewertung dieser Teilleistung jeweils um\n0,1 %.\n\n61\n\n \n\nAnders ist es hinsichtlich des Bewerbungskonzepts vom 29./30.10.1996, das die\nKlagerin vor dem Vertragsschluss mit der Beklagten erstellt hat. Diese -\nallerdings untergeordnete - Arbeit ist auch im Verhaltnis zur Beklagten als\nerbrachte Leistung anzusehen. Ursprunglich hatte sich die Planungs- und\nBautrager GbR, vertreten durch Herrn S., bei der Stadt M. um die\nProjektentwicklung fur das B-Plan-Gebiet beworben. Mit ihr hatte die Klagerin\nverabredet, dass in der Bewerbungsphase zwar keine Vergutung vorgenommen, sie\naber vergutungspflichtig in die Realisierung einbezogen werde, falls die Stadt\nder GbR das Projekt anvertraue. Als sich die Stadt fur die GbR entschieden\nhatte, hatten sich deren Gesellschafter hingegen zur Beklagten\nzusammengeschlossen, die das Projekt in der Folgezeit mit Einverstandnis der\nStadt weiter betrieb und - wie vorgesehen - der Klagerin die Planung ubertrug.\nDamit hat sich die Beklagte das zunachst in Rahmen der Akquise erstellte\nBewerbungskonzept zu Eigen gemacht, so dass diese in Vorleistung erbrachte\nArbeit der Klagerin angesichts des spateren Vertragsschlusses beim Umfang der\nerbrachten Leistungen zu berucksichtigen ist.\n\n62\n\n \n\nDie Sachverstandige hat nach ihren schriftlichen Ausfuhrungen und ihrer\nmundlichen Anhorung - unter Wegfall der im Jahr 2000 erstellten Zeichnungen -\ndie fur die Hauser 1 - 7 erbrachten Teilleistungen der Leistungsphase 1 unter\nHeranziehung einschlagiger Tabellen und ihrer Berufserfahrung wie folgt\nbewertet:\n\n \n\n63\n\n \n--- \n| % \nHaus 1 | 2,5 \nHaus 2 | 2,5 \nHaus 3 | 1,5 \nHaus 4 | 0,7 \nHaus 5 | 0,7 \nHaus 6 | 1,6 \nHaus 7 | 0,7 \n \n \n\n64\n\n \n\nb) Auch die Leistungsphase 2 (gesamt = 7%) ist bei den Hausern 1 und 2 nicht\nvollstandig erbracht. Nach dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, das sich\ndie Klagerin nun zu Eigen macht, sind indes auch Teilleistungen der Phase 2\nfur die Hauser 3 und 6 festzustellen.\n\n65\n\n \n\nDabei ist allerdings zu beachten, dass die von der Sachverstandigen mit 1,0%\nals erbracht gewertete Teilleistung \'Kostenschatzung nach DIN 276\' sowohl bei\nden Hausern des Sudquartiers als auch beim Nordquartier und bei der Tiefgarage\nnicht berucksichtigungsfahig ist. Unstreitig hat die Klagerin diesen\nTeilschritt erst nach Beendigung des Vertragsverhaltnisses zum Zweck der\nSchlussrechnung erstellt. Eine vertragsgemaße Leistung ist darin nicht zu\nsehen. Denn eine Kostenermittlung, die der Architekt erst nach\nVertragsbeendigung wegen Aufgabe des Bauvorhabens vorlegt, vermag ihren\nvertraglich vorgesehenen Zweck regelmaßig nicht mehr zu erfullen (BGH NJW-RR\n2005, 158).\n\n66\n\n \n\nDass die Beklagte auf die Kostenschatzungen verzichtet hat, hat die Klagerin\nnicht bewiesen. Der Zeuge U. Z., der als Bauingenieur im Buro der Klagerin\ntatig ist, hat eine dahingehende Erklarung des Geschaftsfuhrers der Beklagten\nnicht bestatigen konnen. Nach seiner Schilderung war er bei den Gesprachen\nzwischen der Klagerin und dem Geschaftsfuhrer nicht anwesend. Er habe\nlediglich einen Gesprachsfetzen mitbekommen, nach dem der Geschaftsfuhrer der\nBeklagten geaußert habe, die Beklagte habe eine ganz andere\nKalkulationsgrundlage als die Klagerin. Daraus lasst sich ebensowenig ein\neindeutiger und ausdrucklicher Verzicht auf eine Kostenermittlung nach DIN 276\nableiten wie aus der bekundeten Erklarung der Klagerin gegenuber dem Zeugen,\neine Kostenschatzung sei nicht notig.\n\n67\n\n \n\nUnter Abzug der Teilleistungen fur die Kostenschatzung ist die Leistungsphase\n2 wie folgt erbracht:\n\n \n\n68\n\n \n--- \n| % \nHaus 1 | 4,4 \nHaus 2 | 5,6 \nHaus 3 | 0,8 \nHaus 4 | 0 \nHaus 5 | 0 \nHaus 6 | 0,5 \nHaus 7 | 0 \nNordquartier | 0 \nTiefgarage | 0 \n \n \n\n69\n\n \n\nc) Ferner hat die Klagerin nach den Feststellungen der Sachverstandigen fur\ndas Haus 2 - Mittelhaus am Markt - Teilleistungen der Leistungsphase 3 (gesamt\n= 11%) erbracht. Diese sind zwar als solche nicht in der Schlussrechnung vom\n09.05.2005 enthalten. Die Klagerin hat sich jedoch den Inhalt des Gutachtens\nzu Eigen gemacht, so dass diese Teilleistung zu berucksichtigen ist. Die\nLeistungsphasen 3 und 4 sind hingegen - wie oben ausgefuhrt - fur das Haus 1\n(Eckhaus) nicht beauftragt worden.\n\n70\n\n \n\nWeiter hat die von der Sachverstandigen mit 1,5% bewertete Teilleistung\n\'Kostenberechnung nach DIN 276\' außer Betracht zu bleiben. Sie kann - wie oben\nausgefuhrt - nicht als erbrachte Leistung gewertet werden. Danach ergibt sich\nfolgende erbrachte Teilleistung der Leistungsphase 3:\n\n \n\n71\n\n \n--- \n| % \nHaus 2 | 0,2 \n \n \n\n72\n\n \n\nd) Erbrachte Leistungen der Leistungsphase 4 hat die Sachverstandige fur kein\nGebaude festgestellt.\n\n73\n\n \n\n2\\. Fur die erbrachten Leistungen ergibt sich unter Berucksichtigung der um\ndie Umsatzsteuer bereinigten anrechenbaren Kosten und der korrigierten\nbewiesenen Leistungsanteile ein Gesamthonorar von € 15.457,56(DM\n30.232,35)einschließlich Mehrwertsteuer. Nebenkosten haben die Parteien zwar\nvertraglich mit 3% vereinbart. Die Klagerin hat Nebenkosten jedoch mit ihrer\nletzten Schlussrechnung und - im Hinblick auf das Sachverstandigengutachten -\nauch im Schriftsatz vom 17.08.2006 nicht geltend gemacht.\n\n74\n\n \n\nIm Einzelnen errechnet sich das Honorar fur die erbrachten Leistungen wie\nfolgt:\n\n75\n\n \n\n**a) Haus 1** :\n\n \n\n76\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.259.032,53 x 100 \n116 | = DM 1.085.372,87 \n \n \n\n77\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n78\n\n \n--- \n| 99.400 + 85.372,87 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 106.145,73 \n \n \n\n79\n\n \n--- \n- | erbracht LP 1 und 2: 6,9% \n| DM 106.145,73 x 6,9% = | **DM 7.324,05** \n \n \n\n80\n\n \n\n**b) Haus 2**\n\n \n\n81\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.161.657,17 x 100 \n116 | = DM 1.001.428,60 \n \n \n\n82\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n83\n\n \n--- \n| 99.400 + 1.428,60 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 99.512,88 \n \n \n\n84\n\n \n--- \n- | erbracht LP 1 bis 3: 8,3% \n| DM 99.512,88 x 8,3% = | **DM 8.259,57** \n \n \n\n85\n\n \n\n**c) Haus 3**\n\n \n\n86\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 2.296.229,89 x 100 \n116 | = DM 1.979.508,52 \n \n \n\n87\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n88\n\n \n--- \n| 99.400 + 979.508,52 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 176.795,86 \n \n \n\n89\n\n \n--- \n- | erbracht LP 1: 2,3% \n| DM 176.795,86 x 2,3% = | **DM 4.066,30** \n \n \n\n90\n\n \n\n**d) Haus 4**\n\n \n\n91\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 2.144.013,22 x 100 \n116 | = DM 1.848.287,26 \n \n \n\n92\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n93\n\n \n--- \n| 99.400 + 848.287,26 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 166.427,41 \n \n \n\n94\n\n \n--- \n- | erbracht LP 1: 0,7% \n| DM 166.427,41 x 0,7% = | **DM 1.164,99** \n \n \n\n95\n\n \n\n**e) Haus 5**\n\n \n\n96\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.135.135,22 x 100 \n116 | = DM 978.564,84 \n \n \n\n97\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 92.640 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 99.400 \n| Differenz = DM 6.760 \n \n \n\n98\n\n \n--- \n| 92.640 + 78.564,84 x 6.760 \n100.000 | = DM 97.950,98 \n \n \n\n99\n\n \n--- \n- | erbracht LP 1: 0,7% \n| DM 97.950,98 x 0,7% = | **DM 685,66** \n \n \n\n100\n\n \n\n**f) Haus 6**\n\n \n\n101\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 2.283.250,17 x 100 \n116 | = DM 1.968.319,11 \n \n \n\n102\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n103\n\n \n--- \n| 99.400 + 968.319,11 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 175.911,73 \n \n \n\n104\n\n \n--- \n- | erbracht LP 1: 2,1% \n| DM 175.911,73 x 2,1% = | **DM 3.694,15** \n \n \n\n105\n\n \n\n**g) Haus 7**\n\n \n\n106\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.520.424,30 x 100 \n116 | = DM 1.310.710,60 \n \n \n\n107\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n108\n\n \n--- \n| 99.400 + 310.710,60 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 123.950,79 \n \n \n\n109\n\n \n--- \n- | erbracht LP 1: 0,7% \n| DM 123.950,79 x 0,7% = | **DM 867,65** \nHonorar netto | DM 26.062,37 \n% Mehrwertsteuer | DM 4.169,98 \n**Honorar brutto** | **DM 30.232,35** \nentspricht | € 15.457,56 \n \n \n\n \n\nVI.\n\n110\n\n \n\nDie Klagerin hat ferner einen Honoraranspruch fur nicht erbrachte Leistungen\nin Hohe von € 65.846,48 aus § 649 BGB i.V.m. Ziffer 8.3 der Allgemeinen\nVertragsbestimmungen zum Architektenvertrag (AVA).\n\n111\n\n \n\n1\\. Die Klagerin kann 60% der auf die nicht erbrachten Leistungen entfallenden\nVergutung verlangen.\n\n112\n\n \n\nDie Parteien haben in den unstreitig vorformulierten und von der Klagerin\nverwendeten Vertrag die Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum\nArchitektenvertrag (AVA) einbezogen. Nach Ziffer 8.3 der AVA soll der\nArchitekt - wenn er die Kundigung nicht zu vertreten hat - das volle Honorar\nfur die nicht erbrachten Leistungen abzuglich ersparter Aufwendungen von\npauschal 40% erhalten, wenn der Auftraggeber nicht eine hohere Ersparnis\nnachweist.\n\n113\n\n \n\nDiese Klausel der Allgemeinen Geschaftsbedingungen ist zwar gemaß § 9 AGBG,\nder hier noch Anwendung findet, unwirksam, weil der anderweitige Erwerb keine\nBerucksichtigung findet (BGH BauR 1998, 866). Darauf kann sich indes nur der\nVertragspartner des Verwenders - hier die Beklagte - berufen (BGH BauR 1998,\n357 = NJW-RR 1998, 594). Der Klagerin als Verwenderin ist es hingegen\nuntersagt, die Unwirksamkeit der von ihr selbst verwendeten Klausel geltend zu\nmachen und mittels einer konkreten Abrechnung einen uber 60% hinaus gehenden\nHonoraranspruch fur nicht erbrachte Leistungen zu verfolgen. Dabei hat sie\nallerdings zugleich substantiiert darzulegen, dass die konkrete Ersparnis und\nder anderweitige Erwerb dem vereinbarten Abzug von 40% entspricht oder\nniedriger ist (BGH BauR 2000, 126 = NJW 2000, 205; BauR 2000, 430 = NJW 2000,\n653). Diese Voraussetzungen liegen hier im Ergebnis vor.\n\n114\n\n \n\na) Soweit sich die Klagerin den Gewinn aus vier anderen Bauvorhaben als\nanderweitigen Erwerb anrechnen lassen will, ist es fur die Entscheidung des\nRechtsstreits nicht maßgeblich, ob ihre konkrete Berechnung angesichts der\nAngaben in den fruheren Schlussrechnungen nachvollziehbar oder widerspruchlich\nist.\n\n115\n\n \n\nEntscheidend ist vielmehr, dass die Einnahmen bzw. der Gewinn aus diesen vier\nBauvorhaben nach der weiteren - unwidersprochenen - Erlauterung der Klagerin\nkeinen anderweitigen Erwerb i.S.d. § 649 S. 2 BGB bilden.\n\n116\n\n \n\nDie Klagerin hat erklart, die vier anderen Bauvorhaben hatten die Mitarbeiter\nihres Buros zeitgleich zu dem Auftrag der Beklagten bearbeitet. Die bereits\ndurch die Beklagte beauftragten Leistungsphasen 1 und 2 sowie die\nLeistungsphasen 3 und 4 fur das Ärztehaus hatte sie als Inhaberin im\nWesentlichen allein ausgefuhrt. Lediglich fur die nicht erbrachten\nKostenschatzungen ware ihr technischer Mitarbeiter Z. eingesetzt worden. Nach\ndem Wegfall weiterer Leistungspflicht gegenuber der Beklagten habe sie - die\nKlagerin - ihre Mitarbeiter bei den anderen vier Projekten unterstutzt. Dass\nihr Buro die Auftrage dadurch zeitlich vorgezogen hat, ist nicht vorgetragen\noder sonst ersichtlich. Daraus ergibt sich, dass die Klagerin die aus den vier\nBauvorhaben erzielten Einnahmen einschließlich des Gewinns auch dann in\ngleicher Weise und in der gleichen Zeit erzielt hatte, wenn sie weiterhin fur\ndie Beklagte tatig geworden ware. Ein anderweitiger Erwerb oder Fullauftrage\nliegen damit nicht vor.\n\n117\n\n \n\nb) Eine Bindungswirkung hinsichtlich des anderweitigen Erwerbs entfaltet die\n(zweite) Schlussrechnung vom 04.04.2002 bereits deshalb nicht, weil es an\neinem dahingehenden schutzwurdigen Vertrauen der Beklagten fehlt.\n\n118\n\n \n\nDer Architekt kann zwar gemaß § 242 BGB an eine Schlussrechnung, die er in\nKenntnis der fur die Honorarberechnung maßgebenden Umstande erteilt hat,\ngrundsatzlich gebunden sein, wenn er damit ein schutzwurdiges Vertrauen des\nAuftraggebers begrundet hat. Eine Schutzwurdigkeit des Auftraggebers setzt\nvoraus, dass er nach den Umstanden des Einzelfalls auf eine abschließende\nBerechnung des Honorars vertrauen durfte und sich in einer Weise darauf\neingerichtet hat, nach der ihm eine Nachforderung nach Treu und Glauben nicht\nmehr zugemutet werden kann (BGH NJW 1993, 659/660). Diese Voraussetzungen\nliegen hier indes nicht vor. Abgesehen davon, dass die Beklage die Falligkeit\ndes Honorars und die Richtigkeit samtlicher Schlussrechnungen stets in Abrede\ngenommen hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sie auf eine\nabschließende Berechnung in der Schlussrechnung vom 04.04.2002 vertraut und\nsich darauf derart eingerichtet hat, dass ihr eine andere Abrechnungsweise\nnicht mehr zumutbar ist. Daruber hinaus hat sich die geltend gemachte\nForderung der Klagerin im Hinblick auf die zwischenzeitliche Neuberechnung des\nHonorars wahrend des Rechtsstreits gegenuber der zunachst verfolgten\nSchlussrechnung vom 04.04.2002 erheblich verringert. Eine Nachforderung liegt\ndamit nicht vor.\n\n119\n\n \n\nc) Ein anderweitiger Erwerb der Klagerin i.S.d. § 649 S. 2 BGB ist nicht\nfestzustellen.\n\n120\n\n \n\nMaßgeblich ist insoweit der Zeitraum von der Einstellung der Planungsaufgabe\nim Dezember 1999, in der die Kundigung zu sehen ist, bis zum 13.04.2000. Es\nist davon auszugehen, dass die Klagerin die noch ausstehenden und bereits\nbeauftragten Leistungen in dieser Zeit hatte fertig stellen konnen. Das\nentspricht einer Gesamtplanungszeit von mehr als zwei Jahren nach\nAuftragserteilung im Februar 1998. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg\ndarauf berufen, dass der von der Klagerin genannte Zeitraum fur eine\nvertragsgemaße Leistungserbringung zu kurz gewesen sei, weil die Leistungen\nnur abhangig von einem etwaigen Mieterinteresse hatten ausgefuhrt werden\nsollen. Nach der Aufgabe des Projekts im Dezember 1999 kommt es allein darauf\nan, welcher Zeitraum erforderlich gewesen ware, um die vereinbarten, aber\ninfolge der Kundigung nicht ausgefuhrten Leistungen bei ununterbrochener\nArbeit auszufuhren. Dass dies nicht innerhalb von etwa vier Monaten moglich\ngewesen sei, hat die Beklagte nicht konkret dargetan.\n\n121\n\n \n\nIm Übrigen hat die Klagerin vorgetragen, sie habe sich in dem vorbezeichneten\nZeitraum um die Aquisition anderer Auftrage bemuht, die sie mangels Bedarfs\njedoch nicht erhalten habe. Das reicht aus. Es ist nicht ersichtlich, was die\nKlagerin anderes vorbringen kann, wenn sie mangels Nachfrage an\nArchitektenleistungen Fullauftrage nicht erlangt hat. Auch die Beklagte hat\nkeine hinreichend konkreten Moglichkeiten zu einer anderweitigen\nAuftragserteilung dargelegt.\n\n122\n\n \n\nd) Fur die Ermittlung, ob die Klagerin mehr als 40% des Honorars der nicht\nerbrachten Leistungen erspart oder anderweitig verdient hat, ist daher\nFolgendes zu Grunde zu legen:\n\n123\n\n \n\nDie Klagerin hat in der letzten Schlussrechnung erklart, sie lasse sich 3% des\njeweiligen Nettohonorars als ersparte Sachaufwendung anrechnen. Dieser Betrag\nubersteige die ersparten projektbezogenen Sachkosten von DM 1.296,29 (Papier-\nund Zeichenmaterial DM 450,-, Kopierarbeiten DM 500,-, Kommunikationsaufwand\nDM 346,29). Dem ist die Beklagte nicht durch Darlegung hoherer Ersparnis\nentgegen getreten. Unter Berucksichtigung des unten ausgefuhrten\nGesamthonorars ergibt sich eine anzurechnende Ersparnis von Sachkosten in Hohe\nvon DM 6.439,23.\n\n124\n\n \n\nFerner hat die Klagerin unter Berucksichtigung ihres eigenen Vorbringens\nPersonalkosten fur die Kostenschatzungen in der Leistungsphase 2 erspart, weil\ndiese durch den technischen Mitarbeiter Z. erstellt worden waren. Pro Haus\nware danach - unwidersprochen - ein Aufwand von 8 Arbeitsstunden a DM 95,-\nerforderlich gewesen. Mithin sind je Gebaude zuzuglich Tiefgarage ersparte\nPersonalkosten von DM 750,- zu berucksichtigen. Es ist daher von ersparten\nPersonalaufwendungen von insgesamt DM 11.500,-, auszugehen.\n\n125\n\n \n\nDie Summe dieser Betrage unterschreitet mit DM 17.939,23 einen Anteil von 40%\ndes Gesamthonorars fur nicht erbrachte Leistungen (DM 85.856,36) deutlich.\n\n126\n\n \n\n2\\. Folgende Anteile des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs hat die\nKlagerin nicht erbracht:\n\n \n\n127\n\n \n--- \na) | Leistungsphase 1: | % | (gesamt = 3%) \n| Haus 1 | 0,5 | \n| Haus 2 | 0,5 | \n| Haus 3 | 1,5 | \n| Haus 4 | 2,3 | \n| Haus 5 | 2,3 | \n| Haus 6 | 1,4 | \n| Haus 7 | 2,3 | \n| Hauser 8 - 14 | 3,0 | \n| Tiefgarage | 3,0 | \n \n \n\n128\n\n \n--- \nb) | Leistungsphase 2: | % | (gesamt = 7 %) \n| Haus 1 | 2,6 | \n| Haus 2 | 1,4 | \n| Haus 3 | 6,2 | \n| Hauser 4 + 5 | 7,0 | \n| Haus 6 | 6,5 | \n| Hauser 7 - 14 | 7,0 | \n| Tiefgarage | 7,0 | \n \n \n\n129\n\n \n--- \nc) | Leistungsphase 3: | % | (gesamt = 11%) \n| Haus 2 | 10,8 | \n \n \n\n130\n\n \n--- \nd) | Leistungsphase 4: | % | (gesamt = 6%) \n| Haus 2 | 6,0 | \n \n \n\n131\n\n \n\n3\\. Fur nicht erbrachte Leistungen steht der Klagerin danach ein Honorar in\nHohe von € 65.846,48 (DM 128.784,53) zu.\n\n132\n\n \n\nInsgesamt entfallt auf die nicht erbrachten Leistungen eine Vergutung von DM\n214.640,89; davon kann die Klagerin - wie oben ausgefuhrt - 60% verlangen.\nUmsatzsteuer fallt auf das Honorar fur nicht erbrachte Leistungen nicht an.\n\n133\n\n \n\nIm Einzelnen errechnet sich das Honorar fur nicht erbrachte Leistungen wie\nfolgt:\n\n134\n\n \n\n**a) Haus 1**\n\n \n\n135\n\n \n--- \n\\- anrechenbare Kosten netto = DM 1.085.372,87 \n\\- Zone III, Mittelsatz, 100% Honorar = DM 106.145,73 \n\\- nicht erbracht LP 1 + 2: 3,1% \nDM 106.145,73 x 3,1% \n** = DM 3.290,52** \n \n \n\n136\n\n \n\n**b) Haus 2**\n\n \n\n137\n\n \n--- \n\\- anrechenbare Kosten netto = DM 1.001.428,60 \n\\- Zone III, Mittelsatz, 100% Honorar = DM 99.512,88 \n\\- nicht erbracht LP 1 - 4: 18,7% \nDM 99.512,88 x 18,7% \n** = DM 18.608,91** \n \n \n\n138\n\n \n\n**c) Haus 3**\n\n \n\n139\n\n \n--- \n\\- anrechenbare Kosten netto = DM 1.979.508,52 \n\\- Zone III, Mittelsatz,100% Honorar = DM 176.795,86 \n\\- nicht erbracht LP 1 + 2: 7,7% \nDM 176.795,86 x 7,7% \n** = DM 13.613,28** \n \n \n\n140\n\n \n\n**d) Haus 4**\n\n \n\n141\n\n \n--- \n\\- anrechenbare Kosten netto = DM 1.848.287,26 \n\\- Zone III, Mittelsatz, 100% Honorar = DM 166.427,41 \n\\- nicht erbracht LP 1 + 2: 9,3% \nDM 166.427,41 x 9,3% \n** = DM 15.477,75** \n \n \n\n142\n\n \n\n**e) Haus 5**\n\n \n\n143\n\n \n--- \n\\- anrechenbare Kosten netto = DM 978.564,84 \n\\- Zone III, Mittelsatz, 100% Honorar = DM 97.950,98 \n\\- nicht erbracht LP 1 + 2: 9,3% \nDM 97.950,98 x 9,3% \n** = DM 9.109,44** \n \n \n\n144\n\n \n\n**f) Haus 6**\n\n \n\n145\n\n \n--- \n\\- anrechenbare Kosten netto = DM 1.968.319,11 \n\\- Zone III, Mittelsatz, 100% Honorar = DM 175.911,73 \n\\- nicht erbracht LP 1 + 2: 7,9% \nDM 175.911,73 x 7,9% \n** = DM 13.897,03** \n \n \n\n146\n\n \n\n**g) Haus 7**\n\n \n\n147\n\n \n--- \n\\- anrechenbare Kosten netto = DM 1.310.710,60 \n\\- Zone III, Mittelsatz, 100% Honorar = DM 123.950,79 \n\\- nicht erbracht LP 1 + 2: 9,3% \nDM 123.950,79 x 9,3% \n** = DM 11.527,42** \n \n \n\n148\n\n \n\n**h) Haus 8**\n\n \n\n149\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.982.595,00 x 100 \n116 | = DM 1.709.133,62 \n \n \n\n150\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n151\n\n \n--- \n| 99.400 + 709.133,62 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 155.432,19 \n \n \n\n152\n\n \n--- \n- | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 155.432,19 x 10% = | **DM 15.543,22** \n \n \n\n153\n\n \n\n**i) Haus 9**\n\n \n\n154\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 991.297,51 x 100 \n116 | = DM 854.566,81 \n \n \n\n155\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 85.115 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 92.640 \n| Differenz = DM 7.525 \n \n \n\n156\n\n \n--- \n| 85.115 + 54.566,81 x 7.525 \n100.000 | = DM 89.221,15 \n \n \n\n157\n\n \n--- \n- | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 89.221,15 x 10% = | **DM 8.922,12** \n \n \n\n158\n\n \n\n**j) Haus 10**\n\n \n\n159\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.255.643,51 x 100 \n116 | = DM 1.082.451,30 \n \n \n\n160\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n161\n\n \n--- \n| 99.400 + 82.451,30 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 105.914,88 \n \n \n\n162\n\n \n--- \n- | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 105.914,88 x 10% = | **DM 10.591,49** \n \n \n\n163\n\n \n\n**k) Haus 11**\n\n \n\n164\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.222.600,25 x 100 \n116 | = DM 1.053.965,73 \n \n \n\n165\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n166\n\n \n--- \n| 99.400 + 53.965,73 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 103.664,09 \n \n \n\n167\n\n \n--- \n- | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 103.664,09 x 10% = | **DM 10.366,41** \n \n \n\n168\n\n \n\n**l) Haus 12**\n\n \n\n169\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 1.685.205,75 x 100 \n116 | = DM 1.452.763,58 \n \n \n\n170\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 99.400 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 178.415 \n| Differenz = DM 79.015 \n \n \n\n171\n\n \n--- \n| 99.400 + 452.763,58 x 79.015 \n1.000.000 | = DM 135.175,10 \n \n \n\n172\n\n \n--- \n- | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 135.175,10 x 10% = | **DM 13.517,51** \n \n \n\n173\n\n \n\n**m) Haus 13**\n\n \n\n174\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 958.254,25 x 100 \n116 | = DM 826.081,25 \n \n \n\n175\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 85.115 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 92.640 \n| Differenz = DM 7.525 \n \n \n\n176\n\n \n--- \n| 85.115 + 26.081,25 x 7.525 \n100.000 | = DM 87.077,61 \n \n \n\n177\n\n \n--- \n- | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 87.077,61 x 10% = | **DM 8.707,76** \n \n \n\n178\n\n \n\n**n) Haus 14**\n\n \n\n179\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 3.526.028,73 x 100 \n116 | = DM 3.039.679,94 \n \n \n\n180\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 257.450 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 336.390 \n| Differenz = DM 78.940 \n \n \n\n181\n\n \n--- \n| 257.450 + 39.679,94 x 78.940 \n1.000.000 | = DM 260.582,33 \n \n \n\n182\n\n \n--- \n3. | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 260.582,33 x 10% = | **DM 26.058,23** \n \n \n\n183\n\n \n\n**o) Tiefgarage**\n\n \n\n184\n\n \n--- \n- | anrechenbare Kosten netto: \n| DM 4.900.000,00 x 100 \n116 | = DM 4.224.137,93 \n \n \n\n185\n\n \n--- \n- | Zone III, Mittelsatz: \n| Mittelsatz nachstniedriges Honorar = DM 336.390 \n| Mittelsatz nachsthoheres Honorar = DM 415.395 \n| Differenz = DM 79.005 \n \n \n\n186\n\n \n--- \n| 336.390 + 224.137,93 x 79.005 \n1.000.000 | = DM 354.098,01 \n \n \n\n187\n\n \n--- \n- | nicht erbracht LP 1 + 2: 10% \n| DM 354.099,01 x 10% = | **DM 35.409,80** \n| Honorar netto | DM 214.640,89 \n| **davon 60% =** | **DM 128.784,53** \n| entspricht | € 65.846,48 \n \n \n\n \n\nVII.\n\n188\n\n \n\nDer Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 3, 288 BGB in der bis zum\n31.12.2001 geltenden Fassung. Diese Vorschriften sind gemaß Art. 229 § 1 Abs.\n1 S. 1 EGBGB auch auf Geldforderungen anzuwenden sind, die vor dem 01.05.2000\nentstanden sind. Die Beklagte ist daher 30 Tage nach Falligkeit und Zugang der\nSchlussrechnung vom 09.05.2005 in Verzug geraten, unter Berucksichtigung einer\nPostlaufzeit von drei Tagen mithin am 09.06.2005. Der Verzugszins betragt funf\nProzentpunkte uber dem Basiszinssatz.\n\n189\n\n \n\nZinsen in Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz gemaß § 288 Abs. 2\nBGB n.F. kann die Klagerin nicht verlangen. Diese Regelung gilt nach Art. 229\n§ 5 EGBGB nur fur Schuldverhaltnisse, die nach dem 01.01.2002 begrundet worden\nsind.\n\n \n\n**C.**\n\n190\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 269\nAbs. 3 S. 2 ZPO analog.\n\n191\n\n \n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708\nNr. 10, 711 ZPO.\n\n192\n\n \n\nDie Revision war nicht gemaß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Sache keine\ngrundsatzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die\nSicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des\nRevisionsgerichts erfordern.\n\n193\n\n \n\nDer Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf € 234.522,52 festgesetzt.\nDavon entfallen auf die Berufung der Klagerin € 221.592,13 und auf die\nAnschlussberufung der Beklagten € 12.930,39.\n\n
110,807
vg-schwerin-2007-03-22-3-a-13706
490
Verwaltungsgericht Schwerin
vg-schwerin
Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 A 137/06
2007-03-22
2018-11-26 17:30:11
2019-01-17 11:35:18
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n\nDer Klager kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe des zu\nvollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit\nin gleicher Hohe leistet.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Klager wendet sich gegen das Ergebnis seiner zweiten juristischen\nStaatsprufung im Termin Herbst 1999.\n\n2\n\n \n\nMit Bescheid vom 22. Mai 2000 teilte der Beklagte dem Klager mit, er habe die\nzweite juristische Staatsprufung wiederholt nicht bestanden; lediglich vier\nanstelle von erforderlichen funf Klausuren waren mit 4,00 oder mehr Punkten\nbewertet worden.\n\n3\n\n \n\nNach (erfolgloser) Durchfuhrung des Widerspruchsverfahrens erhob der Klager\ndie unter dem Aktenzeichen 9 A 2624/00 gefuhrte Klage. Mit Urteil vom 23.\nNovember 2004 hob die damals zustandige Kammer die angefochtenen Bescheide auf\nund verpflichtete den Beklagten, uber das Bestehen der zweiten juristischen\nStaatsprufung des Klagers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts\nneu zu entscheiden (eine Abweisung der Klage im Übrigen spricht der Tenor\nnicht aus).\n\n4\n\n \n\nNach den Ausfuhrungen in den Entscheidungsgrunden des Urteils wurde\nbeanstandet, dass bezogen auf die Klausur Öffentliches Recht I trotz\n\'substantiierter Einwendungen\' nicht erneut die Prufer befasst worden waren,\nund bezogen auf die Klausur Öffentliches Recht II, dass die erneute Befassung\nder Prufer nicht unter vollstandiger Übersendung der diese Klausur\nbetreffenden Widerspruchsbegrundung erfolgt war. Die Einwendungen betreffend\ndie Bewertung der Klausur Strafrecht II wurden fur nicht durchgreifend\nangesehen; "weitere Klausurbewertungen sind zwar im hauptweise gestellten\nKlageantrag bezeichnet, jedoch mangels substantiierter Einwendungen nicht in\nden Blick zu nehmen" (ausweislich des im Urteil wiedergegebenen Antrags war\ndie Neubewertung samtlicher Klausuren begehrt worden).\n\n5\n\n \n\nDas Urteil ist rechtskraftig geworden.\n\n6\n\n \n\nNach erneuter Befassung der Prufer der Klausuren Ö I und Ö II erging der\n(streitgegenstandliche) Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2005 (mit\nidentischer Bewertung wie der Bescheid vom 22. Mai 2000); der Klager habe die\nzweite juristische Staatsprufung wiederholt nicht bestanden. Hiergegen wandte\nsich der Widerspruch des Klagers vom 9. Juni 2005, mit dem er sich (in seiner\nBegrundung vom 6.10.2005) gegen die Bewertungen der Klausuren Ö I, Ö II, Z\nIII, Z V, S I und S II wandte.\n\n7\n\n \n\nDiesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember\n2005, zugestellt am 2. Januar 2006, zuruck.\n\n8\n\n \n\nDer Klager hat am 31. Januar 2006 die vorliegende Klage erhoben, mit der er\nsich auf seine Ausfuhrungen in der Widerspruchsbegrundung bezieht.\n\n9\n\n \n\nHinsichtlich der Klausur Ö II hat der Beklagte wahrend des gerichtlichen\nVerfahrens eine Nachbewertung beider Prufer veranlasst, die zu einer\nabweichenden Bewertung nicht gefuhrt hat.\n\n10\n\n \n\nDer Klager meint insoweit, diese Nachbewertungen waren im\nWiderspruchsverfahren einzuholen gewesen, sie seien verspatet erfolgt, was\nausdrucklich gerugt werde.\n\n11\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n12\n\n \n\nden Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 12. Mai 2005 in Gestalt\nseines Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2005 zu verpflichten, uber das\nErgebnis der schriftlichen Prufung des Klagers im Termin Herbst 1999 unter\nBeachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.\n\n13\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n14\n\n \n\ndie Klage abzuweisen\n\n15\n\n \n\nDer Beklagte hat zu allen angesprochenen Klausuren inhaltlich Stellung\ngenommen. Hinsichtlich der Nachbewertung der Klausur Ö II macht er geltend,\nweder der aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz folgende Grundrechtsschutz durch eine\nentsprechende Gestaltung des Prufungsverfahrens noch das Gebot effektiven\nRechtsschutzes verboten es, eine Bewertung der Prufungsleistung mit\nentsprechender (neuer) Begrundung durch die ursprunglichen Prufer auch im\nVerlauf des Verwaltungsstreitverfahrens nachzuholen und auf diese Weise einen\nfruheren Begrundungsmangel zu korrigieren, vorausgesetzt, dass dadurch das\nRecht und die Chance der wirksamen nachtraglichen Kontrolle der Bewertung der\nPrufungsarbeit nicht verkurzt werden; hierfur bestunden keinerlei\nAnhaltspunkte.\n\n16\n\n \n\nDie Rechtskraft des zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils stehe einer\nBefassung mit anderen als den Klausuren Ö I und Ö II nicht entgegen.\n\n17\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug\ngenommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden wie des Verfahrens\n9 A 2624/00 und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgange.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n18\n\n \n\nDie zulassige Verpflichtungsklage ist unbegrundet. Der angegriffene\nPrufungsbescheid des Beklagten vom 12. Mai 2005 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 21. Dezember 2005 ist rechtmaßig und verletzt den\nKlager nicht in seinen Rechten. Der Klager ist zu Recht nicht zur mundlichen\nPrufung zugelassen, § 50 der Verordnung zur Ausfuhrung des Gesetzes uber die\nJuristenausbildung im Land Mecklenburg-Vorpommern (JAPO M-V) vom 4. August\n1998, GVOBl. M-V 1998 S. 775, 817, 1999 S. 300; ihm steht weder ein Anspruch\nauf Neubescheidung nach Neubewertung der von ihm benannten Klausuren unter\nBeachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu noch sind die angefochtenen\nBescheide aufzuheben, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, §113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.\n\n19\n\n \n\nDie Bewertungen der Klausuren Öffentliches Recht I und II sind aus Sicht des\nGerichts nicht zu beanstanden (im Folgenden: 1.). Nur diese konnen im\nvorliegenden Verfahren nach Auffassung der Kammer zulassigerweise zum\nGegenstand des Verfahrens gemacht werden, denn im Übrigen steht die\nRechtskraft des Urteil 9 A 2624/00 einer Überprufung weiterer Klausuren\nentgegen (2.). Allerdings waren auch diese Klausuren nicht einem\nÜberdenkungsverfahren zu unterziehen gewesen (3.).\n\n20\n\n \n\n1\\. Bei der gerichtlichen Nachprufung prufungsrechtlicher Entscheidungen\nentspricht es standiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, den\nPrufungsbehorden bei prufungsspezifischen Wertungen einen\nEntscheidungsspielraum zuzubilligen; die gerichtliche Kontrolle ist insoweit\neingeschrankt.\n\n21\n\n \n\nNach den Ausfuhrungen des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 13. Mai\n2004 - 6 B 25.04 -, NVwZ 2004, 213, unter 1 a) bb)) - lassen sich aus\n\n22\n\n \n\n"der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG ... Reichweite und\nGrenzen des prufungsrechtlichen Beurteilungsspielraumes mit hinreichender\nDeutlichkeit entnehmen. Nach dem das Prufungsrecht beherrschenden Grundsatz\nder Chancengleichheit mussen fur vergleichbare Pruflinge so weit wie moglich\nvergleichbare Prufungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Mit diesem\nGrundsatz ware es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie einen\nVerwaltungsgerichtsprozess anstrengten, die Chance einer vom Vergleichsrahmen\nunabhangigen Bewertung erhielten. Die gleichmaßige Beurteilung aller\nvergleichbaren Kandidaten ist nur erreichbar, wenn den Prufungsbehorden bei\nprufungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt und die\ngerichtliche Kontrolle insoweit eingeschrankt wird (BVerfG, Beschluss vom 17.\n4. 1991, a.a.O. <52>). Dieser prufungsrechtliche Bewertungsspielraum erstreckt\nsich auch auf die Notenvergabe bei juristischen Staatsprufungen: Die Prufer\nmussen bei ihrem wertenden Urteil von Einschatzungen und Erfahrungen ausgehen,\ndie sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prufungen entwickelt\nhaben und allgemein anwenden. Auch die Bestehensgrenze lasst sich nicht starr\nund ohne den Blick auf durchschnittliche Ergebnisse bestimmen. Daraus folgt,\ndass die Prufungsnoten nicht isoliert gesehen werden durfen, sondern in einem\nBezugssystem zu finden sind, das durch die personlichen Erfahrungen und\nVorstellungen der Prufer beeinflusst wird. Da sich die komplexen Erwagungen,\ndie einer Prufungsentscheidung zugrunde liegen, nicht regelhaft erfassen\nlassen, wurde eine gerichtliche Kontrolle zu einer Verzerrung der Maßstabe\nfuhren (BVerfG, Beschluss vom 17. 4. 1991, a.a.O. <51 f.>). Der\nBewertungsspielraum ist uberschritten, wenn die Prufungsbehorden\nVerfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen\nSachverhalt ausgehen, allgemeingultige Bewertungsmaßstabe verletzen oder sich\nvon sachfremden Erwagungen leiten lassen. Ein in diesem Sinne\nallgemeingultiger Bewertungsgrundsatz ist es, dass zutreffende Antworten und\nbrauchbare Losungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum\nNichtbestehen fuhren durfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von\nLosungen wegen der Eigenart der Prufungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind,\ngebuhrt zwar dem Prufer ein Bewertungsspielraum, dem aber ein Antwortspielraum\ndes Pruflings gegenubersteht. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten\nfolgerichtig begrundete Losung darf nicht als falsch gewertet werden.\nÜberschritten wird der Beurteilungsspielraum ferner, wenn eine Bewertung auf\neiner wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prufers beruht, die einem\nFachkundigen als unhaltbar erscheinen muss (BVerfG, Beschluss vom 17. 4. 1991,\na.a.O. <53 ff.>; zum Ganzen ebenso BVerwG, z.B. Urteil vom 21. 10. 1993 -\nBVerwG 6 C 12.92 -, Buchholz 421.0 Prufungswesen Nr. 320 = BayVBl 1994, S.\n443; Beschluss vom 17. 12. 1997 - BVerwG 6 B 55.97 - Buchholz 421.0\nPrufungswesen Nr. 385). Gegenstande des prufungsspezifischen\nBeurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit\ndiese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des\nSchwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener\nAufgaben deren Gewichtung untereinander, die Wurdigung der Qualitat der\nDarstellung, die Gewichtung der Starken und Schwachen in der Bearbeitung sowie\ndie Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, Urteil vom 12. 11. 1997 -\nBVerwG 6 C 11.96 - BVerwGE 105, S. 328 <333 f.> = Buchholz 421.0 Prufungswesen\nNr. 384 <S. 200> m.w. Nachw.; Beschluss vom 13. 3. 1998 - BVerwG 6 B 28.98 -;\nUrteil vom 4. 5. 1999 - BVerwG 6 C 13.98 - Buchholz 421.0 Prufungswesen Nr.\n395 <S. 18/19> = NVwZ 2000, S. 915 <920>; Urteil vom 14. 7. 1999 - BVerwG 6 C\n20.98 - BVerwGE 109, 211 = Buchholz 421.0 Prufungswesen Nr. 396 <S. 25>).\nEbenso handelt es sich um eine den Prufern vorbehaltene prufungsspezifische\nWertung, ob im Hinblick auf eine entsprechend definierte Notenstufe bzw.\nzugeordnete Punktzahl eine Prufungsleistung als ,brauchbar\' zu bewerten ist\n(Urteil vom 12. 11. 1997, a.a.O. <334> bzw. <S. 201>). In diesen Bereich des\nprufungsspezifischen Bewertungsspielraumes durfen die Gerichte grundsatzlich\nnicht eindringen, sondern haben nur zu uberprufen, ob die Prufer die\nobjektiven, auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraumes\nuberschritten haben, etwa weil sie von falschen Tatsachen ausgegangen sind\noder sachfremde Erwagungen angestellt haben (Beschluss vom 13. 3. 1998,\na.a.O.; Urteil vom 4. 5. 1999, a.a.O.)."\n\n23\n\n \n\nAllerdings bedarf es seitens des Pruflings, soll seiner Kritik in der Sache\nnachgegangen werden, eines sog. "substantiierten Vorbringens" im Sinne der\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 24. Februar\n1993 - BVerwG 6 C 35.92 -, Buchholz 421.0 Prufungswesen Nr. 313 S. 263, und\nvom 4. Mai 1999 - BVerwG 6 C 13/98 -, Buchholz 421.0 Prufungswesen Nr. 395 =\nNVwZ 2000, 915-921; Niehues, Prufungsrecht, 4. Aufl., Rn. 762).\n\n24\n\n \n\n"Hiernach entspricht dem Recht des Pruflings, auf vermeintliche fachliche\nIrrtumer und daran anknupfende Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen zu konnen,\nim Rechtsstreit um die Rechtmaßigkeit der Prufungsentscheidung eine\nMitwirkungspflicht. Diese besteht darin, derartige Fehler mit "wirkungsvollen\nHinweisen" aufzuzeigen, d.h. sie substantiiert mit einer nachvollziehbaren\nBegrundung bestehender Einwande darzulegen. Soll sein Vorbringen\nberucksichtigt werden konnen, hat der Prufling klarzustellen, in welchen\nkonkreten Einzelpunkten die Korrektur bestimmter Prufungsleistungen nach\nseiner Auffassung Korrekturfehler aufweist; dabei hat er auf Inhalt und\nZielrichtung einzelner Pruferbemerkungen und -wertungen einzugehen. Eine bloße\nWiederholung des eigenen Standpunktes auf verbreiterter subjektiver\nArgumentationsbasis reicht nicht aus...."\n\n25\n\n \n\n(so Urteil vom 4. Mai 1999, a. a. O.).\n\n26\n\n \n\na) Hinsichtlich der Klausur Öffentliches Recht I macht der Klager in seiner\nWiderspruchsbegrundung vom 6. Oktober 2005 (und auf diese wird in der\nKlagebegrundung vom 30. Juni 2006 verwiesen) geltend, nach der Auffassung des\nErstkorrektors sei die in § 13 SOG M-V enthaltene Generalklausel nicht als\nAnspruchsgrundlage vertretbar, obschon der VGH Mannheim "in einem mit der\nAufsichtsarbeit vergleichbaren Fall" die polizeiliche Generalklausel fur\nanwendbar erachtet habe. Die Kritik des Erstgutachters sagt Derartiges nicht,\nwenn dieser in seinem erganzenden Gutachten abschließend ausfuhrt, "auch die\nAusfuhrungen zu der polizeilichen Generalklausel ... (sind) als nicht\nuberzeugend gewertet worden." Damit verneint der Prufer nicht die\nVertretbarkeit der Prufung dieser Norm an sich, sondern deren Qualitat. Dass\n"die Situation (des VGH-Falles) mit dem im Rahmen der Aufsichtsarbeit zu\nbearbeitenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist", ist eine unter das\nPruferermessen fallende - von der Kammer im Übrigen durchaus nachvollzogene -\nBewertung. Dass der Klager (wiederholt) die gegenteilige Auffassung vertritt\nund die jeweiligen Sachverhalte fur vergleichbar halt, fuhrt nicht zur\nVerpflichtung zu einer erneuten Pruferbefassung.\n\n27\n\n \n\nBezogen auf die Zweitkorrektorin war deren Auffassung gerugt, auch sie halte\ndie Entscheidung des VGH Mannheim "fur nicht anschlagig, da ein anderer\nSachverhalt betroffen sei" - insoweit gilt das soeben Ausgefuhrte.\n\n28\n\n \n\nb) Bezogen auf die Klausur Öffentliches Recht II ist der Klager seiner\nMitwirkungsobliegenheit nicht gerecht geworden. Denn er hat nach\nentsprechender, seitens des Beklagten im laufenden Klageverfahren\nveranlasster, erneuter Stellungnahme der Erstkorrektorin und des\nZweitkorrektors sich mit diesen Nachbewertungen nicht im Einzelnen inhaltlich,\nwas zu fordern ware, auseinandergesetzt, sondern lediglich die Verfahrensweise\ngerugt.\n\n29\n\n \n\nAber auch diese ist nicht zu beanstanden. Ein Rechtssatz des Inhaltes, wonach\nes untersagt sei, eine Bewertung der Prufungsleistung mit entsprechender\n(neuer) Begrundung durch die ursprunglichen Prufer auch im Verlauf des\nVerwaltungsstreitverfahrens nachzuholen und auf diese Weise einen fruheren\nBegrundungsmangel zu korrigieren, existiert nicht. Entsprechend dem der\nRegelung des §46 VwVfG M-V zugrundeliegenden Rechtsgedanken, unnutzen\nVerfahrensleerlauf zu vermeiden, stellt die vom Beklagten gewahlte\nHandlungsweise ein verfahrensbeschleunigendes Procedere dar, das nach\nAuffassung der Kammer nicht zu beanstanden ist. Insbesondere kann es materiell\nnicht zu einem Nachteil des Betroffenen fuhren, da es diesem unbenommen ist -\nund dies wurde dem Klager auch in der mundlichen Verhandlung dargelegt -, den\nRechtsstreit in der Hauptsache fur erledigt zu erklaren, wenn er das Ergebnis\ndieser Nachbewertung nicht weiter angreifen will.\n\n30\n\n \n\n2\\. An einer Befassung mit den weiteren vom Klager gerugten Klausuren sieht\ndie Kammer sich aus Rechtsgrunden gehindert; insoweit steht dem nach § 121 Nr.\n1 VwGO die Rechtskraft des zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils 9 A\n2624/00 vom 23. November 2004 entgegen.\n\n31\n\n \n\nDie materielle Rechtskraft eines Bescheidungsurteil lasst sich nicht seinem\nTenor entnehmen; ihr Umfang und damit seine Bindungswirkung ergeben sich\nnotwendigerweise aus den Entscheidungsgrunden. Insoweit fuhrt das\nBundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27.01.1995 (- 8 C 8/93 -, NJW\n1996, 736) aus:\n\n32\n\n \n\n"Rechtskraftige Urteile binden die Beteiligten, soweit uber den\nStreitgegenstand entschieden worden ist (§ 121 Nr. 1 VwGO). Aus dem\nRechtsstaatsprinzip folgt, daß uber den Wortlaut des § 121 VwGO hinaus nicht\nnur die Beteiligten, sondern auch die Gerichte in einem spateren Prozeß der\nBeteiligten uber denselben Gegenstand an das rechtskraftige Urteil gebunden\nsind (vgl. u.a. Urteile vom 30. August 1962 - BVerwG I C 161.58 - BVerwGE 14,\n359 <362 f.> und vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 16.87 - Buchholz 310 § 121\nVwGO Nr. 64 S. 19 <23>; Beschluß vom 3. Dezember 1981 - BVerwG 3 B 90.80 -\nBuchholz 310 § 121 VwGO Nr. 46 S. 1 m.weit.Hinw.). Die in einem rechtskraftig\ngewordenen Urteil aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge\ndarf bei unveranderter Sach- und Rechtslage nicht erneut zum Gegenstand eines\nVerfahrens zwischen denselben Parteien gemacht werden (vgl. etwa Urteile vom\n30. August 1962, a.a.O. S. 362 f., vom 21. September 1984 - BVerwG 8 C 137.81\n- Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr. 9 S. 5 <7> und vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1\nC 12.92 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 S. 12 <15> m.weit.Nachw.; Beschluß\nvom 19. Marz 1990 - BVerwG 8 B 27.90 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG/BauGB Nr.\n60 S. 58 <59>). Die Rechtskraft schafft vielmehr ein unabdingbares, in jeder\nVerfahrenslage - namentlich auch im Revisionsverfahren - von Amts wegen zu\nbeachtendes Prozeßhindernis fur eine erneute gerichtliche Nachprufung des\nAnspruchs, uber den bereits entschieden worden ist (vgl. u.a. Urteile vom 26.\nOktober 1961 - BVerwG VIII C 117.60 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 2 S. 2 f.,\nvom 29. Marz 1966 - BVerwG II C 56.63 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 19 S. 34\n<37> und vom 26. April 1968 - BVerwG VI C 55.65 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr.\n30 S. 6 <7 f.>; BGH, Urteile vom 15. Dezember 1951 - II ZR 158/51 - LM § 21\nVAG Nr. 2 Bl. 1 <3>, vom 9. Februar 1979 - V ZR 108/77 - NJW 1979, 1408\nm.weit.Nachw. und vom 28. Januar 1987 - IV b ZR 12/86 - FamRZ 1987, 368\n<369>).\n\n33\n\n \n\nDie in einem rechtskraftigen Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO)\nverbindlich zum Ausdruck gebrachte, fur dieses Urteil maßgebliche\nRechtsauffassung bestimmt dessen Rechtskraftwirkung im Sinne des § 121 VwGO\n(vgl. u.a. Urteile vom 21. Dezember 1967 - BVerwG VIII C 2.67 - BVerwGE 29, 1\n<2 f.>, vom 19. Juni 1968 - BVerwG V C 085.67 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 31\nS. 10 <12 f.>, vom 22. September 1983 - BVerwG 3 C 71.82 - Buchholz 427.6 § 15\nBFG Nr. 21 S. 5 und vom 3. Dezember 1981 - BVerwG 7 C 30 u. 31.80 - Buchholz\n421.0 Prufungswesen Nr. 157 S. 48 <52>). Da die Rechtsauffassung, die ein\nBescheidungsurteil der Behorde zur Beachtung bei dem Erlaß des neuen\nVerwaltungsakts vorschreibt, sich nicht aus der Urteilsformel selbst entnehmen\nlaßt, ergibt sich der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit der\nBindungswirkung notwendigerweise aus den Entscheidungsgrunden, die die nach\ndem Urteilstenor zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im einzelnen\ndarlegen (vgl. etwa Urteile vom 3. Dezember 1981, a.a.O. S. 52, vom 19. Juni\n1968, a.a.O. S. 12 f., vom 22. September 1983, a.a.O. S. 5 und vom 1. Dezember\n1989 - BVerwG 8 C 17.87 - Buchholz 316 § 55 VwVfG Nr. 2 S. 1 <6>; Beschluß vom\n22. April 1987 - BVerwG 7 B 76.87 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 54 S. 1 <2>).\nAus diesem Grunde beschwert selbst ein Urteil, das - wie das im Vorprozeß\ngleichen Rubrums ergangene Berufungsurteil - einem Bescheidungsantrag\nstattgibt, nicht allein den Beklagten, sondern auch den Klager, wenn sich die\nvom Gericht als verbindlich erklarte Rechtsauffassung nicht mit seiner eigenen\ndeckt und fur ihn ungunstiger ist, so daß bei der erneuten Bescheidung auf\nihrer Grundlage mit einem ungunstigeren Ergebnis zu rechnen ist als bei\nAnwendung der vom Klager fur richtig gehaltenen Rechtsansicht (vgl. Urteile\nvom 3. Dezember 1981, a.a.O. S. 51 f. m.weit.Nachw. und vom 1. Dezember 1989,\na.a.O. S. 6). ..."\n\n34\n\n \n\nAllerdings ist den Beteiligten einzuraumen, dass in der sich unmittelbar\nanschließenden Passage dieses Urteils\n\n35\n\n \n\n"... Dem tragt die in dem berufungsgerichtlichen Bescheidungsurteil des\nVorprozesses ausgesprochene Klageabweisung "im ubrigen" folgerichtig Rechnung\n..."\n\n36\n\n \n\nwie auch in der Darstellung der Entscheidung der Vorinstanz im Urteil vom 3.\nDezember 1981 (7 C 30.80 -, NJW 1983, 407) der Eindruck gewonnen werden kann,\nals musse eine von der Rechtsauffassung des Klagers abweichende, zumal\nungunstigere Rechtsauffassung des Gerichts zur Klageabweisung "im Übrigen"\nfuhren.\n\n37\n\n \n\nDiese Auffassung vermag die Kammer jedoch nicht zu teilen; sie steht im\nWiderspruch zu den unmittelbar zuvor erfolgten Ausfuhrungen.\n\n38\n\n \n\nWeiterhin fuhrt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom\n24.10.2006 (- 6 B 47.06 -, NVwZ 1007, 104) aus:\n\n39\n\n \n\n"... Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidungsfindung an das im\nStreitgegenstand zum Ausdruck kommende Klagebegehren gebunden, nicht jedoch an\ndie Klagegrunde (vgl. Urteil vom 13. Juli 2000 - BVerwG 2 C 34.99 - BVerwGE\n111, 318 <320> = Buchholz 310 § 113 Abs. 5 VwGO Nr. 2 S. 2). Es kann der Klage\nim Rahmen des Streitgegenstandes auch aus anderen Grunden stattgeben, als sie\nvon dem Klager geltend gemacht werden (vgl. Kopp/ Schenke, a.a.O. § 88 Rn. 4).\nDer Klager hat es nicht in der Hand, das Gericht in der Entscheidungsfindung\nauf die Prufung bestimmter rechtlicher Erwagungen festzulegen (vgl. Clausing,\na.a.O. § 121 Rn. 57). Dies gilt auch bei Bescheidungsklagen. Auch der die\nBescheidung begehrende Klager kann die gerichtliche Prufung nicht bestimmen\n(vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. §113 Rn. 69). Diese\nbeschrankt sich nicht auf die Prufung, ob der Klager einen Anspruch auf\nNeubescheidung hat, sondern erstreckt sich auch auf die im Fall der\nVerpflichtung zur Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu treffende\nEntscheidung, welche Rechtsauffassung die Behorde bei der erneuten Bescheidung\nzu beachten hat. Soweit der Klager dazu in dem gerichtlichen Verfahren\nAusfuhrungen gemacht hat, werden diese - genauso wie sonstige Klagegrunde -\nnicht Bestandteil des Streitgegenstandes, der in dem Anspruch auf\nNeubescheidung besteht. Deshalb ist der Klager nicht gehalten, eine bei der\nNeubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zu benennen; vielmehr ergibt\nsich die nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO der Neubescheidung zugrunde zu legende\nRechtsauffassung des Gerichts aus der diesem obliegenden Amtsprufung der\nRechtslage. ..."\n\n40\n\n \n\nDas zwischen den Beteiligten ergangene Urteil vom 23. November 2004 enthalt\nneben den Ausfuhrungen betreffend die Bewertungen der Klausuren Öffentliches\nRecht I und II sowie der Klausur Strafrecht II in den Entscheidungsgrunden die\nPassage\n\n41\n\n \n\n"Weitere Klausurbewertungen sind zwar im hauptweise gestellten Klageantrag\nbezeichnet, jedoch mangels substantiierter Einwendungen nicht in den Blick zu\nnehmen. "\n\n42\n\n \n\nDamit wird dokumentiert, dass - dem Vortrag des Klagers entsprechend -\nsamtliche Klausuren in jenem Urteil einer Überprufung unterzogen worden sind.\nDass im Tenor jener Klage diese nicht "im Übrigen" abgewiesen worden ist,\nentspricht den obigen Ausfuhrungen. Eben weil die (angebliche)\nFehlerhaftigkeit der Bewertung einer Klausur Klagegrund, nicht aber\nStreitgegenstand ist (dies ist der Neubescheidungsanspruch hinsichtlich des\nNichtbestehensbescheides), kann eine Abweisung insoweit, wenn ein Klagegrund\nnicht "tragt", nicht erfolgen. Vielmehr entspricht der Antrag ("den Klager\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden") voll dem\ngleichlautenden Tenor. Ebenso wie bei Verpflichtungsklagen und\nAnfechtungsklagen spielt das Ergebnis, nicht der Erfolg gerade der\nArgumentation des Klagers, die allein maßgebende Rolle fur die Fassung des\nTenors.\n\n43\n\n \n\nDa der Klager gegen das Urteil 23. November 2004 ein Rechtsmittel nicht\neingelegt hat, ist es, bezogen auf die ubrigen Klausuren als Klagegrund, in\nmaterieller Rechtskraft erwachsen.\n\n44\n\n \n\n3\\. Aber auch dann, wenn die Kammer die gerugten Klausuren inhaltlich zu\nuberprufen hatte, ware die Nichtbefassung der Prufer mit dem\nWiderspruchsvorbringen gemaß Schriftsatz vom 6. Oktober 2005 - und die\nKlagebegrundung vom 30. Juni 2006 gibt Weiteres nicht her - nicht zu\nbeanstanden. Etwa die Vorstellung, aufgrund des (vom Klager so eingeschatzten)\nuberdurchschnittlichen Anspruchsniveaus hatte auch das Bewertungsniveau hoher\nausfallen mussen (so zu Z V, ahnlich zu S I), der Bewertungsmaßstab sei\nunangemessen (zu Z III), rechtfertigen die Annahme "wirkungsvoller Hinweise"\nebensowenig wie die durch nichts untermauerte Behauptung, der Korrektor habe\noffensichtlich das Bewertungsmodell "richtig oder falsch" statt "vertretbar\noder nicht vertretbar" zugrunde gelegt (Z III). Dass der Klager irrt, wenn er\nmeint, der Zweitkorrektor der Klausur Z III habe die Entscheidungsgrunde als\nden Schwerpunkt der Bearbeitung mit 15 % angesetzt, ergibt sich zweifelsfrei\naus dem vorliegenden Gutachten: Dieser Wert erfasst lediglich den ersten\nTeilschwerpunkt (namlich die Zulassigkeitsprufung). Wenn der Klager\nschließlich meint, "dass auch bei Prufung nicht relevanter Straftatbestande\njuristisches Wissen demonstriert werde", verkennt er die gestellte\nPrufungsaufgabe. Nach dieser steht es dem Prufling gerade nicht frei, sein\nWissen anhand selbstgewahlter Tatbestande auszubreiten, er hat vielmehr den\nihm zur Bearbeitung vorgelegten Sachverhalt auf seinen juristischen Gehalt hin\nzu prufen. Wenn es nach diesem Sachverhalt schlichtweg "falsch" ist, bestimmte\nnicht einschlagige Vorschriften zu prufen, kann nicht eine Bewertung als\n"vertretbar" verlangt werden.\n\n45\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n46\n\n \n\nDie vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,\n711 ZPO.\n\n
114,328
olgk-1999-09-10-19-u-20298
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
19 U 202/98
1999-09-10
2018-11-28 11:28:34
2019-02-11 10:39:11
Teilurteil
ECLI:DE:OLGK:1999:0910.19U202.98.00
## Tenor\n\n \n1\n\n\\- Ohne Tatbestand gem. § 313 a ZPO -\n\n2\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e : **\n\n3\n\nDie Berufung des Klagers ist zulassig, insbesondere form- und fristgerecht\neingelegt und begrundet worden.\n\n4\n\nIn der Sache hat sie teilweise Erfolg, soweit der Klager ein hoheres\nSchmerzensgeld und die Bezahlung der Kosten eines Muskelaufbautrainings\n(Klageantrage zu 3) und 6)) begehrt; in Bezug auf den Klageantrag zu 4), das\nBegehren einer Schmerzensgeldrente, war die Berufung zuruckzuweisen.\n\n5\n\nHinsichtlich der Klageantrage zu 1) (Gehaltssteigerung) und 2) (Mehrkosten der\nHaushaltsfuhrung) ist eine Beweiserhebung erforderlich und der Rechtsstreit\nnicht entscheidungsreif.\n\n6\n\n1\\.\n\n7\n\nDer Klager hat auf Grund der bei dem Unfallereignis vom 31. Oktober 1995\nerlittenen Verletzungen gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch auf\nSchmerzensgeld aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB, fur welchen die Beklagte zu 2) gem.\n§ Pflichtversicherungsgesetz gesamtschuldnerisch haftet.\n\n8\n\nDer Anspruch des Klagers ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.\n\n9\n\nAngesichts der Schwere der erlittenen Verletzungen und deren Folgen halt der\nSenat jedoch, abweichend von der landgerichtlichen Entscheidung, ein\nSchmerzensgeld i.H.v. insgesamt 60.000,00 DM, mithin nach vorprozessual\ngezahlten 27.000,00 DM weiteren 33.000,00 DM fur angemessen. Maßgeblich sind\nin erster Linie Hohe und Maß der Lebensbeeintrachtigung (Heftigkeit und Dauer\nder Schmerzen, Leiden und Entstellungen). Es entspricht gefestigter\nRechtsprechung, dass eine billige Entschadigung in Geld, die nach § 847 BGB\nbei bestimmten Rechtsgutverletzungen fur den hierdurch entstandenen nicht\nvermogensrechtlichen Schaden zu zahlen ist, in erster Linie dem Verletzten\neinen Ausgleich fur die erlittene immaterielle Beeintrachtigung bieten soll\n(BGHZ 18, 149, 156 f.; BGH NJW 1993, 781 = r+s 1993, 56, 57; BGH NJW 1993,\n1531; BGH NJW 1995, 781; BGH NJW 1996, 1591). Bei der Bemessung des\nSchmerzensgeldes muss daher das Ausmaß der Beeintrachtigung, wie auch das\nLandgericht zutreffend festgestellt hat, im Vordergrund stehen. Der Klager hat\ndurch den Unfall erhebliche Verletzungen und Schmerzen erlitten. Zwischen den\nParteien ist unstreitig, dass der Unfall bei dem Klager zu einer zweigradigen\noffenen Oberschenkelfraktur links, einer Oberarmfraktur rechts,\nRadiustrummerfraktur rechts, commotio cerebri, Weichteilverletzung am rechten\nAugenlid und Lippe, multiplen Prellungen, Pneumothorax rechts,\nAbsplitterungsfraktur der oberen Frontzahnreihe und Amnesien gefuhrt hat.\nDurch den Pneumothorax wurden zwei Tage Intensivstation mit kunstlicher\nBeatmung notwendig. Der Behandlungsverlauf im ubrigen zog sich uber mehrere\nMonate hin. So war der Klager im Anschluss an den Unfall 16 Tage in\nstationarer Behandlung, wurde sodann ambulant weiter behandelt mit intensiver\nKrankengymnastik und Gangschule. Eine erneute 10-tagige stationare Behandlung\nwurde notwendig nach Bruch der Osteosyntheseplatte und des linken\nOberschenkelknochens mit der Notwendigkeit einer weiteren Operation. Im\nAnschluss verzogerte sich die Heilung, der Klager konnte erst nach drei\nMonaten mit einer vorsichtigen Teilbelastung beginnen. Die operative\nEntfernung eines Implantates steht noch aus. Schließlich war eine prothetische\nVersorgung und Herstellung der Zahnfacetten der Frontzahnreihe des Klagers\nerforderlich. Der Klager war insgesamt 11 Monate zu 100 % in der\nErwerbsfahigkeit gemindert, fur die Dauer von 8 Monaten bestand eine Minderung\nder Erwerbsfahigkeit von 70 %. Der Klager wird nach heutigen Erkenntnissen\ndauerhaft zu 50 % in der Erwerbsfahigkeit gemindert sein. Daruber hinaus hat\nder Unfall, wie auch das Landgericht zutreffend festgestellt, fur den Klager\nweitere gravierende Dauerfolgen. Der 34-jahrige Klager kann seinen Beruf als\nLagerverwalter nicht mehr ausuben. Er hat belastungsabhangige Schmerzen am\nrechten Arm und der rechten Hand sowie im linken Oberschenkel und im linken\nKniegelenk. Das Kniegelenk selbst ist instabil. Daruber hinaus liegt eine\nleichte Kraftminderung des rechten Armes gegenuber links, verbunden mit\nleichtem Muskeldefizit im Bereich des rechten Oberarmes und im Bereich des\nlinken Beines ein deutliches Muskeldefizit am linken Oberschenkel vor. Der\nSenat hat sich davon uberzeugt, dass der Klager ein hinkendes Gangbild\naufweist.\n\n10\n\nAls Folge des Unfalls hat der Klager daruber hinaus als Dauerschaden sehr\nlange Narben im Bereich des rechten Oberarmes und des linken Oberschenkels und\nzusatzlich eine quer verlaufende 12 cm große Narbe am linken Oberschenkel\nzuruckbehalten.\n\n11\n\nDer Klager litt und leidet unter unfallbedingten Depressionen,\nWetterfuhligkeit und einer Einschrankung seines Sexuallebens. Zwar haben die\nBeklagten diese Unfallfolgen bestritten, es spricht aber der Beweis des ersten\nAnscheins fur den Klager. Es handelt sich bei den von ihm behaupteten\nBeeintrachtigungen namlich um Unfallfolgen, die nach dem ublichen Verlauf der\nDinge bei den geschilderten Verletzungen regelmaßig zu erwarten sind.\nAndererseits hat der Klager seine Angaben hierzu jedoch nicht so spezifiziert,\ndass erkennbar ware, dass sich die Beeintrachtigungen in einem Rahmen bewegen,\nwelcher die zu erwartenden Unfallreaktionen ubersteigen wurde.\n\n12\n\nDie von dem Klager behaupteten Erinnerungslucken als Folge des\nUnfallereignisses konnen dagegen keine Berucksichtigung finden, da sie nach\nArt, Umfang, Dauer und Haufigkeit des Auftretens nicht beschrieben werden.\n\n13\n\nBei der Bemessung des Schmerzensgeldes war auch die ihm zukommende\nGenugtuungsfunktion einzubeziehen.\n\n14\n\nDie gem. § 847 BGB erforderliche billige Entschadigung darf grundsatzlich alle\nin Betracht kommenden Umstande des Falles berucksichtigen, darunter auch den\nGrad des Verschuldens des Verpflichteten und die wirtschaftlichen Verhaltnisse\nbeider Parteien (BGHZ 18, 149 ff.). Es ist in der Rechtsprechung grundsatzlich\nanerkannt, dass der Schmerzensgeldanspruch jedenfalls in Fallen groben\nVerschuldens eine doppelte Funktion hat: Er soll dem Geschadigten einen\nangemessenen Ausgleich fur diejenigen Schaden bieten, die nicht\nvermogensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass\nder Schadiger dem Geschadigten Genugtuung schuldet fur das, was er ihm angetan\nhat (BGHZ 18, 149; BGH NJW 1993, 1531; BGH NJW 1995, 781; BGH NJW 1996, 1591;\nOLG Frankfurt am Main, VersR 1995, 544; OLG Koln, VersR 1992, 975). Die\nDoppelfunktion des Schmerzensgeldanspruchs ist nach der Rechtsprechung des BGH\nund der heute herrschenden Meinung anerkannt (Munchner Kommentar Stein, § 847\nRdnr. 3 m.w.N.). Bei der Definition des Begriffs der Genugtuung wendet sich\nder BGH allerdings explizit gegen ein Vverstandnis der Genugtuungsfunktion als\nEinfallstor fur Straf- oder Bußelemente in die Schmerzensgeldbemessung (BGH\nNJW 1995, 781). Vielmehr trage die Berucksichtigung des Verschuldens eine\nbesonderen Einstellung des Verletzten gegenuber der Person des Schadigers\nRechnung, die fur einen angemessenen Ausgleich zu berucksichtigen sei (BGH\na.a.O.). Dies rechtfertigt es jedenfalls bei vorsatzlichen\nRechtsgutverletzungen auch ein Genugtuungsbedurfnis des Geschadigten zu\nberucksichtigen, welches von einem etwaigen Strafanspruch des Staates zu\nunterscheiden ist (BGH NJW 1995, 781). Gleiches muss fur grob fahrlassige\nRechtsgutverletzungen gelten, da auch hier ein im besonderen Maße die\nverkehrsubliche Sorgfalt verletzendes Verhalten des Schadigers das Geschehen\nfur den Geschadigten aus dem Bereich des allgemeinen Lebensrisikos herausruckt\n(vgl. hierzu OLG Koln VersR 1992, 975). So ist es auch hier, die Verletzungen\ndes Klagers beruhten auf einem grob fahrlassigen Verkehrsverstoß des Beklagten\nzu 1). Dieser hat plotzlich unvorhersehbar auf der Fahrbahn gewendet und dabei\nden Unfall verursacht.\n\n15\n\nBei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind sodann zwar grundsatzlich auch die\nwirtschaftlichen Verhaltnisse des Schadigers einzubeziehen. Findet namlich der\nVerpflichtete Ersatz seiner Leistung durch ein Ausgleichsanspruch oder durch\neine Haftpflichtversicherung, so ist dies bei der Beurteilung seiner\nwirtschaftlichen Lage zu berucksichtigen (BGHZ 18, 149, 165). Ein Schadiger,\nder in Hohe der Versicherungssumme durch den Haftpflichtversicherer von seiner\nHaftung freigestellt wird, ist wirtschaftlich gunstiger gestellt, als ein\nSchadiger der die Schaden aus unerlaubter Handlung allein zu tragen hat (BGH\na.a.O., 166). Die Einbeziehung der Haftpflichtversicherung des Schadigers in\ndie Schmerzensgeldbemessung kann jedoch in Verkehrsunfallsachen nur dazu\nfuhren, dass eine Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsunfallopfern erfolgt.\nAufgrund der in Deutschland bestehenden Haftpflichtversicherungspflicht sind\ndie Schadiger in diesem Punkt in aller Regel wirtschaftlich gleichgestellt.\nDie Berucksichtigung der Leistungsfahigkeit des Schadigers konnte und musste\ndaher in verstandigen Grenzen erfolgen.\n\n16\n\nNach allem war dem Klager ein Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 60.000,00 DM\nzuzubilligen.\n\n17\n\n2)\n\n18\n\nDie Voraussetzung zur Zahlung einer Schmerzensgeldrente lagen dagegen nicht\nvor. Eine Schmerzensgeldrente kommt neben einer Kapitalabfindung nur in engen\nbegrenzten Ausnahmefallen in Betracht, so bei schweren voraussichtlich\nlebenslangen Dauerschaden (BGH VersR 1997, 65). Dies gilt beispielsweise fur\nden Fall, in dem eine lebenslangliche Beeintrachtigung auch mit zunehmendem\nAlter immer wieder neu und immer wieder schmerzlich empfunden wird. Eine Rente\ngibt dem Geschadigten die Moglichkeit, sein beeintrachtigtes Lebensgefuhl\nstets von neuem durch zusatzliche Erleichterung und Annehmlichkeiten zu heben\n(BGH VersR 1993, 113 = NJW RR 1993, 146). Dies ist der Fall bei schwersten\nlebenslangen Beeintrachtigungen und standigen starken Schmerzen sowie eine\nerheblichen Beeintrachtigung der Lebensqualitat (vgl. OLG Frankfurt Recht und\nSchaden 1992, 91; OLG Dusseldorf VersR 1997, 65). Vorliegend bewegen sich die\nDauerfolgen des Unfalls fur den Klager jedoch noch in einem Rahmen, in welchem\neine einmalige Abfindung zu gewahren ist.\n\n19\n\nDie beantragte Rente von 250,00 DM/Monat stunde auch nicht in einem\nausgewogenen Verhaltnis zu einem vergleichbaren Kapitalbetrag. Eine\nKapitalisierungsberechnung (vgl. hierzu BGH VersR 1976, 967; OLG Dusseldorf,\nVersR 1997, 65) ergabe bei dem 35-jahrigen Klager einen Kapitalbetrag von\n47.910,00 DM (250,00 DM x 12 x 16,97; vgl. Kapitalisierungstabelle bei\nBecker/Bohme, Kraftverkehrshaftpflichtschaden, 576). Der Rahmen des dem Klager\nzuzubilligenden Schmerzensgeldes wurde durch eine Rente in beantragter Hohe\ndeutlich uberschritten.\n\n20\n\n3)\n\n21\n\nDer Klager hat gegen den Beklagten zu 1) schließlich einen Anspruch aus § 823\nAbs. 1 BGB i.V.m. § 843 BGB auf Zahlung von 400,00 DM wegen der\nInanspruchnahme eines Fitnesscenters zum Muskelaufbautraining, fur welchen die\nBeklagte zu 2) gem. § 3 Pflichtversicherungsgesetz gesamtschuldnerisch haftet.\n\n22\n\nDer Klager kann von den Beklagten die Kosten des Muskelaufbautrainings sowohl\naus dem Gesichtspunkt der Wiederherstellung seines Gesundheitszustandes als\nauch Entrichtung einer Geldrente bei Vermehrung seiner Bedurfnisse verlangen.\nDer Klager hat durch Vorlage einer internistischen Bescheinigung des\nbehandelnden Arztes Dr. D. vom 29.12.1997 die Notwendigkeit eines regelmaßigen\nMuskelaufbautrainings sowie eines Koordinationstrainings in einem geeigneten\nTherapiezentrum unter Einleitung eines Diplomsportlehrers bewiesen. Die\nBeklagten konnen dem Klager nicht entgegenhalten, er sei im Rahmen seiner\nSchadensminderungspflicht gem. § 254 BGB gehalten, das Muskelaufbautraining\nbei einem Heilgymnasten durchzufuhren, da nur diese Kosten durch die\nKrankenversicherung erstattet wurden. Der Geschadigte ist namlich\ngrundsatzlich berechtigt, die zur Schadensbeseitigung am besten geeigneten\nMaßnahmen zu ergreifen. Dies ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte in\nder Regel die von dem Arzt empfohlene Behandlungsmethode, hier das gezielte\nMuskelaufbautraining im Fitnessstudio. Daruber hinaus liegt es auf der Hand,\ndass ein mit Spezialgeraten besonders ausgestattetes Fitnessstudio i.V.m.\neinem Diplomsportlehrer andere und bessere Moglichkeiten zur Durchfuhrung\neines Muskelaufbautrainings hat, als der Krankengymnast.\n\n23\n\nDer Zinsanspruch des Klagers folgt in zuerkannter Hohe aus §§ 286, 288 Abs. 1\nBGB.\n\n24\n\nDie Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung\nuber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10, 713 ZPO.\n\n25\n\nWert der Beschwer fur den Klager: 54.750,00 DM\n\n26\n\n(37.000,00 DM + 17.500,00 DM);\n\n27\n\nfur die Beklagten: 20.400,00 DM.\n\n
128,800
olgsl-2006-07-31-8-u-26903-58
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
8 U 269/03 - 58
2006-07-31
2019-01-07 09:35:30
2019-02-12 12:11:53
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Erstberufung der Beklagten wird das am 1. April 2003 verkundete\nUrteil des Landgerichts Saarbrucken - 7 IV O 52/01 - zu Ziffer 1. dahin\nabgeandert, dass die Klage insoweit abgewiesen wird.\n\nII. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem Klager zu 2/3 und\nder Beklagten zu 1/3 auferlegt.\n\nDie Kosten des Berufungsverfahrens hat der Klager insgesamt zu tragen.\n\nIII. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDem Klager wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte (wegen der\nKosten) durch Sicherheitsleistung in Hohe von 115 % des beizutreibenden\nBetrages abzuwenden, es sei denn, diese leistet zuvor Sicherheit in gleicher\nHohe.\n\nIV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\nV. Der Wert der Beschwer des Klagers ubersteigt 20.000,- EUR.\n\n## Gründe\n\nA.\n\nDer Klager wurde von der Rechtsvorgangerin der Beklagten am 18.6.1985 mit\nWirkung ab 16.10.1985 zum Vorstandsmitglied bestellt; zugleich wurde am\n16.10.1985 ab diesem Zeitpunkt ein entsprechender "Dienstvertrag" (Blatt 16 -\n20) abgeschlossen, welcher dann ab 1.1.1997 durch einen "Vorstandsvertrag" mit\nder Beklagten (Blatt 21 - 23) ersetzt worden ist. Zuletzt haben die Parteien\nunter dem 7.12.2000 ab 1.7.2000 einen neuen "Vorstandsvertrag" fur die Dauer\nvon 5 Jahren (Blatt 28 - 29) geschlossen.\n\nAnlasslich einer gemeinsamen Sitzung von Aufsichtsrat und Vorstand der\nBeklagten am 30.3.2001 wurde der Klager nach § 40 GenG vom Amt des\nVorstandsvorsitzenden vorlaufig suspendiert.\n\nNachdem der Klager eine gutliche Einigung uber sein Ausscheiden durch\nSchreiben vom 10.4.2001 (Blatt 32) abgelehnt hatte, berief der Aufsichtsrat\nmit Schreiben vom 23.4.2001 (Blatt 33/34) eine außerordentliche\nVertreterversammlung auf den 4.5.2001 ein. In dieser Versammlung (Protokoll:\nBlatt 189 - 200) wurde zunachst - mit der erforderlichen 3/4-Mehrheit gemaß\nalter Satzung - eine Satzungsanderung dahingehend beschlossen, dass unter\nanderem die fur Amtsenthebung und Kundigung des Dienstvertrages des Vorstandes\ngemaß der alten Satzung (Blatt 48 - 57) vorgesehene Mehrheit von 3/4 der\nerschienenen Vertreter in eine einfache Mehrheit gemaß neuer Satzung\nabgeandert wurde (Blatt 35 - 45). Sodann wurde mit jeweils einfacher Mehrheit\nunter TOP 4.1 die Suspendierung des Klagers bestatigt und unter TOP 4.2 die\nfristlose Kundigung des Dienstvertrages mit dem Klager beschlossen.\n\nMit Schreiben vom 7.5.2001 (Blatt 123 - 126) teilte der\nAufsichtsratsvorsitzende der Beklagten dem Klager "nochmals vorsorglich" die\naußerordentliche Kundigung seines Dienstvertrages mit.\n\nVorliegend begehrt der Klager - abgesehen von einem nicht mehr in die Berufung\ngelangten Begehren betreffend eine - weitere - fristlose Kundigung des\nDienstvertrages vom 16.7.2001 - die Feststellung der Unwirksamkeit der am\n4.5.2001 beschlossenen Bestatigung seiner Suspendierung sowie der\naußerordentlichen Kundigung seines Dienstvertrages vom 4.5./7.5.2001 _._ Er\nberuft sich auf formelle und materielle Mangel der Beschlusse, insbesondere\ndarauf, dass die Vertreterversammlung (VV) vom 4.5.2001 nicht unverzuglich\neinberufen worden sei und unrichtigerweise bereits die Quoren der neuen\nSatzung zugrundegelegt habe, sowie, dass die Kundigungsgrunde, soweit sie\nuberhaupt Gegenstand der Erorterungen in der Versammlung vom 4.5.2001 gewesen\nund damals noch nicht gemaß § 626 Abs. 2 BGB verfristet gewesen seien,\nsachlich nicht gerechtfertigt seien.\n\nHinsichtlich des durch das Landgericht wegen Verfristung abgewiesenen\nKlageantrages zu 1) - Feststellung der Unwirksamkeit der Suspendierung - hat\nder Senat die hiergegen eingelegte Zweitberufung des Klagers mit Teilurteil\nvom 5. August 2004 (Blatt 988-999), auf das vollinhaltlich Bezug genommen\nwird, zuruckgewiesen. Die insoweit eingelegte - zugelassene - Revision wurde\nmit Schriftsatz des Rechtsanwalts beim BGH Dr. G. vom 9.1.2006 (Blatt 1048)\nzuruckgenommen.\n\nHinsichtlich des Klageantrages zu 2) - Feststellung der Unwirksamkeit der\nKundigung vom 4.5./7.5.2001 - hat das Landgericht der Klage durch das\nangefochtene Urteil (Blatt 583-628), auf dessen tatsachliche und rechtliche\nFeststellungen vollumfanglich gemaß § 540 Abs. 1, Satz 1, Nr. 1 ZPO Bezug\ngenommen wird, nach umfanglicher Beweisaufnahme stattgegeben. Zur Begrundung\nhat es im Wesentlichen ausgefuhrt, dass die geltend gemachten\nKundigungsgrunde, soweit sie uberhaupt in der Vertreterversammlung vorgetragen\nworden seien - was fur die "Schieflage" der Bank nicht gelte -, nur teilweise,\nund zwar wie folgt begrundet seien: Der Klager habe eine gewisse Dominanz der\nS.-Bank bei den Fusionsverhandlungen hingenommen, er habe nicht fur\nausreichende personelle Ausstattung der Abteilung Marktfolge - Kredit gesorgt,\ner habe sich gegen die Aufsichtsratsbeschlusse betreffend die\nNichtdurchfuhrung der Fusion zur Wehr gesetzt, er habe die Frage der\nDatenweitergabe nicht mit dem Aufsichtsrat besprochen und habe das Schreiben\ndes Bundesaufsichtsamtes fur das Kreditwesen vom 18.12.2000 (Blatt 78 - 80)\nnicht unverzuglich dem Aufsichtsrat vorgelegt.\n\nDiese Kundigungsgrunde seien aber angesichts der vorzunehmenden\nInteressenabwagung nicht geeignet, die Fortsetzung des Dienstverhaltnisses mit\ndem Klager bis zur regularen Beendigung als unzumutbar erscheinen zu lassen:\nDies folge zum Einen daraus, dass der Klager bis zur Aufnahme der\nFusionsverhandlungen mit der S.-Bank und der VVBS beanstandungsfrei gearbeitet\nhabe und auch eine Abmahnung seitens der Beklagten nicht erfolgt sei; zum\nAnderen daraus, dass die Beklagte das Dienstverhaltnis mit dem (mindestens)\nebenso verantwortlichen Vorstandsmitglied S. nicht fristlos gekundigt habe.\n\nHiergegen richtet sich die Erstberufung der Beklagten, die ihren\nursprunglichen Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Feststellung der\nUnwirksamkeit der fristlosen Kundigung vom 4.5./7.5.2001 weiterverfolgt. Sie\nrugt diesbezuglich, das Landgericht habe die von ihr vorgebrachten\nKundigungsgrunde teils nicht, teils nicht vollstandig und teils nicht in ihrer\nrechtlichen Tragweite berucksichtigt. Im Wesentlichen beanstandet sie damit\ndie insoweit dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden tatsachlichen und\nrechtlichen Wertungen.\n\nIm Einzelnen wendet die Beklagte hinsichtlich der vom Landgericht nur\neingeschrankt bzw. nicht angenommenen Kundigungsgrunde folgendes ein:\n\n> \\- Der Inhalt der Zeugenaussage Karrenbauer sei schon deshalb nicht\n> geeignet, den Vorwurf unberechtigter Weitergabe umfassender Kundendaten\n> anlasslich der Fusionsgesprache zu entkraften, weil der Zeuge nur zur\n> Datenweitergabe an die S. Bank bekundet habe und zwischenzeitliche\n> Nachforschungen ergeben hatten, dass sensible Kundendaten auch an die VVBS -\n> Herrn Alt - gegangen seien, in Bezug auf den eine „Treuhanderstellung"\n> klagerseits nicht behauptet sei. Zudem habe der Erstrichter nicht\n> berucksichtigt, dass der Klager die Vertreterversammlung am 4.5.2001 zu\n> diesem Punkt, insbesondere hinsichtlich der Datenqualitat ausdrucklich\n> belogen habe.\n\n> \\- Unberucksichtigt geblieben sei auch der Umstand, dass der Klager in der\n> Vertreterversammlung wahrheitswidrig in Abrede gestellt habe, mit dem\n> „Mitarbeiterbrief" etwas zu tun gehabt zu haben.\n\n> \\- Das Landgericht habe die Zeugenaussagen So. und Ma. nicht hinreichend\n> gewurdigt, aus denen sich ergebe, dass der Klager bei den\n> Fusionsverhandlungen die Interessen der Beklagten nicht richtig wahrgenommen\n> habe.\n\n> \\- Gegenstand der Erorterungen und vorgetragener Kundigungsgrund in der\n> Vertreterversammlung vom 4.5.2001 im Zusammenhang mit den dort verteilten\n> Unterlagen seien nicht nur das diesbezugliche illoyale Informationsverhalten\n> des Klagers, sondern auch der Inhalt des Schreibens des BA Kred vom\n> 18.12.2000 sowie der letzten Seite des Prufungsberichts vom 11.4.2001,\n> insbesondere die dort angesprochenen Mangel der Geschaftstatigkeit des\n> Vorstandes sowie des internen Kontrollsystems der Beklagten, außerdem die\n> mangelhafte Ausstattung des Marktfolgebereiches und nicht zuletzt die sich\n> daraus ergebende von dem Klager zu verantwortende „Schieflage" der Beklagten\n> gewesen.\n\n> \\- Das Landgericht habe zudem nicht beachtet, dass der Klager den\n> Aufsichtsrat hinsichtlich wesentlicher Geschaftsvorgange belogen und ihm ein\n> falsches Bild der tatsachlichen Situation der Bank vorgespiegelt habe. Es\n> sei gerade nicht erwiesen, dass der Aufsichtsrat - zeitnah - uber den\n> tatsachlichen Wertberichtigungsbedarf jeweils informiert worden sei. Wie\n> sich auch aus dem Schreiben des BA Kred vom 23. Mai 2001 (Blatt 692 ff.)\n> ergebe, habe der Vorstand vielmehr durch Zuordnung nur geringer\n> Kreditvolumen zur Risikogruppe 3 ein beruhigendes Bild von der Risikolage\n> der Bank erzeugt. Der im Rahmen der Sonderprufung der PwC bzw. vom\n> Prufungsverband ermittelte erhohte Wertberichtigungsbedarf sei gegenuber dem\n> Aufsichtsrat als absolut nicht erforderlich bezeichnet worden. In diesem\n> Zusammenhang habe der Klager dem Aufsichtsrat auch vollig falsche\n> Informationen uber Kreditengagements gegeben. So habe er den Aufsichtsrat in\n> der Sitzung vom 30.3.2001 weder auf die schriftliche Mitteilung des\n> Kreditnehmers Fe., den Kredit selbst nicht mehr zuruckzahlen zu konnen,\n> hingewiesen noch darauf, dass hinsichtlich des Engagements Ta. - Schaden\n> -St. zwei Kreditraten nicht gezahlt worden seien und der Kreditnehmer Ta. in\n> Haft sei.\n\n> \\- Anzulasten sei dem Klager schließlich, dass er nicht den vom Zeugen Mar.\n> als geschaftsublich bestatigten Abschluss einer\n> Vertrauensschadensversicherung veranlasst, den in Rede stehenden\n> Veruntreuungsfall eines Mitarbeiters zu verantworten und an dem\n> Fusionsvorhaben auch nach Ablehnung durch den Aufsichtsrat festgehalten\n> habe.\n\n> Die Beklagte wendet sich schließlich auch gegen die landgerichtliche\n> Interessenabwagung, bei der der Erstrichter nicht hinreichend berucksichtigt\n> habe, dass eine Abmahnung des Klagers hier entbehrlich gewesen sei und eine\n> Ungleichbehandlung in Bezug auf das weitere damalige Vorstandsmitglied S.\n> schon deshalb nicht vorliege, weil dieses vereinbarungsgemaß zum 31.5.2001\n> bei der Beklagten ausgeschieden sei.\n\nDie Beklagte beantragt (Blatt 657, 923, 1026),\n\n> unter Abanderung der angefochtenen Entscheidung die Klage, soweit sie sich\n> gegen die Kundigung vom 4.5./7.5.2001 wendet, abzuweisen.\n\nDer Klager beantragt (Blatt 705, 923, 1026),\n\n> die Erstberufung der Beklagten zuruckzuweisen.\n\nEr verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es von der Beklagten angegriffen\nwird, unter Wiederholung und Vertiefung seiner fruheren Argumente. Er bleibt -\nzum Teil auch gegen die Ausfuhrungen des Landgerichts - dabei, den\nAufsichtsrat regelmaßig und umfassend informiert, die Vertreterversammlung\nnicht belogen, die Fusion - bezuglich der erst am 16.3.2001 von einer\ndefinitiven Ablehnung habe die Rede sein konnen - gut und professionell in\nAngriff genommen, beim sogenannten „Mitarbeiterbrief" lediglich auf Wunsch\ngeholfen sowie das Schreiben des BA Kred vom 18.12.2000 nicht verheimlicht zu\nhaben. Bezuglich letzterem sei er davon ausgegangen, dass es dem Aufsichtrat\nvorliege.\n\nEine „Schieflage" der Beklagten sei bei seinem Ausscheiden am 30.3.2001 noch\nnicht abzusehen gewesen; soweit sie erst spater entstanden sei, handele es\nsich um einen unzulassigerweise nachgeschobenen Kundigungsgrund. Dies gelte in\ngleicher Weise fur das Schreiben des BA Kred vom 23. Mai 2001.\n\nUnabhangig davon sei die Kundigung vom 4.5./7.5.2001 auch aus formalen Grunden\nunwirksam. Die Beklagte habe die Einberufung der Vertreterversammlung\nunangemessen verzogert, so dass die Kundigung unter Verletzung von § 626 Abs.\n2 BGB erfolgt sei. Zudem konne die Kundigung auch nur auf die - nicht\ngegebenen - im Kundigungsschreiben niedergelegten Grunde gestutzt werden.\n\nBezuglich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den\nParteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie\nauf die Sitzungsniederschrift vom 18. Mai 2006 (Blatt 1021 ff.) Bezug\ngenommen.\n\nDer Senat hat gemaß Beweisbeschluss vom 5. August 2004 (Blatt 1000 f.) Beweis\nerhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die\nSitzungsniederschrift vom 18. Mai 2006 (Blatt 1022 - 1026) verwiesen.\n\nB .\n\nDie Erstberufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO\nstatthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begrundet worden, mithin\nzulassig.\n\nSie hat auch in der Sache Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht,\nsoweit sich die Beklagte gegen sie wendet, auf einer kausalen Rechtsverletzung\nim Sinne des § 546 ZPO und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen\nrechtfertigen insoweit eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.\n\nEntgegen der Auffassung des Landgerichts ist die in Rede stehende\naußerordentliche Kundigung des Dienstvertrages des Klagers vom 4./7.5.2001\nwirksam und das gegenteilige klagerische Feststellungsbegehren demgemaß\nunbegrundet. Diese Kundigung ist nicht schon, wie der Klager meint, aus\nformalen Grunden unwirksam (I.); nach Ansicht des Senats ist sie auch sachlich\nbegrundet (II.), da mit dem Erstrichter bereits auf der Grundlage der\nerstinstanzlichen Beweisaufnahme - teils schwerwiegende - Pflichtenverstoße\nund illoyales Verhalten des Klagers im Zusammenhang mit den\nFusionsverhandlungen, der Information des Aufsichtsrates sowie der\nbankinternen Organisation (vgl. im Einzelnen Ziffer IV., V., VII., VIII. und\nIX. sowie die Zusammenfassung unter Ziffer XI. 1. der angefochtenen\nEntscheidung; Blatt 606-623) angenommen werden konnen, welche (Beweis-)\nWurdigung der Klager in der Berufungsinstanz nicht erheblich in Frage zu\nstellen vermochte (1.), nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen\nBeweisaufnahme weitere Pflichtenverstoße und illoyales Verhalten des Klagers\nim Zusammenhang mit der Geschaftsfuhrung sowie der Information des\nAufsichtsrates zur Überzeugung des Senats erwiesen sind (2.) und der Senat bei\ndieser Sachlage nach umfassender Interessenabwagung die Unzumutbarkeit der\nFortsetzung des Dienstverhaltnisses mit dem Klager fur die Beklagte bejaht\n(3.).\n\nI .\n\nZur Unwirksamkeit fuhrende formale Bedenken bestehen hinsichtlich der\nstreitgegenstandlichen außerordentlichen Kundigung - was der Erstrichter\nteilweise offen gelassen hat - nicht. Insbesondere scheitert diese Kundigung\nweder wegen Verstoßes gegen genossenschaftsrechtliche Verfahrensvorschriften\n(1.) noch wegen etwaiger Verfristung gemaß § 626 Abs. 2 BGB (2.) noch im\nHinblick auf eine fehlende Abmahnung des Klagers (3.).\n\n1.\n\nAuf die vom Klager auch in der Berufungsinstanz behaupteten\nverfahrensrechtlichen Mangel des Kundigungsbeschlusses der\nVertreterversammlung der Beklagten vom 4. Mai 2001 kommt es im vorliegenden\nZusammenhang von vornherein nicht an, da es sich hierbei ersichtlich nicht um\nNichtigkeitsgrunde handelt, die von jedem Genossen im Wege der Nichtigkeits-\nbzw. Feststellungsklage geltend gemacht werden konnen (vgl. BGH ZfG 1982,\n296), und dem Klager die Geltendmachung von bloßen Anfechtungsgrunden\naußerhalb des Verfahrens der Anfechtungsklage - die hinsichtlich des\nKundigungsbeschlusses erkennbar nicht erhoben ist, im Übrigen auch verfristet\nware (vgl. Teilurteil des Senats vom 5.8.2004, Seite 10 f.; Blatt 997/998) -\nverwehrt ist (vgl. BGHZ 70, 384, 388); insoweit muss er es hinnehmen, dass die\nZustandigkeitsordnung des Genossenschaftsgesetzes ausschließt, dass ein\n„einfacher" Genosse, der nicht Mitglied der Vertreterversammlung ist, deren\nBeschlusse wegen Anfechtungsgrunden auf dem Wege der Feststellungsklage\nangreift (vgl. Beschluss des BGH vom 14. November 2005, II ZR 212/04, in\nvorliegender Sache; Blatt 1041 ff.).\n\nSoweit der Klager zunachst Mangel der Einberufung der Vertreterversammlung\nrugt, die nicht „ohne Verzug" und mit nicht ordnungsgemaßen\nEinladungsschreiben erfolgt sei, hatte dies anerkanntermaßen nur die\nAnfechtbarkeit des Kundigungsbeschlusses zur Folge, es sei denn, dass die\nVersammlung uberhaupt nicht mehr als - angekundigte - Vertreterversammlung\ngelten kann (vgl. Beuthin, GenossenschG, 14. Aufl. 2004, Rn. 20 zu § 51 sowie\nLang/Weidmuller/Metz, GenossenschG, 32. Aufl. 1998, Rn. 40 zu § 51, jeweils\nm.w.N.). Davon kann indessen ersichtlich nicht die Rede sein, zumal der\nBeschluss uber die außerordentliche Kundigung des Klagers als\nTagesordnungspunkt in der Einladung ausdrucklich angefuhrt ist.\n\nUnd auch der ferner gerugte Umstand, dass bei Abstimmung uber die\naußerordentliche Kundigung das Quorum der alten Satzung nicht eingehalten\nwurde, fuhrt lediglich zur Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses (vgl.\nRGZ 60, 409, 414; BGHZ 14, 25; BGH WM 1960, 860; BB 1961, 802; Beuthien,\na.a.O., Rn. 21; Lang/Weidmuller/Metz, a.a.O., Rn. 45).\n\nDer Wirksamkeit der Kundigung steht schließlich eine etwa nicht ausreichende\nAnhorung des Klagers ebensowenig entgegen wie der Umstand, dass der in der\nVertreterversammlung gefasste Kundigungsbeschluss nicht - umfassend - mit\nschriftlich niedergelegten Kundigungsgrunden versehen worden ist (vgl. BGH NJW\n1984, 2689 m.w.N.). Auf den Inhalt der Kundigungsmitteilung vom 7. Mai 2001\nkommt es entgegen der Ansicht des Klagers ohnehin nicht an, da der - wie hier\n- formlich festgestellte Kundigungsbeschluss konstitutive Wirkung hat (vgl.\nBGH DB 1997, 153 ff.) und die fristlose Kundigung, wenn das betroffene\nVorstandsmitglied - wie der Klager im vorliegenden Fall - in der betreffenden\nVertreterversammlung selbst anwesend ist, sofort wirksam wird (vgl.\nLang/Weidmuller/Metz, a.a.O., Rn. 13 zu § 40). Zudem wurde eine Verletzung von\n§ 626 Abs. 2, Satz 3 BGB allenfalls eine Schadensersatzpflicht nach sich\nziehen (vgl. BGH NJW 2004, 1528; NZG 2005, 714).\n\n2.\n\nEntgegen der Auffassung des Klagers hat die Beklagte auch nicht das Recht zum\nAusspruch der fristlosen Kundigung etwa wegen Nichteinhaltens der zweiwochigen\nKundigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB verloren. Fur die die Zweiwochenfrist in\nLauf setzende Kenntnis kommt es namlich, was auch der Klager nicht verkennt,\nallein auf den Wissensstand des zur Entscheidung uber die fristlose Kundigung\nberufenen und bereiten Gremiums der Genossenschaft an; das sind hier bei der\nBeklagten nicht Aufsichtsrat oder Teile der Vertreterversammlung sondern die\nMitglieder der gemaß § 13 Abs. 2, Satz 3 und 4 der alten Satzung (vgl. Blatt\n51) bzw. § 18 Abs. 4, Satz 2 und 3 der neuen Satzung (vgl. Blatt 39) fur die\naußerordentliche Kundigung des Dienstverhaltnisses des Klagers als Vorstand\nzustandigen Vertreterversammlung der Beklagten in ihrer Eigenschaft als\nMitwirkende an der kollektiven Willensbildung in der Versammlung vom 4. Mai\n2001 (vgl. BGH NJW 1984, 2689; NJW 1998, 3274; DStR 2000, 564; NJW-RR 2002,\n173; OLG Koln DB 1994, 471; OLG Karlsruhe NZG 1999, 1012).\n\nWird allerdings die Einberufung der Vertreterversammlung einer Genossenschaft\ndurch den einberufungsberechtigten Aufsichtsrat nach dessen Kenntniserlangung\nvon dem Kundigungssachverhalt unangemessen verzogert, so muss sich die\nGenossenschaft so behandeln lassen, als ware die Vertreterversammlung mit der\nbilligerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden, wobei kein\nkleinlicher Maßstab angelegt werden darf. Auf diese Weise bleibt die\nAusschlussfrist der Vertreterversammlung als dem zur Kundigung befugten Organ\nin vollem Umfang als Überlegungsfrist erhalten und wird nicht vorweg ganz oder\nteilweise durch die Zeit aufgezehrt, die die Einberufung der Versammlung\nerfordert (BGH, a.a.O., S. 3275 sowie a.a.O., S. 2690; OLG Koln, a.a.O.; OLG\nKarlsruhe a.a.O.).\n\nNach diesen Grundsatzen ist vorliegend eine Verfristung der außerordentlichen\nKundigung aufgrund des Beschlusses vom 4. Mai 2001 nicht gegeben. Davon\nausgehend, dass der Aufsichtsrat nach Suspendierung des Klagers am 30.3.2001\nzulassigerweise mit diesem zunachst uber eine einvernehmliche Trennung\nverhandelt hat, was keine unangemessene Verzogerung der Sachbehandlung\nbegrundete und ihn zunachst einmal von der sofortigen Einberufung der\nVertreterversammlung entband (vgl. BGH NJW 1984, 2689/2690), dass nach\nScheitern dieser Vergleichsgesprache am 10.4.2001 (vgl. Schreiben des\nKlagervertreters vom gleichen Tage; Blatt 32) die Ladung fruhestens am\n11.4.2001 hatte veranlasst werden und dann am 14.4.2001 (Samstag nach\nKarfreitag) den Genossen hatte zugehen konnen, und dass daher gemaß § 28 Abs.\n3 der alten Satzung in Verbindung mit § 46 Abs. 1 GenossenschG sowie §§ 187\nAbs. 1, 188 Abs. 1, 193 BGB die Vertreterversammlung fruhestens am 23.4.2001\n(Montag) hatte stattfinden konnen, konnte allenfalls fur den 23.4.2001 eine\nangemessen zugige Einberufung der Versammlung angenommen werden. Das sieht im\nÜbrigen der Klager selbst letztlich ebenso (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom\n19.7.2004; Blatt 945). Soweit sich die Beklagte danach allenfalls so behandeln\nlassen musste, als ob sie am 23.4.2001 Kenntnis vom Kundigungssachverhalt\nerlangt hatte, war bei Kundigungsausspruch am 4. Mai 2001 - auf die\nKundigungsmitteilung vom 7. Mai 2001 kommt es hierbei, wie ausgefuhrt, wegen\nderen rein deklatorischen Charakters nicht an - die Zweiwochenfrist des § 626\nAbs. 2. BGB in Bezug auf den Kundigungsberechtigten aber ersichtlich noch\ngewahrt.\n\n3.\n\nDer streitgegenstandlichen Kundigung musste auch nicht, wie das Landgericht\ngemeint hat, eine Abmahnung vorausgehen. Das Institut der Abmahnung ist im\nArbeitsrecht im Hinblick auf die soziale Schutzbedurftigkeit abhangig\nBeschaftigter entwickelt worden. Dieser Schutzgesichtspunkt ist bei\nLeitungsorganen und Organmitgliedern von Gesellschaften, Genossenschaften und\noffentlich - rechtlichen Korperschaften oder vergleichbaren juristischen\nPersonen (Sparkassen) nicht ausschlaggebend. Dieser Personenkreis ist nicht\nArbeitnehmer der Gesellschaft, sondern hat eine organschaftliche Aufgabe\nwahrzunehmen. Zu seinen Leistungsaufgaben gehort es, dass er fur die\nOrdnungsmaßigkeit und Rechtmaßigkeit des Verhaltens der Gesellschaft und der\nfur sie handelnden Personen nach außen die Verantwortung tragt und im\nInnenverhaltnis die Arbeitgeberfunktion erfullt. Dementsprechend bedarf er\nerst recht keiner Hinweise der Gesellschafterversammlung oder des\nAufsichtsrates, dass er sich an die Gesetze, an die Satzung und an die in\nseinem Dienstvertrag niedergelegten Pflichten, an die hier gemaß § 34 Abs. 1,\nSatz 1 GenossenschG bekanntlich strenge Anforderungen gestellt werden, zu\nhalten hat; vielmehr hat er sich ohne Abmahnung und von sich aus im Rahmen\nseines Pflichtenkreises dem Standard eines ordentlichen Geschaftsmanns\nentsprechend zu verhalten. Das ist in der neueren BGH-Rechtsprechung anerkannt\n(vgl. BGH NJW-RR 2002, 173, 174; DB 2000, 964, 965; DStR 2000, 564, 565/566\nm.w.Anm. Goette).\n\nUnabhangig davon ist eine Abmahnung auch dann entbehrlich, wenn eine Änderung\ndes Verhaltens nicht zu erwarten ist, oder bei besonders schwerwiegenden\nVerstoßen, deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres zu erkennen ist und bei denen\nes offensichtlich ausgeschlossen erscheint, dass eine Wiederherstellung des\nnotwendigen Vertrauens nochmals erfolgen kann (vgl. BGH WM 1998, 1779/1780;\nMunch.-Komm.-Henssler, Rn. 99 f. zu § 626 BGB m.w.N.). Auch das ist vorliegend\n- wie noch in Einzelnen darzulegen sein wird - der Fall.\n\nII .\n\nDer Senat halt die streitgegenstandliche Kundigung nach Wurdigung aller\nUmstande auch fur sachlich gerechtfertigt, da - ausgehend von den der\nVertreterversammlung vom 4. Mai 2001 vorgetragenen, dem in Rede stehenden\nKundigungsbeschluss zugrunde liegenden Kundigungsgrunden (vgl. hierzu BGH NJW\n1984, 2689) - Pflichtverstoße des Klagers - als wichtiger Grund im Sinne des §\n626 Abs. 1 BGB - in einem Umfang nachgewiesen sind, dass der Beklagten die\nFortsetzung des Dienstverhaltnisses mit dem Klager bis zum Ablauf der\nordentlichen Kundigungsfrist im Jahre 2005 nicht mehr zumutbar war. In diesem\nZusammenhang kann namlich nicht unberucksichtigt bleiben, dass die Vorschrift\ndes § 34 Abs. 1 GenossenschG fur die Mitglieder des Vorstandes einer\nGenossenschaft einen besonderen, gegenuber § 276 Abs. 1, Satz 2 BGB\nverscharften Sorgfaltsmaßstab definiert und insoweit maßgebend fur den\nPflichteninhalt ist, wie sich eine Person in der leitenden, verantwortlichen\nStellung des Verwalters fremden Vermogens als Vorstandsmitglied gerade eines\nderartigen Unternehmens zu verhalten hat (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Koln\nOLG-Report 1995, 179 ff.).\n\nDiesen erhohten Anforderungen wurde das Verhalten des Klagers aber nicht\ngerecht.\n\n1.\n\nSchon der Erstrichter ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Klager nach\ndem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls vorgeworfen werden kann, es\nhingenommen zu haben, dass in den Fusionsarbeitsgruppen seitens der\nMitarbeiter der S. Bank eine gewisse Dominanz ausgeubt worden ist, nicht fur\neine ausreichende personelle Ausstattung der Abteilung Marktfolge Kredit\ngesorgt zu haben, zusammen mit dem Zeugen S. sich trotz der Beschlusse des\nAufsichtsrates vom 28.2. und 16.3.2001 an der Erstellung eines\nMitarbeiterbriefes und der Aufforderung an den Saarlandischen\nGenossenschaftsverband, sich zu Fragen der Fusion nur uber den Vorstand zu\naußern, beteiligt zu haben, die Frage der Weitergabe von Daten nicht dem\nVorstand vorbehalten bzw. diese Frage nicht im Hinblick auf ihre Bedeutung fur\ndie Beklagte dem Aufsichtsrat vorgelegt zu haben sowie das Schreiben des BA\nKred vom 18.12.2000 nicht unmittelbar nach dessen Eingang dem Aufsichtsrat\nvorgelegt zu haben.\n\nSoweit das Landgericht im Hinblick auf die Zeugenaussagen So., Ma., Mu. und\nBr. von einer klagerseits nicht unterbundenen Dominanz der S.-Bank-Mitarbeiter\nin den Fusionsgruppen, nach dem Inhalt der Prufungsberichte fur das Jahr 2000\nvon einer quantitativen Unterbesetzung der Abteilung Marktfolge Kredit,\nangesichts der Aussage des Zeugen Mar. von einem „Maulkorb" des Vorstands fur\nden Prufverband sowie nach Maßgabe der ihm vorliegenden Erkenntnisgrundlagen\nvon einer unterbliebenen Information des Aufsichtsrats uber die\nDatenweitergabe an die avisierten Fusionspartner ausgegangen ist, ist dies in\nkeiner Weise zu beanstanden. Der Klager ist diesen Vorwurfen in der\nBerufungsinstanz auch nicht mit Nachdruck bzw. wenig uberzeugend\nentgegengetreten. Die Dominanz von S.-Bank-Mitarbeitern in den\nFusionsarbeitsgruppen hat er nicht in Abrede gestellt. Soweit er bestreitet,\ndagegen nicht ernsthaft vorgegangen zu sein, stehen dem die Bekundungen der\ngenannten Zeugen entgegen, nach deren Eindruck bzw. Wissensstand der Vorstand,\nnamentlich auch der Klager die ihm vorgetragenen Bedenken nicht oder nicht\nausreichend vertreten hat.\n\nIn Bezug auf die anlasslich der Prufungen fur das Geschaftsjahr 2000\nfestgestellten Organisationsmangel hat der Klager zu seiner Entlastung\nlediglich auf die Geschaftsverteilung bei der Beklagten verwiesen, was der\nAnnahme seiner Gesamtverantwortung als Vorstand fur diese Defizite indessen\nnicht entgegensteht.\n\nDas Ansinnen an den Prufverband, sich zu Fragen der Fusion nicht mehr direkt\ngegenuber dem Aufsichtsrat zu außern, hat der Klager dahin zu relativieren\nversucht, es sei im geschaftlichen Interesse um das „Reden mit einer Stimme"\ngegangen. Der Zeuge Mar., auf dessen Bekundung sich der Erstrichter in diesem\nZusammenhang gestutzt hat, hat diesen Vorgang allerdings als vollig unublich\nbezeichnet. Zudem erlaubt der spate Zeitpunkt dieses Ansinnens einen Schluß\nauf die illoyale Einstellung des Klagers, worauf bereits das Landgericht\nzutreffend hingewiesen hat.\n\nZur Information des Aufsichtsrates uber die Datenweitergabe hat der Klager in\nder Berufungsinstanz vorgetragen, der Kundendatenaustausch sei dem\nAufsichtsrat in der Sitzung vom 24.1.2001 mitgeteilt worden, was jedenfalls\nkeine ausreichende, weil verspatete Information uber den bereits im Vorjahr\nerfolgten Datenaustausch darstellen wurde. Soweit er weiter hierzu vortragt,\ndies gehe aus seinen Unterlagen zur Vorbereitung der Sitzung hervor, ist dies\nzudem nicht verifizierbar, da er diese Unterlagen nicht vorgelegt hat. Und\nauch der Umstand, dass in dieser Sitzung moglicherweise uber die stillen und\noffenen Reserven der Partner gesprochen wurde, ware letztlich kein\nausreichendes Indiz dafur, dass der Aufsichtsrat uber eine umfassende\nDatenweitergabe ausreichend informiert gewesen ware.\n\nSoweit das Landgericht ferner aufgrund der Zeugenaussagen Ma. und So. den\nVorwurf der Veranlassung des „Mitarbeiterbriefes" vom 5.3.2001 durch den\nKlager sowie aufgrund der Zeugenaussagen Sta. und Z. den Vorwurf der nicht\nrechtzeitigen Information des Aufsichtsrates vom Schreiben des BA Kred vom\n18.12.2000 fur erwiesen erachtet hat, lasst auch dies nach Ansicht des Senats\nRechtsfehler nicht erkennen.\n\nWas den „Mitarbeiterbrief" anbelangt, so steht die Beteiligung des Klagers als\nsolche zwischenzeitlich außer Streit und ist, wie der Senat meint, schon fur\nsich allein Beleg fur dessen illoyales Verhalten. Ohne Erfolg wendet er sich\ndaruber hinaus dagegen, dass das Landgericht ihn nach dem Ergebnis der\nBeweisaufnahme als Initiator der Aktion und Verfasser dieses\n„Mitarbeiterbriefes" angesehen hat. Denn seine Darstellung in der\nBerufungsinstanz, lediglich Hilfestellung zu einem Entwurf gegeben zu haben,\nwird schon durch die nunmehr vorgelegte „Endfassung des Mitarbeiterbriefes"\n(vgl. Blatt 820/821) widerlegt, die weitgehend mit dem unstreitig vom Klager\nstammenden handschriftlichen Entwurf (vgl. Blatt 162/163) ubereinstimmt. Zudem\nvertragt sich diese Darstellung nicht mit den Bekundungen der Zeugen Ma. und\nSo., die der Klager nicht uberzeugend in Zweifel zu ziehen vermochte. Soweit\ner die Aussage des Zeugen Ma. als Beleg fur die Richtigkeit seiner Darstellung\nsieht, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Denn dieser Zeuge hat im\nGegenteil zweifelsfrei bestatigt, dass der in der Mitarbeiterversammlung\nverlesene Entwurf vom Klager stammt und nach Absprache mit diesem an den\nAufsichtsratsvorsitzenden E. ubersandt worden ist. Wird ferner die vom\nErstrichter fur glaubhaft erachtete Bekundung des Zeugen So. berucksichtigt,\nwonach es Idee des Klagers gewesen ist, einen von ihm entworfenen Brief als\nspontane Aktion der Mitarbeiter fur eine Fusion auf den Weg zu bringen, so\nkann kein Zweifel daran sein, dass der Klager selbst auch Initiator dieser -\nilloyalen - Aktion war.\n\nOhne Erfolg wendet sich der Klager ferner gegen die Annahme des Landgerichts,\ndass er dem Aufsichtsrat das Beanstandungsschreiben des BA Kred vom 18.12.2000\nbis zur Sitzung vom 16.3.2001 vorenthalten hat. Angesichts des eindeutigen\nInhalts der Aufsichtsratssitzungsniederschrift vom 16.3.2001 - in welcher ohne\nWiderspruch des Klagers festgehalten ist, dass der Aufsichtsrat vom Vorstand\nuber den Inhalt dieses Schreibens bis dahin nicht unterrichtet gewesen sei und\ndies einen gravierenden Vertrauensbruch darstelle - und der ubereinstimmenden\nAussagen der Zeugen Z. und Sta., dieses Schreiben und seinen Inhalt vor dem\n16.3.2001 nicht gekannt zu haben, ist es nicht zu beanstanden, dass das\nLandgericht die diesbezugliche Darstellung der Beklagten als erwiesen erachtet\nhat. Soweit der Klager demgegenuber behauptet, dieses Schreiben bereits in der\nSitzung vom 24.1.2001 angesprochen zu haben, ist dies beweislos geblieben,\nwenig plausibel - weil schon bei dieser Gelegenheit eine Beanstandung der\nNichtvorlage des Schreibens zu erwarten gewesen ware - und auch mit der\nAussage der in der Sitzung vom 24.1.2001 anwesend gewesenen Zeugin Sta. nicht\nin Einklang zu bringen.\n\nMit dem Erstrichter ist in dieser Nichtvorlage auch keine bloße\nNachlassigkeit, sondern ein ganz erheblicher, Illoyalitat dokumentierender\nPflichtenverstoß - zumindest auch des Klagers - zu sehen. Davon, dass der\nKlager - wie er ferner eingewandt hat - allenfalls fahrlassig entsprechende\nInformation des Aufsichtsrates angenommen hat, kann bei Wurdigung der\nGesamtumstande namlich nicht ausgegangen werden. Der Klager hat hierzu schon\nwiderspruchlich vorgetragen, soweit er sich einerseits auf eine ublicherweise\nerfolgende direkte Information des Aufsichtsrates durch das BA Kred beruft\n(vgl. Seite 2 des Schriftsatzes vom 5.8.2002, Blatt 464, sowie Seite 7 des\nSchriftsatzes vom 10.12.2003, Blatt 831), andererseits eine Handhabung\nbehauptet, wonach die Information des Aufsichtsrates von dem\nVorstandssekretariat veranlasst wird (vgl. Seite 9 des Schriftsatzes vom\n8.8.2001, Blatt 108, sowie Seite 5 des Schriftsatzes vom 19.7.2004, Blatt\n947). Damit ist schon unklar geblieben, welche Umstande ihn eigentlich\nentlasten sollen. Zudem konnte er von erster Variante bereits deshalb nicht\nausgehen, weil der Aufsichtsrat nicht im „Verteiler" des fraglichen Schreibens\nangegeben war, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, und fehlte es\nandererseits an einer hinreichenden Grundlage, auf ein Tatigwerden der\nSekretarin zu vertrauen, was weder von ihm veranlasst noch ihm zur Kenntnis\ngebracht worden war. Nicht zuletzt ergab sich fur ihn die fehlende Kenntnis\ndes Aufsichtsrates von diesem Schreiben aber auch ohne weiteres daraus, dass\nes nicht - wie ansonsten zu erwarten - Ruckfragen des Aufsichtsrates hierzu\ngegeben hat.\n\nBei dieser Sachlage erscheint bloße Fahrlassigkeit ausgeschlossen; vielmehr\nist die Annahme eines bewussten Vorenthaltens des Schreibens gerechtfertigt.\nDies gilt um so mehr, als der Klager das Schreiben vom 18.12.2000 selbst in\nder Sitzung vom 16.3.2001 nicht von sich aus, sondern erst nach Ruckfrage und\nAufforderung durch den Aufsichtsrat, anfanglich noch „jonglierend", dann\nvorgelegt hat, wie die Zeugin Sta. glaubhaft bekundet hat. Soweit das\nSchreiben nach der Bekundung des Zeugen Mar. - vormals Prufungsdirektor - in\nder nachsten Aufsichtsratssitzung nach Eingang mit dem Aufsichtsrat hatte\nerortert werden mussen, ist auch dies mit Billigung des Klagers nicht\ngeschehen, was die bewusste Missachtung des Aufsichtsrates noch deutlicher\nmacht.\n\nDer Senat vermag schließlich auch nicht zu erkennen, dass die Annahme einer\n„wohldosierten Informationspolitik" des Vorstandes gegenuber dem Aufsichtsrat\nunter den gegebenen Umstanden lebensfremd ist. Am 16.3.2001 mag es - vor\nerneuter Ablehnung der Fusion durch den Aufsichtsrat - namlich noch das\nBestreben des Klagers gewesen sein, die geplante Fusion und insbesondere die\nEinstellung des Aufsichtsrates hierzu nicht zusatzlich zu belasten, „auf Zeit\nzu spielen" und sich „in die Fusion zu retten" - wie es der Zeuge So. bekundet\nhat -, unabhangig davon, dass die Monita des BA Kred auf Dauer nicht zu\nverheimlichen waren.\n\n2.\n\nAnders als das Landgericht ist der Senat aufgrund der zweitinstanzlich\ndurchgefuhrten Beweisaufnahme davon uberzeugt, dass dem Klager als weitere\ngravierende Pflichtverstoße Falschinformation des Aufsichtsrats in der Sitzung\nvom 30.3.2001 sowie vom BA Kred gerugte Mangel in der Geschaftsfuhrung zum\nVorwurf zu machen sind.\n\nWas ersteres anbelangt, so halt es der Senat zumindest fur erwiesen, dass der\nKlager dem Aufsichtsrat in der Sitzung vom 30.3.2001 neben anderen\nproblematischen Engagements auch die Kreditangelegenheiten Fe. und\nTa.-Schaden-St. erlautert und hierbei hinsichtlich Fe. lediglich auf die\nderzeitige - freiwillige - Zinszahlung durch die Ehefrau hingewiesen und\nhinsichtlich Ta.-Schaden-St. behauptet hat, es liege normales\nZahlungsverhalten vor, wiewohl ihm bekannt gewesen ist, dass eine schriftliche\nMitteilung des Kreditnehmers Fe., den Kredit selbst nicht mehr zuruckzahlen zu\nkonnen, vorlag, und dass der Kreditnehmer Ta. in Haft war, zudem zwei\nKreditraten nicht gezahlt hatte. Dies steht aufgrund der glaubhaften -\nentsprechenden - Bekundung der von dem Senat vernommenen Zeugin G. fest, die\ndurch den Wortlaut des Sitzungsprotokolls vom 30.3.2001 sowie die Aussagen der\nZeugen Bar. und So., nach deren in der nachfolgenden Aufsichtsratssitzung vom\n19.4.2001 gewonnenen Eindruck insoweit eine unrichtige Information des\nAufsichtsrats am 30.3.2001 erfolgt ist, gestutzt werden. Bedenken hinsichtlich\nder Glaubwurdigkeit dieser Zeugin bestehen nicht und werden auch vom Klager\nnicht erhoben. Soweit dieser vielmehr geltend macht, die Zeugin habe einiges\ndurcheinander gebracht, ihre Aussage sei objektiv unrichtig, da die beiden in\nRede stehenden Kreditengagements weder notleidend noch wertzuberichtigen\ngewesen seien, greift auch dieser Einwand nicht durch. Die Zeugin hatte aus\nvon ihr nachvollziehbar dargelegten Grunden konkrete, hinreichend sichere\nErinnerung an den Verlauf dieser Sitzung. Selbst wenn sie sich hinsichtlich\nder Frage der Wertberichtigung geirrt hat, vermag dies nach Ansicht des Senats\ndie Glaubhaftigkeit ihrer Aussage in Bezug auf die Falschinformation des\nAufsichtsrates nicht in Frage zu stellen. Schon aus dem Wortlaut des\nSitzungsprotokolls vom 30.3.2001 ergibt sich zweifelsfrei, dass die\nKreditengagements Fe. und Ta.-Schaden-St. in dieser Sitzung von dem Klager\njedenfalls erlautert worden sind. Dass die Zeugin G. dies mit dem Thema\nEinzelwertberichtigungen in Zusammenhang gebracht hat, mag auch damit\nzusammenhangen, dass schon das Sitzungsprotokoll vom 30.3.2001 in diesem Punkt\nirrefuhrend ist, soweit es einen solchen Zusammenhang herstellt, und sich die\nZeugin - auch bei Vorbereitung ihrer Aussage - an diesem Protokoll orientiert\nhat; es erscheint auch deshalb unbeachtlich, weil es sich bei den beiden\nKreditengagements allemal um berichtenswerte, bedeutsame Angelegenheiten\ngehandelt hat, da nach den Prufberichten wie nach den Monita der BA Kred fur\ndie Risikolage der Beklagten die erheblichen Blankoanteile der Risikogruppen\n2a und 2b gleichermaßen bedeutsam waren und - wie sich aus den Erlauterungen\nin der Aufsichtsratssitzung vom 19.4.2001 ergibt - insoweit bei beiden\nKreditengagements eine Herabstufung - von Risikogruppe 2a nach Risikogruppe 2b\n- durch den Prufverband stattgefunden hat. Damit bleibt die Bekundung der\nZeugin G. plausibel und glaubhaft, selbst wenn die Kreditengagements Fe. und\nTa.-Schaden-St. nicht auf der Wertberichtigungsliste des Prufverbandes\nstanden. Auch hier greift im Übrigen der Einwand, die Annahme einer\nVorenthaltung von Information sei lebensfremd, nicht, da Hintergrund des\nklagerischen Verhaltens in dieser Aufsichtsratssitzung durchaus gewesen sein\nmag, dass ihm schon zu Beginn der Sitzung die kritische eigene Situation\nbewusst geworden ist und er deshalb versucht hat, die Kritikpunkte zu\nverniedlichen.\n\nDas hiernach erwiesene Verhalten des Klagers in der Sitzung vom 30.3.2001\nlauft auf eine Tauschung des Aufsichtsrates hinaus. Dies gilt entgegen der\nAnsicht des Erstrichters auch fur den - bloßen - Hinweis des Klagers auf die\nZinszahlung der Ehefrau des Kreditnehmers Fe.. Sie stellte schon deshalb\nkeinen adaquaten Ersatz fur Leistungen des Kreditnehmers dar, da sie\nfreiwillig und nur bis auf weiteres erfolgte. Der Aufsichtsrat brauchte sie\nentgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht als zwingenden Hinweis auf\nZahlungsunfahigkeit des Kreditnehmers zu verstehen; eine Information des\nAufsichtsrates uber eigene Erklarungen des Kreditnehmers war ohnehin nicht\nentbehrlich.\n\nEs liegen insoweit schwerwiegende Verfehlungen des Klagers vor. Das folgt aus\nseiner herausgehobenen beruflichen Stellung und den Aufgaben, die er und der\nAufsichtsrat innerhalb der Bank zu erfullen haben, daruber hinaus auch daraus,\ndass die Beteiligten untereinander auf vertrauensvolle Zusammenarbeit\nangewiesen sind, zumal nicht jede Einzelinformation vom Empfanger nachgepruft\nwerden kann (vgl. OLG Dusseldorf DB 1983, 1036/1037).\n\nEntgegen der Ansicht des Landgerichts ist die streitgegenstandliche Kundigung\nberechtigterweise auch auf die durch die Rugeschreiben des BA Kred vom\n18.12.2000 und vom 23.5.2001 sowie den negativen Prufbericht des Prufverbandes\nvom 11.4.2001 dokumentierten Mangel in der Geschaftsfuhrung der Beklagten -\nund nicht nur auf illoyales Informationsverhalten des Klagers im Zusammenhang\nmit diesen Unterlagen - gestutzt, was dem Klager zumindest im Rahmen seiner\nGesamtverantwortung anzulasten ist. Gegenstand der Erorterungen und\nvorgetragener Kundigungsgrund in der Vertreterversammlung vom 4.5.2001 war\nnamlich auch, dass und warum es die Ruge des BA Kred sowie den nachfolgenden\nnegativen Kredit-Vorprufungsbericht 2000 gegeben hat und mit weiteren\nMaßnahmen des BA Kred - wie dies dann mit dem Schreiben vom 23.5.2001 erfolgt\nist - zwingend zu rechnen war. Daran kann aufgrund der glaubhaften Aussage des\nvon dem Senat vernommenen Zeugen Fe., der in der fraglichen\nVertreterversammlung Protokoll gefuhrt hat, kein Zweifel sein. Wenn der Zeuge\nauch eine „Schieflage" der Beklagten als Kundigungsgrund nicht bestatigt haben\nmag, zumal eine solche in dieser Pragnanz nach seiner Bekundung in der\nVertreterversammlung nicht dargestellt worden ist und der Zeuge So. die\nZukunft der Beklagten zuvor durchaus positiv prognostiziert hat, so hat er\njedenfalls glaubhaft bekundet, dass Inhalt, Zusammenhang und\naufsichtsrechtliche Konsequenzen dieser beiden vorab in der Versammlung\nverteilten Unterlagen im Einzelnen mit den Vertretern erortert worden sind,\nebenso die Grunde, die zu der Annahme des Prufverbandes, die Ordnungsmaßigkeit\nder Geschaftsfuhrung konnen nicht mehr bejaht, gefuhrt haben, und dass dies\nneben dem vorgeworfenen illoyalen Informationsverhalten eine eigenstandige\nBeanstandung gewesen ist. Im Einzelnen erortert worden sind nach seiner\nBekundung ferner die beanstandeten hohen Wertberichtigungen einzelner\nGroßkreditnehmer, die Art der Kreditbearbeitung unter Verstoß gegen § 18 KWG\nsowie das vorhandene hohe latente Risiko, das sich auch im Vergleich zur\nEigenkapitalausstattung ergab.\n\nDiese Schilderung des Zeugen Fe., dessen Glaubwurdigkeit nicht in Zweifel zu\nziehen ist, ist plausibel und nachvollziehbar, auch weil es zum Nachweis des\nilloyalen Informationsverhaltens des Klagers nicht der Verteilung des\nSchreibens vom 18.12.2000, und schon gar nicht der letzten Seite des\nPrufberichts in der Versammlung bedurft hatte, dies vielmehr gerade auch in\ndieser Kombination nur Sinn macht, wenn es dem Aufsichtsrat auch darum ging,\nder Vertreterversammlung zur Begrundung des Handlungsbedarfes aktuell\nfestgestellte Versaumnisse der Geschaftsfuhrung und deren zwangslaufig zu\nerwartenden bankaufsichtlichen Konsequenzen aufzuzeigen. Wie der Zeuge Fe.\nzutreffend betont hat, steht die letzte Seite des Prufberichts vom 11.4.2001\ninsofern in engem Zusammenhang mit dem Rugeschreiben vom 18.12.2000, als\nhieraus - selbst ohne weitere Erorterung - ohne weiteres ersichtlich wird,\ndass die Vorgaben der Bankaufsicht (vgl. Seite 3 des Rugeschreibens) eindeutig\nnicht erfullt sind und deshalb mit den angekundigten Weiterungen - wie dann\nmit weiterem Rugeschreiben vom 23.5.2001 erfolgt - zwangslaufig zu rechnen\nist.\n\nSind danach aber Inhalt und Tragweite der beiden Unterlagen und der darin\ndokumentierten Versaumnisse der Geschaftsfuhrung nachweislich in der\nVertreterversammlung im Einzelnen behandelt worden, so steht außer Frage, dass\nauch dies maßgeblich in die Kundigungsentscheidung der Versammlung\neingeflossen ist. Denn der Umstand eines verheerenden Ergebnisses der\nKreditvorprufung und der sich abzeichnende ernsthafte Konflikt mit der\nBankenaufsicht stehen anderen angefuhrten Kundigungsgrunden an Bedeutung und\nGewicht in keiner Weise nach. Die Vertreterversammlung hat sich auch\nberechtigterweise hierauf berufen. Unabhangig von den vom Erstrichter\nvermissten, die Verantwortlichkeit des Klagers hierfur begrundenden\nEinzeltatsachen, ist in jedem Fall zumindest eine Gesamtverantwortlichkeit des\nKlagers als Vorstand gegeben, da die Geschaftsfuhrung ersichtlich nicht den\nAnforderungen des § 34 Abs. 1, Satz 1 GenossenschG genugte.\n\n3.\n\nEntgegen der Auffassung der Erstrichters fuhrt die auf der Grundlage des\nvorstehend dargestellten Beweisergebnisses vorzunehmende umfassende\nInteressenabwagung zu der Feststellung, dass der Beklagten die Fortsetzung des\nDienstverhaltnisses mit dem Klager wegen der vom Senat bejahten\nPflichtenverstoße unzumutbar geworden ist, ohne dass es noch auf die weiter\ngeltend gemachten Kundigungsgrunde ankame.\n\nDavon ausgehend, dass im Hinblick auf das besonders enge Vertrauensverhaltnis\nzwischen Genossenschaft und Vorstand die Schwelle der Unzumutbarkeit eher\nuberschritten ist als bei Arbeitnehmern (vgl. Beuthien, GenossenschG, 14.\nAufl., Rn. 24 zu § 24), schon die Initiierung des „Mitarbeiterbriefes" und die\nVorenthaltung des Rugeschreibens vom 18.12.2000 ein deutliches Maß an\nIlloyalitat erkennen lassen, bereits bei dieser Sachlage - auch nach Ansicht\ndes Landgerichts - vieles fur eine Erschutterung der Vertrauensgrundlage\nspricht, nach Ansicht des Senats allerdings mit der Tauschung in der\nAufsichtsratssitzung vom 30.3.2001 und der nicht ordnungsgemaßen\nGeschaftsfuhrung noch weitere gravierende Pflichtenverstoße hinzukommen, die\nebenfalls geeignet sind, jegliches Vertrauen in eine gute, reibungslose,\nsachorientierte und fur die Genossenschaft positive Zusammenarbeit schwinden\nzu lassen (fur Tauschungen vgl. OLG Dusseldorf, a.a.O., S. 1037; fur\nMissbilligung seitens des BA Kred vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.), halt der Senat\ndie Unzumutbarkeit vorliegend fur gegeben.\n\nDies gilt um so mehr, als die seitens des Landgerichts hiergegen angefuhrten\nGrunde allesamt nicht durchgreifen bzw. nicht zu uberzeugen vermogen. Was das\nvermeintliche Abmahnungserfordernis anbelangt, das der Erstrichter in diesem\nZusammenhang als maßgeblichen Gesichtspunkt gepruft hat, so findet dieses -\nwie bereits oben unter I.3. im Einzelnen dargelegt - auf Organmitglieder,\ninsbesondere auch Vorstande von Genossenschaften nach der neueren BGH-\nRechtsprechung keine Anwendung.\n\nNach Ansicht des Senats hat ferner auch der Umstand der noch im Dezember 2000\nerfolgten Vertragsverlangerung des Klagers keine hinreichende Aussagekraft.\nAbgesehen davon, dass diese Vertragsverlangerung ersichtlich auch im\nZusammenhang mit der geplanten Fusion stand und hier Fakten schaffen sollte\nfur die Zusammensetzung des erweiterten Vorstandes der neuen Bank, mag es zu\ndiesem Zeitpunkt noch einen ganz anderen Kenntnisstand der Genossenschaft und\nihres Aufsichtsrates gegeben haben, auf dessen - unzutreffender - Grundlage\ndie Verlangerungsentscheidung getroffen wurde.\n\nAuch die vom Landgericht zugunsten des Klagers angefuhrte langjahrige\nbeanstandungsfreie Tatigkeit des Klagers fallt insoweit nicht ins Gewicht.\nDieser Aspekt tritt bei schwerwiegenden Verfehlungen - wie hier - ohnehin ganz\nzuruck (vgl. OLG Dusseldorf, a.a.O.). Im Übrigen vermag der Senat auch die\ndiesbezugliche Einschatzung des Landgerichts nicht mehr uneingeschrankt zu\nteilen, nachdem die Vielzahl der nachfolgenden Kundigungen seitens der\nBeklagten zumindest zeigt, dass die Verdienste des Klagers nicht unstreitig\nsind.\n\nSoweit der Erstrichter - insoweit der auch in der Berufungsinstanz in den\nVordergrund gestellten klagerischen Argumentation folgend - entscheidend auch\ndarauf abgestellt hat, dass dem - gleichermaßen (mit-) verantwortlichen -\nweiteren Vorstandsmitglied S. nicht gekundigt wurde, halt der Senat\nschließlich - wie bereits in der mundlichen Verhandlung naher dargelegt - auch\ndiesen Gesichtspunkt nicht fur geeignet, die Zumutbarkeit der Fortsetzung des\nDienstverhaltnisses des Klagers mit der Beklagten zu begrunden. Einen bei\nAusubung des Gestaltungsrechts der außerordentlichen Kundigung etwa strikt zu\nberucksichtigenden Gleichbehandlungsgrundsatz gibt es nicht; dem\nDienstberechtigten ist insoweit in jedem Fall ein Differenzierungsermessen\neinzuraumen (vgl. Munch.-Komm.-Henssler, a.a.O.,Rn. 106/107 m.w.N.). Demgemaß\nsteht es der Abberufung und Kundigung eines Vorstandmitgliedes wegen wichtigen\nGrundes grundsatzlich nicht entgegen, dass bezuglich der Person eines anderen\nVorstandsmitgliedes vergleichbare Umstande vorliegen, die auch dessen\nAbberufung und Kundigung rechtfertigen wurden (vgl. OLG Stuttgart,\nAktiengesellsch . 2003, 211 ff.).\n\nSoweit dem Umstand der „Ungleichbehandlung" danach allenfalls - indizielle -\nBedeutung beizumessen sein kann, als sie moglicherweise einen Schluss auf eine\ngewisse Zumutbarkeit erlaubt, ist allerdings auch dies unter den hier\ngegebenen Umstanden nicht der Fall. Der Senat vermag dem Landgericht schon\ndarin nicht zu folgen, dass in der Person und dem Verhalten des Klagers keine\nbesonderen, eine unterschiedlicher Wertung rechtfertigenden Umstande\nvorliegen. Immerhin hat der Klager im Zusammenhang mit dem „Mitarbeiterbrief"\n- als Initiator und Verfasser - sowie in den Aufsichtsratssitzungen vom 16.3.\nund 30.3.2001 - als Berichterstatter - im Vordergrund gestanden und war\ninsoweit in besonderem Maße fur illoyales Verhalten verantwortlich, ohne dass\nfeststunde, in welchem Umfang der Zeuge S. konkrete Erklarungen und\nVerhaltensweisen des Klagers mitgetragen hat.\n\nUnabhangig davon kann in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht des Klagers\nauch nicht unberucksichtigt bleiben, dass der Zeuge S. aus Anlass der\nstreitgegenstandlichen Umstande einvernehmlich zum 30.5.2001 bei der Beklagten\nausgeschieden ist, wie dies auch dem Klager - erfolglos - angeboten worden\nwar. Ausweislich des Protokolls der Vertreterversammlung vom 4.5.2001 ist dies\nder Versammlung als Kundigungsberechtigtem vorab bekannt gegeben worden (vgl.\nSeite 3 oben des Protokolls; Blatt 191) und hat folglich bei der\nGesamtabwagung in die Kundigungsentscheidung Eingang gefunden. Dass dem Zeugen\nS. nicht gekundigt wurde, konnte fur die Vertreterversammlung mithin kein\nKriterium fur die Bejahung der Zumutbarkeit sein. Im Gegenteil ware es unter\ndiesen Umstanden unverstandlich gewesen, wenn die Beklagte sich von dem Zeugen\nS. getrennt, aber an dem Klager festgehalten hatte.\n\nEntgegen der Ansicht des Landgerichts kann in diesem Zusammenhang nicht auf\nden Zeitpunkt der Suspendierung am 30.3.2001 abgestellt werden, da die\nKundigungsentscheidung erst am 4.5.2001 in der Vertreterversammlung getroffen\nwurde und ihre Berechtigung deshalb fur den Zeitpunkt der Kundigung, ausgehend\nvon den dem Kundigungsberechtigten vorgetragenen und bekannten Umstanden, zu\nprufen ist.\n\nDas angefochtene Urteil war nach allem auf die Erstberufung der Beklagten\nentsprechend abzuandern.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO,\ndiejenige uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711\ni.V.m. 709 Satz 2 ZPO.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen\nfehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Abs. 2, Satz 1 ZPO).\n\nDer Wert der Beschwer des Klagers war im Hinblick auf § 26 Ziff. 8 EinfGZPO\nfestzusetzen.\n\n
128,869
olgsl-2006-10-18-1-u-15606-45
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
1 U 156/06 - 45
2006-10-18
2019-01-07 09:36:14
2019-02-12 12:12:04
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Berufung der Klagerin wird das am 17.2.2006 verkundete Urteil des\nLandgerichts Saarbrucken - Az.: 1 O 128/05 - teilweise abgeandert und in\nseinem Hauptausspruch wie folgt neu gefasst:\n\nDie Beklagte zu 1) wird verurteilt,\n\nbei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise\nOrdnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,\n\nes zu unterlassen, auf dem Grundstuck in sowie in einem Umkreis von 3 km von\nder in einen Gastronomiebetrieb zu betreiben, der den Begriff "S.",\ninsbesondere die Bezeichnung "Z. S." verwendet.\n\nIm ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nII. Die Berufung der Beklagten zu 1) wird zuruckgewiesen.\n\nIII. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:\n\n1) Erste Instanz:\n\nDie Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klagerin tragt diese\nselbst zu 2/3, die Beklagte zu 1) zu 1/3. Die Beklagte zu 1) tragt ihre\neigenen außergerichtlichen Kosten selbst. Die außergerichtlichen Kosten der\nBeklagten zu 2) und 3) tragt die Klagerin.\n\n2) Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten zu 1) auferlegt.\n\nIV. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nV. Der Wert der durch dieses Urteil fur die Beklagte zu 1) begrundeten\nBeschwer betragt 20.000,00 EUR.\n\nVI. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n**A.**\n\nWegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsachlichen Feststellungen\ndes Urteils des Landgerichts vom 17.2.2006 (Bl. 154 ff. d. A.) Bezug genommen.\n\nDurch dieses Urteil hat das Landgericht der Beklagten zu 1) untersagt, auf dem\nGrundstuck in sowie in einem Umkreis von 3 km von der in einen\nGastronomiebetrieb unter der Bezeichnung "Z. S." zu betreiben und im ubrigen\ndie Klage abgewiesen. Zur Begrundung hat es im Wesentlichen ausgefuhrt:\n\nDie Klage gegenuber der Beklagten zu 1) sei uberwiegend begrundet. Das\nNamensrecht an einer Gaststattenbezeichnung unter der Verwendung des Begriffs\n"Z. S." stehe der Klagerin zu, die Beklagte zu 1) verletze dieses Namensrecht.\nDer Gaststattenbezeichnung "S. B." komme Unterscheidungskraft zu. In der\nVerwendung der Gaststattenbezeichnung "Z. S." liege eine Namensanmaßung, da\nbei den Bezeichnungen "S. B." und "Z. S." Verwechslungsfahigkeit gegeben sei.\nTrager des Namensrechtes sei die Klagerin. Die Beweisaufnahme habe ergeben,\ndass die Gaststattenbezeichnung unter Verwendung des Begriffes "S." vom\nSeniorchef der Klagerin entwickelt worden sei. Die dauerhafte\nVerwendungsabsicht der Klagerin sei hinreichend belegt. Der Beklagten zu 1)\nkonne jedoch nur die Benutzung des Namens in der aktuellen konkreten Form\n("S.") untersagt werden; das Verbot konne sich nicht generell auf den Zusatz\n"S." beziehen.\n\nDie Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) sei demgegenuber als unschlussig\nabzuweisen.\n\nGegen dieses ihr am 28.2.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 1) am\n14.3.2006 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begrundet.\n\nDie Klagerin hat gegen das ihr am gleichen Tag zugestellte Urteil am 24.3.2006\nBerufung eingelegt und diese mit einem am 18.4.2006 eingegangenen Schriftsatz\nbegrundet.\n\nDie Beklagte zu 1) tragt vor:\n\nEs sei bereits fraglich, ob die Bezeichnung einer Gaststatte dem Namensrecht\nnach § 12 BGB unterliege oder ob sich nicht vielmehr der Schutz dieser\nKennzeichen allein an den Normen des Markengesetzes zu orientieren habe.\n\nDem Begriff "S." musse bereits die Kennzeichnungskraft abgesprochen werden, da\ndieser Begriff in der Verkehrsgeltung einen Ort bezeichne, an dem Tiere\ngeschlachtet werden oder der historisch als Schlachthof diente. Aber selbst\nwenn man einen Kennzeichenschutz aufgrund Verkehrsgeltung unterstellen wurde,\nbestehe kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1), da keine\nVerwechslungsgefahr bestehe. Die Beklagte zu 1) habe vielmehr mit dem\nzulassigen Zusatz "Z. S. " ihren Betrieb hinreichend gekennzeichnet. Zudem\nhabe die Beklagte zu 1) nicht in unlauterer Art und Weise die Bezeichnung der\nGaststatte "Z. S." gewahlt. Es bestunden im ubrigen auch Bedenken, ob die\nKlagerin, die die Gaststatte "S. B." nicht selbst betreibt, sondern sie\naufgrund eines Pachtvertrages von einem Dritten betreiben lasst, im Hinblick\nauf die schutzfahige Kennzeichnung aktiv legitimiert sei. Zu Unrecht sei das\nLandgericht davon ausgegangen, dass die Namensgebung bei der Klagerin\nbegrundet gewesen sei. Das Landgericht habe die Bekundungen des Zeugen S.\nunzutreffend gewurdigt. Zudem habe das Landgericht in der mundlichen\nVerhandlung gegenuber den Parteien zu erkennen gegeben, dass es die Klage\nabweisen werde, so dass das erstinstanzliche Urteil eine\nÜberraschungsentscheidung darstelle. Das Landgericht habe in bedenklicher\nWeise nur die Parteianhorung des Geschaftsfuhrers der Klagerin gewurdigt, ohne\nauch eine Parteianhorung der Beklagten vorzunehmen. Das Landgericht sei\ngehalten gewesen, zur vollstandigen Aufklarung die Herren K., N. und D. von\nAmts wegen als Partei zu vernehmen.\n\nDie Beklagte zu 1) **beantragt** ,\n\n> unter Abanderung des Urteils des Landgerichts Saarbrucken vom 17.2.2006 -\n> Az.: 1 O 128/05 - die Klage abzuweisen.\n\nDie Klagerin **beantragt** ,\n\n> die Berufung der Beklagten zu 1) zuruckzuweisen.\n\nSie weist darauf hin, dass die Beklagte zu 1) nunmehr die von ihr betriebene\nGaststatte bezeichnet mit "E. A. S." und verteidigt das angefochtene Urteil,\nsoweit dort auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erkannt wurde.\n\nMit der von ihr eingelegten Berufung macht die Beklagte zu 1) geltend, die\nerstinstanzliche Entscheidung sei gemaß dem Berufungsantrag abzuandern. Die\nBeklagtenseite habe bewusst durch die Änderung der Kennzeichnung ihres\nBetriebes wegen angedrohter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in "E. A. S." klar\nund deutlich zu erkennen gegeben, dass man den Begriff "S." weiter verwenden\nwolle. Hierdurch werde die Verwechslungsgefahr perpetuiert.\n\nDie Klagerin **beantragt** ,\n\n> unter teilweiser Abanderung des angegriffenen Urteils die Beklagte zu 1) zu\n> verurteilen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR,\n> ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten es zu\n> unterlassen, auf dem Grundstuck in sowie in einem Umkreis von 3 km von der\n> in einen Gastronomiebetrieb nicht nur unter der Bezeichnung "Z. S." zu\n> betreiben, sondern es auch zu unterlassen, daruber hinaus in einer\n> Bezeichnung des Gastronomiebetriebes den Begriff "S." zu verwenden.\n\nDie Beklagte zu 1) **beantragt** ,\n\n> die Berufung der Klagerin zuruckzuweisen.\n\nSie macht geltend, die Berufung der Klagerin sei unzulassig, da es an der\nerforderlichen Beschwer fehle; auch die Voraussetzungen einer zulassigen\nKlageanderung gemaß § 533 ZPO lagen nicht vor. Im ubrigen stehe der Klagerin\nohnehin kein Anspruch auf Untersagung der Gastronomiebezeichnung "S." zu.\n\nWegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die im\nBerufungsrechtszug gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n**B.**\n\n**I.**\n\nDie Berufung der Beklagten zu 1) ist zulassig gemaß §§ 511 , 513, 517, 519,\n520 ZPO; sie ist jedoch nicht begrundet. Zu Recht hat das Landgericht die\nBeklagte zu 1) zur Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "Z. S."\nverurteilt.\n\nDie mit der Berufung von der Beklagten zu 1) hiergegen erhobenen Einwendungen\ngreifen letztlich nicht durch:\n\nEs kann vorliegend dahinstehen, ob der Unterlassungsanspruch - so das\nLandgericht - aus §§ 12 , 1004 BGB hergeleitet wird oder ob im geschaftlichen\nVerkehr von einem Vorrang der §§ 5, 15 MarkenG auszugehen ist (so offenbar BGH\nNJW 2002, 2031; anders wohl Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 15 Rdnr. 56). Dies\nbedarf letztlich keiner Entscheidung; denn im Bereich des geschaftlichen\nVerkehrs deckt sich der Tatbestand der §§ 5, 15 MarkenG mit dem des unbefugten\nNamensgebrauchs im Sinne von § 12 BGB (vgl. dazu MuKo-Schwerdtner, BGB, 4.\nAufl., § 12 Rdnr. 110 m. w. N.).\n\nDie Voraussetzungen der §§ 5, 15 MarkenG sind vorliegend gegeben.\n\nBei der Bezeichnung "S. B." handelt es sich um eine geschaftliche Bezeichnung\nin Form eines Unternehmenskennzeichens im Sinne des § 5 Abs. 1, Abs. 2 S. 1,\n3. Alt. MarkenG. Darunter zu verstehen ist ein Zeichen, das geeignet ist,\nUnternehmen oder Werke von anderen Unternehmen oder Werken zu unterscheiden\n(vgl. dazu Fezer, aaO, § 5 Rdnr. 2); die hiermit geforderte\nUnterscheidungsfunktion ist vorliegend gegeben. Insoweit wird zwecks\nVermeidung von Wiederholungen auf die diesbezuglichen zutreffenden\nAusfuhrungen des Landgerichts Bezug genommenen (entsprechend § 540 Abs. 1 Nr.\n1 ZPO).\n\nDie mit der Berufung hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:\n\nNach der standigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat\nbeitritt, setzt die Schutzwurdigkeit einer Bezeichnung voraus, dass diese\nunterscheidungskraftig und nach der Verkehrsauffassung geeignet ist, wie ein\nName zu wirken (vgl. dazu BGH GRUR 1977, 165, "Parkhotel", zu § 16 UWG a. F.;\nBGH, Urteil vom 30.3. 1995, Az.: I ZR 60/93, "City-Hotel"). Der\nUnterscheidungskraft im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG steht dabei - so auch das\nLandgericht - nicht entgegen, dass der Name (dort: Hotelname) sich aus\ngangigen Begriffen der Umgangssprache zusammensetzt. Der Verkehr ist namlich\ndaran gewohnt, dass mehr oder weniger deutlich beschreibende Bezeichnungen als\nBezeichnung verwendet werden. Der Verbindung von Gattungsbegriffen zu einer\nGeschaftsbezeichnung (dort: fur ein Hotel) kommt in der Regel schon deshalb\nhinreichende Unterscheidungskraft zu, weil dem Verkehr aufgrund allgemeiner\nÜbung bekannt ist, dass es in dem betreffenden Geschaftszweig innerhalb eines\nbegrenzten ortlichen Bereichs regelmaßig nur ein Unternehmen mit dieser\nBezeichnung gibt (vgl. BGH, Urteil vom 30.3.1995 m. w. N.). Diese Erwagungen\nlassen sich ohne weiteres auf die Bezeichnung einer Gaststatte mit dem Namen\n"S. B." ubertragen.\n\nDer Begriff "S. " hat ursprunglich beschreibenden Charakter und bezeichnet den\nOrt, an dem Tiere geschlachtet werden oder fruher geschlachtet wurden. In\nVerbindung mit dem Begriff "B." wird der Gastronomiebetrieb als ein\nUnternehmen bezeichnet, das einen nahen ortlichen Bezug zum ursprunglichen\nSchlachthofgelande aufweist und in seinem Charakter - Einrichtung, Speise- und\nGetrankeangebot - in der Tradition des historischen Schlachthofes steht. Damit\nwerden, wie das Landgericht zu Recht ausgefuhrt hat, das Unternehmen und der\ndahinter stehende Inhaber individualisiert; dieser Geschaftsbezeichnung kommt\ndamit eine normale, ortlich begrenzte Kennzeichnungs- und damit\nUnterscheidungskraft zu.\n\nAuch die ubrigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 3. Alt. MarkenG\nsind vorliegend gegeben. Die Klagerin hat die Bezeichnung im geschaftlichen\nVerkehr benutzt. Dass es insoweit unerheblich ist, dass die Klagerin die\nGaststatte nicht selbst betreibt, sondern die Geschaftsraume unter der\ngeschutzten Geschaftsbezeichnung an Dritte verpachtet hat, hat das Landgericht\nmit Hinweis auf die Entscheidung OLG Hamm WRP 1982, 534 zutreffend\ndargestellt, so dass auch insoweit auf die diesbezuglichen Ausfuhrungen des\nlandgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden kann.\n\nDie erforderliche Verkehrsgeltung (vgl. dazu Fezer, aaO, § 5 Rdnr. 3 f.) ist\nebenfalls fraglos gegeben.\n\nDie Voraussetzungen des § 15 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG liegen vor.\n\nDie Klagerin ist Inhaberin der geschaftlichen Bezeichnung. Die Schutzrechte\nfur die Bezeichnung "S. B." wurden bei der Klagerin begrundet. Auch dies hat\ndas Landgericht zutreffend festgestellt, auch insoweit wird auf die\nentsprechenden Ausfuhrungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Die mit\nder Berufung hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:\n\nDie Beklagte zu 1) macht geltend, aufgrund der Beweisaufnahme sei gerade nicht\nzweifelsfrei geklart, dass die Klagerin die Bezeichnung "S. B." selbst gewahlt\nhabe, sondern es stehe gerade im Gegenteil durch die Vernehmung der Zeugen G.\nS., J. S. und F. A. fest, dass von der Klagerin ursprunglich die Bezeichnung\n"B. E. favorisiert und erst durch die Intervention des Herrn K. die\nBezeichnung "S. B." zum Tragen gekommen sei und man im Gegenteil Herrn S.\nsenior von einer Abkehr von seinem favorisierten Vorschlag habe uberzeugen\nmussen. Hiermit hat die Beklagte zu 1) keinen Erfolg.\n\nGemaß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die tatsachlichen\nFeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden; dies gilt nur dann\nnicht, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder\nVollstandigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begrunden. Als\nsolche Anhaltspunkte kommen in Betracht:\n\n> \\- fehlerhafte Erfassung der Tatsachen in Folge der Verletzung materiellen\n> Rechts,\n\n> \\- fehlerhafte Erfassung von Tatsachen aufgrund von Verfahrensfehlern und\n\n> \\- sonstige Fehlerhaftigkeit des Beweisergebnisses\n\n> (vgl. dazu Zoller-Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdnr. 2 ff. m. w.\n> N.).\n\nKeine der dargestellten Voraussetzungen ist vorliegend gegeben:\n\nFur eine fehlerhafte Erfassung von Tatsachen infolge der Verletzung\nmateriellen Rechts ist weder etwas vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.\n\nAuch von einem Verfahrensfehler seitens des Landgerichts ist nicht auszugehen:\n\nDie Beklagte zu 1) beanstandet insoweit, dass das Landgericht den\nGeschaftsfuhrer der Klagerin, Herrn S. senior, angehort habe, ohne auch den\nGeschaftsfuhrer der Beklagten zu 1) anzuhoren. Diese Ruge ist unbegrundet;\ndenn das Landgericht hat sowohl in der mundlichen Verhandlung vom 10.8.2005\n(Bl. 90 d. A.) als auch in der mundlichen Verhandlung vom 27.1.2006 (Bl. 141\nd. A.) den Beklagten zu 2), den Geschaftsfuhrer der Beklagten zu 1),\npersonlich angehort.\n\nDass das Landgericht die Herren K. und D. nicht vernommen bzw. nicht angehort\nhat, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagtenseite hat namlich erstinstanzlich\nauch nicht ansatzweise zu erkennen gegeben, dass die Genannten in irgendeiner\nWeise in die Namensfindung eingebunden oder an ihr beteiligt gewesen waren.\nAuch in der Berufung fehlt jeglicher konkreter Sachvortrag dazu, inwieweit\ndiese zur Aufklarung des streitigen Sachverhaltes beitragen konnten. Im\nubrigen ware ein derartiges Verteidigungsvorbringen in der Berufungsinstanz\nunzulassig, da die Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO weder\nvorgetragen noch sonst wie ersichtlich sind.\n\nAuch das ubrige Berufungsvorbringen der Beklagten zu 1) ist nicht geeignet,\nden Schluss auf eine im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO relevante\nFehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Beweisergebnisses zu begrunden. Die\nBeklagte zu 1) macht insoweit geltend, das Landgericht habe die Aussage des\nZeugen S. nicht zutreffend gewurdigt. Dem ist nicht zu folgen. Das Landgericht\nist auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen S. und A. und unter\nBerucksichtigung der Parteianhorung des Geschaftsfuhrers der Klagerin, Herrn\nS. senior, davon ausgegangen, dass die Entscheidung fur den Namen "S. B."\nseitens des Geschaftsfuhrers der Klagerin getroffen wurde. Dies ist in\nkeinerlei Hinsicht zu beanstanden. Gemaß § 286 ZPO hat das Gericht unter\nBerucksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses\nder Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden. Ein Verstoß\nhiergegen liegt dann vor, wenn das Gericht beispielsweise erhobene Beweise\nunvollstandig wurdigt (vgl. dazu BGH NJW-RR 1992, 1392). Hiervon ist\nvorliegend nicht auszugehen.\n\nDer Zeuge S. hat bekundet, Herr K. habe sich fur den Namen "S. B."\nausgesprochen, mit dem Namen "E. habe er sich nicht einverstanden erklart.\nDiese Aussage steht dem seitens des Landgericht gefundenen Beweisergebnis\nnicht entgegen, wonach der Geschaftsfuhrer der Klagerin die Bezeichnung "S.\nB." favorisiert und die Namensgebung letztendlich entschieden habe. Der Zeuge\nerklarte zwar weiter, nach seiner Wahrnehmung sei die Initiative zu der\nNamensgebung von Herrn K. ausgegangen (vgl. Bl. 148 d. A.). Hierbei handelt es\nsich aber offenbar um eine Schlussfolgerung des Zeugen S.; konkrete Angaben\ndazu, dass Herr K. den Begriff "S. B." quasi "erfunden" hatte, enthalt seine\nAussage nicht. Der Zeuge gab vielmehr an, dass er von einer Vereinbarung\nbetreffend die Namenswahl im Innenverhaltnis zwischen der Klagerin einerseits\nund den Herren K. und N. andererseits nicht wisse (vgl. Bl. 147 d. A.);\ninsoweit war seine Aussage demnach letztlich unergiebig.\n\nHiernach kann der Beweiswurdigung des Landgerichts insgesamt gefolgt werden,\nso dass auch insoweit die diesbezuglichen Ausfuhrungen des erstinstanzlichen\nUrteils in Bezug genommen werden konnen.\n\nDas Verhalten der Beklagten zu 1) erfullt vorliegend die Voraussetzungen des §\n15 Abs. 2 MarkenG. Unstreitig hat die Beklagte zu 1) die Geschaftsbezeichnung\n"Z. S.", also ein ahnliches Zeichen im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG, im\nVerkehr benutzt, und zwar ohne, dass die Klagerin ihr dies gestattet hatte,\nalso unbefugt. Dass zwischen den Bezeichnungen "S. B." und "Z. S."\nVerwechslungsgefahr besteht, unterliegt keinem vernunftigen Zweifel. Auch\ninsoweit wird auf die zutreffenden Ausfuhrungen des erstinstanzlichen Urteils\nBezug genommen, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkraftet sind.\n\nDa somit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 MarkenG vorlagen und damit der\nKlagerin ein Anspruch auf Unterlassung gemaß § 15 Abs. 4 MarkenG zustand, hat\ndas Landgericht die Beklagte zu 1) zu Recht zur Unterlassung der Fuhrung der\nBezeichnung "Z. S." verurteilt. Die Berufung der Beklagten zu 1) war somit\nzuruckzuweisen.\n\n**II.**\n\nDie Berufung der Klagerin ist ebenfalls form- und fristgerecht eingelegt und\nauch im ubrigen zulassig gemaß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Entgegen der\nAnsicht der Beklagten zu 1) ist auch die erforderliche Beschwer gegeben. Die\nKlagerin hatte namlich erstinstanzlich beantragt, der Beklagten zu 1)\numfassend die Verwendung der Bezeichnung "S." zu untersagen. Das Landgericht\nuntersagte der Beklagten zu 1) jedoch lediglich die Fuhrung der Bezeichnung\n"Z. S." und wies im ubrigen die Klage ab.\n\nDie Berufung der Klagerin ist auch begrundet. Der Klagerin steht namlich gemaß\n§ 15 Abs. 4 MarkenG ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) auf Unterlassung der\nBenutzung der Bezeichnung "S." in jeglicher Zusammensetzung zu. Zwar darf\ngrundsatzlich nur die konkrete Benutzungsart, die dem Klager gegenuber\nunbefugt ist, als die konkrete Verletzungsform verboten werden (vgl. dazu\nFezer, aaO, § 15 Rdnr. 190 m. w. N.). Ein allgemeines Benutzungsverbot ist\naber dann gerechtfertigt, wenn der Verletzer den fremdem Namen in der Absicht\ngewahlt hat, im Verkehr Verwechslungen herbeizufuhren oder an fremdem Ruf zu\nschmarotzen oder sich an ihn anzulehnen (vgl. dazu Fezer, aaO). Zumindest von\nLetzterem ist vorliegend auszugehen, und zwar auf Grund des eigenen Verhaltens\nder Beklagten zu 1). Wie die Klagerin in der Berufungsinstanz von der\nGegenseite unbestritten vorgetragen und durch Vorlage einer Fotografie (vgl.\nBl. 206 d. A.) belegt hat, wird die Gaststatte in der nunmehr unter der\nBezeichnung "E. A. S." betrieben. Damit aber ist die vorher bestehende\nVerwechslungsgefahr keineswegs ausgeraumt. Der markante und einpragsame Teil\nder zu Gunsten der Klagerin geschutzten Bezeichnung liegt namlich nicht in dem\nBegriffsteil "B.", da dieser mit sonstigen Bezeichnungen beliebig kombiniert\nwerden kann. Die Verwechslungsgefahr grundet sich vielmehr auf die Verwendung\nspeziell des Begriffs "S.", da dieser mit einem Teil der Bezeichnung des\nBetriebs in der identisch ist. Die Änderung der Bezeichnung der von der\nBeklagten zu 1) betriebenen Gaststatte nach Erlass des erstinstanzlichen\nUrteils zeigt, dass die Beklagte zu 1) nicht bereit ist, von einer Verwendung\ndes Begriffs "S.", in welcher Kombination auch immer, abzusehen. Dies legt den\nSchluss nahe, dass die Beklagte zu 1) letztlich auf Dauer aus der\nVerkehrsgeltung der Bezeichnung "S. B." fur ihre Gaststatte Nutzen ziehen und\ndaher eine hinreichend klare Abgrenzung in der Bezeichnung gerade vermeiden\nwill. Dies rechtfertigt es, nach den oben dargestellten Grundsatzen vorliegend\nein umfassendes Verbot auszusprechen.\n\nHiernach war das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe des Berufungsantrags der\nKlagerin abzuandern.\n\n**C.**\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 101 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; der\nAusspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713\nZPO.\n\nDie Festsetzung des Wertes der Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 26 Nr. 8\nEGZPO.\n\nMangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen war die Revision nicht\nzuzulassen.\n\n
129,042
ovgsl-2007-06-13-3-b-19407nc-3-b-1
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 B 194/07.NC; 3 B 194/07.NC u.a.
2007-06-13
2019-01-07 09:38:03
2019-02-12 12:12:31
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\ndes Saarlandes vom 16. April 2007 werden zuruckgewiesen.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten ihrer jeweiligen Beschwerdeverfahren.\n\nDer Streitwert wird fur die Beschwerdeverfahren 3 B 194/07.NC bis 3 B\n199/07.NC (einschließlich) auf jeweils 5.000,-- Euro, fur die ubrigen\nBeschwerdeverfahren auf jeweils 1.000,-- Euro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDie Beteiligten streiten uber das Vorhandensein von Studienplatzen außerhalb\nder festgesetzten Kapazitat im 1. Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin an\nder Universitat des Saarlandes im Wintersemester 2006/2007.\n\nDurch Rechtsverordnung vom 15.2.2006 (Amtsbl. 2006, S. 710) wurde die\nZulassungszahl in diesem Studiengang fur das Wintersemester 2006/2007 auf 24\nfestgesetzt.\n\nIn der Folgezeit haben die im Beschwerdeverfahren verbliebenen\nAntragstellerinnen und Antragsteller - im folgenden: Antragsteller - sowie\nweitere Studienbewerberinnen und Studienbewerber beim Verwaltungsgericht um\nvorlaufigen Rechtsschutz nachgesucht und geltend gemacht, im Studiengang\nZahnmedizin seien in dem betreffenden Semester uber die festgesetzte\nHochstzahl hinaus weitere Studienplatze bei der Antragsgegnerin vorhanden.\n\nDas Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 16. April 2007 die von der\nAntragsgegnerin vorgenommene Kapazitatsberechnung uberpruft und ist zu dem\nErgebnis gelangt, dass die an der Universitat des Saarlandes vorhandene\nKapazitat im 1. Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin im Wintersemester\n2006/2007 wie in der genannten Rechtsverordnung festgesetzt 24 betragt.\n\nMit ihren Beschwerden gegen diese Beschlusse verfolgen die im Verfahren\nverbliebenen Antragsteller ihre erstinstanzlichen Begehren weiter. Sie wenden\nsich gegen die im Rahmen der Kapazitatsermittlung vorgenommene\nSchwundberechnung. Einige Antragsteller (3 B 198/07.NC sowie 3 B 199/07 NC)\nmeinen, die Schwundberechnung sei bereits deshalb fehlerhaft, weil bei einigen\nÜbergangsquoten unzulassigerweise eine Schwundquote von mehr als 1 zum Ansatz\ngebracht sei. Samtliche Antragsteller machen geltend, die Schwundberechnung\nsei zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin bei den Bestandszahlen des 6. bis\n10. Fachsemesters auch solche Studentinnen und Studenten mitzahle, die die\nzahnarztliche Vorprufung noch nicht bestanden hatten. In der Tat gebe es im\nStudiengang Zahnmedizin bei der Antragsgegnerin eine betrachtliche Anzahl von\nStudentinnen und Studenten, die zwar im 6. bis 10. Fachsemesters gefuhrt\nwurden, die aber die nach dem 5. Fachsemester vorgesehene zahnarztliche\nVorprufung noch nicht abgelegt hatten. Diese Studentinnen und Studenten\nbefanden sich nach ihrem Ausbildungsstand noch im vorklinischen\nStudienabschnitt. Wegen § 36 ZAppO seien sie rechtlich gehindert,\nLeistungsnachweise im klinischen Ausbildungsabschnitt zu erbringen. Faktisch\nwurden sie in den klinischen Fachsemestern gefuhrt, fragten dort aber keine\nAusbildungsleistungen nach. Eine ganze Anzahl von ihnen habe das Ziel, die\nzahnarztliche Vorprufung abzulegen und weiter Zahnmedizin zu studieren,\naufgegeben und versuche, obwohl weiterhin im Fach Zahnmedizin immatrikuliert,\nLeistungsnachweise im Studiengang Humanmedizin zu erwerben und irgendwann in\nein hoheres Fachsemester des letztgenannten Studiengangs zu wechseln. Bis dies\ngelinge, wurden die betreffenden Studentinnen und Studenten oft bis zu acht\nSemester in den Bestandszahlen des Studiengangs Zahnmedizin gefuhrt, ohne dort\nUnterrichtsleistungen nachzufragen. Gerade in den klinischen Kursen der\nZahnmedizin liege die Zahl der tatsachlich teilnehmenden Studierenden in der\nRegel deutlich niedriger als die Bestandszahlen der betreffenden Fachsemester.\nDie Berechnung der Schwundquote nach dem so genannten Hamburger Modell werde\ndieser Problematik nicht gerecht. Dieser Berechnungsweise lagen folgende drei\nAnnahmen zugrunde:\n\n> > --- \n>> 1\\. Der Student fragt das gesamte Lehrangebot wahrend der Regelstudienzeit\nnach. \n>> 2\\. Die Lehrmengen sind beliebig teilbar. \n>> 3\\. Die Lehrmengen sind innerhalb des Studiengangs beliebig umverteilbar\n(insbesondere vom Haupt- ins Grundstudium). \n \nDiese dritte Modellannahme sei im Studiengang Zahnmedizin ebenso unzutreffend\nwie im Studiengang Humanmedizin. Der Studiengang Humanmedizin sei gemaß § 7\nAbs. 3 KapVO zu Kapazitatsberechnungszwecken in mehrere Lehreinheiten\naufgeteilt. Der Schwund werde in der Regel fur den vorklinischen Studienteil,\nfur die arztliche Vorprufung und fur den klinischen Studienteil gesondert\nberechnet. Im 1. klinischen Fachsemester des Studienganges Humanmedizin wurden\nnur diejenigen immatrikulierten Studenten berucksichtigt, die den ersten\nAbschnitt der arztlichen Prufung bestanden hatten. Diese Handhabung sei auf\ndie Berechnung des Schwundes wahrend des Zahnmedizin-Studiums zu ubertragen,\nda nur diejenigen Studentinnen und Studenten, die die zahnarztliche Vorprufung\nbestanden hatten, ihre Ausbildung im klinischen Abschnitt fortsetzen durften.\nEs komme hier nicht auf die Fiktion an, dass Lehrleistungen zwischen Klinik\nund Vorklinik austauschbar seien. Entscheidend sei, inwieweit die Lehreinheit\nZahnmedizin durch den Schwund einschließlich des Prufungsschwundes entlastet\nwerde. Das bedinge die Feststellung der Bestehensquote in der zahnarztlichen\nVorprufung. Die entsprechenden Erfolgsquoten konnten beim zustandigen\nPrufungsamt abgefragt werden; ihre Berucksichtigung wurde keine unwagbaren\nSchwierigkeiten aufwerfen. Das Prufungsamt konne mitteilen, wie viele\nStudenten die zahnarztliche Vorprufung im ersten oder zweiten Versuch\nbestanden hatten. Ein Vergleich dieser Zahlen mit den Bestandszahlen des 5.\nbis 10. Fachsemesters ermogliche es zu ermitteln, wie viele Studenten im\nDurchschnitt zur zahnarztlichen Vorprufung antreten. Alternativ konnte die\nAntragsgegnerin mitteilen, wie viele Studenten regelmaßig an den funf\nzahnarztlichen Kursen gemaß § 36 Abs. 1 b ZAppO teilnahmen. Studierende der\nZahnmedizin berichteten, dass die Teilnehmerzahl einschließlich Wiederholern\nlediglich bei 12 bis 14 liege. Die Ausfallquote durfte bei mindestens 25 %,\nmoglicherweise sogar bei 50 % liegen. Treffe letzteres zu, frage lediglich die\nHalfte der in den Bestandszahlen der klinischen Semester gefuhrten Studenten\nLehre im klinischen Ausbildungsabschnitt nach. Kurze man die Übergangsquote\nzwischen 5. und 6. Semester um 25 % und lege fur die weiteren klinischen\nSemester eine Übergangsquote von 1,00 zugrunde, errechneten sich drei, bei\neiner Kurzung um 50 % sogar sieben zusatzliche Studienplatze.\n\nDie Antragsteller der Verfahren 3 B 194/07.NC bis 3 B 199/07.NC beantragen\njeweils,\n\n> > den angefochtenen Beschluss abzuandern und die Antragsgegnerin zu\n> verpflichten, sie/ihn nach den Rechtsverhaltnissen des Wintersemesters\n> 2006/2007 vorlaufig zum Studium der Zahnmedizin im 1. Fachsemester\n> zuzulassen.\n\nDie Antragsteller der Verfahren 3 B 200/07.NC sowie 3 B 202/07.NC bis 3 B\n206/07.NC (einschließlich) beantragen jeweils,\n\n> > unter Abanderung des angefochtenen Beschlusses zur Verteilung weiterer\n> Studienplatze im Studiengang Zahnmedizin, 1. Fachsemester, - hilfsweise\n> beschrankt auf den vorklinischen Studienabschnitt - ein Losverfahren\n> durchzufuhren, die Antragsteller an diesem Losverfahren zu beteiligen und\n> ihnen einen Studienplatz zuzuweisen, sofern sie einen entsprechenden\n> Rangplatz gemaß den Feststellungen des Gerichts erhalten.\n\nDie Antragsgegnerin hat zu den Beschwerden nicht Stellung genommen.\n\nII.\n\nDie zulassigen Beschwerden sind unbegrundet.\n\nDer Umfang der gerichtlichen Nachprufung in den vorliegenden\nRechtsmittelverfahren wird durch das innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz\n1 VwGO bei Gericht eingegangene Vorbringen zur Begrundung der von den\nAntragstellern erhobenen Beschwerden begrenzt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).\n\nIn ihrem Beschwerdevorbringen beschranken sich die Antragsteller darauf, die\nerstinstanzliche Entscheidung insoweit anzugreifen, als darin die von der\nAntragsgegnerin im Rahmen der Ermittlung der Ausbildungskapazitat im\nStudiengang Zahnmedizin an der Universitat des Saarlandes im 1. Fachsemester\nfur das Wintersemester 2006/2007 durchgefuhrte Schwundberechnung gebilligt\nwird.\n\nDie gegen diesen Teil der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erhobenen\nEinwande greifen nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nicht durch.\n\nNach § 14 Abs. 1 KapVO ist das nach den Vorschriften des zweiten Abschnitts\nder Kapazitatsverordnung berechnete Ergebnis zur Festsetzung der\nZulassungszahlen anhand der weiteren, in den Absatzen 2 und 3 aufgefuhrten\nkapazitatsbestimmenden Kriterien zu uberprufen, wenn Anhaltspunkte dafur\ngegeben sind, dass sie sich auf das Berechnungsergebnis auswirken. Nach der\ninsoweit hier allein in Betracht zu ziehenden Regelung des § 14 Abs. 3 Nr. 3\nKapVO kommt eine Erhohung (der nach den Bestimmungen des zweiten Abschnittes\nerrechneten Ausbildungskapazitat) nur in Betracht, wenn das Personal (§ 8 Abs.\n1 KapVO) eine Entlastung von Lehraufgaben durch folgende Tatsachen erfahrt:\nStudienabbruch, Fachwechsel oder Hochschulwechsel von Studentinnen und\nStudenten in hoheren Semestern (Schwundquote). Zu dieser Schwundquote ist dann\nin § 16 KapVO naher bestimmt, dass die Studienanfangerzahl zu erhohen ist,\nwenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechseln die\nZahl der Abgange an Studentinnen und Studenten in hoheren Fachsemestern großer\nist als die Zahl der Zugange.\n\nErforderlich ist danach, wie der Formulierung „wenn zu erwarten ist" in § 16\nKapVO zu entnehmen ist, eine Prognose der kunftigen Entwicklung der\nStudentenzahlen wahrend der Dauer des Studiums. Ein Verfahren zur Erstellung\ndieser Prognose ist normativ nicht vorgegeben. Nach den Grundsatzen der\nPrognosekontrolle ist sie indes gerichtlich nur eingeschrankt nachprufbar. Die\ngerichtliche Überprufung hat sich dabei darauf zu beschranken, ob die\nzustandige Behorde von zutreffenden Abgrenzungen und Daten ausgegangen ist,\nsich einer wissenschaftlich vertretbaren Methode bei der Schwundberechnung\nbedient und hierbei so genannte „schwundfremde" Einflussfaktoren ausgeklammert\nhat\n\n> > vgl. z.B. Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik\n> Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 16 KapVO Rdnr. 6.\n\nIn der Rechtsprechung allgemein gebilligt ist die Ermittlung des Schwundes\nnach dem so genannten Hamburger Verfahren\n\n> > vgl. z.B. BVerwG, Urteil aufgrund mundlicher Verhandlung vom 30.11.1984 -\n> 7 C 66.83 - und Urteil vom 20.11.1987 - 7 C 103/86 - NVwZ-RR 1989, 184; VGH\n> Mannheim, Beschluss vom 31.3.2006 - 9 S 3/06 - zitiert nach juris.\n\nHierbei handelt es sich um ein Berechnungsmodell, dem folgende Annahmen\nzugrunde liegen:\n\n> > --- \n>> 1\\. Der/Die Studierende fragt das erforderliche (= das gesamte) Lehrangebot\nwahrend der Regelstudienzeit nach. \n>> 2\\. Die Lehrmengen sind beliebig teilbar. \n>> 3\\. Die Lehrmengen sind innerhalb eines Studiums beliebig umverteilbar. \n \nHiervon ausgehend wird auf der Grundlage der Studentenstatistik unter\nHeranziehung von mehreren Eingangs- beziehungsweise Erhebungssemestern die\nEntwicklung der Studentenbestandszahlen in den einzelnen Fachsemestern des\nStudienganges unter Berucksichtigung von Zu- und Abgangen durch Fach- und\nOrtswechsel, von Zugangen aufgrund von Zulassungen in hohere Semester und von\nAbgangen durch Studienabbruch erfasst und aus ihrer Veranderung nach einer\nbestimmten Rechenmethode ein Durchschnittswert gebildet.\n\nSo ist vorliegend auch die Antragsgegnerin verfahren, wie sich der von ihr mit\nSchriftsatz vom 3.11.2006 vorgelegten Unterlage „Schwund Zahnmedizin fur\n2006/2007" entnehmen lasst, die die Berechnung der Schwundquote auf der\nGrundlage der Bestandszahlen der zehn Fachsemester des Zahnmedizinstudiums (§\n2 ZappO, § 3 Studienordnung fur den Studiengang Zahnmedizin an der Universitat\ndes Saarlandes vom 20.2.2003 - Dienstblatt der Hochschulen des Saarlandes\n2003, 134 -) in der Zeit vom Wintersemester 2003/2004 bis zum Wintersemester\n2005/2006 enthalt.\n\nWerden in den der Schwundquotenberechnung zugrunde gelegten Bestandszahlen der\nhoheren Fachsemester danach nicht nur Abgange, sondern auch Zugange\nberucksichtigt, liegt es in der Natur der Sache, dass die Bestandszahl eines\nFolgesemesters auch einmal hoher sein kann als diejenige des vorangegangenen\nSemesters, zum Beispiel wenn der Zugang durch Ortswechsel oder Zulassung in\nein hoheres Fachsemester großer ist als ein zuvor aufgetretener Schwund durch\nAbgange. Hieraus kann sich dann rechnerisch eine Übergangsquote von großer 1\nergeben\n\n> > vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 21.1.1986 - 7 B 1-11/82 -, zitiert nach\n> juris, Rdnr. 28.\n\nDas ist entgegen der Ansicht einiger der Antragsteller auf der Ebene der\nBerechnung rechtlich nicht zu beanstanden. Eine andere Frage ist, ob die\nKorrektur der nach dem zweiten Abschnitt der Kapazitatsverordnung errechneten\nAusbildungskapazitat mittels einer Schwundquote von großer als 1 erfolgen\ndarf. Das ist mit Blick auf die Regelungen der §§ 13 Abs. 3 Nr. 1, 16 KapVO zu\nverneinen, die nur eine kapazitatserhohende, nicht aber eine\nkapazitatssenkende Berichtigung des Schwundes vorsehen. Ein errechneter\nSchwundfaktor von großer als 1 ist demnach auf den Wert 1 zu reduzieren\n\n> > vgl. Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht der Bundesrepublik\n> Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 16 Rdnr. 3.\n\nVorliegend hat die Antragsgegnerin indes einen Schwundfaktor von 0,8706\nerrechnet und der Kapazitatsermittlung zugrunde gelegt, mithin keine\nSchwundquote von > 1 berucksichtigt.\n\nNach dem Ergebnis der nur eingeschrankt moglichen gerichtlichen Kontrolle der\nhinsichtlich des voraussichtlichen Schwundes anzustellenden Prognose ist\nentgegen der Auffassung der Antragsteller ebenfalls rechtlich nicht zu\nbeanstanden, dass die Antragsgegnerin als Bestande der so genannten klinischen\nSemester samtliche in den Fachsemestern 6 bis 10 (einschließlich)\neingeschriebene Studentinnen und Studenten im Studiengang Zahnmedizin und\nnicht nur qualifizierend diejenigen berucksichtigt hat, die die im Regelfall\nnach dem funften Semester abzulegende zahnarztliche Vorprufung bestanden\nhaben.\n\nDa davon auszugehen ist, dass Studentinnen und Studenten, die sich im 6. bis\n10. Fachsemester ihres zahnarztlichen Studiums befinden, auch wenn sie die\nzahnarztliche Vorprufung noch nicht bestanden haben, nach wie vor in den\nbetreffenden Fachsemestern immatrikuliert sind, ist ihre „Herausrechnung"\nzunachst nicht gemaß den §§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO geboten. Die\nbetreffenden Bestimmungen verlangen die Berucksichtigung einer Entlastung des\nPersonals von Lehraufgaben, die durch Studienabbruch sowie durch Fachwechsel\noder Hochschulwechsel von Studentinnen und Studenten in hoheren Semestern\neintritt. Insoweit ist schon zur Sicherstellung der Praktikabilitat des\nErmittlungsverfahrens eine normative Betrachtung erforderlich. Ebenso wie die\nHinzurechnung einer Studentin oder eines Studenten zu den Bestandszahlen eines\nFachsemesters erst dann moglich ist, wenn sie/er in dem betreffenden\nFachsemester des in Rede stehenden Studienganges eingeschrieben ist\n\n> > vgl. z.B. VGH Munchen, Beschluss vom 10.8.2006 - 7 CE 06.10016 u.a.,\n> zitiert nach juris, Rdnr. 10,\n\nkonnen Studierende, die ihr Studium aufgegeben, das Studienfach oder den\nStudienort gewechselt haben, erst dann berucksichtigt werden, wenn sie sich\nexmatrikuliert haben. Eine verlassliche Aussage daruber, ob eine\nimmatrikulierte Studentin oder ein immatrikulierter Student wirklich das\nStudium ordnungsgemaß betreibt, wird hingegen in aller Regel nicht, jedenfalls\nnicht mit vertretbarem Aufwand moglich sein. Die gegenteilige Betrachtung, die\ndie Berucksichtigung von Studierenden bei den Bestandszahlen der erreichten\nFachsemester in ihrem Studienfach von ihrem tatsachlichen Studienverhalten\noder Studienerfolg abhangig macht, wurde - sofern dies uberhaupt einigermaßen\nverlasslich feststellbar ware - in den von den Antragstellern angefuhrten\nFallen von Zahnmedizinstudentinnen und -studenten, die in Wirklichkeit\nLehrveranstaltungen des Studienfaches Humanmedizin besuchen und dort\nLeistungsnachweise mit dem Ziel erwerben, sobald wie moglich in ein hoheres\nFachsemester des letztgenannten Studienganges zu wechseln, konsequenterweise\nbedingen, dass diese Studierenden aufgrund ihres faktischen Studienverhaltens\n- kapazitatsmindernd - im Fach Humanmedizin zu berucksichtigen waren.\n\nLetztlich wurden die Anforderungen an ein System zur Ermittlung der\nSchwundquote uberspannt, wenn bei der Ermittlung der Bestandszahlen der\nFachsemester uber die Feststellung der Immatrikulation hinaus in jedem Fall\ngepruft und belegbar festgestellt werden musste, ob der betreffende\nStudierende noch das Lehrangebot „seines" Faches in Anspruch nimmt, ob er\nschlicht „bummelt" oder ob er in Wirklichkeit (ausschließlich)\nLehrveranstaltungen eines anderen Studienganges besucht oder ob er seine\nBemuhungen, sein Studienziel zu erreichen, vollig eingestellt hat.\n\nEbenso wenig wie danach aus den §§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO lasst sich das\nErfordernis einer uber die angesprochene normative Betrachtung hinausgehenden,\nauf das tatsachliche Studierverhalten der einzelnen Studentinnen und Studenten\nabstellende Bestandserfassung nach Auffassung des Senats aus dem Art. 12 Abs.\n1 GG zu entnehmenden Gebot der erschopfenden Nutzung der Kapazitat herleiten.\nNach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem so genannten\nKapazitatserschopfungsgebot ein bestimmtes Modell zur rechnerischen Erfassung\ndes Schwundverhaltens nicht zu entnehmen. Es ist nicht Sache dieser\nVerfassungsdirektive, die einzelnen, der Kapazitatsermittlung dienenden\nParameter inhaltlich abschließend auszugestalten\n\n> > vgl. BVerwG, Urteile aufgrund mundlicher Verhandlung vom 30.11.1984 - 7 C\n> 66.83 -, und vom 20.11.1987 - 7 C 103/86 -, NVwZ-RR 1989, 184.\n\nDies gilt nicht zuletzt deshalb, weil sich die Entwicklung der Gesamtnachfrage\nder zuzulassenden Semesterkohorte auf der Grundlage von in der Vergangenheit\nliegenden Entwicklungen des Studentenbestandes ohnehin nicht rechnerisch\nfeststellen, sondern eben allenfalls prognostisch abschatzen lasst.\n\nAuch bei dem in der Rechtsprechung allgemein akzeptierten Hamburger Verfahren\nhandelt es sich „lediglich" um ein Modell, das - letztlich um uberhaupt\nhandhabbar zu sein - auf Annahmen beruht, die nicht in jedem Einzelfall,\nmoglicherweise sogar uberhaupt nicht zutreffen. So wird z.B. unterstellt, dass\nder Studierende das gesamte Lehrangebot wahrend der Regelstudienzeit\nnachfragt.\n\nAußer Betracht bleiben hierbei - kapazitatsfreundlich - diejenigen\nStudierenden, die nach Ende der Regelstudienzeit - zum Beispiel in der\nZahnmedizin im 11. oder in einem noch hoheren Fachsemester - immatrikuliert\nsind und nach wie vor Lehrleistungen nachfragen. Nach Angaben der\nAntragsgegnerin (Schriftsatz vom 1.2.2007 nebst Anlagen, Stand: 24.1.2006)\nsind das bei ihr im Wintersemester 2006/2007 immerhin insgesamt 35 Studenten\nim 11. und hoheren Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin und damit eine\nGesamtzahl, die zum Beispiel deutlich uber die regelmaßige Zahl der jahrlichen\nNeuzulassungen hinausgeht. Das weist darauf hin, dass das Hamburger Verfahren\nmit seiner ersten Annahme eine eindeutig kapazitatsgunstige Betrachtung\nvorgibt. Ebenfalls prinzipiell kapazitatsgunstig ist die weitere Annahme, dass\ndie Lehrmengen innerhalb eines Studiums beliebig umverteilbar sind. Soweit die\nAntragsteller diese Annahme fur den Studiengang Zahnmedizin als unzutreffend\nansehen, lassen sie unberucksichtigt, dass diese Annahme letztlich die\nRechtfertigung fur die der Berucksichtigung einer Schwundquote „uberhaupt"\nzugrunde liegende Erwartung bildet, dass durch die Verringerung der\nStudentenzahlen in hoheren Fachsemestern ersparter Lehraufwand fur die\nAusbildung einer uber die nach dem zweiten Abschnitt der Kapazitatsverordnung\nermittelte Kapazitat hinausgehenden Zahl von Studenten in den Anfangssemestern\nnutzbar gemacht werden kann\n\n> > vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.1.2007 - 5 NC 128.06 -.\n\nDer Hinweis der Antragsteller auf die Vergleichbarkeit des Zahn- und des\nHumanmedizinstudiums erlaubt insoweit keine andere Beurteilung. Zwar mag es\nzutreffen, dass es sich in beiden Fallen um vergleichbar strukturierte\nMedizinstudiengange handelt und beiden gemeinsam ist, dass das Studium in den\nklinischen Teilen erst dann fortgesetzt werden darf, wenn der erste Abschnitt\nder arztlichen Prufung beziehungsweise zahnarztliche Vorprufung bestanden ist.\nZu berucksichtigen ist jedoch, dass kapazitatsrechtlich ein Unterschied\nzwischen beiden Studiengangen gerade darin besteht, dass aufgrund der\nausdrucklichen Regelung des § 7 Abs. 3 KapVO allein der Studiengang\n(Human-)Medizin eine „Sonderbehandlung" erfahrt, indem er gerade fur Zwecke\nder Kapazitatsberechnung in einen vorklinischen und einen klinischen Teil\nuntergliedert wird und die Lehreinheiten vorklinische Medizin, klinisch-\ntheoretische Medizin und klinisch-praktische Medizin gebildet werden. Anders\nals der Studiengang Zahnmedizin wird der Studiengang Humanmedizin demnach\nnicht innerhalb einer einzigen geschlossenen Lehreinheit absolviert\n\n> > vgl. in diesem Zusammenhang auch VGH Munchen, Beschluss vom 29.8.2006 - 7\n> CE 06.10430-, der darauf hinweist, dass im Studiengang Humanmedizin mit dem\n> ersten klinischen Fachsemester - ungeachtet der im Einzelfall sehr\n> unterschiedlichen Studiendauer - eine neue Zahlung beginnt.\n\nIm Übrigen ist auch in anderen Studiengangen der Erwerb von\nLeistungsnachweisen des „Hauptstudiums" ohne vorherige Ablegung einer\nvorgesehenen Vor- beziehungsweise Zwischenprufung allenfalls sehr\neingeschrankt moglich, von der Frage der Typik oder Sinnhaftigkeit einer\nOrganisation des Studiums, in der schon Leistungsnachweise des Hauptstudiums\nvor Bestehen der Vor- oder Zwischenprufung erworben werden, einmal ganz\nabgesehen.\n\nSo setzt nach § 9 Abs. 2 der Studienordnung fur den Diplom-Studiengang\nPsychologie an der Universitat des Saarlandes vom 14.2.1996 (Dienstblatt S.\n476) der Besuch von Lehrveranstaltungen, die fur den zweiten Studienabschnitt\nangekundigt werden, im Allgemeinen die Diplom-Vorprufung voraus. Eine Ausnahme\nbilden lediglich so genannte Überblicksveranstaltungen, die auch von\nStudierenden des ersten Studienabschnitts besucht werden konnen. Nach § 15\nAbs. 5 AAppO konnen im Studiengang Pharmazie Nachweise, die fur die Zulassung\nzum zweiten Abschnitt der pharmazeutischen Prufung erforderlich sind, vor\nBestehen des ersten Abschnitts der pharmazeutischen Prufung nur in dem auf die\nerstmalige Zulassung zum ersten Prufungsabschnitt folgenden Semester erworben\nwerden.\n\nIst danach auch in anderen Studiengangen die Durchfuhrung des „Hauptstudiums"\nvor Bestehen einer vorgesehenen Vor- oder Zwischenprufung allenfalls\neingeschrankt moglich, gebietet es der Umstand, dass der klinische Teil des\nZahnmedizinstudiums erst nach Bestehen der zahnarztlichen Vorprufung\naufgenommen werden darf, nicht, zur Ermittlung der Schwundquote eine\nBerechnungsweise zu wahlen, die sicherstellt, dass als Bestand der klinischen\nSemester nur diejenigen Studentinnen und Studenten erfasst werden, die diese\nVorprufung bereits abgelegt haben. Hinzu kommt folgendes: Die „Gruppe" der\nStudierenden, die im 6. oder einem noch hoheren Fachsemester des Studienganges\nZahnmedizin eingeschrieben sind, muss keineswegs homogen sein. Sie kann, was\ndie Antragsteller hier geltend machen, Studierende umfassen, die in\nWirklichkeit Lehrveranstaltungen des Studiengangs Humanmedizin besuchen, um\nmittels der auf diese Weise erworbenen Leistungsnachweise die Voraussetzung\nfur einen Wechsel in ein hoheres Fachsemester des letztgenannten Studienfachs\nzu schaffen. Sie kann aber auch solche Studenten umfassen, die die\nzahnarztliche Vorprufung deshalb noch nicht bis zum Abschluss des 5.\nFachsemester abgelegt haben, weil es ihnen nicht gelungen ist, wahrend der\nregelmaßig funf Semester des vorklinischen Studienteiles die erforderlichen\nNachweise zu erwerben, und solche Studierenden, die die zahnarztliche\nVorprufung im ersten Anlauf nicht bestanden haben und sich auf eine\nWiederholung dieser Prufung vorbereiten. Diese beiden letztgenannten\n„Untergruppen" blieben, wurden in den Bestanden des 6. und der folgenden\nFachsemester nur Studentinnen und Studenten mit bestandener zahnarztlicher\nVorprufung erfasst, unberucksichtigt, obwohl gerade sie in aller Regel noch\nLehrleistungen im vorklinischen Studienabschnitt nachfragen und auf sie\ndeshalb die der Berucksichtigung einer Schwundquote zugrunde liegende Annahme,\ndass sich Entlastung im klinischen Ausbildungsteil in einem Mehr an\nAusbildungskapazitat im vorklinischen Ausbildungsabschnitt niederschlagt,\ngerade nicht zutrifft.\n\nDer Senat gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die von der Antragsgegnerin nach\ndem Hamburger Verfahren durchgefuhrte Schwundberechnung entgegen der Ansicht\nder Antragsteller nicht deshalb zu beanstanden ist, weil sie in den\nBestandzahlen des 6. und der folgenden Fachsemester des Studiengangs\nZahnmedizin auch solche Studentinnen und Studenten berucksichtigt, die die\nzahnarztliche Vorprufung noch nicht bestanden haben.\n\nDa auch sonst kein durchgreifender Fehler der Schwundberechnung oder der\nKapazitatsberechnung der Antragsgegnerin im Übrigen aufgezeigt worden ist (§\n146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), muss es bei der erstinstanzlichen Entscheidung\nverbleiben.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52, 53 Abs. 3 Nr. 1, 63 Abs. 2\nGKG und berucksichtigt anknupfend an die neuere Rechtsprechung des Senats zur\nStreitwertfestsetzung in Verfahren betreffend die vorlaufige Zulassung zum\nStudium der Humanmedizin\n\n> > vgl. zum Beispiel Beschluss vom 2.8.2005 - 3 Y 13/05 -,\n\nob ein Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur unmittelbaren\nZulassung zum Studium in dem von ihm gewunschten Studiengang beantragt oder\nsich darauf beschrankt hat, die vorlaufige Verpflichtung der Universitat zu\nbeantragen, ihn an einer ihr aufzugebenden Auslosung von zusatzlich zur\nfestgesetzten Hochstzahl festgestellten Studienplatzen zu beteiligen und ihn\nfur den Fall zuzulassen, dass nach seinem in der Auslosung erzielten Rangplatz\neiner der zusatzlich zu verteilenden Studienplatze auf ihn entfallt. Im ersten\nFalle halt der Senat das Antragstellerinteresse mit 5.000,-- EUR, im zweiten\nFall mit 1.000,-- EUR fur bedeutungsangemessen bewertet.\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n