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olgrost-2007-10-23-6-w-6407
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
6 W 64/07
2007-10-23
2018-11-25 07:30:09
2019-02-11 06:08:24
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nI. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 24.09.2007 wird - unter\nZuruckweisung der Beschwerde im Übrigen - der Beschluss des Landgerichts\nNeubrandenburg vom 30.08.2007 (Az.: 4 O 181/07) i.d.F. des\nBerichtigungsbeschlusses vom 10.09.2007 teilweise geandert und wie folgt neu\ngefasst:\n\n \n\n1\\. Die Klagerin tragt die Kosten der Anrufung des unzustandigen Landgerichts\nFlensburg. Von den ubrigen Kosten des Rechtsstreits tragt die Klagerin 5/9 und\nder Beklagte 4/9.\n\n \n\n2\\. Der Streitwert wird bis zum 29.05.2007 auf 9.626,13 € und danach auf\n5.489,61 € festgesetzt.\n\n \n\nII. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragt die Klagerin 5/9 und der\nBeklagte 4/9 nach einem Beschwerdewert von bis zu 2.000,00 €.\n\n \n\nIII. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\n**1.** Die zulassige sofortige Beschwerde hat uberwiegend Erfolg.\n\n2\n\n \n\n**a)** Die Beschwerde ist begrundet, soweit der Beklagte mit der\nBeschwerdebegrundung die in Teilen fehlerhafte Kostenentscheidung des\nLandgerichts auf der Grundlage von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO rugt.\n\n3\n\n \n\n**aa)** Nach der durch das ZPO-Reformgesetz neu eingefugten und mit dem 1.\nJuMoG geanderten Regelung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO kann uber die\nKostentragung nach billigem Ermessen (§ 91a ZPO) entschieden werden, wenn die\nKlage zuruckgenommen und ein entsprechender Antrag (§ 269 Abs. 4 ZPO) gestellt\nwird. Dies ist auch dann moglich, wenn die Erledigung schon mit der\nEinreichung der Klage eingetreten ist (vgl. Zoller/Greger, ZPO, 26. Aufl., §\n269 Rn. 18d m.w.N.). Vorausgesetzt ist dafur, dass der Anlass zur Einreichung\nder Klage vor Anhangigkeit oder Rechtshangigkeit weggefallen ist und die Klage\ndaraufhin zuruckgenommen wird (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 28. Aufl., § 269 Rn.\n16). Entsprechend kann entschieden werden, wenn die Klage nicht zugestellt\nwurde (§ 269 Abs. 3 Satz 3, letzter Halbs., vgl. dazu auch Zoller/Greger,\na.a.O., § 269 Rn. 18e m.w.N.). Keine entsprechende Anwendung findet die\nVorschrift auf Falle, in denen eine Erledigungserklarung moglich gewesen ware\n(vgl. BGH NJW 2004, 223; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 269 Rn. 17).\n\n4\n\n \n\nHingegen tragt im Regelfall, also wenn die so bezeichneten Sonderfalle nach §\n269 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht gegeben sind, die klagende Partei grundsatzlich\nalle Kosten des Rechtsstreits, soweit nicht bereits rechtskraftig uber sie\nentschieden wurde (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO); die weitere dort bestimmte\nAusnahme ("oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind")\nbezieht sich allein auf § 93d ZPO (vgl. BGH NJW 2004, 223; Zoller/Greger,\na.a.O., § 269 Rn. 18). Diese den Klager treffende Kostenlast gilt ohne\nRucksicht auf die materielle Rechtslage (BGH, a.a.O.; Thomas/Putzo/Reichold,\na.a.O., § 269 Rn. 15). Die Regelanordnung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist eine\nAuspragung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrundeliegenden Prinzips, dass\ndie unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der\nKlager die Klage zuruck, begibt er sich freiwillig in die Rolle des\nUnterlegenen (BGH NJW-RR 1995, 495). Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen\nRecht ubereinstimmt, ist ohne Bedeutung. Letzteres betrifft allein den\nmateriell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber die davon zu\nunterscheidende prozessuale Kostenlast (vgl. BGH NJW 2004, 223 m.w.N.; BGHZ\n45, 251, 256f.; BGHZ 111, 168, 170f.). Bei teilweiser Klagerucknahme\nrespektive bei teilweiser Anwendung und teilweiser Nichtanwendung von § 269\nAbs. 3 Satz 2 bzw. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO sind die Kosten entsprechend § 92\nZPO quotenmaßig zu verteilen (Zoller/Greger, a.a.O., § 269 Rn. 18a m.w.N.).\n\n5\n\n \n\n**bb)** Nach diesem Maßstab hat das Landgericht den Beklagten zu Recht zur\nTragung der Kosten fur verpflichtet angesehen, soweit mit der\nAnspruchsbegrundung die Klage teilweise i.H. von 4.086,87 € zuruckgenommen und\nein entsprechender Kostenantrag von der Klagerin gestellt worden ist; das gilt\numgekehrt nicht hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 15.08.2007 erklarten\nKlagrucknahme im Übrigen zum Restbetrag von 5.489,61 €.\n\n6\n\n \n\n**aaa)** Wie die Klagerin dargelegt hat, sind von den mit dem Mahnbescheid\numfassten streitgegenstandlichen Rechnungen - aus dem kauflichen Erwerb von\nBaustoffen durch den Beklagten und den Verkauf und die Belieferung durch die\nKlagerin - i.H.v. 9.626,13 € nach Erlass des Mahnbescheides am 30.01.2007 und\ndessen Zustellung an den Beklagten am 31.01.2007 vom Beklagten am 22.02.2007,\n19.03.2007 und am 17.04.2007 Rechnungen zum Gesamtbetrag von 4.086,87 €\nbeglichen worden, so dass (abzuglich zweier Gutschriften uber 18,33 € und\n49,65 €) ein Restbetrag von 5.489,61 € verbleibt.\n\n7\n\n \n\n**aaaa)** Soweit der Beklagte gegen die Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO\nauf den zuruckgenommenen Betrag einwendet, es sei bereits mit der Zustellung\ndes Mahnbescheides an den Beklagten Rechtshangigkeit eingetreten, weshalb sich\ndie Vorschrift nicht auf die erst anschließend - **zwischen der Zustellung des\nMahnbescheides und der Abgabe der Streitsache am 01.06.2007** \\- geleisteten\nAusgleichsbetrage beziehen konne, ist dem nicht zu folgen. Denn nach Abgabe\nder Streitsache (§§ 696 Abs. 1, 700 Abs. 3 ZPO), die vorliegend am 01.06.2007\nerfolgt ist, nachdem der Beklagte Gesamtwiderspruch, eingegangen bei Gericht\nam 12.02.2007, gegen den Mahnbescheid eingelegt hatte, ist der bisherige\nAntragsteller Klager, so dass nach der Anspruchsbegrundung (§ 697 Abs. 1, Abs.\n2 ZPO) § 269 Abs. 3 Satz 2 und/oder Satz 3 ZPO unmittelbar anwendbar sind. Die\nZustellungsruckwirkungsfiktion nach § 696 Abs. 3 ZPO (also die\nRechtshangigkeit der Streitsache ab der Zustellung des Mahnbescheids, wenn sie\nalsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird) ist auf Zahlungen\nim Mahnverfahren (vor der Abgabe) nicht anzuwenden (vgl. Zoller/Vollkommer,\na.a.O., § 690 Rn. 24 m.w.N.). Die Klagerin konnte mithin mit der\nAnspruchsbegrundung die teilweise Klagerucknahme erklaren und die Kostenfolge\nvon § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO fur sich in Anspruch nehmen.\n\n8\n\n \n\n**bbbb)** Anders verhalt es sich hingegen zur weiteren Klagerucknahme\nhinsichtlich des verbliebenen Restbetrages von 5.489,61 €. Zwar hat das\nLandgericht mit seinem Hinweisbeschluss vom 31.01.2007 (richtig wohl:\n31.07.2007) zu einer entsprechenden Klagerucknahme angeraten, weil der\nBeklagte durch die von ihm vorgelegten Kontoauszuge vom 03.07.2007 und vom\n24.05.2007 nachgewiesen habe, dass er am 27.06.2007 zugunsten der Klagerin\noffene Rechnungen i.H.v. 924,35 € und von 4.533,19 € beglichen habe und am\n16.05.2007 den dritten noch streitigen Rechnungsbetrag von 100,05 €. Im Falle\neiner Rucknahme der gesamten restlichen Klage hat das Landgericht einen\nKostenbeschluss nach § 269 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO in Aussicht gestellt.\n\n9\n\n \n\nDiese Darstellung war jedoch fehlerhaft oder jedenfalls ungenau, soweit es\neine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO oder aber nach § 269 Abs.\n3 Satz 3 ZPO betrifft. Zu den Überweisungen vom 27.06.2007 i.H. von 5.457,54 €\nabzgl. der Gutschriften von 18,33 und 49,65 € = 5.389,56 € fehlt es zur\nAnwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO - anders als es das Vordergericht in dem\nangefochtenen Beschluss vertreten hat - bereits an den formalen\nVoraussetzungen. Denn diese Zahlungen sind nach Abgabe der Streitsache gem. §\n696 Abs. 1 ZPO am 01.06.2007 (sowie auch nach Zustellung der\nAnspruchsbegrundung am 12.06.2007, vgl. GA 31) geleistet worden. Mit der\nerklarten Klagerucknahme kann deshalb unabhangig davon, ob der Beklagte Anlass\nzur gerichtlichen Verfolgung dieser Rechnungsanspruche gegeben, keine\nKostenentscheidung zu Gunsten der Klagerin ergehen, sondern entsprechend dem\nRegelfall des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO hat sie die diesbezuglichen - und\ninsofern nach § 92 Abs. 1 ZPO zu quotelnden - Kosten (im Verhaltnis 5/9 zu 4/9\n[Beklagter]) zu tragen. Anders hatte es sich nur verhalten, wenn die Klagerin\nauf diese geleisteten Zahlungen die Erledigung des Rechtsstreits in der\nHauptsache erklart und damit eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO eroffnet\nhatte. Diese Moglichkeit hat sie sich selbst versagt und entsprechend kann §\n269 Abs. 3 Satz 3 ZPO - wie ausgefuhrt (BGH, NJW 2004, 223) - nicht auf § 91a\nZPO angewendet werden, wo die Partei Gelegenheit hatte, von einer solchen\nErledigungserklarung Gebrauch zu machen. Die Klagerin hatte es bei einer\nErledigungserklarung der Hauptsache belassen konnen. Dann ware die Erledigung,\nfalls der Beklagte sich der Erklarung nicht angeschlossen hatte, ggf. durch\nUrteil festgestellt worden. Die Unannehmlichkeiten, die mit der Wahrnehmung\ndes Verhandlungstermins verbunden sind, rechtfertigen nicht die Durchbrechung\nder kostenrechtlichen Grundsatze im Wege der Gesetzesauslegung (vgl. BGH NJW\n2004, 223, zumal das JuModG mit § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO die Moglichkeit\ngeschaffen hat, dass ohne mundliche Verhandlung uber die Kosten nach § 91a ZPO\nentschieden wird, wenn der Beklagte zu einer Erledigungserklarung des Klagers\nschweigt.\n\n10\n\n \n\n**bbb)** Hinsichtlich des Betrages von 4.086,87 € \\- und damit in Bezug auf\neine Quote von 4/9 der Hauptforderung - hat das Landgericht im Übrigen\nallerdings zutreffend sein nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO eroffnetes Ermessen (§\n91a ZPO) ausgeubt und den diesbezuglichen Anteil an den Kosten des\nRechtsstreits - zu 4/9 - dem Beklagten auferlegt. Das dagegen gerichtete\nBeschwerdevorbringen ist - aus den vom Landgericht angefuhrten Grunden -\nunbegrundet. Im Einzelnen:\n\n11\n\n \n\n**aaaa)** Zu Recht ist das Landgericht in Bezug auf den vom Beklagten\nvorgebrachten Einwand, die Falligkeit der mit den einzelnen Rechnungen geltend\ngemachten Rechnungsbetrage stelle sich immer erst mit deren Zugang, (wobei er\nformelhaft erklarte, "Wann der Zugang der Rechnung beim Beklagten verzeichnet\nwerden konnte, lasst sich nicht mehr feststellen. Es wird aber angenommen,\ndass unmittelbar vor der vorgenommenen Zahlung die Rechnung zugegangen sein\ndurfte"), davon ausgegangen, die Rechnungen seien bereits ohne Rechnung fallig\ngewesen, da die Klagerin unwidersprochen vorgetragen habe, dass der Beklagte\ndie in den Rechnungen aufgefuhrten Waren zu den vereinbarten Kaufpreisen\nbestellt und erhalten habe. Insoweit ergab sich die Falligkeit der\nKaufpreiszahlungsverpflichtung bereits aus dem Gesetz (§ 433 Abs. 2 BGB), da\ndiese grundsatzlich mit der Entstehung der Forderung (§ 271 BGB), also dem\nVertragsschluss, eintritt (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 66. Aufl., § 433 Rn. 41).\n\n12\n\n \n\n**bbbb)** Selbst wenn mit dem Beklagten davon ausgegangen wird, dass die\nFalligkeit durch die Gewahrung eines Skonto (von 2%) - bei Einhaltung eines\nauf den ausgestellten Rechnungen jeweils bestimmten Zahlungsziels - durch die\nKlagerin selbst modifiziert worden ist, was im Geschaftsverkehr durchaus der\nÜblichkeit entspricht (vgl. Palandt/Putzo, a.a.O.), und wenn weiter angenommen\nwird, dass die in den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klagerin\nvorhandene Allgemeine Geschaftsbedingung, wonach der Kaufpreis bei Lieferung\nfallig ist und die Gewahrung eines Zahlungszieles der Vereinbarung bedarf,\nnicht wirksam in das Vertragsverhaltnis zum Beklagten einbezogen worden sind,\nkann doch der Beklagte mit seinem Vortrag kein Gehor finden, er nehme an, die\nRechnungen seien ihm jeweils erst kurz vor erfolgter Zahlung zugegangen. Denn\ndie Klagerin hatte mit der Anspruchsbegrundung dargestellt, dass die\nRechnungen grundsatzlich am Tag ihrer Erstellung versandt werden, so dass sie\ndem Beklagten am Tag danach zugegangen seien. Das hat dieser mit seiner\nErwiderung nicht in Abrede genommen, da in seiner Pauschalerklarung kein\nsubstantiiertes Bestreiten, sondern eine bloße Mutmaßung (oder\nSchutzbehauptung) liegt.\n\n13\n\n \n\n**cccc)** Die weiteren Einwande des Beklagten zur Unbestimmtheit des\nMahnbescheides hat das Landgericht zu Recht zuruckgewiesen .\n\n14\n\n \n\nNach allem hat die sofortige Beschwerde in dem bestimmten Umfang Erfolg; im\nÜbrigen nicht. Die Klagerin, der die Beschwerde und Beschwerdebegrundung zur\nKenntnis gebracht worden ist, hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat davon\nbis zur Entscheidung des Senats jedoch keinen Gebrauch gemacht.\n\n15\n\n \n\n**2.** Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO\nentsprechend dem Verhaltnis von Obsiegen und Unterliegen; die Festsetzung des\nBeschwerdewertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO, wobei der Senat das\nInteresse des Beklagten, nicht mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu\nwerden, hat entscheidend sein lassen.\n\n16\n\n \n\n**3.** Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist nicht gegeben. Weder kommt\nder Sache grundsatzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des\nRechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung\ndes Rechtsbeschwerdegerichts.\n\n
107,121
ovgsh-2006-12-14-2-mb-2806
1,066
Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
ovgsh
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 MB 28/06
2006-12-14
2018-11-25 08:30:15
2019-02-26 19:48:44
Beschluss
ECLI:DE:OVGSH:2006:1214.2MB28.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Schleswig-\nHolsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 13. Oktober 2006 wird\nzurückgewiesen.\n\n \n\nDie Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n \n\nDer Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,--\nEuro festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des\nVerwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2006 - 6 B 27/06 -, der die aufschiebende\nWirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 25. August 2006 gegen den\nWiderruf ihrer Bestellung zur Gleichstellungsbeauftragten vom 26 Juli 2006\nwiederhergestellt hat.\n\n2\n\n \n\nDie Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nvom 13. Oktober 2006 ist unbegründet.\n\n3\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden\nWirkung zu Recht stattgegeben. Das Interesse der Antragstellerin an der\nWiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches vom 25.\nAugust 2006 überwiegt gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der\nsofortigen Vollziehung des Bescheides. Die von der Antragsgegnerin dargelegten\nGründe rechtfertigen keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.\n\n4\n\n \n\nBei summarischer Prüfung erweist sich der Widerruf vom 26. Juli 2006 als\noffensichtlich rechtswidrig.\n\n5\n\n \n\nDer Widerruf der Bestellung als Gleichstellungsbeauftragte ist - wie die\nBestellung selbst - unabhängig von dem „sonstigen“ Beschäftigungsverhältnis zu\nsehen, da sich Aufgabenbereich und Rechte der Gleichstellungsbeauftragten\nnicht aus dem zugrundeliegenden Beschäftigungs- oder Dienstverhältnis\nableiten, sondern unmittelbar aus der gesetzlichen Funktion folgen (Senatsurt.\nv. 21.11.1996 - 2 L 161/96 -, Die Gemeinde 1997, 151 = DVBl. 1997, 1290 =\nNVwZ-RR 1998, 187). Die Übertragung bzw. der Widerruf des Amtes der\nGleichstellungsbeauftragten an eine bestimmte Person lässt deshalb die\nFortdauer bzw. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich\nunberührt (Borchert/ Buschmann/Galette, Kommunalverfassungsrecht SH, Band I, §\n2 GO Rdnr. 55), so dass nicht auf die arbeitsrechtliche Situation der\nAntragstellerin abzustellen ist.\n\n6\n\n \n\nIn Betracht kommt vorliegend nur ein Widerruf wegen dringender dienstlicher\nErfordernisse nach § 2 Abs. 3 Satz 6 GO. Aus dem im Widerrufsbescheid zur\nBegründung allein herangezogenen Umstand, dass mit dem\nVerwaltungsstrukturreformgesetz vom 28. März 2006 die Größe der Gemeinden, in\ndenen die Gleichstellungsbeauftragte grundsätzlich hauptamtlich tätig ist, von\n10.000 auf 15.000 Einwohnerinnen und Einwohner heraufgesetzt worden ist,\nergibt sich ein solches Erfordernis nicht. Eine Erweiterung der\nWiderrufsgründe ist - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - mit\ndieser Neuregelung nicht verbunden. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs\ndienen die mit dem Verwaltungsstrukturreformgesetz angestrebten Änderungen vor\nallem dem Standardabbau und der Verwaltungsvereinfachung. Eine gesonderte\nBegründung für die Erhöhung der Einwohnerzahl in § 2 Abs. 3 Satz 6 GO findet\nsich nicht (LT-Drucks. 16/407 S. 14f.).\n\n7\n\n \n\nEntgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist das Tatbestandsmerkmal\n„dringende dienstliche Erfordernisse“ nicht im Lichte des § 1 Abs. 2 Satz 1\nKSchG zu werten. Zwar hat das Verwaltungsgericht auf die mit der\nGesetzesänderung beabsichtigte Angleichung an die arbeitsrechtlichen\nKündigungsgründe hingewiesen und unter Aufzählung „dringender betrieblicher\nErfordernisse“ weiter ausgeführt, entsprechend sei das Tatbestandsmerkmal\n„dienstliches Erfordernis“ i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 6 GO auszulegen. In diesem\nZusammenhang ist zu betonen, dass es aufgrund der im Jahre 2002 vorgenommenen\nÄnderung des § 2 Abs. 3 GO für den Widerruf jeweils sachlicher Gründe bedarf,\ndie partiell vergleichbar dem § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG umschrieben werden, ohne\ndass damit eine weitgehende Identität der Tatbestände verbunden wäre. Nach der\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, hat der in\nverschiedenen Gesetzen verwendete Begriff der “öffentlichen Belange“ (der\n„öffentlichen Interessen“, der „Interessen der Allgemeinheit“ und dgl.) keinen\nallgemeingültigen Inhalt. Er erfüllt in den einzelnen Gesetzen nach der ihnen\njeweils zugrunde liegenden Interessenlage eine unterschiedliche Funktion. Sein\nmaterieller Sinngehalt und seine besondere Bedeutung ergeben sich aus der\nZweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie aus\ndem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff hineingestellt ist\n(BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 2 C 21.03 -, E 120, 382 mwN).\n\n8\n\n \n\nDies gilt auch für den hier anzuwendenden Begriff der „dringenden dienstlichen\nErfordernisse“. Unter einem „dienstlichen Erfordernis“ ist in Anlehnung an\nähnliche in verschiedenen beamtenrechtlichen Vorschriften verwendete\nunbestimmte Rechtsbegriffe (wie etwa „dienstliche Belange“ in § 88 Abs. 5 LBG\nsowie „dienstliches Bedürfnis“ in § 32 Abs. 1 LBG) das engere öffentliche,\nd.h. dienstliche Interesse an sachgemäßer und reibungsloser Aufgabenerfüllung\nder Verwaltung zu verstehen (BVerwG, Urt. v. 29.04.2004, a.a.O. unter Verweis\nauf Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum BBG, § 72 a BBG, Rdnr. 8). Es\nkann somit u.a. um organisations-, stellenplanmäßige Gründe oder\nUmstrukturierungsmaßnahmen gehen, wie z.B. Erkrankungen, die bei Einsatz an\neinem anderen Dienstort entfallen, innerbetriebliche Spannungen, die den\nDienstbetrieb gefährden oder z.B. Personalmangel in der betroffenen\nDienststelle. Diese Parallele zu beamtenrechtlichen Begriffen hat bereits das\nVerwaltungsgericht zutreffend dargestellt\n\n9\n\n \n\nVorliegend geht es aber nicht - wie die Antragsgegnerin geltend macht - um den\nWegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer zulässigen\nOrganisationsentscheidung des Dienstherrn, die in Anwendung von § 1 Abs. 2\nKSchG u.U. eine Kündigung rechtfertigen könnte, sondern vielmehr um die Frage,\nob der nach wie vor bestehende Bedarf an der Beschäftigung einer\nGleichstellungsbeauftragten weiterhin durch eine hauptamtliche Kraft gedeckt\nwird oder ob, weil dies der Gesetzgeber seit dem 31. März 2006 einräumt, aus\nfinanziellen Überlegungen diese dienstliche „Funktion“ mit einer\nehrenamtlichen Mitarbeiterin ausgefüllt wird.\n\n10\n\n \n\nAuch wenn man unterstellt, dass - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat -\nfür die Umwandlung der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten von haupt- auf\nehrenamtliche Wahrnehmung ein dienstliches Bedürfnis bestehe, so ist dieses\nBedürfnis jedenfalls nicht im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 6 GO „dringend“. Ein\nsolches dringendes dienstliches Bedürfnis für einen Widerruf der Bestellung\nder hauptamtlich tätigen Kraft könnte hier nur bestehen, wenn durch die\nTätigkeit einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten im Gegensatz zu der\nTätigkeit einer ehrenamtlichen Gleichstellungsbeauftragen die sachgemäße und\nreibungslose Erfüllung der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten nicht\ngewährleistet wäre. Vorliegend ist aber nichts dafür ersichtlich, dass es zur\nreibungslosen Aufgabenerfüllung statt einer hauptamtlichen einer\nehrenamtlichen Gleichstellungsbeauftragten bedürfe. Es ist vielmehr davon\nauszugehen, dass haupt- wie ehrenamtlich tätige Gleichstellungsbeauftragte\ndieselben Aufgaben, Rechte und Pflichten wahrnehmen und daher beide Arten der\nBeschäftigung gleichermaßen zur Ausfüllung der dienstlichen Funktion der\nGleichstellungsbeauftragten geeignet sind. Dies wird von der Antragsgegnerin\nauch nicht in Frage gestellt, sondern es werden ausschließlich\nhaushaltspolitische Erwägungen genannt und die Einsparung von Haushaltsmitteln\nals Beweggrund für die geplanten Umstrukturierungen in den Vordergrund\ngestellt.\n\n11\n\n \n\nDas erklärte Ziel, Einsparungen von Haushaltsmitteln zu erreichen, kann aber\ngrundsätzlich ein „dringendes dienstliches Erfordernis“ für den Widerruf nicht\nbegründen. Dies könnte nur der Fall sein, wenn die allgemeine Haushaltslage\nder Antragsgegnerin so prekär wäre, dass sie auf die sachgemäße und\nreibungslose Erfüllung der einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten\nübertragenen Aufgaben zurückwirken würde. Dies ist angesichts der im\nVerhältnis zum Gesamtetat der Antragsgegnerin geringen Lohnkosten einer\nhauptamtlichen Kraft nicht ersichtlich. Der insoweit von der Antragsgegnerin\nangeführten Argumentation, die Weiterbeschäftigung sei aufgrund der\nHaushaltssituation der Gemeinde nicht zumutbar, ist daher nicht zu folgen.\n\n12\n\n \n\nFehlt es aber schon am Tatbestandsmerkmal des „dringenden dienstlichen\nErfordernisses“ für den Widerruf der Bestellung zur\nGleichstellungsbeauftragten, erweist sich der Bescheid vom 26. Juli 2006 als\noffensichtlich rechtswidrig, so dass das Verwaltungsgericht zu Recht\nentschieden hat, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das\nVollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt.\n\n13\n\n \n\nDie Beschwerde ist mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.\n\n14\n\n \n\nDie Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs.\n2 VwGO.\n\n15\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5\ni.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).\n\n \n\n
111,570
lsgmv-2007-02-05-l-8-b-21106
477
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
lsgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 B 211/06
2007-02-05
2018-11-27 01:30:06
2019-01-17 11:35:34
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts\nStralsund vom 04. Oktober 2006 - S 6 ER 108/06 AS - geandert:\n\n \n\nDie Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,\nunter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 14. September 2006 der\nAntragstellerin uber die bereits bewilligten Leistungen hinaus vorlaufig fur\nden Monat September 2006 einen Betrag von 10,26 und fur die Monate Oktober\n2006 bis Februar 2007 jeweils einen Betrag von weiteren 53,23 als Leistungen\nder Grundsicherung zu bewilligen.\n\n \n\nIm Übrigen wird der Antrag abgelehnt.\n\n \n\nDie Antragsgegnerin hat der Antragstellerin 1/3 ihrer außergerichtlichen\nKosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht zu\nerstatten.\n\n \n\nDer Antragstellerin wird fur beide Instanzen Prozesskostenhilfe bewilligt und\nRechtsanwalt A beigeordnet.\n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um die Gewahrung von Leistungen der Grundsicherung\nnach dem SGB II. Auf ihren Folgeantrag vom 01.September 2006 hin bewilligte\ndie Antragsgegnerin der Antragstellerin durch Bescheid vom 14. September 2006\nLeistungen der Grundsicherung in Hohe von 121,27 pro Monat.\n\n2\n\n \n\nHiergegen legte die Antragstellerin unter dem 20. September 2006 Widerspruch\nein. Zur Begrundung trug sie vor, die Kosten ihrer Unterkunft (Bungalow auf\ndem Hausgrundstuck ihrer Eltern) betrugen 150,00 . Zudem lebe sie mit ihren\nEltern nicht einem Haushalt.\n\n3\n\n \n\nAm 27. September 2006 hat die Antragstellerin um die Gewahrung vorlaufigen\nsozialgerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie geht davon aus, sie habe\neinen Bedarf von 375,00 pro Monat.\n\n4\n\n \n\nDie Antragsgegnerin ist dem Vorbringen entgegen getreten.\n\n5\n\n \n\nDurch Beschluss vom 04. Oktober 2006 hat das Sozialgericht den Antrag auf\nErlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von\nProzesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begrundung hat das Gericht im Wesentlichen\nausgefuhrt, ein Anordnungsanspruch sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht.\nDabei hat das Gericht die Voraussetzungen fur den Erlass einer einstweiligen\nAnordnung alternativ sowohl unter der Voraussetzung abgelehnt, dass die\nAntragstellerin mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt lebe, als auch\nfur den Fall, dass sie einen eigenen Haushalt begrundet habe. Fur den Fall der\nAnnahme einer Bedarfsgemeinschaft hat das Gericht einen Anspruch auf Gewahrung\nvon Leistungen nach dem SGB II in Hohe von 31,37 pro Monat ermittelt, dass\nheißt einen Betrag, der unter dem von der Antragsgegnerin anerkannten Betrag\nvon 121,27 liegt. Fur den Fall, dass die Antragstellerin einen eigenen\nHausstand inne hat, hat das Gericht einen Bedarf von 174,50 ermittelt und\nsomit eine Unterdeckung in Hohe von 53,23 . Das Sozialgericht hat aber\ngemeint, das tatsachliche Existenzminimum durfte nach Auffassung der Kammer\ntatsachlich unterhalb der Regelsatze des § 20 Abs. 2 SGB II liegen. So sei\nunter bestimmten Voraussetzungen auch ein Absenken der Regelleistung von\nGesetzes wegen zulassig. Die Kammer sei daher der Auffassung, dass eine\nunzulassige Vorwegnahme der Hauptsache dadurch vermieden werden konne, dass in\neinem sozialgerichtlichen Eilverfahren die Leistungen nur mit einem Abschlag\nzugesprochen wurden. Ein solcher Abschlag von im vorliegenden Fall rund 19 %\nsei von der Antragstellerin hinzunehmen. Aus diesen Grunden sei auch die\nGewahrung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.\n\n6\n\n \n\nDer Beschluss ist der Antragstellerin am 10. Oktober 2006 zugestellt worden.\nMit ihrer am 01. November 2006 eingelegten Beschwerde reicht die\nAntragstellerin eine (weitere) eidesstattliche Versicherung vom 13. Oktober\n2006 ein und tragt zur Begrundung vor: Kindergeld beziehe sie nicht. Die\nAuffassung\n\n7\n\n \n\ndes Sozialgerichts, dass die Antragstellerin mit 81 % der ihr zustehenden\nLeistungen auszukommen habe, sei rechtsirrig. Das soziokulturelle\nExistenzminimum werde unterschritten. Sie bewohne ein eigenes Wohngebaude und\nwirtschafte nicht mit ihren Eltern "aus einem Topf". Fur die Monate September\nund Oktober 2006 habe sie noch kein Arbeitsentgelt erhalten.\n\n \n\nII.\n\n8\n\n \n\nDie Beschwerde ist zulassig, aber nur teilweise begrundet.\n\n9\n\n \n\nDie Antragsgegnerin ist im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG)\nzu verpflichten, der Antragstellerin die im Tenor ausgesprochenen Leistungen\nzu bewilligen. Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin sowohl einen\nAnordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, wobei\ndas Vorliegen eines Anordnungsanspruches in der Regel - und so auch hier - das\nVorliegen eines Anordnungsgrundes indiziert.\n\n10\n\n \n\nDer Senat folgt der Antragstellerin bei der Einschatzung, dass sie einen\neigenen Hausstand besitzt, das heißt nicht mit ihren Eltern in einer\nBedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II zusammenlebt. Die Antragstellerin\nhat zum einen einen Mietvertrag uber ein selbststandiges Wohngebaude\n(Bungalow) vom 01. Juni 2006 vorgelegt. Zum anderen halt die Antragstellerin\nan ihrer Aussage fest, sie habe einen eigenen Hausstand, obwohl ihr dadurch\ndie in § 22 Abs. 2a und § 20 Abs. 2 a SGB II vorgesehenen Kurzungen entgegen\nzu halten sind. Schließlich hat die Antragstellerin das Vorliegen eines\neigenen Hausstandes noch einmal durch eidesstattliche Versicherung vom 13.\nOktober 2006 bekraftigt. Es kann nach Auffassung des Senates nicht Inhalt der\nAmtsermittlung sein, in einem sozialgerichtlichen Eilverfahren, dass auf eine\nsummarische Prufung der Sach- und Rechtslage angelegt ist, weitergehende\nErmittlung anzustellen. Daher legt der Senat zugrunde, dass zwischen der\nAntragstellerin und ihren Eltern keine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen ist.\nDies hat das Sozialgericht auch in seiner Alternativbegrundung (ab Seite 9 des\nangefochtenen Beschlusses) als eine Moglichkeit angenommen. Der Senat\nubernimmt fur seine Entscheidung die weiteren vom Sozialgericht angestellten\nBerechnungen des Bedarfes der Antragstellerin. Er legt also zugrunde, dass der\nAntragstellerin der geminderte Regelsatz von 276,00 (§ 20 Abs. 2a SGB II) zur\nVerfugung zu stellen ist und die Bewilligung von Kosten der Unterkunft wegen §\n22 Abs. 2 a SGB II ausscheidet.\n\n11\n\n \n\nAls Einkommen der Antragstellerin ist das Kindergeld von 154,00 anzusetzen.\nDies folgt aus dem neu gefassten, ab 01. Juli 2006 gultigen § 11 Abs. 1 Satz 3\nSGB II. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass das Kindergeld\neventuell an den Vater der Antragstellerin ausgezahlt wird. Es wird Sache der\nAntragstellerin sein, die Weiterleitung des Kindergeldes an sich selbst\nsicherzustellen.\n\n12\n\n \n\nDer Senat folgt dem Sozialgericht auch im Wesentlichen bei der Einschatzung\nder Hohe des Arbeitsentgeltes, das von dem Bedarf der Antragstellerin\nabzusetzen ist. Diese hat namlich erklart, dass sie im Monat September 2006\nca. funf Stunden gearbeitet habe und im Übrigen ca. zehn Stunden pro Monat\narbeite, und zwar bei einem Arbeitsentgelt von 4,75 pro Stunde. Dies ergibt\nfur den Monat September 2006 einen Betrag von 23,75 und fur die Folgemonate\neinen Betrag von 47,50 . Nicht entscheidend ist, dass das Arbeitsentgelt evtl.\nnicht monatsgenau ausgezahlt wird.\n\n13\n\n \n\nVon dem so ermittelten Einkommen der Antragstellerin (Kindergeld und\nArbeitsentgelt) sind 100,00 pro Monat abzuziehen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II).\nWerden von den so ermittelten Betragen wiederum die gewahrten Leistungen in\nHohe von 121,27 abgesetzt, verbleibt fur den Monat September 2006 ein Betrag\nvon 76,98 und fur die Folgemonate von je 53,23 .\n\n14\n\n \n\nEntsprechend der standigen Rechtsprechung des Senates setzt eine einstweiligen\nAnordnung taggenau erst ab dem Tag der Antragstellung bei Gericht ein, wobei\npauschalierend ein Monat mit 30 Tagen anzusetzen ist. Da die einstweilige\nAnordnung erst am 27. September 2006 beantragt worden ist, sind fur den Monat\nSeptember nur 4/30 zuzuerkennen, das heißt ein Betrag von 10,26 .\n\n15\n\n \n\nDer Senat folgt nicht der Auffassung des Sozialgerichts, dass, weil hier nur\nvergleichsweise geringe Betrage im Streit sind, dies dazu fuhren muss,\nentweder den Anordnungsanspruch oder den Anordnungsgrund zu verneinen. Die\nLeistungen der Grundsicherung stellen das abzusichernde Existenzminimum dar.\nDaher kann nicht allein mit dem Hinweis auf die geringe Hohe einer eventuell\nim Wege der einstweiligen Anordnung geltend zu machenden Differenz zwischen\ndem bestehenden Anspruch und dem von dem Trager der Grundsicherung gewahrten\nBetrag der Anordnungsgrund verneint werden. Dazu mussten im konkreten Fall\nbesondere Anhaltspunkte hinzutreten, die den Wegfall des Anordnungsgrundes\nbewirken konnten. Solche liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Damit bleibt\nes auch im vorliegenden Fall bei dem Grundsatz, dass das Vorliegen des\nAnordnungsanspruches auch die Annahme eines Anordnungsgrundes indiziert.\n\n16\n\n \n\nAuch aus den Regelungen des SGB II, wonach Leistungen der Grundsicherung -\ninsbesondere bei Verstoßen gegen Obliegenheiten - vorubergehend gekurzt werden\nkonnen (§ 31 SGB II), folgt nicht, dass durch eine einstweilige Anordnung,\nwegen des Verbotes der unzulassigen endgultigen Vorwegnahme der Hauptsache,\nregelmaßig nur Leistungen in Hohe von weniger als 100 % des bestehenden\nAnspruches zugesprochen werden durfen. Die Regelung uber die Kurzung von\nLeistungen sind bereits im Bundessozialhilfegesetz enthalten gewesen. Sie\ndienen im Wesentlichen der Sanktionierung von Verstoßen gegen Obliegenheiten.\nAuch wenn vermutet werden kann, dass noch weitere (Geld-)Mittel vorhanden\nsind, aus denen der jeweilige Hilfeempfanger seinen Lebensunterhalt bestreiten\nkonnte, oder wenn er sich weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen und auf\ndiese Weise seinen Lebensunterhalt sicherstellen konnte, kam und kommt eine\nKurzung in Betracht. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass das\nsoziokulturelle Existenzminimum auch bei Leistungen unterhalb des vom SGB II\nnormierten Bedarf als sichergestellt werden kann.\n\n17\n\n \n\nIm vorliegenden Fall kommt noch erschwerend hinzu, dass die Antragstellerin\nohnehin wegen des ihr nicht genehmigten Auszuges aus dem elterlichen Haus mit\nzweierlei Sanktionen belegt wird: Kurzung des Regelsatzes und Aberkennung der\nKosten der Unterkunft. Jedenfalls bei den schon verhangten Sanktionen\nerscheint eine Kumulierung mit weiteren Kurzungen nicht mehr vertretbar.\n\n18\n\n \n\nAus den vorstehend genannten Ausfuhrungen folgt, dass die Rechtsverfolgung der\nAntragstellerin hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und ihr daher fur beide\nInstanzen Prozesskostenhilfe gemaß § 114 ZPO in Verbindung mit § 73a SGG zu\nbewilligen ist.\n\n19\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da die Antragstellerin nur\nteilweise obsiegt hat, sind ihre außergerichtliche Kosten nur in einem\nentsprechenden Umfang fur erstattungsfahig zu erklaren.\n\n20\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).\n\n
128,346
lsgsl-2005-04-21-l-1-ra-203
936
Landessozialgericht für das Saarland
lsgsl
Saarland
Sozialgerichtsbarkeit
L 1 RA 2/03
2005-04-21
2019-01-07 09:31:17
2019-02-12 12:10:41
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts fur das\nSaarland vom 02.12.2002 wird mit der Maßgabe zuruckgewiesen, dass die\nKostenentscheidung wie folgt lautet:\n\nDie Beklagte hat die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, zu tragen.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\nDer Streitwert wird fur das Klage- und Berufungsverfahren auf jeweils\n48.309,73 EUR festgesetzt.\n\n## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten daruber, ob der Beigeladene zu 1) vor dem 01.05.2001\nim Betrieb der Klagerin versicherungspflichtig beschaftigt war und insoweit\nSozialversicherungsbeitrage in Hohe von insgesamt 48.309,73 EUR (= 94.485,62\nDM) nachgefordert werden konnen.\n\nDie Klagerin betreibt ein Autohaus in F. In der Zeit von Mai 1992 bis\n31.05.2002 war der Beigeladene zu 1) fur die Klagerin als Autoverkaufer tatig,\nab dem 01.05.2001 jedenfalls im Angestelltenverhaltnis. Seit dem 01.06.2002\nbetreibt der Beigeladene zu 1) als geschaftsfuhrender Gesellschafter ein\nAutohaus in N.-W. Wahrend der Tatigkeit im Autohaus der Klagerin vermittelte\ner den Verkauf von PKW, den Ankauf gebrauchter PKW und deren Wertschatzung.\nDaneben war er als Vermittler von Versicherungen - uberwiegend Kfz-\nVersicherungen - abwechselnd fur die N. Versicherung, fur die Z. Versicherung\nund schließlich fur den Opel-Versicherungs-Dienst (OVD) als freier Mitarbeiter\ntatig. Hierzu war ein Buro in einem neben dem Autohaus liegenden Gebaude der\nKlagerin angemietet. Die Miete hierfur ubernahm zunachst die N. Versicherung.\nDanach erfolgte eine gesonderte Abrechnung wegen der in Anspruch genommenen\nRaumlichkeiten mit dem OVD.\n\nAm 28.02.2001 fuhrte die Beklagte eine Betriebsprufung gemaß § 28p Abs. 1\nViertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit § 7b SGB IV durch.\nDaraufhin versandte die Beklagte einen Fragebogen zur\nsozialversicherungsrechtlichen Feststellung an die Klagerin und an den\nBeigeladenen zu 1). Mit Schreiben der Klagerin vom 07.03.2001 erklarte diese\nim Wesentlichen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Arbeitszeitgestaltung\nvollkommen frei sei, er keinen Anspruch „auf Urlaub und Krankenschein" habe\nund es auch keinen Kundigungsschutz gebe. Er erhalte kein Festgehalt, sondern\neine Vorwegvergutung, die sich pro vermitteltes Fahrzeug auf 385,-- DM (bei\njahrlich 140 Fahrzeugen) belaufe. Hinsichtlich der Verkaufspreise kenne er die\nMarge bei den verschiedenen Fahrzeugen und habe einen oberen Grenzwert. Urlaub\nmusse er nicht mit der Klagerin abstimmen. Seine Tatigkeit werde nur insoweit\nkontrolliert, als die vorgegebene Marge beachtet sei. Er hafte nicht fur\nSchaden oder Unfalle, die durch ihn verursacht wurden. Als Anlage zu diesem\nSchreiben wurde eine Vereinbarung vom 02.01.1995 beigefugt. Daraus ergibt\nsich:\n\n„Herr Sa. wird fur das Autohaus Sch. jahrlich 140 Fahrzeuge vermitteln. Er\nerhalt dafur pro Fahrzeug eine Provision von DM 385,-- gleich um welches\nModell es sich handelt. Daraus resultiert eine monatliche Vorausprovision von\nDM 4.500,--. Ein Mehr- oder Minderverkauf wird Ende des jeweiligen Jahres\nverrechnet. Herr Sa. ist freier Mitarbeiter und bekommt die Provision Brutto\nfur Netto ausbezahlt. Daruber hinaus bestehen keine Anspruche".\n\nDer Beigeladene zu 1) gab in dem von ihm am 08.03.2001 ausgefullten Fragebogen\nzur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung im Wesentlichen an, er sei in\nfreier Zeiteinteilung als Autoverkaufer in der Neuwagenvermittlung fur die\nKlagerin tatig. Er sei privat versichert. Er arbeite teilweise am Betriebssitz\nder Klagerin. Regelmaßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten seien nicht\neinzuhalten. Weisungen hinsichtlich der Ausfuhrung (Art und Weise) der\nTatigkeit wurden nicht erteilt. Das Einsatzgebiet konne nicht ohne seine\nZustimmung verandert werden. Die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskraften\nsei nicht von der Zustimmung der Klagerin abhangig. In einem weiteren\nFragebogen gab der Beigeladene zu 1) an, seitens der Klagerin seien ihm als\nArbeitsmittel Kaufvertragsformulare kostenlos zur Verfugung gestellt worden.\nEr sei nicht verpflichtet gewesen, eigenes Kapital einzusetzen und habe die\nÜbernahme bestimmter Auftrage ablehnen konnen. Er habe einen eigenen\nKundenstamm besessen und habe die Leistung ausschließlich im Rahmen und auf\nRechnung des Auftraggebers erbracht. Bei Schaden habe er nicht gehaftet. Von\nseiner Vergutung in Provisionsform seien bei Schlechtleistungen Abzuge\nerfolgt. Anspruche auf Gratifikationen oder sonstige Zuwendungen hatten nicht\nbestanden. Bei plotzlicher Verhinderung oder Krankheit habe er niemanden\ninformieren mussen.\n\nDie Klagerin zahlte fur den Beigeladenen zu 1) keine\nSozialversicherungsbeitrage. Weitere finanzielle Leistungen außer der\nvereinbarten Provisionszahlung wurden nicht erbracht. Der Beigeladene zu 1)\nbesaß eine private Kranken-, Berufsunfahigkeits- und (ab 1999) eine private\nRentenversicherung. Er war zur Einkommenssteuer veranlagt.\n\nAufgrund einer angeordneten Außenprufung des Finanzamts S. im Marz 2001\nerfolgten mit Datum vom 05.06.2001 gegenuber dem Beigeladenen zu 1) Bescheide\nuber Umsatzsteuer und uber den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag fur die\nJahre 1992 bis einschließlich 2000. Insgesamt wurden Nachforderungen von rund\n80.000,-- DM erhoben.\n\nMit Bescheid der Beklagten vom 03.09.2001 stellte diese fest, dass\nhinsichtlich des Beigeladenen zu 1) ein dem Grunde nach\nsozialversicherungspflichtiges Beschaftigungsverhaltnis bestehe und forderte\nGesamtsozialversicherungsbeitrage in Hohe von insgesamt 94.485,62 DM (=\n48.309,73 EUR) fur den Zeitraum vom 01.12.1996 bis 30.04.2001 von der Klagerin\nnach. Die Beklagte fuhrte hierzu im Wesentlichen unter Berufung auf die\ngesetzlichen Vorschriften aus, in der Zeit ab 01.05.1992 habe der Beigeladene\nzu 1) bei der Klagerin als Autoverkaufer eine abhangige Beschaftigung\nausgeubt, so dass ab diesem Zeitraum Versicherungspflicht bestehe. Er habe nur\nfur die Klagerin eine Beschaftigung ausgeubt und mindestens 5/6 seiner\ngesamten Einkunfte aus dieser Tatigkeit bezogen. Alle Autoverkaufer wurden im\nHinblick auf die einzuhaltende Marge von der Geschaftsfuhrerin uberpruft. Eine\neigene Preiskalkulation finde nicht statt. Das Arbeitsentgelt (Provision)\nbemesse sich nach pauschalierten Leistungen fur festgelegte Tatbestande sowie\nfestgelegte Verkaufsprovisionen. Daruber hinaus sei ein unternehmerisches\nRisiko zu verneinen, da weder eigenes Kapital noch eigene Betriebsmittel\neingesetzt wurden. Der Beigeladene zu 1) hafte nicht fur Schaden gegenuber\nseinem Auftraggeber. Fur eine Qualifizierungsmaßnahme seien Lohnausfallkosten\ngeltend gemacht worden. Fur eine selbstandige Tatigkeit wurden dagegen die\nTatsachen sprechen, dass die Arbeitszeit frei gestaltet werden konne und ein\nAnspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie auf bezahlten Urlaub\nnicht bestehe. Nach Wurdigung dieser Umstande wurden die Merkmale, die fur\neine abhangige Beschaftigung sprechen, uberwiegen. Hier wurden gleiche\nArbeiten (Autoverkauf) in einer fast identischen Ablauforganisation sowohl\ndurch den Beigeladenen zu 1) wie auch durch abhangig beschaftigte Arbeitnehmer\nausgefuhrt. Eine Eingliederung in den Betrieb sei durch den Verkauf der\nverschiedenen Fahrzeuge gegeben. Da weder die Klagerin noch der Beigeladene zu\n1) sich um eine versicherungsrechtliche Beurteilung durch einen\nSozialversicherungstrager bemuht haben, sei grob fahrlassig von einer\nselbstandigen Tatigkeit ausgegangen worden. Aufgrund einer zwischenzeitlich\neingetretenen teilweisen Verjahrung wurden Beitrage fur Zeiten ab dem\n01.12.1996 nachgefordert.\n\nHiergegen erhob die Klagerin am 26.09.2001 Widerspruch und fuhrte im\nWesentlichen an, der Beigeladene zu 1) sei erst seit dem 01.05.2001 - nach der\nerfolgten Betriebsprufung - versicherungspflichtig beschaftigt. Davor habe\neine selbstandige Tatigkeit bestanden. Der Beigeladene zu 1) sei zur\nGewerbesteuer, Umsatzsteuer und Einkommensteuer veranlagt. Er sei\nVersicherungsvertreter gewesen und habe eine Agentur in den der Klagerin\ngehorenden Raumlichkeiten unterhalten. Hieraus habe sich ergeben, dass er auch\ngegen eine Provision Fahrzeuge fur die Klagerin habe vermitteln konnen. Es sei\nfest vereinbart gewesen, dass er die Provisionseinnahmen selbst habe\nversteuern mussen.\n\nMit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2002 wies die Beklagte den Widerspruch der\nKlagerin zuruck und stellte fest, dass die sich aus der Betriebsprufung\nergebende Nachforderung i.H.v. insgesamt 48.309,73 EUR bestehen bleibe. Sie\nfuhrte darin im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausfuhrungen in dem\nangefochtenen Bescheid aus, nach dem Gesamtbild der Tatigkeit und nach Maßgabe\ndes Einzelfalles sei der Beigeladene zu 1) ab dem 01.05.1992 bei der Klagerin\nabhangig beschaftigt gewesen. Mit dem Bescheid uber Einkommensteuer sei keine\nsozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beschaftigung durch das\nFinanzamt vorgenommen worden. Bescheide der Finanzverwaltung hatten\ngrundsatzlich keinen Einfluss auf sozialversicherungsrechtliche\nEntscheidungen.\n\nIn dem am 05.07.2002 eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht fur\ndas Saarland (SG) hat die Klagerin ihr Begehren weiterverfolgt und\nvorgetragen, der Beigeladene zu 1) habe neben der Tatigkeit als Autoverkaufer\nweiterhin als selbstandiger Makler/Vermittler fur Versicherungen gearbeitet.\nEr sei nicht in ihren Raumlichkeiten selbst tatig gewesen, sondern in einem\nVersicherungsburo in einem anderen Gebaude, das sich neben dem Autohaus der\nKlagerin befinde. Der Beigeladene zu 1) habe seine Tatigkeit frei gestalten\nund uber seine Arbeitszeit und deren Umfang selbst bestimmen konnen. Bis zur\nÜbernahme in ein Angestelltenverhaltnis zum 01.05.2001 sei er als\nSelbstandiger tatig gewesen. Er habe uber einen privat finanzierten Kranken-\nund Rentenversicherungsschutz verfugt.\n\nMit Beschluss vom 15.10.2002 hat das SG Herrn Axel Sa. (Beigeladenen zu 1)\nbeigeladen.\n\nIn der mundlichen Verhandlung vor dem SG am 02.12.2002 hat die\nGeschaftsfuhrerin der Klagerin u.a. erklart, der Beigeladene zu 1) habe seine\nTatigkeit im Wesentlichen ausgeubt, in dem er seine Beziehung als Mitglied der\nFeuerwehr ausgenutzt habe. Er habe nicht wie die anderen abhangig\nbeschaftigten Autoverkaufer in den Raumen der Klagerin die Autos verkauft. Er\nhabe aber Zugang zu diesen Raumen gehabt, um den Kunden die Autos dort zu\nzeigen.\n\nDurch Urteil vom 02.12.2002 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben\nund dazu ausgefuhrt, der Beigeladene zu 1) sei in dem hier fraglichen Zeitraum\nnicht abhangig beschaftigt gewesen. Ausschlaggebend fur die Frage, ob ein\nBeschaftigungsverhaltnis bestehe, sei das Gesamtbild der Tatigkeit und der\nberuflichen Stellung. Ausgehend von dem Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2\nSGB IV seien entscheidende Anhaltspunkte fur eine Beschaftigung in diesem\nSinne die Tatigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die\nArbeitsorganisation des Weisungsgebers. Das heiße, die nichtselbstandige\nArbeit werde durch die personliche Abhangigkeit des Arbeitenden gepragt. Diese\nwiederum komme grundsatzlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einen\nBetrieb und damit in der Fremdbestimmtheit seiner Arbeit sowie dazu\nkorrespondierend im Direktionsrecht des Arbeitgebers und der daraus\nresultierenden Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers zum Ausdruck. Ein Indiz,\nnicht aber Bestandteil der personlichen Abhangigkeit, sei die wirtschaftliche\nAbhangigkeit. Fur eine abhangige Tatigkeit spreche die Tatsache, dass fur die\nArbeit des Beigeladenen zu 1) eine gewisse Überprufung stattgefunden habe.\nDiese habe sich jedoch darauf beschrankt, dass die Klagerin die Einhaltung der\nvorgegebenen Marge und der Grenzwerte fur die Preise der verkauften Fahrzeuge\nkontrolliert habe. Dies bedeute, dass allein ein Teil der erzielten Ergebnisse\nder Tatigkeiten des Beigeladenen zu 1), nicht diese jedoch selbst einer\nÜberprufung durch die Klagerin unterlegen hatten. Ein weiteres Indiz fur ein\nabhangiges Beschaftigungsverhaltnis sei die Tatsache, dass eine Vergutung\nfestgelegt worden sei. Dabei handele es sich jedoch nicht um die ubliche\nVergutung in einem Beschaftigungsverhaltnis, sondern um die Festlegung einer\nProvision pro verkauftes Fahrzeug in Hohe von 385,-- DM, was dann zu\nAbschlagszahlungen von monatlich 4.500,-- DM gefuhrt habe. Auch die Tatsache,\ndass der Beigeladene zu 1) kein eigenes wesentliches unternehmerisches Risiko\nfur seine Tatigkeit gehabt habe, spreche fur ein Beschaftigungsverhaltnis. Der\nBeigeladene sei berechtigt gewesen, die Verkaufsraume der Klagerin zu betreten\nund Kunden dort die zu verkaufenden Fahrzeuge zu zeigen. Insofern sei fur ihn\nein eigener Kapitaleinsatz nicht erforderlich gewesen. Daruber hinaus sei ihm\ndas Buro nicht von der Klagerin, sondern von den jeweiligen Versicherungen,\nfur die der Beigeladene tatig gewesen sei, zur Verfugung gestellt worden.\nInsofern habe sein unternehmerisches Risiko, wenn auch in eingeschranktem Maße\ndarin bestanden, dass er dieses Buro nur dann zur Verfugung gestellt bekommen\nhabe, wenn er entsprechende Leistungen fur diese Versicherung erbracht habe.\nAuch die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) den von ihm erzielten Kaufpreis\nfur die verkauften Fahrzeuge an die Klagerin habe uneingeschrankt weitergeben\nmussen, sei ein Kriterium, dass auf eine abhangige Beschaftigung hindeuten\nkonne. Andererseits sei eine solche Regelung auch durchaus ublich bei\nVertragen mit freien Handelsvertretern und ahnlichen selbstandigen\nBerufsgruppen. Ein wichtiges Kriterium fur die abhangige Beschaftigung sei,\ndass sich auf einem Kontoauszug der Klagerin eine Gutschrift von 1.250,-- DM\nmit dem Vermerk befinde „Lohnausfallkosten Teilnahme Lehrgang Sa. A. 19.10.".\nDie Geschaftsfuhrerin der Klagerin habe jedoch in der mundlichen Verhandlung\ndies dahingehend erlautert, dass ihr ein solcher Antrag auf Erstattung der\nLohnausfallkosten fur den Beigeladenen zu 1) nicht bekannt gewesen sei. Sie\nhabe einen solchen Antrag nicht gestellt. Es konne durchaus moglich sein, dass\ndies ohne ihr Wissen seitens des Beigeladenen zu 1) selbst erfolgt sei. Dies\nsei der Klagerin jedenfalls nicht zu widerlegen. Zwar spreche ein Antrag auf\nErstattung von Lohnausfallkosten dafur, dass objektiv gesehen der\nAntragsteller davon ausgehe, dass auch tatsachlich ein Lohnausfall entstanden\nsei, d.h. „Lohne" seitens des Arbeitgebers bezahlt wurden. Andererseits konne\nnicht ausgeschlossen werden, dass unredlich versucht worden sei, auf diese\nWeise Zeitausfall des Beigeladenen zu 1) wahrend des Lehrgangs zu\nkompensieren. Schließlich sei ein Indiz fur die abhangige Beschaftigung des\nBeigeladenen zu 1) die Angabe der Klagerin in ihrer Mitteilung an die Beklagte\nvom 07.03.2001 (Bl. 7 der Akte) bzw. des Beigeladenen zu 1) in dem von ihm\nausgefullten Fragebogen, worin ausgefuhrt sei, dass er fur Schaden und\nUnfalle, die durch ihn verursacht wurden, nicht hafte. Dies sei fur einen\nnicht abhangig Beschaftigten ungewohnlich und deute auf eine personliche\nAbhangigkeit hin. Denn ein solcher Haftungsverzicht sei in der Regel ein Teil\nder Gegenleistung fur die Tatigkeit eines abhangigen Arbeitnehmers innerhalb\neines Betriebes, in den er eingegliedert und in dem er personlich von seinem\nArbeitgeber abhangig sei. Der Haftungsausschluss sei somit meistens ein\nKorrelat fur die Weisungsgebundenheit. Diesen Kriterien stunden jedoch\nfolgende Indizien gegenuber, die fur eine selbstandige Tatigkeit des\nBeigeladenen zu 1) sprechen: Zum einen habe der Beigeladene zu 1) uber ein\neigenes Buro verfugt, in dem er einen Großteil seiner Tatigkeit fur die\nKlagerin ausgeubt habe und das auch nicht von der Klagerin bezahlt worden sei.\nDamit fehle es an einer raumlichen Eingliederung in den Betrieb der Klagerin.\nDaruber hinaus fehle es an der typischen Weisungsgebundenheit. Der Beigeladene\nzu 1) habe seine Arbeitszeit frei gestalten konnen und sei keinerlei\nAnweisungen unterlegen. Wo, wann und wie er seine Verkaufsgesprache und\nAbschlusse getatigt habe, sei allein ihm uberlassen worden. Die einzige\nVorgabe habe in der Obergrenze der Preisgestaltung fur die zu verkaufenden\nFahrzeuge bestanden. Der Beigeladene zu 1) habe auch keinen Anspruch auf\nUrlaub oder Sondervergutungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc. gehabt, was\nfur ein abhangiges Beschaftigungsverhaltnis untypisch und ein wichtiges Indiz\nfur die auch insoweit fehlende Weisungsgebundenheit bzw. Eingliederung in den\nBetrieb der Klagerin sei. Gleiches gelte fur die Tatsache, dass der\nBeigeladene zu 1) gegenuber der Klagerin keinen Anspruch auf Zahlungen im\nKrankheitsfalle gehabt habe. Dies zeige, dass insofern das Risiko\nausschließlich auf dessen Seite gewesen sei. Ihm sei auch erlaubt gewesen,\nweitere Tatigkeiten auszuuben oder durch Dritte fur sich ausuben zu lassen.\nDass der Beigeladene zu 1) den großten Teil seiner Einnahmen aus der Tatigkeit\nfur die Klagerin erzielt habe, andere hieran nichts. Er habe jedenfalls von\nseinem Recht auf Ausubung weiterer Tatigkeiten Gebrauch gemacht und sei fur\nmehrere Versicherungen tatig gewesen. Er habe auch fur Krankheit bzw.\nAltersvorsorge selbst aufkommen mussen. Er sei auch verpflichtet gewesen,\nUmsatz- und Gewerbesteuer zu zahlen. Diese Veranlagung, die aufgrund einer\neingehenden Betriebsprufung seitens des Finanzamtes erfolgt sei, zeige\ndeutlich, dass zumindest das Finanzamt die Auffassung vertreten habe, dass der\nBeigeladene zu 1) als Selbstandiger anzusehen gewesen sei. Auch dies sei ein\nIndiz, das gegen eine abhangige Beschaftigung spreche. Trotz einiger\nKriterien, die auf eine abhangige Beschaftigung des Beigeladenen zu 1)\nhindeuten wurden, sprachen die uberwiegenden und deutlicheren Umstande fur\ndessen Selbstandigkeit. Demgemaß sei der Klage in vollem Umfang stattzugeben\ngewesen.\n\nGegen das ihr am 12.12.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am\n13.01.2003 (Montag) beim Landessozialgericht fur das Saarland eingegangenen\nSchriftsatz Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, in dem hier\nfraglichen Zeitraum sei der Beigeladene zu 1) als Autoverkaufer bei der\nKlagerin im Rahmen eines abhangigen Beschaftigungsverhaltnisses tatig gewesen.\nDie Vereinbarung von Urlaub, Lohnfortzahlung oder Sondervergutungen gehore\nnicht zu den Voraussetzungen fur die Begrundung eines Arbeitsverhaltnisses.\nEin solches habe vielmehr zur Folge, dass solche Anspruche entstehen konnen.\nDie eigene Vorsorge fur Alter und Krankheit sei daher gleichfalls fur den\nsozialversicherungsrechtlichen Status ohne Belang. Bescheide der\nFinanzverwaltung hatten keinen Einfluss auf die sozialversicherungsrechtliche\nBeurteilung der Tatigkeit. Der Beigeladene zu 1) sei bei der Ausubung der\nTatigkeit abhangig von den Weisungen des Autohauses gewesen. Dies ergebe sich\ndaraus, dass die Geschaftsfuhrerin alle Autoverkaufe im Hinblick auf die\neinzuhaltende Menge uberpruft habe. Es sei auch keine eigene Preiskalkulation\nvorgenommen worden. Das Kriterium der Weisungsgebundenheit erfordere nicht,\ndass der Arbeitgeber alle Arbeitsschritte vorgebe und dem Arbeitnehmer keine\nEntscheidungsmoglichkeiten belasse. Die Vorgabe bzw. Überprufung der\nPreisgestaltung sei jedoch ein gravierender Einschnitt in die\nHandlungsfreiheit eines Autoverkaufers. Insgesamt wurden die Merkmale einer\nabhangigen Beschaftigung uberwiegen.\n\nDurch Beschlusse vom 05.10.2004 und vom 28.02.2005 hat der Senat die\nKrankenkasse des Beigeladenen zu 1) als Einzugstelle sowie die Bundesagentur\nfur Arbeit und die zustandige Pflegekasse beigeladen.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\ndas Urteil des Sozialgerichts fur das Saarland vom 02.12.2002 aufzuheben und\ndie Klage abzuweisen.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie halt die angefochtene Entscheidung fur zutreffend. Erganzend fuhrt sie an,\nder Beigeladene zu 1) habe im Rahmen der Preisgestaltung einen Spielraum im\nRahmen der den Autohausern zustehenden Gewinnmargen, die regelmaßig bei\nNeufahrzeugen ca. 16% betragen wurden, gehabt. Der Beigeladene zu 1) habe\nselbstandig und in freier Verantwortung die Preiskalkulation bei einem\nNeuwagenverkauf mit dem Kunden ausgehandelt. Die Kaufvertrage habe der\nBeigeladene zu 1) nicht zuvor oder nachfolgend der Klagerin zur Genehmigung\nvorlegen, sondern lediglich nach dem Verkauf abgeben mussen. Diese Regelung\nhabe auch im Rahmen der Inzahlungnahme gebrauchter Fahrzeuge gegolten.\n\nDer Senat hat den Beigeladenen zu 1) angehort. In seiner schriftlichen\nStellungnahme vom 03.11.2004 hat dieser mitgeteilt, dass er wahrend seiner\nselbstandigen Tatigkeit im Autohaus der Klagerin, neben der Vermittlung von\nPKW, deren Ankauf und Wertschatzung, ebenfalls selbstandig uberwiegend Kfz-\nVersicherungen vermittelt habe.\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand\nder mundlichen Verhandlung gemachten Inhalt der beigezogenen Akten der\nBeklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDie Berufung der Beklagten ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht\neingelegt und auch im Übrigen zulassig.\n\nSie ist jedoch unbegrundet.\n\nNach §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB\nIII) bzw. bis zum 31.12.1997 nach § 168 Abs. 1 Arbeitsforderungsgesetz (AFG),\n§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Funften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), § 1 Abs. 1\nNr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) und § 20 Abs. 1 Satz\n2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) sind Personen, die\ngegen Arbeitsentgelt beschaftigt sind, beitragspflichtig zur gesetzlichen\nArbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung und\nPflegeversicherung.\n\nDie Beitragspflicht ist damit die Folge einer abhangigen Beschaftigung und\nrichtet sich nach den Grundsatzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff\ndes entgeltlichen Beschaftigungsverhaltnisses in der Sozialversicherung\nentwickelt haben (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8; BSG, SozR 4100 § 168 Nr.\n10, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der sozialrechtliche Begriff des\nBeschaftigungsverhaltnisses ist hierbei von dem arbeitsrechtlichen Begriff des\nArbeitsverhaltnisses abzugrenzen. § 7 Abs. l SGB IV, der in diesem\nZusammenhang erganzend heranzuziehen ist, definiert den Begriff der\n"Beschaftigung" als nichtselbststandige Arbeit, insbesondere in einem\nArbeitsverhaltnis. Anhaltspunkte fur eine Beschaftigung sind eine Tatigkeit\nnach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des\nWeisungsgebers (§ 7 Abs. l Satz 2 SGB IV). Die personliche Abhangigkeit des\nBeschaftigten ist hierbei die das Beschaftigungsverhaltnis pragende\nVoraussetzung. Personliche Abhangigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb\nund Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit,\nDauer, Ort und Art der Arbeitsausfuhrung (BSGE 13, 130; BSGE 13, 196; BSGE 20,\n6; BSGE 38, 53; BSGE 51, 164; BSG, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11; BSG, Urteil vom\n30.06.1999 - B 2 U 35/98 R). Zwar kann das Weisungsrecht erheblich\neingeschrankt sein, wie das insbesondere bei Diensten hoherer Art moglich ist,\nvollstandig entfallen darf es jedoch nicht. Es muss jedenfalls eine\nfremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, so dass diese zumindest in einer von\nanderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgeht. Selbstandig ist\ndagegen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB), wer im Wesentlichen\nfrei seine Tatigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dies ist\nvor allem durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen\nBetriebsstatte, der Verfugungsmoglichkeit uber die eigene Arbeitskraft und die\nim Wesentlichen frei gestaltete Tatigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.\nDabei kommt es fur die vorzunehmende Abwagung nach der hochstrichterlichen\nRechtsprechung entscheidend auf das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung\nunter Berucksichtigung der Verkehrsanschauung an, wobei alle Umstande des\nEinzelfalles zu berucksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2001 - B 12\nKR 17/00 R; BSG, SozR 2200 § 1227 Nr. 8; BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13). Ergibt\nsich demnach, dass ein Weisungsrecht nicht vorhanden ist oder von diesem\nkeinerlei Gebrauch gemacht wird, kann der Betreffende also seine Tatigkeit im\nwesentlichen frei gestalten, insbesondere uber die eigene Arbeitskraft, uber\nArbeitsort und Arbeitszeit frei verfugen oder fugt er sich nur in die von ihm\nselbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhangige, sondern eine\nselbststandige Tatigkeit vor, die zusatzlich durch ein Unternehmerrisiko\ngekennzeichnet zu sein pflegt.\n\nDas SG ist in der angefochtenen Entscheidung von diesen Grundsatzen\nausgegangen und hat die vorliegenden Tatsachen zutreffend gegeneinander\nabgewogen. Insoweit kann auf die Ausfuhrungen des SG gemaß § 153 Abs. 2\nSozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen werden.\n\nErganzend ist anzufuhren, dass zwar richtig ist, dass die Feststellung der\nSozialversicherungspflicht unabhangig von der Prufung der Steuerpflicht in\neinem gesonderten Verfahren erfolgt. Wie das SG zu Recht ausgefuhrt hat, kann\ndie steuerrechtliche Behandlung jedoch als Indiz bei der Wurdigung der\nGesamtumstande zu beachten sein (vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar\nSozialversicherungsrecht, Stand Januar 2005, Band 1, § 7 SGB VII, Rndnr. 79,\nm.w.N.). Denn das in wertender Betrachtung gewonnene Gesamtbild der Tatigkeit\nist fur die Abgrenzung zwischen einer abhangigen Beschaftigung und einer\nselbstandigen Tatigkeit ausschlaggebend. Wenn wie hier sowohl Merkmale der\nAbhangigkeit als auch der Selbstandigkeit vorliegen, kommt es darauf an,\nwelche der Merkmale der Tatigkeit das Geprage geben und uberwiegen. Es ist\ndabei unerheblich, wie die Beteiligten eine moglicherweise bestehende\nvertragliche Vereinbarung uber ihre Zusammenarbeit bezeichnen, da entscheidend\ndie tatsachlichen Verhaltnisse sind (BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 2 U 35/98\nR -).\n\nSoweit die Beklagte im Berufungsverfahren insbesondere das Vorliegen einer\nWeisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) angenommen hat und hieraus eine\nabhangige Beschaftigung begrunden mochte, kann dem nicht gefolgt werden.\nAllein der Umstand, dass die Klagerin alle Autoverkaufe im Hinblick auf die\neinzuhaltende Marge uberpruft hat, besagt noch nicht, dass Weisungen erfolgt\nsind. Eine Überprufung der Auftrage und der vorgegebenen Preise fur zu\nverkaufende Waren kann auch Bestandteil einer selbstandigen Tatigkeit sein, da\nauch ein Selbstandiger die von ihm zum Verkauf angebotenen Gegenstande in der\nRegel nicht selbst produziert, sondern lediglich weiterveraußert. Er kann\ndaher z.B. den Preis fur einen geschutzten Markengegenstand, im vorliegenden\nFall fur ein Neufahrzeug der Marke Opel, nicht frei bestimmen, sondern sollte\nsich, mit gewissen Margen, an die Vorgaben des Produzenten halten. Gerade dies\nist der selbstandigen Tatigkeit eines Handelsvertreters im Sinne des § 84 Abs.\n1 Satz 2 HGB immanent. Wie die Klagerin im Berufungsverfahren vorgetragen hat,\nstand dem Beigeladenen zu 1) im Rahmen der den Autohausern zustehenden\nGewinnmargen, die regelmaßig bei Neufahrzeugen ca. 16% betragen, die\nMoglichkeit zu, selbstandig und in freier Verantwortung die Preiskalkulation\nbei einem Neuwagenverkauf mit dem Kunden auszuhandeln. Der Beigeladene zu 1)\nhat insoweit exakt die gleichen Gestaltungsmoglichkeiten hinsichtlich des\nVerkaufspreises gehabt wie die Klagerin selbst, die ihr Autohaus als\nSelbstandige betreibt. Er unterlag keinen weiteren Einschrankungen. Die\nKlagerin hat hierzu auch angegeben, dass der Beigeladene zu 1) entsprechende\nKaufvertragsabschlusse nicht zuvor oder nachfolgend zur Genehmigung hat\nvorlegen mussen, was gleichfalls im Rahmen der Inzahlungnahme gebrauchter\nFahrzeuge gegolten habe. Demgemaß hatte der Beigeladene zu 1) erhebliche\nHandlungsfreiheit. Eine Weisungsgebundenheit beim Verkauf der Fahrzeuge hat\ndie Klagerin ausdrucklich verneint und ist auch nicht ersichtlich.\n\nWeiterhin ist zu beachten, dass der Beigeladene zu 1) - wie die\nGeschaftsfuhrerin der Klagerin in der mundlichen Verhandlung vor dem SG am\n02.12.2002 erklart hat - seine Tatigkeit im Wesentlichen ausgeubt hat, indem\ner seine Beziehung als Mitglied der Feuerwehr ausgenutzt habe. Er habe nicht\nwie die anderen abhangig beschaftigten Autoverkaufer in den Raumen der\nKlagerin die Autos verkauft. Er habe aber Zugang zu diesen Raumen gehabt, um\nden Kunden die Autos dort zu zeigen. Der Beigeladene zu 1) hatte bereits im\nVerwaltungsverfahren hierzu angegeben, dass er einen eigenen Kundenstamm\nbesessen habe. Dies hat er in der mundlichen Verhandlung vom 21.04.2005\nglaubhaft bestatigt. Er bekundete insoweit, dass er seine Kunden mitgebracht\nhabe und die Kollegin im Autohaus, die dort angestellt gewesen sei, die\neigentlichen Kunden des Autohauses betreut habe. Er habe sich um diesen\nBereich uberhaupt nicht gekummert, sondern lediglich seine Kunden, im\nWesentlichen Feuerwehrleute aus drei Loschbezirken sowie Freunde und\nVerwandte, bedient.\n\nDer Beigeladene zu 1) hatte auch ein eigenes Buro, das raumlich von den\nVerkaufsraumen der Klagerin, die sich in einem anderen Gebaude befanden,\nabgegrenzt war. Dieses Buro war von der Klagerin durch eine\nVersicherungsgesellschaft, mit der er zusammengearbeitet gehabt hatte,\nangemietet gewesen. Das Versicherungsgeschaft, so der Beigeladene zu 1) in der\nmundlichen Verhandlung vom 21.04.2005, sei sein zweites Standbein gewesen. Bei\netwa 4 von 5 Verkaufen habe er auch versichert und dafur entsprechende Pramien\nerhalten. Nach der Betriebsprufung durch die Beklagte habe ihn die Klagerin\nzwar formlich angestellt, jedoch nur, um Schwierigkeiten aus dem Wege zu\ngehen. An seinen Arbeits- und Vertragsbedingungen habe sich dadurch eigentlich\nnur geandert, dass er von da an regelmaßige Arbeitszeiten verrichtet habe. Die\nangestammte Kundschaft des Autohauses habe er weiterhin nicht bedient. Die\nangestellte Tatigkeit habe dann ein Jahr gedauert. Er habe die Beziehung zur\nKlagerin beendet, um ein eigenes Autohaus zu ubernehmen. Hinsichtlich der an\ndie Klagerin gezahlten „Lohnausfallkosten" fur einen Feuerwehrlehrgang hat der\nBeigeladene zu 1) in der mundlichen Verhandlung vom 21.04.2005 ausgefuhrt,\ndass dies die Klagerin nicht belastet habe. Die Gemeinde als Veranstalter\ndieses Lehrgangs habe den Ausfall der Teilnehmer ubernommen. Bei ihm sei dies\nuber die Klagerin gelaufen. Warum er dies nicht selbst geltend gemacht habe,\nkonne er nicht mehr sagen.\n\nAus Vorstehendem ergibt sich, dass nach dem Gesamtbild der Tatigkeit des\nBeigeladenen zu 1) diese nicht mit einer solchen eines abhangig Beschaftigten\nAutoverkaufers vergleichbar war. Der Beigeladene zu 1) konnte seine\nArbeitszeit und seine Tatigkeit im Wesentlichen selbst frei gestalten. Er war\nder Klagerin nicht berichts- oder rechenschaftspflichtig, nicht einmal im\nFalle von Krankheit oder Urlaub. Eine Weisungsgebundenheit bestand nicht. Er\nwar in dem hier streitigen Zeitraum in den Betrieb der Klagerin weder zeitlich\nnoch raumlich eingegliedert. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die\nTatigkeit des Beigeladenen zu 1) in einer von anderer Seite vorgegebenen\nOrdnung des Betriebes aufgegangen ist. Insgesamt sprechen daher - wie das SG\nin der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat - die wesentlichen Umstande\nnach der Durchfuhrung einer wertenden Gesamtwurdigung fur eine selbstandige\nTatigkeit des Beigeladenen zu 1). Die Berufung war daher zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1\nVerwaltungsgerichtsordnung (VWGO). Soweit das SG in seinem Urteil die\nKostenentscheidung auf § 193 SGG gestutzt hat, ist das Urteil abzuandern, da\nweder die Klagerin noch die Beklagte zu den in § 193 SGG genannten Personen\ngehoren.\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung\nmit § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen\nnicht vor.\n\n## Gründe\n\nDie Berufung der Beklagten ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht\neingelegt und auch im Übrigen zulassig.\n\nSie ist jedoch unbegrundet.\n\nNach §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB\nIII) bzw. bis zum 31.12.1997 nach § 168 Abs. 1 Arbeitsforderungsgesetz (AFG),\n§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Funften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), § 1 Abs. 1\nNr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) und § 20 Abs. 1 Satz\n2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) sind Personen, die\ngegen Arbeitsentgelt beschaftigt sind, beitragspflichtig zur gesetzlichen\nArbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung und\nPflegeversicherung.\n\nDie Beitragspflicht ist damit die Folge einer abhangigen Beschaftigung und\nrichtet sich nach den Grundsatzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff\ndes entgeltlichen Beschaftigungsverhaltnisses in der Sozialversicherung\nentwickelt haben (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8; BSG, SozR 4100 § 168 Nr.\n10, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der sozialrechtliche Begriff des\nBeschaftigungsverhaltnisses ist hierbei von dem arbeitsrechtlichen Begriff des\nArbeitsverhaltnisses abzugrenzen. § 7 Abs. l SGB IV, der in diesem\nZusammenhang erganzend heranzuziehen ist, definiert den Begriff der\n"Beschaftigung" als nichtselbststandige Arbeit, insbesondere in einem\nArbeitsverhaltnis. Anhaltspunkte fur eine Beschaftigung sind eine Tatigkeit\nnach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des\nWeisungsgebers (§ 7 Abs. l Satz 2 SGB IV). Die personliche Abhangigkeit des\nBeschaftigten ist hierbei die das Beschaftigungsverhaltnis pragende\nVoraussetzung. Personliche Abhangigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb\nund Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit,\nDauer, Ort und Art der Arbeitsausfuhrung (BSGE 13, 130; BSGE 13, 196; BSGE 20,\n6; BSGE 38, 53; BSGE 51, 164; BSG, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11; BSG, Urteil vom\n30.06.1999 - B 2 U 35/98 R). Zwar kann das Weisungsrecht erheblich\neingeschrankt sein, wie das insbesondere bei Diensten hoherer Art moglich ist,\nvollstandig entfallen darf es jedoch nicht. Es muss jedenfalls eine\nfremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, so dass diese zumindest in einer von\nanderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgeht. Selbstandig ist\ndagegen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB), wer im Wesentlichen\nfrei seine Tatigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dies ist\nvor allem durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen\nBetriebsstatte, der Verfugungsmoglichkeit uber die eigene Arbeitskraft und die\nim Wesentlichen frei gestaltete Tatigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.\nDabei kommt es fur die vorzunehmende Abwagung nach der hochstrichterlichen\nRechtsprechung entscheidend auf das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung\nunter Berucksichtigung der Verkehrsanschauung an, wobei alle Umstande des\nEinzelfalles zu berucksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2001 - B 12\nKR 17/00 R; BSG, SozR 2200 § 1227 Nr. 8; BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13). Ergibt\nsich demnach, dass ein Weisungsrecht nicht vorhanden ist oder von diesem\nkeinerlei Gebrauch gemacht wird, kann der Betreffende also seine Tatigkeit im\nwesentlichen frei gestalten, insbesondere uber die eigene Arbeitskraft, uber\nArbeitsort und Arbeitszeit frei verfugen oder fugt er sich nur in die von ihm\nselbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhangige, sondern eine\nselbststandige Tatigkeit vor, die zusatzlich durch ein Unternehmerrisiko\ngekennzeichnet zu sein pflegt.\n\nDas SG ist in der angefochtenen Entscheidung von diesen Grundsatzen\nausgegangen und hat die vorliegenden Tatsachen zutreffend gegeneinander\nabgewogen. Insoweit kann auf die Ausfuhrungen des SG gemaß § 153 Abs. 2\nSozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen werden.\n\nErganzend ist anzufuhren, dass zwar richtig ist, dass die Feststellung der\nSozialversicherungspflicht unabhangig von der Prufung der Steuerpflicht in\neinem gesonderten Verfahren erfolgt. Wie das SG zu Recht ausgefuhrt hat, kann\ndie steuerrechtliche Behandlung jedoch als Indiz bei der Wurdigung der\nGesamtumstande zu beachten sein (vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar\nSozialversicherungsrecht, Stand Januar 2005, Band 1, § 7 SGB VII, Rndnr. 79,\nm.w.N.). Denn das in wertender Betrachtung gewonnene Gesamtbild der Tatigkeit\nist fur die Abgrenzung zwischen einer abhangigen Beschaftigung und einer\nselbstandigen Tatigkeit ausschlaggebend. Wenn wie hier sowohl Merkmale der\nAbhangigkeit als auch der Selbstandigkeit vorliegen, kommt es darauf an,\nwelche der Merkmale der Tatigkeit das Geprage geben und uberwiegen. Es ist\ndabei unerheblich, wie die Beteiligten eine moglicherweise bestehende\nvertragliche Vereinbarung uber ihre Zusammenarbeit bezeichnen, da entscheidend\ndie tatsachlichen Verhaltnisse sind (BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 2 U 35/98\nR -).\n\nSoweit die Beklagte im Berufungsverfahren insbesondere das Vorliegen einer\nWeisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) angenommen hat und hieraus eine\nabhangige Beschaftigung begrunden mochte, kann dem nicht gefolgt werden.\nAllein der Umstand, dass die Klagerin alle Autoverkaufe im Hinblick auf die\neinzuhaltende Marge uberpruft hat, besagt noch nicht, dass Weisungen erfolgt\nsind. Eine Überprufung der Auftrage und der vorgegebenen Preise fur zu\nverkaufende Waren kann auch Bestandteil einer selbstandigen Tatigkeit sein, da\nauch ein Selbstandiger die von ihm zum Verkauf angebotenen Gegenstande in der\nRegel nicht selbst produziert, sondern lediglich weiterveraußert. Er kann\ndaher z.B. den Preis fur einen geschutzten Markengegenstand, im vorliegenden\nFall fur ein Neufahrzeug der Marke Opel, nicht frei bestimmen, sondern sollte\nsich, mit gewissen Margen, an die Vorgaben des Produzenten halten. Gerade dies\nist der selbstandigen Tatigkeit eines Handelsvertreters im Sinne des § 84 Abs.\n1 Satz 2 HGB immanent. Wie die Klagerin im Berufungsverfahren vorgetragen hat,\nstand dem Beigeladenen zu 1) im Rahmen der den Autohausern zustehenden\nGewinnmargen, die regelmaßig bei Neufahrzeugen ca. 16% betragen, die\nMoglichkeit zu, selbstandig und in freier Verantwortung die Preiskalkulation\nbei einem Neuwagenverkauf mit dem Kunden auszuhandeln. Der Beigeladene zu 1)\nhat insoweit exakt die gleichen Gestaltungsmoglichkeiten hinsichtlich des\nVerkaufspreises gehabt wie die Klagerin selbst, die ihr Autohaus als\nSelbstandige betreibt. Er unterlag keinen weiteren Einschrankungen. Die\nKlagerin hat hierzu auch angegeben, dass der Beigeladene zu 1) entsprechende\nKaufvertragsabschlusse nicht zuvor oder nachfolgend zur Genehmigung hat\nvorlegen mussen, was gleichfalls im Rahmen der Inzahlungnahme gebrauchter\nFahrzeuge gegolten habe. Demgemaß hatte der Beigeladene zu 1) erhebliche\nHandlungsfreiheit. Eine Weisungsgebundenheit beim Verkauf der Fahrzeuge hat\ndie Klagerin ausdrucklich verneint und ist auch nicht ersichtlich.\n\nWeiterhin ist zu beachten, dass der Beigeladene zu 1) - wie die\nGeschaftsfuhrerin der Klagerin in der mundlichen Verhandlung vor dem SG am\n02.12.2002 erklart hat - seine Tatigkeit im Wesentlichen ausgeubt hat, indem\ner seine Beziehung als Mitglied der Feuerwehr ausgenutzt habe. Er habe nicht\nwie die anderen abhangig beschaftigten Autoverkaufer in den Raumen der\nKlagerin die Autos verkauft. Er habe aber Zugang zu diesen Raumen gehabt, um\nden Kunden die Autos dort zu zeigen. Der Beigeladene zu 1) hatte bereits im\nVerwaltungsverfahren hierzu angegeben, dass er einen eigenen Kundenstamm\nbesessen habe. Dies hat er in der mundlichen Verhandlung vom 21.04.2005\nglaubhaft bestatigt. Er bekundete insoweit, dass er seine Kunden mitgebracht\nhabe und die Kollegin im Autohaus, die dort angestellt gewesen sei, die\neigentlichen Kunden des Autohauses betreut habe. Er habe sich um diesen\nBereich uberhaupt nicht gekummert, sondern lediglich seine Kunden, im\nWesentlichen Feuerwehrleute aus drei Loschbezirken sowie Freunde und\nVerwandte, bedient.\n\nDer Beigeladene zu 1) hatte auch ein eigenes Buro, das raumlich von den\nVerkaufsraumen der Klagerin, die sich in einem anderen Gebaude befanden,\nabgegrenzt war. Dieses Buro war von der Klagerin durch eine\nVersicherungsgesellschaft, mit der er zusammengearbeitet gehabt hatte,\nangemietet gewesen. Das Versicherungsgeschaft, so der Beigeladene zu 1) in der\nmundlichen Verhandlung vom 21.04.2005, sei sein zweites Standbein gewesen. Bei\netwa 4 von 5 Verkaufen habe er auch versichert und dafur entsprechende Pramien\nerhalten. Nach der Betriebsprufung durch die Beklagte habe ihn die Klagerin\nzwar formlich angestellt, jedoch nur, um Schwierigkeiten aus dem Wege zu\ngehen. An seinen Arbeits- und Vertragsbedingungen habe sich dadurch eigentlich\nnur geandert, dass er von da an regelmaßige Arbeitszeiten verrichtet habe. Die\nangestammte Kundschaft des Autohauses habe er weiterhin nicht bedient. Die\nangestellte Tatigkeit habe dann ein Jahr gedauert. Er habe die Beziehung zur\nKlagerin beendet, um ein eigenes Autohaus zu ubernehmen. Hinsichtlich der an\ndie Klagerin gezahlten „Lohnausfallkosten" fur einen Feuerwehrlehrgang hat der\nBeigeladene zu 1) in der mundlichen Verhandlung vom 21.04.2005 ausgefuhrt,\ndass dies die Klagerin nicht belastet habe. Die Gemeinde als Veranstalter\ndieses Lehrgangs habe den Ausfall der Teilnehmer ubernommen. Bei ihm sei dies\nuber die Klagerin gelaufen. Warum er dies nicht selbst geltend gemacht habe,\nkonne er nicht mehr sagen.\n\nAus Vorstehendem ergibt sich, dass nach dem Gesamtbild der Tatigkeit des\nBeigeladenen zu 1) diese nicht mit einer solchen eines abhangig Beschaftigten\nAutoverkaufers vergleichbar war. Der Beigeladene zu 1) konnte seine\nArbeitszeit und seine Tatigkeit im Wesentlichen selbst frei gestalten. Er war\nder Klagerin nicht berichts- oder rechenschaftspflichtig, nicht einmal im\nFalle von Krankheit oder Urlaub. Eine Weisungsgebundenheit bestand nicht. Er\nwar in dem hier streitigen Zeitraum in den Betrieb der Klagerin weder zeitlich\nnoch raumlich eingegliedert. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die\nTatigkeit des Beigeladenen zu 1) in einer von anderer Seite vorgegebenen\nOrdnung des Betriebes aufgegangen ist. Insgesamt sprechen daher - wie das SG\nin der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat - die wesentlichen Umstande\nnach der Durchfuhrung einer wertenden Gesamtwurdigung fur eine selbstandige\nTatigkeit des Beigeladenen zu 1). Die Berufung war daher zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1\nVerwaltungsgerichtsordnung (VWGO). Soweit das SG in seinem Urteil die\nKostenentscheidung auf § 193 SGG gestutzt hat, ist das Urteil abzuandern, da\nweder die Klagerin noch die Beklagte zu den in § 193 SGG genannten Personen\ngehoren.\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung\nmit § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen\nnicht vor.\n\n
128,454
olgsl-2005-09-13-4-u-22605-128
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 U 226/05-128
2005-09-13
2019-01-07 09:32:36
2019-02-12 12:10:59
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Arrestbeklagten wird das Urteil des Landgerichts\nSaarbrucken vom 7. April 2005 - 4 O 67/05 - abgeandert, sein Arrestbefehl und\nPfandungsbeschluss vom 28.2.2005 insgesamt aufgehoben und der Arrestantrag vom\n25.02.2005 insgesamt zuruckgewiesen, soweit nicht die Parteien den\nRechtsstreit in der Hauptsache ubereinstimmend fur erledigt erklart haben.\n\n2\\. Die Arrestklagerin tragt die Kosten beider Rechtszuge.\n\n3\\. Das Urteil ist rechtskraftig.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDas klagende Speditionsunternehmen begehrt im vorliegenden Arrestverfahren die\nSicherung eines gegen die Arrestbeklagten (im Folgenden: Beklagten)\ngerichteten Schadensersatzanspruchs fur in Verlust geratene Europaletten.\n\nIn der Zeit zwischen dem 28.2.2003 und dem 28.10.2003 erwarb die Beklagte zu\n1), handelnd durch die Beklagte zu 2), insgesamt 1.844 Europaletten, die zuvor\nvon Mitarbeitern der Arrestklagerin (im Folgenden: Klagerin) bei dieser\nentwendet worden waren.\n\nMit Beschluss vom 23.12.2004 hat das Amtsgericht Lebach gem. §§ 111b, 111d,\n111e StPO i. V. m. § 73 Abs. 1, § 73a StGB zur Sicherung der der Verletzten\naus der Straftat erwachsenen zivilrechtlichen Anspruche den dinglichen Arrest\nin Hohe von 12.908 EUR in das Vermogen der Beklagten angeordnet. In\nVollstreckung des Arrestes hat die Staatsanwaltschaft am 10.1.2005 6.000 EUR\nBargeld gepfandet und bei der Gerichtskasse Saarlouis eingezahlt.\n\nDie Klager hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe die Paletten in Kenntnis des\nUmstandes angekauft, dass diese bei der Klagerin entwendet wurden.\n\nMit Beschluss vom 28.2.2005 hat das Landgericht wegen eines\nSchadensersatzanspruches in Hohe von 12.908 EUR sowie der auf 658,50 EUR\nveranschlagten Kosten den dinglichen Arrest in das Vermogen der Beklagten\nangeordnet und in Vollziehung dieses Arrestes die von der Staatsanwaltschaft\nSaarbrucken gepfandeten 6.000 EUR im Anschluss gepfandet.\n\nAuf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht mit Urteil vom\n07.04.2005 den dinglichen Arrest wegen einer Schadensersatzforderung der\nKlagerin in Hohe von 9.101,52 EUR und einer Kostenpauschale von 562,30 EUR\naufrechterhalten, den Arrestbefehl und Pfandungsbeschluss vom 28.02.2005 im\nÜbrigen aufgehoben und den Arrestantrag insoweit zuruckgewiesen.\n\nMit der hiergegen gerichteten Berufung erstreben die Beklagten die Aufhebung\ndes Arrestbefehls und Pfandungsbeschlusses. Sie vertreten die Auffassung, das\nLandgericht sei falsch besetzt gewesen, da der Arrestbefehl vom damaligen\nKammervorsitzenden als Einzelrichter erlassen worden sei. Daruber hinaus habe\ndas Landgericht verkannt, dass sich der Schaden pro Palette lediglich auf 3,58\nEUR, mithin insgesamt auf 6.601,52 EUR, belaufe. Schließlich sei es der\nKlagerin nicht gelungen, die Voraussetzungen eines Arrestgrundes glaubhaft zu\nmachen. Ein Arrestgrund fehle schon mit Blick auf die erfolgreiche\nVollstreckung der Staatsanwaltschaft. Übrigen habe das Landgericht nicht\nhinreichend beachtet, dass die Beklagten in die von ihnen betriebene\nAutowaschanlage seit dem 12.1.2005 eine Summe von 300.000 EUR investiert\nhatten und einen Fuhrpark unterhielten, der drei Sattelzuge und zwei\nContainerfahrzeuge umfasse. Die ...Bankbezeichnung... habe aufgrund der\nBonitat der Beklagten telefonisch eine Erhohung des Dispositionskredites um\n20.000 EUR Euro bewilligt.\n\nZwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klagerin von den Beklagten\nin Erfullung des Schadensersatzanspruches zwischenzeitlich 1.900 Paletten\nerhalten hat.\n\nDie Beklagten beantragen,\n\n> > unter Abanderung des Urteils des Landgerichts Saarbrucken vom 7.4.2005 - 4\n> O 67/05 - den Arrestbefehl und Pfandungsbeschluss vom 28.2.2005 aufzuheben.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n> > das Urteil des Landgerichts Saarbrucken vom 7.4.2005 im\n> Hauptsacheausspruch dahingehend abzuandern, dass der Arrestbefehl und\n> Pfandungsbeschluss mit der Maßgabe aufrechterhalten bleibt, dass wegen einer\n> Kostenpauschale von 562,30 EUR der dingliche Arrest in das Vermogen der\n> Arrestbeklagten angeordnet und im Übrigen der Arrestbefehl aufgehoben wird.\n\n> > Die Klagerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.\n\nBezuglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das\nangefochtene Urteil, die gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie die\nSitzungsniederschrift vom 26.07.2005 (Bl. 121 d. A.) Bezug genommen.\n\nII.\n\nA. Die zulassige Berufung ist begrundet, wobei in der Hauptsache nur noch uber\ndie verbliebene Kostenpauschale zu entscheiden war, nachdem die Parteien die\nden Arrestanspruch im Übrigen ubereinstimmend fur erledigt erklart haben.\n\n1\\. Die angefochtene Entscheidung ist nicht bereits deshalb zu beanstanden,\nweil das Landgericht in falscher Besetzung entschieden hatte. Gemaß § 919 Alt.\n1 ZPO war das Gericht der Hauptsache fur die Anordnung des Arrestes und die\nEntscheidung uber den Widerspruch zustandig. Angesichts der Hohe des zu\nsichernden Anspruchs fiel der Rechtsstreit in der Hauptsache und damit auch\ndas Arrestverfahren in die sachliche Zustandigkeit des Landgerichts, dessen\nZivilkammer gemaß § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch eines ihrer Mitglieder als\noriginarer Einzelrichter zu entscheiden hatte. Demgemaß hat der Vorsitzende\nder 4. Zivilkammer seine Zustandigkeit zur Entscheidung im vorliegenden\nRechtsstreit nicht aus § 944 ZPO, sondern mit Recht aus der Regelzustandigkeit\nder §§ 919, 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO hergeleitet (vgl. Zoller/Vollkommer, ZPO,\n25. Aufl., § 944 Rdnr. 1).\n\n2\\. Auch soweit das Landgericht den Verfugungsanspruch dem Grunde nach bejaht\nhat, begegnet das angefochtene Urteil keinen Bedenken, wozu auf seine\nEntscheidungsgrunde Bezug genommen wird. Zwischen den Parteien steht außer\nStreit, dass die Beklagte zu 1) durch die Beklagte zu 2) handelnd insgesamt\n1.844 Europaletten erwarb, die zuvor bei der Klagerin entwendet worden waren.\nDie Schlussfolgerungen des Landgerichts zur Bosglaubigkeit der Beklagten zu 2)\nuberzeugen: In Anbetracht der großen Menge der Paletten und der Tatsache, dass\ndie Palettendiebe weder ein eigenes Gewerbe als Palettenhandler oder\nTransporteure betrieben, lag der Verdacht nahe, dass die Paletten auf\nunlautere Weise erworben wurden, in der Terminologie der §§ 990, 932 BGB nicht\ndem Veraußerer gehorten.\n\n3\\. Die Berufung ist jedoch deshalb begrundet, weil die Klagerin einen\nArrestgrund im Sinne des § 917 ZPO weder glaubhaft gemacht (§§ 920 II, 294\nZPO) noch auch nur schlussig dargetan hat:\n\na) Gemaß § 917 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist,\ndass ohne dessen Verhangung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder\nwesentlich erschwert wurde. Nach der gesetzlichen Konzeption soll der Arrest\nvor einem unlauteren Verhalten des Schuldners schutzen, weshalb im Regelfall\ndas Beiseiteschaffen von Vermogensgegenstanden oder die Verschleierung seiner\nVermogensverhaltnisse die tatsachlichen Voraussetzungen eines Arrestgrundes\nerfullen (Zoller/Vollkommer, aaO., § 917 Rdnr. 5).\n\nOb bereits der hinreichende Verdacht einer Beteiligung des Arrestschuldners an\neiner gegen das Vermogen des Arrestglaubigers gerichteten Straftat zur Annahme\neines Arrestgrundes ausreicht, ist umstritten (dafur:\nBaumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 917 Rdnr. 11;\nStein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl., § 917 Rdnr. 8; Dresden OLGR 1998, 150;\ndagegen: Koln OLGR 1999, 354; Saarbrucken OLGR 1999, 143; Koblenz NJW-RR 2002,\n575; Zoller/Vollkommer, aaO., § 917 Rdnr. 6 mit weit. Nachweis;\nMusielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 917 Rdnr. 3; MunchKomm(ZPO)/Heinze, § 917\nRdnr. 6; Wiezcorek/Schutze, ZPO, 3. Aufl., § 917 Rdnr. 11). Geboten ist eine\ndifferenzierte Betrachtung: Zwar mogen die Umstande der Straftat im konkreten\nEinzelfall den Schluss rechtfertigen, dass sich der die Straftat verubende\nSchuldner auch kunftig nicht rechtstreu verhalten und den Versuch unternehmen\nwird, die ihm drohende Vollstreckung gezielt zu erschweren. Dennoch kann ein\nallgemeiner Erfahrungssatz nicht anerkannt werden, wonach ein Schuldner, der\ndurch kriminelle Handlungen den Glaubiger geschadigt hat, grundsatzlich zur\nVollstreckungsvereitelung bereit ist. Vielmehr kommt es auf die Umstande des\nkonkreten Einzelfalles an.\n\nb) Bei der gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtung sind die Voraussetzungen\ndes Arrestgrundes vorliegend nicht glaubhaft gemacht: Es kann nicht\nunberucksichtigt bleiben, dass die Beklagte zu 1) bereits mit Schreiben vom\n28.1.2005 ihre Einstandspflicht dem Grunde nach anerkannt hat. Dies zeigt,\ndass die Beklagten erkennbar um einen Ausgleich des entstandenen Schadens\nbemuht waren. Weiterhin haben die Beklagten im Schriftsatz vom 22.3.2005 durch\neidesstattliche Versicherung vom 22.3.2005 (Bl. 60 d. A.) zu ihren\nVermogensverhaltnissen glaubhaft vorgetragen, dass die ...Bankbezeichnung...\nohne weitere Besicherung einer Erhohung des Dispositionskredites vom 20.000\nEUR zugestimmt hat.\n\nDie von der Klagerin geltend gemachte Schadensersatzforderung hat uberdies\nkeine Hohe erreicht, die bei einem Geschaftsbetrieb vom Zuschnitt des\nUnternehmens der Beklagten eine Vollstreckungsvereitelung befurchten ließe.\nDenn das beklagte Unternehmen unterhalt einen Fuhrpark von immerhin drei\nSattelzugen und zwei Containerfahrzeugen; daruber hinaus haben die Beklagten\nglaubhaft vorgetragen, dass fur einen am 12.1.2005 in Betrieb genommenen\nWaschpark eine Summe vom 300.000 EUR investiert worden sei.\n\nAuch die Art der den Beklagten zur Last gelegten Straftat lasst keinen\nhinreichenden Ruckschluss auf eine Vollstreckungsvereitelungsabsicht zu: Eine\nauf das Unternehmen der Klagerin bezogene Schadigungsabsicht wird den\nBeklagten nicht vorgeworfen. Da der Verdacht im vorliegenden Verfahren nicht\nerhartet werden konnte, dass die Palettendiebe im bewussten und gewollten\nZusammenwirken mit der Beklagten zu 1) handelten, liegt der Schwerpunkt des\nstrafbaren Verhaltens bei denjenigen Personen, die die Paletten bei der\nKlagerin entwendeten.\n\nUnter Berucksichtigung aller Umstande reicht der Verdacht eines strafbaren\nVerhaltens der Beklagten zu 1) nach alledem nicht aus, um den Arrestgrund\nhinreichend zu belegen. Da die Klagerin konkrete Anhaltspunkte fur eine\nAbsicht der Beklagten, Vermogensgegenstande beiseite zu schaffen, weder\nglaubhaft gemacht noch auch nur hinreichend dargetan hat, war ihr Arrestantrag\nim vom Landgericht aufrechterhaltenen Umfang zuruckzuweisen.\n\nB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 91a Abs. 1 ZPO. Auch\nhinsichtlich des fur erledigt erklarten Teils hat die Klagerin die Kosten\nbeider Rechtszuge zu tragen, da ihr Arrestantrag aus den vorgenannten Grunden\nauch ohne die ubereinstimmende Teilerledigungserklarung erfolglos geblieben\nware. Die Feststellung der Rechtskraft folgt aus § 542 II 1 ZPO. Der\nStreitwert des Berufungsverfahrens bis zur ubereinstimmenden Teilerledigung in\nder mundlichen Verhandlung am 26.07.2005 betragt 3.000 EUR (etwa 1/3 des im\nangefochtenen Urteil bestatigten Arrests ohne Kostenpauschale) und fur das\nnachfolgende Verfahren 200 EUR (etwa 1/3 der verbliebenen Kostenpauschale;\nvgl. Zoller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn 16 Stichw. „Arrestverfahren" und\n„Erledigung der Hauptsache" m.w.Nachw.).\n\n
129,025
olgsl-2007-05-24-6-uf-10606
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
6 UF 106/06
2007-05-24
2019-01-07 09:37:55
2019-02-12 12:12:29
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - in Saarbrucken vom 9. November 2006 - 39 F 300/06 SO - wird\nzuruckgewiesen.\n\nBeschwerdewert: 3.000 EUR.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDie derzeit sechzehn Jahre alte Antragstellerin ist aus der Ehe der\nBeteiligten zu 1) hervorgegangen. Die Antragstellerin besucht die zehnte\nKlasse der Erweiterten Realschule in und wohnt im Haushalt der Eltern. Die\nAntragstellerin ist in der Bundesrepublik Deutschland geboren und\naufgewachsen. Sie besitzt die deutsche und die turkische Staatsangehorigkeit.\nDie Beteiligten zu 1) sind turkische Staatsangehorige.\n\nDie Antragstellerin hat am 20. Juni 2006 bei der Rechtsantragsstelle des\nAmtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrucken auf Befreiung vom Erfordernis\nder Volljahrigkeit angetragen. Sie beabsichtigt, den am 2. Juli 1985\ngeborenen, derzeit einundzwanzig Jahre alten turkischen Staatsangehorigen S.\nK. zu heiraten, mit dem sie seit 2004 verlobt ist. Dieser ist in der Turkei\ngeboren und aufgewachsen. Er ist im September 2006 mit einem Studentenvisum in\ndie Bundesrepublik Deutschland eingereist und halt sich seitdem hier auf. Er\nstrebt einen Abschluss in Informatik an der Universitat des Saarlandes an, wo\ner seit Marz 2007 einen verpflichtenden Deutschkurs absolviert.\n\nDie Eltern haben erstinstanzlich die geplante Eheschließung befurwortet. Das\nbeteiligte Jugendamt hat sich gegen eine Befreiung ausgesprochen.\n\nDurch den angefochtenen Beschluss, auf den erganzend Bezug genommen wird, hat\ndas Familiengericht den Antrag - nach Anhorung der Antragstellerin, ihrer\nEltern und des Verlobten - zuruckgewiesen.\n\nHiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie\nihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.\n\nDie Eltern haben sich zweitinstanzlich „mit der Beschwerde einverstanden"\nerklart.\n\nDas Jugendamt hat sich auch im Beschwerdeverfahren gegen die Erteilung der\nBefreiung ausgesprochen.\n\nDer Senat hat die Antragstellerin, deren Eltern und den Verlobten in der\nmundlichen Verhandlung personlich angehort.\n\n**II.**\n\nDie gemaß §§ 621 e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 12, 517, 520 ZPO zulassige\nBeschwerde der Antragstellerin ist nicht begrundet.\n\nSeine internationale Zustandigkeit hat das Familiengericht im Streitfall zu\nRecht und von den Parteien unangegriffen bejaht (dazu Staudinger/Stratz, BGB,\n13. Bearb. <2000>, § 1303, Rz. 46).\n\nDie Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen gemaß Art. 13 Abs. 1 EGBGB\nfur jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehort (vgl. auch\nStaudinger/Stratz, a.a.O., Rz. 44). Das ist fur die Antragstellerin das\ndeutsche Recht, da sie auch die deutsche Staatsangehorigkeit besitzt (Art. 5\nAbs. 1 Satz 2 EGBGB).\n\nNach § 1303 Abs. 2 BGB kann das Familiengericht auf Antrag von der Vorschrift\ndes § 1303 Abs. 1 BGB - danach soll eine Ehe nicht vor Eintritt der\nVolljahrigkeit eingegangen werden - Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller\ndas sechzehnte Lebensjahr vollendet hat und sein kunftiger Ehegatte volljahrig\nist. Zwar sind im Streitfall diese - formalen - Voraussetzungen erfullt. Auch\nwar die minderjahrige Antragstellerin fur die Befreiung selbst\nantragsberechtigt (Hoppenz/Burandt, Familiensachen, 8. Aufl., A.I., § 1303,\nRz. 3; Staudinger/Stratz, a.a.O., Rz. 33). Das Familiengericht hat die\nbegehrte Befreiung jedoch zu Recht versagt, weil die beabsichtigte Ehe unter\nden gegebenen Umstanden dem wohlverstandenen Interesse der minderjahrigen\nAntragstellerin widerspricht.\n\nDie Befreiung, auf deren Erteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen wegen\nArt. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 GG ein Rechtsanspruch besteht, ist zu versagen,\nwenn eine Gesamtbewertung aller fur und gegen die Eheschließung sprechenden\nUmstande (Staudinger/Stratz, a.a.O., Rz. 19) ergibt, dass das Wohl der\nAntragstellerin voraussichtlich beeintrachtigt sein wird (vgl. zum Ganzen\nauch: MunchKomm-BGB/Muller-Gindullis, 4. Aufl., § 1303, Rz. 6 ff;\nHoppenz/Burandt, a.a.O., Rz. 4). So liegt der Fall hier, wie das\nFamiliengericht nach den gesamten Umstanden zu Recht angenommen hat.\nMaßgebendes Kriterium fur die zu treffende Entscheidung ist - als\nungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (Staudinger/Stratz, a.a.O., Rz. 14) - der\nSchutz des Wohls der minderjahrigen Antragstellerin. Dabei ist zu prufen, ob\neine echte wechselseitige Bindung zwischen den Partnern besteht, sie die mit\nder Ehe verbundenen Pflichten ubernehmen konnen und wollen und die notwendigen\nwirtschaftlichen Grundlagen fur die Ehe gegeben sind; der Heiratswunsch muss\ndem eigenen inneren Antrieb der Verlobten entspringen und darf nicht nur auf\ndem Einfluss der Umwelt oder wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (MunchKomm-\nBGB/Muller-Gindullis, a.a.O.). Der Senat teilt - auch im Lichte des\nErgebnisses der in der Beschwerdeinstanz durchgefuhrten Anhorungen - die in\ndem angefochtenen Beschluss eingehend begrundete Überzeugung des\nFamiliengerichts, dass die derzeit sechzehn Jahre alte Antragstellerin noch\nnicht uber die erforderliche personliche Reife verfugt, die volle Tragweite\nihres Heiratsentschlusses zu erfassen und schon jetzt in der geplanten\nehelichen Verbindung zu leben, was nach Dafurhalten des Senats namentlich auch\ndaraus erhellt, dass die Antragstellerin - wie ihre Anhorung ergeben hat -\nsich etwa mit der nicht fernliegenden Moglichkeit einer alsbaldigen\nElternschaft und deren Auswirkungen auf ihre kunftige Lebensgestaltung bislang\nnicht hinreichend auseinandergesetzt hat. Zudem ist die Entscheidung, die\nursprunglich erst fur die Zeit nach Vollendung ihres achtzehnten Lebensjahres\nins Auge gefasste Eheschließung vorzuziehen, nach den eigenen Bekundungen der\nAntragstellerin gegenuber dem Senat in nicht unerheblichem Umfang von dem\nBestreben motiviert, ihrem Verlobten aus wirtschaftlichen und praktischen\nErwagungen die faktische Wohnmoglichkeit im Hause ihrer Eltern zu erhalten, da\ner ohne die Erlaubnis zu heiraten in die Turkei zuruckkehren musse, was fur\nihn eine zeitliche Verzogerung seiner Ausbildung bedeute. Die Beteiligten zu\n1) haben auch bei ihrer Anhorung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht, dass sie\nes „nicht fur angebracht" halten, den Verlobten weiterhin - in der separaten\nWohnung - in ihrem Haus wohnen zu lassen, wenn die Ehe nicht alsbald\ngeschlossen wird; die Anmietung einer anderen Wohnung fur den Verlobten kommt\nnach ersichtlich ubereinstimmender Auffassung aller Beteiligten - auch fur\neine Übergangszeit - aus finanziellen Grunden nicht in Betracht. Nach der\ninsoweit nicht dezidiert widersprochenen schriftlichen Stellungnahme des\nJugendamtes an den Senat vom 26. Februar 2007 hatte die Antragstellerin im\nÜbrigen bereits anlasslich eines im Februar 2007 vor dem Hintergrund der\nBeschwerde gefuhrten erneuten Gesprachs mit der zustandigen Sachbearbeiterin\nauf Nachfrage bekraftigt, dass sie personlich mit der Eheschließung durchaus\nbis zur Volljahrigkeit warten konne, angesichts des elterlichen Drucks\nmomentan jedoch kein andere Moglichkeit sehe, als die Beziehung zu Herrn K.\ndurch eine rasche Heirat zu legitimieren. Entscheidend gegen die Erteilung der\nerstrebten Befreiung spricht weiter, dass es der geplanten Ehegemeinschaft -\nwie auch der Verlobte nicht verkennt - derzeit und bis auf Weiteres an\njeglicher eigenstandigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage fehlen wurde,\nnachdem der Verlobte, der von seinen Eltern derzeit mit monatlichen\nZuwendungen in Hohe von 50 EUR unterstutzt wird, ein viersemestriges\nZusatzstudium plant und ohne die noch nicht erfolgte Anerkennung seines in der\nTurkei erworbenen Diploms auch nicht in der Lage sein wird, eine adaquate\nErwerbstatigkeit im Inland aufzunehmen. Die Antragstellerin, die im Begriff\nist, die Erweiterte Realschule mit der mittleren Reife abzuschließen, will\nzunachst ein freiwilliges soziales Jahr ableisten und fruhestens im kommenden\nJahr eine Berufsausbildung zur Kranken- oder Altenpflegerin beginnen -\ninsoweit stehen allerdings erst Vorstellungsgesprache an - und wurde auf nahe\nSicht selbst ebenfalls nicht in der Lage sein, in nennenswertem Umfang zum\nFamilienunterhalt beizutragen. Neben der sich hieraus ergebenden\nwirtschaftlichen Abhangigkeit von den beiderseitigen Eltern besteht unter\ndiesen Umstanden zudem die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die\nbeabsichtigte Eheschließung die anstehende berufliche Ausbildung der\nminderjahrigen Antragstellerin ungunstig beeinflussen wird, wenn etwa ein zum\nErhalt einer adaquaten Ausbildungsstelle gegebenenfalls erforderlicher\nOrtswechsel mit Rucksicht auf die konkreten - auch finanziellen -\nGegebenheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft unterbleiben muss, was bei der\nvorliegenden Prognoseentscheidung mit zu berucksichtigen ist, auch wenn die\nSorgeberechtigten der vorzeitigen Eheschließung - wie hier die Eltern der\nAntragstellerin - nicht widersprechen. Denn in der heutigen Zeit kommt einer\nabgeschlossenen Ausbildung ein hoher Stellenwert zu und wiegen die Nachteile\neiner abgebrochenen oder ganzlich fehlenden Ausbildung im Regelfall schwerer\nals die Vorteile einer vorzeitigen Eheschließung, wobei die Nachteile\ninsbesondere der Allgemeinheit zur Last fallen (Staudinger/Stratz, a.a.O., Rz.\n25). So auch hier. Dass - wie mit der Beschwerde geltend gemacht worden ist -\nim Fall der Versagung der Befreiung die Beziehung „nicht mehr bestehen" werde\noder die Antragstellerin gar in eine „fur sie sehr schlimme Situation" kommen\nwerde, ist nach dem Ergebnis der Anhorung beider Verlobter und der Eltern\nnicht zu erwarten, zumal insbesondere die Beteiligte zu 1) erklart hat, dass\nvon Seiten der Eltern von vornherein jede Entscheidung der Antragstellerin\nrespektiert worden ware. Die mit der Beschwerde angesprochene Entscheidung des\nBundesgerichtshofs (BGHZ 21, 340) betrifft eine andere Fallgestaltung und\nrechtfertigt vorliegend keine andere Beurteilung.\n\nNach alldem halt der Senat in Übereinstimmung mit der Auffassung des\nbeteiligten Jugendamtes unter Abwagung aller Gegebenheiten des Streitfalles\nund unbeschadet der abweichenden Beurteilung der Heiratsabsicht durch die\ngesetzlichen Vertreter der Antragstellerin dafur, dass die Voraussetzungen fur\ndie Erteilung der Befreiung nicht vorliegen. Die - hier gut vierzehnmonatige -\nWartezeit bis zur Vollendung ihres achtzehnten Lebensjahres ist der\nAntragstellerin unter den gegebenen Umstanden zuzumuten. Daher hat der\nangefochtene Beschluss Bestand.\n\nEin Ausspruch nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG ist im Streitfall nicht\nveranlasst.\n\nDie Wertfestsetzung beruht auf §§ 97 a Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.\n\nDie Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine\ngrundsatzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung\neiner einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des\nRechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 621 e Abs. 2 i.V. mit § 543 Abs. 2\nZPO).\n\n
133,929
olgkarl-2005-01-28-2-ws-605
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 Ws 6/05
2005-01-28
2019-01-07 10:35:47
2019-02-12 12:16:58
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss des\nLandgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 21. Dezember 2004\naufgehoben.\n\nDie Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des\nAmtsgerichts F. vom 22. Juli 2002 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts F. vom\n25. September 2002 wird fur erledigt erklart.\n\nDie Sache wird an die Strafvollstreckungskammer zu gemeinsamer Entscheidung\nuber die Aussetzung der Restfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts\nR. vom 4. November 1997 und dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22. Juli 2002\ni.V.m. dem Urteil des Landgerichts F.g vom 25. September 2002 sowie\ngegebenenfalls zu einer Entscheidung nach § 67 Abs. 5 S. 2 StGB\nzuruckverwiesen, wobei auch uber die Kosten des Rechtsmittels zu befinden sein\nwird.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Am 4.11.1997 verurteilte das Landgericht R. den Untergebrachten wegen\nBetrugs in funf Fallen, davon in zwei Fallen versucht, und Fahrens ohne\nFahrerlaubnis in zwei Fallen unter Einbeziehung weitere Strafen aus Urteilen\nder Amtsgerichte R . und B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren\nsowie wegen Betrugs in 21 Fallen, davon in einem Fall versucht, und Fahrens\nohne Fahrerlaubnis in acht Fallen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei\nJahren. Am 22.7.2002 wurde er vom Amtsgericht F. wegen Betrugs, Amtsanmaßung\nund versuchter sexueller Notigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei\nJahren und vier Monaten verurteilt, die vom Berufungsgericht am 25.9.2002 um\ndie Einweisung in eine Entziehungsanstalt erganzt wurde. Nachdem der\nUntergebrachte seine Einwilligung zur Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafen\naus dem Urteil des Landgerichts R. vom 4.11.1997 im Hinblick auf die\nneuerlichen, inzwischen vom Amtsgericht F. am 22.7.2002 abgeurteilten Taten\nnicht erteilt hatte, wurden diese Strafen bis auf einen Rest von 187 Tagen\nvollstreckt, die Vollstreckung mit Wirkung vom 23.12.2002 im Hinblick auf die\nVollstreckung der Maßregel aber unterbrochen. Seit diesem Datum befindet sich\nder Untergebrachte in der durch Urteil des Landgerichts F. vom 25.9.2002\nangeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Durch Anrechnung der\nMaßregel (§ 67 Abs. 4 S. 1 StGB) waren zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe\naus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22.7.2002 i.V.m. dem Urteil des\nLandgerichts F. vom 25.9.2002 am 11.7.2004 verbußt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer\nentschieden, dass die Maßregel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt\nnach § 67 d Abs. 5 StGB nicht weiter zu vollziehen ist, da eine konkrete\nAussicht auf einen Behandlungserfolg nicht mehr gegeben sei. Eine Aussetzung\nder restlichen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom\n22.7.2002 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts F. vom 25.9.2002 hat die\nStrafvollstreckungskammer abgelehnt. Über eine Aussetzung des verbleibenden\nStrafrestes aus dem Urteil des Landgerichts R. vom 4.11.1997 hat sie nicht\nentschieden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die nach §§ 463 Abs. 5 und 462 Abs. 3 StPO zulassige sofortige Beschwerde\nhat den aus dem Tenor ersichtlichen - vorlaufigen - Erfolg. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Soweit die Strafvollstreckungskammer den Abbruch der Maßregel der\nUnterbringung in der Entziehungsanstalt nach § 67 d Abs. 5 StGB angeordnet\nhat, ist der Beschluss aufzuheben, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift\nnicht erfullt sind. Nach § 67 d Abs. 5 StGB bestimmt das Gericht, dass die\nMaßregel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt nicht weiter zu\nvollziehen ist, wenn ihr Zweck aus Grunden, die in der Person des\nUntergebrachten liegen, nicht erreicht werden kann. Diese Vorschrift findet\nvorliegend schon deshalb keine Anwendung, weil ausweislich der gutachterlichen\nStellungnahme des Zentrums fur Psychiatrie E. das Therapieziel, den\nUntergebrachten jedenfalls fur eine gewisse Zeitspanne vor einem Ruckfall in\ndie akute Sucht zu bewahren (LK-Hanack zu § 64 Rn. 94 ff.; BVerfGE 91, 1, 30),\nund damit der Zweck der Unterbringung erreicht ist. Nach der Bewertung des\nZentrums fur Psychiatrie E. vom 20.10.2004, die der als Sachverstandiger von\nder Kammer gehorte Dipl.Psych. F.nach den Ausfuhrungen im angegriffenen\nBeschluss anlasslich der mundlichen Anhorung des Untergebrachten bestatigt\nhat, konnte bei dem therapiemotivierten Untergebrachten eine stabile Abstinenz\nerreicht werden. Selbst in massiven Spannungssituationen sei es zu keinem\nSuchtmittelruckfall gekommen, weshalb die Ruckfallgefahrdung als gering\neinzuschatzen sei. Im Gegenteil sei mit einer stabilen und dauerhaften\nAbstinenz zu rechnen. Danach ist von einem erfolgreichen Abschluss der\nSuchttherapie auszugehen. Der Erreichung des Therapieziels steht auch nicht\nentgegen, dass die die abgeurteilten Straftaten ebenfalls auslosende\ndissoziale Personlichkeitsproblematik des Untergebrachten bislang keiner\ntherapeutischen Aufarbeitung zugefuhrt werden konnte. Denn alleiniger Zweck\nder Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist die Suchtbehandlung (BVerfGE\n91, 1, 28), nicht die Bearbeitung der bei dem Untergebrachten diagnostizierten\nDissozialitat, auch wenn diese seine Neigung zu betrugerischem und\nhochstaplerischem Verhalten und damit die Gefahr auch kunftiger Straftaten,\ninsbesondere Betrugsstraftaten, begrundet. Soweit die\nStrafvollstreckungskammer ausfuhrt, die mangelnde therapeutische Bearbeitung\nder dissozialen Personlichkeitsdefizite konne jederzeit zu einem Ruckfall in\nden Suchtmittelmissbrauch fuhren, steht dies mit der gutachterlichen\nStellungnahme, der sie sich im ubrigen angeschlossen hat, nicht in Einklang.\nDa das Therapieziel und damit der Zweck der Unterbringung in einer\nEntziehungsanstalt mithin erreicht sind, war der Vollzug der Unterbringung\nnicht etwa abzubrechen, sondern die Maßregel analog § 67 c Abs. 2 S. 5 StGB\nfur erledigt zu erklaren (OLG Karlsruhe, GA 1983, 87 f.; Volckart,\nMaßregelvollzug, S. 234). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Hinsichtlich der mit dieser Erledigungserklarung verbundenen\nFolgeentscheidungen musste die Sache an das Landgericht zuruckverwiesen\nwerden. Zwar hat die Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss\ndie Aussetzung des nach Anrechnung des Aufenthaltes in der Unterbringung\nverbleibenden Strafrestes aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22.7.2002\nnach §§ 67 Abs. 5 i.V.m. 57 Abs. 1 StGB abgelehnt, da dem Untergebrachten eine\ngunstige Prognose nicht gestellt werden konne. Doch hatte sie gleichzeitig\nuber den noch zu vollstreckenden Strafrest aus dem Urteil des Landgerichts R.\nvom 4.11.1997 entscheiden mussen. Denn die Vorschrift des § 454 b StPO gilt\nauch, wo Verurteilungen zu Freiheitsstrafen mit solchen zusammentreffen, bei\ndenen neben der Strafe eine freiheitsentziehende Maßregel der Sicherung und\nBesserung verhangt worden war (OLG Hamm, NStZ-RR 1997, 124 f.; KK-Fischer zu §\n454b Rn. 20). Diese Vorschrift sieht in Abs. 3 aber zwingend die gemeinsame\nEntscheidung uber alle noch zur Vollstreckung anstehenden Strafreste vor, denn\ndie Prognose im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB kann nur einheitlich getroffen\nwerden (KK-Fischer zu § 454 b Rn. 24). Der Senat hat den angegriffenen\nBeschluss deshalb auch hinsichtlich dieser Entscheidung aufgehoben, die Sache\ninsoweit aber zur weiteren Veranlassung an die sachnahere\nStrafvollstreckungskammer zuruckgegeben, der - moglicherweise nach erganzender\nsachverstandiger Beratung - nach Anhorung der Beteiligten (§ 454 Abs. 2 Satz 3\nStPO) die Entscheidung uber die Reststrafenaussetzung, die insbesondere auch\ndie in § 57 Abs. 1 S. 2 StGB genannten Prognosegesichtspunkte einschließlich\nder Vorverurteilungen und der Entlassungssituation zu berucksichtigen hat,\nobliegt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Sollte eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafen abgelehnt werden, wird sich\ndie Strafvollstreckungskammer zudem mit der Frage befassen mussen, ob der\nStrafrest aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 22.7.2002 gem. § 67 Abs. 5 S.\n2 StPO im Vollzug der Maßregel oder im Strafvollzug vollstreckt werden wird.\nDass der Zweck der Unterbringung erreicht ist, steht dem nach § 67 Abs. 5 S. 2\nHalbs. 1 StGB regelmaßigen (LK-Hanack zu § 67 Rn. 32) Verbleib des\nUntergebrachten im Vollzug der Maßregel nicht entgegen (BGH NStZ-RR 2002, 26;\nMunchner Kommentar-Maier zu § 67 Rn. 43). Denn der Zweck dieser Vorschrift,\neinen Anstaltswechsel moglichst zu vermeiden und Strafvollzug die im\nMaßregelvollzug erzielten Erfolge nicht durch einen zu gefahrden (LK-Hanack zu\n§ 67 Rn. 32), kann auch in diesen Fallen den Verbleib im Vollzug der\nUnterbringung erfordern. Allerdings kann in Fallen noch langer andauernder\nStrafhaft auch eine Verlegung in den Strafvollzug nach § 67 Abs. 5 S. 2 Halbs.\n2 StGB in Betracht kommen (Senat MDR 1981, 867; OLG Celle NStZ 1983, 384; KG\nNStZ 2001, 166 f.; LK-Hanack zu § 67 Rn 38; Trondle/Fischer zu § 67 Rn 13),\nwobei die Strafvollstreckungskammer bei der Ausubung des ihr in dieser\nVorschrift eingeraumten Ermessens weiterhin wird mitberucksichtigen mussen, ob\nder weitere Maßregelvollzug zur Erhaltung des eingetretenen Erfolges\nerforderlich ist (LK-Hanack zu § 67 Rn 36). \n---\n\n
135,267
olgkarl-2004-03-01-16-wf-22103
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 WF 221/03
2004-03-01
2019-01-07 11:09:13
2019-02-12 12:18:04
Beschluss
## Tenor\n\nDie sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts\n- Familiengericht - Mosbach vom 10. September 2003 wird auf ihre Kosten\nzuruckgewiesen.\n\nBeschwerdewert: bis 600 EUR\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Glaubiger war Glaubiger des am 19. Juni 2002 vor dem Oberlandesgericht\nKarlsruhe geschlossenen Vergleichs 16 UF 102/01, in dem sich die Schuldnerin\nunter anderem verpflichtet hatte, einen Unterhaltsruckstand von November 2000\nbis Mai 2002 in Hohe von 4.562,44 EUR zu zahlen. Hierauf sollten die seit\nOktober 2001 erfolgten Pfandungen, wohl aufgrund des erstinstanzlichen Urteils\ndes Amtsgerichts Mosbach vom 30. April 2001 - 2 F 517/00 -, angerechnet\nwerden. Dem Glaubiger wurde am 04. Juli 2002 eine vollstreckbare Ausfertigung\nerteilt. Diese ließ er mit Schreiben vom 22. Juli 2002 an Rechtsanwalt P., S.,\nvon Anwalt zu Anwalt zustellen. Rechtsanwalt P. nahm die Zustellung nicht an,\ngab aber auch die vollstreckbare Ausfertigung erst mit Schreiben vom 22.\nNovember 2002 zuruck. In der Zwischenzeit hatte der Glaubiger eine weitere\nvollstreckbare Ausfertigung beantragt, diesen Antrag jedoch mit Schriftsatz\nvom 16. Dezember 2002 fur erledigt erklart. Der Rechtspfleger beschloss am 25.\nMarz 2003: \n--- \n| 2 \n--- \n| „Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Antrag vom 12.09.2002 auf\nErteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung als erledigt betrachtet\nwird. \n--- \n| 3 \n--- \n| Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens gilt § 788 Abs. 1 S. 2 ZPO ... \n--- \n| 4 \n--- \n| Eine Anwendung von § 788 Abs. 4 ZPO kommt vorliegend nicht in Betracht,\nweil die Aufzahlung dort abschließend ist. \n--- \n| 5 \n--- \n| Ob entstandene Kosten auch notwendig waren, braucht - jedenfalls in diesem\nVerfahren - nicht entschieden zu werden." \n--- \n| 6 \n--- \n| Auf Erinnerung der Schuldnerin (als Beschwerde bezeichnet) beschloss der\nFamilienrichter mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. September 2003 \n--- \n| 7 \n--- \n| die als Erinnerung analog § 732 ZPO aufzufassende Beschwerde der\nSchuldnerin gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 25.03.2003 wird\nkostenpflichtig zuruckgewiesen. \n--- \n| 8 \n--- \n| In den Grunden ist ausgefuhrt, dass vom Glaubiger zu tragende\nZwangsvollstreckungskosten, die durch nicht notwendige\nZwangsvollstreckungsmaßnahmen verursacht seien, nicht nach § 788 Abs. 1 S. 1\nZPO beigetrieben werden konnten. Sie mussten im Festsetzungsverfahren gem. §\n788 Abs. 2 ZPO oder in einem gesonderten Rechtsstreit geltend gemacht werden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist zulassig, jedoch nicht\nbegrundet. \n--- \n| 10 \n--- \n| 1\\. Zulassigkeit: \n--- \n| 11 \n--- \n| Hat sich eine Zwangsvollstreckungssache, hier der Antrag auf Erteilung\neiner weiteren vollstreckbaren Ausfertigung, vor der Entscheidung erledigt,\nkann der Schuldner, der den Standpunkt vertreten will, der Glaubiger habe die\nKosten dieser Zwangsvollstreckungssache zu tragen, beantragen, dass eine\nKostengrundentscheidung nach § 91 ZPO ergeht. Anerkannt ist, dass eine\nKostenentscheidung erforderlich ist, wenn ein einen Vollstreckungsantrag\nzuruckweisender Beschluss ergeht. Ohne eine solche Kostenentscheidung bliebe\nder erfolgreiche Schuldner mit den eigenen Kosten belastet, weil er sich im\nKostenfestsetzungsverfahren oder bei der Beitreibung der\nZwangsvollstreckungskosten nur dagegen wenden konnte, dass etwaige\nGlaubigerkosten nicht notwendig gewesen seien. Hinsichtlich seiner eigenen\ndurch die nicht notwendigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verursachten Kosten\nhatte er ohne Kostengrundentscheidung keine Handhabe zur Erstattung. Dasselbe\ngilt dann, wenn sich eine Zwangsvollstreckungssache in der Hauptsache\nerledigt, weil auch in diesem Fall der Schuldner einen\nKostenerstattungsanspruch gegen den Glaubiger haben kann (vgl. zu allem OLG\nKoblenz, JurBuro 1982, 1897, teilweise wortliches Zitat, m.w.N.). Das\nAmtsgericht hat eine Kostenentscheidung ausdrucklich abgelehnt. Die\nSchuldnerin muss deshalb die Moglichkeit haben, eine solche im\nBeschwerdeverfahren zu erstreiten und ist daran nicht durch § 99 Abs. 1 ZPO\ngehindert (vgl. Kammergericht, Rpfleger 1981, 318 m.w.N.). \n--- \n| 12 \n--- \n| 2\\. Die Kosten des Verfahrens auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren\nAusfertigung hat jedenfalls nicht der Glaubiger zu tragen. Es kann deshalb bei\ndem angefochtenen Beschluss, der eine Kostenentscheidung ablehnt, sein\nBewenden haben. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Kosten des Verfahrens auf Erteilung einer zweiten vollstreckbaren\nAusfertigung des Titels fallen unter § 788 ZPO. Danach hat sie grundsatzlich\nder Schuldner zu tragen, wenn nicht die Erforderlichkeit der Erteilung vom\nGlaubiger zu vertreten ist (OLG Zweibrucken, JurBuro 1999, 160; ahnlich OLG\nMunchen, JurBuro 1992, 431). \n--- \n| 14 \n--- \n| a) Der Glaubiger hatte dem Bevollmachtigten der Schuldnerin die ihr\nerteilte vollstreckbare Ausfertigung zum Zwecke der Zustellung von Anwalt zu\nAnwalt ubersenden lassen. Rechtsanwalt P. gab die ihm zum Zwecke der\nZustellung ubersandte vollstreckbare Ausfertigung nicht zuruck, weil \n--- \n| 15 \n--- \n| aa) er nicht sich, sondern den Rechtsanwalt L., K., als\nProzessbevollmachtigten der Schuldnerin bezeichnete; \n--- \n| 16 \n--- \n| bb) der bislang von seinem Vater gesetzlich vertretene Glaubiger volljahrig\ngeworden sei und der noch fur den Glaubiger auftretende Anwalt H., M., keine\nVollmacht des Glaubigers selbst vorgelegt habe; \n--- \n| 17 \n--- \n| cc) die nach dem Vergleich vom 19. Juni 2002 anzurechnenden Pfandungen im\nZeitraum Oktober 2001 bis August 2002 bereits den Betrag von 4.538,75 EUR\nerreicht hatten, so dass lediglich noch eine Restforderung von 23,69 EUR\nausstehe. \n--- \n| 18 \n--- \n| b) Samtliche Einwendungen hatten die Erteilung einer weiteren\nvollstreckbaren Ausfertigung nicht hindern konnen. \n--- \n| 19 \n--- \n| aa) Bezeichnet sich ein Rechtsanwalt, aus welchen Grunden auch immer, als\nnicht bereit, ein Schriftstuck zum Zwecke der Zustellung entgegenzunehmen,\nkann von ihm erwartet werden, dass er dieses zuruckgibt. Tut er dies nicht,\nbleibt dem Gegner keine andere Wahl, als eine weitere vollstreckbare\nAusfertigung zu beantragen. Die bereits erteilte erste Ausfertigung war\nunstreitig in Handen des Rechtsanwaltes, der die Schuldnerin im Verfahren auf\nErteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung vertrat, Rechtsanwalt P.\nnamlich. Deswegen bestand auch nicht die Gefahr einer doppelten\nInanspruchnahme der Schuldnerin, so dass die weitere vollstreckbare\nAusfertigung auch hatte erteilt werden konnen. \n--- \n| 20 \n--- \n| bb) Rechtsanwalt H. war vom Vater des Glaubigers als dem gesetzlichen\nVertreter Vollmacht erteilt worden. Die Vollmacht erlosch nicht mit\nVolljahrigkeit des Glaubigers. Sie konnte allenfalls von dem Glaubiger\nwiderrufen werden. Ein Widerruf konnte der Schuldnerin gegenuber nur wirksam\nwerden, wenn ihr das Erloschen der Vollmacht angezeigt war. Dass der Glaubiger\ndies getan habe, behauptete sie nicht. \n--- \n| 21 \n--- \n| cc) Das Verfahren auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung\nnach § 733 ZPO duldet keine Einwendungen, die sich gegen den vollstreckbaren\nAnspruch selbst richten. Hierfur ist nur das Verfahren der\nVollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO vorgesehen. Soweit in der Literatur\nvertreten wird, dass - insbesondere nach Aushandigung des Titels - ein\nRechtsschutzinteresse des Glaubigers an einer weiteren vollstreckbaren\nAusfertigung verneint werden konnte (so Zoller/Stober, ZPO, 24. Aufl., § 733\nRn. 12; anders MK/Wolfsteiner, ZPO, 2. Aufl., § 733 Rn. 19) folgt dem der\nSenat nicht. Die Voraussetzungen, unter denen das Vollstreckungsorgan die\nBefriedigung des Glaubigers zur Kenntnis nehmen darf, sind in § 775 Nr. 4 und\nNr. 5 ZPO geregelt und lagen ersichtlich nicht vor. Zwar sollten nach dem\nVollstreckungstitel selbst aufgrund anderweitiger Zwangsvollstreckung\nbeigetriebene Leistungen anzurechnen sein. Dies hatte den Rechtspfleger\nallenfalls befugt, die weitere vollstreckbare Ausfertigung auf den nach\nBegleichung der Zwangsvollstreckungskosten noch offenen Restbetrag, soweit er\nim Verfahren auf Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung\nunstreitig wurde, zu beschranken. Unstreitig wurde, dass der Drittschuldner\n4.538,75 EUR an den Glaubiger abgefuhrt hatte. Streitig war die Verrechnung,\nda die Kosten, deretwegen sich der Glaubiger vorab fur befriedigt erklaren\ndurfte, und die er mit 175,49 EUR bezifferte, streitig blieben. \n--- \n| 22 \n--- \n| 3\\. Da nach allem nicht in Frage gekommen ware, den Glaubiger mit den\nKosten des Verfahrens auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren\nAusfertigung zu belasten, ist die Schuldnerin nicht beschwert, wenn eine\nentsprechende Kostenentscheidung abgelehnt wurde. Ihre sofortige Beschwerde,\nmit der sie eine solche Kostenentscheidung weiterverfolgte, ist deshalb auf\nihre Kosten (§ 97 ZPO) zuruckzuweisen. \n---\n\n
135,389
sg-stuttgart-2005-02-21-s-11-ka-217003
154
Sozialgericht Stuttgart
sg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
S 11 KA 2170/03
2005-02-21
2019-01-07 11:10:29
2019-01-17 11:55:25
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen einen Regress wegen unwirtschaftlicher\nVerordnung von orthopadischen Schuhzurichtungen in den Quartalen 3/01 und 4/01\nder Versicherten der AOK Baden-Wurttemberg. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist als Orthopade in W. zur vertragsarztlichen Versorgung\nzugelassen. Die AOK Baden-Wurttemberg beantragte mit Schreiben vom 12.02.2002\ndie Prufung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klagers u. a. in\nden Quartalen 3/01 und 4/01. Sie fugte die Verordnung von sechs Versicherten\nbei und verwies darauf, dass der Klager orthopadische Schuhzurichtungen fur\ndrei Paar Schuhe und dann innerhalb des 1. Halbjahres nochmals orthopadische\nSchuhzurichtungen wiederum fur drei Paar Schuhe verordne. Diese\nVerordnungsweise sei unwirtschaftlich. Auf diesen Antrag hin setzte der\nPrufungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Regress in Hohe von\n1.536,02 EUR fur das Quartal 3/01 und 1.322,66 EUR fur das Quartal 4/01 fest\n(Beschluss vom 11.09.2002/Bescheid vom 08.10.2002). Die Verordnungsweise des\nKlagers bei orthopadischen Schuhzurichtungen sei bereits in fruheren Quartalen\nGegenstand von funf Verfahren gewesen. Die Regresse seien in der Vergangenheit\nvom Beschwerdeausschuss in voller Hohe bestatigt worden. Auch das LSG habe die\nvorgenommenen Regelungen in seinem Urteil vom 26.07.2000 (L 5 KA 2728/99)\nausdrucklich fur zulassig und wirtschaftlich erklart. Der Prufungsausschuss\nhabe fur die Erstversorgung mit Schuhzurichtungen pro Patient drei Paar Schuhe\nund dann jedes weitere halbe Jahr Schuhzurichtungen fur ein Paar Schuhe\nzuerkannt. Die daruber hinausgehenden Verordnungen wurden als unwirtschaftlich\nbeanstandet und daher gestrichen. In den einzelnen Fallen seien die\nnachfolgend genannten Streichungen vorzunehmen: \n--- \n| 3 \n--- \n| \n--- \n| Name \n--- \n| Anzahl der paarweise verordneten Schuhzurichtungen \n--- \n| zulassige Anzahl \n--- \n| noch zu streichen \n--- \n| Regress \n--- \n| | | | | \n| P., B. \n--- \n| 3 Erstversorgung \n--- \n| 19.06.2001 \n--- \n| 3 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| | 2 Zweitversorgung \n--- \n| 07.09.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 2 \n--- \n| 548,72 \n--- \n| L., H. \n--- \n| 3 Erstversorgung \n--- \n| 14.05.2001 \n--- \n| 3 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| | 3 Zweitversorgung \n--- \n| 03.09.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 3 \n--- \n| 686,88 \n--- \n| | 1 keine zusatzl. Vers. \n--- \n| 01.10.2001 \n--- \n| 2 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| | 1 Viertversorgung \n--- \n| 07.11.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 1 \n--- \n| 374,54 \n--- \n| K., L. \n--- \n| 3 Erstversorgung \n--- \n| 09.03.2001 \n--- \n| 3 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| | 2 Zweitversorgung \n--- \n| 09.05.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 2 \n--- \n| verfristet \n--- \n| | 1 Drittversorgung \n--- \n| 25.09.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 1 \n--- \n| 343,11 \n--- \n| B., B. \n--- \n| 3 Erstversorgung \n--- \n| 22.05.2001 \n--- \n| 3 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| | 3 Zweitversorgung \n--- \n| 30.07.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 3 \n--- \n| 1.362,96 \n--- \n| I., B. \n--- \n| 3 Erstversorgung \n--- \n| 17.07.2001 \n--- \n| 3 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| | 3 Zweitversorgung \n--- \n| 04.10.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 3 \n--- \n| 1.077,92 \n--- \n| B., H. \n--- \n| 3 Erstversorgung \n--- \n| 18.07.2001 \n--- \n| 3 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| | 3 Zweitversorgung \n--- \n| 15.10.2001 \n--- \n| 0 \n--- \n| 3 \n--- \n| 1.196,64 \n--- \n| | | | | \n| Summe \n--- \n| Quartal 3/2001 \n--- \n| | | | 3.004,20 DM \n--- \n| | | | | | 1.536,02 EUR \n--- \n| Summe \n--- \n| Quartal 4/2001 \n--- \n| | | | 2.586,90 DM \n--- \n| | | | | | 1.322,66 EUR \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 28.10.2002 erhob der Klager Widerspruch. Zur Begrundung fuhrte er aus,\ndass der Prufungsausschuss seinen eigenen Maßstab nicht eingehalten habe. So\nhabe bereits bei den Zweitverordnungen jeweils eine Zweitverordnung belassen\nwerden mussen, da diese im nachfolgenden Halbjahr erfolgt sei. Da die Prufung\nder Verordnungsweise und auch die Verordnung quartalsweise erfolgten, musse\nder zeitliche Abstand auch quartalsweise/halbjahresweise betrachtet werden.\nWenn drei Paar als Erstversorgung im 1. Halbjahr erfolgten, musse eine\nZweitversorgung im 2. Halbjahr moglich sein. Dabei komme es definitiv nicht\nauf das genaue Datum in diesem Halbjahr oder einen wochentlichen Abstand\nvoneinander an, da die Patienten die Schuhe im Vorgriff auf die veranderten\nWitterungsbedingungen benotigten und naturgemaß zwischen Verordnung und\ntatsachlicher Schuhzurichtung noch einige Zeit vergehe. Im Einzelnen sei\nauszufuhren: \n--- \n| 5 \n--- \n| Frau P. Seit dem 07.09.2001 habe Frau P. bis zum heutigen Tag keine weiteren\nSchuhzurichtungen erhalten, obwohl sie jedes weiter Halbjahr Anspruch hierauf\ngehabt hatte. Die komplette Umstellung sei demnach erfolgreich und auch\nwirtschaftlich. Fur die antragstellende Krankenkasse seien keine Mehrkosten\nangefallen, da die angefallenen Kosten durch kompensatorische Einsparungen in\nden nachfolgenden Quartalen aufgehoben wurden. Insoweit sei die eine\nVerordnung im 2. Halbjahr, die uber den angesetzten Maßstab hinausgehe, als in\ndiesem Einzelfall wirtschaftlich anzusehen. \n--- \n| 6 \n--- \n| **Frau L.** \n--- \n| 7 \n--- \n| Nach den Unterlagen des Klagers seien am 03.09.2001 nur zwei Paar Schuhe\nverordnet worden. Bei der Patientin habe zwischenzeitlich eine\nIndikationsanderung vorgelegen. Der Klager habe eine Entzundung am Fersenbein\nfestgestellt und deshalb zweimal Schuhzurichtungen als Neuverordnung verordnen\nmussen. Aufgrund erneuter Probleme habe am 01.10.2001 eine Abanderung der\nvorhandenen Schuhzurichtungen stattgefunden. Zusatzlich sei am 07.11.2001 eine\nVerordnung fur ein weiteres Paar Schuhe erfolgt, da die Patientin mit den\nSchuhen nicht ausgekommen sei. Auch hier liege im Einzelfall eine\nwirtschaftliche Verordnung vor, da aufgrund der veranderten Indikation eine\nErganzung dringend notwendig gewesen sei. Die Patientin habe sogar im Januar\n2002 darauf bestanden, weitere zwei Paar Schuhzurichtungen zu erhalten.\nHieruber sei aus Wirtschaftlichkeitsgrunden eine Privatverordnung ausgestellt\nworden. Die Patientin habe diese Privatverordnung der AOK vorgelegt, diese\nhabe ihr gegenuber angegeben, dass sie ab Mai wieder Berechtigung auf\nSchuhzurichtungen habe. \n--- \n| 8 \n--- \n| **Frau K.** \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Patientin leide seit Jahren an Knie- und Huftarthrose sowie einer\nverschleißbedingten Erkrankung der großen Gelenke und der Achsenorgane. Die\nSchuhzurichtungen seien bei dieser Patientin zum Schutz und zur Vermeidung\ngroßer operativer Maßnahmen erfolgt. Es ware sonst eine große OP der unteren\nExtremitaten notwendig geworden. Die Klagerin habe eine Deformitat am linken\nFuß, Zustand nach Mittelfußknochen Schragfraktur und wurde eigentlich schon\nteurere orthopadische Maßschuhe benotigen. Die Schuhzurichtungen sparten der\nKrankenkasse diese Kosten. Im 2. Halbjahr 2001 habe die Patientin eine Hallux\nvalgus-Operation gehabt. Die Versorgung vom 25.09.2001 sei im 2. Halbjahr\nerfolgt, weshalb nach den zu Grunde liegenden Verordnungsgrenzen zulassig\ngewesen sei. Unabhangig hiervon sei die Verordnung als Neuverordnung zu\nverstehen. Die Schuhzurichtungen hatten dem postoperativen Ergebnis angepasst\nwerden mussen. Soweit die Zweitverordnung vom 09.05.2001 als unwirtschaftlich\nbeanstandet worden sei, fuhre die Tatsache, dass die Kurzung verfristet\ngewesen sei, nicht dazu, dass deshalb die Verordnung vom 25.09.2001 zu kurzen\nware. Diese liege im 2. Halbjahr und sei deshalb nicht zu beanstanden. \n--- \n| 10 \n--- \n| **Frau B.** \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Patientin seien am 26.04.2001 ein Paar Schuhzurichtungen von der Reha-\nKlinik verordnet worden, was dem Klager nicht bekannt gewesen sei. Hier zeige\nsich klar, dass die Bemessung der Verordnungsweise abwegig sei, da bei\nVerordnungen durch Dritte das Wirtschaftlichkeitsgebot und die\nBemessungskriterien quasi außer Kraft gesetzt seien. Es konne nicht angehen,\ndass der Patient einen Ärztetourismus betreiben konne, um sich\nSchuhzurichtungen verschreiben zu lassen, jedoch der einzelne Arzt in\nBedrangnis komme, weil er ggfs. im Einzelfall eine Verordnung fur\nwirtschaftlich halte. Die Verordnung am 30.07.2001 sei aufgrund geanderter\nIndikation erfolgt. Seitdem habe die Patientin keine Verordnungen mehr\nerhalten. Der Krankenkasse seien damit effektiv keine Mehrkosten entstanden. \n--- \n| 12 \n--- \n| **Frau I.** \n--- \n| 13 \n--- \n| Es habe eine Indikationsanderung vorgelegen. Hinzu sei ein Schuhkonflikt\ngekommen, sodass die Schuhzurichtungen hatten erneuert werden mussen. Bei der\nPatientin habe eine Operation wegen Krallenzehen angestanden. Zusatzlich habe\neine Mittelfußentzundung behandelt werden mussen. Die anstehende Operation\nhabe durch die Verordnung ausreichender Schuhzurichtungen trotz des\nSchuhkonfliktes vermieden werden konnen. Beachte man, dass es sich bei der\nanstehenden Operation um eine mittelgroße OP mit verstummelndem Charakter\ngehandelt habe, sei die ausreichende Verordnung im Jahr 2001 als\nwirtschaftlich zu betrachten, da der Krankenkasse hierdurch erhebliche Kosten\nerspart geblieben seien. Bestatigt werde dies dadurch, dass wegen eines\nweiteren Schuhkonfliktes durch den Klager am 01.02.2002 ein Privatrezept fur\nzwei Paar weitere Schuhzurichtungen erstellt worden sei. Dieses Privatrezept\nwurde trotz der im Juli und Oktober 2001 erfolgten Verordnungen durch die AOK\ngenehmigt. Entsprechend konnten auch die vorhergehenden Verordnungen nicht in\nRegress genommen werden. \n--- \n| 14 \n--- \n| **Herr B.** \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Patient sei Elektromeister und leide an einer Huftarthrose, musse jedoch\nden ganzen Tag uber stehende und bewegende Tatigkeiten ausfuhren. Aufgrund der\nArbeitsbelastung sei es erforderlich gewesen, weitere Schuhzurichtungen zu\nverordnen, da die Schuhe einem erhohten Verschleiß unterlagen und der Patient\neine umfassender Ausstattung benotige. Diese Vorgehensweise wurde durch die\nKrankenkasse auch bestatigt. Diese habe am 08.01.2002 fur zwei Paar weitere\nSchuhzurichtungen, die auf Privatrezept verordnet worden seien, jeweils die\nGenehmigung erteilt. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb nunmehr diese\nVerordnungen in Regress genommen werden sollten. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Mit Beschluss vom 19.03.2003 (Bescheid vom 10.04.2003) wies der Beklagte den\nWiderspruch zuruck. Soweit der Klager darauf hinweise, dass ihm vor langem\nlaut Bescheid drei Paar Schuhzurichtungen verordnet worden seien, laut\nbeigefugtem Rezeptformular lediglich zwei, liege hier ein Tippfehler im\nBescheid vom 08.10.2002 vor. Der im Bescheid ausgewiesene Betrag von 686,88 DM\nentspreche jedoch dem in Rechnung gestellten Betrag. Dieser Tippfehler mache\nden Bescheid selbst nicht rechtswidrig. Eine quartalsweise/halbjahresweise\nBetrachtungsweise der Verordnungen sei nach Ansicht des Beklagten falsch.\nSoweit in der Vergangenheit entschieden worden sei, dass nach der\nErstausstattung eine Folgeverordnung erst wieder nach einem Halbjahr\nausgestellt werden konne, konne hierunter sinnvollerweise nur ein Zeitraum von\n6 Monaten gemeint sein, der zwischen beiden Verordnungen verstrichen sein\nmusse. Die Interpretation sei schon deshalb nicht schlussig, weil danach die\nfur Herrn B. ausgestellte Folgeverordnung in jedem Fall zu beanstanden ware,\nda diese in demselben Quartal vorgenommen worden sei wie die Erstverordnung.\nDie Ausfuhrungen, die der Klager zu den einzelnen Patienten und Patientinnen\ngemacht habe, seien nicht geeignet, den Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit zu\nwiderlegen. Dass im Fall K. der Antrag der Kasse zuruckgewiesen worden sei,\nsoweit diese eine Verordnung aus dem Quartal 2/01 beanstandet hatte, bedeute\nnicht, dass diese Verordnung bei der Prufung des Zeitraums zwischen Erst- und\nFolgeverordnung vollig außer Acht bleiben konne. Die Festsetzung des Regresses\nsei nicht wegen der verfristeten Verordnung erfolgt, sondern weil der Zeitraum\nzwischen der Verordnung vom 10.05.2001 und 25.09.2001 weniger als 6 Monate\nbetragen habe. Im Fall B. habe der Prufungsausschuss die Verordnung vom\n22.05.2001, die im Grunde bereits eine Folgeverordnung darstelle, als\nErstversorgung angesehen und nicht beanstandet. Beanstandet worden sei nur die\nFolgeverordnung vom 30.07.2001. Soweit im Fall I. eine anstehende Operation\nals Begrundung fur die Mehrfachverordnung angefuhrt sei, konne der Beklagte\nhier keinen Kausalzusammenhang zwischen Verordnung und Operation erkennen. Das\nArgument, die Kasse habe eine ausgestellte Privatverordnung erstattet, stehe\nnicht im Widerspruch zur Sprungpraxis der Prufgremien. Zum Zeitpunkt dieser\nVerordnung seien bereits mehr als 6 Monate seit der Erstversorgung vom\n17.07.2001 verstrichen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Am 30.04.2003 hat der Klager beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Er\nfuhrt aus, dass zwar mittlerweile Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur\nFrage der Wirtschaftlichkeit bei orthopadischen Schuhzurichtungen vorlagen.\nDies konne jedoch nicht begrunden, dass der Beklagte mittlerweile jedes\nArgument des Klagers zuruckweise. Der Klager habe dargelegt, dass er die\nKriterien des BSG bezuglich der Wirtschaftlichkeit eingehalten habe bzw.\nweshalb er in ganz konkreten Einzelfallen hiervon abgewichen sei. Die\nAuslegung der Fristen, ob starr nach Monaten oder halbjahres-/quartalsweise\nwie im Abrechnungsrecht ublich, sei strittig. Da die Prufung der\nVerordnungsweise wie die Verordnung quartalsweise erfolgten, musse der\nzeitliche Abstand auch quartalsweise/halbjahresweise betrachtet werden. Zu den\nBesonderheiten in den einzelnen Fallen tragt der Klager wie im\nWiderspruchsverfahren vor. Erganzend tragt er im Fall Lange vor, die Beklagte\nmache den Regress der Verordnung vom 07.11.2001 deshalb geltend, weil genau 7\nTage fehlten, bis 6 Monate seit der Verordnung vom 14.05.2001 vergangen waren.\nDies sei unangemessen. Der Fall Bauerle zeige anschaulich, dass alle\naufgestellten Kriterien im Ergebnis zu keiner Wirtschaftlichkeit fuhren.\nLetztendlich konnten bei einem Patienten Kassenrezepte des Arztes, separat\nPrivatrezepte und weitere Kassenrezepte der verschiedensten Ärzte zur\nAbrechnung kommen konnen, da die Krankenkassen dies fur erforderlich hielten.\nEs sei also durchaus moglich, dass mehr als vier Paar Schuhzurichtungen pro\nJahr verordnet wurden. Die Konsequenz sei nicht, dass der Klager fur sich auch\nin Anspruch nehme, unwirtschaftlich zu handeln, sondern dass die aufgestellten\nKriterien nicht stimmen konnten. Bei Herrn B. sei die Umstellung von sechs\nPaar Schuhen innerhalb kurzester Zeit jahreszeitbedingt notwendig gewesen, da\nam 18.07.2001 auf leichtes Schuhwerk umgestellt worden sei, am 15.10.2001 aber\nbereits Herbst-/Winterschuhwerk erforderlich gewesen sei. Diese Vorgehensweise\nwerde durch die Krankenkasse auch bestatigt. Diese habe am 08.01.2002 fur zwei\nPaar weitere Schuhzurichtungen, die auf Privatrezept verordnet worden seien,\njeweils die Genehmigung erteilt. Die Krankenkasse habe demnach die besondere\nSituation von Herrn B. akzeptiert und die Verordnung als wirtschaftlich\nbetrachtet. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb nunmehr diese Verordnungen\nin Regress genommen werden sollten. Hilfsweise musste man die wirtschaftlich\nverordneten Privatrezepte vom 08.01.2002 gegen rechnen und im Wege des\nSchadensausgleiches an den Klager erstatten. Selbst nach\nKrankenkassenkriterien habe zwischen der ersten Verordnung am 18.07.2001 und\nder Genehmigung des Privatrezeptes am 08.01.2002 keine 6-Monats-Frist gelegen.\nEs liege faktisch eine Bereicherung der Krankenkasse zu Lasten des Klagers\nvor. Zudem rugt der Klager, dass sich der Beklagte nicht mit der Frage der\nkompensatorischen Einsparungen auseinandergesetzt habe. Letztendlich fuhre\neine einmalige vollstandige Umstellung des Schuhwerkes zu kompensatorischen\nEinsparungen, da auf der einen Seite aus medizinischer Sicht der\nBehandlungserfolg gesichert sei, da der Patient nicht zwischen zugerichteten\nund nicht zugerichteten Schuhen wechsele und der Patient seine Schuhe nicht\nspater umstellen musse, sondern bereits uber umgestelltes Schuhwerk verfuge.\nEs konne nicht in jedem Fall an einer starren 6-Monats-Grenze festgehalten\nwerden, sondern komme maßgeblich auf den Bedarf beim Patienten an,\ninsbesondere dann, wenn der Patient zwischen Sommerschuhwerk und\nHerbst-/Winterschuhwerk umstellen musse. Man konne einem Patienten definitiv\nkein Winterschuhwerk erst im Januar verordnen, wenn er diese Schuhe bereits ab\nOktober benotige. Sei der Patient im Mai in Behandlung gewesen, konne man ihm\nim Mai keine Winterschuhe zurichten lassen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| den Bescheid des Beklagten vom 10.04.2003 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| die Klage abzuweisen, soweit sie uber das abgegebene Teilanerkenntnis\nhinausgeht. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Beigeladenen Ziff. 1 und 2 beantragen, \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Vom Klager seien lediglich dieselben Argumente vorgebracht worden, die\nbereits im Vorverfahren Gegenstand gewesen seien und Eingang in die\nEntscheidung des Beklagten gefunden hatten. Nachdem keine weiteren Argumente\nvorgetragen wurden und sich der Beklagte an der Entscheidung des LSG Baden-\nWurttemberg im Urteil vom 26.07.2000 (L 5 KA 2728/99) orientiert habe, werde\nauf die dort gemachten Ausfuhrungen verwiesen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens\nder Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des\nBeklagten verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 26 \n--- \n| Die beim ortlich und sachlich zustandigen Sozialgericht Stuttgart form- und\nfristgerecht erhobene Klage ist zulassig, in der Sache jedoch nicht begrundet.\nDer angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10.04.2003 ist rechtmaßig und\nverletzt den Klager nicht in seinen Rechten. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach § 106 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesundheits-Strukturgesetzes vom\n21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) uberwachen die Krankenkassen und die\nKassenarztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit vertragsarztlicher\nVersorgung. Die Wirtschaftlichkeit der vertragsarztlichen Versorgung bezieht\nsich nicht nur auf die arztlichen Leistungen, sondern auch auf die arztlich\nverordneten Leistungen (§ 106 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB V). Bei den arztlich\nverordneten Leistungen soll im Wege des Regresses der Schaden ersetzt werden,\nder den Krankenkassen durch unwirtschaftliche Verordnungen eines Arztes\nentsteht, sie damit fur die Kosten, fur die sie nach der Rechtslage\naufzukommen nicht verpflichtet sind, einen Ausgleich erhalten, wobei es auf\nein Verschulden des Vertragsarztes nicht ankommt (BSG, Urteil vom 29.01.1997 -\n6 RKa 5/96). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach § 12 Abs. 1 SGB V mussen die Leistungen ausreichen, zweckmaßig und\nwirtschaftlich sein. Sie durfen das Maß des Notwendigen nicht uberschreiten.\nLeistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, konnen Versicherte\nnicht beanspruchen, durfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die\nKrankenkassen nicht bewilligen. Dementsprechend bestimmt § 70 Abs. 1 SGB V,\ndass die Krankenkassen und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und\ngleichmaßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse\nentsprechende Versorgung der Versicherten zu gewahrleisten haben und die\nVersorgung der Versicherten ausreichend und zweckmaßig sein muss, das Maß des\nNotwendigen nicht uberschreiten darf und wirtschaftlich erbracht werden muss.\nAnspruch auf Krankenbehandlung haben die Versicherten nach § 27 SGB V, wenn\ndie Krankenbehandlung notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen,\nihre Verschlimmerung zu verhuten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach §\n27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V umfasst die Krankenbehandlung u. a. die\nVersorgung mit Hilfsmitteln. Nach § 33 Abs. 1 Satze 1 und 2 SGB V haben die\nVersicherten u. a. Anspruch auf orthopadische Hilfsmittel, die im Einzelfall\nerforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine\nBehinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine\nGebrauchsgegenstande des taglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB\nV ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung,\nInstandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in\nihrem Gebrauch. Nach Abschnitt A III Nrn. 11 und 13 der Richtlinien des\nBundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen uber die Verordnung von\nHeilmitteln und Hilfsmitteln in der vertragsarztlichen Versorgung (Heilmittel-\nund Hilfsmittel-Richtlinien), die fur die Vertragsarzte bindend sind (vgl. BSG\nSozR III-2500 § 92 Nr. 6 S. 24 ff.), bestimmen, dass die an der kassen- und\nvertragsarztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte/Ärztinnen die Verordnungen\nvon Heilmitteln und Hilfsmitteln nach pflichtgemaßem Ermessen innerhalb des\ndurch das Gesetz und diese Richtlinien bestimmten Rahmen zu treffen, um den\nVersicherten eine nach den Regeln der arztlichen Kunst und des allgemein\nanerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ausreichende, zweckmaßige und\nwirtschaftliche Versorgung mit Heilmitteln und Hilfsmitteln zukommen zu lassen\nsowie dass bei der Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln die Grundsatze\nvon Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten sind. Nach § 106 Abs. 2\nSGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung u. a. durch arztbezogene\nPrufung arztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der\nRichtgroßenvolumina nach § 84 (Auffalligkeitsprufung) oder durch arztbezogene\nPrufung arztlicher und arztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von\narztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens zwei vom\nHundert der Ärzte je Quartal umfassen (Zufalligkeitsprufung), gepruft. Die\nLandesverbande der Krankenkassen und die Verbande der Ersatzkassen konnen\ngemeinsam und einheitlich mit den Kassenarztlichen Vereinigungen uber die in\nSatz 1 vorgesehenen Prufungen hinaus Prufungen arztlicher und arztlich\nverordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene\nPrufungsarten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V). Nach § 4 Nr. 1 Lit. E\nder Prufvereinbarung Nord-Wurttemberg ist die arztbezogene Prufung einzelner\nverordneter Leistungen vorgesehen. Gemaß § 11 Nr. 1 Lit. B kann sich die\nPrufung von Einzelfallen beziehen auf einzelne Arznei-, Verband-, Heil- oder\nHilfsmittel auf Einzelverordnungen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Bei ihren Feststellungen und ihrer Entscheidung haben die\nPrufungseinrichtungen in mehrfacher Hinsicht Beurteilungs-, Schatzungs- und\nErmessensspielraume, die dazu fuhren, dass die Prufbescheide nur einer\neingeschrankten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Die Kontrolle der\nGerichte beschrankt sich hierbei auf die Prufung, ob das Verwaltungsverfahren\nordnungsgemaß durchgefuhrt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein\nrichtig und vollstandig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die\nVerwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten\nGrenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwagungen so verdeutlicht und\nbegrundet hat, dass im Rahmen des Moglichen die zutreffende Anwendung der\nBeurteilungsmaßstabe erkennbar und nachvollziehbar ist. Die angestellten\nErwagungen mussen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre\nPlausibilitat und Vertretbarkeit hin gepruft werden konnen, im Bescheid\ngenannt werden oder jedenfalls fur die Beteiligten und das Gericht erkennbar\nsein (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 25 S. 139 m. w. N.). Der Beklagte hat den\nihm zustehenden Beurteilungsspielraum im folgenden Fall nicht verletzt. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Beklagte durfte vorliegend eine eingeschrankte Einzelfallprufung\ndurchfuhren (vgl. hierzu das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil vom\n15.06.1999 - S 11 KA 2555/98 - S. 9 f.). Die vom Beklagten grundsatzlich\nangenommene Grenze von drei Schuhzurichtungen als Erstversorgung und einer\nweiteren Schuhzurichtung nach einem halben Jahr ist grundsatzlich nicht zu\nbeanstanden (vgl. hierzu LSG Baden-Wurttemberg, Urteil vom 26.07.2000 - L 5 KA\n2662/99 - S. 12 ff. und BSG, Beschluss vom 14.03.2001 - B 6 KA 58/00 B). Nach\nAuffassung der Kammer ist die Handhabung dieser Grundsatze durch den Beklagten\nin der Form, dass nach erfolgter Erstversorgung erst nach Ablauf von jeweils 6\nMonaten weitere Verordnungen moglich sind, nicht zu beanstanden. Im Hinblick\nauf das Wirtschaftlichkeitsgebot ist die Anwendung eines 6-Monats-Abstands\nzwischen den einzelnen Verordnungen sinnvoller als eine halbjahresweise\nBetrachtung, wie sie dem Klager vorschwebt. Ansonsten konnten beispielsweise\nam 30.06. drei Paar Schuhzurichtungen verordnet werden und am 01.07. ein\nweiteres Paar. Der Beklagte hat sich auch durchgehend an diese Grundsatze\ngehalten. Auch im Fall K. war die Streichung der Drittversorgung am 25.09.2001\ngerechtfertigt, denn seit der letzten Verordnung am 09.05.2001 waren noch\nkeine 6 Monate vergangen. Dass hinsichtlich der zuletzt genannten Verordnung,\ndie nur 2 Monate nach der Erstversorgung erfolgte, kein Regress wegen\nVerfristung erfolgen konnte, fuhrt nicht dazu, dass diese Verordnung bei\nanschließenden Folgeverordnungen außer Betracht zu bleiben hat. In dieser\nWeise ist die Prufung der Verordnungsweise des Klagers auch in den\nVorquartalen und den insoweit zahlreichen zwischenzeitlich abgeschlossenen\ngerichtlichen Verfahren erfolgt. Der Klager kann daher nicht geltend machen,\nes habe Unklarheit uber den Umfang der als wirtschaftlich anzusehenden\nAusstattung bestanden und er sei daher in nicht vorhersehbarer Weise mit\nRegressen belegt worden. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager kann sich auch nicht auf kompensatorische Einsparungen berufen.\nSoweit der Klager etwa in den Fallen Kleinknecht und Ilg geltend macht, es\nseien Operationen vermieden worden bzw. orthopadische Maßschuhe eingespart\nworden, ist dies, wie bereits der Beklagte zu Recht ausgefuhrt hat, nicht\nnachvollziehbar. Ein Kausalzusammenhang zwischen Verordnung und vermiedener\nOperation ist fur die Kammer nicht erkennbar. Soweit der Klager geltend macht,\nes seien dadurch Einsparungen erzielt worden, dass samtliche Schuhe eines\nVersicherten auf einmal umgestellt wurden und in der Folgezeit keine weiteren\nVerordnungen erfolgt seien, uberzeugt dies nicht. Zum einen ist auch im\nHinblick auf die Verjahrungsfristen bei der Überprufung der Wirtschaftlichkeit\nder Verordnungsweise in einem bestimmten Quartal nicht moglich, bereits die\nEntwicklung im folgenden Jahr oder den folgenden Jahren zu beurteilen. Zum\nanderen kann nach Auffassung der Kammer fur die Beurteilung von\nkompensatorischen Einsparungen Maßstab nicht die maximal mogliche Versorgung\nvon Versicherten sein. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Soweit der Klager darauf hinweist, dass im Falle einer Indikationsanderung\nerneut eine Erstversorgung vorgenommen werden konnen musse, ist dem\ngrundsatzlich zuzustimmen, wobei im Einzelfall moglicherweise danach zu\nunterscheiden sein wird, ob eine Abanderung vorhandener zugerichteter Schuhe\nausreicht oder eine grundsatzlich neue Schuhzurichtung erforderlich wird.\nVorliegend ist ausweislich der Verordnungen lediglich im Fall lange\nersichtlich, dass wegen einer Entzundung am Fersenbein eine Änderung\nerforderlich war. Insoweit hat der Beklagte auch die Abanderungen vom\n01.10.2001 nicht beanstandet und den Regress fur die weitere Verordnung vom\n07.11.2001 in der mundlichen Verhandlung zuruckgenommen. In den ubrigen vom\nKlager geltend gemachten Fallen (Frau K. und Frau B.) ergibt sich sowohl\nhinsichtlich der dokumentierten Befunde wie auch der rezeptierten Abanderungen\nkeinerlei Unterschiede, diese sind vielmehr vollig identisch. Soweit der\nKlager schriftsatzlich geltend macht, Frau K. habe im zweiten Halbjahr 2001\neine Hallux valgus-Operation gehabt, wird dies aus den vorliegenden\nVerordnungen in keiner Weise deutlich und ist insoweit nicht nachvollziehbar. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Soweit der Klager geltend macht, es liege konkret ein individueller\nMehrbedarf vor, so bei Herrn B. aufgrund seiner Berufstatigkeit, erscheint\ndies ebenfalls nicht ausreichend nachvollziehbar. Die weitere Argumentation\ndes Klagers in diesem Fall liegt vielmehr nahe, dass wiederum\nSchuhzurichtungen fur samtliche Schuhe des Patienten verordnet wurden. Denn\nder Argumentation des Klagers kann nicht gefolgt werden, dass eine Umstellung\nvon 6 Paar Schuhen innerhalb kurzester Zeit jahreszeitbedingt notwendig\ngewesen sei. Bei einer Erstversorgung am 18.07.2001 ist es keineswegs\nzwingend, drei Paar Sommerschuhe umzustellen. Unter Berucksichtigung der\ngeltenden Regeln fur die Verordnung orthopadischer Schuhzurichtungen kann dem\nPatienten durchaus zugemutet werden, im Hinblick auf die erst im Januar\nmogliche Folgeverordnung bereits im Sommer Herbst- bzw. Winterschuhe zurichten\nzu lassen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Schließlich ist der Regress auch nicht unter dem Gesichtspunkt des\ntreuwidrigen oder widerspruchlichen Verhaltens zu versagen. Der\nKlagervertreter verweist insoweit erneut auf widerspruchliches Verhalten der\nKrankenkassen, die auf der einen Seite Regresse forderten, auf der anderen\nSeite jedoch vom Klager ausgestellte Privatrezepte bei Verordnung von\nSchuhzurichtungen uber die festgesetzte Grenze hinaus dem Patienten\nerstatteten. Bei den konkret genannten Fallen trifft dies nur auf Herrn B. zu,\ndort wurde nach anerkannter Erstversorgung am 18.07.2001 unbestritten ein\nPrivatrezept vom 08.01.2002 und somit vor Ablauf von 6 Monaten nach der\nErstversorgung, durch die Beigeladene Ziff. 2 erstattet. Nahere Angaben zu den\nGrunden dieser Erstattung konnte der in der mundlichen Verhandlung anwesende\nVertreter der Beigeladenen Ziff. 2 zwar nicht machen, dies fuhrt jedoch zu\nkeiner anderen Beurteilung. Das Institut der Wirtschaftlichkeitsprufung dient\nnicht zur Überprufung einer korrekten Leistungserbringung in einem\nzweiseitigen Verhaltnis zwischen Arzt und Krankenkasse, sondern es handelt\nsich um einen besonderen Kontrollmechanismus im Bereich der gemeinsamen\nSelbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen, der insgesamt eine Begrenzung\ndes Aufwandes im System der gesetzlichen Krankenversicherung sicherstellen\nsoll. Selbst wenn Mitarbeiter der Krankenkassen im Einzelfall gegen die fur\nsie gleichermaßen geltenden Vorschriften verstoßen, gibt dies dem Klager kein\nRecht darauf, sich nicht an die fur ihn verbindlichen Regelungen zu halten. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Nach alledem ist der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10.04.2003,\nsoweit er noch Gegenstand der Entscheidung war, nicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § ... GKG. \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 26 \n--- \n| Die beim ortlich und sachlich zustandigen Sozialgericht Stuttgart form- und\nfristgerecht erhobene Klage ist zulassig, in der Sache jedoch nicht begrundet.\nDer angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10.04.2003 ist rechtmaßig und\nverletzt den Klager nicht in seinen Rechten. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach § 106 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesundheits-Strukturgesetzes vom\n21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) uberwachen die Krankenkassen und die\nKassenarztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit vertragsarztlicher\nVersorgung. Die Wirtschaftlichkeit der vertragsarztlichen Versorgung bezieht\nsich nicht nur auf die arztlichen Leistungen, sondern auch auf die arztlich\nverordneten Leistungen (§ 106 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB V). Bei den arztlich\nverordneten Leistungen soll im Wege des Regresses der Schaden ersetzt werden,\nder den Krankenkassen durch unwirtschaftliche Verordnungen eines Arztes\nentsteht, sie damit fur die Kosten, fur die sie nach der Rechtslage\naufzukommen nicht verpflichtet sind, einen Ausgleich erhalten, wobei es auf\nein Verschulden des Vertragsarztes nicht ankommt (BSG, Urteil vom 29.01.1997 -\n6 RKa 5/96). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach § 12 Abs. 1 SGB V mussen die Leistungen ausreichen, zweckmaßig und\nwirtschaftlich sein. Sie durfen das Maß des Notwendigen nicht uberschreiten.\nLeistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, konnen Versicherte\nnicht beanspruchen, durfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die\nKrankenkassen nicht bewilligen. Dementsprechend bestimmt § 70 Abs. 1 SGB V,\ndass die Krankenkassen und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und\ngleichmaßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse\nentsprechende Versorgung der Versicherten zu gewahrleisten haben und die\nVersorgung der Versicherten ausreichend und zweckmaßig sein muss, das Maß des\nNotwendigen nicht uberschreiten darf und wirtschaftlich erbracht werden muss.\nAnspruch auf Krankenbehandlung haben die Versicherten nach § 27 SGB V, wenn\ndie Krankenbehandlung notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen,\nihre Verschlimmerung zu verhuten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach §\n27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V umfasst die Krankenbehandlung u. a. die\nVersorgung mit Hilfsmitteln. Nach § 33 Abs. 1 Satze 1 und 2 SGB V haben die\nVersicherten u. a. Anspruch auf orthopadische Hilfsmittel, die im Einzelfall\nerforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine\nBehinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine\nGebrauchsgegenstande des taglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB\nV ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung,\nInstandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in\nihrem Gebrauch. Nach Abschnitt A III Nrn. 11 und 13 der Richtlinien des\nBundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen uber die Verordnung von\nHeilmitteln und Hilfsmitteln in der vertragsarztlichen Versorgung (Heilmittel-\nund Hilfsmittel-Richtlinien), die fur die Vertragsarzte bindend sind (vgl. BSG\nSozR III-2500 § 92 Nr. 6 S. 24 ff.), bestimmen, dass die an der kassen- und\nvertragsarztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte/Ärztinnen die Verordnungen\nvon Heilmitteln und Hilfsmitteln nach pflichtgemaßem Ermessen innerhalb des\ndurch das Gesetz und diese Richtlinien bestimmten Rahmen zu treffen, um den\nVersicherten eine nach den Regeln der arztlichen Kunst und des allgemein\nanerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ausreichende, zweckmaßige und\nwirtschaftliche Versorgung mit Heilmitteln und Hilfsmitteln zukommen zu lassen\nsowie dass bei der Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln die Grundsatze\nvon Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten sind. Nach § 106 Abs. 2\nSGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung u. a. durch arztbezogene\nPrufung arztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der\nRichtgroßenvolumina nach § 84 (Auffalligkeitsprufung) oder durch arztbezogene\nPrufung arztlicher und arztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von\narztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens zwei vom\nHundert der Ärzte je Quartal umfassen (Zufalligkeitsprufung), gepruft. Die\nLandesverbande der Krankenkassen und die Verbande der Ersatzkassen konnen\ngemeinsam und einheitlich mit den Kassenarztlichen Vereinigungen uber die in\nSatz 1 vorgesehenen Prufungen hinaus Prufungen arztlicher und arztlich\nverordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene\nPrufungsarten vereinbaren (§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V). Nach § 4 Nr. 1 Lit. E\nder Prufvereinbarung Nord-Wurttemberg ist die arztbezogene Prufung einzelner\nverordneter Leistungen vorgesehen. Gemaß § 11 Nr. 1 Lit. B kann sich die\nPrufung von Einzelfallen beziehen auf einzelne Arznei-, Verband-, Heil- oder\nHilfsmittel auf Einzelverordnungen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Bei ihren Feststellungen und ihrer Entscheidung haben die\nPrufungseinrichtungen in mehrfacher Hinsicht Beurteilungs-, Schatzungs- und\nErmessensspielraume, die dazu fuhren, dass die Prufbescheide nur einer\neingeschrankten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Die Kontrolle der\nGerichte beschrankt sich hierbei auf die Prufung, ob das Verwaltungsverfahren\nordnungsgemaß durchgefuhrt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein\nrichtig und vollstandig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die\nVerwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten\nGrenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwagungen so verdeutlicht und\nbegrundet hat, dass im Rahmen des Moglichen die zutreffende Anwendung der\nBeurteilungsmaßstabe erkennbar und nachvollziehbar ist. Die angestellten\nErwagungen mussen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre\nPlausibilitat und Vertretbarkeit hin gepruft werden konnen, im Bescheid\ngenannt werden oder jedenfalls fur die Beteiligten und das Gericht erkennbar\nsein (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 25 S. 139 m. w. N.). Der Beklagte hat den\nihm zustehenden Beurteilungsspielraum im folgenden Fall nicht verletzt. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Beklagte durfte vorliegend eine eingeschrankte Einzelfallprufung\ndurchfuhren (vgl. hierzu das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil vom\n15.06.1999 - S 11 KA 2555/98 - S. 9 f.). Die vom Beklagten grundsatzlich\nangenommene Grenze von drei Schuhzurichtungen als Erstversorgung und einer\nweiteren Schuhzurichtung nach einem halben Jahr ist grundsatzlich nicht zu\nbeanstanden (vgl. hierzu LSG Baden-Wurttemberg, Urteil vom 26.07.2000 - L 5 KA\n2662/99 - S. 12 ff. und BSG, Beschluss vom 14.03.2001 - B 6 KA 58/00 B). Nach\nAuffassung der Kammer ist die Handhabung dieser Grundsatze durch den Beklagten\nin der Form, dass nach erfolgter Erstversorgung erst nach Ablauf von jeweils 6\nMonaten weitere Verordnungen moglich sind, nicht zu beanstanden. Im Hinblick\nauf das Wirtschaftlichkeitsgebot ist die Anwendung eines 6-Monats-Abstands\nzwischen den einzelnen Verordnungen sinnvoller als eine halbjahresweise\nBetrachtung, wie sie dem Klager vorschwebt. Ansonsten konnten beispielsweise\nam 30.06. drei Paar Schuhzurichtungen verordnet werden und am 01.07. ein\nweiteres Paar. Der Beklagte hat sich auch durchgehend an diese Grundsatze\ngehalten. Auch im Fall K. war die Streichung der Drittversorgung am 25.09.2001\ngerechtfertigt, denn seit der letzten Verordnung am 09.05.2001 waren noch\nkeine 6 Monate vergangen. Dass hinsichtlich der zuletzt genannten Verordnung,\ndie nur 2 Monate nach der Erstversorgung erfolgte, kein Regress wegen\nVerfristung erfolgen konnte, fuhrt nicht dazu, dass diese Verordnung bei\nanschließenden Folgeverordnungen außer Betracht zu bleiben hat. In dieser\nWeise ist die Prufung der Verordnungsweise des Klagers auch in den\nVorquartalen und den insoweit zahlreichen zwischenzeitlich abgeschlossenen\ngerichtlichen Verfahren erfolgt. Der Klager kann daher nicht geltend machen,\nes habe Unklarheit uber den Umfang der als wirtschaftlich anzusehenden\nAusstattung bestanden und er sei daher in nicht vorhersehbarer Weise mit\nRegressen belegt worden. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager kann sich auch nicht auf kompensatorische Einsparungen berufen.\nSoweit der Klager etwa in den Fallen Kleinknecht und Ilg geltend macht, es\nseien Operationen vermieden worden bzw. orthopadische Maßschuhe eingespart\nworden, ist dies, wie bereits der Beklagte zu Recht ausgefuhrt hat, nicht\nnachvollziehbar. Ein Kausalzusammenhang zwischen Verordnung und vermiedener\nOperation ist fur die Kammer nicht erkennbar. Soweit der Klager geltend macht,\nes seien dadurch Einsparungen erzielt worden, dass samtliche Schuhe eines\nVersicherten auf einmal umgestellt wurden und in der Folgezeit keine weiteren\nVerordnungen erfolgt seien, uberzeugt dies nicht. Zum einen ist auch im\nHinblick auf die Verjahrungsfristen bei der Überprufung der Wirtschaftlichkeit\nder Verordnungsweise in einem bestimmten Quartal nicht moglich, bereits die\nEntwicklung im folgenden Jahr oder den folgenden Jahren zu beurteilen. Zum\nanderen kann nach Auffassung der Kammer fur die Beurteilung von\nkompensatorischen Einsparungen Maßstab nicht die maximal mogliche Versorgung\nvon Versicherten sein. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Soweit der Klager darauf hinweist, dass im Falle einer Indikationsanderung\nerneut eine Erstversorgung vorgenommen werden konnen musse, ist dem\ngrundsatzlich zuzustimmen, wobei im Einzelfall moglicherweise danach zu\nunterscheiden sein wird, ob eine Abanderung vorhandener zugerichteter Schuhe\nausreicht oder eine grundsatzlich neue Schuhzurichtung erforderlich wird.\nVorliegend ist ausweislich der Verordnungen lediglich im Fall lange\nersichtlich, dass wegen einer Entzundung am Fersenbein eine Änderung\nerforderlich war. Insoweit hat der Beklagte auch die Abanderungen vom\n01.10.2001 nicht beanstandet und den Regress fur die weitere Verordnung vom\n07.11.2001 in der mundlichen Verhandlung zuruckgenommen. In den ubrigen vom\nKlager geltend gemachten Fallen (Frau K. und Frau B.) ergibt sich sowohl\nhinsichtlich der dokumentierten Befunde wie auch der rezeptierten Abanderungen\nkeinerlei Unterschiede, diese sind vielmehr vollig identisch. Soweit der\nKlager schriftsatzlich geltend macht, Frau K. habe im zweiten Halbjahr 2001\neine Hallux valgus-Operation gehabt, wird dies aus den vorliegenden\nVerordnungen in keiner Weise deutlich und ist insoweit nicht nachvollziehbar. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Soweit der Klager geltend macht, es liege konkret ein individueller\nMehrbedarf vor, so bei Herrn B. aufgrund seiner Berufstatigkeit, erscheint\ndies ebenfalls nicht ausreichend nachvollziehbar. Die weitere Argumentation\ndes Klagers in diesem Fall liegt vielmehr nahe, dass wiederum\nSchuhzurichtungen fur samtliche Schuhe des Patienten verordnet wurden. Denn\nder Argumentation des Klagers kann nicht gefolgt werden, dass eine Umstellung\nvon 6 Paar Schuhen innerhalb kurzester Zeit jahreszeitbedingt notwendig\ngewesen sei. Bei einer Erstversorgung am 18.07.2001 ist es keineswegs\nzwingend, drei Paar Sommerschuhe umzustellen. Unter Berucksichtigung der\ngeltenden Regeln fur die Verordnung orthopadischer Schuhzurichtungen kann dem\nPatienten durchaus zugemutet werden, im Hinblick auf die erst im Januar\nmogliche Folgeverordnung bereits im Sommer Herbst- bzw. Winterschuhe zurichten\nzu lassen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Schließlich ist der Regress auch nicht unter dem Gesichtspunkt des\ntreuwidrigen oder widerspruchlichen Verhaltens zu versagen. Der\nKlagervertreter verweist insoweit erneut auf widerspruchliches Verhalten der\nKrankenkassen, die auf der einen Seite Regresse forderten, auf der anderen\nSeite jedoch vom Klager ausgestellte Privatrezepte bei Verordnung von\nSchuhzurichtungen uber die festgesetzte Grenze hinaus dem Patienten\nerstatteten. Bei den konkret genannten Fallen trifft dies nur auf Herrn B. zu,\ndort wurde nach anerkannter Erstversorgung am 18.07.2001 unbestritten ein\nPrivatrezept vom 08.01.2002 und somit vor Ablauf von 6 Monaten nach der\nErstversorgung, durch die Beigeladene Ziff. 2 erstattet. Nahere Angaben zu den\nGrunden dieser Erstattung konnte der in der mundlichen Verhandlung anwesende\nVertreter der Beigeladenen Ziff. 2 zwar nicht machen, dies fuhrt jedoch zu\nkeiner anderen Beurteilung. Das Institut der Wirtschaftlichkeitsprufung dient\nnicht zur Überprufung einer korrekten Leistungserbringung in einem\nzweiseitigen Verhaltnis zwischen Arzt und Krankenkasse, sondern es handelt\nsich um einen besonderen Kontrollmechanismus im Bereich der gemeinsamen\nSelbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen, der insgesamt eine Begrenzung\ndes Aufwandes im System der gesetzlichen Krankenversicherung sicherstellen\nsoll. Selbst wenn Mitarbeiter der Krankenkassen im Einzelfall gegen die fur\nsie gleichermaßen geltenden Vorschriften verstoßen, gibt dies dem Klager kein\nRecht darauf, sich nicht an die fur ihn verbindlichen Regelungen zu halten. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Nach alledem ist der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10.04.2003,\nsoweit er noch Gegenstand der Entscheidung war, nicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § ... GKG. \n--- \n--- \n---\n\n
140,671
olgkarl-2004-12-21-2-uf-13804
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 UF 138/04
2004-12-21
2019-01-08 11:06:47
2019-02-12 12:20:17
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Wiesloch vom 22.4.2004 (2 F 52/03) wird mit der Maßgabe\nzuruckgewiesen, dass Ziffer 2. des Urteils wie folgt gefasst wird:\n\n> > Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin von April 2003 bis Mai 2004\n> einschließlich monatlich nachehelichen Unterhalt in Hohe von 248 EUR zu\n> zahlen.\n\n2\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\n| | A \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunachst auf die Feststellungen im\nerstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der zwolfjahrige Sohn der Parteien halt sich weiterhin entsprechend der\nzwischen ihnen getroffenen Vereinbarung drei Wochen im Monat beim Vater und\neine Woche im Monat bei der Mutter auf. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin, die seit der Trennung zunachst teilschichtig gearbeitet und\nanschließend Arbeitslosenunterstutzung bezogen hat, steht seit 20.5.2004 in\neinem festen Beschaftigungsverhaltnis. Sie hat deshalb (mit Zustimmung des\nBeklagten) fur die Zeit ab Juni 2004 die Klage zuruckgenommen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Amtsgericht hat der Klagerin nachehelichen Unterhalt in Hohe 321 EUR\nmonatlich fur die Monate September 2002 bis Dezember 2002 und in Hohe von 248\nEUR monatlich ab Januar 2003 zuerkannt. Seiner Berechnung hat es ein\ndurchschnittliches Monatseinkommen des Beklagten in Hohe von 2000 EUR netto zu\nGrunde gelegt und den daruber hinausgehenden Teil seines Lohnes im Hinblick\nauf umfangreiche Nachtarbeit unberucksichtigt gelassen. Dieses Einkommen hat\nes um Fahrtkosten, anteiligen Barunterhalt fur den Sohn, einen Betreuungsbonus\nin Hohe von 250 EUR und 10 Prozent Erwerbstatigenbonus bereinigt und den\nBeklagten nur in Hohe von 321 EUR beziehungsweise 248 EUR monatlich als\nleistungsfahig angesehen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte behauptet, \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| der Sohn habe sich bereits ab Januar 2002 uberwiegend, zumindest zu 2/3 bei\nihm aufgehalten. Zum Beweis beruft er sich auf von ihm selbst erstellte\nAnwesenheitslisten und das Zeugnis des Sohnes. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| In rechtlicher Hinsicht beanstandet er, dass das Amtsgericht die zwischen\nden Parteien getroffene Vereinbarung, dass er im Zusammenhang mit der\nFinanzierung der Ehewohnung anfallende Lebensversicherungspramien in Hohe von\nmonatlich 287 EUR allein aufbringe und die Klagerin daruber hinaus keine\nUnterhaltsanspruche geltend mache, nicht als Unterhaltsverzicht gewertet hat. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Ferner rugt er einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3\nGrundgesetz. Dieser liege darin, dass beim Unterhaltsberechtigten Einkommen\naus im Hinblick auf Kinderbetreuung uberobligatorischer Erwerbstatigkeit nur\nteilweise angerechnet werde wahrend dem Unterhaltspflichtigen in derselben\nSituation lediglich ein Betreuungsbonus zugestanden werde. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Schließlich beruft sich der Beklagte darauf, dass die Klagerin ihren\netwaigen Unterhaltsanspruch gem. § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt hatte, weil sie\nseit April 2002 in einer eheahnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Sie zeige sich\nmit ihrem Lebensgefahrten ungezwungen in der Öffentlichkeit als Paar und habe\nauch schon mehrfach mit ihm Urlaub verbracht. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| das Urteil des Amtsgerichts Wiesloch vom 22.4.2004 aufzuheben und die Klage\nabzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie akzeptiert die Unterhaltsberechnung durch das Amtsgericht und\nverteidigt dieses im Übrigen. \n--- \n--- \nB \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung ist zulassig, jedoch nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. Ein genereller Verzicht der Klagerin auf nachehelichen Unterhalt lasst\nsich nicht feststellen. Nach ihrer eigenen Darstellung war anlasslich der\nTrennung zwischen den Parteien vereinbart, dass sie keinen Unterhalt fur sich\nerhalte, der Beklagte aber die Zahlungsverpflichtung gegenuber der S.\nLebensversicherung in Hohe von 287,60 EUR monatlich allein trage. Der Vortrag\ndes Beklagten, die Vereinbarung habe den Inhalt, dass er die von den Eheleuten\nals Gesamtschuldner zu tragenden Beitrage fur die Lebensversicherung in Hohe\nvon 287 EUR bis zum Verkauf der ehelichen Wohnung weiter entrichte und die\nKlagerin daruber hinaus keine Anspruche geltend mache, entspricht der\nDarstellung der Klagerin. Diese Vereinbarung lasst sich jedoch entgegen der\nAnsicht des Beklagten nicht als genereller Unterhaltsverzicht fur die Zeit\nnach Entfallen der vom Beklagten ubernommenen Zahlungsverpflichtung auslegen.\nAus dem Zusammenhang zwischen Zahlungsverpflichtung und Unterhalt ergibt sich\nvielmehr nach der allgemeinen Lebenserfahrung sowie nach Treu und Glauben,\ndass kein Unterhalt geltend gemacht werden sollte, solange der Beklagte die\nZahlungsverpflichtungen bediente. Fur einen weiter gehenden Unterhaltsverzicht\nhat auch die Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen, Rechtsanwalt\nD., nichts ergeben. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Eine so bedeutsame Regelung wie ein vollstandiger Verzicht auf\nnachehelichen Unterhalt kann in der anlasslich der Trennung erfolgten\nmundlichen Vereinbarung der Parteien deshalb nicht gesehen werden. Hinzu\nkommt, dass die Vereinbarung als Verzicht auf Trennungsunterhalt ohnehin\nnichtig war, §§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1614 BGB. Dies hatte sich gem. §\n139 BGB auch auf den nachehelichen Unterhalt ausgewirkt, wurde es insoweit\nnicht ohnehin bereits an einer Verzichtsvereinbarung fehlen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Die Klagerin hat ihren Unterhaltsanspruch auch nicht gem. § 1579 Nr. 7\nBGB verwirkt. Eine eheahnliche Lebensgemeinschaft, wie sie die Klagerin nach\ndem Vortrag des Beklagten mit ihrem neuen Partner unterhalt, kann die\nFortsetzung von Unterhaltszahlungen fur den Unterhaltspflichtigen objektiv\nunzumutbar machen. Dies setzt jedoch eine derartige Verfestigung der\nPartnerschaft voraus, dass diese gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten\nist (BGH, Fam RZ 1995,344 und 540; Palandt/Brudermuller, BGB, 63. Aufl., §\n1579 Rdnr. 39; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der\nfamilienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4 Rdnr. 755). Dies kann in der Regel\nerst nach einem langeren Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren angenommen\nwerden (vgl. Palandt/Brudermuller, a.a.O.; Wendl/Gerhardt, a.a.O., BGH, NJW\n1997, 1851). Nach dem Vortrag des Beklagten bestand die neue Partnerschaft der\nKlagerin zu Ende des Zeitraums, fur den Unterhalt gefordert wird (5/04),\ngerade einmal zwei Jahre, namlich seit April 2002. Die Voraussetzungen des\nVerwirkungstatbestandes sind deshalb nicht erfullt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 3\\. Auch die Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Klagerin durch das\nAmtsgericht lasst Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten nicht erkennen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Zutreffend ist allerdings die Feststellung des Beklagten, dass wegen\nKindesbetreuung aus uberobligatorischer Tatigkeit erzieltes Einkommen des\nUnterhaltsberechtigten gem. § 1577 Abs. 2 BGB nur teilweise angerechnet wird,\nwahrend das vom Unterhaltspflichtigen durch Vollzeittatigkeit erzielte\nEinkommen auch dann als ehepragend angesehen wird, wenn er außerdem ein\nminderjahriges Kind betreut. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt\nhierin jedoch nicht, wenn, wie ublich und hier durch das Amtsgericht erfolgt,\ndie Mehrbelastung des Unterhaltspflichtigen durch die Zubilligung eines so\ngenannten Betreuungsbonus als Abzugsposten von seinem Einkommen berucksichtigt\nwird (vgl. BGH, FamRZ 2001, 350, 352). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der BGH hat hierzu ausgefuhrt: \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| "Einkommen aus einer wegen der Betreuung minderjahrige Kinder uber das\ngebotene Maß hinaus ausgeubten Erwerbstatigkeit hat bei der\nUnterhaltsbemessung zwar nicht von vornherein unberucksichtigt zu bleiben.\nÜber die Frage der Anrechnung ist vielmehr nach Treu und Glauben unter\nBerucksichtigung der Umstande des Einzelfalls zu entscheiden. Die\nBerucksichtigung eines anrechnungsfreien Betrages des auf einer\nuberobligationsmaßigen Tatigkeit beruhenden Mehreinkommens hat der Senat auch\ndann fur gerechtfertigt gehalten, wenn keine konkreten Betreuungskosten\nanfallen, etwa, weil die zweite Ehefrau des Unterhaltsverpflichteten das Kind\naus dessen erster Ehe mitbetreut... Dessen Bemessung, die sich ebenso wie die\nErmittlung eines einem Unterhaltsberechtigten nach § 1577 Abs. 2 BGB\nanrechnungsfrei zu belastenden Teils des Einkommens einer schematischen\nBeurteilung entzieht, wird im Einzelfall davon abhangen,... Bei\nBerucksichtigung aller insoweit maßgebenden Umstande ergibt sich grundsatzlich\nkeine Ungleichbehandlung von uberobligationsmaßigen Erwerbseinkunften des\nUnterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten." \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der BGH halt damit zunachst daran fest, dass sich die Bemessung des infolge\nKinderbetreuung uberobligatorischen Einkommens des Unterhaltsberechtigten\nweiterhin nach § 1577 Abs. 2 BGB richtet, also kein einkommensunabhangiger\nPauschbetrag abzusetzen ist, wobei dieses Einkommen daruber hinaus nicht als\nehepragend anzusehen sein soll (FamRZ 2003,518,520, str., vgl. Wendl/Gerhardt,\na.a.O. , § 4 Rdnr. 193, 257). Der Senat schließt sich den Ausfuhrungen des BGH\nan, dass bei entsprechend flexibler Handhabung durch die Zubilligung eines\npauschalen Betreuungsbonusses auf Seiten des Unterhaltspflichtigen eine\nungerechtfertigte Ungleichbehandlung Sinne des Art. 3 Grundgesetz nicht\nerfolgt. Dies hangt damit zusammen, dass der Unterhaltspflichtige zwangslaufig\ndas hohere Einkommen erzielt, weshalb die quotenmaßige Nichtberucksichtigung\nseines Einkommens, etwa zur Halfte, dazu fuhren wurde, dass die vergleichbare\nLeistung der Kindesbetreuung sogar unberechtigt unterschiedlich bewertet\nwurde. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Dies mogen folgende Beispielsrechnungen erhellen: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Ware eine Halbtagstatigkeit geschuldet und betruge das Einkommen aus\nVollzeittatigkeit der Ehefrau 1200 EUR, das des Ehemannes 2000 EUR, ergabe\nsich bei Betreuung des Kindes durch die Ehefrau etwa folgende Berechnung: \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Bedarf 1300 EUR (2000 + 600 ./. 2). Dieser ware in Hohe von 800 EUR (600 +\n1/3 der uberobligatorisch erzielten 600) gedeckt, so dass ihr Anspruch 500 EUR\nbetruge. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Dies bedeutet gegenuber der Situation geschuldeter Vollzeittatigkeit einen\nBonus von 100 EUR (Bedarf 1600 EUR [2000 + 1200 ./. 2], gedeckt in Hohe von\n1200 EUR, Anspruch 400 EUR). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Wurde man im umgekehrten Fall (Kindesbetreuung durch den Ehemann) dessen\nEinkommen nur zur Halfte als bedarfspragend ansehen, ware der Bedarf der\nEhefrau nur 1100 (1200 + 1000 ./. 2). Sie hatte keinen Anspruch. Dies bedeutet\ngegenuber geschuldeter Vollzeittatigkeit einen Bonus fur den Ehemann in Hohe\nvon 400 EUR. (Wie oben dargelegt, hatte die Ehefrau bei geschuldeter\nVollzeittatigkeit beider Elternteile einen Unterhaltsanspruch von 400 EUR, den\nder Ehemann bei quotenmaßiger Bewertung seiner Betreuungsleistung „sparen"\nwurde.) \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Bei großeren Einkommensunterschieden ware das Missverhaltnis zwischen den\ndem jeweils betreuenden Elternteil im Hinblick auf die Kindesbetreuung\nverbleibenden Betragen noch krasser. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Es hat deshalb beim Unterhaltspflichtigen bei der Berucksichtigung der\nKindesbetreuung durch einen pauschal bemessenen Betreuungsbonus zu bleiben. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1, 269\nAbs. 3 ZPO zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708\nNr. 10, 713 ZPO. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen. \n--- \n---\n\n
142,172
lg-ravensburg-2006-07-28-8-o-8906-kfh-2
140
Landgericht Ravensburg
lg-ravensburg
Ravensburg
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
8 O 89/06 KfH 2
2006-07-28
2019-01-08 23:42:15
2019-01-17 12:02:22
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Verfugungsbeklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im\ngeschaftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben, Beratungen\nin allen Angelegenheiten fur Verbraucher zu einem Pauschalpreis von 20,00 EUR\ninkl. MwSt. o. a. niedrigen Pauschalsatzen anzubieten.\n\n2\\. Den Verfugungsbeklagten wird fur jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das\nin Ziffer 1 aufgefuhrte Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00\nEUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6\nMonaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, angedroht.\n\n3\\. Die Verfugungsbeklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\nStreitwert: 30.000,00 EUR.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Verfugungsklager Ziffer 1-4 verlangen von den Verfugungsbeklagten\nZiffer 1 und Ziffer 2 die Unterlassung einer Werbeanzeige. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Bei den Parteien handelt es sich um Rechtsanwalte, die in der Stadt ...\nmiteinander in unmittelbarem Wettbewerb stehen. Die Verfugungsklager Ziffer 1\nund Ziffer 2 betreiben gemeinsam eine Anwaltskanzlei und die\nVerfugungsklagerinnen Ziffer 3 und Ziffer 4 betreiben ebenfalls gemeinsam eine\nKanzlei. Die Verfugungsbeklagten haben sich als Rechtsanwalte ebenfalls zur\ngemeinschaftlichen Berufsausubung zusammengeschlossen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 10.06.2006 und am 14.06.2006 erschien in der "Schwabischen Zeitung",\nderen Verbreitungsgebiet auch die Stadt ... umfasst, eine Anzeige der\nVerfugungsbeklagten Ziffer 1 und Ziffer 2, in der diese auf eine\nFachanwaltszulassung und auf Tatigkeitsschwerpunkte hinweisen. Außerdem\nenthalt das Inserat folgenden Hinweis: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| _"Als besondere Dienstleistung bieten wir ab dem 01.07.2006 jeweils\nmittwochs und freitags von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr die M oglichkeit, sich ohne\nvorherige Terminabsprache von uns in allen Angelegenheiten beraten zu lassen.\nDie Kosten fur eine solche Beratung betragen fur Verbraucher 20,00 EUR inkl.\nMwSt" (Anlage VK1)_ \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Verfugungsklager halten diese Werbeanzeige fur wettbewerbswidrig. Mit\nAnwaltsschriftsatz vom 14.06.2006 (Anlage VK2) forderten sie die\nVerfugungsbeklagten auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklarung abzugeben.\nMit Schriftsatz vom 23.06.2006 (Anlage VK3) lehnten die Verfugungsbeklagten\ndie geforderte Unterlassungserklarung ab. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Verfugungsklager verfolgen ihr Unterlassungsbegehren weiter und haben\nden Erlass einer einstweiligen Verfugung beantragt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Verfugungsklager tragen vor: \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Werbung der Verfugungsbeklagten mit einem derart niedrigen\nPauschalgebuhrensatz von 17,24 EUR netto verstoße gegen die guten Sitten.\nGemaß § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG mussten zulassige Pauschalgebuhren in einem\nangemessenen Verhaltnis zur Leistung und zum Haftungsrisiko bzw. zur\nVerantwortung des Rechtsanwaltes stehen. Die von den Verfugungsbeklagten\ngeschaltete Werbung mit Dumpingpreisen von 20,00 EUR inkl. MwSt. fur\nBeratungen in allen Angelegenheiten verstoße damit gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG\ni.V.m. §§ 4 Abs. 2 Satz 3 RVG, 49 b Abs. 1 BRAO. Eine anwaltliche Beratung in\nallen Angelegenheiten auf serioser Basis konne zu diesem Preis nicht\ndurchgefuhrt werden. Wenn eine derartige Gebuhrenfestsetzung fur zulassig\nerklart wurde, waren die Mitwettbewerber gezwungen, ihre Leistungen zu ahnlich\nniedrigen Vergutungssatzen anzubieten. Dies fuhrte letztlich zu einem ruinosen\nWettbewerb; dieses Ergebnis konne aber auch nicht im Interesse der\nRechtsuchenden liegen, da bei einem derart ruinosen Wettbewerb damit zu\nrechnen sei, dass die Qualitat der Rechtsberatung nachlassen werde. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Werbung der Verfugungsbeklagten sei daruber hinaus irrefuhrend. Ziel\nder Werbung der Verfugungsbeklagten sei es im Hinblick auf die beworbenen\nDumpingpreise, potentielle Mandanten im Rahmen einer kurz gehaltenen Beratung\nzur Erteilung eines Auftrags zur außergerichtlichen Vertretung oder zum\ngerichtlichen Tatigwerden zu bewegen, um diese Tatigkeiten dann nach den\nGebuhrensatzen des RVG abrechnen zu konnen. Mit den niedrigen Pauschalsatzen\nwerde der Verbraucher angelockt, um dann weitere Angebote unterbreitet zu\nbekommen. Vor diesem Hintergrund konne der Inhalt der Werbung nicht ernst\ngemeint sein und fuhre so zu einer Irrefuhrung der betroffenen Verkehrskreise. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Verfugungsklager beantragen, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| _den Verf ugungsbeklagten Ziffer 1 und Ziffer 2 im Wege der einstweiligen\nVerfugung bei Meidung eines fur jeden Fall der Zuwiderhandlung falligen\nOrdnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6\nMonaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft\nbis zu 2 Jahren, zu untersagen, im geschaftlichen Verkehr zu Zwecken des\nWettbewerbs damit zu werben, Beratungen in allen Angelegenheiten fur\nVerbraucher zu einem Pauschalpreis von 20,00 EUR inkl. MwSt. o. a. niedrigen\nPauschalsatzen anzubieten._ \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagten beantragen, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| _den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verf ugung zuruckzuweisen._ \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie bringen vor: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Fur die beratende Tatigkeit der Rechtsanwalte gebe es ab 01.07.2006 gar\nkeine gesetzliche Vergutung mehr; deshalb scheide ein Verstoß gegen §§ 49 b\nAbs. 1 BRAO aus. Die Rechtsprechung, auf die die Verfugungsklager Bezug\nnehmen, sei zur Gesetzeslage, die vor dem 01.07.2006 gegolten habe, ergangen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Sie wiesen den Vorwurf, zum angegebenen Preis nicht serios zu beraten,\nentschieden zuruck. Es konne durchaus sein, dass im einen oder anderen Fall\neine Beratung zum angegebenen Preis wenig Kostendeckung erwirtschafte. Dies\nsei aber das Problem, wie die Verfugungsbeklagten kalkulierten. Tatsachlich\nhandele es sich bei dem Angebot nicht um "Dumpingpreise", sondern um eine\nMischkalkulation, die wirtschaftlich sei. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Es sei nicht richtig, dass die beanstandete Werbetaktik gewahlt worden sei,\num ein Beratungsmandat in eine Angelegenheit uberfuhren zu konnen, die dann\nnach den Gebuhrensatzen des RVG abgerechnet werde. Ob ein Beratungsmandat in\neine weiter nach dem RVG zu vergutende Tatigkeit munde, hange allein vom Fall\nselbst ab. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Durch die Werbemaßnahme sei der Rechtssuchende auch nicht uber den Preis\ndes gesamten Angebots der anwaltlichen Tatigkeit getauscht worden, weil sich\ndie Werbemaßnahme eben nur auf die anwaltliche Beratung beziehe. Der\nRechtssuchende konne sich frei entscheiden, welche Leistungen er in Anspruch\nnehmen wolle. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wegen der naheren Einzelheiten wird auf die Schriftsatze der\nParteivertreter und die vorgelegten Anlagen verwiesen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagten haben am 19.06.2006 nach der Abmahnung eine\nSchutzschrift eingereicht. Die Kammer hat die Akten der Schutzschrift (Az. 8\nAR 64/06 SchS ) beigezogen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass einer einsteiligen Verfugung ist zulassig. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Antrag ist auch begrundet. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Die Verfugungsklager konnen von den Verfugungsbeklagten verlangen, dass\ndiese es unterlassen, damit zu werben, Beratungen in allen Angelegenheiten fur\nVerbraucher zu einem Pauschalpreis von 20,00 EUR inkl. MwSt. o. a. niedrigen\nPauschalsatzen anzubieten. Denn derartige Werbeanzeigen sind unlauter, da mit\ngeringeren Gebuhren geworben wird, als es das Rechtsanwaltsvergutungsgesetz\n(RVG) vorsieht (§§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG, § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 4\nAbs. 2 Satz 3 RVG). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| a) Die Parteien stehen zueinander in einem direkten Wettbewerb, da sie alle\nihre Anwaltskanzleien in der Stadt ... betreiben. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Die Werbung mit einer Pauschalgebuhr in Hohe von 20,00 EUR inkl. MwSt.\nfur eine Beratung in allen Angelegenheiten verstoßt gegen das Verbot in § 49 b\nAbs. 1 Satz 1 BRAO, geringere Gebuhren zu verlangen als es das RVG vorsieht. §\n49 b BRAO stellt eine Marktverhaltensregelung (auch) im Interesse der\nMitbewerber dar. Diese Vorschrift soll einen ruinosen Preiswettbewerb\nverhindern und gleichzeitig gleiche rechtliche Voraussetzungen fur alle\nWettbewerber auf dem Markt schaffen (Hefermehl/Kohler/Bornkamm-Kohler,\nWettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 4 UWG, Randnummer 11.139). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| c) Nach § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO ist auch die Vergutungsvorschrift des § 4\nAbs. 2 Satz 3 RVG zu beachten. Bei Kosten in Hohe von 20,00 EUR fur\nBeratungsleistungen in allen Angelegenheiten des Verbrauchers steht die\nVergutung aber nicht mehr in einem angemessenen Verhaltnis zu der Leistung,\nder Verantwortung und dem Haftungsrisiko des Rechtsanwalts. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach Ansicht der Kammer findet § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG auch nach der\nNeufassung von § 34 RVG ab 01.07.2006 auf Pauschalvergutungen, die fur\nBeratungsleistungen getroffen werden, Anwendung. Dass § 4 Abs. 2 Satz 1 RVG,\nauf den in § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG Bezug genommen wird, vorsieht, dass fur die\naußergerichtlichen Angelegenheiten, fur die die Pauschalvergutung vereinbart\nwurde, ansonsten gesetzliche Gebuhren gegolten hatten, § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG\nn. F. aber nicht mehr auf Gebuhren nach dem Vergutungsverzeichnis sondern auf\ndie Gebuhren nach den Vorschriften des burgerlichen Rechts (§ 612 Abs. 2 BGB)\nverweist, steht dem nicht entgegen. Nach der Begrundung zur Neufassung von §\n34 RVG (vgl. BT-Drucksache 15/1971 S. 3 und S. 238) sollte dadurch zwar eine\nDeregulierung erreicht werden, andererseits sollte weiterhin eine\nfunktionierende Rechtspflege sichergestellt werden. Deshalb ist § 4 Abs. 2\nSatz 3 RVG als allgemeine Vorschrift auch fur Pauschalvergutungen\nheranzuziehen, die fur außergerichtliche Angelegenheiten vereinbart wurden,\nfur die ansonsten eine ubliche Vergutung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. §\n612 Abs. 2 BGB festzusetzen ware. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| d) Nach Ansicht der Kammer steht eine Pauschalvergutung in Hohe von 20,00\nEUR fur eine Beratungsleistung in allen Angelegenheiten eines Verbrauchers\nnicht mehr in einem angemessenen Verhaltnis zur Leistung, zur Verantwortung\nund zum Haftungsrisiko des Rechtsanwalts (vgl. OLG Hamm NJW 2004, 3269). Das\ngilt sowohl dann, wenn man sich bei der angemessenen Vergutung an den Gebuhren\nder Nummern 2100 ff. VV RVG a. F. orientiert, als auch dann, wenn man zum\nVergleich auskommliche Zeitvergutungen oder feste Anteile heranzieht (vgl.\nSchneider, Wegfall der Beratungsgebuhren zum 01.07.2006, in: NJW 2006, 1905\nff., 1907 ff.; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Muller-Rabe-Madert, RVG, 17.\nAuflage, § 34 Randnummer 3 ff.; zur Angemessenheit von Stundensatzen s.\nGerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Muller-Rabe-Madert, a.a.O., § 34 Randnummer 4\nund § 4 Randnummer 34). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Es kann auch nicht argumentiert werden, ein Rechtsanwalt konne zwischen der\nvereinbarten Vergutung fur Beratungsleistungen und seiner sonstigen\nKostenstruktur eine Mischkalkulation vornehmen, da ansonsten die Gefahr\nbesteht, dass die Beratungsleistung i. S. v. § 34 RVG nicht umfassend erfolgt,\nsondern dass versucht wird, potentielle Mandanten im Rahmen einer kurz\ngehaltenen Beratung zur Erteilung eines Auftrags zur außergerichtlichen\nVertretung oder zum gerichtlichen Tatigwerden zu bewegen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Bei der vorliegenden Anzeige kommt erschwerend hinzu, dass keinerlei\nDifferenzierung nach Rechtsgebieten, nach Schwierigkeit der Beratung und\nUmfang der Tatigkeit vorgenommen wird, und dass trotz der außerst niedrigen\nPauschalgebuhren keine Ausnahmen vorgesehen sind. Auch nach der Vorstellung\ndes Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksacke 15/1971 S. 239) sollte aber nicht fur\nalle Beratungsfalle - unabhangig von Umfang, Bedeutung und Zeitintensitat -\neine einheitliche Pauschale verlangt werden, sondern durch die\nGebuhrenvereinbarung sollte es dem Anwalt ermoglicht werden, eine auf den\nEinzelfall zugeschnittene Gestaltung der Gebuhren vorzunehmen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Den Verfugungsklagern ist außerdem zuzugeben, dass dann, wenn eine\nderartige Gebuhrenfestsetzung fur zulassig erklart wurde, auch die\nMitwettbewerber gezwungen waren, ihre Leistungen zu ahnlich niedrigen\nVergutungssatzen anzubieten. Dies wurde letztlich zu einem ruinosen Wettbewerb\nfuhren. Dieses Ergebnis kann aber nicht im Interesse der Rechtsuchenden\nliegen, da bei einem derart ruinosen Wettbewerb die Qualitat der\naußergerichtlichen Beratung i. S. v. § 34 RVG beeintrachtigt sein konnte (vgl.\nLG Essen, NJW 2004, 2836). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagten konnen sich schließlich auch nicht auf einen\nVergleich mit den Beratungshilfegebuhren berufen. Selbst in diesem Sonderfall\nentstehen als Festgebuhren die Beratungshilfegebuhr nach Ziffer 2500 des VV\nzum RVG i. H. v. 10,00 EUR und zusatzlich die Beratungsgebuhr nach Ziffer 2501\ndes VV zum RVG i. H. v. 30,00 EUR zzgl. Auslagen und MwSt.; außerdem besteht\nhier noch die Moglichkeit der Einigungs- und Erledigungsgebuhr nach Ziffer\n2508 des VV zum RVG i. H. v. 125,00 EUR. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| e) Damit ist eine unlautere Werbemaßnahme im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG\ni.V.m. § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG und ein\nUnterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG gegeben. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| f) Ob die Werbung der Verfugungsbeklagten auch irrefuhrend im Sinne von §§\n3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UWG (Irrefuhrung uber Merkmal und Preis\nder Dienstleistung) ist, weil dem Mandanten ein Preis fur eine\nBeratungsleistung versprochen wird, zu dem keine in allen Fallen befriedigende\nBeratung - kostendeckend - erfolgen kann, kann dahingestellt bleiben. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 2\\. Da die Verfugungsbeklagten im Juni 2006 die beanstandeten Werbeanzeigen\nveroffentlichen ließen, ist auch die Eilbedurftigkeit der Sache zu bejahen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 3\\. Somit war dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung\nstattzugeben (§§ 8 Abs. 1, 12 Abs. 2 UWG). \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Androhung der\nZwangsmittel beruht auf § 890 ZPO. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Schriftsatze des Klagervertreters vom 18.07.2006, 19.07.2006 und\n25.07.2006 gaben keine Veranlassung, die mundliche Verhandlung\nwiederzueroffnen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass einer einsteiligen Verfugung ist zulassig. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Antrag ist auch begrundet. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Die Verfugungsklager konnen von den Verfugungsbeklagten verlangen, dass\ndiese es unterlassen, damit zu werben, Beratungen in allen Angelegenheiten fur\nVerbraucher zu einem Pauschalpreis von 20,00 EUR inkl. MwSt. o. a. niedrigen\nPauschalsatzen anzubieten. Denn derartige Werbeanzeigen sind unlauter, da mit\ngeringeren Gebuhren geworben wird, als es das Rechtsanwaltsvergutungsgesetz\n(RVG) vorsieht (§§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG, § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 4\nAbs. 2 Satz 3 RVG). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| a) Die Parteien stehen zueinander in einem direkten Wettbewerb, da sie alle\nihre Anwaltskanzleien in der Stadt ... betreiben. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Die Werbung mit einer Pauschalgebuhr in Hohe von 20,00 EUR inkl. MwSt.\nfur eine Beratung in allen Angelegenheiten verstoßt gegen das Verbot in § 49 b\nAbs. 1 Satz 1 BRAO, geringere Gebuhren zu verlangen als es das RVG vorsieht. §\n49 b BRAO stellt eine Marktverhaltensregelung (auch) im Interesse der\nMitbewerber dar. Diese Vorschrift soll einen ruinosen Preiswettbewerb\nverhindern und gleichzeitig gleiche rechtliche Voraussetzungen fur alle\nWettbewerber auf dem Markt schaffen (Hefermehl/Kohler/Bornkamm-Kohler,\nWettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 4 UWG, Randnummer 11.139). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| c) Nach § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO ist auch die Vergutungsvorschrift des § 4\nAbs. 2 Satz 3 RVG zu beachten. Bei Kosten in Hohe von 20,00 EUR fur\nBeratungsleistungen in allen Angelegenheiten des Verbrauchers steht die\nVergutung aber nicht mehr in einem angemessenen Verhaltnis zu der Leistung,\nder Verantwortung und dem Haftungsrisiko des Rechtsanwalts. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach Ansicht der Kammer findet § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG auch nach der\nNeufassung von § 34 RVG ab 01.07.2006 auf Pauschalvergutungen, die fur\nBeratungsleistungen getroffen werden, Anwendung. Dass § 4 Abs. 2 Satz 1 RVG,\nauf den in § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG Bezug genommen wird, vorsieht, dass fur die\naußergerichtlichen Angelegenheiten, fur die die Pauschalvergutung vereinbart\nwurde, ansonsten gesetzliche Gebuhren gegolten hatten, § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG\nn. F. aber nicht mehr auf Gebuhren nach dem Vergutungsverzeichnis sondern auf\ndie Gebuhren nach den Vorschriften des burgerlichen Rechts (§ 612 Abs. 2 BGB)\nverweist, steht dem nicht entgegen. Nach der Begrundung zur Neufassung von §\n34 RVG (vgl. BT-Drucksache 15/1971 S. 3 und S. 238) sollte dadurch zwar eine\nDeregulierung erreicht werden, andererseits sollte weiterhin eine\nfunktionierende Rechtspflege sichergestellt werden. Deshalb ist § 4 Abs. 2\nSatz 3 RVG als allgemeine Vorschrift auch fur Pauschalvergutungen\nheranzuziehen, die fur außergerichtliche Angelegenheiten vereinbart wurden,\nfur die ansonsten eine ubliche Vergutung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. §\n612 Abs. 2 BGB festzusetzen ware. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| d) Nach Ansicht der Kammer steht eine Pauschalvergutung in Hohe von 20,00\nEUR fur eine Beratungsleistung in allen Angelegenheiten eines Verbrauchers\nnicht mehr in einem angemessenen Verhaltnis zur Leistung, zur Verantwortung\nund zum Haftungsrisiko des Rechtsanwalts (vgl. OLG Hamm NJW 2004, 3269). Das\ngilt sowohl dann, wenn man sich bei der angemessenen Vergutung an den Gebuhren\nder Nummern 2100 ff. VV RVG a. F. orientiert, als auch dann, wenn man zum\nVergleich auskommliche Zeitvergutungen oder feste Anteile heranzieht (vgl.\nSchneider, Wegfall der Beratungsgebuhren zum 01.07.2006, in: NJW 2006, 1905\nff., 1907 ff.; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Muller-Rabe-Madert, RVG, 17.\nAuflage, § 34 Randnummer 3 ff.; zur Angemessenheit von Stundensatzen s.\nGerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Muller-Rabe-Madert, a.a.O., § 34 Randnummer 4\nund § 4 Randnummer 34). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Es kann auch nicht argumentiert werden, ein Rechtsanwalt konne zwischen der\nvereinbarten Vergutung fur Beratungsleistungen und seiner sonstigen\nKostenstruktur eine Mischkalkulation vornehmen, da ansonsten die Gefahr\nbesteht, dass die Beratungsleistung i. S. v. § 34 RVG nicht umfassend erfolgt,\nsondern dass versucht wird, potentielle Mandanten im Rahmen einer kurz\ngehaltenen Beratung zur Erteilung eines Auftrags zur außergerichtlichen\nVertretung oder zum gerichtlichen Tatigwerden zu bewegen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Bei der vorliegenden Anzeige kommt erschwerend hinzu, dass keinerlei\nDifferenzierung nach Rechtsgebieten, nach Schwierigkeit der Beratung und\nUmfang der Tatigkeit vorgenommen wird, und dass trotz der außerst niedrigen\nPauschalgebuhren keine Ausnahmen vorgesehen sind. Auch nach der Vorstellung\ndes Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksacke 15/1971 S. 239) sollte aber nicht fur\nalle Beratungsfalle - unabhangig von Umfang, Bedeutung und Zeitintensitat -\neine einheitliche Pauschale verlangt werden, sondern durch die\nGebuhrenvereinbarung sollte es dem Anwalt ermoglicht werden, eine auf den\nEinzelfall zugeschnittene Gestaltung der Gebuhren vorzunehmen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Den Verfugungsklagern ist außerdem zuzugeben, dass dann, wenn eine\nderartige Gebuhrenfestsetzung fur zulassig erklart wurde, auch die\nMitwettbewerber gezwungen waren, ihre Leistungen zu ahnlich niedrigen\nVergutungssatzen anzubieten. Dies wurde letztlich zu einem ruinosen Wettbewerb\nfuhren. Dieses Ergebnis kann aber nicht im Interesse der Rechtsuchenden\nliegen, da bei einem derart ruinosen Wettbewerb die Qualitat der\naußergerichtlichen Beratung i. S. v. § 34 RVG beeintrachtigt sein konnte (vgl.\nLG Essen, NJW 2004, 2836). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagten konnen sich schließlich auch nicht auf einen\nVergleich mit den Beratungshilfegebuhren berufen. Selbst in diesem Sonderfall\nentstehen als Festgebuhren die Beratungshilfegebuhr nach Ziffer 2500 des VV\nzum RVG i. H. v. 10,00 EUR und zusatzlich die Beratungsgebuhr nach Ziffer 2501\ndes VV zum RVG i. H. v. 30,00 EUR zzgl. Auslagen und MwSt.; außerdem besteht\nhier noch die Moglichkeit der Einigungs- und Erledigungsgebuhr nach Ziffer\n2508 des VV zum RVG i. H. v. 125,00 EUR. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| e) Damit ist eine unlautere Werbemaßnahme im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG\ni.V.m. § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG und ein\nUnterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG gegeben. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| f) Ob die Werbung der Verfugungsbeklagten auch irrefuhrend im Sinne von §§\n3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UWG (Irrefuhrung uber Merkmal und Preis\nder Dienstleistung) ist, weil dem Mandanten ein Preis fur eine\nBeratungsleistung versprochen wird, zu dem keine in allen Fallen befriedigende\nBeratung - kostendeckend - erfolgen kann, kann dahingestellt bleiben. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 2\\. Da die Verfugungsbeklagten im Juni 2006 die beanstandeten Werbeanzeigen\nveroffentlichen ließen, ist auch die Eilbedurftigkeit der Sache zu bejahen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 3\\. Somit war dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung\nstattzugeben (§§ 8 Abs. 1, 12 Abs. 2 UWG). \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Androhung der\nZwangsmittel beruht auf § 890 ZPO. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Schriftsatze des Klagervertreters vom 18.07.2006, 19.07.2006 und\n25.07.2006 gaben keine Veranlassung, die mundliche Verhandlung\nwiederzueroffnen. \n---\n\n
142,688
olgstut-2006-11-17-not-3706-ba
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
Not 37/06 (Ba)
2006-11-17
2019-01-09 09:15:42
2019-02-12 13:11:00
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des\nAntragsgegners vom 01.06.2006 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zuruckgewiesen.\n\n3\\. Der Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche\nKosten werden nicht erstattet.\n\n4\\. Der Geschaftswert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsgegner hat ab 02.11.2005 25 Notarstellen zur hauptberuflichen\nAmtsausubung im badischen Rechtsgebiet mit den Amtssitzen Baden-Baden,\nBruchsal, Emmendingen, Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz,\nLorrach, Mannheim, Mosbach, Offenburg, Pforzheim, Rastatt, Überlingen und\nWaldshut-Tiengen auf seiner Homepage unter http://www.justiz-bw.de\nausgeschrieben. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antragsteller ist als Notar im Landesdienst beim Notariat ... tatig. Im\nNovember 1994 wurde er als Notarvertreter an das Notariat ..., spater mit\neinem Teil seiner Arbeitskraft auch an das Notariat ... abgeordnet. Im Oktober\n1997 wurde er zum Justizrat beim Notariat ... ernannt, blieb aber weiterhin an\ndas Notariat ... abgeordnet. Vom 01.01.1999 bis 28.02.2005 war er mit einem\nTeil seiner Arbeitskraft an die Gemeinsame DV-Stelle Justiz bei dem\nOberlandesgericht ... abgeordnet und dort als Leiter der Programmentwicklung\nNOAH fur das badische Amtsnotariat tatig. Er hat sich innerhalb der bis\n30.11.2005 laufenden Bewerbungsfrist u.a. auf eine Notarstelle mit Sitz in\nBaden-Baden beworben. Fur diese Stelle sind 46 weitere Bewerbungen\neingegangen, darunter auch diejenigen der weiteren Beteiligten. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 01.06.2006 hat der Antragsgegner dem Antragsteller u.a.\nmitgeteilt, dass seine Bewerbung hinsichtlich der fur den Amtssitz Baden-Baden\nausgeschriebenen Notarstelle nicht berucksichtigt werden konne, weil neben den\nweiteren Beteiligten Nr. 1 und Nr. 2 zwolf weitere Bewerber besser geeignet\nseien als er. Zur Begrundung hat der Antragsgegner auf den als Anlage dem\nBescheid beigefugten Auszug aus seiner Auswahlentscheidung verwiesen, den er\nals Bestandteil des Bescheids bezeichnet hat (vgl. Bl. 26 ff d.A.). Daraus\nergibt sich weiter, dass er die mit Amtssitz Baden-Baden ausgeschriebene\nNotarstelle mit dem weiteren Beteiligten Nr. 2 ... zu besetzen beabsichtige.\nBei dem noch besser geeigneten weiteren Beteiligten Nr. 1 ... sei dessen\nvorrangige Bewerbung auf eine andere Notarstelle zu berucksichtigen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29.06.2006, beim\nOberlandesgericht Stuttgart am selben Tag eingegangen, Antrag auf gerichtliche\nEntscheidung nach § 111 BNotO gestellt und einstweiligen Rechtsschutz begehrt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Antragsteller ist der Auffassung, es sei bereits zu seinem Nachteil\nrechtsfehlerhaft, dass lediglich 25 Stellen fur freiberufliche Notariate\nausgeschrieben worden seien. Hatte der Antragsgegner eine sachgerechte\nBedurfnisprufung durchgefuhrt, hatte er richtigerweise 75 Stellen ausschreiben\nmussen. Dann ware der Antragsteller in jedem Falle bei der Besetzung zu\nberucksichtigen gewesen. Bei der fehlerhaften Bedurfnisprufung handele es sich\num eine Zulassungsbeschrankung, die den Antragsteller in seiner nach Art. 12\nGrundgesetz geschutzten Berufsfreiheit beeintrachtige. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Entscheidung, dem Antragsteller keine der zu besetzenden Stellen\nzuzuweisen, beruhe auch auf einer fehlerhaften Auswahl. Der Antragsgegner habe\nden ihm hier eingeraumten Beurteilungsspielraum in mehrfacher Hinsicht\nuberschritten. Bereits die vom Antragsgegner als maßgeblich dargestellten\nKriterien (S. 120 des Auszugs aus der Auswahlentscheidung) seien nicht\nvollstandig und daher nicht sachgerecht. Der Antragsgegner habe nicht\nbeachtet, dass angesichts der komplexen Aufgabe - Aufbau einer Notarstelle -\nim Gegensatz zu der bisherigen Beamtenstruktur nunmehr auch Fahigkeiten auf\nvielen Feldern wie Betriebswirtschaft, Mitarbeiterfuhrung, Ablaufplanung und\nKundengewinnung notwendig seien. Selbst unter Anwendung der vom Antragsgegner\ngenutzten Kriterien hatte der Antragsteller jedoch unter den besten Bewerbern\neingeordnet werden mussen. Bei einer vergleichenden Betrachtung, wie sie der\nAntragsgegner in Form der Profile fur die besten 33 Bewerber vorgenommen habe,\nubertreffe der Antragsteller den auf Platz 4 gesetzten Bewerber und sei\ndeshalb nach der Annahme des Antragsgegners besser als alle anderen\nausgewahlten Bewerber einzustufen bis auf die vom Antragsgegner auf Platz 1\nbis 3 gesetzten. Die abweichende Einstufung des Antragsgegners beruhe auf\neiner unzureichenden Berucksichtigung der den Lebenslauf des Antragstellers\npragenden Geschehnisse: \n--- \n| 7 \n--- \n| Beim Vergleich der Examensergebnisse hatte der Antragsgegner auch die\nPlatzziffern des jeweiligen Examenstermins berucksichtigen mussen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Anlassbeurteilung fur die vorliegende Stelle sei falsch gewichtet, da\nsie fur eine kurz zuvor erfolgte Bewerbung um eine Justizratsstelle in\nKarlsruhe erstellt worden sei. Ungeachtet dessen habe der Antragsgegner nicht\nberucksichtigt, dass diese Bewertung als „Ausreißer" zu qualifizieren sei. Der\nAntragsteller sei insoweit ungleich behandelt worden, als bei Mitbewerbern\ndienstliche Beurteilungen uber Jahre hinweg in die Betrachtung mit einbezogen\nworden seien. Der Antragsgegner habe auch unbeachtet gelassen, dass im Rahmen\ndieser Beurteilung lediglich die Behandlung des Nachlassbereiches zu einer\nAbwertung gefuhrt habe; diese Tatigkeit sei im Bereich des freien Notariats\njedoch irrelevant. Andererseits gehore der Antragsteller mit im Jahr 2005 uber\n10000 Eintragen in die Urkundenrolle zu den Bewerbern mit der hochsten\nUrkundenzahl innerhalb des Bewerberfeldes. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Antragsgegner habe bei seiner Auswahlentscheidung das zeitnahe Zeugnis\ndes Oberlandesgerichtsprasidenten und das uberdurchschnittliche Engagement des\nAntragstellers bei der Projektierung und Implementierung des EDV-Programms\nNOAH nicht hinreichend beachtet. \n--- \n| 10 \n--- \n| Auch der Umstand, dass der Antragsteller einschlagige publizistische Arbeit,\nFortbildungstatigkeit (auch als Referent und Tagungsleiter) vorzuweisen habe\nund auch vom ... mehrfach als Interviewpartner gewahlt worden sei, habe der\nAntragsgegner nicht im Ansatz berucksichtigt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Zu Unrecht habe der Antragsgegner schließlich § 115 Abs. 2 BNotO nicht zu\nGunsten des Antragstellers im Vergleich zu nicht im Landesdienst tatigen\nMitbewerbern berucksichtigt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| \n--- \n| die Auswahlentscheidung vom 01.06.2006 aufzuheben, soweit sie fur die\nausgeschriebene Stelle eines Notars zur hauptberuflichen Amtsausubung in\nBaden-Baden die Besetzung durch Mitbewerber vorsehe und \n--- \n| den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Stelle eines\nNotars zur hauptberuflichen Amtsausubung nach Maßgabe seiner Bewerbung vom\n02.11.2005 zu ubertragen, \n--- \n| hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller nach\nMaßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Weiter beantragt der Antragsteller, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| \n--- \n| dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die\ngegenwartig zur Besetzung vorgesehenen Notarstellen in Baden-Baden, Bruchsal,\nEmmendingen, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim, Offenburg, Pforzheim\nund Rastatt freizuhalten, bis eine neue Auswahlentscheidung getroffen und eine\nFrist von einem Monat ab Zustellung der Auswahlentscheidung an den\nAntragsteller verstrichen ist. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Antragsgegner beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| \n--- \n| den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulassig zu\nverwerfen und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Er fuhrt u.a. aus, die Kontrolle einer Bedurfnisprufung nach § 4 BNotO konne\nim vorliegenden Verfahren nicht erfolgen. Da § 4 BNotO nicht das Wer und Wie,\nsondern das Ob einer Stellenbesetzung betreffe, lasse sich aus der Vorschrift\nauch kein Argument gegen eine auf der Grundlage von § 6 BNotO getroffene\neinheitliche Auswahlentscheidung fur alle 25 Stellen gewinnen. Soweit der\nAntragsteller mit der Antragsbegrundung weitere Umstande und Qualifikationen\nvorgetragen habe - beispielsweise Urkundszahlen fur das Jahr 2005 oder\nRadiosendungen im ... -, konnten diese nach Maßgabe des § 6 b Abs. 4 S. 1\nBNotO keine Berucksichtigung mehr finden. Der Antragsgegner habe in seiner\nAuswahlentscheidung umfassend offen gelegt, welche Kriterien er allgemein\nherangezogen und wie er sie im Einzelfall angewandt und gewichtet habe. Nach\nMaßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe er den\nRegelvorrang nicht schematisch fur alle Bewerber aus dem Kreis der Notare im\nLandesdienst angewandt, sondern nur aufgrund ihrer hohen Qualifikation fur die\nbesten 18 Bewerber aus diesem Kreis. Die ubrigen Bewerber aus dem Kreis der\nbadischen Notare im Landesdienst, zu denen auch der Antragsteller gehore,\nseien dagegen nicht so gut qualifiziert, dass auch hier der Regelvorrang\ngriffe. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der weitere Beteiligte Nr. 1 sei aufgrund besserer allgemeiner juristischer\nQualifikation, besserer dienstlicher Beurteilungen, erreichter hoherer\nBeforderungsstufe sowie langerer berufspraktischer Erfahrung als Notar bei\njeweils gegebener Fortbildungsaktivitat und bei jeweils weit\nuberdurchschnittlichen quantitativen Arbeitsergebnissen fur die\nausgeschriebene Stelle in Baden-Baden besser geeignet als der Antragsteller. \n--- \n| 20 \n--- \n| Auch im Vergleich mit dem weiteren Beteiligten Nr. 2 vermochten die leichten\nVorteile des Antragstellers aufgrund großerer Fortbildungsaktivitat und die\nMitarbeit am Handbuch der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Vorzuge des\nBewerbers ... - in erster Linie bessere Ergebnisse in beiden juristischen\nStaatsprufungen, Erreichen der Beforderungsstufe des Oberjustizrates, bessere\ndienstliche Beurteilung, langere berufspraktische Erfahrung - bei jeweils\ngegebenen uberdurchschnittlichen quantitativen Arbeits-ergebnissen nicht zu\nkompensieren. \n--- \n**II.** \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulassig. Fur den\nAntragsteller besteht insoweit kein Rechtsschutzbedurfnis, nachdem der\nAntragsgegner verbindlich erklart hat, von einer Vollziehung der\nBesetzungsentscheidung bis zu einer rechtskraftigen gerichtlichen Entscheidung\nabzusehen. \n--- \n**III.** \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Antrag ist nach § 111 Abs. 1 und 2 BNotO zulassig, insbesondere ist er\nfristgerecht eingereicht worden. In der Sache bleibt er ohne Erfolg. Die\nAuswahlentscheidung des Antragsgegners entspricht den gesetzlichen\nBestimmungen und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Das durchgefuhrte Auswahlverfahren ist nicht bereits deshalb - zum\nNachteil des Antragstellers - rechtsfehlerhaft, weil lediglich 25 Stellen fur\nNotare nach § 3 Abs. 1 BNotO im badischen Rechtsgebiet ausgeschrieben wurden.\n§ 4 BNotO regelt die Voraussetzungen, ob eine Notarstelle eingerichtet bzw.\nwieder besetzt werden kann. Diese Entscheidung obliegt dem\nOrganisationsermessen der Landesjustizverwaltung und kann von amtierenden\nNotaren in gewissen Grenzen im Wege eines Unterlassungsanspruchs zur\ngerichtlichen Nachprufung gestellt werden (BGH DNotZ 2002, 70; vgl. auch die\nbeim Senat anhangigen Verfahren Not 2/05 und Not 7/05, die die Unterlassung\nder Ausschreibung der 25 Notarstellen zur hauptberuflichen Amtsausubung im\nbadischen Rechtsgebiet zum Gegenstand haben). Ein derartiges Rechtsschutzziel\nverfolgt der Antragsteller mit dem vorliegenden Verfahren nicht. Der Pflicht\ndes Antragsgegners, im Interesse der ordnungsgemaßen Erfullung der den Notaren\nzugewiesenen staatlichen Aufgaben die Zahl der besetzbaren Notarstellen\nfestzulegen, korrespondiert kein Grundrecht des Notarbewerbers aus Art. 12\nAbs. 1 Grundgesetz. Der Antragsteller kann hieraus weder fur die materiellen\nKriterien noch fur das Verfahren der Bedurfnisprufung Rechte herleiten (BGH\nDNotZ 1996, 902). Der Antragsteller begehrt vorliegend die Überprufung der\nAuswahlentscheidung des Antragsgegners fur eine bestimmte - hier fur den\nAmtssitz Baden-Baden ausgeschriebene - Notarstelle. Aus § 4 BNotO lassen sich\nentgegen der Auffassung des Antragstellers keine Ruckschlusse fur die\nAusgestaltung des Auswahlverfahrens nach §§ 6, 7 BNotO ziehen. \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Die Bundesnotarordnung gewahrt einem Bewerber keinen Rechtsanspruch auf\neine Notarstelle. Die Landesjustizverwaltung hat unter Beachtung der\ngesetzlichen Kriterien der §§ 115 Abs. 2, 6 Abs. 3 BNotO die\nAuswahlentscheidung unter den geeigneten Bewerbern zu treffen. Dabei steht ihr\nein Beurteilungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO\nmuss die Qualifikation der konkurrierenden Bewerber im Vergleich bewerten. Bei\ndem Begriff der personlichen und fachlichen Eignung handelt es sich zwar um\nunbestimmte Rechtsbegriffe, deren Anwendung das Gericht im Verfahren nach §\n111 BNotO in vollem Umfang nachzuprufen hat. Bei dem abstrahierten\nBeurteilungsmaßstab der personlichen und fachlichen Eignung kann die Auswahl\njedoch nicht ohne zusatzliche, u.a. prognostische Wertung geschehen. Deshalb\nobliegt der Behorde ein Beurteilungsspielraum (Einschatzungsprarogative), die\nzu einer Einschrankung der gerichtlichen Kontrolldichte fuhrt (vgl. auch\nEylmann/Vaasen/Custodis, Bundesnotarordnung, 2. Aufl., § 111 Rn. 149;\nSchippel/Bracker/Lemke, Bundesnotarordnung, 8. Aufl., § 111 Rn. 33). Gerade\ndie Chancengleichheit aller Bewerber gebietet es, dass das angerufene Gericht\nbei der Rechtskontrolle den Charakter der Auswahlentscheidung als Akt\nwertender Erkenntnis beachtet. Dieser ist vom Gericht nicht zu wiederholen,\nsondern nur darauf zu uberprufen, ob ihm ein zutreffendes Verstandnis des\ngesetzlichen Auswahlmaßstabs zu Grunde liegt, ob allgemeingultige Wertmaßstabe\nbeachtet und sachwidrige Erwagungen ausgeschlossen sind, und ob der zu\nbeurteilende Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wurde (standige\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 31.03.2003\n- NotZ 39/02, NJW-RR 2003, 1363). \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Ob der Antragsgegner die Voraussetzungen des Regelvorrangs (§ 115 Abs. 2\nS. 1 BNotO) fur Bewerber aus dem Kreis der Notare im Landesdienst verkannt\nhat, weil er ihn nicht auch auf den Antragsteller erstreckt habe, bedarf\nvorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls die weiteren Beteiligten Nr. 1 und\nNr. 2 waren auch ohne Rucksicht auf den Regelvorrang fur die ausgeschriebene\nNotarstelle besser geeignet als der Antragsteller (vgl. dazu ausfuhrlich unten\nunter 5.). \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. Ohne Erfolg bleibt die weitere Ruge des Antragstellers, die\nAuswahlentscheidung sei intransparent und lasse die einzelnen Auswahlkriterien\nund deren Gewichtung nicht erkennen. \n--- \n| 27 \n--- \n| a) Die Landesjustizverwaltung war aus rechtlichen Grunden nicht\nverpflichtet, ihren Beurteilungsspielraum vor Ausschreibung der Notarstellen\nselbst zu binden und ein festes Bewertungsschema, ahnlich wie es bis zu den\nEntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 20.04.2004 (NJW 2004, 1935)\nfur die Besetzung von Notarstellen nach § 3 Abs. 2 BNotO (Anwaltsnotare)\nangewendet worden war, aufzustellen. Der Gesetzgeber hat die zu\nberucksichtigenden Eignungskriterien in § 6 Abs. 3 BNotO genannt, ohne deren\nGewichtung naher zu regeln oder weitere Differenzierungen festzulegen. Hatte\ner eine weitergehende normierende Regelung fur erforderlich gehalten, so hatte\ner diese selbst bereits bei Inkrafttreten der Bestimmung (Gesetz zur Änderung\ndes Berufsrechts der Notare und Rechtsanwalte vom 29.01.1991, BGBl. I S. 150)\noder bei einer spateren Änderung der Bundesnotarordnung vornehmen konnen oder\nweitere Prazisierungen im Wege einer Rechtsverordnung vorschreiben konnen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Auch aus verfassungsrechtlichen Grunden ist eine Selbstbindung der\nVerwaltung in Form eines verbindlichen Bewertungsschemas nicht geboten. Die zu\ntreffende Auswahlentscheidung muss den Grundrechten der Bewerber aus Art. 12\nAbs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz gerecht werden. Dies erfordert eine\ngesetzliche Regelung, aus der sich hinreichend deutlich die gesetzgeberische\nEntscheidung uber den Umfang und die Grenzen des Eingriffs ergibt. Diesen\nAnforderungen wird § 6 Abs. 3 BNotO gerecht (BVerfG NJW 2004, 1935 unter C. I.\nund II.). \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Justizverwaltung muss eine auf den Einzelfall bezogene Wurdigung der\npersonlichen und fachlichen Eignung eines jeden Bewerbers vornehmen und dabei\ndie im Gesetz genannten Kriterien zu Grunde legen. Die so erfolgte Bewertung\nmuss in eine Prognose einmunden. Die Praxis der Justizverwaltung muss daran\ngemessen werden, ob die getroffenen Entscheidungen den in verfassungskonformer\nAuslegung ermittelten gesetzlichen Kriterien entsprechen. Die dabei\nerforderlichen komplexen Überlegungen lassen sich nicht abschließend regelhaft\nerfassen. Solange es keine Prufung der notarspezifischen Befahigungen eines\nBewerbers gibt und diese auch aus Rechtsgrunden nicht geboten ist, besteht\nkeine andere wissenschaftlich anerkannte, in vertretbarer Weise handhabbare\nMethode, die notarspezifische Befahigung anders zu bewerten als durch eine\nplausibel begrundete Einzelfallprognose. Der Gesetzgeber hat sich 1991 bewusst\ngegen ein notarspezifisches Prufungsverfahren in voller Kenntnis der damit\nverbundenen Problematik entschieden. Dies ist in der Verwaltungspraxis auch\nweiterhin zu respektieren (vgl. BGH Beschluss vom 31.03.2003 - NotZ 39/02\na.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hat in Kenntnis dieser Ausgangslage\ndavon abgesehen, eine Notarprufung zu fordern und fur deren Einfuhrung\nfolglich dem Gesetzgeber auch keine Frist bestimmt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Forderung nach moglichst weitgehender\nVoraussehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung kann bei einer erforderlichen\nEignungsprognose nicht so weit abstrakt vorgezeichnet werden, dass die\nEntscheidung „ausrechenbar" wird. Die gebotene Transparenz des\nEntscheidungsvorgangs wird hinreichend deutlich gewahrt, wenn dargelegt wird,\nvon welchen tatsachlichen Voraussetzungen die Verwaltung ausgegangen ist, und\nwelche Überlegungen die Entscheidung tragen. Die hier erforderliche\nEignungsprognose ist in vergleichbarer Weise komplex wie bei einer\nAuswahlentscheidung uber die Beforderung in den Laufbahnen des offentlichen\nDienstes. Auch hier wird eine genaue Festlegung der Eignungskriterien und ihre\nBewertung aus Rechtsgrunden nicht gefordert, ebenso wenig bei einer\nAuswahlentscheidung im Nur-Notariat im Geltungsbereich des § 7 BNotO. Auf\ndieses lasst sich das System der rechnerischen Bewertung einzelner\nEignungskriterien nicht ubertragen (BGH, Beschluss vom 12.07.2004 - NotZ 4/04\n= NJW-RR 2004, 1702 unter II.2.b) Die Justizverwaltung ist lediglich\nverpflichtet, eine nachvollziehbare, am Regelungsziel der Bestenauslese\nausgerichtete und den gesetzlichen Regelungskriterien Rechnung tragende,\nwiderspruchsfreie Begrundung ihrer Auswahlentscheidung darzulegen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Dabei kann ein Punktesystem die Transparenz einer Auswahlentscheidung\nerhohen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.07.2006 - NotZ 21/06). Allerdings weist\nauch der Bundesgerichtshof auf die mit der Anwendung eines Punktesystems\nverbundenen Gefahren hin, da kein System gewahrleisten kann, allen\nBesonderheiten des Einzelfalls ausreichend Rechnung zu tragen, wie dies das\nBundesverfassungsgericht fordert. Mit der Anwendung eines Punktesystems\nschopft die Justizverwaltung den ihr zukommenden Beurteilungsspielraum nicht\naus. Deshalb muss auch bei einer Orientierung an einem Punktesystem stets vor\neiner „Gesamtentscheidung" noch eine individuelle Bewertung erfolgen (BGH,\nBeschluss vom 24.07.2006 - NotZ 18/06). Deshalb ist es nicht zu beanstanden\nund aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sogar nahe liegend,\ndass sich der Antragsgegner gegen ein starres Auswahlschema in Form eines\nPunktesystems entschieden hat. \n--- \n| 32 \n--- \n| b) Hinzu kommt, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, dass\nsich im vorliegenden Auswahlverfahren im Gegensatz zur Ausschreibung einer\nStelle als Anwaltsnotar ein ausgesprochen heterogenes Bewerberfeld zeigte.\nNeben Notaren im Landesdienst haben sich u.a. Notare und Notarassessoren aus\nanderen Landern sowie Rechtsanwalte beworben. Der Antragsgegner hat deshalb zu\nRecht darauf hingewiesen, dass sich die unterschiedlichen notarspezifischen\nQualifikationen nicht oder nur schwer in ein jedem Einzelfall gerecht\nwerdendes Schema „pressen" lassen. \n--- \n| 33 \n--- \n| c) Die fur seine Auswahlentscheidung maßgeblichen Kriterien hat der\nAntragsgegner den Bewerbern dargelegt (vgl. S. 120 f der Auswahlentscheidung -\nnach dem Einzelvergleich der besten 33 Bewerber) ohne, was aus Rechtsgrunden\nauch nicht erforderlich ist, vorab eine schematische Gewichtung der einzelnen\nKriterien mitzuteilen. Gegen die Heranziehung keines der dort genannten\nEignungskriterien bestehen in rechtlicher Hinsicht Bedenken. \n--- \n| 34 \n--- \n| aa) Die Relevanz der Ergebnisse der juristischen Ausbildung, insbesondere\ndes Ergebnisses der sie abschließenden Staatsprufung ist ausdrucklich in § 6\nAbs. 3 S. 1 BNotO genannt. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts\n(Beschlusse vom 20.04.2004 a.a.O.) darf die im Zweiten juristischen\nStaatsexamen erzielte Note lediglich nicht von so starker Gewichtung sein,\ndass sich faktisch die Reihenfolge bei der Eignungsbewertung bestimmt. Das\nErgebnis der Ersten juristischen Staatsprufung kann - obgleich in § 6 nicht\nausdrucklich erwahnt - zur Abrundung der Bewertung der fachlichen Eignung\neinbezogen werden (BGH DNotZ 2004, 883). \n--- \n| 35 \n--- \n| bb) Dies gilt auch fur notarspezifische Kriterien wie die im Rahmen der\nnotariellen Tatigkeit erzielten Beurteilungen, das Ausmaß berufspraktischer\nErfahrung, quantitative Arbeitsergebnisse und weitere Qualifikationsmerkmale\nwie Fortbildungsaktivitat, Dozenten- oder Veroffentlichungstatigkeit und eine\nnotarspezifische Promotion. Dabei verlasst die Justizverwaltung nicht deshalb\nihren Beurteilungsspielraum, weil sie Dienstzeugnisse eines Bewerbers\nberucksichtigt, uber die ein Mitbewerber infolge seines beruflichen Werdegangs\nnicht verfugt (BGH DNotZ 2005, 149; BGH, Beschluss vom 24.07.2006 - NotZ\n2/06). Zu den im Notarberuf gezeigten Leistungen im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 1\nBNotO gehoren auch die vom Bewerber vorgenommenen Beurkundungen (BGH,\nBeschluss vom 11.07.2005 - NotZ 29/04). Auch wenn der Zahl der Niederschriften\nBedeutung zukommt, ist bei der Auswahlentscheidung zu berucksichtigen, dass\ndie Urkundszahlen als quantitative Große nur bedingt Ruckschlusse auf die\nEignung fur das Notar-amt zulassen, weil sie in qualitativer Hinsicht nicht\nbewertet sind. Zu berucksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere, in\nwelchem Umfang in der Gesamtzahl der beurkundeten Geschafte reine\nUnterschriftsbeglaubigungen enthalten sind. Nicht zu beanstanden ist\nschließlich, dass der Antragsgegner bei seiner Auswahlentscheidung\nberucksichtigt hat, in welcher Weise sich ein Bewerber auf die notarielle\nTatigkeit vorbereitet hat, insbesondere ob er ein Notarassessoriat absolviert\nhat. \n--- \n| 36 \n--- \n| cc) Nach § 115 Abs. 2 S. 2 BNotO wird der Bewertungsmaßstab des § 6 Abs. 3\ndahingehend erganzt, dass auch der berufliche Werdegang der Bewerber zu\nberucksichtigen ist, vor allem die im Justizdienst des Landes erbrachten\nLeistungen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Antragsteller verkennt, dass sonstige zusatzliche Qualifikationen, wie\netwa aus dem Bereich der Betriebswirtschaft, im Rahmen der Auswahlkriterien\ndes Antragsgegners keine Berucksichtigung finden konnten. Der Antragsteller\nselbst weist darauf hin, dass der Antragsgegner auch Zusatzqualifikationen als\nentscheidungserhebliches Kriterium angefuhrt hat (vgl. Auswahlentscheidung S.\n121). Dazu konnen auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen\ngehoren, sofern ein Bezug zum Notariat besteht. \n--- \n| 38 \n--- \n| 5\\. Das Ergebnis der im Rahmen der Auswahlentscheidung (dort S. 122)\nvorgenommenen Eignungsvergleiche zwischen dem Antragsteller und den weiteren\nBeteiligten Nr. 1 und Nr. 2, das in der Stellungnahme des Antragsgegners vom\n08.09.2006 nochmals erlautert wurde, ist aus Rechtsgrunden nicht zu\nbeanstanden. Zu Recht ist der Antragsgegner zu dem Ergebnis gelangt, dass\nbeide weitere Beteiligte fur die ausgeschriebene Stelle in Baden-Baden im\nVergleich mit dem Antragsteller besser geeignet sind. \n--- \n| 39 \n--- \n| a) Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers hat der Antragsgegner dessen\neinschlagige publizistische Tatigkeit („Handbuch der freiwilligen\nGerichtsbarkeit") berucksichtigt. Unberucksichtigt gelassen hat der\nAntragsgegner lediglich die erstmals in der Antragsbegrundung vorgebrachte\nHeranziehung des Antragstellers im Rahmen von Horfunkbeitragen des .... Dies\nist aus Rechtsgrunden nicht zu beanstanden. Nach standiger Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofs (zuletzt Beschluss vom 20.03.2006 - NotZ 51/05) darf die\nJustizverwaltung die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt des Notars\nnur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen\nist. Dementsprechend sind gemaß § 6 b Abs. 4 S. 1 BNotO nur solche Umstande zu\nberucksichtigen, die bei Ablauf der Bewerbungsfrist vorlagen. Dies gilt\ninsbesondere auch fur den Nachweis der fachlichen Leistungen, die im\nAuswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO von Bedeutung sind. Der erforderliche\nfristgemaße Nachweis der Leistungen setzt neben der Vorlage der entsprechenden\nBescheinigungen voraus, dass der Bewerber der Justizverwaltung innerhalb der\nBewerbungsfrist mitgeteilt hat, welche Leistungen bei der Auswahlentscheidung\nBeachtung finden sollen. Insoweit dient die Festlegung eines Stichtags der\nRechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller\nBewerber aufgrund einer einheitlichen Bewerbungssituation. Dies war\nersichtlich auch dem Antragsgegner bewusst, nachdem er in der\nAntragserwiderung (Schriftsatz vom 08.09.2006 S. 3/4) dargelegt hat, dass er\ndiejenigen Umstande und Gesichtspunkte berucksichtigt hat, die ihm von den\nBewerbern mitgeteilt wurden und diejenigen, die sich aus den Akten des\nAntragsgegners ergaben. \n--- \n| 40 \n--- \n| b) Nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner den weiteren Beteiligten\nNr. 1 aufgrund dessen besserer allgemeiner juristischer Qualifikation,\nbesserer dienstlicher Beurteilungen, erreichter hoherer Beforderungsstufe\nsowie langerer berufspraktischer Erfahrung als Notar im Vergleich mit dem\nAntragsteller fur besser geeignet halt. \n--- \n| 41 \n--- \n| In der fur die Beurteilung der allgemeinen juristischen Qualifikation\naussagekraftigeren Zweiten juristischen Staatsprufung ubertrifft das Ergebnis\ndes weiteren Beteiligten Nr. 1 dasjenige des Antragstellers um eine Notenstufe\n(„gut" im Vergleich zu „vollbefriedigend"). Nicht zu beanstanden ist, dass\nsich der Antragsgegner auf einen Vergleich der Examensnoten beschrankt und\nnicht zusatzlich die erreichte Platzziffer im jeweiligen Examenstermin\nherangezogen hat. Die Aussagekraft der Platzziffer bleibt auf die Teilnehmer\ndes konkreten Prufungstermins beschrankt. \n--- \n| 42 \n--- \n| Bei dem weiteren Beteiligten Nr. 1 handelt es sich gerade auch in\nnotarspezifischer Hinsicht um einen besonders herausgehobenen Bewerber. Er\nwurde seit 1997 stets mit 7,5 Punkten beurteilt, im Rahmen der\nAnlassbeurteilung fur die vorliegende Stelle sogar mit dem Maximalergebnis von\n8 Punkten. Vergleichbare Beurteilungen bezogen auf die Tatigkeit als Notar hat\nder Antragsteller zu keinem Zeitpunkt erreicht, sodass bereits deshalb\ndahinstehen kann, ob es sich bei der Anlassbeurteilung des Antragstellers vom\n19.10.2005 mit 5 Punkten um einen „Ausreißer" handelt. Der Antragsgegner hat\nbei seiner Auswahlentscheidung auch berucksichtigt, dass sich der\nAntragsteller zeitnah zu der vorliegenden Bewerbung auf die Stelle eines\nJustizrats bei dem Notariat Karlsruhe beworben hat, weswegen unter dem\n19.10.2005 eine dienstliche Beurteilung durch den Landgerichtsprasidenten\nerstellt wurde. Da der Beurteiler im Zusammenhang mit der vorliegenden\nBewerbung ausdrucklich auf jene Beurteilung Bezug genommen hat, ist deren\nBerucksichtigung im Rahmen des vorliegenden Bewerbungsverfahrens nicht zu\nbeanstanden. Dienstliche Beurteilungen sind auf der Grundlage der im\nbisherigen Amt gezeigten gesamten Leistung zu erstellen. Deshalb wird die\nAussagekraft der Anlassbeurteilung auch nicht dadurch eingeschrankt, dass -\nworauf der Antragsteller ebenfalls hingewiesen hat - seine Tatigkeit im\nNachlassbereich kritisiert worden sei, welcher gerade nicht zu den Aufgaben\neines Notars nach § 3 Abs. 1 BNotO gehore. \n--- \n| 43 \n--- \n| Anders als der Antragsteller meint, hat der Antragsgegner weder die\nherausragende Beurteilung seiner Tatigkeit bei der Gemeinsamen DV-Stelle\nJustiz durch den Prasidenten des Oberlandesgerichts unbeachtet gelassen noch\nwurde seine Tatigkeit im Rahmen des EDV-Projekts „NOAH" rechtsfehlerhaft nicht\nhinreichend berucksichtigt. Der Antragsgegner hat beide Umstande in seine\nErwagungen eingestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass er bei der genannten\nBeurteilung durch den Oberlandesgerichtsprasidenten aus dem Jahr 2003 (7,5\nPunkte) weiter in Erwagung gezogen hat, dass sie keine unmittelbare notarielle\nTatigkeit betrifft. Zwar schiene es durchaus vertretbar, der mehrjahrigen\nTatigkeit des Antragstellers bei der Projektierung und Implementierung des\nProgrammpakets NOAH wegen des konkreten Bezugs zum baden-wurttembergischen\nNotariat einen großeren Stellenwert einzuraumen, als dies in der\nAuswahlentscheidung des Antragsgegners zum Ausdruck kommt. Mit den\nangestellten Erwagungen hat der Antragsgegner den ihm eingeraumten\nBeurteilungsspielraum jedoch noch nicht uberschritten. Ohnehin wurde sich am\nErgebnis der Auswahlentscheidung zu Gunsten des weiteren Beteiligten Nr. 1\naufgrund der vom Antragsgegner auch hervorgehobenen deutlich besseren Eignung\nnichts andern. \n--- \n| 44 \n--- \n| Zu Gunsten des weiteren Beteiligten Nr. 1 konnte der Antragsgegner weiterhin\ndessen deutlich langere berufspraktische Erfahrung heranziehen. Der weitere\nBeteiligte Nr. 1 wurde im Juni 1986 als Notarvertreter abgeordnet und im April\n1987 zum Justizrat ernannt, der Antragsteller wurde im November 1994 als\nNotarvertreter abgeordnet und im Oktober 1997 zum Justizrat ernannt. Weiter\nhatte der Antragsgegner nach § 115 Abs. 2 S. 2 BNotO zu berucksichtigen, dass\nder weitere Beteiligte Nr. 1 die (zweite) Beforderungsstufe des\nNotariatsdirektors erreicht hat, wohingegen der Antragsteller noch im\nEingangsamt des Justizrats tatig ist. \n--- \n| 45 \n--- \n| Der Antragsgegner hat weiter in seine Erwagungen eingestellt, dass der\nAntragsteller durch notarspezifische Veroffentlichungen hervorgetreten ist,\ndass beide Bewerber an Fortbildungsveranstaltungen des Landes (der\nAntragsgegner hat dem Antragsteller eine rege Fortbildungsaktivitat zugute\ngehalten) teilgenommen haben und dass beide Bewerber in quantitativer Hinsicht\nweit uber dem Durchschnitt liegende Ergebnisse vorweisen konnten. \n--- \n| 46 \n--- \n| c) Innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums bleibt auch die\nAbwagung, dass die leichten Vorteile des Antragstellers aufgrund großerer\nFortbildungsaktivitat und fachspezifischen Publikationen die bessere\nallgemeine Befahigung fur juristische Berufe auf Seiten des weiteren\nBeteiligten Nr. 2, dessen bessere dienstliche Beurteilungen, dessen langere\nberufspraktische Erfahrung als Notar bei erreichter hoherer Beforderungsstufe\nnicht zu kompensieren vermag. \n--- \n| 47 \n--- \n| Auch der weitere Beteiligte Nr. 2 erreichte in der maßgeblichen Zweiten\njuristischen Staatsprufung ein um eine Notenstufe besseres Ergebnis als der\nAntragsteller („gut" im Vergleich zu „vollbefriedigend"). \n--- \n| 48 \n--- \n| Nicht zu beanstanden ist die Feststellung, dass die dienstlichen\nBeurteilungen des weiteren Beteiligten Nr. 2 uber denjenigen des\nAntragstellers liegen. Dies gilt sowohl fur die Anlassbeurteilung, in der der\nweitere Beteiligte Nr. 2 7 Punkte, der Antragsteller lediglich 5 Punkte\nerreichte. Dies gilt auch unter Heranziehung der weiteren dienstlichen\nBeurteilungen. Der weitere Beteiligte Nr. 2 erreichte in drei von vier\ndienstlichen Beurteilungen zwischen 1995 und 2005 das Ergebnis von 7 Punkten,\nin einer weiteren ein Ergebnis von 6,5 Punkten, im Durchschnitt daher 6,9\nPunkte. Der Antragsteller erhielt im Jahr 1997 eine Beurteilung mit 5,5\nPunkten und im Jahr 2001 eine Beurteilung mit 7 Punkten, was unter\nEinbeziehung der Anlassbeurteilung fur die vorliegende Stelle von 5,8 bzw.\nunter Einbeziehung der Beurteilung seiner Tatigkeit in der Gemeinsamen DV-\nStelle Justiz 6,25 Punkten. Nach § 115 Abs. 2 S. 2 BNotO durfte der\nAntragsgegner weiter berucksichtigen, dass der weitere Beteiligte Nr. 2 im\nGegensatz zum Antragsteller das Beforderungsamt des Oberjustizrats erreicht\nhat und uber eine deutlich langere (rund 11 1/2 Jahre) Berufserfahrung als\nNotar verfugt. Vorteile zu Gunsten des Antragstellers ergeben sich, was der\nAntragsgegner jedoch in seine Erwagungen einbezogen hat, aufgrund dessen\nintensiverer Fortbildungstatigkeit mit Bezug zum Notariat. \n--- \n| 49 \n--- \n| Im Bereich der quantitativen Arbeitsergebnisse ergeben sich keine Vorteile\nfur den Antragsteller. Der Antragsteller hat im Durchschnitt der Jahre 2001\nbis 2003 2226 Urkundsgeschafte pro Jahr bearbeitet, wobei der Anteil reiner\nUnterschriftsbeglaubigungen bei knapp 45 % liegt. Im Jahr 2004 betrug die\nGesamtzahl der Geschafte 6199, wobei der Anteil reiner\nUnterschriftsbeglaubigungen auf 80 % gestiegen ist. Wie sich der dienstlichen\nBeurteilung des Antragstellers vom 19.10.2005 entnehmen lasst, wird das\nGesamtbeurkundungsaufkommen im Jahr 2005 sogar 10000 Geschafte erreichen. Als\nGrund fur den deutlichen Anstieg der Zahl der Unterschriftsbeglaubigungen ist\ndort angefuhrt, dass sich Unterschriftsbeglaubigungen fur bestimmte\nortsansassige Geldinstitute, die sich bis dahin auf das Notariat ...\nkonzentriert hatten, nach Ausscheiden des fruheren Amtsinhabers teilweise auch\nauf das vom Antragsteller betreute Notariat ... verlagert hatten. Die Zahl der\nUrkunden und Entwurfe sei dagegen weitgehend konstant geblieben. Der weitere\nBeteiligte Nr. 2 hat zwischen 1999 und 2004 im Jahresdurchschnitt 2260\nUrkundsgeschafte getatigt bei einem Anteil reiner Unterschriftsbeglaubigungen\nmit 20 bis 21 %. Der Auswahlentscheidung ist zu entnehmen, dass sich der\nAntragsgegner bewusst war, dass die Beurkundungszahl als quantitative Große\ngerade bei berufserfahrenen Notaren nur bedingt Ruckschlusse auf die Eignung\nzulasst, weil die Urkunden nicht qualitativ bewertet wurden, in der Gesamtzahl\nauch reine Unterschriftsbeglaubigungen enthalten sind und auch unabhangig vom\nLeistungsvermogen und der Leistungsbereitschaft der Bewerber regionale\nUnterschiede bestehen. \n--- \n**IV.** \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 111 Abs. 4 BNotO, 201, 40 Abs. 4\nBRAO, 13 a FGG. \n---\n\n
105,707
lsgsh-2007-09-26-l-5-b-52207-kr-er
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 B 522/07 KR ER
2007-09-26
2018-11-24 13:30:24
2019-02-26 18:40:48
Beschluss
ECLI:DE:LSGSH:2007:0926.L5B522.07KRER.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 28\\. Juni 2007\nwird zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Beschwerdeführerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n \n\nDer Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass das Sozialgericht es\nabgelehnt hat, der Beschwerdegegnerin durch einstweilige Anordnung zu\nuntersagen, zu Wettbewerbszwecken den Eindruck zu erwecken, sie, die\nBeschwerdegegnerin, sei in den Ländern Hessen, Rheinland-Pfalz und dem\nSaarland unter den frei wählbaren gesetzlichen Krankenkassen diejenige mit dem\ngünstigsten Beitragssatz.\n\n2\n\n \n\nBeschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin sind Innungskrankenkassen. Sie\nwickeln ihren Geschäftsbetrieb jeweils online ab. Die Beschwerdeführerin ist\nbundesweit geöffnet, die Beschwerdegegnerin ist geöffnet für die Länder Hessen\nund Rheinland-Pfalz und für das Saarland.\n\n3\n\n \n\nAnfang des Jahres 2007 erstellte die Beschwerdegegnerin ein Werbeblatt. In\ndiesem stellte sie unter der Überschrift „Beitragssätze der in Hessen,\nRheinland-Pfalz und im Saarland wählbaren Krankenkassen“ ihrem Beitragssatz\nvon 12,3 % die Beitragssätze von 90 anderen Krankenkassen gegenüber, die alle\nüber ihrem allgemeinen Beitragssatz lagen. Von diesem Werbeblatt erhielt die\nBeschwerdeführerin nach ihrem Vortrag Anfang Februar 2007 Kenntnis. Mit\nSchreiben vom 26. Februar 2007 wies die Beschwerdeführerin die\nBeschwerdegegnerin darauf hin, dass ihr, der Beschwerdeführerin, allgemeiner\nBeitragssatz bei 12,0 % liege. Sie sei bei der von der Beschwerdegegnerin\nverbreiteten Aufstellung nicht berücksichtigt worden. Das stelle einen Verstoß\ngegen § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar. Die\nBeschwerdeführerin forderte die Beschwerdegegnerin in dem Schreiben auf, eine\nbeiliegende strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und\nzurückzusenden. Letzteres tat die Beschwerdegegnerin nicht. Sie führte im an\ndie Beschwerdeführerin gerichteten Schreiben vom 5. März 2007 aus, das\nAbmahnungsschreiben der Beschwerdeführerin vom 26. Februar 2007 überrasche sie\nsehr. Bisher hätten solche Angelegenheiten auf Vorstandsebene einvernehmlich\ngeklärt werden können. Sie, die Beschwerdegegnerin, sei daher auch in diesem\nFall im Sinne eines partnerschaftlichen und konstruktiven Miteinanders im IKK-\nSystem davon überzeugt, dass sich auch das Anliegen der Beschwerdeführerin\nohne juristischen Aufwand klären lasse. Für ein solches persönliches Gespräch\nstehe der Unterzeichner - der Vorstand der Beschwerdegegnerin - jederzeit gern\nzur Verfügung.\n\n4\n\n \n\nOhne auf dieses Gesprächsangebot einzugehen, hat die Beschwerdeführerin am 12.\nMärz 2007 beim Sozialgericht Kiel einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen\nAnordnung gestellt. Sie hat beantragt,\n\n5\n\n \n\nder Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu\nuntersagen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der\nZuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 50.000,00 EUR,\nersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im geschäftlichen Verkehr zu\nWettbewerbszwecken durch Verbreitung unvollständiger Übersichten über die\nallgemeinen Beitragssätze der in den Ländern Hessen, Rheinland-Pfalz und dem\nSaarland frei wählbaren gesetzlichen Krankenkassen den Eindruck zu erwecken,\ndie Antragsgegnerin sei in diesen Ländern die Krankenversicherung mit dem\ngünstigsten allgemeinen Beitragssatz unter den frei wählbaren gesetzlichen\nKrankenversicherungen.\n\n6\n\n \n\nDie Beschwerdegegnerin hat beantragt,\n\n7\n\n \n\nden Antrag abzulehnen.\n\n8\n\n \n\nMit Beschluss vom 28. Juni 2007 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt.\nZur Begründung hat es u. a. ausgeführt:\n\n9\n\n \n\n„Wie bei einem Hauptsacheverfahren müssen die allgemeinen\nProzessvoraussetzungen vorliegen. Hierzu gehört auch das\nRechtsschutzbedürfnis.\n\n10\n\n \n\nEin Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ein Antragsteller die Möglichkeit hat,\ndas geltend gemachte Recht auf einfachere Weise außerprozessual zu erreichen\n(Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005 § 86b Rz. 26).\n\n11\n\n \n\nIm vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 5. März 2007\neine außergerichtliche Einigung durch ein Gespräch auf Vorstandsebene\nangeregt. Auf dieses Schreiben hat die Antragstellerin nicht reagiert. Nach\nAnsicht der Kammer wäre es der Antragstellerin durchaus zumutbar gewesen,\nzunächst den Versuch einer außergerichtlichen Einigung zu unternehmen. Dieses\nVerhalten der Antragstellerin steht im Widerspruch zu dem aus den Vorschriften\nder §§ 86 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X), 4 Abs. 3 des 5.\nBuches des Sozialgesetzbuches (SGB V) folgenden Gebot der Zusammenarbeit der\nLeistungsträger.\n\n12\n\n \n\nGemäß § 4 Abs. 3 SGB V sind die Krankenkassen und ihre Verbände verpflichtet,\nim Interesse der Leistungsfähigkeit und Sparsamkeit der gesetzlichen\nKrankenversicherung sowohl innerhalb einer Kassenart als auch\nkassenübergreifend eng zusammenzuarbeiten. Aus diesem gesetzlichen Auftrag\nresultiert nach Ansicht der Kammer eine grundsätzliche Verpflichtung,\ninsbesondere gebührenpflichtige gerichtliche Auseinandersetzungen nur dann zu\nbetreiben, wenn eine außergerichtliche Einigung erfolglos versucht worden ist.\n\n13\n\n \n\nDarüber hinaus bietet das in den §§ 87 ff. des 4. Buches des\nSozialgesetzbuches (SGB IV) geregelte Aufsichtsrecht die Möglichkeit, das\ngeltend gemachte Recht außerprozessual auf einfachere Weise zu erreichen.\n\n14\n\n \n\nNach § 87 Abs. 1 SGB IV unterliegen Versicherungsträger staatlicher Aufsicht.\nSie bezieht sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die\nVersicherungsträger maßgeblich ist. Damit existiert ein behördeninternes\nKontrollverfahren, in dem Krankenkassen Rechtsverstöße anderer Kassen rügen\nkönnen (§ 90 SGB IV).\n\n15\n\n \n\nFür den Bereich des Wettbewerbsrechts haben die Aufsichtsbehörden im März 1998\ngemeinsame Wettbewerbsgrundsätze erlassen. Hierbei handelt es sich um\nVerwaltungsrichtlinien zur Auslegung des materiellen Rechts, die eine\nSelbstbindung der Aufsichtsbehörden bewirken. In der Fassung vom 9. November\n2006 wurden unter VIII. auch Regelungen zur Konfliktlösung getroffen. Wörtlich\nheißt es hier:\n\n16\n\n \n\n„Bei Verstößen gegen diese Wettbewerbsgrundsätze wird die Aufsichtsbehörde\ntätig;\n\n17\n\n \n\ndies gilt auch für die Prüfdienste der Krankenversicherung.\n\n18\n\n \n\nDanach sind die Aufsichtsbehörden bei Verstößen gegen die\nWettbewerbsgrundsätze zum Einschreiten verpflichtet.\n\n19\n\n \n\nNach diesen Grundsätzen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine\ngerichtliche Eilentscheidung, wenn der Versuch, die Aufsichtsbehörde\neinzuschalten, nicht unternommen wurde. Die Kammer schließt sich insoweit der\nRechtsprechung des LSG Saarbrücken an (s. z. B. Beschl. v. 14.02.2007, L 2 B\n10/06 KR).“\n\n20\n\n \n\nGegen diesen der Beschwerdeführerin am 6. Juli 2007 zugestellten Beschluss\nrichtet sich die am 1. August 2007 eingelegte Beschwerde, der das\nSozialgericht nicht abgeholfen hat.\n\n21\n\n \n\nDie Beschwerdeführerin verfolgt weiter den erstinstanzlich gestellten Antrag.\nZur Begründung führt sie u. a. aus, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts\nfehle das Rechtsschutzbedürfnis nicht. Zum einen sei allein die Abgabe einer\nstrafbewehrten Unterlassungserklärung in der Lage, die Gefahr der Wiederholung\nvon Wettbewerbsverstößen zu beseitigen. Zum anderen sei es Sache der\nBeschwerdegegnerin gewesen, ein Gespräch mit ihr, der Beschwerdeführerin, zu\nsuchen und nicht umgekehrt. Außerdem beständen ernsthafte Zweifel an der\nErnstlichkeit des Gesprächsangebotes der Beschwerdegegnerin. Das Vorhandensein\naufsichtsrechtlicher Maßnahmen lasse das Rechtsschutzinteresse nicht\nentfallen. Insbesondere bestehe kein Anspruch der einzelnen Krankenkassen auf\naufsichtsrechtliches Einschreiten bei einem behaupteten Wettbewerbsverstoß.\n\n22\n\n \n\nDie Beschwerdegegnerin hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Sie\nmeint, das Bemühen um eine außergerichtliche Konfliktlösung entspreche dem\ngesetzlichen Gebot der Krankenkassen, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eng\nzusammenzuarbeiten. Ferner bestehe ein großes praktisches Bedürfnis an einer\nentsprechenden Einschaltung der Aufsichtsbehörden, weil sich die\nWettbewerbsstreitigkeiten häuften. Deshalb hätten auch die Aufsichtsbehörden\ngemeinsame Wettbewerbsgrundsätze in der Fassung vom 9. November 2006\nerarbeitet.\n\n23\n\n \n\nZur Ergänzung des zuvor Ausgeführten wird auf den weiteren Inhalt der\nGerichtsakte, insbesondere auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten\numfangreichen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.\n\n \n\nII.\n\n24\n\n \n\nDer Rechtsweg ist eröffnet. Wettbewerbsstreitigkeiten zwischen gesetzlichen\nKrankenkassen gehören zu den nach § 51 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz\n(SGG) den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Verfahren (Hk-\nSGG/Groß, 2. Aufl., Rdnr. 21 zu § 51).\n\n25\n\n \n\nDie Beschwerde ist unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung des\nSozialgerichts, die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung im\nSinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG seien nicht erfüllt. Eine solche Anordnung\nkann nur dann beansprucht werden, wenn sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein\nAnordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §\n920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Hier fehlt es bereits an der\nGlaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.\n\n26\n\n \n\nEin solcher ist dann anzunehmen, wenn es der Beschwerdeführerin unter\nBerücksichtigung ihrer Interessen nicht zugemutet werden kann, den Abschluss\ndes Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Das vermag der Senat für die\nBeschwerdeführerin nicht zu erkennen. Insbesondere fehlt es an der für die\nBejahung einer Eilbedürftigkeit erforderlichen Notwendigkeit der Abwendung\nwesentlicher Nachteile. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat,\nverlangt Art. 19 Abs. 4 GG dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn\nschwere oder unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu\nderen nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr\nin der Lage wäre (Beschluss vom 25. Oktober 1998 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79,\n69 ff., Rdnr. 17 im juris-Umdruck, unter Hinweis auf BVerwGE 46, 166, 179).\nDie Beschwerdeführerin hat bereits nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ohne\neinstweilige Anordnung ein solcher schwerer und unzumutbarer Nachteil\nentstünde.\n\n27\n\n \n\nAus dem Vortrag der Beschwerdeführerin ist nichts dafür zu entnehmen, dass ihr\ndurch das Werbeblatt der Beschwerdegegnerin oder durch entsprechend\nvergleichbares Verhalten ein unzumutbarer Nachteil entstanden ist, der auch\nzukünftig anhalten wird. Der Behauptung der Beschwerdegegnerin im Schriftsatz\nvom 3. September 2007, bei der Beschwerdeführerin handele es sich - bezogen\nauf die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland - um eine „eher\nunbedeutende Krankenkasse“, ist sie nicht durch entsprechenden\nTatsachenvortrag entgegengetreten, sondern hat ihn lediglich im Schriftsatz\nvom 10. September 2007 als „unwahr“ bezeichnet. Die Beschwerdeführerin hat\nnicht glaubhaft gemacht, durch die Werbemaßnahme der Beschwerdegegnerin\nbestehe die akute Gefahr eines erheblichen Mitgliederverlustes. Ebenso wenig\nist von der Beschwerdeführerin nachvollziehbar vorgetragen worden, der von ihr\nbeanstandete Beitragssatzvergleich verhindere den Beitritt eines nennenswerten\nTeils neuer Mitglieder.\n\n28\n\n \n\nVon einer Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes kann nicht abgesehen werden.\nDie entsprechende Verfahrenserleichterung in § 12 Abs. 2 UWG ist hier nicht\neinschlägig. Der Senat hält, anders als offenbar das LSG Nordrhein-Westfalen\n(Beschluss vom 28.5.2002 - L 5 B 29/02 KR ER) und anders als das LSG\nRheinland-Pfalz (Beschlüsse vom 3.5.2005 - L 1 ER 11/05 KR - und vom\n25.11.2005 - L 5 ER 99/05 KR) das UWG in Wettbewerbsstreitigkeiten zwischen\ngesetzlichen Krankenkassen nicht für anwendbar (ebenso LSG Saarland im Beschl.\nv. 21.6.2006 - L 2 B 5/06 KR; offenbar auch Hessisches LSG im Beschl. v.\n8.9.1999 - L 1 KR 981/99 ER). Zu den „Unternehmern“, deren Schutz als\n„Mitbewerber“ das UWG bezweckt (§§ 1; 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG), gehören nicht die\nöffentlich-rechtlichen Körperschaften, wenn sie im Rahmen mittelbarer\nStaatsverwaltung, also nicht fiskalisch, tätig sind. § 2 Abs. 2 UWG verweist\nhinsichtlich des Unternehmerbegriffs auf § 14 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).\nDiese Vorschrift umfasst zwar grundsätzlich juristische Personen, also auch\nsolche des öffentlichen Rechts und damit Körperschaften des öffentlichen\nRechts (vgl. Lehmler, UWG, Rdnr. 14 zu § 2), somit auch gesetzliche\nKrankenkassen nach § 29 Abs. 1 SGB IV. Das gilt allerdings nicht in den\nFällen, in denen die Leistungsbeziehungen ausschließlich öffentlich-rechtlich\norganisiert sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., Rdnr. 2 zu § 14). Der im\nUWG vorausgesetzte Unternehmensbezug grenzt die Wettbewerbshandlungen von den\nrein hoheitlichen Betätigungen ab. Letztere unterfallen nicht dem UWG\n(Lehmler, a. a. O., Rdnr. 16 zu § 2). Das Verhältnis der gesetzlichen\nKrankenkassen zu deren Mitgliedern ist rein hoheitlich organisiert (§§ 1 Abs.\n1 SGB X, 21 SGB I). Damit sind auch Handlungen der gesetzlichen Krankenkassen\nuntereinander, die auf die Werbung neuer Mitglieder bzw. auf die Verhinderung\nder Abwerbung von Mitgliedern gerichtet sind, hoheitlich ausgerichtet (BSG v.\n20.4.1988 - 3/8 RK 4/87). Daher kann das für das gewerbliche Wettbewerbsrecht\nentwickelte Instrumentarium nicht auf die Rechtsbeziehungen und den Wettbewerb\nzwischen gesetzlichen Krankenkassen übertragen werden (BSG vom 31.3.1998 - B 1\nKR 9/95 R; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6.6.02 - L 16 R 57/01).\nNach alledem kann auf eine Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes nicht\nverzichtet werden.\n\n29\n\n \n\nAn einem solchen fehlt es ferner aus den im angefochtenen Beschluss im\nAnschluss an den Beschluss des Landessozialgerichts des Saarlandes vom 14.\nFebruar 2007 (L 2 B 10/06 KR) angeführten Gründen. Auch der Senat ist der\nAnsicht, dass ein Bedürfnis für einen gerichtlichen Eilrechtsschutz, also ein\nschützenswertes Interesse, nicht erkennbar ist, wenn die Antragstellerin, hier\ndie Beschwerdeführerin, die Möglichkeit hat, das geltend gemachte Recht auf\neinfachere Weise außerprozessual zu erreichen. Das war und ist hier der Fall.\n\n30\n\n \n\nMit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass die\nBeschwerdeführerin das von der Beschwerdegegnerin im Schreiben vom 5. März\n2007 gemachte Gesprächsangebot auf Vorstandsebene hätte nutzen können und\nmüssen. Das folgt aus der in § 4 Abs. 3 SGB V normierten Pflicht zur\nZusammenarbeit, die auch kassenübergreifend besteht (Krauskopf, Soziale\nKranken- und Pflegeversicherung, Rdnr. 12 zu § 4 SGB V). Entsprechendes ergibt\nsich auch aus § 86 SGB X. Beide Vorschriften normieren nicht nur einen\nProgrammsatz mit relativ unverbindlichem Charakter, sondern einen allgemeinen\nGrundsatz mit uneingeschränkter Rechtsverbindlichkeit, dessen konkrete\nAusformung sich nach den möglichen Handlungsfeldern der Zusammenarbeit\nbestimmt (Krauskopf, a. a. O.). Aus dieser rechtlichen Verpflichtung zur\nZusammenarbeit folgt u. a. eine Pflicht zumindest zum Versuch einer\neinvernehmlichen Regelung von Streitigkeiten zwischen verschiedenen\nKrankenkassen. Diese Handlungspflicht muss einer Beschreitung des Rechtsweges\n- in welcher Form auch immer - vorgeschaltet sein. Nur dann kommen die\nKrankenkassen ihrer sich aus den §§ 4 Abs. 3 SGB V, 86 SGB X ergebenden\nVerpflichtung auch nach. Eine derartige Zusammenarbeit ist insbesondere\ngegenüber einem Eilrechtsschutz vorrangig. Denn dieser kommt schon seiner\nNatur nach nur bei der Gefahr einer auf andere Weise nicht zu verhindernden\nRechtsgutverletzung in Betracht. Eine solche Gefahr ist nicht ersichtlich,\nwenn der gesetzlich angeordneten Pflicht zur Zusammenarbeit nicht nachgekommen\nworden ist und damit nicht ausgelotet wurde, ob eine - weitere -\nRechtsgutverletzung überhaupt zu befürchten ist.\n\n31\n\n \n\nFür den Senat ist der Vortrag der Beschwerdeführerin, das Gesprächsangebot der\nBeschwerdegegnerin sei nicht ernst gemeint gewesen, nicht nachvollziehbar.\nHierfür ergibt sich aus den Akten nichts. Die Beschwerdeführerin hat nicht\neinmal den Versuch eines klärenden Gesprächs gemacht, sondern weniger als eine\nWoche nach dem Erhalt des Schreibens der Beschwerdegegnerin vom 5. März 2007\nden Eilrechtsschutzantrag beim Sozialgericht eingereicht.\n\n32\n\n \n\nMit dem Sozialgericht und dem LSG für das Saarland (a. a. O.) hält der Senat\nzudem grundsätzlich die Einschaltung der Aufsichtsbehörde für vorrangig\ngegenüber dem Antrag auf Eilrechtsschutz (anders: LSG Nordrhein-Westfalen im\nBeschluss vom 28.5.2002 - L 5 B 29/02 KR ER; LSG Rheinland-Pfalz im Beschluss\nvom 21.6.2007 - L 5 ER 158/07 KR, jeweils ohne nähere Begründungen). Aus der\nEinbindung der gesetzlichen Krankenkassen in die mittelbare Staatsverwaltung\nfolgt deren Verpflichtung, die gesetzlich zur Verfügung gestellten\nVerwaltungsinstrumente zur Regelung von Streitigkeiten zu nutzen, bevor eine\nLösung außerhalb der Verwaltungsebene gesucht wird, also hier die Gerichte,\njedenfalls im vorläufigen Rechtsschutz, angerufen werden. Mit den §§ 87 Abs.\n1, 89 SGB IV hat der Gesetzgeber die Möglichkeit aufsichtsrechtlichen\nEinschreitens bei Rechtsverletzungen eines Verwaltungsträgers geschaffen. Da\ndie Beschwerdeführerin eine solche Rechtsverletzung der Beschwerdegegnerin\nbehauptet, hätte sie diese Frage durch die Aufsichtsbehörde klären lassen und\nggf. die Behörde um entsprechendes Einschreiten ersuchen können (ebenso\nHessisches LSG im Beschluss vom 8.9.1999 - L 1 KR 981/99 ER; offenbar auch LSG\nNordrhein-Westfalen im Beschluss vom 15.11.2006 - L 16 B 28/06 KR ER). Die\nArgumentation der Beschwerdeführerin, sie habe es nicht in der Hand, dass die\nAufsichtsbehörde tätig werde, ist zum einen rein spekulativ, da sie einen\nentsprechenden Antrag bei der Aufsichtsbehörde bisher noch nicht gestellt hat.\nZum anderen ergibt sich aus Rdnr. 50 der Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der\nAufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung in der Fassung vom 9.\nNovember 2006, dass bei Verstößen gegen diese Wettbewerbsgrundsätze die\nAufsichtsbehörde tätig wird . Damit liegt, wie bereits das Sozialgericht\nzutreffend ausgeführt hat, eine Selbstbindung der Aufsichtsbehörde im Sinne\neines Tätigwerdens vor. Sollte die Aufsichtsbehörde entgegen dieser\nFormulierung tatsächlich untätig bleiben, könnte die Beschwerdeführerin immer\nnoch die vorgesetzte Stelle, hier also das Ministerium, anrufen und im\nAnschluss den Rechtsweg beschreiten.\n\n33\n\n \n\nNach alledem ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Glaubhaftmachung\neines Anordnungsgrundes zu bejahen. Deshalb kann dahinstehen, ob ein\nAnordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist.\n\n34\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 184, 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs.\n2 Verwaltungsgerichtsordnung.\n\n35\n\n \n\nDer Streitwert wird nach den §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG; 52 Abs. 1, 2; 53 Abs.\n3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz mit 5.000,00 EUR festgesetzt. Dieser\n„Auffangstreitwert“ ist anzusetzen, da das wirtschaftliche Interesse der\nBeschwerdeführerin nicht beziffert werden kann und genügende tatsächliche\nAnhaltspunkte für eine Schätzung fehlen. Es ist nicht ersichtlich, ob und ggf.\nwie viele Mitglieder die Beschwerdeführerin durch die Werbemaßnahme verloren\nhat bzw. wie viele potentielle Mitglieder ihr nicht beigetreten sind. Zudem\nist es nicht möglich, das wirtschaftliche Interesse einer gesetzlichen\nKrankenkassen an einem Mitglied zu beziffern (ebenso LSG für das Saarland im\nBeschluss vom 21.6.2006 - L 2 B 5/06 KR).\n\n36\n\n \n\nDer Senat hält hier eine Reduzierung des Auffangstreitwertes, wie sonst bei\nEilverfahren üblich, nicht für angezeigt. In Wettbewerbsstreitigkeiten wird in\nder Regel auch in Eilverfahren wegen dessen Bedeutung der gesamte Streitstoff\nzur gerichtlichen Entscheidung gestellt, so dass für die Festsetzung eines\ngeringeren Streitwertes als für ein Hauptsacheverfahren kein Anlass besteht\n(ebenso LSG für das Saarland, a. a. O.; LSG Rheinland-Pfalz im Beschluss vom\n25.11.2005 - L 5 ER 99/05 KR).\n\n37\n\n \n\nDieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).\n\n \n\n
128,507
olgsl-2005-11-09-1-verg-405
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
1 Verg 4/05
2005-11-09
2019-01-07 09:32:57
2019-02-12 12:11:07
Beschluss
## Tenor\n\nI. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der\nzweiten Vergabekammer des Saarlandes vom 10. Juni 2005 - 2 VK 01/2005 - wird\nzuruckgewiesen.\n\nII. Die Kosten des Verfahrens tragt die Antragstellerin.\n\n## Gründe\n\nA.\n\nDie Beteiligten streiten uber die Rechtmaßigkeit der geplanten Vergabe des\nAuftrags „Fahrgeldmanagement/Kartenautomaten" durch die Antragsgegnerin. Diese\nwahlte fur das vorgenannte Projekt die Vergabeart "EU-weites, offenes\nVerfahren" nach den Vorschriften des 4. Abschnitts der VOL/A-SKR. Das\nVergabeverfahren wurde unter der Nummer 2005/S 46-044571 im Supplement zum\nEuropaischen Amtsblatt am 05.03.2005 bekannt gemacht. Der Tag der Absendung\nder Bekanntmachung war der 23.02.2005. Als Angebotsabgabetermin war in der\nVeroffentlichung der 15.04.2005, 24.00 Uhr, vorgesehen. Zur Durchfuhrung des\nVergabeverfahrens bediente sich die Antragsgegnerin des Beratungsburos D.-C.\nDie Ausschreibungsunterlagen wurden von insgesamt 11 Bietern angefordert. Die\nAntragstellerin hatte die Verdingungsunterlagen am 18.03.2005 angefordert und\nam 22.03.2005 erhalten.\n\nMit Schreiben vom 25.03.2003 - noch vor Angebotsabgabe - reichte die\nAntragstellerin bei der Antragsgegnerin ein als "Ruge" bezeichnetes Schreiben\nein, das von dieser als "Bieteranfrage" behandelt und - vervielfaltigt - an\ndie Bieter versendet wurde. In diesem Schreiben beanstandete die\nAntragstellerin eine Vielzahl von Punkten - wegen der Einzelheiten wird auf\ndieses Schreiben Bezug genommen - die ihrer Auffassung nach einen Verstoß\ngegen das Transparenzgebot und das Diskriminierungsverbot begrundeten und die\nsie daher als Bieterin in ihren Rechten verletzen wurden. Mit Schreiben vom\n06.04.2005 nahm die Antragsgegnerin im Einzelnen zu den Beanstandungen\nStellung und teilte mit, dass sie uber dieses Schreiben hinaus keinen\nHandlungsbedarf sehe, insbesondere auch eine Verlangerung der als unangemessen\nkurz gerugten Angebotsfrist nicht erforderlich und auch nicht vertretbar sei.\n\nMit weiterem Schreiben vom 12.04.2005 stellte die Antragstellerin hierauf\nNachprufungsantrag bei der Vergabekammer, den sie im Wesentlichen unter\ngleichzeitiger Wiederholung der bereits gegenuber der Antragsgegnerin zuvor\ngeaußerten Bedenken gegen die Rechtmaßigkeit des Vergabeverfahrens\nfolgendermaßen begrundete:\n\nDie Antragsgegnerin verstoße gegen das Transparenzgebot, in dem sie die\nNachweise zur Beurteilung der Leistungsfahigkeit der einzelnen Bieter erst in\nden Verdingungsunterlagen gefordert und nicht bereits in der Veroffentlichung\nder Ausschreibung darauf hingewiesen habe. Soweit sie die Ruge der\nAntragstellerin als Bieteranfrage umdeklariert und veroffentlich habe, sei\ndies rechtswidrig und verstoße gegen den jedem Bieter zukommenden\nVertrauensschutz. Im Bereich der Life-Cycle-Cost lasse die Ausschreibung nicht\nerkennen, welche Leistung konkret von dem Bieter erwartet wurde. Bei dem\nBeratungsburo D.-C. bestehe Anlass zur Besorgnis, dass dieses der\nAuftragsvergabe nicht unparteiisch gegenuber stehe, denn dieses Buro sei\nbereits in dem vorangegangenen Vergabeverfahren betreffend das\nFahrgeldmanagementsystem fur die Stadtbahn S. GmbH und die Verkehrsbetriebe V.\nGmbH beteiligt gewesen und habe auch im vorliegenden Vergabeverfahren die\nAusschreibung nicht unparteiisch formuliert, sondern auf eine bestimmte Firma,\ndie den Zuschlag erhalten solle, zugeschnitten. Die Ausschreibungsfrist sei\nmit 52 Tagen zu knapp bemessen. Zu rugen sei auch die Moglichkeit eines\nPreisnachlasses, die Gewahrung eines Skontos sowie der Ausschluss der\nVerwendung selbst gefertigter Vervielfaltigungen, Abschriften und\nKurzfassungen. Die Voraussetzungen fur die Teilnahme an einem Vergabeverfahren\nseien mit der Veroffentlichung bekannt zugeben, nachtraglich zusatzlich\nverlangte Nachweise erfullten den Tatbestand der Diskriminierung und seien\ndamit unzulassig. Die Reihenfolge der Wertungsstufen sei falsch. Die\nBietereignung bilde die erste Wertungsstufe, wohingegen die formalen\nAnforderungen des abgegebenen Angebotes die zweite Wertungsstufe betreffe. Die\nWertung in der dritten Stufe "unangemessen niedriger Preis" sei in der von der\nAntragsgegnerin vorgenommenen Form rechtswidrig gewesen. Auch die vierte\nWertungsstufe sei fur den Anbieter transparent und nachvollziehbar\ndurchzufuhren, wozu gehore, dass alle Wertungskriterien bei der Bearbeitung\ndes Angebotes bereits bekannt und nachvollziehbar sein mussten.\n\nAm 15.04.2005 gab die Antragstellerin ein Angebot als Bieterin des in Rede\nstehenden Vergabeverfahrens ab, das sich auf eine Endsumme (einschl.\nFolgekosten) von 551.860,69 Euro (netto) belief. Zum Eroffnungstermin lagen\nzwei weitere Angebote vor, ein Angebot der A. e. GmbH uber einen Gesamtbetrag\nvon 929.987,58 Euro sowie ein Angebot der I. GmbH uber einen Gesamtbetrag von\n850.481,53 Euro.\n\nNach Auswertung der insgesamt drei eingegangenen Angebote teilte die\nAntragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 21.04.2005 gemaß § 13\nVgV mit, dass ihr Angebot nach Maßgabe der §§ 23 Nr. 1d i.V.m. § 25 Nr. 1 S.\n1d und § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A wegen Änderungen und Erganzungen an den\nVerdingungsunterlagen von der Wertung auszuschließen sei und daher nicht\nberucksichtigt werden konne, es sei beabsichtigt, dem Mitbieter A. e. GmbH den\nZuschlag zu erteilen. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 27.04.2005\nhierauf erwidert und zu den dargelegten Ausschlussgrunden fur das Angebot\nStellung genommen. Sie hat ihre mit Schreiben vom 12.04.2005 gestellten\nAntrage, wegen deren Inhalt auf Seite 9 des angefochtenen Beschlusses Bezug\ngenommen wird (Bl. 19 d.A.), um weitere Punkte erganzt.\n\nDie Antragstellerin hat daraufhin **beantragt,**\n\n> > die Antragsgegnerin zu verpflichten, die in der Anlage befindliche\n> Information nach § 13 VgV zuruckzunehmen;\n\n> > das Angebot der Antragstellerin wieder in das Verfahren aufzunehmen und zu\n> werten;\n\n> > von einer Beiladung der Fa. A. abzusehen;\n\n> > das Angebot der Fa. A. wegen mangelnder Leistungsfahigkeit bzw. fehlender\n> Subunternehmerangabe aus dem Verfahren auszuschließen;\n\n> > die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin als dem Bieter\n> mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag zu erteilen;\n\n> > vollstandige Akteneinsicht zu gewahren.\n\nDie Antragsgegnerin hat **beantragt,**\n\n> > den Nachprufungsantrag sowie die weiteren Antrage der Antragstellerin\n> zuruckzuweisen.\n\nSie halt den Nachprufungsantrag bereits fur unzulassig, da der Antragstellerin\ndie erforderliche Antragsbefugnis gemaß § 107 Abs. 2 BGB fehle. Diese habe\nnamlich nicht schlussig und nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihr\ngerugten Vergabefehler uberhaupt ihre Chancen auf den Zuschlag tatsachlich\nbeeintrachtigt oder verschlechtert hatten. Durch die Vorschrift des § 107 Abs.\n2 GWB solle einem Bieter aber die Einleitung eines Nachprufungsverfahrens\nverwehrt werden, wenn dieser selbst bei einem ordnungsgemaß durchgefuhrten\nVergabeverfahren keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags gehabt hatte.\n\nObwohl sich die Antragsgegnerin als so genannter privater Sektorenauftraggeber\nim Anwendungsbereich des 4. Abschnittes der VOL bewege und damit bezuglich der\nVergabeart ein Wahlrecht besitze, sei die Vergabe als offenes Verfahren und\ndamit streng formalisiert durchgefuhrt worden. Deshalb habe sie auch das\nRugeschreiben der Antragstellerin vom 25.03.2005 als erste „Bieteranfrage"\nbehandelt und beantwortet. Durch die Forderung der Eignungsnachweise erst in\nVerdingungsunterlagen sei die Antragstellerin keineswegs diskriminiert. Aus\ndem Zusammenspiel der §§ 7 Nr. 1, Nr. 2 Abs. 2 h) und i), 11 Nr. 1 Abs. 2 SKR\nVOL/A Abschnitt 4 folge mit hinreichender Klarheit, dass die Forderung von\nEignungsnachweisen erst in den Vergabeunterlagen ausreichend sei, zumal sich\ndie Eignungsprufung im „offenen Verfahren" in die Angebotsprufung als solche\nverlagere. Die Übersendung der Angebotsunterlagen sei mithin keinesfalls eine\nBestatigung der Bietereignung, deren Prufung erstmals in der zweiten\nWertungsstufe nach Eingang der Angebote erfolge. Im Hinblick auf den im\nVergabeverfahren stets zu beachtenden Gleichheitsgrundsatz sei sie\nverpflichtet gewesen, die der Antragstellerin erteilten Auskunfte und\nklarstellenden Hinweise, auch allen ubrigen Auftragsinteressenten zukommen zu\nlassen. Die Beauftragung des Beratungsburos stehe mit § 16 VgV in Einklang,\nder abschließend die Personen, die als Beauftragte des Auftraggebers im\nVergabeverfahren mitwirken durften, regele § 10 Nr. 1 Abs. 1 SKR-VOL/A\nAbschnitt 4 sehe fur das offene Verfahren eine Angebotsfrist von 52 Tagen vor,\ndie vorliegend auch eingehalten worden sei, da die Frist bereits am Tage der\nAbsendung der Bekanntmachung zu laufen beginne. Die Reihenfolge der\nWertungsstufen ergaben sich zwingend aus der gewahlten Vergabeart. Danach\nerfolge im offenen Verfahren auf der ersten Wertungsstufe eine formale\nAngebotsprufung, die zweite Wertungsstufe beinhalte die Prufung der\nBietereignung. Auf der dritten Wertungsstufe werde ausschließlich ein\nmoglicher Verdacht von unauskommlich niedrigen Preisen, keinesfalls aber die\nGesamtkalkulation der Bieter uberpruft. Die Wertungskriterien und deren\nGewichtung seien in den Vergabebedingungen ausreichend dargestellt. Die\nGewichtung der einzelnen Wertungskriterien folge den organisatorischen und\ntechnischen, vor allem wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Antragsgegnerin.\nNach dieser Pramisse stellten die Folgekosten, die das Unternehmen fur die\nDauer von mindestens 10 Jahren zu tragen habe, das wichtigste Kriterium dar\nund wurden folgerichtig mit 50 % gewichtet. Die Ausfuhrungen zum Life-Cycle-\nCost entbehrten jeder Grundlage, da Art, Umfang und Haufigkeit der\nWartungsarbeiten von der Antragstellerin individuell zu bestimmen und in die\nKostenberechnung einzubeziehen seien.\n\nWegen der Ausfuhrungen der Antragsgegnerin im Einzelnen wie auch zu den\nweiteren Rugen (Verbot gefertigter Vervielfaltigungen, Preisnachlass, Skonti\npp.) wird auf den Inhalt ihrer Stellungnahme zum Nachprufungsantrag Bezug\ngenommen.\n\nNachdem die Vergabekammer die Beteiligten am 24.05.2005 (erneut) darauf\nhingewiesen hat, dass sie beabsichtige ohne mundliche Verhandlung nach Lage\nder Akten zu entscheiden (§ 112 Abs. 2 Satz 2 GWB), hat sie durch Beschluss\nvom 10. Juni 2005 die Antrage der Antragstellerin, soweit sie nicht schon\ndurch den Verlauf des Vergabenachprufverfahrens ihre Erledigung gefunden\nhaben, zuruckgewiesen.\n\nZur Begrundung ihrer Entscheidung hat sie im Wesentlichen ausgefuhrt, dass der\nAntragstellerin bereits die erforderliche Antragsbefugnis gemaß § 107 Abs. 2\ni.V.m. § 108 Abs. 2 GWB fehle und dem Nachprufungsantrag bereits deshalb der\nErfolg zu versagen sei. Das Angebot der Antragstellerin sei namlich zu Recht\nnach Maßgabe der §§ 23, 25 und 21 VOL/A wegen Änderungen und Erganzungen an\nden Verdingungsunterlagen auszuschließen gewesen. Insoweit sei der\nVergabestelle auch kein Ermessensspielraum eroffnet. Der Ausschluss sei auch\naufgrund des Fehlens von Erklarungen und Nachweisen, d.h. Unterlagen im Sinne\nvon § 7 Nr. 2i SKR-VOL/A, deren Vorlage die Antragsgegnerin zulassigerweise in\nden Angebotsunterlagen erbeten hatte, gerechtfertigt. Eine Zuschlagserteilung\nauf das Angebot der Antragstellerin scheide damit von vornherein aus. Ein\nBieter, der ein ausschlussreifes Angebot abgegeben habe, sei im\nNachprufungsverfahren nicht antragsbefugt. Denn Sinn und Zweck dieses\nErfordernisses sei es, zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei\nordnungsgemaß durchgefuhrtem Vergabeverfahren keine Aussicht auf\nBerucksichtigung seines Angebotes und auf Erteilung des Zuschlags gehabt\nhatte, ein - investitionshemmendes - Nachprufungsverfahren einleiten konne.\n\nGegen diesen der Antragstellerin am 18.06.2005 zugestellten Beschluss hat die\nAntragstellerin mit einem am 04.07.2005 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 1 f. d.\nA.) sofortige Beschwerde eingelegt.\n\nZur Rechtfertigung ihres Rechtsmittels macht sie im Wesentlichen geltend, dass\ndie Vergabekammer zu Unrecht die Antragsbefugnis der Antragstellerin verneint\nund im Hinblick darauf den Nachprufungsantrag bereits als unzulassig\nzuruckgewiesen habe. Insoweit sei nicht hinreichend dem Umstand Rechnung\ngetragen worden, dass die Antragstellerin gerade auch durch die gerugten\nMangel bei der Ausschreibung in ihren Chancen beeintrachtigt gewesen sei, ein\nwertbares Angebot mit Aussicht auf Zuschlagserteilung abzugeben. Hinzu komme,\ndass das Angebot der A. e. GmbH in mehrfacher Hinsicht von der Wertung\nauszuschließen gewesen sei, so dass die Antragstellerin als diejenige\nBieterin, die das gunstigste Angebot abgegeben habe, reale Chancen besaße, den\nZuschlag zu erhalten, wenn deren Gebot nicht berucksichtigt werde. Der\nNachprufungsantrag sei auch der Sache nach aufgrund der von ihr gerugten\nRechtsverstoße gerechtfertigt, dies gelte insbesondere fur das unzulassige\nNachschieben von Anforderungen, welche in der Vergabeveroffentlichung nicht\nenthalten waren, das Fehlen einer hinreichend genauen Leistungsbeschreibung\nhinsichtlich der Life-Cycle-Cost, das Zuschneiden technischer Anforderungen\nauf die Produkte eines bestimmten Bieters, ohne dass eine technische\nNotwendigkeit fur das Aufstellen dieser Anforderungen bestehe, sowie die\nFestlegung einer zu kurzen Bearbeitungszeit.\n\nNachdem die Antragstellerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in die\nVergabeakten Akteneinsicht genommen hat, erganzt und vertieft sie ihr\nbisheriges Vorbringen mit Schriftsatz vom 23.09.2005 (Bl. 105 f. d. A.), vom\n12.10.2005 (Bl. 183 f d. A.) und vom 26.10.2005 (Bl. 232 f. d. A.). Zur\nRechtfertigung ihres Rechtsmittels legt sie erganzend dar, dass das Angebot\nder A. e. GmbH wegen einzelner Defizite (im Einzelnen Bl. 105 f. d. A.) von\nder Wertung habe ausgeschlossen werden mussen.\n\nDurch Beschluss vom 07.07.2005 (Bl. 39 ff. d. A.) hat der Senat die\naufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den\nBeschluss der Vergabekammer des Saarlandes vom 10. Juni 2005 einstweilen bis\nzur Entscheidung uber den Verlangerungsantrag verlangert und der\nAntragsgegnerin untersagt, wahrend der Geltung dieser Anordnung dem anderen\nBieter den Zuschlag zu erteilen.\n\nDie Antragstellerin **beantragt** nunmehr **(Bl. 7 d. A.),**\n\n> > die Entscheidung der Vergabekammer des Saarlandes vom 10.06.2005, Az.: 2\n> VK 01/2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das\n> Vergabeverfahren aufzuheben,\n\n> > hilfsweise,\n\n> > der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebotswertung zu wiederholen und\n> damit das Angebot der Antragstellerin in die Wertung mit einzubeziehen.\n\nDie Antragsgegnerin **beantragt (Bl. 49 d. A.),**\n\n> > die sofortige Beschwerde zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigt den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer und tritt der\nsofortigen Beschwerde unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen\nVorbringens und erganzender Stellungnahme zu den aufgrund der Akteneinsicht\nseitens der Antragstellerin gemachten Ausfuhrungen entgegen.\n\nB.\n\nDie sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulassig (I.), bleibt jedoch\nin der Sache sowohl im Hauptbegehren als auch im Hilfsbegehren (II.) ohne\nErfolg.\n\nI. Die sofortige Beschwerde ist gemaß § 117 Abs. 1 GWB statthaft und form- und\nfristgerecht eingelegt worden (§ 117 Abs. 1-3 GWB). Nach § 100 Abs. 1 GWB\nfinden die Vorschriften uber die Vergabe offentlicher Auftrage auch auf\nprivate Auftraggeber Anwendung, wenn diese als Sektorenauftraggeber im\nVerkehrsbereich tatig sind, und wenn die Auftragswerte die durch\nRechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegten Schwellenwerte erreichen oder\nuberschreiten. Die Hohe des Schwellenwertes hangt von der Art des zu\nvergebenden Auftrags und der Person des Auftraggebers ab. Fur Liefer- und\nDienstleistungsvertrage im Anwendungsbereich des 4. Abschnitts der VOL/A -\ndieser enthalt die in nationales Recht umgesetzten Bestimmungen der\nSektorenrichtlinie (SKR) - betragt der Schwellenwert gemaß § 2 Nr. 1 VgV\n400.000 EUR (vgl. Muller-Wrede, VOL, 1. Aufl., Rz. 2, Einfuhrung 4.\nAbschnitt). Dieser Wert ist vorliegend erreicht. Bei der Antragsgegnerin\nhandelt es sich um einen privaten Sektorenauftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 4\nGWB, der bei der Vergabe derartiger Auftrage den 4. Abschnitt der VOL/A, die\nVorschriften der SKR anzuwenden hat. Die Beteiligten gehen auch\nubereinstimmend davon aus, dass die Vorschriften des 4. Abschnittes wie auch\ndie Vergabevorschriften der VOL/A Anwendung finden.\n\nII. Die sofortige Beschwerde ist indes unbegrundet. Weder der mit ihr\nverfolgte auf Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichtete Hauptantrag (1.) noch\nder auf Wiederholung der Angebotswertung unter Berucksichtigung des Angebots\nder Antragstellerin gerichtete Hilfsantrag (2.) haben in der Sache Erfolg.\n\n1\\. Raum fur die von der Antragstellerin nachgesuchte Entscheidung gemaß § 114\nGWB ist - auch unter Berucksichtigung des eingeschrankt geltenden\nAmtsermittlungsgrundsatzes - nur dann, wenn ein zulassiger Nachprufungsantrag\nvorliegt. Hiervon ist von den Beanstandungen abgesehen, die nicht unverzuglich\nim Sinne des § 107 Abs. 3 GWB erhoben wurden, auszugehen.\n\na)\n\naa) Zunachst ist in Übereinstimmung mit der Vergabekammer davon auszugehen,\ndass die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften im Sinne von § 107 Abs.\n3 GWB - bis auf die unter bb) behandelten Rugen - unverzuglich durch die\nAntragstellerin geltend gemacht wurden. Das Tatbestandsmerkmal der\nUnverzuglichkeit ist im Sinne der Definition des § 121 Abs. 1 BGB zu\nverstehen, d.h., die Ruge muss „ ohne schuldhaftes Zogern" erfolgen\n(Heiermann/Riedl/Rusam, Handkomm. zur VOB, 10. Aufl., § 107 Rz. 30 f. m.w.N.).\nDie Antragstellerin hat zunachst mit Schreiben vom 25.03.2005, eingegangen per\nFax am 29.03.2005, also innerhalb einer Woche nach Erhalt der\nAusschreibungsunterlagen am 22.03.2005, konkrete Beanstandungen erhoben. Sie\nhat per Fax am 12.04.2005 die Einleitung des Nachprufungsverfahrens, also noch\nvor Abgabe des Angebotes initiiert und am 27.04.2005, eingegangen bei der\nAntragsgegnerin am 28.04.2005, eine weitere Ruge erhoben, mit der sie gegen\nden Ausschluss ihres Angebotes vom Vergabeverfahren protestiert hat. Die in\nden vorbezeichneten Schreiben erhobenen Rugen erfolgten mithin noch\nrechtzeitig i. S. d. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB.\n\nbb) Etwas Anderes gilt, soweit die Antragstellerin rugt, das Ende der\nAngebotsfrist sei durch die Antragsgegnerin fehlerhaft berechnet worden. Die\nFrist zur Angebotsabgabe habe nicht am 15.04.2005 , sondern unter\nBerucksichtigung des in diesem Zusammenhang maßgeblichen Artikel 3 EWG/Euratom\nNr. 1182/71 (Bl. 4 d. A.) erst am darauf folgenden Montag, dem 18.04.2005 ,\ngeendet.\n\nAufgrund der Bekanntmachung erkennbare Verstoße gegen Vergabevorschriften sind\ngrundsatzlich gemaß § 107 Abs. 3 S. 2 GWB spatestens bis zum Ablauf der\nAngebotsfrist zu rugen. Nach § 10 Nr. 1 Abs. 1 SKR-VOL/A Abschnitt 4 ist fur\ndas hier von der Antragsgegnerin gewahlte „offene Verfahren" eine\nBearbeitungsfrist von 52 Tagen vorgesehen, gerechnet vom Tage der Absendung\nder Bekanntmachung . Sowohl das Datum der Versendung der Bekanntmachung,\nnamlich der 23.02.2005, wie auch das von der Antragsgegnerin berechnete Ende\nder Angebotsfrist: 14.04.2005 wurden in der Bekanntmachung bereits angegeben.\nSoweit die Antragstellerin nunmehr erstmals im Rahmen des Beschwerdeverfahrens\nmit Schriftsatz vom 23.09.2005 (Bl. 90 f d. A.) eine fehlerhafte Berechnung\ndes Endes der Angebotsfrist beanstandet hat, erfolgte die diesbezugliche Ruge\nnicht unverzuglich im Sinne des § 107 Abs. 3 S. 2 GWB. Ihrer Rechtsnatur nach\nist die rechtzeitige Ruge im Vergabeverfahren erkannter oder hier erkennbarer\nVerstoße gegen Vergabevorschriften gegenuber dem Auftraggeber eine\nObliegenheit. Erfolgt die Ruge nicht rechtzeitig, wird der darauf bezogene\nAntrag als unzulassig zuruckgewiesen, d.h., der Anspruch auf Nachprufung geht\nin diesem Punkt verloren (Heiermann/Riedl/Rusam, a.a.O., 10. Aufl., § 1a Rz.\n22).\n\nUnabhangig davon vermag der Senat auch einen Verstoß gegen § 10 Nr. 1 Abs. 1\nSKR-VOL/A Abschnitt 4 nicht zu erkennen, worauf im Rahmen der sachlichen\nÜberprufung der weitergehenden Beanstandung einer insgesamt zu kurzen\nBearbeitungszeit naher eingegangen wird.\n\nSoweit die Antragstellerin nunmehr im Rahmen eines nachgelassenen\nSchriftsatzes (Bl. 232 f d. A.) erstmals konkret die Berechtigung der\nAntragsgegnerin in Frage stellt, den Nachweis von Referenzobjekten in der\ngeforderten Anzahl von den Bietern zu verlangen, ist die diesbezugliche Ruge\nim Hinblick darauf, dass ein hierauf gestutzter moglicher Vergabeverstoß\nbereits aus den Verdingungsunterlagen ersichtlich war, jedenfalls - was keiner\nVertiefung bedarf - nicht unverzuglich i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB erfolgt und\ndamit einer Sachprufung entzogen.\n\nb) Allerdings ist der Nachprufungsantrag der Antragstellerin entgegen der\nAuffassung der Vergabekammer nicht mangels Fehlens der Antragsbefugnis im\nSinne des § 107 Abs. 2 GWB unzulassig .\n\nSoweit die Vergabekammer die Zulassigkeit des Nachprufungsantrages mit der\nBegrundung verneint hat, dass der Antragstellerin die Antragsbefugnis fehle,\nweil ihr Angebot ohnehin aus anderen als den zur Überprufung gestellten\nGrunden auszuschließen gewesen sei, kann dem nach Auffassung des Senates nicht\ngefolgt werden. Gemaß § 107 Abs. 2 i.V.m. § 108 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen\nantragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in\nseinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB auf Einhaltung der Vergabebestimmungen\ngeltend macht. Diesem Erfordernis ist genugt, wenn mit dem Nachprufungsantrag\neine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlussig vorgetragen und\ndargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die Verletzung der\nVergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, weil\ndieses ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erhalt des Zuschlags gehabt\nhatte. Nicht erforderlich ist, dass bereits festgestellt werden kann, dass der\nbehauptete Verstoß tatsachlich vorliegt. Einem Bieter, der auf die\nAusschreibung hin ein Angebot abgegeben, damit sein Interesse an dem Auftrag\nbekundet hat und im Nachprufungsverfahren die Rechtmaßigkeit der Entscheidung\ndes Auftraggebers, sein Angebot nicht als das beste Angebot zu bewerten, zur\nÜberprufung stellt, kann - nach einer neueren Entscheidung des\nBundesgerichtshofes - der Zugang zum Nachprufungsverfahren daher nicht mit der\nBegrundung verwehrt werden, sein Angebot sei aus anderen als mit dem\nNachprufungsantrag zur Überprufung gestellten Grunden auszuschließen gewesen\n(BGH Urteil v. 18.05.2004, Vergabe R 2004, 473 f., 476). Ausgehend von der\nEntscheidung des Europaischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 19.06.2003, Rs.\nC-249/01, „Hackermuller") hat sich der Bundesgerichtshof mit der\nAntragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB befasst (BGH NZBau 2004, 457 f;\nVergaberecht 2004, 473 f). Den Entscheidungen ist gemeinsam, dass an die\nDarlegung der Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden\ndurfen und die Prufung behaupteter Vergaberechtsverstoße wieder der\nBegrundetheitsprufung zugeordnet wird.\n\nII. Weder die Ausschreibung noch das bislang durchgefuhrte Vergabeverfahren\nleiden unter schwerwiegenden Mangeln, die eine Aufhebung des Vergabeverfahrens\nund dessen Neudurchfuhrung gebieten wurden (1.)\n\nDaruber hinaus hat die Antragsgegnerin zu Recht das Angebot der\nAntragstellerin nach § 23 Nr. 1d i.V.m. § 25 Nr. 1 S. 1d und § 21 Nr. 1 Abs. 3\nVOL/A bereits auf der ersten Wertungsstufe ausgeschlossen (2.). Die hierauf\ngerichteten Antrage der Antragstellerin waren daher zuruckzuweisen.\n\n1\\. Die Antragsgegnerin ist als private Sektorenauftraggeberin im Sinne des §\n98 Nr. 4 GWB, fur den die Vorschriften des 4. Abschnitts der VOL/A-SKR\nAnwendung finden, grundsatzlich in der Wahl der Vergabeart frei (§ 3 SKR VOL/A\nAbschnitt 4). Fur die Vergabe vorliegenden Auftrags hat die Antragstellerin\ndie Vergabeart des offenen Verfahrens und damit eines streng formalisierten\nVerfahrens gewahlt.\n\na) Die Forderung bestimmter Nachweise (Referenzen pp) erst in den\nVerdingungsunterlagen rechtfertigt keine Aufhebung des bisherigen\nVergabeverfahrens und seine anschließende Neudurchfuhrung.\n\nAus § 7 Nr. 1 SKR-VOL/A ergibt sich, was Inhalt der Vergabeunterlagen ist,\ndiese bestehen aus dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe) und den\nVerdingungsunterlagen. Nach § 7 Nr. 2 Abs. 2 h) und i) SKR-VOL/A Abschnitt 4\nsind in dem Anschreiben insbesondere anzugeben, die Unterlagen, die dem\nAngebot ggf. beizufugen sind, sowie die maßgeblichen Wertungskriterien im\nSinne von § 11 Nr. 1 SKR-VOL/A, sofern nicht in der Bekanntmachung angegeben\n(§ 9 Nr. 1 SKR-VOL/A). Nach § 11 Nr. 1 Abs. 2 SKR VOL/A Abschnitt 4 durfen bei\nder Wertung der Angebote nur Kriterien berucksichtigt werden, die in der\nBekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. In der Natur des\n"offenen Verfahrens" liegt es zudem, dass alle Interessenten ohne Prufung\nihrer Eignung zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden und die Prufung\nder Bietereignung im "offenen Verfahren" im Rahmen der Angebotsprufung\nstattfindet.\n\nDie Antragsgegnerin hat unter III.1.1. der Bekanntmachung des vorliegenden\nVergabeverfahrens als Sicherheit fur die ordnungsgemaße Durchfuhrung der\nvertraglichen Leistungen ausdrucklich eine selbstschuldnerische Burgschaft\neines europaischen Kreditinstitutes in dem dort naher beschriebenen Umfang\nverlangt. Die Forderung nach weitergehenden Nachweisen (Referenzen, testierte\nBilanzen pp.) erfolgte, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, erst\nin den Verdingungsunterlagen.\n\nZwar mussen bei einer EU - weiten Ausschreibung die geforderten\nEignungsnachweise daruber hinaus auch in der Vergabebekanntmachung aufgefuhrt\nwerden. Der Umstand, dass in der Vergabebekanntmachung noch nicht auf alle\nerforderlichen Unterlagen hingewiesen wurde, die fur die Eignung der Bewerber\nvon Bedeutung sein sollten, fuhrt indes nicht zwangslaufig zur\nRechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens; dies muss jedenfalls dann gelten, wenn\ndiese Forderung allen Bietern - wie hier - in gleicher Weise mitgeteilt wurde\nund so die Chancengleichheit gewahrt bleibt. Die eingangs erwahnten Regelungen\nstellen klar, dass die fur die Wertung der Angebote maßgeblichen Kriterien\nnicht zwingend in der Bekanntmachung angegeben sein mussen. Der Auftraggeber\nbenennt die Auftragskriterien, deren Anwendung vorgesehen ist, entweder in der\nBekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen (§11 Nr. 1 Abs. 2 SKR). In beiden\nFallen kann der Interessent erkennen, ob die Teilnahme am Wettbewerb fur ihn\nuberhaupt lohnend und die kostentrachtige Ausarbeitung eines Angebotes\nerfolgversprechend sind. Jedenfalls wurde die Konfrontation der Bieter mit\nbeizubringenden Unterlagen erst in dem Anschreiben und den\nVerdingungsunterlagen keinen Vergabeverstoß darstellen, der fur sich genommen\nunter Beachtung des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes angesichts seiner Schwere\ndazu fuhren musste, das Vergabeverfahren insgesamt zu wiederholen, solange\neine Heilung im Rahmen einer chancengleichen und wettbewerbsgerechten\nAngebotsprufung noch erfolgen kann. Im Hinblick darauf ware zu beachten, dass\ndas Fehlen zusatzlicher Nachweise im Rahmen der Eignungsprufung jedenfalls\nnicht zulasten des Bieters berucksichtigt werden darf, worauf im Rahmen des\nHilfsantrages naher einzugehen sein wird.\n\nLetztlich ist die Argumentation der Antragstellerin auch deshalb nicht\nuberzeugend, weil die Antragstellerin die in der Bekanntmachung geforderte\nBurgschaftserklarung und die ubrigen, in den Verdingungsunterlagen verlangten\nNachweise bis heute nicht in dem verlangten Umfange nachgereicht hat. Soweit\nin der Bekanntmachung in einzelnen Rubriken vermerkt wurde: "Entfallt", so\nlasst sich der hierzu gehorenden Überschrift zweifelsfrei entnehmen, dass die\nAntragsgegnerin damit zum Ausdruck bringen wollte, dass sie nicht bereits in\nder Bekanntmachung "Teilnahmebedingungen" aufstellen wollte. Ein Verzicht auf\nNachweise, die die Eignung des Bieters betreffen, die stets von der\nVergabestelle zu prufen ist, kann hierin nicht gesehen werden.\n\nb) Die von der Antragstellerin erhobene Ruge einer zu kurzen Bearbeitungszeit\ngreift gleichfalls nicht durch.\n\nGemaß § 10 Nr. 1 Abs. 1 SKR VOL/A Abschnitt 4 betragt die Angebotsfrist im\nRahmen des hier gewahlten "offenen Verfahrens" 52 Tage, gerechnet vom Tage der\nAbsendung der Bekanntmachung . Die Berechnung der Frist erfolgt nach der\nVerordnung: EWG/Euratom Nr. 1182/71 des Rates der Europaischen Union, so dass\nalle Tage einschließlich Feiertage, Sonntage und Sonnabende gelten. Der Tag\nder Absendung der Bekanntmachung war der: 23.02.2005, Ende der Angebotsfrist\nwar - wie von der Antragsgegnerin zutreffend errechnet - der 15.04.2005 .\nSoweit die Antragstellerin rugt, dass die Bearbeitungszeit insgesamt zu kurz\nbemessen gewesen sei, kann ein Vergaberechtsverstoß hierauf nicht gestutzt\nwerden, da die vorgesehene Mindestfrist von 52 Tagen bei zutreffender\nBerechnung der Frist nicht unterschritten wurde. Die Antragstellerin hat ein\nwertbares Angebot eingereicht, dem allerdings bestimmte Unterlagen nicht\nbeigefugt waren. Dass bei einer Verlangerung der Frist auf den 18.04.2005 oder\neinen noch spateren Zeitpunkt die geforderten Unterlagen hatten mit\neingereicht werden konnen, hat die Antragstellerin nicht einmal\nnachvollziehbar dargelegt. Von daher ist nicht ersichtlich, in welcher\nkonkreten Weise sich eine angemessene Verlangerung der Angebotsfrist auf den\nkonkreten Inhalt des Angebotes ausgewirkt hatte. Soweit die Antragstellerin\nrugt, die Antragsgegnerin habe das Ende der Angebotsfrist fehlerhaft\nberechnet, dieses falle auf den 18.04.2005 und nicht, wie von der\nAntragsgegnerin fehlerhaft berechnet auf den 15.04.2005, ist sie mit dieser\nRuge - wie unten ausgefuhrt - bereits prakludiert. Ungeachtet dessen ist sie\nauch sachlich nicht gerechtfertigt, denn die einschlagige Regelung in § 10 SKR\nsieht ausdrucklich vor, dass die Frist am Tag der Absendung der Bekanntmachung\nzu laufen beginnt. Diese weicht insoweit in ihrer Wortfassung von derjenigen\ndes § 18b VOL/A und § 18b VOL/A eindeutig ab.\n\nc) Ohne Erfolg rugt die Antragstellerin das Fehlen einer hinreichend genauen\nLeistungsbeschreibung hinsichtlich der Life-Cycle-Cost und damit einen Verstoß\ngegen § 8 VOL/A. Nach dieser Vorschrift ist die Leistung eindeutig und so\nerschopfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen\nSinne verstehen mussen und die Angebote miteinander verglichen werden konnen.\nSoweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend macht, im Bereich\nder Life-Cycle-Cost sei vollig unklar, welche Leistung, mithin welche\nkonkreten Wartungsarbeiten seitens der Antragsgegnerin erwartet wurden, kann\nsie hierauf einen entsprechenden Verstoß nicht stutzen. Die Antragsgegnerin\nhat hierzu im Einzelnen plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass Art,\nUmfang und Haufigkeit der Wartungsarbeiten nicht von ihr im Einzelnen\nvorgegeben werden konnen, weil diese in technischer Hinsicht von der\nKonstruktion und den gewahlten Materialien/Komponenten des jeweiligen zum\nEinsatz kommenden Produkts abhangen. Hieraus folgt zwangslaufig und liegt es\nin der Natur der Sache, dass die jeweilige Bieterin die erforderlichen\nWartungsarbeiten individuell bestimmt und die hierfur anfallenden Kosten in\nihre Berechnung mit einbezieht. Die Antragsgegnerin konnte daher lediglich die\nAnforderungen an die Leistungsfahigkeit und Nutzungsdauer des Produkts im\nLeistungsverzeichnis definieren. Dies hat sie hinreichend dadurch getan, dass\nsie gefordert hat, dass die Teile und Komponenten des Systems auf eine\nNutzungsdauer von 10 Jahren auszulegen - und bei geringerer Nutzungsdauer\neinzelner Teile - deren Wartungs- und Austauschaufwand als Folgekosten in die\nRechnung einzustellen sind. Die geforderte Detaillierung erfolgt durch die\nFormulare fur die Ermittlung der Folgekosten und die vorgeschriebenen\nErlauterungen. Die Verdingungsunterlagen sind mithin so eindeutig und klar,\nwie sie angesichts der bei der Antragsgegnerin bestehenden Ungewissheit\nhinsichtlich des gewahlten Produkts und der Art der in Ansatz zu bringenden\nLeistungen sein konnen.\n\nd) Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass die technischen\nAnforderungen der Leistungsbeschreibung auf das Produkt eines bestimmten\nAnbieters - hier: der A. e. GmbH - zugeschnitten wurden, um dieser einen\nwettbewerblichen Vorsprung vor den Konkurrenten zu verschaffen. Allein der\nUmstand, dass die A. e. GmbH bereits durch ein anderes, an dem Verkehrsverbund\nbeteiligtes Unternehmen - die Stadtbahn S. GmbH - beauftragt wurde, legt nicht\nnahe, dass diese Bieterin in vorliegendem Vergabeverfahren in\nungerechtfertigter Weise bevorzugt werden soll. Die Änderung des von dem\nProdukt zu tolerierenden Temperaturbereichs zu einer Spanne von -15 Grad C bis\n+50 Grad C stutzt diese Annahme keineswegs und lasst fur sich genommen keinen\nVergabeverstoß erkennen. Die Antragstellerin hat in dem Parallelverfahren vor\ndem Senat 1 Verg 1/05 selbst vorgetragen, dass die Gerate der A. e. GmbH\n(lediglich) einen Temperaturbereich von -15 Grad C und +50 Grad C\nberucksichtigen wurden, mithin sind diese in der Lage, im Rahmen der\nvorliegenden Vergabe der Ausschreibung konforme Gerate zu liefern. Schließlich\nwerden insoweit lediglich die Mindestanforderungen an die zum Einsatz\nkommenden Gerate gestellt und ist kein Bieter - auch nicht die Antragstellerin\n- gehindert, ein Produkt anzubieten, das widerstandsfahiger gegen Hitze und\nKalte ist und damit auch strengeren Anforderungen genugen wurde. Der lapidare\nHinweis der Antragstellerin, wonach Produkte mit der vorbeschriebenen\nTemperaturtoleranz fur den vorgegebenen Zweck ungeeignet seien, verfangt in\ndiesem Zusammenhang nicht und veranlasst insbesondere nicht zu einer\nBeweiserhebung durch Sachverstandigengutachten. Konkrete Anknupfungstatsachen\nhat die Antragstellerin nicht dargelegt, insbesondere ergibt sich aus den\nVorgaben der VDH 700 entgegen deren Auffassung nichts Anderes. Denn diese\nVorgaben haben lediglich den Charakter von Empfehlungen und geben, - worauf\ndie Antragsgegnerin unwidersprochen hinweist - da sie bereits im August 1991\nveroffentlicht wurden, nicht den aktuellen Stand der Entwicklung von Technik\nund Funktionalitat wider. Deren Vorgaben sind auch keineswegs flachendeckend\numgesetzt, da sie bei uneingeschrankter Anwendung zum Ausschluss praktisch\naller Systeme am Markt fuhren wurden. Die Antragstellerin hat im Übrigen nicht\ndargelegt, dass sie selbst in der Lage ware, auf einen breiteren\nTemperaturbereich ausgelegte Gerate - im Gegensatz zu den Mitbietern -\nanzubieten. Der von der Antragstellerin erhobene Vorwurf einer Verletzung der\nChancengleichheit der Bieter kann mithin bereits deshalb nicht durchgreifen,\nweil - wie im vorliegenden Falle - der zu gewahrleistende Mindeststandard fur\nalle Bieter gleich ist.\n\ne) Auch die ubrigen, in dem Nachprufungsantrag vom 12.04.2005 erhobenen Rugen\n(zu 2.: Umdeklarierung der Ruge als Bieteranfrage, Punkt 4. Absatz 4:\nVerwendung selbst gefertigter Vervielfaltigungen, Punkt 4 Absatz 5:\nMoglichkeit eines Preisnachlasses, Punkt 4 Absatz 6.: Gewahrung eines Skontos\npp.) die die Antragstellerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht mehr\nweiter vertieft hat, stellen unter Berucksichtigung der klarenden\nStellungnahme der Antragsgegnerin vom 27.04.2005 im Rahmen des\nNachprufungsverfahrens keine Mangel der Ausschreibung und des durchgefuhrten\nVergabeverfahrens dar, die eine Aufhebung des Vergabeverfahrens und eine\nNeudurchfuhrung gebieten wurden.\n\n2\\. Hilfsantrag:\n\nDer Vergabekammer ist im Ergebnis zuzustimmen, dass der Ausschluss des\nAngebotes der Antragstellerin nicht vergaberechtswidrig war und die\nAntragstellerin mithin nicht in ihren Rechten verletzt ist.\n\nDem Angebot der Antragstellerin fehlen fur dessen Wertung wesentliche\nPreisangaben i. S. d. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A. Ihr Angebot war daher\nzwingend gemaß § 25 Nr. 1 Abs. 1 a) VOL/A von der Wertung auszuschließen.\nAußerdem hat die Antragstellerin Änderungen und Erganzungen an den\nVerdingungsunterlagen vorgenommen (§ 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A), so dass ihr\nAngebot auch aus diesem Grund gemaß § 25 Nr. 1 Abs. 1d) VOL/A zwingend von der\nWertung auszuschließen war.\n\nDie Verdingungsunterlagen enthalten die Regelung, dass die VOL/A Anwendung\nfindet, hiervon gehen die Beteiligten auch ubereinstimmend aus. § 25 VOL/A\nsieht eine Drei- bzw. Vierstufenprufung vor. Die Filterwirkung von formalen\nAusschlussgrunden in der ersten Stufe (beispielsweise unvollstandiges Angebot,\nkeine Unterschrift), Prufung der fachlichen Eignung in der zweiten Stufe\n(Fachkunde, Leistungsfahigkeit, Zuverlassigkeit) sowie der Wertung der\nAngebote in der dritten und vierten Stufe dient zum einen der Entlastung der\nVergabestelle als auch dem fairen Wettbewerb unter den Bietern.\n\n> > a) Das Motiv fur das in §§ 23, 25, 21 VOL/A vorgesehene Verbot der\n> Änderungen und Erganzungen an den Verdingungsunterlagen und die hieran\n> anknupfende harte Sanktion ist die Vergleichbarkeit der Angebote und die\n> Chancengleichheit der Bieter, die sich dem formalen Charakter des\n> Vergabeverfahrens nicht durch mehrdeutige Änderungen an ihren Eintragungen\n> entziehen durfen. Insbesondere soll durch diese Regelung verhindert werden,\n> dass Bieter bewusst mehrdeutige Änderungen an ihren Eintragungen vornehmen,\n> in der Absicht, die Vergabestelle werde sie schon zu ihrem Gunsten auslegen\n> (Muller/Wrede, a.a.O., § 25 Rz. 23).\n\n> > Unter Berucksichtigung dieser Grundsatze hat die Antragsgegnerin im Rahmen\n> ihrer Angebotsprufung das Angebot der Antragstellerin zu Recht bereits auf\n> der ersten Wertungsstufe ausgeschlossen.\n\nSoweit die Antragstellerin einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses\n(Pos. 3, 7, 17,31) mit 1 Euro- Preisen versehen hat, stellen diese keine\nechten Preisangaben im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 a VOL/A dar , da sie dem\ntatsachlichen Aufwand nicht entsprechen konnen. Die Antragstellerin kann in\ndiesem Zusammenhang nicht mit Erfolg argumentieren, die betreffende Software\nsei bereits im Rahmen der Durchfuhrung eines fruheren Auftrags entwickelt\nworden und erfulle auch die Anforderungen des fur den streitgegenstandlichen\nAuftrag erstellten Lastenheftes. Die Antragsgegnerin hat hierzu einsichtig und\nunwiderlegt ausgefuhrt, dass eine aufwandsneutrale Weiternutzung der fruher\nentwickelten Software bereits im Hinblick darauf nicht moglich ist, dass diese\ndie zwischenzeitlich auf Grund der Einfuhrung eines landesweiten Tarifes im\nSaarland per 1. August 2005 geanderten Datengrundlagen und Schnittstellen\nnaturgemaß nicht berucksichtigen kann. Dieser neue landesweite Tarif stellt\ngrundlegend andere Anforderungen an das Vertriebssystem, die die\nAntragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 10.10.2005 durch Gegenuberstellung\nder maßgeblichen Veranderungen im Einzelnen dargelegt und nachvollziehbar\ngemacht hat (Bl. 163 ff. d. A., 172, 173). Auf diesem Hintergrund konnen die\nseitens der Antragstellerin angegebenen 1-Euro-Positionen nicht den\ntatsachlichen erforderlichen Aufwand fur die Entwicklung dieser, den\ngeanderten Datengrundlagen und Schnittstellen angepassten Software darstellen\nund erfullen diese mithin keineswegs das Kriterium des geforderten Preises im\nSinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A.\n\nEin transparentes, gemaß § 97 Abs. 2 GWB auf Gleichbehandlung aller Bieter\nberuhendes Vergabeverfahren, wie es die VOL/A gewahrleisten soll, ist nur zu\nerreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden\nHinsicht und grundsatzlich ohne weiteres vergleichbare Angebote abgegeben\nwerden. Damit ein Angebot gewertet werden kann, ist deshalb jeder in der\nLeistungsbeschreibung vorgegebene Preis, so wie gefordert, vollstandig und mit\ndem Betrag anzugeben, der fur die betreffende Leistung beansprucht wird (zu §\n25 VOB/A: BGH NJW 2002, 2258; BGH VergR 2003,558). Fur in der Ausschreibung\ngeforderte Einheitspreisangaben gilt daher nichts anderes als fur sonstige\nErklarungen nach § 21 Nr. 1 VOL/A. Dabei ist die Frage, ob ein als Grundlage\nder Wertung der Angebote in einem transparenten und die Bieter gleich\nbehandelnder Verfahren geeignetes, weil § 21 Nr. 1 VOL/A genugendes Angebot\nvorliegt, von der Frage zu trennen, ob ein solches Angebot einen unangemessen\nhohen oder niedrigen Gesamtpreis beinhaltet. Das Erfordernis, alle geforderten\nErklarungen abzugeben und insbesondere jeden in der Leistungsbeschreibung\nvorgesehenen Preis, so wie gefordert, vollstandig mit dem Betrag anzugeben,\nder fur die betreffende Leistung beansprucht wird, dient nicht dem Zweck,\nunangemessen hohe oder niedrige Angebote aus der Wertung auszuscheiden;\nvielmehr soll sichergestellt werden, dass die Wirtschaftlichkeit des Angebotes\nim Vergleich zu anderen Angeboten auf transparenter und alle Bieter gleich\nbehandelnde Grundlage festgestellt wird.\n\nDie Antragstellerin hat in dem von ihr abgegebenen Angebot von den insgesamt\n32 Positionen (bzw. 34 Positionen einschl. Option 1 und 2) vier Positionen (3,\n7, 17, 31) mit einem 1-Euro-Preis versehen. Ein Vergleich der durch die\nubrigen Bieter fur diese Positionen in Ansatz gebrachten Preise (A.: 12.920\nEuro, 495 Euro, 4.950 Euro, 15.000 Euro; I.: 38.250 Euro, 8.800 Euro, 8.431,80\nEuro, 3.500 Euro) macht deutlich, dass es sich dabei keineswegs um lediglich\nunbedeutende Positionen des Leistungsverzeichnisses handelt. Mithin kann nicht\ndavon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen der fehlenden Preisangaben auf\nden kalkulatorischen Nachvollzug so gering und nebensachlich sind, dass sie\nfur die Wertung keinerlei Bedeutung haben.\n\nSoweit die Antragstellerin das Leistungsverzeichnis in Position 33 erganzt hat\n("in Position 1 enthalten"), wurde auch dies seitens der Antragsgegnerin zu\nRecht beanstandet. Änderungen an den Verdingungsunterlagen, gleichgultig in\nwelchem Teil und in welchem Ausmaß, sind unzulassig. Die Bieter sind gehalten,\ndie Leistung so anzubieten, wie sie die Vergabestelle nachgefragt hat.\nAngebote, die diesen Erfordernissen nicht genugen, sind zwingend , vom\nVerfahren auszuschließen. Ein Ermessenspielraum besteht insoweit nicht\n(Muller/Wrede, a.a.O., 3 21 Rz. 46 m.w.N.). Bei der vorgenommenen Eintragung\nhandelt es sich um eine Anmerkung, die die Antragstellerin offensichtlich zur\nErlauterung ihres mit 0,00 Euro angegebenen Preises fur erforderlich hielt.\nAuch derartige Erlauterungen durfen nicht in den Verdingungsunterlagen\nangebracht werden, sondern sind auf einer besonderen Anlage dem Angebot\nbeizufugen. Daruber hinaus stellt auch diese statt eines Einheitspreises\nvorgenommene Eintragung keine echte Preisangabe dar und begrundet einen\nVerstoß gegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A. Das Vermischen von Leistungspositionen\nmit den dazugehorigen Preisen beseitigt die Vergleichbarkeit mit den Angeboten\nanderer Bieter. Es wird nicht mehr nachvollziehbar, welche Preise und\nPreisgrundlagen fur eine einzelne Leistung gelten sollen, was im Übrigen ggf.\nauch fur die Bildung von Nachtragspreisen von Bedeutung ist (VÜA Bayern\nVergaberechts-Report11/99,2; BGH ZfBR 1999/17).\n\nDer Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin war mithin bereits aus den\naufgezeigten Grunden gerechtfertigt.\n\na) Nach der vorgefundenen Dokumentation der Angebotsprufung durch die\nAntragsgegnerin waren dem eingereichten Angebot der Antragstellerin zudem in\nder Vergabebekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen geforderte Nachweise\nnicht beigefugt. Dabei handelte es sich um die so genannte\n„Bonitatserklarung", die Umsatz- und Ergebnisentwicklung fur die Jahre 2002,\n2003 und 2004, die testierten Bilanzen fur die Jahre 2002 und 2003. Der von\nder Antragstellerin vorgelegte Handelsregisterauszug war nicht auf dem\nneuesten Stand, die geforderte Erklarung der Finanzverwaltung uber die\nvollstandige Zahlung der Steuern war zum 31.12.2004 abgelaufen.\n\nSoweit die Antragsgegnerin den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin\nauch damit begrundet hat, dass dem Angebot nicht die geforderten Angaben und\nErklarungen beigefugt waren, ist auch dies nicht zu beanstanden. Fehlt eine\nfur die vergleichende Beurteilung der Angebote notwendige Erklarung, so wird\nein Ausschluss des Angebots nicht nur in Betracht kommen, sondern sogar\ngeboten sein (Muller/Wrede, a.a.O, § 25 Rz. 38 f).\n\nIn diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die vorbezeichneten Nachweise und\nUnterlagen - die geforderte Burgschaft einmal ausgenommen- noch in zulassiger\nWeise mit den Verdingungsunterlagen und dem Anschreiben gefordert werden\ndurften. Das Angebot der Antragstellerin durfte namlich bereits deshalb zu\nRecht ausgeschlossen werden, weil die Antragstellerin nicht einmal die bereits\nim Rahmen der Bekanntmachung der Ausschreibung geforderte Burgschaftserklarung\nvorzulegen vermochte.\n\nUnter III.1.1. (geforderte Kautionen und Sicherheiten) der\nVergabebekanntmachung wurde als Sicherheit fur die ordnungsgemaße Durchfuhrung\nder vertraglichen Leistungen ausdrucklich eine selbstschuldnerische Burgschaft\neines europaischen Kreditinstitutes in Hohe von 5 % des gesamten\nAuftragswertes, mindestens jedoch 70.000 Euro bis zur Auftragserteilung\ngefordert. Eine diesen Erfordernissen entsprechende selbstschuldnerische\nBurgschaft eines Kreditinstitutes hat die Antragstellerin indes nicht\nvorgelegt . Dem Angebot der Antragstellerin war lediglich eine allgemeine\nErklarung der <Bankname> aus dem Jahre 2004 beigefugt, die bestatigte, dass\ndie Zusammenarbeit mit der Antragstellerin bislang im Rahmen der gemeinsamen\nAbsprachen verlief. Das Schreiben weist keinen Bezug zum Gegenstand der\nAusschreibung auf und beinhaltet auch keine Gestellung einer\nselbstschuldnerischen Burgschaft durch dieses Institut. Das Fehlen dieser aus\nSicht eines Auftraggebers wesentlichen Erklarung , die maßgeblichen Aufschluss\nuber das finanzielle Leistungsvermogen eines Bieters und damit dessen Bonitat\ngibt, konnte von der Antragsgegnerin daher in zulassiger Weise als\nAusschlussgrund herangezogen werden. Nicht mehr entscheidend kommt es daher\ndarauf an, ob die Antragsgegnerin den Ausschluss des Angebotes auch auf das\nFehlen der weiter von ihr geforderten Unterlagen stutzen durfte.\n\nDaruber hinaus berechtigte die Nichtvorlage der mit der Bekanntmachung bereits\ngeforderten Burgschaftserklarung und damit einer zur Beurteilung der Eignung\neines Bieters maßgeblichen Erklarung die Antragsgegnerin auch, von einer\nfehlenden Eignung der Antragstellerin im Rahmen der Eignungsprufung\nauszugehen, worauf diese sich uber die vorbezeichneten Ausschlussgrunde hinaus\nberufen hat.\n\nIn diesem Zusammenhang kann die Antragstellerin nicht damit gehort werden,\ndass die Antragsgegnerin die Burgschaftssumme als solche im Rahmen der\nVerdingungsunterlagen noch erhoht hat. Die Antragstellerin hat weder mit ihrem\nAngebot noch im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens eine geeignete\nBurgschaftserklarung vorgelegt, und zwar weder eine solche, die den\nErfordernissen der Bekanntmachung noch eine solche die den Bedingungen der\nVergabeunterlagen entsprach. Sie hat daruber hinaus bis heute nicht dargetan,\nuberhaupt in der Lage zu sein, eine entsprechende Sicherheit zu stellen.\n\nHinsichtlich der ubrigen, von der Antragsgegnerin verlangten Nachweise gilt\nFolgendes: Soweit diese nicht erst in den Verdingungsunterlagen, sondern\nbereits in der Vergabebekanntmachung hatten gefordert werden mussen, ware die\nAntragstellerin durch einen hierauf beruhenden Vergabeverstoß im Ergebnis\nnicht in ihren Rechten verletzt. Im konkreten Fall hatte dies zwar ggf. zu der\nKonsequenz gefuhrt, dass die zusatzlichen Vorgaben nicht zu Lasten der\nAntragstellerin im Rahmen der Eignungsprufung hatten berucksichtigt werden\ndurfen. Da das Angebot der Antragstellerin aber bereits aus anderen - von den\nvorstehenden Erwagungen unabhangigen - Grunden keine Berucksichtigung finden\nkonnte, fehlt es an der erforderlichen Kausalitat zwischen dem gerugten\nVergabeverstoß und dem Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin. Im\nÜbrigen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bei\nvorheriger Bekanntmachung die erforderlichen Nachweise, insbesondere\nhinsichtlich der geforderten Referenzobjekte, hatte erbringen konnen. Denn sie\nhat offensichtlich lediglich das von ihr benannte Projekt: Nahverkehr\nHohenlohe, fur das zum Zeitpunkt der Angebotseinreichung noch keine\nSchlussabnahme vorlag, durchgefuhrt.\n\nSoweit diese nunmehr erstmals die Berechtigung der Antragsgegnerin in Frage\nstellt, Referenzen in der konkret geforderten Anzahl von den Bietern zu\nverlangen, ist die diesbezugliche Ruge - wie bereits ausgefuhrt - prakludiert.\nStreitentscheidende Bedeutung kommt diesem Vorbringen ohnehin nicht zu.\n\nb) Soweit die Antragstellerin - nach erfolgter Akteneinsicht - weiterhin\ngeltend gemacht, dass die Angebotsprufung durch die Antragsgegnerin nicht nach\nobjektiven Gesichtspunkten und gleichheitswidrig erfolgt sei, und das Angebot\nder A. e. GmbH gleich aus mehreren Grunden habe ausgeschlossen werden mussen,\nist dem nicht zu folgen.\n\nDas Angebot der A. e. GmbH hat zunachst im Rahmen der ersten Wertungsstufe -\nim Gegensatz zu dem Angebot der Antragstellerin - keine zwingenden\nAusschlussgrunde nach § 25 Nr. 1 VOL/A gezeigt. Daruber hinaus lasst die in\nder zweiten Stufe erfolgte Feststellung der Eignung dieser Bieterin keine\nvergaberechtlichen Verstoße erkennen.\n\naa) Entgegen der Darlegung der Antragstellerin ist nicht festzustellen, dass\ndie A. e. GmbH Änderungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen hat,\naufgrund derer das Angebot zwingend auszuschließen gewesen ware. Soweit\nhandschriftliche Preisangaben vorgenommen wurden (Position 33, 34), erfolgten\ndiese - und dies verkennt die Antragstellerin - an den im Formular\nvorgesehenen Stellen ; die handschriftlichen Eintragungen wurden zudem mit\neinem Stempel versehen. Diese Vorgehensweise entsprach der Vorgabe der\nAntragsgegnerin in der vierten Bieterinformation, weil das Formular in der\nmitgelieferten Excel-Datei in den betreffenden Zeilen nicht ausgefullt werden\nkonnte. Dementsprechend hat auch die Antragstellerin in Position 33 und 34 des\nLeistungsverzeichnisses handschriftliche Eintragungen vorgenommen (0,00, 300)\n, die als solche in der Prufung gerade nicht als Änderungen der\nVerdingungsunterlagen bemangelt wurden.\n\nEbenso wenig ist zu beanstanden - insoweit mag der Hinweis auf § 21 Nr. 1 Abs.\n1 S. 1 VOL/A genugen, der eine solche Vorgehensweise ausdrucklich erlaubt \\-\ndass die A. e. GmbH auf einer gesonderten Anlage eine klarstellende\nErlauterung zu bestimmten Punkten des Leistungsverzeichnisses vorgenommen hat;\neine inhaltliche Änderung der Verdingungsunterlagen ist damit ersichtlich\nnicht erfolgt.\n\nDie Antragstellerin rugt daher vergeblich, dass das Angebot der A. e. GmbH\nzwingend von der Vergabe auszuschließen war. Deren Angebot waren insbesondere\ndie geforderte Burgschaftserklarung wie aber auch die ubrigen, von der\nAntragsgegnerin verlangten Unterlagen beigefugt. Im Hinblick darauf ist es\nauch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin der lediglich fehlenden\nDeckung fur Vermogensschaden im Rahmen der vorgelegten Haftpflichtpolice keine\nwesentliche Bedeutung beigemessen hat, wobei im Übrigen auch die seitens der\nAntragstellerin eingereichte Haftpflichtpolice keine Deckung fur\nVermogensschaden im geforderten Umfange aufwies. Nachdem lediglich das Angebot\ndieser Bieterin in den vorangegangenen Wertungsstufen bestanden hatte, ist\nauch die vorgenommene Wertung der Antragsgegnerin auf der dritten und vierten\nStufe, wonach deren Angebot als das wirtschaftlichere Angebot ermittelt wurde,\nnicht zu beanstanden. Nach § 11 Nr. 1 Abs. 1 SKR-VOL/A ist der Auftrag auf das\nwirtschaftlich gunstigste Angebot unter Berucksichtigung der dort im Einzelnen\naufgefuhrten Kriterien zu erteilen. Dieses fur die Auftragsvergabe maßgebliche\nWertungskriterium hat die Antragsgegnerin auch vergabekonform bereits mit der\nBekanntmachung veroffentlicht.\n\nNach alledem ist nicht ersichtlich, dass dem Angebot der A. e. GmbH\nvergaberechtswidrig der Vorzug gegeben wurde.\n\nDie sofortige Beschwerde der Antragstellerin erweist sich mithin als\nunbegrundet.\n\nDie Kostenentscheidung fur das Verfahren der sofortigen Beschwerde folgt aus\nder analogen Anwendung der §§ 91, 97 ZPO (vgl. BGHZ 146, 202, 217; Bechthold,\nKartellgesetz, 2. Aufl., § 123 GWB Rz. 2).\n\nEine Vorlagepflicht gemaß § 124 Abs. 2 GWB besteht nicht. Der Senat weicht in\nden seine Entscheidung leitenden Erwagungen weder von der Rechtsauffassung\neines anderen Beschwerdegerichts noch von derjenigen des Bundesgerichtshofs\nab.\n\n
128,567
ovgsl-2005-12-21-2-w-2805
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 W 28/05
2005-12-21
2019-01-07 09:33:28
2019-02-12 12:11:17
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom\n30. August 2005 - 12 F 21/05 - wird zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert wird fur das Beschwerdeverfahren und - unter Abanderung der\nerstinstanzlichen Festsetzung auch - fur das erstinstanzliche Verfahren auf\n5.000,- Euro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nDie Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\ndes Saarlandes vom 30.8.2005 - 12 F 21/05 -, mit dem sein Antrag, die\naufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19.5.2005 gegen die mit Bescheid\ndes Antragsgegners vom 15.4.2005 erlassene, fur sofort vollziehbar erklarte\nAusweisungsverfugung und die sofort vollziehbare Ablehnung der Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis wiederherzustellen bzw. anzuordnen, zuruckgewiesen wurde,\nist zulassig, aber nicht begrundet.\n\nDie Tatsache, dass er nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2005 mit\nder Erhebung der Anfechtungsklage - 2 K 188/05 - einen weiteren\nAussetzungsantrag - 12 F 38/05 - beim Verwaltungsgericht gestellt hat, ist fur\ndie Zulassigkeit des vorliegenden Aussetzungsantrags ohne Bedeutung.\n\nZur Begrundung seiner Beschwerde hat der Antragsteller im Wesentlichen\nausgefuhrt, an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestunden\nernstliche Zweifel. Er bemuhe sich seit seiner Inhaftierung ernsthaft und\nintensiv um eine Therapie seiner Suchterkrankung, habe bisher aber nur an\neiner Alkoholiker-Selbsthilfegruppe teilnehmen konnen. Eine effiziente\nTherapie sei ihm nicht zuganglich, gleichwohl bemuhe er sich seit Jahren\ndarum. Dies allein belege bereits, dass er an sich arbeite und alles zu tun\nbereit sei, eine von ihm ausgehende Gefahr fur die Allgemeinheit zu bekampfen.\nSo habe er mit Schreiben seines ihn in Strafvollstreckungsfragen vertretenden\nRechtsanwalts vom 14.9.2005 bei der Anstaltsleitung der JVA A-Stadt darum\nersucht, ihm die Moglichkeit einer stationaren Suchttherapie zu geben. Sein\nVollzugsverhalten sei beanstandungslos. Demnach konne keine Rede davon sein,\ndass durch ihn neue Verfehlungen ernsthaft drohten und von ihm eine bedeutsame\nGefahr fur ein wichtiges Schutzgut ausgehe. Vielmehr dokumentiere er seine\nernsthafte Bereitschaft, sich in Therapie zu begeben, um seine\nSuchtproblematik anzugehen, dass er gewillt sei, in Zukunft ein straffreies\nLeben zu fuhren. Wenn man ihn dagegen keine Therapie durchlaufen lasse, durfe\nman ihm andererseits nicht vorhalten, er habe wegen seiner hochgradigen\nSuchterkrankung eine schlechte Sozialprognose. Nach allem liege ein\nAusnahmefall vor, der ein Abweichen von der gesetzlichen Regel im Hinblick auf\n§ 56 I 2-4 AufenthG rechtfertige. Im Übrigen werde die ihm gegenuber\nausgesprochene Ausweisung nicht dem Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit gerecht.\nZwar habe er den Tatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG verwirklicht, bei dem\nregelmaßig ein schwerwiegender Grund im Sinne des § 56 I 2 AufenthG anzunehmen\nsei. Nach dem Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit sei jedoch auch zu\nberucksichtigen, dass er zwei Kinder in Deutschland habe, zu denen er\nentsprechend seiner Moglichkeiten einen intensiven emotionalen Kontakt pflege.\nAuch bestehe eine eheahnliche Lebensgemeinschaft mit Frau R. Damit sei aber\nArt. 8 II EMRK tangiert. Seitens des Antragsgegners habe keine ausreichende\nInteressenabwagung stattgefunden.\n\nDieses Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerdebegrundung, das nach §\n146 IV 6 VwGO den Umfang der Prufung des Senats im Beschwerdeverfahren\nbestimmt, rechtfertigt keine von der erstinstanzlichen Entscheidung\nabweichende rechtliche Bewertung seines Aussetzungsbegehrens. Zur Begrundung\nkann daher vorab auf die zutreffenden Ausfuhrungen des Verwaltungsgerichts im\nangefochtenen Beschluss vollinhaltlich Bezug genommen werden.\n\nDie Ausfuhrungen des Antragstellers in seiner Beschwerde rechtfertigen nicht\ndie Annahme einer Ausnahme von der gesetzlichen Regel der §§ 53, 56 I 2-4\nAufenthG. Diese Regel des Vorliegens eines schwer wiegenden Grundes der\noffentlichen Sicherheit und Ordnung kann ausnahmsweise durchbrochen werden,\nwenn aufgrund der besonderen Umstande des Einzelfalls die spezial- und\ngeneralpraventiven Zwecke der zwingenden Ausweisung oder der bestimmten\nregelhaften Ausweisungsgrunde nicht in dem erforderlichen Ausmaß zum Tragen\nkommen. Entgegen der Meinung des Antragstellers kann vorliegend nicht\nangenommen werden, dass in spezialpraventiver Hinsicht eine gesteigerte\nWiederholungsgefahr nicht (mehr) feststellbar ware. Es ist anzuerkennen, dass\nsich der Antragsteller um eine Therapierung seiner Suchterkrankungen, die nach\nder Sozialanamnese der JVA A-Stadt "mit ausschlaggebend fur seine delinquenten\nHandlungen" waren, seit Beginn seiner Inhaftierung und noch immer bemuht,\nwobei aber nicht einzuschatzen ist, ob dieses Bemuhen moglicherweise weniger\nauf seinem Wunsch nach einem straffreien, rechtschaffenen Lebenswandel als\nvielmehr auf der Einsicht beruht, dass ohne eine Therapie fur ihn als\nWiederholungstater und angesichts der Schwere der zuletzt abgeurteilten\nStraftaten keine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft in Betracht kommt. Er\nhat sich in der JVA bisher auch beanstandungsfrei verhalten und nicht nur\n„grundsatzlich Interesse an jeder Form von Arbeit innerhalb des Vollzugs"\ngeaußert, sondern ist zwischenzeitlich wohl auch zum Beispiel als Ausspeiser\nund Hofreiniger tatig geworden. Auch dies halt sich allerdings aus der Sicht\ndes Senats im Rahmen des - ordnungsgemaßen - Verhaltens, das jemand zeigt, der\nvorzeitig entlassen werden will. Demgegenuber hat er außer diesem Bemuhen um\nTherapie und seinem Vollzugsverhalten sowie seinen Ankundigungen, nach einer\nEntlassung fur seinen Unterhalt und den seiner Lebensgefahrtin sowie seiner\nbeiden Kinder nun - und zwar erstmals in Deutschland - arbeiten zu wollen,\nnichts aufzuweisen, was gegen eine Wiederholungsgefahr sprechen konnte. Es ist\nzu sehen, dass alle vorherigen Verurteilungen offensichtlich keine nachhaltige\nWirkung erzielt haben. Auch seine Familie hat ihn in der Vergangenheit - trotz\ndargelegter Zuneigung zu seinen Kindern - nicht von erneuten Straftaten\nabhalten konnen. Ob eine Therapie gegen seine Alkoholsucht und seine\nSpielsucht erfolgreich ware, ist nicht abzusehen. Soweit er behauptet, er sei\nmittlerweile suchtfrei, fehlt jegliche bestatigende Aussage Fachkundiger; im\nÜbrigen konnte er seine angebliche, ohne Therapie erreichte Suchtfreiheit\nbisher noch nicht außerhalb der JVA erproben.\n\nAbgesehen davon, dass eine Ausnahme von der Regel-Ausweisung in\nspezialpraventiver Hinsicht somit nicht wegen nicht mehr feststellbarer\nWiederholungsgefahr angenommen werden kann, hat der Antragsteller seine\nAusweisung, soweit sie auch auf generalpraventive Grunde gestutzt ist, in\nseiner Beschwerde nicht angegriffen.\n\nEntgegen der Meinung des Antragstellers ist die Ausweisung auch mit seinem\nRecht auf Achtung seines Familienlebens nach Art. 8 EMRK vereinbar. Nach der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs fur Menschenrechte - EGMR -muss\neine Ausweisung nach Art. 8 II EMRK gesetzlich vorgesehen sein, eines oder\nmehrere der in dieser Bestimmung aufgezahlten, legitimen Ziele verfolgen und\nnotwendig in einer demokratischen Gesellschaft, d.h. verhaltnismaßig sein.\nDies ist vorliegend der Fall. Die Ausweisung des Antragstellers, der\n\n\\- wegen fortgesetzten gemeinschaftlichen unerlaubten Erwerbs von\nBetaubungsmitteln in nicht geringen Mengen in Tateinheit mit fortgesetztem\ngemeinschaftlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betaubungsmitteln in nicht\ngeringen Mengen mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 29.7.1991 zu 18\nMonaten Freiheitsstrafe - ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewahrung- ,\n\n\\- wegen fortdauernden unerlaubten Handeltreibens mit Betaubungsmitteln in\nnicht geringen Mengen vom Amtsgericht A-Stadt mit Urteil vom 7.12.1995 zu\neiner Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten\n\n\\- wegen Handeltreibens mit Betaubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei\nFallen, in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von\nBetaubungsmitteln in nicht geringer Menge vom Landgericht A-Stadt mit Urteil\nvom 11.6.2002 zu einer Freiheitsstrafe von funf Jahren und sechs Monaten\n\nverurteilt wurde, dient der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung und\nder Verhutung von Straftaten und verfolgt mithin legitime Ziele. Fur die\nBeurteilung der Verhaltnismaßigkeit des Eingriffs in das Familienleben des\nAntragstellers, den die Ausweisung darstellt, kommt es nach der Rechtsprechung\ndes EGMR auf die tatsachlichen Verhaltnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen\nEntscheidung an. Die allein vorgetragene Tatsache, dass der Antragsteller zwei\nKinder hat, zu denen er seiner Aussage nach entsprechend seiner Moglichkeiten\neinen intensiven emotionalen Kontakt pflegt und um die er sich danach immer\ngekummert hat, und vor seiner Inhaftierung eine eheahnliche Lebensgemeinschaft\nmit Frau R fuhrte, genugt vorliegend angesichts der durch die verwirklichten\nStraftaten offenbarten Gefahrlichkeit des Antragstellers nicht, die\nAusweisungsverfugung, die zwischenzeitlich in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vorliegt, als unverhaltnismaßig erscheinen zu lassen.\nDies gilt auch bei Berucksichtigung seiner gesamten Familiensituation.\n\nDer Antragsteller reiste im Alter von rund 29 Jahren in die Bundesrepublik ein\nund betrieb erfolglos ein Asylverfahren. Seine 1993 mit einer Deutschen\ngeschlossene Ehe, mit der er eine 1992 geborene Tochter hat, wurde 1998\ngeschieden. Der Antragsteller besitzt zusammen mit der geschiedenen Ehefrau\ndas gemeinsame Sorgerecht fur die Tochter mit Ausnahme des Rechts der\nerforderlichen Heilbehandlung, das der Mutter ubertragen wurde, bei der sie\nlebt. Die Tochter besuchte ihn in den vergangenen Jahren seiner Inhaftierung\ndrei- bis viermal jahrlich in der JVA. Aus einer eheahnlichen Gemeinschaft mit\neiner marokkanischen Staatsangehorigen, die am 5.7.2002 die deutsche\nStaatsangehorigkeit erhielt, ging das Kind Jassin hervor, das am 30.6.2001\ngeboren wurde. Dieses Kind, das erst rund zwei Monate alt war, als der\nAntragsteller inhaftiert wurde, besucht ihn mit seiner Mutter regelmaßig -\nwohl zwei- bis dreimal pro Monat - in der JVA. Unterhalt hat der Antragsteller\nseinen Kindern nie gezahlt, will ihnen aber ausweislich seiner\neidesstattlichen Versicherung Kleidung gekauft und Geld gegeben haben. Das ist\nvor dem Hintergrund zu sehen, dass er wahrend seines langjahrigen Aufenthalts\nin Deutschland nie einer Arbeit nachgegangen ist, aber in den letzten Jahren\nvor seiner letzten Verhaftung in Spielhallen monatlich zwischen 500,- DM und\n2.000,- DM, drei- bis viermal sogar in einer Woche 1.000,- bis 2.000,- DM\nverspielt hat, Geld, das aus der bezogenen Sozialhilfe, dem Verdienst der\nLebensgefahrtin, aus Autoverkaufen sowie aus den begangenen Straftaten\ngestammt habe. Die letzten eineinhalb Jahre vor der Inhaftierung war ihm die\nSozialhilfe gestrichen worden, weil er sich geweigert hatte, die verlangte\nSozialarbeit abzuleisten.\n\nBei Abwagung einerseits der familiaren Situation des Antragstellers und\nandererseits der Schwere seiner Straftaten und der insoweit bestehenden\nerheblichen Wiederholungsgefahr gebuhrt dem Schutz der offentlichen Sicherheit\nund Ordnung und der Verhutung weiterer durch den Antragsteller drohender\nschwerwiegender Straftaten gegenuber dem Interesse des Antragstellers an\nFortsetzung seines Familienlebens in Deutschland eindeutig der Vorrang.\n\nDie Ausweisung ist auch nicht deshalb unverhaltnismaßig, weil der\nAntragsgegner seine Ausweisungsverfugung nicht mit einer Entscheidung uber die\nBefristung der Ausweisung gemaß § 11 I 1, 3 AufenthG - verbunden hat. Die\nbesondere Familiensituation - insbesondere die Tatsache, dass der\nAntragsteller bisher noch nicht uber eine Aufenthaltsgenehmigung verfugte -\nist nicht in einer Weise gepragt, dass uber die Wirkungen der Ausweisung schon\nin der Ausweisungsverfugung hatte entschieden werden mussen.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 II VwGO.\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht fur das Beschwerdeverfahren auf den §§ 63 II,\n47, 53 III, 52 I, II GKG 2004 und tragt dem Umstand Rechnung, dass eine\nAussetzung sowohl bezuglich der Ausweisungsverfugung als auch bezuglich der\nAblehnung der Aufenthaltserlaubnis begehrt wurde.\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n
139,668
lg-stuttgart-2003-12-18-15-o-37903
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
15 O 379/03
2003-12-18
2019-01-07 14:42:08
2019-01-17 11:59:51
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Hohe\nvon 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.\n\nStreitwert: 35.000,00 EUR.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager verlangt vom beklagten Land Schadensersatz unter dem\nGesichtspunkt der Amtspflichtverletzung eines Prufers im ersten juristischen\nStaatsexamen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Fruhjahr 1999 nahm der Klager am schriftlichen Teil der ersten\njuristischen Staatsprufung in ... teil. Zuvor hatte er die Prufung bereits\neinmal absolviert, diese jedoch nicht bestanden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid des Landesjustizprufungsamtes vom 08.06.1999 wurde ihm\nmitgeteilt, dass er in den Aufsichtsarbeiten Nr. 1 bis 3 im Zivilrecht 3,5\nPunkte, 2,0 Punkte und 3,0 Punkte erzielt hatte. In den ubrigen\nAufsichtsarbeiten Nr. 4 bis 7 hatte er mit 7,0 Punkten, 7,0 Punkten, 6,0\nPunkten und 2,0 Punkten abgeschnitten, so dass er einen Durchschnittswert von\n4,35 Punkten erreicht hatte. \n--- \n| 4 \n--- \n| Entsprechend § 15 JAPrO in der Fassung vom 07.05.1993 wurde er von der\nmundlichen Prufung ausgeschlossen, weil er nicht in mindestens einer\nzivilrechtlichen Aufsichtsarbeit 4,0 oder mehr Punkte erzielt hatte. Er hatte\ndamit die Wiederholungsprufung erneut nicht bestanden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid legte er mit Schreiben vom 06.07.1999 (Anlage B 3,\nBl. 55 d.A.) Widerspruch ein mit dem Antrag, die Aufsichtsarbeit Nr. 1 im\nZivilrecht mit mindestens 4,0 Punkten zu bewerten und ihn zur mundlichen\nPrufung im Fruhjahr 1999 zuzulassen. Den Widerspruch stutzte er „in erster\nLinie" darauf, dass die Bewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 1 mit mangelhaft\n(drei Punkte) durch den Zweitgutachter, Herrn ..., rechtsfehlerhaft gewesen\nsei. Vielmehr ware allein eine Bewertung der Leistung mit der Note ausreichend\n(mindestens vier Punkte) rechtsfehlerfrei gewesen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15.09.1999 zuruckgewiesen, worauf\nder Klager am 19.10.1999 Klage beim Verwaltungsgericht ... einreichte (Anlage\nB 4, Bl. 56 d.A.; Beiakte des Verwaltungsgerichts ..., Az.: 2 K .../99). \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit dieser Klage begehrte er die Aufhebung der Bescheide vom 08.06.1999 und\nvom 15.09.1999 sowie die Neubewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 1. \n--- \n| 8 \n--- \n| Seine Klage stutzte er nunmehr im Wesentlichen auf einen formellen Fehler,\nweil die Aufsichtsarbeit Nr. 1 nicht allein von den als Prufern berufenen\nHerren ... und ... begutachtet worden sei. Im Übrigen wendete er sich auch\ngegen die Bewertung seiner Arbeit mit 4,0 und 3,0 Punkten durch die beiden\nPrufer. \n--- \n| 9 \n--- \n| Gleichzeitig beantragte der Klager nach § 123 VwGO die vorlaufige Zulassung\nzum mundlichen Teil der ersten juristischen Staatsprufung in ... zum\nnachstmoglichen Prufungstermin. Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgericht ...\nmit Beschluss vom 22.11.1999 (Beiakte 2 K .../99 des Verwaltungsgerichts ...)\nzuruckgewiesen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Hiergegen beantragte der Klager mit Schriftsatz vom 01.12.1999 die\nZulassung der Beschwerde. Sein Antrag wurde vom Verwaltungsgerichtshof ... mit\nBeschluss vom 03.01.2000 (Beiakte 9 S .../99 des VGH ...) zuruckgewiesen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Im Hauptsacheverfahren 2 K .../99 vor dem Verwaltungsgericht ...\nunterbreitete dieses am 19.04.2000 den Parteien den Vergleichsvorschlag, dass\nsich das beklagte Land verpflichten solle, die Aufsichtsarbeit Nr. 1 des\nKlagers durch einen anderen Erstprufer neu bewerten zu lassen. Der Abschluss\neines solchen Vergleiches wurde vom Klager am 25.04.2000 (Bl. 267 der Beiakte\n2 K .../99) abgelehnt mit der Begrundung, dass allein das Erstgutachten\nwiederholt werden solle, nicht dagegen das ungunstige Zweitgutachten. \n--- \n| 12 \n--- \n| In der Folgezeit wurde im August 2000 (Bl. 299 der Beiakte 2 K .../99) vom\nLandesjustizprufungsamt aufgrund eines in der mundlichen Verhandlung vom\n28.06.2000 abgegebenen Anerkenntnisses veranlasst, dass die Aufsichtsarbeit\nNr. 1 des Klagers einer erneuten Erstbewertung unterzogen wird. Als Erstprufer\nwurde der ... bestimmt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Nach erfolgter Erstkorrektur sollte die Arbeit dem bisherigen Zweitprufer\n... zum Überdenken seiner bisherigen Zweitbewertung zugeleitet werden. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der neue Erstprufer bewertete nunmehr die Arbeit mit „ausreichend" (6,0\nPunkten), wahrend der bisherige Zweitprufer bei der Benotung mit mangelhaft\n(3,0 Punkten) verblieb (Bl. 307 der Beiakte 2 K .../99). Dies wurde dem Klager\nmit Schreiben vom 02.10.2000 mitgeteilt; zugleich auch, dass er nunmehr zum\nmundlichen Teil der Prufung zuzulassen sei. \n--- \n| 15 \n--- \n| Am 24./26.10.2000 schlossen die Parteien sodann einen außergerichtlichen\nVergleich, wonach die Bescheide vom 08.06.1999 und 15.09.1999 aufzuheben und\nder Klager zur mundlichen Prufung im Januar/Februar 2001 zu laden seien. \n--- \n| 16 \n--- \n| In der ersten Aufsichtsarbeit hatte er nunmehr eine Durchschnittspunktzahl\nvon 4,5 Punkten erreicht und damit insgesamt 4,50 Punkte im schriftlichen Teil\nder Prufung. \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ... wurde von den Parteien\nubereinstimmend fur erledigt erklart und hierauf mit Beschluss vom 02.11.2000\n(Bl. 333 der Beiakte 2 K .../99) eingestellt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Im Verlaufe des verwaltungsrechtlichen Verfahrens hatte sich\nherausgestellt, dass die Randbemerkungen bei der Aufsichtsarbeit Nr. 1 des\nKlagers entsprechend den unterschiedlichen Handschriften von drei\nverschiedenen Personen stammen mussten. Der Erstprufer ... gab hierzu zunachst\nam 16.11.1999 eine dienstliche Erklarung des folgenden Inhalts ab: \n--- \n| 19 \n--- \n| „Die Aufsichtsarbeit Nr. 1 in der ersten juristischen Staatsprufung im\nFruhjahr 1999 in ... mit der Kennzahl ... wurde von mir als Erstgutachter\nselbst korrigiert; Hilfspersonen habe ich bei der Korrektur nicht eingesetzt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Soweit dies bei der mir jetzt vorliegenden Kopie erkennbar war, habe ich\ndie von mir stammenden Randbemerkungen mit rotlichem Marker gekennzeichnet." \n--- \n| 21 \n--- \n| In einer spateren Erklarung an das Landesjustizprufungsamt teilte Herr ...\ndiesem mit Schreiben vom 26.03.2000 (Anlage B 1, Bl. 53 d.A.) mit: \n--- \n| 22 \n--- \n| „Nach erneuter Durchschau der nochmals ubersandten Kopie der oben\nangegebenen Aufsichtsarbeit habe ich, wenngleich die Kopie der\nBleistiftschrift nicht all zu leicht erkennbar ist, diese meiner Ehefrau\nvorgelegt. Sie neigt dazu, dass diese Randbemerkungen wahrscheinlich von ihr\nstammen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Dies durfte darauf beruhen, dass ich bei Erstkorrekturen - sofern ich bei\nden ersten durchgesehenen Arbeiten auf eine schwache Leistung stoße - ihr\ndiese teilweise zu einer Meinungsbildung ubergebe - um der Kandidatin/dem\nKandidaten unabhangig insgesamt gerecht zu werden -. Meine Ehefrau ist als\nlangjahrige Zivilrichterin und Assistentin an der Universitat ebenfalls sehr\nkorrekturerfahren. \n--- \n| 24 \n--- \n| In den Fallen, in denen dies geschieht, stammt aber das Gutachten und die\nBewertung allein von mir - so auch in diesem Fall." \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach der Neubewertung der ersten Aufsichtsarbeit legte der Klager im Januar\n2001 die mundliche Prufung ab und erzielte eine Durchschnittspunktzahl von\n4,95 Punkten. \n--- \n| 26 \n--- \n| Zwischenzeitlich hat der Klager am ...2003 auch das zweite juristische\nStaatsexamen bestanden mit einer Bewertung von 4,33 Punkten. Eine Anstellung\nals Anwalt in einer Kanzlei hat er noch nicht erreicht. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager behauptet, der Erstprufer ... habe die Aufsichtsarbeit Nr. 1\nentgegen § 13 JAPrO nicht personlich begutachtet. \n--- \n| 28 \n--- \n| Er ist der Auffassung, dass hierin eine Amtspflichtverletzung liege, durch\ndie der Klager einen erheblichen Vermogensschaden erlitten habe in Form von\nVerdienstausfall in Hohe von insgesamt 30.365,82 EUR, weil er erst 18 Monate\nspater in das Erwerbsleben als Volljurist eintreten konne und auch als\nAssistent ein geringeres Einkommen erzielt habe. Diesen Anspruch stutzt der\nKlager zusatzlich auf die erste dienstliche Erklarung des Herrn ... vom\n16.11.1999. \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n| 30 \n--- \n| 1\\. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Klager 30.365,82 EUR nebst 5\n% Zinsen uber dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshangigkeit zu bezahlen. \n--- \n| 31 \n--- \n| 2\\. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land dazu verpflichtet ist, dem\nKlager samtlichen bis dato nicht bezifferbaren kunftigen materiellen Schaden,\ninsbesondere den sozialversicherungsrechtlichen Schaden, zu ersetzen, der dem\nKlager durch den Bescheid des Landesjustizprufungsamtes vom 08.06.1999 uber\ndie Ergebnisse des schriftlichen Teils des ersten juristischen Staatsexamens\nim Fruhjahr 1999 entstehen wird. \n--- \n| 32 \n--- \n| Das beklagte Land beantragt: \n--- \n| 33 \n--- \n| Klagabweisung. \n--- \n| 34 \n--- \n| Das beklagte Land behauptet, dass Herr ... die Aufsichtsarbeit Nr. 1 des\nKlagers personlich und allein begutachtet habe. Er habe seine Ehefrau nicht\nals Hilfsperson eingesetzt; insbesondere habe durch diese keine Vorkorrektur\nstattgefunden. Es liege deshalb bereits keine Amtspflichtverletzung vor. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der dienstlichen Äußerung vom 16.11.1999 fehle es an der erforderlichen\nDrittbezogenheit. Schließlich sei das Verhalten des Herrn ... nicht kausal fur\nden vom Klager behaupteten Schaden, der auch der Hohe nach bestritten werde. \n--- \n| 36 \n--- \n| Im außergerichtlichen Vergleich vom 24./26.10.2000 sei ausdrucklich\nfestgehalten, dass etwaige Schadensersatzanspruche des Klagers in keiner Weise\nanerkannt oder bestatigt wurden, was zwischen den Parteien unstreitig ist\n(vgl. auch Bl. 331 der Beiakte 2 K .../99). \n--- \n| 37 \n--- \n| Außerdem erhebt das beklagte Land die Verjahrungseinrede. \n--- \n| 38 \n--- \n| Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die zwischen ihnen\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des\nSitzungsprotokolls vom 16.12.2003 verwiesen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Akten 2 K .../99 und 2 K .../99 des Verwaltungsgerichts ... sowie 9 S\n.../99 des Verwaltungsgerichtshofs ... wurden zu Beweiszwecken beigezogen und\nzum Gegenstand der mundlichen Verhandlung gemacht. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 40 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n| 41 \n--- \n| Der Klager stutzt sein Begehren gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zunachst\ndarauf, dass der Erstprufer ... unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 S. 1 JAPrO die\nAufsichtsarbeit Nr. 1 nicht personlich begutachtet habe, sondern unzulassiger\nWeise seine Ehefrau als Hilfsperson eingeschaltet habe. \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Klager tritt fur diese Behauptung keinen Beweis an, obwohl er fur das\nVorliegen einer Amtspflichtverletzung beweisbelastet ist (vgl.\nBundesverwaltungsgericht, NVwZ 1990, 65 ff.). Er ist der Auffassung, dass das\nverwaltungsgerichtliche Verfahren einen hinreichenden Beweis fur seinen\nKlagvortrag liefere. \n--- \n| 43 \n--- \n| Das beklagte Land hat sich gegenbeweislich auf den Zeugen ... dafur\nberufen, dass dieser die Arbeit personlich ohne Hilfsperson begutachtet habe,\ndass insbesondere durch die Ehefrau des Herrn ... keine Vorkorrektur\nvorgenommen worden sei. \n--- \n| 44 \n--- \n| Auf eine Beweiserhebung zu diesen Fragen kommt es nicht an, da selbst bei\nUnterstellung einer schuldhaften Amtspflichtverletzung durch Herrn ... eine\nsolche nicht kausal ware fur den beim Klager nach seiner Behauptung\neingetretenen Schaden. \n--- \n| 45 \n--- \n| Der Klager ist so zu stellen, als hatte sich Herr ... amtspflichtgemaß\nverhalten. In diesem Falle hatte er - wie auch immer - seine Frau nicht an der\nKorrektur der Arbeit beteiligt mit der Folge, dass der Klager das\nverwaltungsgerichtliche Verfahren nicht auf diesen Formfehler mit dem Ergebnis\nhatte stutzen konnen, dass es schließlich zur Bestimmung eines anderen\nErstprufers und Neubewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 1 durch diesen kam. Aber\nallein durch den neuen wegen des Formfehlers eingesetzten Erstkorrektor wurde\nihm der Weg in die mundliche Prufung eroffnet, nachdem der bisherige\nZweitprufer bei der Benotung mit drei Punkten blieb. \n--- \n| 46 \n--- \n| Ohne den Formfehler des Herrn ... ware dem Klager diese Chance nicht\neroffnet worden. Er hatte zum zweiten Male die erste juristische Staatsprufung\nnicht bestanden und damit unwiderruflich und endgultig. \n--- \n| 47 \n--- \n| Durch den Formfehler des Herrn ... erhielt der Klager die Chance einer\nNeubewertung durch einen wohlwollenden Erstprufer, wie er selbst in der\nmundlichen Verhandlung vom 16.12.2003 einraumte. \n--- \n| 48 \n--- \n| Infolge dieser Neubewertung durfte er am mundlichen Teil der ersten\njuristischen Staatsprufung teilnehmen und bestand diese schließlich mit 4,95\nPunkten. \n--- \n| 49 \n--- \n| Hierdurch wurde ihm wiederum die Moglichkeit eroffnet, das Referendariat zu\nabsolvieren und die zweite juristische Staatsprufung mit 4,33 Punkten\nabzulegen. \n--- \n| 50 \n--- \n| Durch den Formfehler des Herrn ... hat der Klager also keinen\nVermogensschaden in Form von Verdienstausfall erlitten, sondern im Gegenteil\ndie Moglichkeit eroffnet bekommen, irgendwann als Volljurist eine\nAnwaltstatigkeit auszuuben, wie von ihm angestrebt. \n--- \n| 51 \n--- \n| Der Klager hat also durch das unterstellte Fehlverhalten des Herrn ...\nkeinen Nachteil erlitten, sondern ausschließlich einen Vorteil. \n--- \n| 52 \n--- \n| Die hypothetische, aber im Hinblick auf den Beurteilungsspielraum des\nPrufers als außerst entfernt in Betracht kommende Moglichkeit, dass es dem\nKlager u.U. auch gelungen ware, eine Neubewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 1 zu\nerreichen, indem er ausschließlich die Benotung selbst angreift, wie zunachst\nbezuglich des Zweitprufers im Widerspruchsverfahren geschehen, kann bei der\nBeurteilung der Kausalitat außer Betracht bleiben. \n--- \n| 53 \n--- \n| Hierbei handelt es sich um einen anderen Lebenssachverhalt, der mit dem\nFormfehler des Herrn ... nichts zu tun hat. \n--- \n| 54 \n--- \n| Allein auf diesen Formfehler kann der Klager seinen\nAmtspflichtverletzungsvorwurf stutzen, nicht aber auf eine angebliche\nFehlbewertung seiner Aufsichtsarbeit, die nur dann einen Amtshaftungsanspruch\nauslosen konnte, wenn sie außerhalb jeglichen Beurteilungsspielraumes liegen\nwurde, was aber vom Klager selbst nicht behauptet wird. \n--- \n| 55 \n--- \n| Damit verbleibt es dabei, dass der Klager durch das Verhalten des Herrn ...\nkeinen Nachteil erlitten hat, sondern nur einen Vorteil. \n--- \n| 56 \n--- \n| Soweit in der mundlichen Verhandlung vom 16.12.2003 der Klager seinen\nAnspruch zusatzlich darauf stutzt, dass der Erstprufer ... in seiner\ndienstlichen Erklarung vom 16.11.1999 keine wahrheitsgemaße Angabe gemacht\nhabe, so kann der Wahrheitsgehalt dieser dienstlichen Äußerung dahingestellt\nbleiben. \n--- \n| 57 \n--- \n| Ein Amtshaftungsanspruch kame nur in Betracht unter dem Gesichtspunkt der\nVerletzung einer Auskunfts- und Aufklarungspflicht. \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Beamte hat die Amtspflicht, die Auskunft, die er dem Burger gibt,\nrichtig, klar, unmissverstandlich und vollstandig zu erteilen, damit der\nEmpfanger entsprechend disponieren kann. Diese Amtspflicht besteht allerdings\nnur dem gegenuber, dem die Auskunft erteilt worden ist (vgl. Munchener\nKommentar/Papier, BGB, 3. Aufl. 1997, § 839, Rn. 215, m.w.N.). \n--- \n| 59 \n--- \n| Es handelt sich bei der Erklarung des Herrn ... um keine Auskunft oder\nAufklarung gegenuber dem Klager, sondern ausschließlich um eine dienstliche\nÄußerung gegenuber seinem Dienstherren, hier dem Landesjustizprufungsamt. \n--- \n| 60 \n--- \n| Dieser Äußerung fehlt es am erforderlichen Schutzzweck zugunsten des\nKlagers und damit an der Drittbezogenheit. \n--- \n| 61 \n--- \n| Unabhangig davon hat der Klager auch aus dieser dienstlichen Erklarung im\nZusammenhang mit dem Schreiben des Herrn ... vom 26.03.2000 an das\nLandesjustizprufungsamt keinen Nachteil erlitten, sondern nur einen Vorteil. \n--- \n| 62 \n--- \n| Diese beiden Erklarungen waren der Ausloser dafur, dass es zu einer\nNeubewertung der Aufsichtsarbeit des Klagers durch einen anderen Erstprufer\nkam, wodurch dem Klager der Zugang zur mundlichen Prufung, das Ablegen der\nersten und schließlich auch der zweiten juristischen Staatsprufung ermoglicht\nwurden. \n--- \n| 63 \n--- \n| Es fehlt also auch hier an jeglicher Kausalitat zwischen einer etwaigen\nPflichtverletzung des Herrn ... und dem vom Klager geltend gemachten Schaden. \n--- \n| 64 \n--- \n| Der weitere Streit der Parteien uber die Hohe dieses Schadens kann im\nHinblick auf vorstehende Ausfuhrungen dahingestellt bleiben, so dass sich auch\neine Vernehmung des Zeugen ... erubrigt. \n--- \n| 65 \n--- \n| Auch auf die vom beklagten Land erhobene Verjahrungseinrede kommt es nicht\nmehr an. Sie ware im Übrigen nicht erfolgreich, da noch vor Ablauf der\nVerjahrungsfrist die Klage anhangig geworden ist und dem richtigen Vertreter\ndes beklagten Landes „alsbald" zuging. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Klage war deshalb in vollem Umfang abzuweisen mit der Kostenfolge des §\n91 ZPO. \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708\nNr. 11, 709 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 40 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n| 41 \n--- \n| Der Klager stutzt sein Begehren gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zunachst\ndarauf, dass der Erstprufer ... unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 S. 1 JAPrO die\nAufsichtsarbeit Nr. 1 nicht personlich begutachtet habe, sondern unzulassiger\nWeise seine Ehefrau als Hilfsperson eingeschaltet habe. \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Klager tritt fur diese Behauptung keinen Beweis an, obwohl er fur das\nVorliegen einer Amtspflichtverletzung beweisbelastet ist (vgl.\nBundesverwaltungsgericht, NVwZ 1990, 65 ff.). Er ist der Auffassung, dass das\nverwaltungsgerichtliche Verfahren einen hinreichenden Beweis fur seinen\nKlagvortrag liefere. \n--- \n| 43 \n--- \n| Das beklagte Land hat sich gegenbeweislich auf den Zeugen ... dafur\nberufen, dass dieser die Arbeit personlich ohne Hilfsperson begutachtet habe,\ndass insbesondere durch die Ehefrau des Herrn ... keine Vorkorrektur\nvorgenommen worden sei. \n--- \n| 44 \n--- \n| Auf eine Beweiserhebung zu diesen Fragen kommt es nicht an, da selbst bei\nUnterstellung einer schuldhaften Amtspflichtverletzung durch Herrn ... eine\nsolche nicht kausal ware fur den beim Klager nach seiner Behauptung\neingetretenen Schaden. \n--- \n| 45 \n--- \n| Der Klager ist so zu stellen, als hatte sich Herr ... amtspflichtgemaß\nverhalten. In diesem Falle hatte er - wie auch immer - seine Frau nicht an der\nKorrektur der Arbeit beteiligt mit der Folge, dass der Klager das\nverwaltungsgerichtliche Verfahren nicht auf diesen Formfehler mit dem Ergebnis\nhatte stutzen konnen, dass es schließlich zur Bestimmung eines anderen\nErstprufers und Neubewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 1 durch diesen kam. Aber\nallein durch den neuen wegen des Formfehlers eingesetzten Erstkorrektor wurde\nihm der Weg in die mundliche Prufung eroffnet, nachdem der bisherige\nZweitprufer bei der Benotung mit drei Punkten blieb. \n--- \n| 46 \n--- \n| Ohne den Formfehler des Herrn ... ware dem Klager diese Chance nicht\neroffnet worden. Er hatte zum zweiten Male die erste juristische Staatsprufung\nnicht bestanden und damit unwiderruflich und endgultig. \n--- \n| 47 \n--- \n| Durch den Formfehler des Herrn ... erhielt der Klager die Chance einer\nNeubewertung durch einen wohlwollenden Erstprufer, wie er selbst in der\nmundlichen Verhandlung vom 16.12.2003 einraumte. \n--- \n| 48 \n--- \n| Infolge dieser Neubewertung durfte er am mundlichen Teil der ersten\njuristischen Staatsprufung teilnehmen und bestand diese schließlich mit 4,95\nPunkten. \n--- \n| 49 \n--- \n| Hierdurch wurde ihm wiederum die Moglichkeit eroffnet, das Referendariat zu\nabsolvieren und die zweite juristische Staatsprufung mit 4,33 Punkten\nabzulegen. \n--- \n| 50 \n--- \n| Durch den Formfehler des Herrn ... hat der Klager also keinen\nVermogensschaden in Form von Verdienstausfall erlitten, sondern im Gegenteil\ndie Moglichkeit eroffnet bekommen, irgendwann als Volljurist eine\nAnwaltstatigkeit auszuuben, wie von ihm angestrebt. \n--- \n| 51 \n--- \n| Der Klager hat also durch das unterstellte Fehlverhalten des Herrn ...\nkeinen Nachteil erlitten, sondern ausschließlich einen Vorteil. \n--- \n| 52 \n--- \n| Die hypothetische, aber im Hinblick auf den Beurteilungsspielraum des\nPrufers als außerst entfernt in Betracht kommende Moglichkeit, dass es dem\nKlager u.U. auch gelungen ware, eine Neubewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 1 zu\nerreichen, indem er ausschließlich die Benotung selbst angreift, wie zunachst\nbezuglich des Zweitprufers im Widerspruchsverfahren geschehen, kann bei der\nBeurteilung der Kausalitat außer Betracht bleiben. \n--- \n| 53 \n--- \n| Hierbei handelt es sich um einen anderen Lebenssachverhalt, der mit dem\nFormfehler des Herrn ... nichts zu tun hat. \n--- \n| 54 \n--- \n| Allein auf diesen Formfehler kann der Klager seinen\nAmtspflichtverletzungsvorwurf stutzen, nicht aber auf eine angebliche\nFehlbewertung seiner Aufsichtsarbeit, die nur dann einen Amtshaftungsanspruch\nauslosen konnte, wenn sie außerhalb jeglichen Beurteilungsspielraumes liegen\nwurde, was aber vom Klager selbst nicht behauptet wird. \n--- \n| 55 \n--- \n| Damit verbleibt es dabei, dass der Klager durch das Verhalten des Herrn ...\nkeinen Nachteil erlitten hat, sondern nur einen Vorteil. \n--- \n| 56 \n--- \n| Soweit in der mundlichen Verhandlung vom 16.12.2003 der Klager seinen\nAnspruch zusatzlich darauf stutzt, dass der Erstprufer ... in seiner\ndienstlichen Erklarung vom 16.11.1999 keine wahrheitsgemaße Angabe gemacht\nhabe, so kann der Wahrheitsgehalt dieser dienstlichen Äußerung dahingestellt\nbleiben. \n--- \n| 57 \n--- \n| Ein Amtshaftungsanspruch kame nur in Betracht unter dem Gesichtspunkt der\nVerletzung einer Auskunfts- und Aufklarungspflicht. \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Beamte hat die Amtspflicht, die Auskunft, die er dem Burger gibt,\nrichtig, klar, unmissverstandlich und vollstandig zu erteilen, damit der\nEmpfanger entsprechend disponieren kann. Diese Amtspflicht besteht allerdings\nnur dem gegenuber, dem die Auskunft erteilt worden ist (vgl. Munchener\nKommentar/Papier, BGB, 3. Aufl. 1997, § 839, Rn. 215, m.w.N.). \n--- \n| 59 \n--- \n| Es handelt sich bei der Erklarung des Herrn ... um keine Auskunft oder\nAufklarung gegenuber dem Klager, sondern ausschließlich um eine dienstliche\nÄußerung gegenuber seinem Dienstherren, hier dem Landesjustizprufungsamt. \n--- \n| 60 \n--- \n| Dieser Äußerung fehlt es am erforderlichen Schutzzweck zugunsten des\nKlagers und damit an der Drittbezogenheit. \n--- \n| 61 \n--- \n| Unabhangig davon hat der Klager auch aus dieser dienstlichen Erklarung im\nZusammenhang mit dem Schreiben des Herrn ... vom 26.03.2000 an das\nLandesjustizprufungsamt keinen Nachteil erlitten, sondern nur einen Vorteil. \n--- \n| 62 \n--- \n| Diese beiden Erklarungen waren der Ausloser dafur, dass es zu einer\nNeubewertung der Aufsichtsarbeit des Klagers durch einen anderen Erstprufer\nkam, wodurch dem Klager der Zugang zur mundlichen Prufung, das Ablegen der\nersten und schließlich auch der zweiten juristischen Staatsprufung ermoglicht\nwurden. \n--- \n| 63 \n--- \n| Es fehlt also auch hier an jeglicher Kausalitat zwischen einer etwaigen\nPflichtverletzung des Herrn ... und dem vom Klager geltend gemachten Schaden. \n--- \n| 64 \n--- \n| Der weitere Streit der Parteien uber die Hohe dieses Schadens kann im\nHinblick auf vorstehende Ausfuhrungen dahingestellt bleiben, so dass sich auch\neine Vernehmung des Zeugen ... erubrigt. \n--- \n| 65 \n--- \n| Auch auf die vom beklagten Land erhobene Verjahrungseinrede kommt es nicht\nmehr an. Sie ware im Übrigen nicht erfolgreich, da noch vor Ablauf der\nVerjahrungsfrist die Klage anhangig geworden ist und dem richtigen Vertreter\ndes beklagten Landes „alsbald" zuging. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Klage war deshalb in vollem Umfang abzuweisen mit der Kostenfolge des §\n91 ZPO. \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708\nNr. 11, 709 ZPO. \n---\n\n
141,703
lg-stuttgart-2006-04-12-42-o-806-kfh
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
42 O 8/06 KfH
2006-04-12
2019-01-08 22:21:18
2019-01-17 12:01:53
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Beklagten wird es bei Meidung eines fur jeden Fall der Zuwiderhandlung\nfalligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis\nzu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im\ngeschaftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Logo "Wir unterstutzen\nkeine Kinderarbeit" wie nachstehend wiedergegeben zu werben:\n\nAn dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht\nwiedergegeben werden kann.\n\n2\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 189,00 Euro nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 18.01.2006 zu bezahlen.\n\n3\\. Die Kosten des Rechtsstreits tragt die Beklagte.\n\n4\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert: 10.000,00 Euro\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt von der Beklagten die Unterlassung irrefuhrender Werbung\nim Sinne von § 5 UWG. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmaßigen Aufgaben\ndie Wahrung von Verbraucherinteressen und die Bekampfung unlauteren\nWettbewerbs gehort. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte betreibt in Sch einen Einzelhandel fur Teppiche. Anlasslich\neines Teppichverkaufs im Juli 2005 hat sie einen Farbprospekt herausgegeben\nund darin gegenuber Verbrauchern fur die von ihr zum Verkauf angebotenen\nTeppichware geworben. In diesem Prospekt war ein vor dunklem Hintergrund mit\nweißer Fullfarbe ausgefullter Kasten aufgedruckt mit folgender Werbeaussage: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| "Sie konnen sicher sein, selbst Sonderangebote und auch noch so stark\nreduzierte Einzelstucke haben das Gutesiegel unseres Teppichzentrums." \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Links und rechts neben diesem Text befanden sich, wie im Tenor ersichtlich,\ndrei Logos, links oben das kreisformige Logo in Farbdruck mit zwei\nKinderfiguren und der Inschrift "Wir unterstutzen keine Kinderarbeit". Dieses\nLogo ist unstreitig von der Beklagten selbst entworfen worden und nicht einer\nOrganisation gegen Kinderarbeit zuzuordnen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager vertritt die Auffassung, dass die beanstandete Werbung der\nBeklagten irrefuhrend im Sinne von § 5 UWG und daher zu unterlassen sei. Die\nangesprochenen Verbraucher verstunden die Werbung der Beklagten nicht nur\ndahin, dass die Beklagte selbst keine Kinderarbeit durchfuhre oder in Auftrag\ngebe, vielmehr dahin, dass sie keine Produkte anbiete, welche mit Hilfe von\nKinderarbeit hergestellt worden seien, also im Sinne eines produktbezogenen\nGarantieversprechen der Beklagten, dass die von ihr angebotene Teppichware\nnicht durch Kinderarbeit hergestellt worden sei. Diese Aussage sei jedoch\nfalsch, denn eine solche Garantie sei nicht moglich. Auch die Beklagte konne\nangesichts der Vielzahl und Große relevanter Knupfgebiete und der dortigen\nVerhaltnisse gar nicht kontrollieren oder sicher stellen, dass nicht bei\neinzelnen Herstellern tatsachlich doch Kinderarbeit genutzt werde. Außerdem\nseien geeignete Kontrollmaßnahmen der Beklagten, die die Werbung mit einem\ndahin gehenden "Gutesiegel" rechtfertigen konnten, in Abrede zu stellen. Von\neinem Bagatellverstoß konne angesichts des Werbeumfangs und angesichts der\nGefahr der Nachahmung durch andere Wettbewerber nicht gesprochen worden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| wie erkannt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie ist der Auffassung, dass eine Irrefuhrung nicht vorliegt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Es sei zwar richtig, dass eine Garantie dahingehend, dass die Teppiche\nnicht ohne die Nutzung von Kinderarbeit hergestellt worden seien, nicht\nmoglich sei, jedoch gebe sie eine solche Garantie mit dem beanstandeten Logo\nund dem Textteil gar nicht ab. Sie weise lediglich und zutreffender Weise\ndarauf hin, dass sie keine Kinderarbeit unterstutze. Dies sei Ausdruck ihrer\nUnternehmensethik und Hinweis auf die von ihr unternommenen Anstrengungen, bei\nBezug der von ihr angebotenen Teppiche nach Moglichkeit sicher zu stellen,\ndass bei der Herstellung tatsachlich nicht auf Kinderarbeit zuruckgegriffen\nworden sei. Sie beziehe ihre Ware von einzelnen, speziell ausgesuchten\nManufakturen im Iran, Indien und Pakistan, im Übrigen nur bei zwei ihr\nbekannten seriosen Teppichgroßhandlern. Von daher sei die Aussage, keine\nKinderarbeit zu unterstutzen, gerechtfertigt. Eine produktbezogene Garantie\nwerde nur mit den anderen beiden in dem Kasten abgedruckten Logos gegeben.\nAuch der Verbraucher gehe von einem einem Gutesiegel vergleichbaren\nproduktbezogenen Garantieversprechen nur dann aus, wenn auch eine\nentsprechende textliche Aussage wie "garantiert nicht unter Nutzung von\nKinderarbeit" oder "100 % ohne Kinderarbeit" gemacht werde. Die Aussage, dass\ndie Beklagte selbst keine Kinderarbeit durchfuhre oder solche in Auftrag gebe\nund auch nicht wissentlich auf Produkte und Zulieferprodukte zuruckgreife,\nwelche sich Kinderarbeit bedienen, sei angesichts der von ihr durchgefuhrten\nKontrollen und der Auswahl ihrer Bezugsquellen nicht falsch, sondern richtig. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf\ndie gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie das Protokoll uber die\nmundliche Verhandlung vom 15.03.2006 Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager ist gemaß § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG klagebefugt. Der Antrag des\nKlagers, der Beklagten zu verbieten, mit dem Logo "Wir unterstutzen keine\nKinderarbeit", wie im Tenor wiedergegeben, zu werben, ist begrundet. Die\nVoraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 3, 5 UWG sind gegeben. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager greift Aussage nebst Logo in der konkreten Aufmachung und in dem\nkonkreten Bezug zu den weiter abgebildeten Logos und der dazwischen\nbefindlichen Textaussage an, welche lautet: "Sie konnen sicher sein, dass\nselbst Sonderangebote und auch noch so stark reduzierte Einzelstucke haben das\nGutesiegel unseres Teppichzentrums". Die so beanstandete Werbeaussage ist\nirrefuhrend gemaß § 5 UWG und daher unzulassig (§ 3 UWG). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Eine Angabe ist schon dann irrefuhrend, wenn sie - zumindest bei einem\nnicht unerheblichen Teil der Verbraucher - die Wirkung einer unzutreffenden\nAngabe ausubt. Es genugt die Gefahr einer Tauschung, wobei maßgeblich ist das\ntatsachliche Verkehrsverstandnis, nicht wie der Verkehr eine Angabe objektiv\nnur auffassen sollte. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Bei Teppichen als Teil einer ublichen Einrichtung von Wohnraumen handelt es\nsich um Gegenstande des allgemeinen Bedarfs. Durch die streitgegenstandliche\nWerbung wird also potentiell jeder Verbraucher angesprochen. Maßgeblich\nabzustellen ist auf den Standpunkt eines unbefangenen und unkritischen\nDurchschnittsbetrachters oder wie der BGH zwischenzeitlich formuliert der\nStandpunkt eines situationsadaquaten durchschnittlich aufmerksamen\ninformierten und verstandigen Verbrauchers (BGH WRP 2002, 527, 530). Ein\nsolcher wird jedoch nach Überzeugung des Gerichts der Werbung nicht nur bei\nfluchtiger, sondern auch bei genauerer Betrachtungsweise hinreichend bestimmte\nAngaben und Hinweise zu den angebotenen Produkten entnehmen, damit letztlich\neine Qualitats- bzw. Herkunftsangabe zu den einzelnen Teppichen, und\njedenfalls nicht nur einen Hinweis auf Leitbild oder Credo des Anbieters. Im\nubrigen gesteht die Beklagte selbst zu, mit diesem Logo auf die "besondere"\nHerkunft ihrer Ware hinweisen und damit auch eine auch auf die Teppiche\nbezogene Aussage machen zu wollen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Produktbezogene Werbeaussagen, die verschiedenen Verstandnismoglichkeiten\nder Verbraucher offen stehen, sind dann irrefuhrend, wenn sie nach einer der\n(ernsthaft) in Betracht kommenden Begriffsinhalte vom maßgebenden Verkehr in\neinem unzutreffenden Sinne verstanden werden. Im entscheidenden Kontext mit\nBild und Textteil im Übrigen betrachtet ist aber nach Überzeugung des Gerichts\nauch davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der hinreichend\naufmerksamen und verstandigen Verbraucher der Werbung eine "Garantie" der\nBeklagten, jedenfalls aber deren Zusicherung einer in Bezug auf den Einsatz\nvon Kinderarbeit - zwar nicht von einem unabhangigen Dritten, jedoch von der\nBeklagten - "besonders" gepruften und ausgezeichneten Ware entnimmt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Weder das Eine noch das Andere entspricht den objektiven Gegebenheiten, so\ndass maßgebende Teile des Verkehrs, da sie die Werbeaussage im Kontext in\ndiesem letztlich unzutreffenden Sinne verstehen bzw. verstehen konnen, der\nGefahr der Irrefuhrung unterliegen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem hinreichend entgegen stehende Einschrankungen sind nicht gegeben. Die\nWortwahl reicht hierfur nicht, auch wenn die Worte "wir unterstutzen keine\nKinderarbeit" isoliert betrachtet keinen unmittelbaren Bezug zu Qualitat und\nHerkunft der Ware aufweisen. Gleichwohl wird dem Logo mit dieser Inschrift bei\nBetrachtung der Werbung im Ganzen, nicht zuletzt auch wegen des Begriffs\n"Gutesiegel", von sehr vielen Verbrauchern eine produktbezogene Garantie oder\nZusicherung entnommen werden. Ebensowenig verdeutlicht der Umstand, dass der\nzwischen drei abgebildeten Siegeln stehende Text nur auf "das Gutesiegel" im\nSingular hinweist, dass (gegebenenfalls) nicht gerade das beanstandete Logo\ndas maßgebliche Gutesiegel sein soll, auf welches die Beklagte besonders\nhinweist. Dagegen spricht, dass nicht unerhebliche Teile des angesprochenen\nVerkehrs, was Qualitat und Herkunft von Teppichen betrifft, zumindest wissen,\ndass es weder nur handgeknupfte, noch nur aus Wolle bestehende Teppiche gibt.\nFolglich durften sie eher davon ausgehen, dass gerade die anderen beiden Logos\nnicht jedem der angebotenen Stucke anhaften. \n--- \n| 21 \n--- \n| Sonach kann die Beklagte bei der konkreten Werbung weder darauf vertrauen,\ndass (auch) der durchschnittlich aufmerksame, informierte und verstandige\nVerbraucher nur ihr "Firmenethos" zur Kenntnis nimmt, noch dass er sich\nuberwiegend nur auf die engste Verstandnismoglichkeit der - letztlich im\nGesamterscheinungsbild des "Werbekastens" mit (Farb-)Logos und Werbetext im\nubrigen in den Hintergrund tretenden - Worte "wir unterstutzen keine\nKinderarbeit" beschranken wird. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine echte "Garantie" kann, wie auch die Beklagte zugesteht, nicht gegeben\nwerden. Daruber hinaus kann jedoch auch, die entsprechenden Darlegungen der\nBeklagten als zutreffend unterstellt, von einer besonderer Prufung und\nbesonderen Kontrollen unterliegenden Auswahl der Ware, die es rechtfertigen\nkonnte im Sinne eines produktbezogenen Gutesiegels fur sich in Anspruch zu\nnehmen, zumindest hinreichend sicher sagen zu konnen, keine mittels\nKinderarbeit hergestellte Teppiche anzubieten, nicht ausgegangen werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Es mag sein, dass die Beklagte, wie sie fur sich in Anspruch nimmt, sich um\ndie Herkunft der Teppiche kummert und grundsatzlich nur bei wenigen ihr auch\nseit langem, teilweise personlich bekannten Manufakturen und Handlern bezieht.\nDas Vorhandensein eines im Ansatz schlussigen, hinreichend zuverlassigen und\neinigermaßen dichten Kontroll- und Überprufungssystems kann jedoch den\ntatsachlichen Ausfuhrungen des Geschaftsfuhrers der Beklagten hierzu nicht\nentnommen werden. Dies gilt zum einen fur die hiernach ein- bis zweimal\njahrlich von ihm selbst durchgefuhrten Besuche bei den Manufakturen, bei\nwelchen die Beklagte direkt herstellen laßt. Diese sind zuvor bekannt und\ndienen dem Einkauf und der personlichen Kontaktpflege im Übrigen. Sie konnen\nvon daher schon im Ansatz nicht als geeignete Kontrollmaßnahmen gesehen\nwerden. Ähnliches gilt fur die geschilderten Qualitatskontrollen der\nproduzierten Ware in den Manufakturen durch Beauftragte in den\nHerkunftslandern. Auch der Bezug bei nur wenigen ausgewahlten und als serios\nbekannten oder eingestuften Großhandlern rechtfertigt nicht die in der\nWerbeaussage enthaltene Behauptung einer im Hinblick auf die Umstande der\nProduktion besonders gepruften Ware, zumal weitergehende Kontrollen der\nBeklagten auch hinsichtlich der Bezugsquellen dieser Großhandler gar nicht\nbehauptet werden. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Selbst wenn es so ware, dass tatsachlich keiner der angebotenen Teppiche\nunter Beteiligung von Kinderarbeit produziert worden ware, so ist die konkrete\nWerbeangabe in diesem nahe liegenden weiteren Verstandnis nicht zweifelsfrei\nrichtig und damit zumindest moglicherweise falsch. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Des Nachweises der Unrichtigkeit einer Aussage bedarf es fur die Annahme\neiner irrefuhrenden Werbung nicht. Allerdings muss den Belangen des Werbenden\nbei (moglicherweise) richtigen Angaben trotz des Verbots der konkreten Werbung\nhinreichend Rechnung getragen sein. \n--- \n| 26 \n--- \n| Dies ist vorliegend der Fall. Der Beklagten bleibt es trotz Untersagung der\nkonkreten Werbung unbenommen, in anderer Weise zu verlautbaren, dass sie sich\nmit einem gewissen Aufwand darum bemuht, keine mittels Kinderarbeit\nhergestellte Teppichware in ihrem Angebot zu haben. Wie dies ohne\nIrrefuhrungsgefahr geschehen konnte und musste, und ob sie zu diesem Zweck ein\nselbst geschaffenes Logo in dieser oder anderer Form und/oder in anderem\nKontext, auch ohne weitere verbale Einschrankung, verwenden kann, ist nicht\nstreitgegenstandlich und daher nicht zu entscheiden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Jedenfalls in der konkreten Aufmachung beinhaltet die Werbung - wie\nausgefuhrt - fur einen erheblichen Teil der Verbraucher, ohne dass es sich\nhierbei nur um mogliche, nicht ausschließbare Missverstandnisse einzelner oder\nmehrerer fluchtiger oder uninteressierter Leser handelt, weder nur einen\nHinweis auf ihr Credo noch einen Hinweis auf dem entsprechende Bemuhungen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Werbung ist auch geeignet, dass sich maßgebliche Verkehrskreise gerade\naufgrund dessen mit diesem Angebot befassen, ohne sich eben uber einen allein\nnach den gewahlten Worten nur sehr eingeschrankten Aussagegehalt "wir\nunterstutzen keine Kinderarbeit" bewusst zu sein, vielmehr auf diese\nMitteilung als zugesichertes Gutesiegel der angebotenen Teppiche vertrauend. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Werbung ist damit auch geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen,\nungeachtet einer tatsachlich bestehenden Nachahmungsgefahr wegen der Gefahr\nder Kreation von anderen Eigenlogos und "Gutesiegeln" durch andere Anbieter. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Irrefuhrungsgefahr ist schließlich auch nicht deshalb zu verneinen,\nweil grundsatzlich die Moglichkeit bestunde, die so angesprochenen Verbraucher\nvor Ort bei naherem Nachfragen entsprechend aufzuklaren, um den\nBedeutungsgehalt von Logo und Aussage auf die enge Verstandnismoglichkeit,\njedenfalls wissentlich keine Kinderarbeit zu unterstutzen, zu reduzieren. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager hat die Beklagte hiernach zu Recht auf Unterlassung in Anspruch\ngenommen. Folglich ist die Beklagte verpflichtet, die Kosten der Mahnung,\nwelche mit 189,00 Euro angemessen berechnet worden sind, zu tragen (§ 12 Abs.\n1 UWG). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager ist gemaß § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG klagebefugt. Der Antrag des\nKlagers, der Beklagten zu verbieten, mit dem Logo "Wir unterstutzen keine\nKinderarbeit", wie im Tenor wiedergegeben, zu werben, ist begrundet. Die\nVoraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 3, 5 UWG sind gegeben. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager greift Aussage nebst Logo in der konkreten Aufmachung und in dem\nkonkreten Bezug zu den weiter abgebildeten Logos und der dazwischen\nbefindlichen Textaussage an, welche lautet: "Sie konnen sicher sein, dass\nselbst Sonderangebote und auch noch so stark reduzierte Einzelstucke haben das\nGutesiegel unseres Teppichzentrums". Die so beanstandete Werbeaussage ist\nirrefuhrend gemaß § 5 UWG und daher unzulassig (§ 3 UWG). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Eine Angabe ist schon dann irrefuhrend, wenn sie - zumindest bei einem\nnicht unerheblichen Teil der Verbraucher - die Wirkung einer unzutreffenden\nAngabe ausubt. Es genugt die Gefahr einer Tauschung, wobei maßgeblich ist das\ntatsachliche Verkehrsverstandnis, nicht wie der Verkehr eine Angabe objektiv\nnur auffassen sollte. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Bei Teppichen als Teil einer ublichen Einrichtung von Wohnraumen handelt es\nsich um Gegenstande des allgemeinen Bedarfs. Durch die streitgegenstandliche\nWerbung wird also potentiell jeder Verbraucher angesprochen. Maßgeblich\nabzustellen ist auf den Standpunkt eines unbefangenen und unkritischen\nDurchschnittsbetrachters oder wie der BGH zwischenzeitlich formuliert der\nStandpunkt eines situationsadaquaten durchschnittlich aufmerksamen\ninformierten und verstandigen Verbrauchers (BGH WRP 2002, 527, 530). Ein\nsolcher wird jedoch nach Überzeugung des Gerichts der Werbung nicht nur bei\nfluchtiger, sondern auch bei genauerer Betrachtungsweise hinreichend bestimmte\nAngaben und Hinweise zu den angebotenen Produkten entnehmen, damit letztlich\neine Qualitats- bzw. Herkunftsangabe zu den einzelnen Teppichen, und\njedenfalls nicht nur einen Hinweis auf Leitbild oder Credo des Anbieters. Im\nubrigen gesteht die Beklagte selbst zu, mit diesem Logo auf die "besondere"\nHerkunft ihrer Ware hinweisen und damit auch eine auch auf die Teppiche\nbezogene Aussage machen zu wollen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Produktbezogene Werbeaussagen, die verschiedenen Verstandnismoglichkeiten\nder Verbraucher offen stehen, sind dann irrefuhrend, wenn sie nach einer der\n(ernsthaft) in Betracht kommenden Begriffsinhalte vom maßgebenden Verkehr in\neinem unzutreffenden Sinne verstanden werden. Im entscheidenden Kontext mit\nBild und Textteil im Übrigen betrachtet ist aber nach Überzeugung des Gerichts\nauch davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der hinreichend\naufmerksamen und verstandigen Verbraucher der Werbung eine "Garantie" der\nBeklagten, jedenfalls aber deren Zusicherung einer in Bezug auf den Einsatz\nvon Kinderarbeit - zwar nicht von einem unabhangigen Dritten, jedoch von der\nBeklagten - "besonders" gepruften und ausgezeichneten Ware entnimmt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Weder das Eine noch das Andere entspricht den objektiven Gegebenheiten, so\ndass maßgebende Teile des Verkehrs, da sie die Werbeaussage im Kontext in\ndiesem letztlich unzutreffenden Sinne verstehen bzw. verstehen konnen, der\nGefahr der Irrefuhrung unterliegen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem hinreichend entgegen stehende Einschrankungen sind nicht gegeben. Die\nWortwahl reicht hierfur nicht, auch wenn die Worte "wir unterstutzen keine\nKinderarbeit" isoliert betrachtet keinen unmittelbaren Bezug zu Qualitat und\nHerkunft der Ware aufweisen. Gleichwohl wird dem Logo mit dieser Inschrift bei\nBetrachtung der Werbung im Ganzen, nicht zuletzt auch wegen des Begriffs\n"Gutesiegel", von sehr vielen Verbrauchern eine produktbezogene Garantie oder\nZusicherung entnommen werden. Ebensowenig verdeutlicht der Umstand, dass der\nzwischen drei abgebildeten Siegeln stehende Text nur auf "das Gutesiegel" im\nSingular hinweist, dass (gegebenenfalls) nicht gerade das beanstandete Logo\ndas maßgebliche Gutesiegel sein soll, auf welches die Beklagte besonders\nhinweist. Dagegen spricht, dass nicht unerhebliche Teile des angesprochenen\nVerkehrs, was Qualitat und Herkunft von Teppichen betrifft, zumindest wissen,\ndass es weder nur handgeknupfte, noch nur aus Wolle bestehende Teppiche gibt.\nFolglich durften sie eher davon ausgehen, dass gerade die anderen beiden Logos\nnicht jedem der angebotenen Stucke anhaften. \n--- \n| 21 \n--- \n| Sonach kann die Beklagte bei der konkreten Werbung weder darauf vertrauen,\ndass (auch) der durchschnittlich aufmerksame, informierte und verstandige\nVerbraucher nur ihr "Firmenethos" zur Kenntnis nimmt, noch dass er sich\nuberwiegend nur auf die engste Verstandnismoglichkeit der - letztlich im\nGesamterscheinungsbild des "Werbekastens" mit (Farb-)Logos und Werbetext im\nubrigen in den Hintergrund tretenden - Worte "wir unterstutzen keine\nKinderarbeit" beschranken wird. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine echte "Garantie" kann, wie auch die Beklagte zugesteht, nicht gegeben\nwerden. Daruber hinaus kann jedoch auch, die entsprechenden Darlegungen der\nBeklagten als zutreffend unterstellt, von einer besonderer Prufung und\nbesonderen Kontrollen unterliegenden Auswahl der Ware, die es rechtfertigen\nkonnte im Sinne eines produktbezogenen Gutesiegels fur sich in Anspruch zu\nnehmen, zumindest hinreichend sicher sagen zu konnen, keine mittels\nKinderarbeit hergestellte Teppiche anzubieten, nicht ausgegangen werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Es mag sein, dass die Beklagte, wie sie fur sich in Anspruch nimmt, sich um\ndie Herkunft der Teppiche kummert und grundsatzlich nur bei wenigen ihr auch\nseit langem, teilweise personlich bekannten Manufakturen und Handlern bezieht.\nDas Vorhandensein eines im Ansatz schlussigen, hinreichend zuverlassigen und\neinigermaßen dichten Kontroll- und Überprufungssystems kann jedoch den\ntatsachlichen Ausfuhrungen des Geschaftsfuhrers der Beklagten hierzu nicht\nentnommen werden. Dies gilt zum einen fur die hiernach ein- bis zweimal\njahrlich von ihm selbst durchgefuhrten Besuche bei den Manufakturen, bei\nwelchen die Beklagte direkt herstellen laßt. Diese sind zuvor bekannt und\ndienen dem Einkauf und der personlichen Kontaktpflege im Übrigen. Sie konnen\nvon daher schon im Ansatz nicht als geeignete Kontrollmaßnahmen gesehen\nwerden. Ähnliches gilt fur die geschilderten Qualitatskontrollen der\nproduzierten Ware in den Manufakturen durch Beauftragte in den\nHerkunftslandern. Auch der Bezug bei nur wenigen ausgewahlten und als serios\nbekannten oder eingestuften Großhandlern rechtfertigt nicht die in der\nWerbeaussage enthaltene Behauptung einer im Hinblick auf die Umstande der\nProduktion besonders gepruften Ware, zumal weitergehende Kontrollen der\nBeklagten auch hinsichtlich der Bezugsquellen dieser Großhandler gar nicht\nbehauptet werden. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Selbst wenn es so ware, dass tatsachlich keiner der angebotenen Teppiche\nunter Beteiligung von Kinderarbeit produziert worden ware, so ist die konkrete\nWerbeangabe in diesem nahe liegenden weiteren Verstandnis nicht zweifelsfrei\nrichtig und damit zumindest moglicherweise falsch. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Des Nachweises der Unrichtigkeit einer Aussage bedarf es fur die Annahme\neiner irrefuhrenden Werbung nicht. Allerdings muss den Belangen des Werbenden\nbei (moglicherweise) richtigen Angaben trotz des Verbots der konkreten Werbung\nhinreichend Rechnung getragen sein. \n--- \n| 26 \n--- \n| Dies ist vorliegend der Fall. Der Beklagten bleibt es trotz Untersagung der\nkonkreten Werbung unbenommen, in anderer Weise zu verlautbaren, dass sie sich\nmit einem gewissen Aufwand darum bemuht, keine mittels Kinderarbeit\nhergestellte Teppichware in ihrem Angebot zu haben. Wie dies ohne\nIrrefuhrungsgefahr geschehen konnte und musste, und ob sie zu diesem Zweck ein\nselbst geschaffenes Logo in dieser oder anderer Form und/oder in anderem\nKontext, auch ohne weitere verbale Einschrankung, verwenden kann, ist nicht\nstreitgegenstandlich und daher nicht zu entscheiden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Jedenfalls in der konkreten Aufmachung beinhaltet die Werbung - wie\nausgefuhrt - fur einen erheblichen Teil der Verbraucher, ohne dass es sich\nhierbei nur um mogliche, nicht ausschließbare Missverstandnisse einzelner oder\nmehrerer fluchtiger oder uninteressierter Leser handelt, weder nur einen\nHinweis auf ihr Credo noch einen Hinweis auf dem entsprechende Bemuhungen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Werbung ist auch geeignet, dass sich maßgebliche Verkehrskreise gerade\naufgrund dessen mit diesem Angebot befassen, ohne sich eben uber einen allein\nnach den gewahlten Worten nur sehr eingeschrankten Aussagegehalt "wir\nunterstutzen keine Kinderarbeit" bewusst zu sein, vielmehr auf diese\nMitteilung als zugesichertes Gutesiegel der angebotenen Teppiche vertrauend. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Werbung ist damit auch geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen,\nungeachtet einer tatsachlich bestehenden Nachahmungsgefahr wegen der Gefahr\nder Kreation von anderen Eigenlogos und "Gutesiegeln" durch andere Anbieter. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Irrefuhrungsgefahr ist schließlich auch nicht deshalb zu verneinen,\nweil grundsatzlich die Moglichkeit bestunde, die so angesprochenen Verbraucher\nvor Ort bei naherem Nachfragen entsprechend aufzuklaren, um den\nBedeutungsgehalt von Logo und Aussage auf die enge Verstandnismoglichkeit,\njedenfalls wissentlich keine Kinderarbeit zu unterstutzen, zu reduzieren. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager hat die Beklagte hiernach zu Recht auf Unterlassung in Anspruch\ngenommen. Folglich ist die Beklagte verpflichtet, die Kosten der Mahnung,\nwelche mit 189,00 Euro angemessen berechnet worden sind, zu tragen (§ 12 Abs.\n1 UWG). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO. \n--- \n---\n\n
193,897
olgkobl-2008-08-25-1-ssbs-1908
909
Oberlandesgericht Koblenz
olgkobl
Rheinland-Pfalz
Oberlandesgericht
1 SsBs 19/08
2008-08-25
2019-02-12 09:32:34
2019-02-12 14:03:38
Beschluss
ECLI:DE:OLGKOBL:2008:0825.1SSBS19.08.0A
\n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\nAuf Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Simmern\nvom 19. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer\nVerhandlung und Entscheidung, auch uber die Rechtsmittelkosten, an dieselbe\nAbteilung des Amtsgerichts Simmern zuruckverwiesen.\n\n#### Grunde\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Rechtsbeschwerde des Betroffenen richtet sich gegen das Urteil des\nAmtsgerichts Simmern vom 19. Februar 2008, durch das er eines fahrlassigen\nVerstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG - Fahren unter Betaubungsmitteleinfluss -\nfur schuldig befunden wurde. Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil derzeit nicht\nabschließend beurteilt werden kann, ob das Verhalten des Betroffenen nach\ndieser Norm zu sanktionieren ist.\n\n \n\n2\n\n \n\n1\\. In der dem Betroffenen entnommenen Blutprobe wurden 0,8 ng/mL THC und 14\nng/mL Amphetamin festgestellt. Beide Werte erreichen somit nicht die\nGrenzwerte (THC: 1ng/mL, BVerfG NZV 2005, 270; Amphetamin: 25 ng/ml, OLG\nMunchen StV 2006, 531), die einer verfassungskonformen Anwendung des § 24a\nAbs. 2 StVG zugrunde zu legen sind. Da die Betaubungsmittel sehr\nunterschiedliche Wirkungsqualitaten haben - Amphetamin ist eine\npsychostimulierende Droge, wahrend Cannabis auch ablenkend und dampfend wirken\nkann -, ist die Kombinationswirkung kaum abschatzbar. Aus diesem Grunde\nverbietet es sich, die festgestellten Werte einfach wie folgt zu addieren: 80%\ndes THC-Grenzwerts + 56% des Amphetamingrenzwerts = 136% = § 24a Abs. 2 StVG.\nVielmehr ist im Ansatz zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass beide\nSubstanzen in Bezug auf die Fahrtuchtigkeit wirkungslos waren und somit auch\nkeine relevante Kombinationswirkung auftreten konnte (siehe dazu das vom Senat\neingeholte Gutachten des Instituts fur Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg-\nUniversitat Mainz v. 09.07.2008).\n\n \n\n3\n\n \n\n2\\. Allerdings zwingen jedenfalls dann, wenn wie hier aufgrund einer\nBlutuntersuchung feststeht, dass der Betroffene mindestens eine der in der\nAnlage zu § 24a Abs. 2 StVG aufgefuhrten Substanzen im Blut hatte, weder der\nWortlaut der Norm noch die Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) zu der Annahme,\nnur die Feststellung einer den Grenzwert zumindest erreichenden Konzentration\nim Blutserum fuhre zur Anwendbarkeit der Norm (OLG Munchen a.a.O.; wohl a.A.,\nallerdings in einem obiter dictum OLG Zweibrucken v. 13.04.2005 - 1 Ss 50/05 -\njuris - NZV 2005, 430: Feststellung einer bestimmten Substanzkonzentration im\nBlut ist eine „ _objektive Bedingung der Ahndbarkeit_ "). Eine\nBeeintrachtigung der Fahrtuchtigkeit kann vielmehr auch auf andere Weise\nfestgestellt werden.\n\n \n\n4\n\n \n\nDeshalb wird das Amtsgericht mit Hilfe eines Sachverstandigen zu prufen haben,\nob die im Urteil beschriebenen, aber bisher noch nicht tatrichterlich\nbewerteten Auffalligkeiten alleine oder in Verbindung mit weiteren noch\naufklarbaren Umstanden den Schluss rechtfertigen, die Fahrtuchtigkeit des\nBetroffenen sei gerade durch die Wirkung von THC und/oder Amphetamin\neingeschrankt gewesen, und ob dies dem Betroffenen im Sinne eines schuldhaften\nVerhaltens angelastet werden kann.\n\n \n\n5\n\n \n\n3\\. Eine Vorlage gemaß § 121 Abs. 2 GVG an den Bundesgerichtshof im Hinblick\nauf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrucken vom 13.4.2005 (NZV\n2005, 430) ist nicht veranlasst, da die dort eher beilaufig geaußerte\nRechtsauffassung, § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG normiere eine „ _objektive\nBedingung der Ahndbarkeit_ ", nicht entscheidungstragend war.\n\n
134,059
fg-baden-wurttemberg-2006-02-09-3-k-30702
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 K 307/02
2006-02-09
2019-01-07 10:36:59
2019-01-17 11:54:00
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob die Bemessungsgrundlage der Forderung nach § 10 f des\nEinkommen-steuergesetzes (EStG) auch um einen Zuschuss zu kurzen ist, der\neinem Bauherrn von der Denkmalstiftung Baden-Wurttemberg, einer Stiftung des\nburgerlichen Rechts (im Folgenden: Denkmalstiftung), gewahrt wird. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klager haben beginnend im Jahr 1995 das unter Denkmalschutz stehende\nGebaude in E, ein sog. Waldarbeiterhaus, durch umfangreiche Baumaßnahmen\nsaniert. Sie haben hierzu auf ihren Antrag vom Landesdenkmalamt am 19.10.1995\neinen Zuschuss in Hohe von 241.400 DM bewilligt und in der Folgezeit\nausbezahlt erhalten. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Daneben haben sie auch bei der Denkmalstiftung die Gewahrung eines\nZuschusses beantragt. Nach Prufung des Antrags und Bewilligung des Zuschusses\ndurch den Vorstand der Denkmalstiftung hat diese mit den Klagern einen sog.\nZuwendungsvertrag vom 07.03./25.03.1996 abgeschlossen, aufgrund dessen sie den\nKlagern zum Zwecke der Instandsetzung des Waldarbeiterhauses entsprechend den\nmit dem Landesdenkmalamt abgestimmten und genehmigten Planen einen einmaligen\nund verlorenen Zuschuss in Hohe von 80.000 DM gewahrt hat. Wegen der\nAufteilung des Zuschusses auf die einzelnen Gewerke wird auf den\nVerwendungsnachweis (FG-ABl. 82 ff.) Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Seit Bezugsfertigkeit des Gebaudes im August 1997 nutzen es die Klager\nzusammen mit ihren beiden Kindern zu eigenen Wohnzwecken. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Den Klagern sind fur die Gebaudesanierung nach beim Landesdenkmalamt Baden-\nWurttemberg eingereichten und dort um Betrage fur Eigenleistungen, die\nErstellung einer Garage, den Einbau einer Kuche sowie einige kleinere private\nBetrage korrigierten Aufstellungen (ESt-Akte Bl. 19, 25-28, 60) bis Ende 1999\nKosten in Hohe von insgesamt 742.964 DM entstanden (davon bis Ende 1997\n376.330 DM und bis Ende 1998 weitere 295.956 DM). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Landesdenkmalamt hat in einer Bescheinigung vom 09. Marz 2000\nfestgestellt, dass die zur Sanierung des Gebaudes durchgefuhrten Arbeiten, die\nzu Aufwendungen in Hohe von 742.964 DM gefuhrt haben, im Sinne der §§ 7 i , 10\nf und 11 b EStG nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebaudes als Baudenkmal\noder seiner sinnvollen Nutzung erforderlich gewesen seien. In die\nBescheinigungen ist auch ein Hinweis auf die vom Landesdenkmalamt und von der\nDenkmalstiftung bewilligten Zuschusse aufgenommen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klager haben in ihren Einkommensteuer-Erklarungen der Jahre 1997 bis\n1999 fur die aufgrund der Sanierung des denkmalgeschutzten Gebaudes\nangefallenen Kosten eine steuerliche Forderung nach § 10 f EStG beantragt. In\nnach § 165 Abs. 2 AO geanderten und hinsichtlich der Forderung nach § 10 f\nEStG fur endgultig erklarten Einkommensteuer-Festsetzungen dieser Jahre,\njeweils vom 24. Mai 2000, hat das FA eine solche in Hohe von jeweils 10 % der\nbis zum Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums von den Klagern nach Abzug\nder ihnen gewahrten Zuschusse getragenen Aufwendungen gewahrt. Diese\nBemessungsgrundlagen hat es wie folgt ermittelt: \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| \n--- \nforderungsfahige Kosten bis Ende 1997 | | 376.330 DM \n--- \n./. bewilligte Zuschusse | | ./. 321.400 DM \n--- \n| = Bemessungsgrundlage fur Abzug 1997 \n--- \n| 54.930 DM \n--- \n\\+ forderungsfahige Kosten 1998 | | \\+ 278.256 DM \n--- \n| = Bemessungsgrundlage fur Abzug 1998 \n--- \n| 333.186 DM \n--- \n\\+ forderungsfahige Kosten 1999 | | \\+ 88.378 DM \n--- \n| = Bemessungsgrundlage fur Abzug 1999 \n--- \n| 421.564 DM \n--- \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Ein Einspruch, mit dem sich die Klager gegen eine Kurzung der\nBemessungsgrundlage fur die Forderung nach § 10 f EStG wegen des Zuschusses\nder Denkmalstiftung gewandt hatten, blieb ohne Erfolg; wegen aller\nEinzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 05. November 2002\nverwiesen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Klager ihr Begehren weiter. § 10 f\nEStG verweise auf die §§ 7 i und 7 h EStG. Beide Vorschriften schrankten die\nsteuerliche Forderung nur hinsichtlich solcher Zuschusse ein, die aus\noffentlichen Kassen gewahrt wurden. Das sei bei dem von der Denkmalstiftung\ngewahrten Zuschuss nicht der Fall. Bei der Denkmalstiftung des Landes Baden-\nWurttemberg handele es sich um eine Stiftung des burgerlichen Rechts. Hatte\nder Gesetzgeber eine Anrechnung auch solcher Zuschusse auf die Forderung nach\n§ 10 f EStG gewollt, dann wurde er die Anrechnung nicht ausdrucklich auf\nZuschusse aus offentlichen Kassen beschrankt haben. Da sie \\-- die Klager --\ndas Gebaude selbst nutzten und nicht etwa vermieteten, gehe die auf der\nRichtlinienbestimmung (R 163 EStR) zu § 21 EStG beruhende Argumentation des FA\nan der Sache vorbei. Wegen aller Einzelheiten der Begrundung wird auf die\nSchriftsatze ihres Prozessbevollmachtigten vom 05. Dezember 2002 sowie vom 09.\nJanuar 2006 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klager beantragen, unter Änderung der Bescheide vom 24. Mai 2000 und\nAufhebung der Einspruchsentscheidung vom 05. November 2002 die Einkommensteuer\nfur die Jahre 1997, 1998 und 1999 auf die Betrage herabzusetzen, die sich\nunter Berucksichtigung um jeweils 8.000 DM hoherer Abzugsbetrage nach § 10 f\nEStG ergeben, hilfsweise, die Revision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision\nzuzulassen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wie zuvor in der Einspruchsentscheidung vertritt das FA die Auffassung,\ndass sowohl Zuschusse aus offentlichen Mitteln als auch solche aus privaten\nMitteln die Bemessungsgrundlage fur eine Forderung nach § 10 f EStG minderten.\nDass die §§ 7 i und 7 h EStG diese Rechtsfolge ausdrucklich nur fur Zuschusse\naus offentlichen Mitteln regle, schließe dies nicht aus. Fur den nicht\ngeregelten Bereich der Zuschusse aus privaten Mitteln seien die allgemeinen\nGrundsatze maßgebend, wie sie sich aus den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR)\nin R 163 Abs. 1 Satze 1 und 2 zu § 21 EStG ergeben. Dass nicht nur Zuschusse\naus offentlichen Mitteln steuerlich erheblich sind, ergebe sich auch aus den\nRegelungen in R 83a Abs. 5 Nr. 4 EStR zu § 7 h EStG und in R 83b Abs. 3 Nr. 4\nEStR zu § 7 i EStG, wonach die Finanzbehorden zu prufen haben, ob weitere\nZuschusse fur die bescheinigten Aufwendungen gezahlt werden oder worden sind. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| In der Streitsache haben am 24. Januar 2006 eine Erorterung der Sach- und\nRechtslage und am 09. Februar 2006 eine mundliche Verhandlung stattgefunden,\nauf die Niederschriften uber die jeweiligen Termine wird verwiesen. Dem\nGericht lagen bei seiner Entscheidung neben den vom FA fur die Klager\ngefuhrten Einkommensteuer-Akten (die auch die Rechtsbehelfsvorgange enthalten)\nauch die Einheitswert-Akten des streitbefangenen Grundstucks sowie die Akten\ndes Landesdenkmalamtes vor; der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung. \n--- \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Das FA hat zu Recht die Bemessungsgrundlage fur\ndie Forderung nach § 10 f EStG (auch) um den Zuschuss gekurzt, den die Klager\nvon der Denkmalstiftung erhalten haben. Im Umfang dieses Zuschusses haben die\nKlager die forderungsfahigen Kosten der Sanierung ihres denkmalgeschutzten\nHauses nicht getragen, weshalb fur eine steuerliche Forderung dieser Kosten\nkein Raum ist. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1. Nach § 10 f Abs. 1 und 2 EStG kann ein Steuerpflichtiger unter den dort\nnaher bezeichneten Voraussetzungen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand\neiner auf ein Baudenkmal bezogenen Baumaßnahme im Kalenderjahr des Abschlusses\ndieser Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 10\n% wie Sonderausgaben abziehen. Voraussetzung ist, dass er das Baudenkmal zu\neigenen Wohnzwecken nutzt, die Aufwendungen nicht zu den Betriebsausgaben oder\nWerbungskosten gehoren und hierfur weder eine Forderung nach § 10 e EStG oder\ndem Eigenheimzulagengesetz noch \\-- bei Erhaltungsaufwand -- nach den §§ 10 e\nAbs. 6 oder 10 i EStG in Anspruch genommen wird. § 10 f Abs. 1 EStG macht die\nForderung fur Baumaßnahmen an Baudenkmalern weiter davon abhangig, dass die\nVoraussetzungen des § 7 i EStG vorliegen; fur eine Forderungsfahigkeit nach §\n10 f Abs. 2 EStG ist maßgebend, dass die Voraussetzungen des § 11 b Satz 1\noder 2 i. V. m. § 7 i Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EStG gegeben sind. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Anknupfung an die Voraussetzungen des § 7 i EStG bedeutet in\nmateriellrechtlicher Hinsicht, dass die Baumaßnahme nach Art und Umfang zur\nErhaltung des Gebaudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung\nerforderlich sein (vgl. § 7 i Abs. 1 Satz 1 EStG), und in formeller Hinsicht,\ndass das Vorliegen dieser materiellrechtlichen Merkmale durch eine\nBescheinigung der nach Landesrecht zustandigen Behorde nachgewiesen werden\nmuss (vgl. § 7 i Abs. 2 Satz 1 EStG). Dieser Bescheinigung kommt hinsichtlich\nder Denkmaleigenschaft sowie der Erforderlichkeit der Aufwendungen nach Art\nund Umfang fur die Erhaltung des Gebaudes als Baudenkmal und fur eine\nsinnvolle Nutzung die Funktion eines fur die steuerliche Beurteilung bindenden\n(§ 182 Abs. 1 AO) Grundlagenbescheids zu (vgl. das BFH-Urteil vom 15. Oktober\n1996 IX R 47/92, BStBl II 1997, 176). Die Bindungswirkung einer solchen\nBescheinigung erstreckt sich indessen nicht auf die personliche\nAbzugsberechtigung, also nicht darauf, wer Herstellungs- und/oder\nErhaltungsaufwand getragen hat und wem dieser Aufwand als Abzugsberechtigtem\nzuzurechnen ist (vgl. die jeweils zu § 7 h EStG ergangenen BFH-Urteile vom 06.\nMarz 2001 IX R 64/97, BStBl II 2001, 796, vom 21. August 2001 IX R 20/99,\nBStBl II 2003, 910 sowie vom 22. September 2005 IX R 13/04, BFH/NV 2006, 284);\ninsoweit obliegt die Beurteilung der Finanzbehorde und \\-- sofern diese\nangefochten wird -- dem Finanzgericht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2. Hiervon ausgehend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die\nKlager dem Grunde nach Anspruch auf eine steuerliche Forderung nach § 10 f\nEStG haben. Das Landesdenkmalamt als die nach Landesrecht hierfur zustandige\nBehorde hat bescheinigt, dass das Gebaude ein Baudenkmal im Sinne von § 2 des\nbaden-wurttem-bergischen Denkmalschutzgesetzes ist, die zu dessen Sanierung\ndurchgefuhrten Arbeiten im Sinne der §§ 7 i, 10 f und 11 b EStG nach Art und\nUmfang zur Erhaltung des Gebaudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen\nNutzung erforderlich waren und zu Aufwendungen in Hohe von 742.964 DM gefuhrt\nhaben. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Einigkeit besteht ebenfalls daruber, dass eine Forderung nach § 10 f EStG\ninsoweit nicht erfolgen kann, als das Landesdenkmalamt fur die Baumaßnahme\neinen Zuschuss gewahrt hat. Die Beteiligten entnehmen dies dem Wortlaut des §\n7 i Abs. 1 Satz 7 EStG, demzufolge erhohte Absetzungen nur in Anspruch\ngenommen werden konnen, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht\ndurch Zuschusse aus offentlichen Kassen gedeckt sind. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 3. Eine Forderung nach § 10 f EStG muss aber auch insoweit versagt werden,\nals die dem Grunde nach forderungsfahigen Baumaßnahmen durch einen Zuschuss\nder Landesdenkmalstiftung finanziert worden sind. Zwar handelt es sich hier um\nden Zuschuss einer privatrechtlichen Einrichtung und nicht um einen solchen\naus offentlichen Kassen. Jedoch fehlt es auch insofern an einer\nwirtschaftlichen Belastung der Klager, welche nach Auffassung des Senats\nnotwendige Voraussetzung fur die steuerliche Forderung solcher Kosten im\nRahmen des Sonderausgabenabzugs ist. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Nach § 10 f EStG konnen sowohl im Anwendungsbereich des Absatzes 1 als\nauch in demjenigen des Absatzes 2 nur eigene Aufwendungen des\nSteuerpflichtigen gefordert werden. Generell ausgeschlossen von einer\nForderung wie Sonderausgaben sind Aufwendungen Dritter auf ein\nforderungsfahiges Objekt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 X R 54/95, BStBl\nII 1999, 128 zu § 10 e Abs. 1 EStG zu einem Fall mittelbarer\nGrundstucksschenkung), aber auch Aufwendungen, die der Steuerpflichtige zwar\nzunachst bezahlt, auf deren Erstattung er aber einen Anspruch hat (BFH-Urteil\nvom 28. Februar 1996 X R 65/93 zu § 10 e Abs. 6 EStG \\-- Vorkosten --, mit\nzahlreichen weiteren Nachweisen zu dem fur den Sonderabgabenabzug geltenden\nBelastungsprinzip). Es ist nicht Zweck des Gesetzes, einen Steuerpflichtigen\nin Bezug auf Aufwendungen zu entlasten, die er gar nicht tragt. Der ihm durch\ndie §§ 10 e, 10 f EStG eroffnete Sonderabzug erfordert fur außerhalb einer\nEinkunftserzielung getatigte Aufwendungen vielmehr, dass er mit diesen auch\nwirtschaftlich belastet ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Aus § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG kann nichts anderes hergeleitet werden.\nZwar ist dort geregelt, dass die erhohten Absetzungen nur in Anspruch genommen\nwerden konnen, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch\nZuschusse aus offentlichen Kassen gedeckt sind. Das bedeutet jedoch nicht,\ndass eine Forderung nach § 10 f EStG auch fur den Teil der Herstellungs-\nund/oder Erhaltungsaufwendungen zu erfolgen habe, fur den ein Zuschuss seitens\neiner privaten Einrichtung gewahrt worden ist. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| aa) Es ist schon zweifelhaft, ob sich die allgemein auf die Voraussetzungen\ndes § 7 i EStG (in § 10 f Abs. 1 Satz 1 EStG) bezogene Verweisung uberhaupt\nauf die die Bemessungsgrundlage der erhohten Absetzungen betreffende Regelung\nin Abs. 1 Satz 7 dieser Vorschrift erstreckt. Bei den erhohten Absetzungen\nhandelt es sich namlich um die Rechtsfolge und nicht um eine Voraussetzung des\n§ 7 i EStG. Naher liegend erscheint deshalb, dass die Verweisung lediglich die\ndenkmalschutzspezifischen Tatbestandsmerkmale des § 7 i Abs. 1 EStG in die\nRegelung des § 10 f Abs. 1 EStG inkorporiert. Soweit die Forderung von\nErhaltungsaufwand in Frage steht, kann eine Verweisung auf § 7 i Abs. 1 Satz 7\nEStG ohnehin nicht angenommen werden. § 10 f Abs. 2 EStG nimmt namlich\nausdrucklich nur auf die Voraussetzungen in Abs. 1 Satz 2 sowie in Abs. 2 des\n§ 7 i EStG Bezug. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| bb) Selbst wenn man indessen § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG auch im\nRegelungszusammenhang des 10 f EStG fur anwendbar hielte, folgte daraus noch\nnicht, dass die Kurzung der Bemessungsgrundlage fur eine steuerliche Forderung\nnach § 10 f EStG auf Zuschusse aus offentlichen Mitteln beschrankt bleiben\nmusste. Es gibt keine Anhaltspunkte dafur, dass mit § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG\neine Kurzung wegen anderer Zuschusse ausgeschlossen werden sollte. Die\nGesetzesbegrundung fur die durch das Gesetz zur steuerlichen Forderung des\nWohnungsbaus und zur Erganzung des Steuerreformgesetzes 1990 (WoBauFG) vom 07.\nDezember 1989 (BGBl. I 1989, 2408 ff.) eingefuhrte Regelung deutet jedenfalls\nnicht auf eine dahingehende Absicht des Gesetzgebers hin. Darin wird vielmehr\nausgefuhrt, dass die Beschrankung der Vergunstigung auf die durch offentliche\nZuschusse nicht gedeckten Aufwendungen dem Umstand Rechnung trage, dass der\nSteuerpflichtige nur in dieser Hohe wirtschaftlich belastet sei (vgl.\nBundestags-Drucksache 11/5680, Seite 12). Angesichts dieser Ausfuhrungen liegt\nes fern, dass der Gesetzgeber durch die ausdruckliche Erwahnung von Zuschussen\naus offentlichen Kassen in § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG zugleich zum Ausdruck\nbringen wollte, dass zweckgebundene Zuschusse aus anderen Quellen die Hohe der\nforderungsfahigen Aufwendungen unberuhrt lassen sollen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die von den Klagern vertretene gegenteilige Rechtsauffassung kann zwar den\nWortlaut des § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG fur sich in Anspruch nehmen. Sie lasst\njedoch den Zweck der Regelung, die steuerliche Forderung nur fur Aufwendungen\nvorzusehen, mit denen der Steuerpflichtige auch wirtschaftlich belastet ist,\naußer Betracht und wird deshalb \\-- soweit ersichtlich -- zu Recht weder in\nder Fachliteratur (vgl. etwa Kleeberg in Kirchhof/Sohn, EStG, Rz. B 25 zu § 7\ni und B 19 zu § 10 f; Siebenhuter in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Rz. 32 zu §\n7 i; Kaligin in Lademann; EStG, Rz. 35 zu § 7 i; Erhard in Blumich, EStG Rz.\n27 zu § 7 i; ) noch von der Finanzverwaltung (welche die in R 43 Abs. 4 und R\n163 Abs. 1 niedergelegten Grundsatze anwendet) vertreten. Hochstrichterliche\nRechtsprechung zu dieser Frage liegt noch nicht vor. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| c) Ist danach das Erfordernis der Kurzung der Bemessungsgrundlage fur eine\nForderung nach § 10 f EStG generell auch in Bezug auf Zuschusse zu bejahen,\ndie nicht aus offentlichen Kassen stammen, so war auch die vom FA im\nStreitfall vorgenommene Kurzung sowohl dem Grunde als auch der Hohe nach\ngeboten. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| aa) Dabei kann offen bleiben, ob eine solche Kurzung bei jedweder Art\nprivater Zuwendung von dritter Seite vorzunehmen ist. Vorliegend geht es nicht\num eine Zuwendungen aus altruistischen Grunden, bei der die Verwendung der\nzugewendeten Mittel der freien Disposition der Empfanger uberlassen wurde.\nVielmehr handelte es sich um einen auch im Interesse des Zuschussgebers\nliegenden Zuschuss mit vertraglich abgesicherter Zweckbindung; der Vertrag vom\nMarz 1996 (FG ABl. 62) sah eine Ruckzahlungsverpflichtung fur den Fall vor,\ndass der Zuschuss nicht fur den angegebenen Zweck, namlich die Instandsetzung\ndes Waldarbeiterhauses in E, verwendet wurde. Jedenfalls im Umfang solcher\nechten Investitionszuschusse kann eine nach § 10 f EStG forderungsfahige\nBelastung nicht angenommen werden. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| bb) Unter den im Streitfall gegebenen Umstanden kann der Zuschuss der\nDenkmalstiftung auch nicht vorrangig mit nicht forderungsfahigen Aufwendungen\nder Klager verrechnet werden. Ausweislich des der Denkmalstiftung vorgelegten\nVerwendungsnachweises vom 18.03.1999 (FG-ABl. 84 und 85) hat sich der Zuschuss\nder Denkmalstiftung (nur) auf die nach der Bescheinigung des\nLandesdenkmalamtes forderungsfahigen Aufwendungen und nicht etwa auf die nicht\nforderungsfahige Erstellung einer Garage oder den Einbau einer Kuche bezogen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| cc) Da der Zuschuss bereits im Jahr 1996 bewilligt worden ist, begegnet es\nauch keinen Bedenken, dass er bereits bei der Ermittlung der\nAbzugsbemessungsgrundlage fur 1997 berucksichtigt worden ist. Bereits aus der\nBewilligung und nicht erst aus der Auszahlung des Zuschusses folgt, dass die\nKlager in dessen Hohe mit den prinzipiell forderungsfahigen Aufwendungen\nwirtschaftlich nicht belastet sind (i. Erg. ebenso R 163 Abs. 1 Satz 2 EStR in\nallen seit 1996 geltenden Fassungen fur den Bereich der Einkunfte aus\nVermietung und Verpachtung). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Senat lasst die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO zu, da er der Frage\ngrundsatzliche Bedeutung beimisst, welche Folgen sich aus der in § 7 i Abs. 1\nSatz 7 EStG getroffenen, ausdrucklich nur auf Zuschusse aus offentlichen\nKassen bezogenen Regelung fur die Berucksichtigung von Zuschussen aus privaten\nMitteln im Rahmen einer Forderung nach § 10 f EStG ergeben. Da es hierzu \\--\nsoweit ersichtlich -- an hochstrichterlicher Rechtsprechung fehlt, erscheint\ndie Zulassung der Revision auch im Interesse der Fortbildung des Rechts\ngeboten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Das FA hat zu Recht die Bemessungsgrundlage fur\ndie Forderung nach § 10 f EStG (auch) um den Zuschuss gekurzt, den die Klager\nvon der Denkmalstiftung erhalten haben. Im Umfang dieses Zuschusses haben die\nKlager die forderungsfahigen Kosten der Sanierung ihres denkmalgeschutzten\nHauses nicht getragen, weshalb fur eine steuerliche Forderung dieser Kosten\nkein Raum ist. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1. Nach § 10 f Abs. 1 und 2 EStG kann ein Steuerpflichtiger unter den dort\nnaher bezeichneten Voraussetzungen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand\neiner auf ein Baudenkmal bezogenen Baumaßnahme im Kalenderjahr des Abschlusses\ndieser Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 10\n% wie Sonderausgaben abziehen. Voraussetzung ist, dass er das Baudenkmal zu\neigenen Wohnzwecken nutzt, die Aufwendungen nicht zu den Betriebsausgaben oder\nWerbungskosten gehoren und hierfur weder eine Forderung nach § 10 e EStG oder\ndem Eigenheimzulagengesetz noch \\-- bei Erhaltungsaufwand -- nach den §§ 10 e\nAbs. 6 oder 10 i EStG in Anspruch genommen wird. § 10 f Abs. 1 EStG macht die\nForderung fur Baumaßnahmen an Baudenkmalern weiter davon abhangig, dass die\nVoraussetzungen des § 7 i EStG vorliegen; fur eine Forderungsfahigkeit nach §\n10 f Abs. 2 EStG ist maßgebend, dass die Voraussetzungen des § 11 b Satz 1\noder 2 i. V. m. § 7 i Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EStG gegeben sind. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Anknupfung an die Voraussetzungen des § 7 i EStG bedeutet in\nmateriellrechtlicher Hinsicht, dass die Baumaßnahme nach Art und Umfang zur\nErhaltung des Gebaudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung\nerforderlich sein (vgl. § 7 i Abs. 1 Satz 1 EStG), und in formeller Hinsicht,\ndass das Vorliegen dieser materiellrechtlichen Merkmale durch eine\nBescheinigung der nach Landesrecht zustandigen Behorde nachgewiesen werden\nmuss (vgl. § 7 i Abs. 2 Satz 1 EStG). Dieser Bescheinigung kommt hinsichtlich\nder Denkmaleigenschaft sowie der Erforderlichkeit der Aufwendungen nach Art\nund Umfang fur die Erhaltung des Gebaudes als Baudenkmal und fur eine\nsinnvolle Nutzung die Funktion eines fur die steuerliche Beurteilung bindenden\n(§ 182 Abs. 1 AO) Grundlagenbescheids zu (vgl. das BFH-Urteil vom 15. Oktober\n1996 IX R 47/92, BStBl II 1997, 176). Die Bindungswirkung einer solchen\nBescheinigung erstreckt sich indessen nicht auf die personliche\nAbzugsberechtigung, also nicht darauf, wer Herstellungs- und/oder\nErhaltungsaufwand getragen hat und wem dieser Aufwand als Abzugsberechtigtem\nzuzurechnen ist (vgl. die jeweils zu § 7 h EStG ergangenen BFH-Urteile vom 06.\nMarz 2001 IX R 64/97, BStBl II 2001, 796, vom 21. August 2001 IX R 20/99,\nBStBl II 2003, 910 sowie vom 22. September 2005 IX R 13/04, BFH/NV 2006, 284);\ninsoweit obliegt die Beurteilung der Finanzbehorde und \\-- sofern diese\nangefochten wird -- dem Finanzgericht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2. Hiervon ausgehend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die\nKlager dem Grunde nach Anspruch auf eine steuerliche Forderung nach § 10 f\nEStG haben. Das Landesdenkmalamt als die nach Landesrecht hierfur zustandige\nBehorde hat bescheinigt, dass das Gebaude ein Baudenkmal im Sinne von § 2 des\nbaden-wurttem-bergischen Denkmalschutzgesetzes ist, die zu dessen Sanierung\ndurchgefuhrten Arbeiten im Sinne der §§ 7 i, 10 f und 11 b EStG nach Art und\nUmfang zur Erhaltung des Gebaudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen\nNutzung erforderlich waren und zu Aufwendungen in Hohe von 742.964 DM gefuhrt\nhaben. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Einigkeit besteht ebenfalls daruber, dass eine Forderung nach § 10 f EStG\ninsoweit nicht erfolgen kann, als das Landesdenkmalamt fur die Baumaßnahme\neinen Zuschuss gewahrt hat. Die Beteiligten entnehmen dies dem Wortlaut des §\n7 i Abs. 1 Satz 7 EStG, demzufolge erhohte Absetzungen nur in Anspruch\ngenommen werden konnen, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht\ndurch Zuschusse aus offentlichen Kassen gedeckt sind. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 3. Eine Forderung nach § 10 f EStG muss aber auch insoweit versagt werden,\nals die dem Grunde nach forderungsfahigen Baumaßnahmen durch einen Zuschuss\nder Landesdenkmalstiftung finanziert worden sind. Zwar handelt es sich hier um\nden Zuschuss einer privatrechtlichen Einrichtung und nicht um einen solchen\naus offentlichen Kassen. Jedoch fehlt es auch insofern an einer\nwirtschaftlichen Belastung der Klager, welche nach Auffassung des Senats\nnotwendige Voraussetzung fur die steuerliche Forderung solcher Kosten im\nRahmen des Sonderausgabenabzugs ist. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Nach § 10 f EStG konnen sowohl im Anwendungsbereich des Absatzes 1 als\nauch in demjenigen des Absatzes 2 nur eigene Aufwendungen des\nSteuerpflichtigen gefordert werden. Generell ausgeschlossen von einer\nForderung wie Sonderausgaben sind Aufwendungen Dritter auf ein\nforderungsfahiges Objekt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 X R 54/95, BStBl\nII 1999, 128 zu § 10 e Abs. 1 EStG zu einem Fall mittelbarer\nGrundstucksschenkung), aber auch Aufwendungen, die der Steuerpflichtige zwar\nzunachst bezahlt, auf deren Erstattung er aber einen Anspruch hat (BFH-Urteil\nvom 28. Februar 1996 X R 65/93 zu § 10 e Abs. 6 EStG \\-- Vorkosten --, mit\nzahlreichen weiteren Nachweisen zu dem fur den Sonderabgabenabzug geltenden\nBelastungsprinzip). Es ist nicht Zweck des Gesetzes, einen Steuerpflichtigen\nin Bezug auf Aufwendungen zu entlasten, die er gar nicht tragt. Der ihm durch\ndie §§ 10 e, 10 f EStG eroffnete Sonderabzug erfordert fur außerhalb einer\nEinkunftserzielung getatigte Aufwendungen vielmehr, dass er mit diesen auch\nwirtschaftlich belastet ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Aus § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG kann nichts anderes hergeleitet werden.\nZwar ist dort geregelt, dass die erhohten Absetzungen nur in Anspruch genommen\nwerden konnen, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch\nZuschusse aus offentlichen Kassen gedeckt sind. Das bedeutet jedoch nicht,\ndass eine Forderung nach § 10 f EStG auch fur den Teil der Herstellungs-\nund/oder Erhaltungsaufwendungen zu erfolgen habe, fur den ein Zuschuss seitens\neiner privaten Einrichtung gewahrt worden ist. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| aa) Es ist schon zweifelhaft, ob sich die allgemein auf die Voraussetzungen\ndes § 7 i EStG (in § 10 f Abs. 1 Satz 1 EStG) bezogene Verweisung uberhaupt\nauf die die Bemessungsgrundlage der erhohten Absetzungen betreffende Regelung\nin Abs. 1 Satz 7 dieser Vorschrift erstreckt. Bei den erhohten Absetzungen\nhandelt es sich namlich um die Rechtsfolge und nicht um eine Voraussetzung des\n§ 7 i EStG. Naher liegend erscheint deshalb, dass die Verweisung lediglich die\ndenkmalschutzspezifischen Tatbestandsmerkmale des § 7 i Abs. 1 EStG in die\nRegelung des § 10 f Abs. 1 EStG inkorporiert. Soweit die Forderung von\nErhaltungsaufwand in Frage steht, kann eine Verweisung auf § 7 i Abs. 1 Satz 7\nEStG ohnehin nicht angenommen werden. § 10 f Abs. 2 EStG nimmt namlich\nausdrucklich nur auf die Voraussetzungen in Abs. 1 Satz 2 sowie in Abs. 2 des\n§ 7 i EStG Bezug. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| bb) Selbst wenn man indessen § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG auch im\nRegelungszusammenhang des 10 f EStG fur anwendbar hielte, folgte daraus noch\nnicht, dass die Kurzung der Bemessungsgrundlage fur eine steuerliche Forderung\nnach § 10 f EStG auf Zuschusse aus offentlichen Mitteln beschrankt bleiben\nmusste. Es gibt keine Anhaltspunkte dafur, dass mit § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG\neine Kurzung wegen anderer Zuschusse ausgeschlossen werden sollte. Die\nGesetzesbegrundung fur die durch das Gesetz zur steuerlichen Forderung des\nWohnungsbaus und zur Erganzung des Steuerreformgesetzes 1990 (WoBauFG) vom 07.\nDezember 1989 (BGBl. I 1989, 2408 ff.) eingefuhrte Regelung deutet jedenfalls\nnicht auf eine dahingehende Absicht des Gesetzgebers hin. Darin wird vielmehr\nausgefuhrt, dass die Beschrankung der Vergunstigung auf die durch offentliche\nZuschusse nicht gedeckten Aufwendungen dem Umstand Rechnung trage, dass der\nSteuerpflichtige nur in dieser Hohe wirtschaftlich belastet sei (vgl.\nBundestags-Drucksache 11/5680, Seite 12). Angesichts dieser Ausfuhrungen liegt\nes fern, dass der Gesetzgeber durch die ausdruckliche Erwahnung von Zuschussen\naus offentlichen Kassen in § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG zugleich zum Ausdruck\nbringen wollte, dass zweckgebundene Zuschusse aus anderen Quellen die Hohe der\nforderungsfahigen Aufwendungen unberuhrt lassen sollen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die von den Klagern vertretene gegenteilige Rechtsauffassung kann zwar den\nWortlaut des § 7 i Abs. 1 Satz 7 EStG fur sich in Anspruch nehmen. Sie lasst\njedoch den Zweck der Regelung, die steuerliche Forderung nur fur Aufwendungen\nvorzusehen, mit denen der Steuerpflichtige auch wirtschaftlich belastet ist,\naußer Betracht und wird deshalb \\-- soweit ersichtlich -- zu Recht weder in\nder Fachliteratur (vgl. etwa Kleeberg in Kirchhof/Sohn, EStG, Rz. B 25 zu § 7\ni und B 19 zu § 10 f; Siebenhuter in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Rz. 32 zu §\n7 i; Kaligin in Lademann; EStG, Rz. 35 zu § 7 i; Erhard in Blumich, EStG Rz.\n27 zu § 7 i; ) noch von der Finanzverwaltung (welche die in R 43 Abs. 4 und R\n163 Abs. 1 niedergelegten Grundsatze anwendet) vertreten. Hochstrichterliche\nRechtsprechung zu dieser Frage liegt noch nicht vor. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| c) Ist danach das Erfordernis der Kurzung der Bemessungsgrundlage fur eine\nForderung nach § 10 f EStG generell auch in Bezug auf Zuschusse zu bejahen,\ndie nicht aus offentlichen Kassen stammen, so war auch die vom FA im\nStreitfall vorgenommene Kurzung sowohl dem Grunde als auch der Hohe nach\ngeboten. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| aa) Dabei kann offen bleiben, ob eine solche Kurzung bei jedweder Art\nprivater Zuwendung von dritter Seite vorzunehmen ist. Vorliegend geht es nicht\num eine Zuwendungen aus altruistischen Grunden, bei der die Verwendung der\nzugewendeten Mittel der freien Disposition der Empfanger uberlassen wurde.\nVielmehr handelte es sich um einen auch im Interesse des Zuschussgebers\nliegenden Zuschuss mit vertraglich abgesicherter Zweckbindung; der Vertrag vom\nMarz 1996 (FG ABl. 62) sah eine Ruckzahlungsverpflichtung fur den Fall vor,\ndass der Zuschuss nicht fur den angegebenen Zweck, namlich die Instandsetzung\ndes Waldarbeiterhauses in E, verwendet wurde. Jedenfalls im Umfang solcher\nechten Investitionszuschusse kann eine nach § 10 f EStG forderungsfahige\nBelastung nicht angenommen werden. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| bb) Unter den im Streitfall gegebenen Umstanden kann der Zuschuss der\nDenkmalstiftung auch nicht vorrangig mit nicht forderungsfahigen Aufwendungen\nder Klager verrechnet werden. Ausweislich des der Denkmalstiftung vorgelegten\nVerwendungsnachweises vom 18.03.1999 (FG-ABl. 84 und 85) hat sich der Zuschuss\nder Denkmalstiftung (nur) auf die nach der Bescheinigung des\nLandesdenkmalamtes forderungsfahigen Aufwendungen und nicht etwa auf die nicht\nforderungsfahige Erstellung einer Garage oder den Einbau einer Kuche bezogen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| cc) Da der Zuschuss bereits im Jahr 1996 bewilligt worden ist, begegnet es\nauch keinen Bedenken, dass er bereits bei der Ermittlung der\nAbzugsbemessungsgrundlage fur 1997 berucksichtigt worden ist. Bereits aus der\nBewilligung und nicht erst aus der Auszahlung des Zuschusses folgt, dass die\nKlager in dessen Hohe mit den prinzipiell forderungsfahigen Aufwendungen\nwirtschaftlich nicht belastet sind (i. Erg. ebenso R 163 Abs. 1 Satz 2 EStR in\nallen seit 1996 geltenden Fassungen fur den Bereich der Einkunfte aus\nVermietung und Verpachtung). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Senat lasst die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO zu, da er der Frage\ngrundsatzliche Bedeutung beimisst, welche Folgen sich aus der in § 7 i Abs. 1\nSatz 7 EStG getroffenen, ausdrucklich nur auf Zuschusse aus offentlichen\nKassen bezogenen Regelung fur die Berucksichtigung von Zuschussen aus privaten\nMitteln im Rahmen einer Forderung nach § 10 f EStG ergeben. Da es hierzu \\--\nsoweit ersichtlich -- an hochstrichterlicher Rechtsprechung fehlt, erscheint\ndie Zulassung der Revision auch im Interesse der Fortbildung des Rechts\ngeboten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). \n---\n\n
134,088
olgkarl-2006-02-16-1-ws-1506
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Ws 15/06
2006-02-16
2019-01-07 10:37:33
2019-02-12 12:17:08
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des\nLandgerichts Strafvollstreckungskammer -X. vom 20. Dezember 2005 aufgehoben.\n\nDie Sache wird an die Strafvollstreckungsbehorde - die Staatsanwaltschaft C. -\nzur Abanderung des Unterbrechungszeitpunkts und zur Neuberechnung der\nStrafzeiten zuruckgegeben.\n\nDie Kosten des Verfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen\nnotwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts -Schoffengericht -C. vom 10.\nSeptember 2002, rechtskraftig seit 28. Marz 2003, wegen vorsatzlicher\nKorperverletzung, gefahrlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit\nmit Notigung und wegen gefahrlicher Korperverletzung in Tateinheit mit\nSachbeschadigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten\nverurteilt. Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe wurde zunachst zur\nBewahrung ausgesetzt und mit Beschluss vom 25. Mai 2004 gemaß § 57 f Abs. 1\nNr. 2 StGB widerrufen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Daruber hinaus wurde er mit Urteil des Amtsgerichts -Strafrichter -C. vom\n16. Dezember 2004, rechtskraftig seit 24. Dezember 2004, wegen vorsatzlichen\nFahrens ohne Fahrerlaubnis in funf Fallen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von\nneun Monaten verurteilt. \n--- \n| 3 \n--- \n| 2\\. Der Verurteilte, der sich erstmals in Strafhaft befindet, verbußte die\nFreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten seit 22. Juli 2004. Die\nVollstreckungsbehorde ordnete mit Verfugung vom 11. Januar 2005 gemaß § 454b\nAbs. 2 StPO die Unterbrechung der Strafe zum Zweidrittelzeitpunkt am 20.\nSeptember 2005 und die anschließende Vollstreckung der weiteren\nGesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten an. Seit dem 21. September 2005 verbußt\nder Verurteilte die Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, Zweidrittel beider\nFreiheitsstrafen werden am 20. Marz 2006 vollstreckt sein, das Strafende\ninsgesamt ist fur den 19. Januar 2007 vorgemerkt. \n--- \n| 4 \n--- \n| 3\\. Mit Schreiben seiner Verteidigerin vom 30. August 2005 beantragte der\nVerurteilte die Unterbrechung beider Strafen jeweils zum Halbstrafenzeitpunkt;\nzur Begrundung wies er darauf hin, dass er Erstverbußer sei und die Strafhohe\nbeider Strafen unter zwei Jahren liege, so dass die Voraussetzungen des § 57\nAbs. 2 Nr. 1 StGB gegeben seien. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Verfugung vom 27. September 2005 lehnte die Strafvollstreckungsbehorde\neine Änderung der Strafzeitberechnung unter Hinweis darauf ab, dass eine\nUnterbrechung zum Halbstrafenzeitpunkt nur in Fallen in Betracht komme, in\ndenen die Summe der nacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen zwei\nJahre nicht ubersteige. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schreiben seiner Verteidigerin vom 19. Oktober 2005 erhob der\nVerurteilte Einwendungen gegen die Festsetzung des Unterbrechungszeitpunkts.\nMit dem angegriffenen Beschluss wies die Strafvollstreckungskammer des\nLandgerichts X. die Einwendungen des Verurteilten unter Berufung auf die\nbisherige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe als unbegrundet\nzuruck. \n--- \n| 7 \n--- \n| 4\\. Mit seiner form -und fristgerecht erhobenen sofortigen Beschwerde\nbegehrt der Verurteilte die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und die\nÄnderung der Rechtsprechung, da sie zu einer Benachteiligung der durch sie\nbetroffenen Strafgefangenen fuhre. \n--- \n| 8 \n--- \n| 5\\. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat beantragt, die sofortige\nBeschwerde als unbegrundet zu verwerfen und an der bisherigen Rechtsprechung\nfestzuhalten. \n--- \nII. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die gemaß § 462 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulassig\nund begrundet. \n--- \n| 10 \n--- \n| 1\\. Nach § 454 b Abs. 2 StPO unterbricht die Vollstreckungsbehorde im Falle\nder Anschlussvollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen die Vollstreckung der\nzunachst vollzogenen Freiheitsstrafe, wenn unter den Voraussetzungen des § 57\nAbs. 2 Nr. 1 StGB die Halfte, mindestens jedoch sechs Monate, im Übrigen zwei\nDrittel der Freiheitsstrafe verbußt sind. Die Bestimmung des\nUnterbrechungszeitpunkts durch die Vollstreckungsbehorde soll\nverfahrensrechtlich die Voraussetzungen dafur schaffen, dass die\nStrafvollstreckungskammer uber die materiellrechtlich in § 57 StGB geregelte\nFrage einer moglichen Aussetzung der Restfreiheitsstrafen zur Bewahrung\nhinsichtlich samtlicher Strafen gemeinsam entscheiden kann -und zwar zum\ngesetzlich zulassigen fruhesten Zeitpunkt (vgl. BVerfG NStZ 1988, 474). Die\nUnterbrechung einer Freiheitsstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt ist daher\ngeboten, wenn der Verurteilte erstmals eine Freiheitsstrafe verbußt und diese\nzwei Jahre nicht ubersteigt (vgl. § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB). \n--- \n| 11 \n--- \n| Nach der von der Vollstreckungsbehorde und der Strafvollstreckungskammer\nzugrunde gelegten bisherigen Rechtsprechung des Senats liegen diese\nVoraussetzungen nur vor, wenn der Verurteilte erstmals Strafhaft verbußt und\ndie gesetzlich festgelegte Zweijahresgrenze auch in Fallen des\nAnschlussvollzugs nicht uberschritten wird, wenn also die Summe der zur\nVerbußung anstehenden Freiheitsstrafen zwei Jahre nicht uberschreitet (vgl.\nBeschluss vom 14.11.1986 1 Ws 218/86 -, Die Justiz 1987, 319). Diese\nRechtsauffassung gibt der Senat auf. \n--- \n| 12 \n--- \n| a) Die Frage, ob sich bei mehreren, im Anschluss vollstreckten Strafen die\nZweijahresgrenze nach der Hohe der einzelnen Strafe oder nach ihrer Summe\nbemisst, ist seit langem umstritten. Die Strafsenate des Oberlandesgerichts\nKarlsruhe haben fruh die Auffassung vertreten, dass das Erstverbußerprivileg\nim Falle der Anschlussvollstreckung nur in Betracht komme, wenn die Summe der\nnacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen die Zweijahresgrenze nicht\nubersteige (Senat, a.a.O.; siehe auch Beschluss des 2. Strafsenats vom\n05.07.1988 2 Ws 99/88 -, Die Justiz 1988, 436; Beschluss des 2. Strafsenats\nvom 04.04.1989 2 Ws 24/89 -, NStZ 1989, 323 <324>). Zur Begrundung wurde auf\ndie kriminalpolitische Zielsetzung der durch das 23.\nStrafrechtsanderungsgesetz vom 13.04.1986 in das Strafgesetzbuch eingefugten\nVorschrift des § 57 Abs. 2 StGB verwiesen, wonach der erste Freiheitsentzug in\naller Regel am spurbarsten empfunden werde und es daher unter\nspezialpraventiven Gesichtspunkten oft ausreichend erscheine, nur die Halfte\nder Strafe zu vollstrecken (BTDrucks 10/2720 S. 11); die ratio legis spreche\nfur eine restriktive Anwendung der Vorschrift und verbiete die formal\ngesonderte Betrachtung jeder einzelnen Strafe (so auch Oberlandesgericht\nNurnberg, NStE 1988 Nr. 32 zu § 57 StGB; Stree, in: Schonke/Schroder StGB 26.\nAufl. § 57 Rdn. 23 a); eine isolierte Betrachtung der Freiheitsstrafen konne\naußerdem zu einer ungerechtfertigten Privilegierung desjenigen fuhren, der zu\nmehreren selbststandigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. \n--- \n| 13 \n--- \n| b) Diese Auslegung tritt allerdings in ein Spannungsverhaltnis zu dem\nGrundsatz der vollstreckungsrechtlichen Selbststandigkeit mehrerer\nFreiheitsstrafen, der das gesamte Straf- und Strafvollstreckungsrecht\nbeherrscht und der auch in sonstigen Verfahrenskonstellationen, etwa im Rahmen\nder Entscheidung uber die Zuruckstellung der Vollstreckung mehrerer\nFreiheitsstrafen nach § 35 BtMG anerkannt ist (siehe BGH NStZ 1985, 126; siehe\nauch BGHSt 34, 159 <161> zu § 24 GVG). Die nunmehr herrschende Ansicht in\nRechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass es auch in Fallen der\nAnschlussvollstreckung allein darauf ankommt, ob die einzelne Freiheitsstrafe\ndie Zweijahresgrenze uberschreitet oder nicht (OLG Stuttgart, NStZ 2000, 593;\nOLG Dusseldorf, StV 1990, 271; OLG Oldenburg, NStZ 1987, 174; OLG Munchen, MDR\n1988, 601; OLG Zweibrucken, MDR 1988, 983 <984>; Beschluss des 1. Strafsenats\ndes OLG Braunschweig vom 06.04.2005 Ws 91-94/05 -, veroffentlicht in juris;\nFischer, in: KK StPO § 454b Rdn. 11; Fischer, in: Trondle/Fischer, StGB 53.\nAufl. § 57 Rdn. 26; Gribbohm in: LK StGB § 57 Rdn. 31; Dunkel, in:\nKindhauser/Neumann/Paeffgen, Nomos-Kommentar StGB 2. Aufl. § 57 Rdn. 52; Horn,\nin: SK StGB § 57 Rdn. 16 b; Maatz, NStZ 1988, 114 <115 f>). \n--- \n| 14 \n--- \n| c) Der Senat schließt sich - nicht zuletzt im Interesse der\nVereinheitlichung der Rechtsprechung - der herrschenden Auffassung an. Etwaige\nUngerechtigkeiten (siehe dazu ausfuhrlich OLG Stuttgart, MDR 1988, 879 <880>),\ndie rechtstatsachlich angesichts der geringen Zahl der Anwendungsfalle der\nHalbstrafenaussetzung ohnehin kaum ins Gewicht fallen durften (vgl. Fischer,\nin: KK StPO § 454 b StPO Rdn. 9), sind im Interesse einer einheitlichen\nAuslegung und Anwendung der Vorschrift durch alle Vollstreckungsbehorden im\nInteresse der Gleichbehandlung der Betroffenen hinzunehmen; krassen\nAusnahmefallen durfte im Übrigen auf der Rechtsfolgenseite des § 57 Abs. 2\nStGB („kann") Rechnung getragen werden konnen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der 2. und der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe haben auf\nAnfrage mitgeteilt, dass sie sich dieser Auffassung anschließen und an ihrer\nabweichenden fruheren Rechtsprechung nicht festhalten. \n--- \n| 16 \n--- \n| 3\\. Danach liegen hier die Voraussetzungen fur eine Unterbrechung der\nFreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten zum Halbstrafenzeitpunkt vor.\nSie ware daher zum Halbstrafenzeitpunkt am 05.06.2005 zu unterbrechen und\nanschließend die Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten zu vollstrecken\ngewesen. Entgegen der Auffassung des Verurteilten scheidet allerdings eine\nUnterbrechung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt aus,\nweil die gesetzlich erforderliche Mindestverbußungszeit nach §§ 454 b StPO, 57\nAbs. 2 Nr. 1 StGB sechs Monate betragt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Bei dieser Sachlage war die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer\naufzuheben und die Sache zur nachtraglichen Abanderung des\nUnterbrechungszeitpunkts und zur Neuberechnung der Strafzeiten an die\nVollstreckungsbehorde zuruckzugeben. \n--- \nIII. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Kosten des Verfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen\nnotwendigen Auslagen fallen in entsprechender Anwendung des § 467 StPO der\nStaatskasse zur Last. \n---\n\n
136,827
vghbw-2005-03-08-1-s-25405
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 S 254/05
2005-03-08
2019-01-07 12:02:59
2019-01-17 11:56:58
Beschluss
## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Bei Wurdigung des Vorbringens des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren (§\n146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) ist der Senat anders als das Verwaltungsgericht\nder Auffassung, dass dem Antragsteller der begehrte vorlaufige Rechtsschutz\nnur zu einem geringen Teil gewahrt werden kann. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Allerdings hat das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbegehren jedenfalls\nim Ergebnis in sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) zu Recht als einen Antrag\nnach § 80 Abs. 5 VwGO behandelt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Voraussetzung der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist\ngrundsatzlich das Vorliegen eines Verwaltungsaktes; diese Frage kann demnach\nauch im Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes nicht offen gelassen werden\n(vgl. nur VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 20.8.1987 - 8 S 1001/87 -,\nVBlBW 1988, 146). Ausnahmslos gilt dies aber nur fur die rechtliche Einordnung\neiner Maßnahme als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 Abs. 1 VwVfG. Anders verhalt\nes sich indessen bei der Frage, ob eine Maßnahme, die - wie hier die streitige\nVerfugung - ohne weiteres die Merkmale eines Verwaltungsaktes erfullt,\nordnungsgemaß bekannt gegeben und folglich rechtlich existent geworden ist.\nBehauptet der Antragsteller, dass die Bekanntgabe fehlgeschlagen ist, sind oft\nTatsachenfragen aufgeworfen, die sich mit den beschrankten\nErkenntnismoglichkeiten eines gerichtlichen Eilverfahrens nicht klaren lassen.\nIm Interesse des Gebots effektiven Rechtsschutzes, das der dienenden Funktion\ndes Verwaltungsprozessrechts Rechnung tragt, ist vor-laufiger Rechtsschutz\nnach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewahren, auch wenn nach dem Vortrag des\nAntragstellers ein Nicht-Verwaltungsakt vorliegt; mit dieser\nverfahrensrechtlichen Einordnung kann auch weiteres Vorbringen, das sich auf\ndie Rechtmaßigkeit des Verwaltungsakts bezieht, ohne prozessuale\nSchwierigkeiten gepruft werden (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20.8.1980 - IX R\n3/80 -, ESVGH 34, 144 <145 f.>; P. Stelkens/U. Stelkens in: Stelkens u.a.\n<Hg.>, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 41 Rn. 28a; a.A. VGH Baden-Wurttemberg,\nBeschluss vom 7.12.1990 - 10 S 2466/90 -, NVwZ 1991, 1195 f.). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Rahmen der bei § 80 Abs. 5 VwGO geforderten Abwagung der gegenlaufigen\nInteressen uberwiegt das Interesse des Antragstellers, vor der endgultigen\nKlarung der Rechtslage vom Vollzug der angefochtenen Verfugung verschont zu\nbleiben, nur hinsichtlich der Zahnbehandlung der Stute „Vireusina" das\ngegenlaufige offentliche, nach § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemaß begrundete\nInteresse an der baldigen Verwirklichung einer beanstandungsfreien\nTierhaltung. Dem stehen die vom Verwaltungsgericht - vor dem Hintergrund der\nin der Vergangenheit wiederholt diagnostizierten psychischen Erkrankungen des\nAntragstellers und auf Wahnvorstellungen hindeutenden Äußerungen in seinen\nSchriftsatzen - zutreffend aufgezeigten Zweifel an der passiven\nHandlungsfahigkeit des Antragstellers (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG) im Zeitpunkt\nder Zustellung der Verfugung nicht entgegen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Frage, ob der Antragsteller damals von seinen geistigen Fahigkeiten her\nin der Lage war, jedenfalls die den Rechtskreis der Pferdehaltung betreffenden\nAngelegenheiten eigenverantwortlich zu erledigen, ist nicht infolge der\nBestellung eines Prozesspflegers rechtlich unerheblich geworden; denn es kann\nnicht davon ausgegangen werden, dass die Kenntnisnahme der tier-\nschutzrechtlichen Anordnung durch den Antragsteller jedenfalls damit als\nerfolgt gilt und der Verwaltungsakt existent geworden ist. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung liegt eine wirksame Bekanntgabe eines\nVerwaltungsakts auch dann vor, wenn und sobald der - im Zeitpunkt des Zugangs\ngeschafts- und handlungsunfahig gewesene - Empfanger spater wieder geschafts-\nund handlungsfahig wird und in diesem Zustand von dem Verwaltungsakt Kenntnis\nhat oder erhalt (BVerwG, Beschluss vom 11.2.1994 - 2 B 173.93 -, NJW 1994,\n2633 <2634> m.w.N.). Anders ist aber die Situation zu beurteilen, wenn spater\nein gesetzlicher Vertreter bestellt wird; dessen bloße Kenntnisnahme von dem\nan den Handlungsunfahigen gerichteten Schreiben reicht aus Grunden der\nVerfahrensklarheit nicht aus (vgl. BayVGH, Urteil vom 25.10.1983 - 11 B 83 A.\n496 -, NJW 1984, 2845; P. Stelkens/U. Stelkens, a.a.O., § 41 Rn. 30a, 56a).\nHier kommt nur die Genehmigung der gegenuber dem Handlungsunfahigen erfolgten\nBekanntgabe in Betracht. Der Prozesspfleger des Antragstellers hat die von ihm\nerteilte Genehmigung jedoch auf die Erhebung des Widerspruchs sowie die\nStellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO beschrankt. Der Zulassigkeit dieses\nVorgehens steht die in der Rechtsprechung einhellig vertretene Auffassung\nnicht entgegen, wonach sich die Genehmigung fehlerhafter Prozesshandlungen\nnicht auf einzelne Teilhandlungen in dem Verfahren beschranken darf, sondern\ndie gesamte Prozessfuhrung umfassen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.4.1978 -\nII C 5.74 -, Buchholz 237.2 § 79 LBG Berlin Nr. 2; BGH, Beschluss vom\n19.7.1984 - X ZB 20/83 -, BGHZ 92, 137 <140 f.>). Denn im vorliegenden Fall\ngeht es um die Unterscheidung zwischen dem Bescheid als Ausloser des\nRechtsstreits und dem nachfolgenden Rechtsbehelfsverfahren. Insoweit muss auch\ndem Handlungsunfahigen die Moglichkeit eroffnet werden, die daraus folgende\nUnwirksamkeit des Verwaltungsakts geltend zu machen. Hier kann letztlich\nnichts anderes gelten als in sonstigen Fallen von Bekanntgabefehlern, die der\nAdressat vor Gericht nur bei „rugeloser Einlassung" nicht geltend machen kann\n(vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, a.a.O., § 41 Rn. 31). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im vorliegenden Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes kann die Frage, ob\nder Antragsteller partiell geschafts- und handlungsunfahig war, nicht\nabschließend geklart werden. Daraus folgt aber nicht, dass der Antragsgegner\nsich so behandeln lassen musste, als sei die angefochtene Verfugung als\nGrundlage fur die beabsichtigte Vollstreckung nicht existent. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Frage nach den Rechtsfolgen von Zweifeln an der Wirksamkeit eines\nVerwaltungsakts lasst sich nicht einheitlich beantworten; vielmehr ist hier\nmaßgeblich auch darauf abzustellen, welche Seite hinsichtlich der geltend\ngemachten Umstande, die zu einer fehlerhaften Bekanntgabe gefuhrt haben\nsollen, materiell beweisbelastet ist. Beruft sich der Adressat einer\nbelastenden Verfugung auf seine Handlungsunfahigkeit, liegt die Beweislast -\nanders als bei der Frage des Zugangs des Bescheids (siehe § 4 Abs. 1 2. Hs.\nVwZG; § 41 Abs. 2 2. Hs. VwVfG, vgl. hierzu Hess. VGH, Beschluss vom 20.8.1980\n- IX R 3/80 -, ESVGH 34, 144 <146>) - nicht bei der Behorde, sondern beim\nEmpfanger, der einen Ausnahmetatbestand fur sich in Anspruch nimmt (vgl.\nBVerwG, Beschluss vom 11.2.1994 - 2 B 173.93 -, NJW 1994, 2633 f. m.w.N.). In\ndieser Situation ist dem Gericht bei der Interessenabwagung eine\nBerucksichtigung der Rechtmaßigkeit des Verwaltungsakts nicht verwehrt. Die\nUnsicherheit uber dessen rechtliche Existenz ist dann ein Gesichtspunkt unter\nmehreren, der bei der gerichtlichen Entscheidung in Rechnung zu stellen ist;\nihm kommt um so großere Bedeutung zu, je schwerwiegender und endgultiger die\nmit dem Verwaltungsakt verbundene Belastung fur den Adressaten ist. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiernach kommt dem Umstand, dass die rechtliche Existenz der Verfugung\nwegen des geltend gemachten Bekanntgabefehlers durchaus fraglich erscheint,\nkeine allein ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn dem Antragsteller werden in\nder angefochtenen Verfugung lediglich fur eine ordnungsgemaße Tierhaltung\nselbstverstandliche Maßnahmen abverlangt. Schwerwiegende Auswirkungen auf\nseine Rechtspositionen sind damit - auch in finanzieller Hinsicht - nicht\nverbunden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Auf der Grundlage dieser Erwagungen stutzt der Senat seine\nInteressenabwagung maßgeblich auf die Bewertung der Rechtmaßigkeit der\nangefochtenen Verfugung. Hierbei ist der Senat ebenso wie bereits das\nVerwaltungsgericht der Auffassung, dass die angeordneten Maßnahmen - mit\nAusnahme einer Zahnbehandlung fur die Stute „Vireusina" \\- von Rechts wegen\nnicht zu beanstanden sind; der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausfuhrungen\nim angefochtenen Bescheid. Der Vortrag des Antragstellers gibt keinen Anlass\nfur eine abweichende Bewertung; insbesondere hat er bislang nicht belegt, dass\ner die - jedenfalls teilweise wohl auch von ihm als erforderlich erachteten -\nMaßnahmen mittlerweile entsprechend seiner Ankundigung auch tatsachlich\nfachgerecht hat durchfuhren lassen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs gegen die -\nvon Gesetzes wegen sofort vollziehbare (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 12\nLVwVG) - Zwangsgeldandrohung kommt - wiederum mit Ausnahme des auf eine\nZahnbehandlung fur die Stute „Vireusina" bezogenen Zwangsgeldes - gleichfalls\nnicht in Betracht. Denn es ist nicht ersichtlich, dass das\nVollstreckungsmittel des Zwangsgeldes hier untunlich ist. Es ist weder\nvorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller in so desolaten\nfinanziellen Verhaltnissen lebt, dass ein Zwangsgeld als Beugemittel von\nvornherein seinen Zweck verfehlen konnte. Dagegen spricht schon der Umstand,\ndass der Antragsteller sieben Pferde halt. Soweit er vorbringt, dass ihm bei\nVerhangung von Zwangsgeldern Mittel entzogen wurden, die er fur die Versorgung\nder Pferde benotige, verfangt dies nicht; denn diese Folge kann er schon\ndadurch vermeiden, dass er den Tieren die seitens sachkundiger Stellen fur\nerforderlich erachtete medizinische Versorgung zukommen lasst. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Im Hinblick auf die zwischenzeitlich abgelaufene Frist zur Erfullung der\nAnordnung gibt der Senat zu bedenken, dass eine Zwangsgeldfestsetzung erst fur\nden Fall des Nichtbefolgens der Anordnung nach Verstreichen eines angemessenen\nZeitraums nach Zustellung dieses Beschlusses in Betracht kommen durfte. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Änderung und Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52\nAbs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG. Dabei orientiert sich die\nRechtsprechung des Senats (vgl. etwa den Beschluss vom 27.3.2003 - 1 S 235/03\n- m.w.N.) an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit (nunmehr Fassung Juli 2004, Nr. 35.2, abgedruckt in\nNVwZ 2004, 1327), der bei Klageverfahren um eine gegen einen Tierhalter\ngetroffene Anordnung die Festsetzung des Auffangstreitwerts gemaß § 52 Abs. 2\nGKG vorsieht; im Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes ist dieser Wert zu\nhalbieren. Die Zwangsgeldandrohung ist nach der standigen Praxis des\nerkennenden Gerichtshofs (vgl. nur Beschluss vom 12.4.2002 - 14 S 315/02\nm.w.N.; siehe auch Hess. VGH , Beschluss vom 23.9.1999 - 8 TE 860/93 -, ESVGH\n50, 54 <55 f.> mit Nachweisen auch zur Gegenansicht) mit einem Viertel des\nGesamtbetrags in die Berechnung des Streitwerts einzustellen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n--- \n--- \n---\n\n
140,556
vghbw-2004-11-25-8-s-187004
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 S 1870/04
2004-11-25
2019-01-07 15:16:45
2019-01-17 12:00:43
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der\nBeschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2004 - 16 K 1272/04 -\nmit Ausnahme der Streitwertentscheidung geandert. Der Antrag der\nAntragstellerin wird abgelehnt.\n\nDie Antragstellerin tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen\neinschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.\n\nDer Streitwert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sind\nbegrundet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird die\nAntragstellerin durch die Neuordnung der Stellplatze voraussichtlich nicht in\neigenen Rechten verletzt, so dass das Vollziehungsinteresse der Beigeladenen\nihr gegenlaufiges Aussetzungsinteresse uberwiegt. \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich auf eine\nVerletzung der nachbarschutzenden Vorschrift des § 37 Abs. 7 S. 2 LBO\ngestutzt. Es hat dazu ausgefuhrt: Zwar sei grundsatzlich davon auszugehen,\ndass Stellplatze, deren Zahl dem durch die zugelassene Nutzung verursachten\nBedarf entspreche, keine unzumutbaren Storungen fur die Nachbarschaft\nhervorriefen. Hier sei jedoch eine atypische Situation gegeben. Die\nStellplatze wurden an der Grenze zum Grundstuck der Antragstellerin in\ngeringem Abstand zum dortigen Wohngebaude konzentriert. Eine Atypik ergebe\nsich vor allem auch daraus, dass die Stellplatze auf einer Bauverbotsflache\n(Baustaffelplan von 1935) errichtet wurden. Zwar spreche vieles dafur, dass\ndiese Festsetzung nicht nachbarschutzend sei. Gleichwohl sei bei der gebotenen\nAbwagung zugunsten der Antragstellerin zu berucksichtigen, dass solche\nBauverbotsflachen allgemein dazu dienten, eine ruckwartige Ruhe- und\nErholungszone zwischen parallelen Straßen- und Hauserzeilen zu erhalten. Die\nBeigeladene konne sich auch nicht darauf berufen, dass an der fraglichen\nStelle bereits Stellplatze zugelassen worden seien und diese lediglich neu\ngeordnet wurden. Mit der Beseitigung der bisher zugelassenen Stellplatze sei\nder baurechtliche Bestandsschutz erloschen; die neuen Stellplatze seien jedoch\nunvereinbar mit der Festsetzung der Bauverbotsflache. Diese Annahmen sind aus\nden von den Beschwerdefuhrern (Beigeladene und Antragsgegnerin) hinreichend\ndargelegten Grunden (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) aller Voraussicht nach\nunrichtig. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das gilt zunachst hinsichtlich der tatsachlichen Feststellungen des\nVerwaltungsgerichts. Die Stellplatze konzentrieren sich nicht vor dem\nGrundstuck W-straße der Antragstellerin (Grundstuck G1). Unmittelbar gegenuber\nder Grundstucksgrenze befinden sich vielmehr nur vier Stellplatze. Funf\nweitere Stellplatze befinden sich in erheblicher Entfernung vom Grundstuck der\nAntragstellerin, drei weitere unmittelbar gegenuber dem Nachbargrundstuck G2.\nAusweislich des maßgeblichen Lageplans besteht auch nicht nur ein geringer\nAbstand zum Wohngebaude, vielmehr betragt dieser immerhin zwischen 6,5 und 7,5\nm. Auf die Nutzung des Dachs ihrer Grenzgarage als Terrasse kann sich die\nAntragstellerin nicht berufen, weil diese Nutzung unstreitig baurechtlich\nnicht genehmigt wurde. Selbst wenn sich auf gleicher Ebene wie die Stellplatze\neine Wohnung befinden sollte, durfte sich hieraus keine Atypik ergeben.\nAbgesehen von deren erheblicher Entfernung zu den Stellplatzen weist das\nGebaude oberhalb der Kante der Grenzmauer in Richtung der Stellplatze namlich\nnur kleine Fenster im Eckerker auf. Es kommt hinzu, dass die Stellplatze gut\nvon vorne angefahren werden konnen, so dass nicht mit umfangreichen\nRangiervorgangen zu rechnen ist. \n--- \n| 4 \n--- \n| Eine atypische, unzumutbare Belastung der Antragstellerin kann auch nicht\ndaraus hergeleitet werden, dass die Stellplatze im Bereich einer\nBauverbotszone neu errichtet werden sollen. Dies folgt schon daraus, dass das\nBauverbot hier offensichtlich auf Dauer die Fahigkeit zur Steuerung der\nstadtebaulichen Entwicklung verloren hat und daher funktionslos geworden ist\n(vgl. BVerwG, Urt. vom 29.4.1977 - IV C 39.75 - , BVerwGE 54, 5; Beschl. vom\n9.10.2003 - 4 B 85.03 - , BauR 2004, 1128). Zum einen wurden auf den dem\nBaugrundstuck gegenuberliegenden Grundstucken an der W-straße im ruckwartigen\nBereich innerhalb der Bauverbotszone Garagen errichtet, unter anderem auch auf\ndem Grundstuck der Antragstellerin. Insbesondere war der Beigeladenen bzw.\nihrem Rechtsvorganger mit bestandskraftiger baurechtlicher Verfugung vom\n30.12.1963 aufgegeben worden, zusatzlich zu den an der Ruckseite ihres\nGebaudes bereits errichteten Garagen „im ruckwartigen Teil des Anwesens" sechs\nweitere „Einstellplatze" fur Kraftfahrzeuge zu schaffen, um die Parkraumnot zu\nlindern und die offentlichen Verkehrsflachen fur den fließenden Verkehr zu\nentlasten. Dementsprechend waren bereits bislang in der Nahe der Grenze zum\nGrundstuck der Antragstellerin funf zugelassene Stellplatze vorhanden.\nAngesichts dieser abweichenden tatsachlichen Entwicklung ist das Bauverbot\njedenfalls hinsichtlich der Errichtung von Stellplatzen und Garagen obsolet\ngeworden. Dementsprechend fallen auch die bereits vor dem jetzigen Vorhaben an\nder gemeinsamen Grenze vorhanden gewesenen Stellplatze zu Lasten der\nAntragstellerin als Vorbelastung ins Gewicht. Deren Situation hat sich\nfolglich durch die Neuordnung allenfalls dadurch geringfugig verschlechtert,\ndass die Stellplatze etwas naher an die Grenze heranrucken. Darin konnte im\nÜbrigen selbst dann keine unzumutbare Belastung der Antragstellerin gesehen\nwerden, wenn die nunmehr genehmigten Stellplatze nicht alle bedarfsnotwendig\nsein sollten, wie diese - allerdings unsubstanziiert - behauptet. \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Die angegriffene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen als\nden vom Verwaltungsgericht herangezogenen Grunden als im Ergebnis richtig dar. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| a) Die bislang vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung geht uberwiegend\ndavon aus, dass die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO das\nBeschwerdegericht nicht daran hindert, zugunsten des in erster Instanz\nobsiegenden Beschwerdegegners zu prufen, ob die fehlerhaft begrundete\nEntscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Grunden im Ergebnis richtig\nist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.3.2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ\n2002, 1390; OVG Berlin, Beschl. v. 12.4.2002 - 8 S 41.02 -, NVwZ 2002, Beilage\nNr. I 9, 98; Hess.VGH, Beschl. v. 23.10.2002 - 9 TG 271.2/02 -, NVwZ-RR 2003,\n458 und Beschl. v. 27.1.2003 - 9 TG 6/03 -, DVBl. 2003, 1284; OVG Thuringen,\nBeschl. v. 11.2.2003 - 3 EO 387/02 -, EzAR 040 Nr. 6; BayVGH, Beschl. v.\n21.5.2003 - 1 CS 03.60 -, NVwZ 2004, 251; anderer Auffassung Hess.VGH, Beschl.\nv. 5.7.2002 - 12 TG 959/02 -, EzAR 037 Nr. 7). Der Senat schließt sich dieser\nRechtsprechung an; die darin vertretene einschrankende Auslegung des § 146\nAbs. 4 Satz 6 VwGO ist verfassungsrechtlich geboten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Gesetzgeber kann im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und\n-konzentration das rechtliche Gehor durch Praklusionsvorschriften begrenzen.\nEr muss dann jedoch durch entsprechende Regelungen Sorge dafur tragen, dass\nder betroffene Beteiligte vor dem Eintritt der Praklusion ausreichend\nGelegenheit zur Äußerung hatte (vgl. BVerfGE 69, 145, 149; st. Rspr.). In\ndiesem Sinne beschrankt § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die gerichtliche Sachprufung\nauf die Grunde, welche der Beschwerdefuhrer innerhalb der in § 146 Abs. 4 Satz\n1 VwGO genannten Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der erstinstanzlichen\nEntscheidung nach Maßgabe der formalen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3\nVwGO gegen deren Richtigkeit vorgebracht hat. Hinsichtlich des in erster\nInstanz obsiegenden Beschwerdegegners enthalt das Gesetz keine Regelungen\ndaruber, dass und in welcher Form und Frist darzulegen ist, aus welchen\nGrunden die erstinstanzliche Entscheidung jedenfalls im Ergebnis richtig sein\nkonnte. Es kann dahinstehen, ob eine solche „positive", auf die Richtigkeit\nder erstinstanzlichen Entscheidung zielende umfassende Darlegungslast nicht\nschon im Grundsatz unzumutbare Anforderungen an den Beschwerdegegner stellte.\nJedenfalls kann die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO insoweit nicht an\ngesetzliche Regelungen anknupfen, welche gewahrleisten, dass der\nBeschwerdegegner - ebenso wie der Beschwerdefuhrer - vor der Entscheidung des\nBeschwerdegerichts ausreichend Gelegenheit erhalt, zur Sach- und Rechtslage\nvorzutragen und die ihn begunstigende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu\nverteidigen. Somit ist die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO dahin\nauszulegen, dass sich die Beschrankung der gerichtlichen Sachprufung nur auf\ndie vom Beschwerdefuhrer darzulegenden Grunde gegen die Richtigkeit der\nerstinstanzlichen Entscheidung bezieht, aber nicht die tatsachlichen und\nrechtlichen Grunde erfasst, die fur deren Richtigkeit (im Ergebnis) sprechen.\nInsoweit gilt der in § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO normierte Untersuchungsgrundsatz\nin den Grenzen, die fur ein Verfahren auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes\nbestehen. Das Beschwerdegericht hat daher stets zu prufen, ob eine nach den\nDarlegungen des Beschwerdefuhrers fehlerhaft begrundete Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts im Ergebnis gleichwohl richtig ist. Einer Analogie zu §\n144 Abs. 4 VwGO bedarf es hierzu nicht (so aber BayVGH, a.a.O.). Der Frage, ob\ndas - zur Sachprufung an sich berufene - Beschwerdegericht die Sache in\nanaloger Anwendung des § 130 Abs. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zur Klarung\noffen gelassener oder nicht beachteter Aspekte zuruck verweisen soll, kommt in\ndiesem Zusammenhang nur prozessokonomische Bedeutung zu. Sie stellt sich\nvorliegend ohnehin nicht, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen fur eine\nZuruckverweisung nicht gegeben sind; das erstinstanzliche Verfahren leidet\nnicht an einem wesentlichen Verfahrensmangel und das Verwaltungsgericht hat\nauch eine Sachentscheidung getroffen (vgl. fur den Fall fehlender\nSachentscheidung VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 17.12.2002 - 11 S 1442/02 -,\nVBlBW 2003, 239). \n--- \n| 8 \n--- \n| b) Die danach gebotene summarische Prufung ergibt, dass die Entscheidung\ndes Verwaltungsgerichts auch nicht aus anderen, von diesem nicht\nherangezogenen Grunden - im Ergebnis - bestatigt werden kann. \n--- \n| 9 \n--- \n| Soweit das Verwaltungsgericht die Frage offen gelassen hat, ob das\nBauverbot zugunsten der Antragstellerin nachbarschutzende Wirkung entfaltet,\nfolgt dies bereits aus den obigen Darlegungen, wonach diese Festsetzung durch\ndie nachtragliche tatsachliche Entwicklung obsolet geworden ist. Im Übrigen\nhat das Regierungsprasidium Stuttgart im Widerspruchsbescheid vom 24.2.2004\neine nachbarschutzende Wirkung des Bauverbots unterstellt und gem. § 31 Abs. 2\nBauGB Befreiung erteilt. Die Ausubung des in § 31 Abs. 2 BauGB eroffneten\nErmessens ist fehlerfrei und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren\nRechten. Die Annahme der Widerspruchsbehorde, die stadtebauliche\nGesamtsituation habe sich durch das Vorhaben nur unwesentlich verandert und\nbeeintrachtige die Nachbarn daher nicht unzumutbar, ist nicht zu beanstanden.\nZur Begrundung kann auf die obigen Ausfuhrungen verwiesen werden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat auch die - nunmehr entscheidungserhebliche -\nFrage offen gelassen, ob die Nutzung der bereits angelegten Stellplatze\ndeshalb auszusetzen ist, weil dadurch die Standsicherheit der Grenzmauer\nbeeintrachtigt werden und eine konkrete Gefahrenlage im Sinne des § 3 Abs. 1\nLBO entstehen konnte. Der von der Beigeladenen herangezogene Gutachter ist zu\ndem Ergebnis gelangt, dass die Nutzung der neu angelegten Stellplatze sich\nnicht auf die Standsicherheit der Mauer auswirkt (Gutachten vom 13.8.2002 und\nvom 5.3.2003, Bl. 28 und 50 der Bauakte). Er hat sich hierbei auf einen\nVergleich der auf die Mauer wirkenden Lasten vor Durchfuhrung des Vorhabens\nund nach Herstellung der Stellplatze beschrankt, weil die Standsicherheit der\nbereits vorhandenen Mauer mangels Angaben uber die Mauergeometrie und den\nBodenaufbau nicht nachberechnet werden konne. Mit dem Vorhaben sei eine\ngeringfugige Steigerung der Belastung der Stutzmauer um 5.3 % verbunden, die\nals solche fur die Standsicherheit „vollig belanglos" sei. Diese Einschatzung\nwurde vom zustandigen Prufingenieur des Prufungsamtes fur Baustatik geteilt;\ner hat deshalb die vom Gutachter der Beigeladenen in der weiteren\nStellungnahme vom 5.3.2003 vorgeschlagene Maßnahme zur Verringerung der\nBelastung als nicht notwendig erachtet (vgl. „Grunvermerk" des Prufstatikers\nauf dem Gutachten v. 5.3.2003, Bl. 50 der Bauakte). Die von der\nAntragstellerin im Widerspruchsverfahren vorgelegte Stellungnahme des\nDipl.-Ing. Mutze vom 29.9.2003 stellt diese Wertung nicht in Frage. Sie außert\nsich im Wesentlichen nur zur Einschatzung der Situation vor Durchfuhrung des\nBauvorhabens und zu Berechnungsmethoden, enthalt aber nicht die Aussage, dass\ndie Standsicherheit der Mauer gerade durch das Vorhaben gefahrdet wird. Sie\nbesagt auch nicht, ob und auf welche Weise die Standsicherheit der bereits\nvorhandenen Mauer nachberechnet werden konnte. Im Übrigen durfte die\nBehauptung der Antragstellerin inzwischen auch dadurch widerlegt sein, dass an\nder Grenzmauer Baumaßnahmen zur Anlegung der neuen Stellplatze durchgefuhrt\nund diese seit mehreren Monaten genutzt werden, ohne dass der Eintritt von\nSchaden geltend gemacht worden ware. \n--- \n| 11 \n--- \n| Schließlich bleibt auch der - vom Verwaltungsgericht nicht erorterte -\nEinwand der Antragstellerin ohne Erfolg, es bestehe eine „extreme Gefahr",\ndass Fahrzeuge auf ihr Grundstuck fielen, weil die neu angelegten Stellplatze\nsich unmittelbar an der Stutzmauer befanden und nicht gesichert seien.\nAusweislich des maßgeblichen Lageplans ist der nachstgelegene Stellplatz\nmindestens 1 m entfernt, die anderen Stellplatze deutlich weiter. Soweit sie\ndarauf hinweist, dass dort auch Lastkraftwagen und andere schwere\nTransportfahrzeuge abgestellt werden, ist anzumerken, dass die angefochtene\nBaugenehmigung lediglich Pkw-Stellplatze betrifft. Im Übrigen ist nach den von\nder Antragstellerin selbst vorgelegten Lichtbildern an der Grundstucksgrenze\nein mehr als 1 m hoher Zaun angebracht worden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO; die\nStreitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG n.F.\n(vgl. § 72 Nr. 1 GKG n.F.). \n--- \n| 13 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 S. 3 GKG\nn.F.). \n---\n\n
140,702
lsgbw-2005-04-07-l-6-u-234803
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 6 U 2348/03
2005-04-07
2019-01-08 15:51:37
2019-01-17 12:00:52
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom\n7. Mai 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob der Klager am 04.07.2000 einen\nArbeitsunfall erlitten hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1939 geborene Klager war als Verkaufsleiter bei der G. F.\nRohrverbindungstechnik GmbH, S., tatig. Ab 03.07.2000 war er mit dem\ntechnischen Verkaufsberater K. (K.) als Fahrer in einem VW-Bus auf\nGeschaftsreise, die bis 07.07.2000 dauern sollte. Am 03.07.2000 ubernachteten\nder Klager und K. in R., am Morgen des 04.07.2000 suchten sie die Firmen K. in\nR. und K. in K. zu Gesprachen auf. Das Gesprach bei der Fa. K. war gegen 10:05\nbeendet. Am Nachmittag um 13:00 sollte das nachste Gesprach bei der Fa. W. in\nB. stattfinden. Auf der Fahrt zur Fa. W. fuhr K. gegen 11:45 auf den\nAutobahnparkplatz "F." an der A 5 in Richtung L., vor der Ausfahrt E.-K., weil\ner zur Toilette musste. Der Parkplatz grenzt an den parallel zur Autobahn\nverlaufenden Rheinuferweg, von dem er nicht durch einen Zaun, sondern durch\nBusche und Baume getrennt ist. Der Klager wollte die Toilettenpause - die nach\nseinen Angaben ca. drei Minuten dauern sollte - nutzen, um sich die Beine zu\nvertreten. Er verließ den Grunbereich des Parkplatzes uber einen hinter der\nToilettenanlage zum Rheinuferweg fuhrenden Trampelpfad, uberquerte den\nRheinuferweg und wollte uber den mit Steinen befestigten steilen Rheinuferdamm\nzum Rhein hinunter gehen. Die Entfernung vom Parkplatz zum Rheinuferdamm\nbetragt nach Angaben des Klagers ca. 10 Meter. Auf dem steilen Rheinuferdamm\nrutschte der Klager aus und sturzte nach seinen Angaben ca. 6 Meter tief auf\nam Ende des Weges liegende Felsen. Dabei zog er sich eine Schadelprellung,\neine Prellung des Gesichtsschadels mit Zahnverlust im Oberkiefer, eine\nPrellung der linken Schulter, einen knochernen Ausriss an der rechten\nMittelgliedbasis des Mittelfingers sowie eine Kontusion des rechten Knies, des\nrechten Unterschenkels, der rechten Großzehe, des linken Kniegelenkes und des\nlinken Unterschenkels zu (Durchgangsarztbericht Dr. K. vom 06.07.2000). Wegen\nder Unfallfolgen war der Klager bis 16.07.2000 arbeitsunfahig (Mitteilung Dr.\nK. vom 29.08.2000). Wegen des Zahnverlustes im Oberkiefer war die Anfertigung\neiner totalen Prothese notwendig (Auskunft Zahnarzt Dr. L. vom 28.08.2000). \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach Befragung des Klagers zu denen naheren Umstanden des Unfalls sowie\nnach Besichtigung des Parkplatzes und des Unfallortes durch einen\nAußendienstmitarbeiter (mit Anfertigung von Lichtbildern) lehnte die Beklagte\nmit Bescheid vom 08.11.2000 die Gewahrung von Leistungen ab. Bei dem Unfall\nhabe es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Mit dem Verlassen des\nParkplatzes und der Begehung des durch die Busche fuhrenden Trampelpfades mit\nHinabgehen zum Rheinufer habe der Klager den offentlichen Verkehrsraum aus\neigenwirtschaftlichen Grunden verlassen. Von einer geringfugigen Unterbrechung\nder versicherten Tatigkeit konne nicht gesprochen werden. Im Vordergrund habe\nnicht die Erholung von der Fahrt, sondern der eigenwirtschaftliche Wunsch, ans\nRheinufer zu treten, gestanden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen erhob der Klager Widerspruch und machte geltend, dass nach drei\nStunden Autofahrt die Pause gerechtfertigt gewesen und der versicherten\nTatigkeit zuzuordnen sei. Der Spaziergang sei ausschließlich zur Erhaltung der\nLeistungsfahigkeit wahrend einer Dienstreise unternommen worden. Er habe ohne\n(den Fahrer) K. die Fahrt nicht fortsetzen konnen; deshalb konne man auch\nnicht von einer Unterbrechung der beruflichen Tatigkeit ausgehen. Von einem\nVerlassen des offentlichen Verkehrsraumes konne auch nicht ausgegangen werden,\njedenfalls sei dies fur ihn nicht erkennbar gewesen. Mit Widerspruchsbescheid\nvom 31.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zuruck. \n--- \n| 5 \n--- \n| Dagegen erhob der Klager am 15.08.2001 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz\n(SG), das mit Urteil vom 07.05.2003 die Bescheide der Beklagten aufhob und die\nBeklagte verurteilte, den Unfall vom 04.07.2000 als Arbeitsunfall\nanzuerkennen. Es fuhrte - mit naherer Begrundung, auf die Bezug genommen wird\n- aus, der Parkplatz sowie der Weg zum Rheinufer hinunter hatten bei\nnaturlicher Gesamtbetrachtung eine Einheit gebildet; der Bereich, in dem\nnormaler- und vernunftigerweise ein "Beine vertreten" erfolge, habe deshalb\nbis hinunter ans Rheinufer gereicht. Es habe sich dabei auch um einen\noffentlichen Verkehrsraum gehandelt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen das ihr am 23.05.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am\n16.06.2003 Berufung eingelegt. Auch bei einer Dienstreise stehe ein\nSpaziergang nur dann mit der versicherten Tatigkeit in einem inneren\nZusammenhang, wenn er aus besonderen Grunden zur notwendigen Erholung fur eine\nweitere betriebliche Tatigkeit am auswartigen Aufenthaltsort erforderlich sei.\nOb dies beim Klager, der lediglich Beifahrer gewesen sei, angenommen werden\nkonne, sei fraglich, konne jedoch dahingestellt bleiben. Der Klager habe\nselbst eingeraumt, dass er sich nicht nur die Beine vertreten, sondern auch\nden Rhein habe anschauen wollen. Letzteres musse als eigenwirtschaftliches\nHandeln angesehen werden, da eine betriebliche Notwendigkeit eindeutig zu\nverneinen sei. Bei dem Spaziergang handle es sich somit um eine Tatigkeit, die\nsowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken gedient habe. In einem solchen\nFalle sei bei der Frage des Bestehens von Unfallversicherungsschutz darauf\nabzustellen, ob sich der zuruckgelegte Weg in zwei Teile zerlegen lasse, von\ndenen der eine betrieblichen Zwecken und der andere privaten Interessen\ngedient habe; dann sei der Versicherungsschutz fur den jeweiligen Wegeteil\ngesondert zu bestimmen, fur die Annahme einer gemischten Tatigkeit sei kein\nRaum. Im Fall des Klagers habe der einer Erholung noch dienende Teil des Weges\nspatestens mit dem Betreten der Uferboschung geendet. Von da an sei das\nVerhalten des Klagers von dem Ziel und der Absicht gepragt gewesen, sich den\nRhein anzuschauen. Das SG habe den zum Rheinufer fuhrenden Trampelpfad zu\nUnrecht als angelegten Weg und damit als zum offentlichen Verkehrsraum\ngehorend angesehen, da der gesamte Damm mit Steinen befestigt sei. Schon um\nden angelegten Rheinuferweg zu erreichen, habe der Klager den Rastplatz uber\neine Lucke in der Bepflanzung und einen Trampelpfad verlassen mussen. Diese\nBepflanzung durfte die gewollte Begrenzung des Rastplatzes darstellen. Die\nBeklagte legt weitere Lichtbilder vor. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 07.05.2003 aufzuheben und die\nKlage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Er halt die angefochtene Entscheidung fur zutreffend. Die Pause auf dem\nParkplatz sei aus betrieblichen Grunden veranlasst gewesen und habe auch\nseiner Erholung gedient. Er habe bei seinem Spaziergang den geschutzten\nBereich nicht verlassen. Die Behauptung der Beklagten, der geschutzte Bereich\nende spatestens beim angelegten Rheinuferweg, erscheine willkurlich. Die\nBeklagte verkenne, dass der Parkplatz in unmittelbarer Nahe zum Rhein liege,\ndessen Ufer lediglich zehn bis funfzehn Meter vom abgestellten PKW entfernt\ngewesen sei. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mundliche\nVerhandlung einverstanden erklart. \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die\nVerwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten uber die der\nSenat mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche Verhandlung gem. § 124\nAbs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulassig.\nBerufungsausschließungsgrunde nach § 144 SGG liegen nicht vor. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet. Das SG hat zu Unrecht festgestellt, dass\nder Klager am 04.07.2000 einen Arbeitsunfall erlitten hat. \n--- \n| 16 \n--- \n| Gemaß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind\nArbeitsunfalle Unfalle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz\nnach den §§ 2, 3 oder 6 begrundenden Tatigkeit (versicherte Tatigkeit). § 8\nAbs. 1 SGB VII definiert den Arbeitsunfall in Anlehnung an das bisher geltende\nRecht der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die zu § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO\nergangene Rechtsprechung und dazu erschienene Literatur kann daher fur die\nrechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeitsunfallen nach den\nVorschriften des SGB VII grundsatzlich weiter herangezogen werden. (BSG SozR\n3-2700 § 8 Nrn. 1, 2, 3, 6, 9). \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager befand sich am Unfalltag auf einer mit seiner gem. § 2 Abs. 1\nNr. 2 SGB VII versicherten Tatigkeit als Verkaufsleiter zusammenhangenden\nDienstreise. Die Fahrt von K. nach B. war damit Teil der versicherten\nTatigkeit, sodass grundsatzlich Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB\nVII und nicht nach § 8 Abs. 2 SGB VII (sog. Wegeunfalle) bestand. Allerdings\nsind auch bei Dienstreisen die von der Rechtsprechung fur den\nVersicherungsschutz auf Wegen nach und von dem Ort der Tatigkeit entwickelten\nGrundsatze - mit hier nicht wesentlichen Einschrankungen - anwendbar (vgl.\nhierzu BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 = Breith. 1991, 835). \n--- \n| 18 \n--- \n| Fur das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass\ndas Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat,\neinerseits der versicherten Tatigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tatigkeit\nandererseits den Unfall herbeigefuhrt hat. Zunachst muss also eine sachliche\nVerbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tatigkeit bestehen, der\ninnere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende\nVerhalten der versicherten Tatigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist\nwertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung\ninnerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der\ngesetzlichen Unfallversicherung reicht. Fur die tatsachlichen Grundlagen\ndieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernunftiger\nAbwagung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis fur das\nVorliegen der versicherten Tatigkeit als erbracht angesehen werden konnen.\nInnerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des\nUnfalls eine versicherte Tatigkeit ausgeubt hat, Überlegungen nach dem Zweck\ndes Handelns mit im Vordergrund (standige Rechtsprechung des BSG, zuletzt\nUrteil vom 10.10.2002 - B 2 U 6/02 R mwN). \n--- \n| 19 \n--- \n| Ausgehend von diesen Grundsatzen stand der Klager auf dem Weg zum Rheinufer\nnicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er die\nversicherte Tatigkeit aus eigenwirtschaftlichen Grunden unterbrochen hatte und\ndiese Unterbrechung auch nicht geringfugig war. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat berucksichtigt hierbei, dass es sich zunachst um eine\n"betriebsbedingte" Unterbrechung der Arbeit gehandelt hat. Der Klager hat die\nFahrt nicht von sich aus unterbrochen, sondern er musste eine Pause machen,\nweil K. die Toilette aufgesucht hat. Die Unterbrechung der Dienstfahrt war\nsomit durch den Arbeitsablauf bedingt. Der Klager musste sich grundsatzlich\njederzeit bereithalten, die Weiterfahrt aufzunehmen, sobald K. zuruckgekehrt\nwar. Zwischen der Fahrtunterbrechung und der versicherten Tatigkeit bestand\nsomit ein enger Zusammenhang, der den Versicherungsschutz zunachst nicht\nentfallen ließ. (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 17.04.2003 - L 7 U\n5003/01). Der Klager hat sich jedoch nicht nur auf dem Parkplatz die Beine\nvertreten, bis K. zuruckgekommen ist, sondern er hat sich entschlossen, den\nParkplatz zu verlassen und zum Rhein hinunterzugehen. Dieser Entschluss hatte\nkeine betrieblich bedingten Grunde, sondern entsprang allein seinem Wunsch,\nden Rhein zu sehen. Der Spaziergang zum Rhein stand auch nicht deshalb mit der\nversicherten Tatigkeit in innerem Zusammenhang, weil der Spaziergang wegen\nbesonderer Umstande zur notwendigen Erholung fur eine weitere betriebliche\nTatigkeit erforderlich war. Allein das allgemeine Interesse des Unternehmers\ndaran, dass Arbeitspausen oder - wie hier Fahrtunterbrechungen - in\nvernunftiger Weise zur Erholung und Entspannung verwendet werden, damit die\nLeistungsfahigkeit des Beschaftigten erhalten bleibt, reicht nicht aus, um den\ninneren Zusammenhang zwischen der eigentlichen betrieblichen Tatigkeit und dem\nVerhalten in einer Pause zu begrunden. Lediglich wenn die bisherige\nbetriebliche Tatigkeit als wesentliche Bedingung eine besondere Ermudung des\nVersicherten verursacht hat, die ohne die betriebliche Tatigkeit gar nicht\noder erst spater eingetreten ware, ist der innere Zusammenhang zu bejahen\n(vgl. hierzu Brackmann/Krasney, SBG VII, Rn. 82 zu § 8 mwN). Solche Umstande\nliegen hier nicht vor. Der Klager hatte als Beifahrer wahrend der gesamten\nAutofahrt die Moglichkeit, sich zu entspannen und sich von der vorherigen\nBelastung durch die betriebliche Tatigkeit (Verkaufsgesprache) zu erholen. Er\nmusste durch den Spaziergang auch nicht seine Fahrtuchtigkeit fur die\nWeiterfahrt aufrechterhalten oder wiederherstellen. Weder die Autofahrt selbst\nnoch der - nach Angaben des Klagers unbequeme - Beifahrersitz konnen als\nbesondere Umstande angesehen werden, die eine Erholungspause zur\nAufrechterhaltung der Arbeitskraft notwendig gemacht haben, auch nicht im\nHinblick auf den am Nachmittag wahrzunehmenden Termin. \n--- \n| 21 \n--- \n| Den Weg zum Rhein hat der Klager somit allein aus eigenwirtschaftlichen\nGrunden zuruckgelegt und damit die versicherte Tatigkeit unterbrochen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zwar entfallt nach der standigen Rechtsprechung des BSG der\nVersicherungsschutz auch wahrend einer privaten Zwecken dienenden\nUnterbrechung der versicherten Tatigkeit nicht, wenn die private Verrichtung\nderart ist, dass sie nach naturlicher Betrachtungsweise nur zu einer\ngeringfugigen Unterbrechung der versicherten Tatigkeit fuhrt. Jedoch kann die\nUnterbrechung hier nicht als geringfugig angesehen werden. Anders als in dem\nvom Senat mit Urteil vom 17.04.2003 entschiedenen Fall hat sich der Klager\nhier erheblich vom eigentlichen "Arbeitsplatz" entfernt, er befand sich\njedenfalls außerhalb der Sichtweite von K., sodass dieser die Fahrt nicht\nsofort nach dem Ende des Toilettenbesuches hatte fortsetzen konnen, sondern er\nhatte auf den Klager warten bzw. nach diesem suchen mussen. Außerdem hat der\nKlager den offentlichen Bereich der Autobahn - zu dem zwar der Parkplatz\ngehort, ersichtlich aber nicht mehr der hinter dem Parkplatz gelegene\nRheinuferweg und der Uferdamm zum Rhein hinab - verlassen. Anders als das SG\nist der Senat auf Grund der von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder der\nAuffassung, dass die Abgrenzung zwischen dem "offentlichen Verkehrsraum\nAutobahn" (Fahrspuren und Parkplatz) und dem dahinterliegenden Rheinuferweg\nauf Grund der Bepflanzung entlang des Parkplatzes auch fur den Klager ohne\nweiteres ersichtlich war. Entsprechend den von der Rechtsprechung ursprunglich\nentwickelten Grundsatzen fur die Wege von und nach der Arbeit, nach denen die\nnicht mehr versicherte Unterbrechung des Weges mit dem Verlassen des\noffentlichen Verkehrsraums (beispielsweise durch Betreten eines Geschaftes\noder durch Einbiegen in eine Seitenstraße) beginnt (vgl. hierzu zuletzt BSG\nSozR 3-2200 § 550 Nr. 14 mwN), liegt im Verlassen des Autobahnparkplatzes uber\nden Trampelpfad hinter den Toiletten eine wesentliche Zasur, die den\nVersicherungsschutz entfallen ließ. Jedenfalls im Hinblick auf das Verlassen\ndes offentlichen Verkehrsraums kann die Unterbrechung hier nicht mehr als\ngeringfugig angesehen werden, so dass der Klager auf seinem Weg zum Rheinufer\nnicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. \n--- \n| 23 \n--- \n| Ob - einen betrieblichen Zusammenhang unterstellt - der Versicherungsschutz\ndeshalb entfallen ware, weil sich der Klager durch die Benutzung des\nTrampelpfades zum Rheinufer hinab - wie die Beklagte meint - einer besonderen\nGefahr ausgesetzt hat, kann deshalb dahinstehen. Allerdings entfallt der\nVersicherungsschutz nur dann wegen einer sog. selbstgeschaffenen Gefahr, wenn\nder Versicherte sich derart sorglos und unvernunftig verhalt, dass fur den\nEintritt des Arbeitsunfalles nicht mehr die versicherte Tatigkeit, sondern die\nselbstgeschaffene Gefahr als die rechtlich allein wesentliche Ursache\nanzusehen ist (vgl. BSGE 42, 129, 133; BSG vom 7.3.2000 - B 2 U 249/99 B mwN).\nDiese Voraussetzungen durften hier nicht vorgelegen haben. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Klager hat somit am 04.07.2000 keinen Arbeitsunfall erlitten, weshalb\nauf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage\nabzuweisen war. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 26 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten uber die der\nSenat mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche Verhandlung gem. § 124\nAbs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulassig.\nBerufungsausschließungsgrunde nach § 144 SGG liegen nicht vor. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet. Das SG hat zu Unrecht festgestellt, dass\nder Klager am 04.07.2000 einen Arbeitsunfall erlitten hat. \n--- \n| 16 \n--- \n| Gemaß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind\nArbeitsunfalle Unfalle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz\nnach den §§ 2, 3 oder 6 begrundenden Tatigkeit (versicherte Tatigkeit). § 8\nAbs. 1 SGB VII definiert den Arbeitsunfall in Anlehnung an das bisher geltende\nRecht der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die zu § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO\nergangene Rechtsprechung und dazu erschienene Literatur kann daher fur die\nrechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeitsunfallen nach den\nVorschriften des SGB VII grundsatzlich weiter herangezogen werden. (BSG SozR\n3-2700 § 8 Nrn. 1, 2, 3, 6, 9). \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager befand sich am Unfalltag auf einer mit seiner gem. § 2 Abs. 1\nNr. 2 SGB VII versicherten Tatigkeit als Verkaufsleiter zusammenhangenden\nDienstreise. Die Fahrt von K. nach B. war damit Teil der versicherten\nTatigkeit, sodass grundsatzlich Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB\nVII und nicht nach § 8 Abs. 2 SGB VII (sog. Wegeunfalle) bestand. Allerdings\nsind auch bei Dienstreisen die von der Rechtsprechung fur den\nVersicherungsschutz auf Wegen nach und von dem Ort der Tatigkeit entwickelten\nGrundsatze - mit hier nicht wesentlichen Einschrankungen - anwendbar (vgl.\nhierzu BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 = Breith. 1991, 835). \n--- \n| 18 \n--- \n| Fur das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass\ndas Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat,\neinerseits der versicherten Tatigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tatigkeit\nandererseits den Unfall herbeigefuhrt hat. Zunachst muss also eine sachliche\nVerbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tatigkeit bestehen, der\ninnere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende\nVerhalten der versicherten Tatigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist\nwertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung\ninnerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der\ngesetzlichen Unfallversicherung reicht. Fur die tatsachlichen Grundlagen\ndieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernunftiger\nAbwagung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis fur das\nVorliegen der versicherten Tatigkeit als erbracht angesehen werden konnen.\nInnerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des\nUnfalls eine versicherte Tatigkeit ausgeubt hat, Überlegungen nach dem Zweck\ndes Handelns mit im Vordergrund (standige Rechtsprechung des BSG, zuletzt\nUrteil vom 10.10.2002 - B 2 U 6/02 R mwN). \n--- \n| 19 \n--- \n| Ausgehend von diesen Grundsatzen stand der Klager auf dem Weg zum Rheinufer\nnicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er die\nversicherte Tatigkeit aus eigenwirtschaftlichen Grunden unterbrochen hatte und\ndiese Unterbrechung auch nicht geringfugig war. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat berucksichtigt hierbei, dass es sich zunachst um eine\n"betriebsbedingte" Unterbrechung der Arbeit gehandelt hat. Der Klager hat die\nFahrt nicht von sich aus unterbrochen, sondern er musste eine Pause machen,\nweil K. die Toilette aufgesucht hat. Die Unterbrechung der Dienstfahrt war\nsomit durch den Arbeitsablauf bedingt. Der Klager musste sich grundsatzlich\njederzeit bereithalten, die Weiterfahrt aufzunehmen, sobald K. zuruckgekehrt\nwar. Zwischen der Fahrtunterbrechung und der versicherten Tatigkeit bestand\nsomit ein enger Zusammenhang, der den Versicherungsschutz zunachst nicht\nentfallen ließ. (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 17.04.2003 - L 7 U\n5003/01). Der Klager hat sich jedoch nicht nur auf dem Parkplatz die Beine\nvertreten, bis K. zuruckgekommen ist, sondern er hat sich entschlossen, den\nParkplatz zu verlassen und zum Rhein hinunterzugehen. Dieser Entschluss hatte\nkeine betrieblich bedingten Grunde, sondern entsprang allein seinem Wunsch,\nden Rhein zu sehen. Der Spaziergang zum Rhein stand auch nicht deshalb mit der\nversicherten Tatigkeit in innerem Zusammenhang, weil der Spaziergang wegen\nbesonderer Umstande zur notwendigen Erholung fur eine weitere betriebliche\nTatigkeit erforderlich war. Allein das allgemeine Interesse des Unternehmers\ndaran, dass Arbeitspausen oder - wie hier Fahrtunterbrechungen - in\nvernunftiger Weise zur Erholung und Entspannung verwendet werden, damit die\nLeistungsfahigkeit des Beschaftigten erhalten bleibt, reicht nicht aus, um den\ninneren Zusammenhang zwischen der eigentlichen betrieblichen Tatigkeit und dem\nVerhalten in einer Pause zu begrunden. Lediglich wenn die bisherige\nbetriebliche Tatigkeit als wesentliche Bedingung eine besondere Ermudung des\nVersicherten verursacht hat, die ohne die betriebliche Tatigkeit gar nicht\noder erst spater eingetreten ware, ist der innere Zusammenhang zu bejahen\n(vgl. hierzu Brackmann/Krasney, SBG VII, Rn. 82 zu § 8 mwN). Solche Umstande\nliegen hier nicht vor. Der Klager hatte als Beifahrer wahrend der gesamten\nAutofahrt die Moglichkeit, sich zu entspannen und sich von der vorherigen\nBelastung durch die betriebliche Tatigkeit (Verkaufsgesprache) zu erholen. Er\nmusste durch den Spaziergang auch nicht seine Fahrtuchtigkeit fur die\nWeiterfahrt aufrechterhalten oder wiederherstellen. Weder die Autofahrt selbst\nnoch der - nach Angaben des Klagers unbequeme - Beifahrersitz konnen als\nbesondere Umstande angesehen werden, die eine Erholungspause zur\nAufrechterhaltung der Arbeitskraft notwendig gemacht haben, auch nicht im\nHinblick auf den am Nachmittag wahrzunehmenden Termin. \n--- \n| 21 \n--- \n| Den Weg zum Rhein hat der Klager somit allein aus eigenwirtschaftlichen\nGrunden zuruckgelegt und damit die versicherte Tatigkeit unterbrochen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zwar entfallt nach der standigen Rechtsprechung des BSG der\nVersicherungsschutz auch wahrend einer privaten Zwecken dienenden\nUnterbrechung der versicherten Tatigkeit nicht, wenn die private Verrichtung\nderart ist, dass sie nach naturlicher Betrachtungsweise nur zu einer\ngeringfugigen Unterbrechung der versicherten Tatigkeit fuhrt. Jedoch kann die\nUnterbrechung hier nicht als geringfugig angesehen werden. Anders als in dem\nvom Senat mit Urteil vom 17.04.2003 entschiedenen Fall hat sich der Klager\nhier erheblich vom eigentlichen "Arbeitsplatz" entfernt, er befand sich\njedenfalls außerhalb der Sichtweite von K., sodass dieser die Fahrt nicht\nsofort nach dem Ende des Toilettenbesuches hatte fortsetzen konnen, sondern er\nhatte auf den Klager warten bzw. nach diesem suchen mussen. Außerdem hat der\nKlager den offentlichen Bereich der Autobahn - zu dem zwar der Parkplatz\ngehort, ersichtlich aber nicht mehr der hinter dem Parkplatz gelegene\nRheinuferweg und der Uferdamm zum Rhein hinab - verlassen. Anders als das SG\nist der Senat auf Grund der von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder der\nAuffassung, dass die Abgrenzung zwischen dem "offentlichen Verkehrsraum\nAutobahn" (Fahrspuren und Parkplatz) und dem dahinterliegenden Rheinuferweg\nauf Grund der Bepflanzung entlang des Parkplatzes auch fur den Klager ohne\nweiteres ersichtlich war. Entsprechend den von der Rechtsprechung ursprunglich\nentwickelten Grundsatzen fur die Wege von und nach der Arbeit, nach denen die\nnicht mehr versicherte Unterbrechung des Weges mit dem Verlassen des\noffentlichen Verkehrsraums (beispielsweise durch Betreten eines Geschaftes\noder durch Einbiegen in eine Seitenstraße) beginnt (vgl. hierzu zuletzt BSG\nSozR 3-2200 § 550 Nr. 14 mwN), liegt im Verlassen des Autobahnparkplatzes uber\nden Trampelpfad hinter den Toiletten eine wesentliche Zasur, die den\nVersicherungsschutz entfallen ließ. Jedenfalls im Hinblick auf das Verlassen\ndes offentlichen Verkehrsraums kann die Unterbrechung hier nicht mehr als\ngeringfugig angesehen werden, so dass der Klager auf seinem Weg zum Rheinufer\nnicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. \n--- \n| 23 \n--- \n| Ob - einen betrieblichen Zusammenhang unterstellt - der Versicherungsschutz\ndeshalb entfallen ware, weil sich der Klager durch die Benutzung des\nTrampelpfades zum Rheinufer hinab - wie die Beklagte meint - einer besonderen\nGefahr ausgesetzt hat, kann deshalb dahinstehen. Allerdings entfallt der\nVersicherungsschutz nur dann wegen einer sog. selbstgeschaffenen Gefahr, wenn\nder Versicherte sich derart sorglos und unvernunftig verhalt, dass fur den\nEintritt des Arbeitsunfalles nicht mehr die versicherte Tatigkeit, sondern die\nselbstgeschaffene Gefahr als die rechtlich allein wesentliche Ursache\nanzusehen ist (vgl. BSGE 42, 129, 133; BSG vom 7.3.2000 - B 2 U 249/99 B mwN).\nDiese Voraussetzungen durften hier nicht vorgelegen haben. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Klager hat somit am 04.07.2000 keinen Arbeitsunfall erlitten, weshalb\nauf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage\nabzuweisen war. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 26 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n
141,242
olgkarl-2005-08-23-17-u-705
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
17 U 7/05
2005-08-23
2019-01-08 17:33:43
2019-02-12 12:20:46
Urteil
## Tenor\n\n1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg\nvom 7. Dezember 2004 - 2 O 420/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im ubrigen\nwie folgt abgeandert und neu gefasst:\n\na) Die Klage wird abgewiesen.\n\nb) Auf die Widerklage werden die Klagerin und der Drittwiderbeklagte\nverurteilt, als Gesamtschuldner 77.892,33 EUR nebst Zinsen hieraus in Hohe von\nfunf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 18. Marz 2003 an die Beklagte\nzu zahlen.\n\nWeiterhin werden die Klagerin und der Drittwiderbeklagte verurteilt, als\nGesamtschuldner an die Beklagte Zinsen in Hohe von 6,59 %\n\naus 14.924,82 EUR fur die Zeit vom 16. November 2002 bis 17. Marz 2003,\n\naus 15.143,14 EUR fur die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 15. Oktober 2002 und\n\naus 15.033,98 EUR fur die Zeit vom 16. Oktober 2002 bis 15. November 2002\n\nnebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz aus diesen\nZinsbetragen seit 18. Marz 2003 zu zahlen.\n\nc) Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.\n\n2) Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zuruckgewiesen.\n\n3) Klagerin und Drittwiderbeklagter tragen ¾ der Gerichtskosten und der\naußergerichtlichen Kosten der Beklagten als Gesamtschuldner. Das ubrige\nViertel der Gerichtskosten, der außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragt\ndie Klagerin. Von den außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der\nBeklagten in erster Instanz tragen Klagerin und Drittwiderbeklagter ¾ als\nGesamtschuldner; das ubrige Viertel tragt die Klagerin.\n\n4) Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Klagerin und der\nDrittwiderbeklagte konnen die Vollstreckung der Beklagten bzw. der\nStreithelferin der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des\nvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. die\nStreithelferin der Beklagten zuvor Sicherheit in Hohe von 120 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages leistet.\n\n5) Die Revision wird zugelassen.\n\n6) Der Streitwert fur die Berufungsinstanz wird auf 78.409,32 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um Forderungen aus Darlehensvertragen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte sind miteinander verheiratet. Der\nDrittwiderbeklagte wollte im September 1993 bei seinem Versicherungsberater\nL., seine Lebensversicherung kundigen. Der Versicherungsberater riet ihm, eine\ngewinnbringende Anlage zu erwerben, die er durch die bestehende\nLebensversicherung sowie durch Zahlung monatlicher Raten finanzieren konne. Am\n10. September 1993 gaben die Klagerin und der Drittwiderbeklagte ein Angebot\nzum Abschluss eines Treuhandvertrages ab, welches vor dem Notar L. notariell\nbeurkundet wurde. Darin bevollmachtigten sie die T. Revisions- und\nTreuhandgesellschaft Wirtschaftsprufungsgesellschaft (fortan T.), sie\numfassend zu vertreten. Ziel war der Erwerb von Anteilen des R.-N.-I. Nr. 2\n(fortan RN-Fonds Nr. 2). Die T. nahm das Angebot wenig spater an. Aufgrund der\nVollmacht schloss die T. fur die Klagerin und den Drittwiderbeklagten am 10.\nDezember 1993 mit der Sparkasse W. zwei Darlehensvertrage uber 32.667 DM bzw.\n84.000 DM ab. Die Darlehensvertrage dienten der Finanzierung der von der\nKlagerin und dem Drittwiderbeklagten zu erwerbenden Anteile am RN-Fonds Nr. 2.\nBeide Darlehen sahen ein Disagio von 8,75 %, eine einmalige\nBearbeitungsprovision von 1,25 % und einen Nominalzins von 6,59 % vor. Das\nDarlehen Nr. ... sollte mit anfanglich 1,5 % jahrlich getilgt werden; der\nEffektivzins war mit 8,75 % angegeben. Das Darlehen Nr. ... war tilgungsfrei\nund zum 30. Dezember 2018 zuruckzuzahlen. Der Effektivzins war mit 8,25 %\nangegeben. Beide Darlehensvertrage enthielten zudem eine Anlage mit\n"Erganzenden Angaben und Vereinbarungen aufgrund des\nVerbraucherkreditgesetzes". Als Sicherheit war in beiden Darlehensvertragen\ndie noch zu bestellende Globalgrundschuld am Grundstuck des RN-Fonds Nr. 2\nuber 11.733.333 DM vorgesehen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die\nZweckerklarung vom 10. Dezember 1993 Bezug genommen. Fur das Darlehen Nr. ...\nuber 84.000 DM vereinbarten die Parteien im Abschnitt „Sicherheiten" zudem,\neine fur Tilgungszwecke vorgesehene Lebensversicherung gemaß besonderer\nAbtretungsurkunde vom 10. Dezember 1993 abzutreten. In der Folgezeit erklarte\ndie T. fur die Klagerin und den Drittwiderbeklagten den Beitritt zum\nImmobilienfonds. Am 29. Dezember 1993 bestellte die damalige Eigentumerin die\nGrundschuld uber 11.733.333 DM am Grundstuck Fl. St. Nr. ..., eingetragen im\nGrundbuch von G. und bewilligte zugleich die Eintragung im Grundbuch. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Sparkasse W. Am 13. Juli 2001\ntrat der Drittwiderbeklagte samtliche Rechte gegen die Beklagte an die\nKlagerin ab. Mit Schreiben vom 3. Juni 2002 widerriefen die Klagerin und der\nDrittwiderbeklagte die der T. erteilte Vollmacht. Ebenfalls mit Schreiben vom\n3. Juni 2002 an den RN-Fonds Nr. 2 kundigten sie ihre Beteiligung. Mit\nSchriftsatz vom 20. Juni 2003 widerrief der Klagervertreter nochmals\nvorsorglich die seitens der T. fur die Klagerin und den Drittwiderbeklagten\nabgegebenen Darlehenserklarungen. Die Beklagte hat die beiden Darlehen mit\nSchreiben vom 26. Februar 2003 mit sofortiger Wirkung gekundigt. Auf die\nDarlehensvertrage haben die Klagerin und der Drittwiderbeklagte teils aus\neigenen Mitteln, teils aus Ausschuttungen des Fonds insgesamt 20.557,02 EUR\nbezahlt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte haben behauptet, der\nVersicherungsvertreter L. habe sie ohne Terminsvereinbarung zu Hause\naufgesucht und uberredet, Anteile an einem Immobilienfonds zu erwerben.\nHierbei habe L. wahrheitswidrig erklart, die Fondsanteile konnten schon nach\nwenigen Jahren mit erheblichem Gewinn verkauft werden. Bereits im ersten Jahr\nsei eine Steuerersparnis von 13.000 DM zu erwarten. L. habe sich nicht danach\nerkundigt, ob die Anlage spekulativen Charakter haben oder der sicheren\nGeldanlage dienen sollte. Am 10. September 1993, zwei Tage nach dem ersten\nGesprach, habe L. sie angerufen und mitgeteilt, er komme kurz vorbei, um etwas\nzu erledigen. Er habe sie sodann in sein Fahrzeug geladen und zu einem Notar\ngefahren, wo das Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages beurkundet\nworden sei. L. habe sie unter Druck gesetzt und erklart, es musse schnell\ngehandelt werden. Der Notar habe weder die Urkunde noch die in der Urkunde\ngenannte Bezugsurkunde vorgelesen. Urkunde und Bezugsurkunde seien ihnen\nvorher nicht bekannt gewesen. Bei Abschluss der Darlehensvertrage habe der\nSparkasse W. allenfalls eine beglaubigte Abschrift der notariellen Vollmacht\nvom 10. September 1993 vorgelegen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte haben die Ansicht vertreten, die\nBeklagte hafte fur ein Beratungsverschulden des L. L. sei Erfullungsgehilfe\nder Sparkasse W. gewesen und als Vertrauensperson der Sparkasse W.\naufgetreten. Er habe die geschaftlichen Gesprache mit der Klagerin und dem\nDrittwiderbeklagten gefuhrt, die erforderlichen Unterlagen vorbereitet und zur\nBonitatsprufung an die Sparkasse W. weitergeleitet. Die Klagerin und der\nDrittwiderbeklagte haben weiterhin vorgetragen, die Sparkasse W. habe ihre\nRolle als Kreditgeberin im Zusammenhang mit der Planung, Durchfuhrung und dem\nVertrieb der Immobilien uberschritten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin hat zuletzt beantragt, \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 1) festzustellen, dass die mit der Sparkasse W. geschlossenen\nDarlehensvertrage Kt.-Nr. ... und Kt.-Nr. ..., fortgefuhrt von der Beklagten\nals deren Rechtsnachfolgerin unter nunmehriger Kt. Nr. ... und Kt.-Nr. ...,\nunwirksam sind und die Klagerin sowie Herr M. A. zu Zahlungen aufgrund dieser\nDarlehensvertrage an die Beklagte nicht verpflichtet sind. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| 2) Die Beklagte dazu zu verurteilen, an die Klagerin 20.557,02 EUR nebst\nfunf Prozentpunkte uber dem Basiszinssatz p. a. Zinsen seit dem 16. Juli 2002\nzu zahlen, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung der vormals von der Klagerin\nund Herrn M. A. gehaltenen Beteiligung an der Gesellschaft burgerlichen Rechts\nRN.-I. Nr. 2. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte hat beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Widerklagend hat die Beklagte gegen die Klagerin und ihren Ehemann als\nDrittwiderbeklagten zuletzt beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 1) die Klagerin und den Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu\nverurteilen, 81.887,78 EUR nebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten uber\ndem Basiszinssatz hieraus seit 18. Marz 2003 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 2) Hilfsweise die Klagerin und den Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner\nzu verurteilen, 32.252,35 EUR nebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten\nuber dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshangigkeit der Widerklage zu\nbezahlen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 3) Hochst hilfsweise die Klagerin und den Drittwiderbeklagten als\nGesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte 33.499,76 EUR zuzuglich Zinsen\nin Hohe von funf Prozentpunkten seit Rechtshangigkeit der Hilfswiderklage zu\nzahlen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Klagerin und Drittwiderbeklagter haben beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Widerklage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass L. die Klagerin und den\nDrittwiderbeklagten ohne Terminsvereinbarung zu Hause aufgesucht habe. Sie hat\nweiterhin bestritten, dass L. falsche Angaben gemacht oder falsche Zusagen\nabgegeben habe. Auch die ubrigen von der Klagerin und dem Drittwiderbeklagten\nvorgetragenen Umstande der Vertragsanbahnung und des Vertragsschlusses hat die\nBeklagte bestritten. Das Verhalten L. sei ihr nicht zurechenbar. Die Beklagte\nhat behauptet, dass die Urkunde im Notartermin am 10. September 1993\nvorgelesen worden sei. Die Bezugsurkunde habe vorgelegen; Klagerin und\nDrittwiderbeklagter hatten erklart, die Bezugsurkunde zu kennen, und auf das\nVerlesen der Bezugsurkunde verzichtet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte hat gemeint, die der T. erteilte Vollmacht sei wirksam. Ein\nVerstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz liege nicht vor. Jedenfalls seien die\nDarlehensvertrage wirksam zustande gekommen, weil die T. der Sparkasse W. bei\nderen Abschluss eine notarielle Ausfertigung der Vollmacht vorgelegt habe. Ein\nVerstoß gegen § 4 Abs. 1 VerbrKrG sei nicht gegeben, weil die erforderlichen\nMindestangaben in den Anhangen der Darlehensvertrage enthalten seien.\nJedenfalls fuhre ein Verstoß nicht zur Nichtigkeit der Darlehensvertrage. Die\nBeklagte war der Ansicht, dass sich die Klagerin und der Drittwiderbeklagte\nweder auf den Widerruf der Vollmacht noch auf die Kundigung der Beteiligung am\nRN-Fonds Nr. 2 berufen konnten. Der Zugang dieser Erklarungen werde\nbestritten. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Ihr stunden Forderungen in Hohe von 81.858,78 EUR aus den beiden\nDarlehensvertragen zu, die sie mit der Widerklage Ziff. 1 geltend mache. Sie\nhabe alle Zahlungen der Klagerin und des Drittwiderbeklagten auf die Darlehen\nbereits angerechnet. Der Antrag Ziff. 2 werde hilfsweise fur den Fall\ngestellt, dass das Gericht die Erweiterung der Widerklage gemaß Antrag Ziff. 1\nfur unzulassig halte. Der Betrag der Hilfswiderklage errechne sich aus den\nruckstandigen Darlehensraten aus der Zeit bis zum 17. Februar 2003. Der Antrag\nZiff. 3 werde hochst hilfsweise fur den Fall gestellt, dass das Gericht davon\nausgehe, dass die Darlehensvertrage unwirksam seien. Der Betrag setze sich aus\nder dann ohne Rechtsgrund ausgezahlten Darlehensvaluta zusammen. Diesen\nBereicherungsanspruch konne sie gegen die Klagerin und den Drittwiderbeklagten\nals Fondsgesellschafter jedenfalls gemaß § 128 HGB geltend machen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.\nZur rechtlichen Begrundung des Landgerichts wird auf das Urteil des\nLandgerichts vom 7. Dezember 2004 Bezug genommen. Gegen dieses ihr am 13.\nDezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Gegenuber dem erstinstanzlichen Vorbringen ist erganzend folgendes\nfestzustellen: Die vom Drittwiderbeklagten abgetretene Lebensversicherung\nbestand seit 1. August 1992 bei der S. Lebensversicherung. Am 19. September\n1994 trat der Drittwiderbeklagte die Anspruche aus der Lebensversicherung an\ndie Beklagte ab. Mit Schreiben vom 11. August 1994 beauftragte die T. namens\nder Gesellschafter des RN-Fonds Nr. 2, die Darlehen vollstandig zu valutieren.\nDie Beklagte finanzierte samtliche Fondsanteile des RN-Fonds Nr. 2, soweit\nnicht einzelne Anleger in wenigen Fallen die Kosten aus eigenen Mitteln\nbezahlten. Sie beruft sich gegenuber der Klageforderung auf Verjahrung. Im Mai\n1996 anderten die Parteien die Darlehensbedingungen einvernehmlich. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Beklagte meint, dass die Feststellungsklage unzulassig sei. Der\nTreuhandvertrag vom 10. September 1993 verstoße nicht gegen das\nRechtsberatungsgesetz, weil samtliche der von der T. im Namen der Klagerin und\ndes Drittwiderbeklagten abzuschließenden Vertrage bereits inhaltlich und\nstrukturell durch die Bezugsurkunde samt Anlagen vorgegeben gewesen seien. Die\nKlagerin und der Drittwiderbeklagte hatten von der T. auch keine juristische\nBeratung erwartet; Beratungsbedarf habe nicht bestanden. Die Beklagte\nbehauptet, der Sparkasse W. habe vor Abschluss des Darlehensvertrags eine\nnotarielle Ausfertigung der Vollmachtsurkunde vom 10. September 1993\nvorgelegen. Ein verbundenes Geschaft liege nicht vor. Die Sparkasse W. habe\nsich nicht in eine bestehende, einheitliche Vertriebsorganisation\neingegliedert. Sie habe sich auch nicht eines vorgegebenen Vertriebsmodells\nbedient, um ihre Geschaftsinteressen zu verwirklichen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Beklagte ist der Ansicht, dass § 9 VerbrKrG nicht anwendbar sei, weil\nes sich um grundpfandrechtlich gesicherte Kredite im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr.\n2 VerbrKrG handele. Die Kredite seien zu fur grundpfandrechtlich gesicherte\nDarlehen im Dezember 1993 ublichen Bedingungen vergeben worden; die\nAbweichungen von der Bundesbankstatistik seien auf die Unzulanglichkeit der\nStatistik und die Besonderheiten der Darlehensvertrage im vorliegenden Fall\nzuruckzufuhren. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 lit. f VerbrKrG i. d.\nF. des Gesetzes vom 27. April 1993 (fortan VerbrKrG 1993) liege nicht vor,\nweil die Lebensversicherung bereits lange vor dem Darlehensvertrag und nicht\nzu Tilgungszwecken abgeschlossen worden sei. Jedenfalls sei eine Heilung nach\n§ 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG 1993 eingetreten, weil die Klagerin und der\nDrittwiderbeklagte die Darlehensvaluta empfangen hatten, indem ihre\nVerpflichtungen aus dem Fondsbeitritt getilgt worden seien. Hilfsweise rechne\nsie gegenuber dem Zahlungsanspruch mit ihren Darlehensruckzahlungsanspruchen\naus Bereicherungsrecht auf. Der von der Klagerin geltend gemachte\nRuckzahlungsanspruch sei - soweit es um Leistungen der Klagerin und des\nDrittwiderbeklagten aus der Zeit bis zum 31. Dezember 1997 gehe - verjahrt.\nDie Behauptung der Klagerin und des Drittwiderbeklagten, die Sparkasse W. habe\nmit ihnen im Jahre 1998 ein „Stillhalteabkommen" getroffen, sei verspatet. Die\nBeklagte bestreitet, dass insoweit eine konkrete Vereinbarung getroffen worden\nsei. Jedenfalls sei die Klagerin und der Drittwiderbeklagte in eine solche\nAbrede nicht einbezogen worden, weil diese sich nicht bereit erklart hatten,\nzuzuwarten. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Mit der Widerklage verfolge sie ihre Gesamtforderung nach Kundigung der\nDarlehensvertrage (Antrag Ziff. 2), hilfsweise als offene Teilklage die\nRuckstande aus den Darlehensvertragen zum 17. Februar 2003 (Antrag Ziff. 3),\nhochst hilfsweise ihre Bereicherungsanspruche wegen der Auszahlung der\nDarlehensvaluta (Antrag Ziff. 4). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| unter Abanderung des am 7. Dezember 2004 verkundeten Urteils des\nLandgerichts Heidelberg \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. die Klage abzuweisen; \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. auf die Widerklage die Klagerin und den Drittwiderbeklagten als\nGesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte 81.858,78 EUR nebst Zinsen in\nHohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 18. Marz 2003 zu\nbezahlen; \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. hilfsweise: auf die Widerklage die Klagerin und den Drittwiderbeklagten\nals Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte 32.252,35 EUR nebst Zinsen\nin Hohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit Rechtshangigkeit\nder Widerklage zu bezahlen; \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 4\\. hochst hilfsweise: auf die Widerklage die Klagerin und den\nDrittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte\n33.499,76 EUR nebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten uber dem\nBasiszinssatz seit Rechtshangigkeit der Hilfswiderklage zu bezahlen \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte beantragen, \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Sie meinen, dass ihnen ein Widerrufsrecht nach dem HWiG zustehe und sie\ndavon wirksam Gebrauch gemacht hatten. Die Vollmacht sei schon nicht wirksam\nbeurkundet worden. Die Darlehensvertrage seien wegen Verstoßes gegen das\nTransparenzgebot unwirksam. Der Treuhandvertrag verstoße gegen das\nRechtsberatungsgesetz; es komme nicht darauf an, ob die Vertrage bereits\nausformuliert waren. Eine notarielle Ausfertigung der Vollmacht habe der\nSparkasse W. nicht vorgelegen. Der Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz sei\nevident gewesen. Es liege ein verbundenes Geschaft vor, weil Darlehensvertrag\nund Fondsbeteiligung von L. als Paket vermittelt worden seien. Der Sparkasse\nW. sei das Geschaftsmodell vor Einwerbung der Klagerin und des\nDrittwiderbeklagten bekannt gewesen. Sie habe der Klagerin und dem\nDrittwiderbeklagten den Abschluss uber die T. vorgegeben. Klagerin und\nDrittwiderbeklagter konnten sich daher auf § 9 VerbrKrG berufen. § 3 Abs. 2\nNr. 2 VerbrKrG greife nicht ein, weil das Grundpfandrecht bei Abschluss der\nDarlehensvertrage bereits bestanden habe. Zudem seien die Darlehen nicht zu\nfur Grundpfandrechte ublichen Bedingungen gewahrt worden, weil der\nEffektivzinssatz fur beide Darlehen die im Dezember 1993 bei 7,89 % liegende\nObergrenze der Streubreite fur entsprechende Darlehen uberschritten habe. Es\nsei unerheblich, wann die Lebensversicherung abgeschlossen worden sei;\nentscheidend sei allein, dass die Lebensversicherung als Tilgungsinstrument\neingesetzt worden sei. Bereicherungsanspruche der Beklagten seien schon\ndeshalb nicht gegeben, weil es an einer wirksamen Anweisung fehle. Verjahrung\nsei nicht eingetreten; im Übrigen sei die Verjahrungseinrede verspatet.\nAußerdem sei die Sparkasse W. im Jahre 1998 ein „Stillhalteabkommen" mit\nKlagerin und Drittwiderbeklagten eingegangen, das bis zum rechtskraftigen\nAbschluss eines Musterprozesses zwischen der Sparkasse W. und einem Anleger\ngedauert habe. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Senat hat in der mundlichen Verhandlung vom 19. Juli 2005 Beweis\nerhoben durch Vernehmung des Zeugen K. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist zulassig. Sie hat auch in der Sache\nuberwiegend Erfolg. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| A. Klage \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Feststellungsklage ist unzulassig, der Zahlungsantrag unbegrundet. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 1) Die Feststellungsklage ist unzulassig. Das ursprunglich vorhandene\nFeststellungsinteresse ist entfallen, weil die Beklagte wegen desselben\nGegenstandes Leistungswiderklage erhoben hat, die sie spatestens seit dem 17.\nFebruar 2004 nicht mehr einseitig zurucknehmen konnte (vgl. BGH, NJW 1994,\n3107; NJW-RR 2001, 1105). Feststellungsklage und Leistungswiderklage betreffen\nhier den gleichen Gegenstand, weil die Klagerin die Feststellung begehrt, dass\ndie Darlehensvertrage unwirksam sind und die Beklagte keine Anspruche aus den\nDarlehensvertragen hat. Die Beklagte stutzt ihre Widerklage gerade auf die\nAnspruche aufgrund der Darlehensvertrage und hat im Prozess erklart, keine\nuber ihren Widerklageantrag Ziff. 1 hinausgehenden Anspruche gegen die\nKlagerin und den Drittwiderbeklagten geltend zu machen. Zwar bleibt eine\nFeststellungsklage ausnahmsweise zulassig, obwohl ihr Streitgegenstand in\neiner Leistungswiderklage aufgeht, wenn die Feststellungsklage\nentscheidungsreif ist. Dies bezieht sich jedoch auf den Zeitpunkt der\nmundlichen Verhandlung, in dem die Leistungswiderklage nicht mehr\nzuruckgenommen werden kann. Der Klager soll die Ergebnisse der bisherigen\nProzessfuhrung nicht deshalb verlieren, weil der Beklagte nach langerer Zeit\ndoch Leistungswiderklage erhebt (vgl. insb. BGHZ 18, 22, 41f.). Daruber hinaus\nsoll ihm das Risiko abgenommen werden, in einer mundlichen Verhandlung sofort\ndaruber entscheiden zu mussen, ob er seine Feststellungsklage aufrecht erhalt\noder fur erledigt erklart. Diese Erwagung greift jedoch dann nicht mehr ein,\nwenn nach dem Zeitpunkt, von dem an die Leistungswiderklage nicht mehr\neinseitig zuruckgenommen werden kann, weitere mundliche Verhandlungen\nstattfinden und der Prozess noch in erster Instanz anhangig ist. Eine doppelte\nEntscheidung uber den gleichen Streitgegenstand ist nicht Ziel der Sache. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat zu keinem Zeitpunkt uber Fragen\nverhandelt, die ausschließlich die Widerklage betrafen. Hauptpunkt des Streits\nzwischen den Parteien war die Frage, ob die Darlehensvertrage wirksam sind.\nDie vom Landgericht schließlich getroffene Entscheidung befasst sich -\nabgesehen vom Zahlungsantrag, der der Hohe nach unstreitig ist -\nausschließlich mit der Wirksamkeit der Darlehensvertrage. Vor diesem\nHintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Rechtsstreit\nhinsichtlich der Feststellungsklage bereits entscheidungsreif war, als die\nParteien zur Widerklage mundlich verhandelten. Ware dies der Fall gewesen,\nhatte das Landgericht zu diesem Zeitpunkt entscheiden konnen und mussen. Damit\nfehlt es an einer Rechtfertigung fur eine doppelte Entscheidung uber den\nStreitgegenstand. Der Feststellungsantrag ist auch nicht als\nZwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) zulassig, weil die Entscheidung\nuber die Widerklage die sich aus dem Darlehensvertrag moglicherweise\nergebenden Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien erschopfend regelt (vgl.\nZoller/Greger, ZPO 25. Aufl., § 256 Rn. 26). Nachdem die Beklagte samtliche\nAnspruche aus dem Darlehensverhaltnis mit der Widerklage geltend macht und\nerklart hat, keine daruber hinausgehenden Anspruche zu haben, fehlt es mangels\nVortrag der Klagerin an Anhaltspunkten, dass aus dem streitigen\nRechtsverhaltnis bezuglich des Darlehens weitere Anspruche zwischen den\nParteien erwachsen konnten. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Im ubrigen ist die Feststellungsklage - worauf der Senat in der mundlichen\nVerhandlung vom 7. Juni 2005 hingewiesen hat - jedenfalls insoweit unzulassig,\nals die Klagerin auch Feststellung beantragt, dass die Beklagte keine\nAnspruche mehr gegen ihren Ehemann hat. Dies betrifft die Feststellung eines\nDrittrechtsverhaltnisses. Hierfur fehlt es an einem Feststellungsinteresse der\nKlagerin. Die Abtretungserklarung des Ehemanns verschafft der Klagerin ein\nsolches Interesse nicht, weil eine Abtretung sich nur auf Anspruche bezieht,\nnicht auf Verbindlichkeiten (vgl. auch OLG Celle, WM 2005, 691). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| 2) Die Zahlungsklage ist - unabhangig von der Frage der Wirksamkeit der\nDarlehensvertrage - unbegrundet. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| a) Es kann dahinstehen, ob die Zahlungsklage schon unschlussig ist. Die\nKlagerin macht geltend, sie und ihr Ehemann hatten auf die\nDarlehensforderungen der Beklagten insgesamt 20.557,02 EUR gezahlt, die sie\naufgrund der Unwirksamkeit der Darlehensvertrage zuruckverlangen konnten. Die\nKlagerin hat aber nicht dargetan, in welchem Umfang diese Zahlungen aus ihren\neigenen Mitteln bzw. denen des Ehemanns erfolgte. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Klagerin hat sich allein auf das Vorbringen der Beklagten gestutzt. Die\nBeklagte hat erklart, die Klagerin und ihr Ehemann hatten bislang 20.557,02\nEUR auf die beiden Darlehensvertrage gezahlt, und sich hierfur auf die\nKontoauszuge fur beide Darlehen berufen. Daraus ergeben sich fur das Darlehen\nNr. ... Zahlungen der Klagerin und ihres Ehemannes in Hohe von 10.875,18 DM in\nden Jahren zwischen 1994 und 1997. Weitere Einzahlungen auf dieses Konto sind\nausweislich der Kontoauszuge nicht erfolgt bzw. jeweils unmittelbar nach\nZahlungseingang storniert worden. Fur das Darlehen Nr. ... haben die Klagerin\nund ihr Ehemann insgesamt 1.403,41 DM in den Jahren 1994 und 1995 aus eigenen\nMitteln gezahlt; die ubrigen Zahlungen sind entweder storniert worden oder\nstammen - wie die Beklagte in erster Instanz ausfuhrlich vorgetragen hat - aus\nden Ausschuttungen des Fonds. Die Klagerin kann ihre Bereicherungsanspruche\njedoch nicht auf Zahlungen des Fonds stutzen, weil die Klagerin und ihr\nEhemann diese Betrage nicht aus eigenen Mitteln aufgebracht haben. Der Anleger\nkann aus § 812 BGB nicht auch die Ruckzahlung der aufgrund seiner\nFondsbeteiligung von dem Fonds an die Bank gezahlten Zinsen verlangen (BGH,\nUrt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, NJW 2004, 2736; v. 14. Juni 2004 - II ZR\n395/01, NJW 2004, 2731 = BGHZ 159, 280ff. fur § 3 Abs. 1 HWiG; v. 14. Juni\n2004 - II ZR 385/02, WM 2004, 1527 fur § 3 Abs. 1 HWiG). Danach ergeben sich\nZahlungen der Klagerin und ihres Ehemannes in Hohe von insgesamt 12.278,59 DM\n= 6.277,94 EUR. Weitere Zahlungen aus eigenen Mitteln hat die Klagerin nicht\nbehauptet. Damit besteht ein Bereicherungsanspruch der Klagerin und ihres\nEhemannes allenfalls in Hohe von 6.277,94 EUR. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Demgegenuber konnten die Klagerin und ihr Ehemann verpflichtet sein, sich\nauf diesen Anspruch die Steuervorteile anrechnen zu lassen, die sie aus der\nFondsbeteiligung gezogen haben und denen weder Nachforderungsanspruche des\nFinanzamts noch eine Besteuerungspflicht etwaiger Zahlungen seitens der\nBeklagten gegenuber stehen. Dies trifft hier nach dem eigenen Vortrag der\nKlagerin zumindest auf die fur die Jahre 1993 bis 1998 erzielten\nSteuervorteile zu; sie belaufen sich unstreitig auf mindestens 7.325,91 EUR.\nOb eine etwaige Zahlung seitens der Beklagten der Besteuerung auf Seiten der\nKlagerin und ihres Ehemannes unterlage, kann offen bleiben, weil die Beklagte\nbei einer Verrechnung mit den Steuervorteilen nichts mehr zu zahlen hatte.\nZudem hat die Klagerin keine Tatsachen vorgetragen, die fur eine Steuerpflicht\nsprechen. Eine Zahlung auf der Grundlage von Bereicherungsanspruchen ware im\nvorliegenden Fall grundsatzlich nicht steuerpflichtig, weil sie keiner der\nEinkunftsarten zuzuordnen ist. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| b) Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Anspruche der Klagerin jedenfalls\nin Hohe von 14.120,08 EUR verjahrt sind und die ubersteigenden Betrage nicht\naus eigenen Mitteln der Klagerin und ihres Ehemannes bezahlt worden sind.\nHierauf hat der Senat in der mundlichen Verhandlung vom 7. Juni 2005\nhingewiesen. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| aa) Die Anspruche der Klagerin sind in Hohe von 14.120,08 EUR verjahrt. Die\nBeklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Zahlungen auf die\nDarlehen bis zum 31. Dezember 1997 bei ihr eingegangen sind. Es handelt sich\nbei diesem Betrag unstreitig ausschließlich um Zinszahlungen. Tilgungsbetrage\nsind darin unstreitig nicht enthalten. Dann greift § 197 BGB a. F., so dass\ndie Bereicherungsanspruche wegen ohne Rechtsgrund gezahlter Zinsen in vier\nJahren verjahren. Diese Frist ist mit dem 31. Dezember 2001 abgelaufen; die\nerst am 29. Juli 2002 zugestellte Klage konnte die Verjahrung nicht mehr\nhemmen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Verjahrung von Bereicherungsanspruchen aufgrund in regelmaßigen Raten\ngeleisteter Zinszahlungen richtet sich nach § 197 BGB a. F. (OLG Karlsruhe,\nUrt. v. 6. Juli 2004 - 17 U 301/03, OLGR Karlsruhe 2004, S. 405ff.; zuletzt\nBGH, ZIP 2004, 2180). Die Rechtsprechung zur Verjahrung von\nBereicherungsanspruchen auf Ruckzahlung uberzahlter Zinsen beruht auf der\nÜberlegung, dass solche Anspruche ebenfalls als "regelmaßig wiederkehrende\nLeistungen" im Sinne des § 197 BGB a. F. anzusehen sind. Dabei handelt es sich\nnicht um eine Ausnahme fur sittenwidrige Ratenkredite, sondern um eine\nallgemeine Regel, die grundsatzlich fur Bereicherungsanspruche wegen\nratenweise gezahlter Zinsen gilt. § 197 BGB a. F. will vermeiden, dass sich\nruckstandige wiederkehrende Leistungen ansammeln, und verhindern, dass\nSchulden ubermaßig und moglicherweise existenzbedrohend anwachsen (BGH, NJW\n2000, 1637). Daher unterfallen alle Verbindlichkeiten, die nur in den\nfortlaufenden Leistungen bestehen und darin ihre charakteristische Erscheinung\nhaben, § 197 BGB a. F (BGH, NJW 2000, 1637; ZIP 2004, 2180 m. w. N.). Die\nBereicherungsanspruche der Klagerin sind - wie sich aus den von der Beklagten\nvorgelegten Kontoauszugen und den Darlehensbedingungen ergibt - eben nicht auf\neinmal, sondern in regelmaßiger zeitlicher Wiederkehr entstanden (vgl. BGH,\nZIP 2004, 2180 m. w. N.). Jede Ratenzahlung auf die Zinsen lost automatisch\neinen entsprechenden Bereicherungsanspruch der Klagerin aus. Damit erfullen\nAnspruche auf Ruckzahlung periodisch fallig werdender, rechtsgrundlos\ngeleisteter Zinsen die Voraussetzungen, unter denen § 197 BGB a. F. eingreift.\nEs hat keinen Einfluss, aus welchem Grund die Zahlungen als rechtsgrundlos\nbehandelt werden. Daher kommt es insofern auf die Treuhandvollmacht nicht an. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Anspruche der Klagerin wegen der vor dem 1. Januar 1998 gezahlten\nZinsen sind mithin jedenfalls verjahrt (§ 197 BGB a. F. analog). Die Klage\nging am 22. Juli 2002 bei Gericht ein und wurde der Beklagten am 29. Juli 2002\nzugestellt. Die vierjahrige Verjahrungsfrist des § 197 BGB a. F. fur die bis\nzum Jahr 1997 gezahlten Raten begann spatestens mit Ablauf des 31. Dezember\n1997 zu laufen (§ 201 BGB a. F.) und endete am 31. Dezember 2001. Somit waren\ndie Anspruche bei Inkrafttreten des neuen Verjahrungsrechts bereits verjahrt,\nso dass es auf das Übergangsrecht nicht ankommt (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1\nEGBGB). Die am 29. Juli 2002 zugestellte Klage konnte die Verjahrung nicht\nmehr hemmen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Beklagte hat sich auch in erster Instanz bereits auf Verjahrung\nberufen. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2004 hat sie geltend gemacht, dass\n„Zinsanspruche fur die Zeit vor dem 1. Januar 1999 bereits verjahrt" seien.\nDies ist nach verstandiger Wurdigung dahin auszulegen, dass die Beklagte sich\ngegenuber Anspruchen, die auf Zinsen beruhen, auf Verjahrung beruft. Dem steht\nnicht entgegen, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 24. Mai 2004 die Einrede\nnicht auf die Ruckforderung gezahlter Zinsen bezogen wissen wollte, weil darin\nkein Verzicht auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 222 Abs. 1 BGB a. F.\nliegt, sondern nur eine rechtliche Wertung. Daher kommt es auf eine - von der\nKlagerin gerugte - Verspatung nicht an. Im Übrigen ware die Verjahrungseinrede\nim vorliegenden Fall auch dann nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuruckzuweisen,\nwenn die Beklagte sie nicht schon in erster Instanz erhoben haben sollte. Die\nTatsachen, die zur Beurteilung der Verjahrungseinrede notig sind, sind\nsamtlich unstreitig. Hingegen ist der Vortrag der Klagerin im Schriftsatz vom\n15. Juli 2005 zu einem angeblichen Stillhalteabkommen nicht zu\nberucksichtigen. Zum einen hat die Klagerin nicht dargelegt, dass es ihr ohne\nNachlassigkeit nicht moglich war, diese Tatsachen bereits in erster Instanz\nvorzutragen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); die Beklagte hat eine entsprechende\nAbrede zwischen ihrer Rechtsvorgangerin und der Klagerin bestritten. Zum\nandern haben die Klagerin und der Drittwiderbeklagte erst nach Ablauf der\nBerufungsbegrundungsfrist behauptet, es habe ein Stillhalteabkommen\nvorgelegen. Damit ist der - von der Beklagten bestrittene - Vortrag auch nach\n§ 530 ZPO i. V. m. § 296 Abs. 1 ZPO zuruckzuweisen. Der Senat hat auf diese\nmoglichen Folgen bereits mit Verfugung vom 10. Marz 2005 hingewiesen. Die\nerforderliche Beweisaufnahme wurde den Rechtsstreit verzogern, weil sie nicht\nim Termin am 19. Juli 2005 durchgefuhrt werden konnte; der Schriftsatz der\nKlagerin und des Drittwiderbeklagten ging erst am Freitag, 15. Juli 2005 um 18\nUhr 47 ein, so dass prozessleitende Maßnahmen nicht mehr rechtzeitig moglich\nwaren. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| bb) Die Anspruche aus den Zahlungen ab 1998 kann die Klagerin schon deshalb\nnicht ersetzt verlangen, weil samtliche Zahlungen auf die Darlehen nach 1997\naus Ausschuttungen des RN-Fonds Nr. 2 stammen und die Klagerin und ihr Ehemann\ninsoweit keine eigenen Mittel eingesetzt haben. Die Beklagte hat daher - was\ndie Zahlungseingange ab 1998 angeht - nichts auf Kosten der Klagerin und ihres\nEhemannes erlangt. Die Klagerin hat nichts dazu vorgetragen, dass die auf die\nDarlehenskonten eingezahlten Ausschuttungen des Fonds ihr und ihrem Ehemann\nzuzurechnen sind. Es ist weder eine (wirksame) Weisung der Klagerin oder des\nDrittwiderbeklagten an den Fonds ersichtlich noch sonst eine Abrede, wonach\ndiese Zahlungen als Leistungen der Klagerin und ihres Ehemanns anzusehen\nwaren. Im Gegenteil hat die Klagerin geltend gemacht, Darlehensvertrage und\nFondsbeitritt seien unwirksam. Damit handelt es sich bei den aufgrund der\nAusschuttungen des Fonds erfolgten Gutschriften auf den Darlehenskonten\nbereicherungsrechtlich um Leistungen eines Dritten. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| B. Widerklage \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Widerklage ist zulassig. Auch die Drittwiderklage gegen den Ehemann der\nKlagerin ist zulassig, weil der mit der Drittwiderklage verfolgte Anspruch in\nrechtlichem Zusammenhang mit dem ebenfalls widerklagend erhobenen Anspruch\ngegen die Klagerin steht; er folgt aus demselben Darlehensvertrag. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Widerklage hat auch in der Sache mit dem Hauptantrag uberwiegend\nErfolg. Auf das Schuldverhaltnis ist das bis zum 31. Dezember 2001 geltende\nRecht anzuwenden, weil die Darlehensvertrage im Jahre 1993 abgeschlossen\nwurden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Danach sind die Darlehensvertrage wirksam,\nweil die Klagerin und der Drittwiderbeklagte jedenfalls gemaß § 172 BGB\nwirksam vertreten worden sind (unter 2). Ein Widerrufsrecht der Klagerin und\ndes Drittwiderbeklagten besteht nicht (unter 3). Ein Einwendungsdurchgriff\ngemaß § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG steht der Klagerin und dem\nDrittwiderbeklagten nicht zu (unter 4). Andere Unwirksamkeitsgrunde,\ninsbesondere ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 VerbrKrG, liegen nicht vor (unter\n5). Die Beklagte hat nach wirksamer Kundigung Anspruch auf Ruckzahlung der\nentsprechenden Darlehensvaluta nebst Zinsen (unter 6). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| 1) Es kann letztlich dahinstehen, ob die der T. erteilte notarielle\nVollmacht nichtig ist. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Allerdings durfte der Geschaftsbesorgungsvertrag nach der Rechtsprechung\ndes BGH gegen Art. 1 § 1 RBerG verstoßen haben. Die in Ziffer III. der Urkunde\nvom 10. September 1993 enthaltene Vollmachtsregelung des Treuhandauftrags\nermoglichte der T. mit Hilfe des Treuhandauftrags, samtliche im Zusammenhang\nmit dem Fondsbeitritt der Klagerin und des Drittwiderbeklagten stehenden\nRechtshandlungen vorzunehmen. Insbesondere hatte die T. die Moglichkeit, nach\nihrem Ermessen alle zur Erreichung des Vertragszwecks "notwendigen, nutzlichen\noder dienlichen" Maßnahmen oder Erklarungen auszufuhren. Die Tatigkeit der T.\nerstreckte sich mithin uber die bloß wirtschaftliche Abwicklung bereits\nfeststehender Vertrage hinaus auch auf rechtliche Fragen und schloss die\nMoglichkeit ein, dass die von der T. ausgefuhrten Tatigkeiten erheblichen\nBedarf an rechtskundiger Beratung fur die Klagerin und den Drittwiderbeklagten\nals Treugeber auslosten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass - wie die\nBeklagte einwendet - samtliche von der T. fur die Klagerin und den\nDrittwiderbeklagten abzuschließenden Vertrage inhaltlich durch die\nBezugsurkunde samt Anlagen vorgegeben waren. Dies ubersieht, dass die T. nach\nZiff. VII. des notariellen Vertrages berechtigt war, die Mustervertrage zu\nandern, soweit dies "fur die Gesamtgesellschaft sinnvoll ist". Selbst wenn es\nan einer solchen Klausel fehlen wurde, stellte dies eine Einordnung der\nTatigkeit der T. als rechtsbesorgend nicht in Frage (vgl. BGHZ 153, 214,\n219f.). Ob der Geschaftsbesorger bei Vertragen, die er im Namen eines Dritten\nabschließt, einen inhaltlichen Gestaltungsspielraum hat oder ob er allgemein\nverwendete Formulare benutzt, ist unerheblich (BGHZ 145, 265, 269). Zudem war\ndie T. im vorliegenden Fall berechtigt, Darlehensvertrage ohne nahere\nFestlegung der rechtlichen Bedingungen sowie Lebensversicherungsvertrage zu\nTilgungszwecken abzuschließen. Hierbei war die T. befugt, auch die\nUnterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zu erklaren. All dies\nfuhrt dazu, dass der Auftrag an die T. seinen Schwerpunkt im Bereich der\nRechtsbesorgung hatte. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Art. 1 § 1 RBerG stellt die rechtsberatende Tatigkeit jedweder Art unter\nErlaubnisvorbehalt. Es kommt dabei nicht darauf an, wie schwierig die\nrechtlichen Fragen sind. Der Senat verkennt nicht, dass die Vollmacht im\nvorliegenden Fall weit uberwiegend ausschließlich die Befugnis der T. enthalt,\nbereits fertig vorformulierte Vertrage abzuschließen. Es ist aus Sicht des\nSenats ebenfalls nicht zu bezweifeln, dass die T. keinerlei rechtsberatende\nTatigkeit vornehmen sollte. Treuhandauftrag und Vollmacht sind vielmehr\nausschließlich vor dem Hintergrund formuliert worden, ein fertiges Konzept mit\ndem geringstmoglichen Aufwand fur die Anleger abzuwickeln. Nach der\nRechtsprechung des BGH bedarf jedoch derjenige, der - wie hier die T. - im\nRahmen eines Immobilienfondsprojekts nicht nur die wirtschaftlichen Belange\nder Anleger wahrzunehmen, sondern auch fur sie die erforderlichen Vertrage\nabzuschließen hat, einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (vgl. nur\nBGH, Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 407/02, WM 2004, 1536). Die T. besaß keine\nErlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz. Daher ist der Auftrag wegen\nVerstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (Art. 1 § 1 RBerG) gemaß § 134 BGB\nnichtig (standige Rechtsprechung des BGH). \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Ist ein Geschaftsbesorgungsvertrag nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG i.\nV. mit § 134 BGB nichtig, erstreckt sich dies auch auf die dem\nGeschaftsbesorger zur Ausfuhrung der ubertragenen Geschaftsbesorgung erteilte\nVollmacht (standige Rechtsprechung, BGH, NJW 2003, 2091; BGHZ 154, 283). Dies\ngilt auch im vorliegenden Fall. Die der T. erteilte Vollmacht ist daher\nunwirksam. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| 2) Die Beklagte kann sich jedoch auf § 172 BGB berufen. Nach dem Ergebnis\nder Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die T. der\nSparkasse W. vor Abschluss des Darlehensvertrags eine notarielle Ausfertigung\nder Vollmachtsurkunde vom 10. September 1993 vorgelegt hat, die die Sparkasse\nW. zu ihren Akten genommen hat. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| a) Die Beklagte hat im Termin zur mundlichen Verhandlung vor dem Senat die\nin ihren Handen befindliche notarielle Ausfertigung der Vollmachtsurkunde vom\n10. September 1993 vorgelegt. Der Zeuge K. hat ausgesagt, er konne sich noch\ngut an die Finanzierung des RN-Fonds Nr. 2 erinnern. Konkret habe er aber an\nden Abschluss des streitgegenstandlichen Darlehensvertrages keine Erinnerung\nmehr. Er konne nur grundsatzlich sagen, dass die Vollmachten in jedem Fall vor\nUnterzeichnung der Darlehensvertrage vorgelegen hatten. Bereits bei seiner\nVernehmung in erster Instanz hat K. angegeben, er konne sich an keinen Fall\nerinnern, in dem die Vollmacht nicht vorher eingegangen sei. Im konkreten Fall\nentnehme er aus der Kreditakte, dass eine Ausfertigung vorhanden gewesen sei.\nEr gehe davon aus, dass diese auch bei Vertragsschluss vorgelegen habe.\nJedenfalls habe man immer nur eine Urkunde erhalten. Einen Fall, bei dem\nzunachst eine beglaubigte Fotokopie und anschließend eine Ausfertigung\nubergeben worden sei, habe es nicht gegeben. Er habe die Vollmacht immer so\nwie sie vorgelegt worden sei in die Akte reingehangt. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Angesichts dieser Angaben des Zeugen ist der Senat uberzeugt, dass bei\nAbschluss des Darlehensvertrags eine notarielle Ausfertigung der Vollmacht\nvorgelegen hat. K. machte einen offenen und in jeder Hinsicht glaubhaften\nEindruck. Der Senat hat keinen Zweifel, dass die Angaben des Zeugen zutreffend\nsind. Der Zeuge hat nachvollziehbar erklart, an den konkreten Vertrag keine\nErinnerung mehr zu haben. Dies war angesichts des nunmehr verstrichenen\nZeitraums von uber 10 Jahren nicht anders zu erwarten, weil der Abschluss von\nDarlehensvertragen fur den Zeugen als Sachbearbeiter der Bank ein standig\nwiederkehrendes Geschaft ist. Der Zeuge hat aber plausibel erlautern konnen,\nwie die Finanzierung des Fonds im Einzelnen ablief. Die Erinnerung des Zeugen\nan die Vorgange im Allgemeinen halt der Senat fur zutreffend, weil die\nFinanzierung der Fondsbeteiligungen nach Aussage von K. insgesamt ein\naußergewohnlicher Vorgang war. K. hat zudem glaubhaft ausgefuhrt, dass er die\nVollmachtsurkunde so wie sie bei ihm einging zur Kreditakte genommen hat. Er\nhat nach seiner Erinnerung ausgeschlossen, dass eine beglaubigte Abschrift\ngegen eine notarielle Ausfertigung erst spater ausgetauscht worden ist. Zwar\nist es theoretisch denkbar, dass die notarielle Ausfertigung im konkreten Fall\nerst nach Abschluss des Darlehensvertrags in die Hande der Sparkasse W.\ngelangt ist. Es bestand aber im vorliegenden Fall hinreichend Zeit - namlich\ngenau drei Monate - zwischen der Abgabe des Vollmachtsangebots am 10.\nSeptember 1993 und dem Abschluss der Darlehensvertrage am 10. Dezember 1993,\ndamit die T. eine Ausfertigung der Vollmacht erhielt und an die Sparkasse W.\nweiterleiten konnte. Angesichts der Bekundungen des Zeugen uber den ublichen\nAblauf der Geschafte und dem in damaliger Zeit fehlenden Anlass, an einer\nWirksamkeit der Vollmachten zu zweifeln, ist der Senat uberzeugt, dass die\nnotarielle Ausfertigung der Vollmacht vor oder bei Abschluss des\nDarlehensvertrags der Sparkasse W. vorgelegt wurde. Ebenso halt der Senat es\nfur ausgeschlossen, dass der Sparkasse W. zunachst nur eine beglaubigte\nAbschrift vorgelegt wurde und diese erst spater gegen die notarielle\nAusfertigung ausgetauscht wurde. Eine solche Doppelung war aus damaliger Sicht\nnicht erforderlich. K. hat glaubhaft erklart, ihm sei der Unterschied zwischen\neiner beglaubigten Abschrift und einer notariellen Ausfertigung damals nicht\nbekannt gewesen; auch dies bestatigt, dass damals kein Anlass bestand, die\nVollmacht auszutauschen. Dem Senat ist aus anderen Fallen bekannt, dass es\ndurchgangige Geschaftspraxis der Sparkassen war, sich vor Unterzeichnung der\nDarlehensvertrage eine Vollmachtsurkunde - sei es in beglaubigter Abschrift,\nsei es in Ausfertigung - vorlegen zu lassen, um eine Unterschrift des\nDarlehensnehmers zu Vergleichszwecken in Besitz zu haben. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| b) Die Beklagte kann sich auch gemaß § 172 BGB auf den Rechtsschein der ihr\nvorgelegten notariellen Ausfertigung berufen. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| aa) Beurkundungsfehler, die den Rechtsschein zerstoren konnten, liegen\nnicht vor. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte behaupten, die notarielle Urkunde\nuber das Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrags vom 10. September 1993\nsei nicht vorgelesen worden. Die in dieser Urkunde genannte Bezugsurkunde\nnebst Anlagen habe nicht vorgelegen und sei den Parteien nicht bekannt\ngewesen. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Dagegen spricht bereits die notarielle Urkunde uber das Angebot zum\nAbschluss eines Treuhandvertrages. Darin heißt es unter Ziff. I. u. a.: „Die\nBezugsurkunde ist dem Gesellschafter dem ganzen Inhalt nach bekannt und liegt\nin Ausfertigung bei der heutigen Beurkundung vor. Es wird darauf verzichtet,\ndie Ausfertigung der Bezugsurkunde zu verlesen und der heutigen Niederschrift\nbeizufugen. Die Erschienene(n) hat die Urkundsausfertigung vor Beurkundung\nerhalten." Weiterhin heißt es am Schluss der Urkunde vom 10. September 1993:\n„Mit Beiblatt vorgelesen vom Notar von den Beteiligten genehmigt und\neigenhandig unterschrieben:" Darauf folgen insbesondere die eigenhandigen\nUnterschriften der Klagerin und des Drittwiderbeklagten. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Die notarielle Urkunde hat die Vermutung der Richtigkeit fur sich (§ 415\nAbs. 1 ZPO). Damit steht aufgrund der notariellen Urkunde fest, dass sie\nverlesen und von den Beteiligten genehmigt worden ist. Dies folgt ebenfalls\naus der Vermutung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BeurkG; Klagerin und\nDrittwiderbeklagter haben die Urkunde eigenhandig unterschrieben (vgl. auch\nBGH, NJW 1994, 1288). Weiterhin steht fest, dass die Bezugsurkunde samt\nAnlagen vorgelegen hat, Klagerin und Drittwiderbeklagter erklart haben, dass\nsie ihnen bekannt sei und sie auf das Verlesen verzichten. Zudem erstreckt\nsich die Vermutung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BeurkG auf die notarielle Urkunde im\nganzen und damit auch auf die Anlagen, die - wie hier hinsichtlich der\nBezugsurkunde - in der Niederschrift ausdrucklich als solche aufgefuhrt worden\nsind (BGH, NJW 1994, 1288). Die Beweislast, dass entgegen dem beurkundeten\nInhalt die Bezugsurkunde nicht vorgelegen hat, Klagerin und Drittwiderbeklagte\nnicht erklart haben, sie sei ihnen bekannt, und sie nicht auf das Verlesen\nverzichtet haben, trifft die Klagerin und den Drittwiderbeklagten. Hierzu\nhaben sie sich zwar wechselseitig als Zeugen benannt. Jedoch schließt die\nStellung als Partei eine Zeugenvernehmung grundsatzlich aus. Soweit Klagerin\nund Drittwiderbeklagter sich darauf berufen, dass die Klagerin im Rahmen der\nDrittwiderklage, der Drittwiderbeklagte im Rahmen der Klage als Zeuge\nvernommen werden sollen, kommt eine Zeugenvernehmung ebenfalls nicht in\nBetracht. Zwar ist es moglich, dass ein Streitgenosse als Zeuge vernommen\nwird. Dies setzt aber voraus, dass er von dem Gegenstand der Beweisaufnahme\nals Partei nicht selbst betroffen ist (Zoller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 373 Rn.\n5a). Daran fehlt es hier, weil die Frage der Beurkundung sowohl fur die Klage\nals auch fur die Drittwiderklage von Bedeutung ist. Anderen Beweis haben die\nKlagerin und der Drittwiderbeklagte nicht angeboten, so dass mangels\nBeweisangebots davon auszugehen ist, dass die Beurkundung wirksam war. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Im Übrigen stunde es der Wirksamkeit der Urkunden selbst dann nicht\nentgegen, wenn entgegen § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG in der Niederschrift die\nFeststellung fehlen wurde, dass diese Erklarungen abgegeben wurden (BGH, NJW-\nRR 2003, 1432). Entscheidend ist, ob die Parteien die Erklarungen abgegeben\nhaben (Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 13a Rn. 48, 75 m. w. N.). Nur wenn dies\nnicht der Fall ist, ist die Beurkundung unwirksam (BGH, NJW -RR 2003, 1432;\nBGH, WM 1992, 670). Hierzu haben Klagerin und Drittwiderbeklagter keinen\ntauglichen Beweis angetreten, obwohl sie angesichts des beurkundeten Textes\ndie Beweislast trifft. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Letzten Endes hindern die von der Klagerin und dem Drittwiderbeklagten\nbehaupteten Beurkundungsfehler das Entstehen eines Rechtsscheins aufgrund der\nordnungsgemaß erstellten notariellen Ausfertigung nicht. Zwar ware die\nBeurkundung unwirksam. Dies andert jedoch nichts daran, dass die notarielle\nAusfertigung einer Vollmachtsurkunde die Voraussetzungen des § 172 BGB\nerfullt. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| bb) Die Rechtsscheinshaftung greift auch dann ein, wenn die\nVollmachtserteilung - wie hier - von Anfang an unwirksam gewesen ist. Der BGH\nwendet in standiger Rechtsprechung die §§ 172, 173 BGB auch dann an, wenn eine\nVollmacht von Anfang an nicht wirksam erteilt ist (seit BGH, NJW 2000, 2270\nunter Hinweis auf BGH, WM 1985, 10, 11). \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Dies gilt auch, wenn die Unwirksamkeit auf den Verstoß gegen ein\ngesetzliches Verbot zuruckgeht. § 172 BGB knupft den Rechtsschein einer\nwirksamen Bevollmachtigung an die Vorlage einer Vollmachtsurkunde. Die §§ 171\nbis 173 BGB sind Anwendungsfalle des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass\nderjenige, der einem gutglaubigen Dritten gegenuber zurechenbar den\nRechtsschein einer Bevollmachtigung eines anderen setzt, sich so behandeln\nlassen muss, als habe er dem anderen wirksam Vollmacht erteilt (BGH, NJW 2003,\n2091 m. w. N.). Damit konnen sich die Klagerin und der Drittwiderbeklagte\ngrundsatzlich nicht auf Mangel der Bevollmachtigung berufen. § 172 BGB\nschließt Einwendungen aus, die auf eine fehlende Vollmacht gestutzt werden\n(MunchKommBGB/Schramm, 4. Aufl. § 172 Rn. 11). Der Vertretene kann sich weder\nauf die Nichterteilung, noch auf die Unwirksamkeit noch auf das Erloschen der\nVollmacht berufen. § 172 BGB setzt sich auch gegenuber Formmangeln der\nVollmacht durch (MunchKommBGB/Schramm, § 172 Rn. 11; RGZ 108, 125), sofern\nnicht die Formbedurftigkeit aus der Art des Geschafts ersichtlich ist. Fur\neine Unwirksamkeit der Vollmacht wegen Verstoßes gegen das\nRechtsberatungsgesetz gilt nichts anderes (seit BGH, NJW 2001, 3774 standige\nRechtsprechung). \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| cc) § 172 BGB ist im vorliegenden Fall nicht deshalb unanwendbar, weil die\nNichtigkeit der Vollmacht gerade dem Schutz des Vertretenen dienen soll. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Die Grunde, die zur Unwirksamkeit der Vollmacht fuhren, haben grundsatzlich\nkeinen Einfluss auf den von einer notariellen Ausfertigung getragenen\nRechtsschein (vgl. BGH, NJW 2003, 2091 m. w. N.). Der Rechtsschein nach § 172\nBGB knupft nicht an eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls an, sondern an\neine typisierte Abwagung zwischen den generellen Interessen eines Vertretenen\nund denen des Geschaftspartners. Erst dann, wenn die Interessen des\nVertretenen so hoch bewertet werden, dass sie sich gegenuber denen des\nGeschaftspartners in jedem Fall durchsetzen sollen und auf Rechtssicherheit,\nSicherheit des Geschaftsverkehrs und Vertrauensschutz keine Rucksicht mehr\ngenommen werden soll, ware § 172 BGB unanwendbar. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Dies ist grundsatzlich der Fall, wenn die Vollmacht von einem\nGeschaftsunfahigen erteilt worden ist. Der Schutz des Geschaftsunfahigen wird\nvom Gesetz generell hoher bewertet als der Rechtsverkehr; daher greift die\nRechtsscheinshaftung bei Vollmachtserteilung nur ein, wenn der Vertretene bei\nVornahme des Kundgabeaktes geschaftsfahig war (BGHZ 158, 1ff. = NJW 2004,\n1315; Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. §§ 170ff. Rn. 1). Der Fall einer\nVollmacht, die aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot\nunwirksam ist, liegt grundsatzlich anders. Hier kommt es zunachst auf die\nZielsetzung des gesetzlichen Verbots an. Nur dann, wenn die der\nVerbotsvorschrift zugrunde liegenden Wertung ergibt, dass jegliches Handeln\nentgegen dem Verbot verhindert werden und diesem Handeln keine rechtlichen\nWirkungen zukommen sollen, kame in Betracht, dass sich die Verbotsvorschrift\nauch gegenuber einer Rechtsscheinshaftung durchsetzt. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Daran fehlt es hier. Das Rechtsberatungsgesetz will die rechtsunkundige\nPerson davor schutzen, dass sie von einem in rechtlichen Dingen nicht\nversierten Vertragspartner beraten wird. Das Verbot unerlaubter Rechtsberatung\nrichtet sich nicht gegen den Vertragspartner des vertretenen Rechtsuchenden,\nsondern gegen den Vertreter (BGH, NJW 2003, 2091). Es geht damit um das\nInnenverhaltnis zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter. Hingegen enthalt\ndas Rechtsberatungsgesetz keine Wertung, dass ein Handeln trotz unzureichender\noder fehlerhafter rechtlicher Beratung oder bei mangelnder Qualifikation des\nRechtsberaters verhindert werden soll. Schließlich beruhren die tatsachlich\nabgeschlossenen Vertrage den Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes als\nsolches nicht, weil der Vertretene sie jederzeit ohne jegliche rechtliche\nBeratung selbst hatte abschließen konnen. Daher ist § 172 BGB grundsatzlich\nauch dann anwendbar, wenn die umfassende Bevollmachtigung des Treuhanders\ngegen Art. 1 § 1 RBerG verstoßt und nach § 134 BGB nichtig ist (standige\nRechtsprechung, zuletzt etwa BGHZ 161, 15 = NJW 2005, 664, 666- mit\nzahlreichen Nachweisen). \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| dd) § 172 BGB gilt unabhangig davon, ob es sich um ein verbundenes Geschaft\nim Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG/§ 358 Abs. 1 BGB handelt oder nicht. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| (1) Es liegt ein verbundenes Geschaft vor. Der Erwerb von Fondsanteilen ist\nnach § 9 Abs. 4 VerbrKrG als ein Vertrag uber eine andere Leistung als die\nLieferung einer Sache anzusehen, so dass § 9 Abs. 1 bis 3 VerbrKrG fur den\nErwerb eines Fondsanteils entsprechend gelten (seit BGHZ 156, 46, 50, standige\nRechtsprechung). Der Kredit diente im vorliegenden Fall unstreitig der\nFinanzierung der Fondsanteile. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Darlehensvertrag und Fondsbeitritt bilden hier auch eine wirtschaftliche\nEinheit. Zwar sind - anders als das Landgericht meint - der Beitritt zu einem\ngeschlossenen Immobilienfonds mit einheitlicher Vertriebsorganisation und das\nzu diesem Zweck gewahrte Darlehen nicht per se als ein verbundenes Geschaft\nanzusehen. Jedoch steht aufgrund des Vortrags der Parteien zur Überzeugung des\nSenats fest, dass der Erwerb der Fondsanteile und die Darlehensvertrage im\nvorliegenden Fall eine wirtschaftliche Einheit bilden. Klagerin und\nDrittwiderbeklagter haben vorgetragen, dass die Sparkasse W. samtliche\nFondsanteile des RN-Fonds Nr. 2 finanziert habe. Die Fremdfinanzierung des\nFondskapitals habe von vornherein festgestanden. Die Sparkasse W. habe ihre\nBereitschaft, die einzelnen Beteiligungen zu finanzieren, im Vorfeld mit den\nGrundungsgesellschaftern abgesprochen. Sie habe von vornherein gewusst, dass\nund wie die Grundungsgesellschafter mittels Kapitalanlagevertriebes\nKapitalanleger einwarben und zum Abschluss mit der T. brachten. Die Sparkasse\nW. habe sich daher des Anlagevertriebs und der T. bedient. Die Beklagte hat\ndem nur entgegengehalten, dass die Sparkasse W. sich nicht der\nVertriebsorganisation der Grundungsgesellschafter bedient habe. Damit hat sie\nden detaillierten Vortrag der Klagerin und des Drittwiderbeklagten zu den\nAbsprachen nicht hinreichend substantiiert bestritten (§ 138 ZPO). Der Vortrag\nder Beklagten zu den Umstanden der Finanzierung und des Vertriebs enthalt\nkeinerlei Tatsachen, sondern beschrankt sich auf ein bloßes Bestreiten. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Um eine "wirtschaftliche Einheit" wie von § 9 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG\ngefordert anzunehmen, kommt es auch gar nicht darauf an, ob die Sparkasse W.\nin die bestehende, einheitliche Vertriebsorganisation eingegliedert war. § 9\nAbs. 1 Satz 2 VerbrKrG 1993 ist nur ein Regelbeispiel, das den Ruckgriff auf §\n9 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG 1993 nicht ausschließt (Schwab, ZGR 2004, 861, 881).\nDie wirtschaftliche Einheit ist objektiv zu bestimmen (Staudinger/Kessal-Wulf,\nBearb. 1997, § 9 VerbrKrG Rn. 27). Dafur genugt es, wenn Erbringer der\nLeistung und Kreditgeber tatsachlich so zusammenarbeiten, dass ihre Leistungen\nim konkreten Fall nur als einheitliches Paket zu erhalten sind. Entscheidend\nist daher, dass nach dem - mangels hinreichend substantiierten Bestreitens\nseitens der Beklagten - unstreitigen Vortrag der Klagerin und des\nDrittwiderbeklagten die Sparkasse W. samtliche Fondsanteile finanziert hat und\ndiese Finanzierungsfunktion der Sparkasse W. bereits von vornherein mit den\nGrundungsgesellschaftern abgesprochen war. Dabei ist es unerheblich, dass im\nvorliegenden Fall ein Anleger seinen Anteil vollstandig, und einige andere\nAnleger ihre Anteile teilweise aus eigenen Mitteln finanziert haben. Maßgebend\nist, dass die Fremdfinanzierung der Anteile - so sie denn gewunscht wurde -\neinheitlich und faktisch zwingend in den Handen der Sparkasse W. lag. Die\nSparkasse W. gewahrte gerade keine selbstandigen, sondern zweckgebundene,\nausschließlich auf den Erwerb der Fondsanteile zugeschnittene Darlehen. Die\nbestehenden Absprachen verknupfen Darlehens- und Beitrittsvertrage zu einer\nwirtschaftlichen Einheit, weil die Sparkasse W. bewusst die vollstandige\nFinanzierungsfunktion fur den Immobilienfonds ubernommen hatte. Keiner der\nbeiden Vertrage (Fondsbeitritt und Darlehen) ware im Regelfall ohne den\nanderen abgeschlossen worden. Die rechtliche Konstruktion des Ablaufs und\ninsbesondere die Zwischenschaltung eines Vertriebsunternehmens und eines\nTreuhanders andern an den tatsachlich bestehenden Zusammenhangen zwischen\nFondsbeteiligungen und Finanzierung nichts. Ziel des Geschafts war der\nVertrieb der Fondsbeteiligungen mit Hilfe von Krediten der Sparkasse W. Das\nGeschaftsmodell beruhte entscheidend darauf, dass die Fondsbeteiligungen mit\nFremdkapital finanziert wurden. Der Einsatz von Eigenkapital war zwar nicht\nausgeschlossen, beeintrachtigte aber die steuerlichen Vorteile des Modells\nweitgehend. Die Sparkasse W. nahm in diesem Modell fur den RN-Fonds Nr. 2 nach\ndem unstreitigen Vortrag der Klagerin und des Drittwiderbeklagten die Funktion\ndes Finanziers wahr, sofern die Anleger den Erwerb nicht mit eigenen Mitteln\nfinanzierten. Wenn aber der Erwerb von bestimmten Leistungen von vornherein\nmit einem Kredit einer bestimmten, von Anfang an feststehenden Bank finanziert\nwerden soll und diese Bank fur die genau bestimmten Leistungen die dafur\nbenotigten Kredite - Bonitat der Kunden vorausgesetzt - bereitstellt, bilden\nder Erwerb der Fondsanteile und der Darlehensvertrag eine wirtschaftliche\nEinheit. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Dies stimmt auch mit der Sicht der Anleger uberein. Diese erwarben den\nFondsanteil und die Finanzierung im Paket; im vorliegenden Fall konnte\nfaktisch ein darlehensfinanzierter Fondsanteil nur mit einer Finanzierung\ndurch die Sparkasse W. erworben werden. Die Kreditvertrage im vorliegenden\nFall sind ohne jede Eigeninitiative der Klagerin und des Drittwiderbeklagten\nzustande gekommen. Klagerin und Drittwiderbeklagter haben sich nicht auf dem\nfreien Markt nach einer Kreditfinanzierung umgesehen, sondern sie haben - wie\nvon Anfang an feststand - den von der Sparkasse W. fur den Erwerb der Anteile\nam RN-Fonds Nr. 2 bereitgestellten Kredit in Anspruch genommen. Dies\nsicherzustellen, war die wesentliche Funktion der Treuhanderin. Damit besteht\nnach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall eine wirtschaftliche Einheit\nzwischen der Fondsbeteiligung und dem Darlehensvertrag. Hierfur spricht\nschließlich der Zweck des § 9 Abs. 1 VerbrKrG. Die Norm will genau die aus der\nAufteilung des Erwerbs einer Leistung in einen Erwerbsvertrag und einen\nDarlehensvertrag folgenden Nachteile fur einen Verbraucher begrenzen. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Somit kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2\nVerbrKrG, wonach eine wirtschaftliche Einheit "insbesondere" anzunehmen ist,\nwenn der Kreditgeber sich bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des\nKreditvertrags der Mitwirkung des Verkaufers bedient, bewiesen sind. Um die\nunwiderlegliche Vermutung des § 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG zu erfullen, genugt\nzwar jedes (auch faktische) planmaßige und arbeitsteilige Zusammenwirken\nzwischen Kreditgeber und Verkaufer, hier dem Fondsbetreiber\n(Staudinger/Kessal-Wulf, Bearb. 1997, § 9 VerbrKrG Rn. 28). Wichtig ist, dass\nder Kreditgeber von dem Tatigwerden des Leistungserbringers in seiner Sphare\nweiß und dieses billigt (Staudinger, a.a.O.). Hierfur reicht es nicht aus,\ndass die Sparkasse W. unstreitig samtliche Fremdkapital benotigenden\nFondsanteilserwerber finanziert hat und dies von vornherein so geplant war,\nweil damit noch nicht feststeht, dass sie sich auch der Mitwirkung des\nFondsbetreibers bedient hat. Vielmehr musste eine Tatigkeit der Fondsbetreiber\nauch im Bereich des Darlehensabschlusses oder seiner Vorbereitung bewiesen\nwerden. Soweit Klagerin und Drittwiderbeklagte erst in der Berufungsinstanz\nbehauptet haben, Darlehensvertrag und Fondsbeteiligung seien bereits von L.\nals Paket vermittelt worden, handelt es sich um neuen, von der Beklagten\nbestrittenen Vortrag, der gemaß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berucksichtigen ist,\nweil Klagerin und Drittwiderbeklagter nicht dargetan haben, dass sie keine\nNachlassigkeit trifft. Soweit Klagerin und Drittwiderbeklagter daruber hinaus\nschon in erster Instanz behauptet haben, dass L. Darlehensformulare der\nSparkasse W. zu Verfugung hatte, die entsprechenden Unterlagen vorbereitet und\nnur zu Bonitatsprufung an die Sparkasse W. weitergeleitet habe, hat dies die\nBeklagte mit Nichtwissen bestritten. Ein verwertbarer Beweisantritt der\nKlagerin und des Drittwiderbeklagten fehlt (vgl. oben). Im Übrigen ist dies\ninsbesondere im Hinblick auf die Darlehensformulare nicht mit dem unstreitigen\ntatsachlichen Ablauf vereinbar, wonach die Darlehensvertrage erst drei Monate\nnach Abgabe des Angebots in den Raumen der Sparkasse durch die T.\nabgeschlossen wurden. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| (2) § 172 BGB schutzt den Vertragspartner vor Mangeln der Vertretungsmacht.\nDies gilt grundsatzlich unabhangig von der Ursache fur die fehlende\nVertretungsmacht. Daher kann auch die spezielle Geschaftskonstruktion keinen\nGrund bieten, dies abweichend zu behandeln. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Der BGH (II. Zivilsenat, Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, a.a.O., z.\nV. in BGHZ bestimmt; v. 14. Juni 2004 - II ZR 407/02, a.a.O. ) meint\nallerdings, dass eine Rechtsscheinhaftung fur den Fall nicht in Betracht\nkommt, dass der Beitritt zu der Fondsgesellschaft und der diesen Beitritt\nfinanzierende Darlehensvertrag ein verbundenes Geschaft im Sinne des § 9 Abs.\n1 VerbrKrG bilden und in diesem Rahmen die Einschaltung des Treuhanders als\nVertreter des Anlageinteressenten nicht von diesem, sondern von den\nInitiatoren und Grundungsgesellschaftern des Fonds und in Kenntnis und mit\nzumindest stillschweigender Billigung der Bank erfolgt. Die Bank gliedere sich\n- wenn sie ihre Vertragsformulare den Vertriebsunternehmen uberlasse (so in\nBGH, Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, NJW 2004, 2731 = BGHZ 159, 280ff.)\noder sich der Selbstauskunftsformulare des Vertriebsunternehmens bediene (so\nbei BGH, Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, NJW 2004, 2736) und die\nDarlehensvertrage nicht mit den einzelnen Anlegern, sondern mit dem von den\nInitiatoren ausgewahlten Treuhander schließt - bewusst in diese\nVertriebsorganisation ein. Sie wisse daher, dass der Treuhander keine\nVertrauensperson des Anlegers sei, sondern ein Teil der einheitlichen, sowohl\nden Fondsbeitritt als auch die Darlehensgewahrung betreffenden\nVertriebsorganisation. Im Rahmen dieses Vertriebsmodells setze nicht allein\nder Anleger den Rechtsschein einer wirksamen Bevollmachtigung. Vielmehr werde\ndie Art der Geschaftsabwicklung entscheidend von den Initiatoren und\nGrundungsgesellschaftern des Fonds bestimmt, und die Bank bediene sich dieses\nvorgegebenen Modells, um ihre Geschaftsinteressen zu verwirklichen. Bei dieser\nSachlage konne die Bank nicht wie ein gutglaubiger Dritter behandelt werden,\nder im Hinblick auf einen im Rahmen des Vertriebskonzepts entstandenen\nVertrauenstatbestand schutzwurdig ware. Eine Abwalzung der mit dem\nVertriebskonzept verbundenen Risiken allein auf den Anleger erscheine in\nkeiner Weise angemessen. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Dieser Argumentation folgt der Senat nicht. Die Gedanken, auf denen sie\nberuht - die Bank gliedere sich in das Vertriebskonzept ein und der Treuhander\nsei Teil des Vertriebskonzepts - tragen das Ergebnis nicht. Schon der\nAusgangspunkt der Überlegungen des BGH - II. Zivilsenat - trifft nicht zu. Die\nEinschaltung eines Treuhanders bei einem - wie hier und auch sonst beim\nVertrieb von Steuersparmodellen der vorliegenden Art - von Anfang an\nfeststehenden Geschaftsablauf, den der Treuhander nur abzuwickeln hat, erhoht\nzunachst einmal das Risiko auf Seiten der Bank. Diese trifft das Risiko von\nVertretungsmangeln (arg. § 177 BGB). Zwar kann sie sich durch Vorlage der\nVollmachtsurkunde schutzen. Dies war im vorliegenden Fall aber nach dem\nErgebnis der Beweisaufnahme gerade nicht gezielt geplant, weil den\nMitarbeitern der Bank nach der glaubhaften Aussage des Zeugen K. der\nUnterschied zwischen einer notariellen Ausfertigung und einer beglaubigten\nAbschrift ebenso unbekannt war wie die rechtlichen Konsequenzen. Es\nexistierten nach den glaubhaften Angaben des Zeugen auch keine Anweisungen der\nSparkasse W., auf eine bestimmte Form der Vollmacht zu achten. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Ebenso wenig hangt die Frage, ob eine Rechtsscheinhaftung in Betracht\nkommt, davon ab, welche Art des Geschafts vorliegt. Insbesondere kommt es\nnicht darauf an, ob Kreditvertrag und Erwerb des Fondsanteils wie hier ein\nverbundenes Geschaft im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG darstellen. § 9 Abs. 1\nVerbrKrG sagt uber die Reichweite einer Rechtsscheinhaftung nichts aus (BGH -\nXI. Zivilsenat -, NJW 2005, 664, 666). Eine Haftung wegen Rechtsscheins nach §\n172 BGB setzt endlich nicht voraus, dass ein Vertrauensverhaltnis zwischen\nVertreter und Vertretenem besteht (BGH, NJW 2005, 664, 667; ebenso BGH, Urt.\nv. 9. November 2004 - XI ZR 315/03, Umdruck S. 11f., insoweit in NJW 2005,\n668, 669 nicht abgedruckt). Der Rechtsschein nach § 172 BGB knupft\nausschließlich daran an, dass der Vertreter oder der Vertretene dem\nGeschaftspartner die Vollmacht im Original oder - wie hier - in notarieller\nAusfertigung vorlegt. Ein Interessenkonflikt zwischen Vertreter und\nVertretenem ist nicht Gegenstand der von § 172 BGB getroffenen Abwagung; die\ngesetzliche Wertung stellt vielmehr darauf ab, ob der Geschaftspartner\nhinreichende Anhaltspunkte hatte, um auf eine Vertretungsmacht zu vertrauen.\nDies wird von Gesetzes wegen in typisierter Weise dann angenommen, wenn der\nVertreter eine vom Vertretenen ausgestellte Vollmachtsurkunde vorlegen kann.\nDas Risiko, dass diese Vollmachtsurkunde im Hinblick auf die Vertretungsmacht\nnicht der materiellen Rechtslage entspricht, der Vertreter also in\nWirklichkeit falsus procurator ist, wird vom Gesetz ohne Unterschied dem\nVertretenen zugewiesen. Erst § 173 BGB schrankt diese Wertung ein. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| (3) Ob die Beklagte sich dann nicht auf § 172 BGB berufen konnte, wenn die\nInitiatoren und Vertreiber des RN-Fonds Nr. 2 im bewussten Zusammenwirken mit\nder Sparkasse W. entschieden hatten, Fondsbeteiligungen ausschließlich und\nzwingend mit Hilfe der Einschaltung und Bevollmachtigung eines Treuhanders zu\nvertreiben und dabei den Rechtsschein einer Vollmachtsurkunde zu nutzen, kann\noffen bleiben. Hierzu haben Klagerin und Drittwiderbeklagter nichts\nvorgetragen. Auch aus dem sonstigen Vortrag der Parteien ist nichts\nersichtlich, was auf eine solche Konstruktion schließen lassen konnte. Die\nBeweisaufnahme hat im Gegenteil ergeben, dass es vom Zufall abhing, in welcher\nForm die Sparkasse W. Kenntnis von der Vollmacht erhielt und den zustandigen\nMitarbeitern der Sparkasse W. der Unterschied zwischen beglaubigten\nAbschriften und Ausfertigungen nicht bekannt war. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| c) Die Rechtsscheinhaftung scheitert nicht daran, dass die T. das Angebot\nauf Abschluss des Treuhandvertrags erst noch annehmen musste und der Sparkasse\nW. die notariell beurkundete Annahmeerklarung nicht vorgelegen hat. \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| Ziffer III der notariellen Urkunde vom 10. September 1993 bestimmt, dass\nder Gesellschafter dem Treuhander die Treuhandvollmacht „mit Abgabe dieses\nAngebots erteilt". Damit haben Klagerin und Drittwiderbeklagter die T. bereits\nmit der Abgabe des Angebots bevollmachtigt; die Vollmacht selbst bedarf als\neinseitige, empfangsbedurftige Erklarung nicht der Annahme (§ 167 Abs. 1 BGB;\nPalandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 167 Rn. 1). Die Erteilung der Vollmacht ist\nauch im Übrigen nicht eingeschrankt; vielmehr heißt es in der Urkunde\nausdrucklich, dass der Gesellschafter den Treuhander „hiermit unwiderruflich"\nbeauftragt und bevollmachtigt (Ziff. III 1. a) der Urkunde). Der Hinweis der\nKlagerin und des Drittwiderbeklagten auf Ziffer VI der Urkunde ist unergiebig.\nDarin heißt es, dass „durch Annahme des in dieser Urkunde enthaltenen Angebots\n[...] lediglich das Treuhandverhaltnis zwischen dem Gesellschafter und dem\nTreuhander zustande" kommt (Ziff. VI 1. der Urkunde). Zum einen ist dies keine\nrechtlich verbindliche Vereinbarung zwischen den Parteien, sondern - wie\nbereits die Überschrift von Ziffer VI. zeigt - nur eine Belehrung durch den\nNotar. Zum andern betrifft dies - wie sich fur jeden unvoreingenommenen Leser\nohne Zweifel ergibt - nur den Treuhandauftrag, nicht aber die Vollmacht. Damit\nstimmt uberein, dass nach Ziffer II. der Urkunde die Annahme des\nVertragsangebots auf Abschluss des Treuhandvertrages durch notarielle\nBeurkundung der Annahmeerklarung zu erfolgen hat. Auch hier findet sich kein\nHinweis darauf, dass die Vollmacht selbst von der Annahme des Vertragsangebots\nabhangen sollte. \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| Im Übrigen greift § 172 BGB immer dann, wenn eine Urkunde vorgelegt wird,\naus der sich eine Bevollmachtigung ergibt. Dies ist hier der Fall, weil Ziffer\nIII. der Urkunde die Vollmacht eigenstandig und vollstandig regelt und sich\naus der Urkunde keine Anhaltspunkte ergeben, die die Vollmachtserteilung\neinschranken oder hinausschieben. Es kommt daher fur § 172 BGB im vorliegenden\nFall weder darauf an, ob bei Abschluss der Darlehensvertrage am 10. Dezember\n1993 eine Annahmeerklarung fur den Treuhandauftrag bereits abgegeben worden\nwar, noch ob eine Ausfertigung der notariell beurkundeten Annahme durch den\nTreuhander vorgelegen hat (BGH, NJW 2004, 2090), so dass es auf den Vortrag\nder Klagerin und des Drittwiderbeklagten im Schriftsatz vom 19. August 2005\nnicht ankommt. Unabhangig davon hat die T. das Angebot der Klagerin und des\nDrittwiderbeklagten mit notariell beurkundeter Erklarung vom 2. Dezember 1993\n- und damit vor Abschluss der Darlehensvertrage - angenommen. \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| d) Einer Rechtsscheinhaftung nach § 172 BGB stehen weiterhin weder die\nGrundsatze der Entscheidung BGHZ 44, 158ff. entgegen noch eine angebliche\nInteressenkollision. \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| aa) Die Entscheidung BGHZ 44, 158ff. ist nicht einschlagig. Eine Abrede\nuber einen Treuhandvertrag mag nichtig sein, wenn der Treugeber keinen\nEinfluss auf die Person des Treuhanders hat (BGHZ 44, 158, 159f.). Hier haben\nKlagerin und Drittwiderbeklagter aber die T. als juristische Person zum\nTreuhander bestimmt und damit selbst entschieden, welche Person Treuhander\nsein soll. \n--- \n--- \n| 90 \n--- \n| bb) Es kann dahinstehen, ob der Treuhandauftrag unwirksam war, weil die T.\nzugleich Bevollmachtigte der Grundungsgesellschafter des Fonds gewesen ist und\ndeshalb eine Interessenkollision bestanden haben konnte. Dies hindert\njedenfalls nicht die Anwendung von § 172 BGB, weil auch daraus allenfalls die\nmaterielle Unwirksamkeit der Vollmacht folgen konnte. \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| e) Schließlich scheitert eine Rechtsscheinhaftung nicht an § 173 BGB.\nMaßgeblich ist nicht, ob die Beklagte die den Mangel der Vertretungsmacht\nbegrundenden Umstanden kennen musste, sondern ausschließlich, ob sie den\nMangel der Vertretungsmacht selbst kannte oder kennen musste (standige\nRechtsprechung, zuletzt BGH, Urt. v. 15. Marz 2005 - XI ZR 135/04, NJW 2005,\n1576, mit zahlreichen Nachweisen). \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| aa) Die Beklagte musste das Fehlen der Vertretungsmacht nicht kennen. Im\nJahr 1993 musste die Bank nicht damit rechnen, dass die Vollmacht nichtig war,\nweil der zugrunde liegenden Geschaftsbesorgungsvertrag gegen das\nRechtsberatungsgesetz verstoßt (BGH, NJW 2005, 1190; WM 2005, 828). Da im\nRahmen der §§ 172, 173 BGB keine allgemeine Überprufungs- und\nNachforschungspflicht besteht, musste die Beklagte im Jahre 1993\nselbstverstandlich nicht zu diesem Zeitpunkt unbekannte Rechtsauffassungen\nerkennen (vgl. BGH, NJW 2005, 1190). \n--- \n--- \n| 93 \n--- \n| bb) Ebenso wenig ist die Beklagte im vorliegenden Fall deshalb so zu\nbehandeln, als ob sie den Mangel der Vertretungsmacht kannte, weil die T. als\nTreuhanderin von den Initiatoren des RN-Fonds Nr. 2 ausgesucht worden war und\nkeine echte Vertrauensperson der Anleger darstellte. § 173 BGB knupft an die\nKenntnis oder das Kennenmussen hinsichtlich der fehlenden Vollmacht an.\nHingegen lasst § 173 BGB es nicht zu, dem Geschaftsgegner auch ohne\nhinreichende Anhaltspunkte so zu behandeln, als ob er das Fehlen der Vollmacht\ninfolge von Fahrlassigkeit nicht kannte (§ 122 Abs. 2 BGB). Die\nGeschaftskonstruktion selbst ist als solches kein ausreichender Grund,\nfahrlassige Rechtsunkenntnis zu bejahen, wenn die rechtlichen Fragen erst\nmehrere Jahre spater erstmals problematisiert werden. \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| cc) Dass die Beklagte eine mogliche aus anderen Grunden als dem Verstoß\ngegen das Rechtsberatungsgesetz folgende Unwirksamkeit der Vollmacht kannte\noder hatte kennen mussen, ist nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| 3) Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte konnen die Darlehenserklarungen\nnicht widerrufen. \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| a) Ein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 HWiG a. F. besteht nicht. Im\nvorliegenden Fall ist das HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden\nFassung (fortan HWiG a. F.) anzuwenden, weil die Vertrage samtlich vor dem 1.\nOktober 2000 abgeschlossen worden sind (§ 9 Abs. 3 HWiG n. F.). Danach besteht\nkein Widerrufsrecht; jedenfalls konnten sich die Klagerin und der\nDrittwiderbeklagte nicht auf ein Widerrufsrecht berufen. \n--- \n--- \n| 97 \n--- \n| aa) Hinsichtlich des Darlehensvertrages ist fur die Klagerin und ihren\nEhemann die T. als Vertreter tatig geworden. Unter diesen Umstanden kommt es\nfur die Frage, ob eine Haustursituation vorlag, auf die Person des Vertreters\nan (BGHZ 144, 223, 226ff.; BGH, NJW 2004, 154, 155; Palandt/Heinrichs, BGB 64.\nAufl., § 312 Rn. 4). Klagerin und Drittwiderbeklagter haben nicht behauptet,\ndass die T. die Darlehensvertrage in einer Haustursituation abgeschlossen\nhabe. Dies ist auch kaum anzunehmen. Daher besteht kein Widerrufsrecht\nhinsichtlich der Darlehensvertrage. \n--- \n--- \n| 98 \n--- \n| bb) Soweit die Vollmacht der T. aufgrund einer Haustursituation erteilt\nworden sein sollte und die Klagerin und ihr Ehemann sie deshalb wirksam\nwiderrufen haben sollten, kann sich die Beklagte jedenfalls auf § 172 BGB\nberufen. Die T. hat der Sparkasse W. bei Abschluss des Darlehensvertrags eine\nnotarielle Ausfertigung der Vollmachtsurkunde vorgelegt. Dieser\nRechtsscheinstatbestand gilt auch, wenn die Bevollmachtigung widerrufen wird\n(vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl., § 312 Rn. 5). Die Sparkasse W. hatte\nbei Vertragsschluss mit der T. als Vertreterin der Klagerin und des\nDrittwiderbeklagten auch keinen Anlass anzunehmen, dass die Vollmacht in einer\nHaustursituation erteilt worden ist (BGH, NJW 2000, 2268, 2269; NJW 2000,\n2270, 2271). Die Vollmacht war hier notariell beurkundet, so dass die\nSparkasse W. auf die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG vertrauen\ndurfte (BGH, NJW 2000, 2268, 2269). Anhaltspunkte, dass es sich bei dieser\nnotariellen Beurkundung um eine reine Formalie handelte, bestanden fur die\nSparkasse W. nicht, weil sie vom zeitlichen Ablauf, der zur Beurkundung der\nVollmacht fuhrte, keine Kenntnis hatte. \n--- \n--- \n| 99 \n--- \n| Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass auf diese Weise der mit dem\nWiderrufsrecht bezweckte Verbraucherschutz unterlaufen wird. Das\nWiderrufsrecht besteht nur im Verhaltnis zwischen den Parteien des in der\nHaustursituation abgeschlossenen Geschafts, hier also allenfalls einerseits\nder Klagerin und dem Drittwiderbeklagten und andererseits der T. \n--- \n--- \n| 100 \n--- \n| cc) Letztlich scheitert ein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 HWiG a. F. auch\ndaran, dass eine zum Widerruf berechtigende Haustursituation zwischen den\nParteien streitig ist und Klagerin und Drittwiderbeklagter fur ihre Behauptung\nkeinen prozessordnungsgemaßen Beweis angetreten haben, sondern sich nur\nwechselseitig als Zeugen benannt haben. Die Beweislast fur eine\nHaustursituation trifft den Verbraucher. Die Beklagte hat den Vortrag der\nKlagerin und des Drittwiderbeklagten zulassigerweise mit Nichtwissen\nbestritten. Klagerin und Drittwiderbeklagter haben keinerlei Anhaltspunkte\naufgezeigt, dass die Beklagte verpflichtet ware, sich nach den tatsachlichen\nVorgangen im Vorfeld des notariellen Angebots vom 10. September 1993 uber ihre\neigenen Kenntnisse hinaus zu erkundigen, insbesondere Nachforschungen\nanzustellen, was der mit der Beklagten in keiner rechtlichen Verbindung\nstehende Versicherungsvertreter L. getan hat. \n--- \n--- \n| 101 \n--- \n| Eine wechselseitige Zeugenvernehmung der Klagerin und des\nDrittwiderbeklagten kommt nicht in Betracht, weil beide als Partei anzusehen\nsind (vgl. oben). Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte werden dadurch auch\nnicht beweislos gestellt. Sie konnten unschwer Beweis durch das Zeugnis des\nVersicherungsvertreters L. antreten. Dies haben sie aber nicht getan. Daher\nkommt es auf die noch ausstehende Entscheidung des EuGH auf den\nVorlagebeschluss des OLG Bremen v. 27. Mai 2004 und die Schlussantrage des\nGeneralanwalts vom 2. Juni 2005 (Rs. C-229/04) nicht an. \n--- \n--- \n| 102 \n--- \n| b) Ein Widerrufsrecht nach VerbrKrG besteht nicht, weil die T. als\nVertreterin der Klagerin und des Drittwiderbeklagten ordnungsgemaß uber das\nWiderrufsrecht gemaß § 7 VerbrKrG 1993 belehrt worden ist. Die\nDarlehensvertrage enthalten als Anlage jeweils eine gesonderte, von der T.\nunterzeichnete Widerrufsbelehrung. Die Widerrufsbelehrung entspricht den\nAnforderungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG 1993. Im Übrigen ware ein\nWiderrufsrecht nach VerbrKrG auch deshalb erloschen, weil die Jahresfrist des\n§ 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG 1993 inzwischen abgelaufen ist. \n--- \n--- \n| 103 \n--- \n| 4) Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte konnen sich nicht auf einen\nEinwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG berufen. \n--- \n--- \n| 104 \n--- \n| a) Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG sind im vorliegenden\nFall erfullt. Der Senat nimmt auf die Ausfuhrungen unter 2) b) dd) (1) Bezug. \n--- \n--- \n| 105 \n--- \n| b) § 9 VerbrKrG ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb unanwendbar,\nweil beide Darlehen durch Grundpfandrechte gesichert werden sollten. § 3 Abs.\n2 Nr. 2 VerbrKrG 1993 greift hier jedoch nicht ein. \n--- \n--- \n| 106 \n--- \n| aa) Allerdings ist die Behauptung von Klagerin und Drittwiderbeklagten,\ndass die Darlehen zu fur Grundpfandrechten unublichen Zinsbedingungen gewahrt\nworden seien, gemaß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuruckzuweisen, weil die Behauptung\nerst in zweiter Instanz erhoben worden ist und Klagerin und Drittwiderbeklagte\nnicht dargetan haben, dass dies nicht auf Nachlassigkeit beruht. Die Beklagte\nhat bestritten, dass die Bedingungen unublich gewesen seien. Zwar lag die\nobere Streubreite des Effektivzinses fur grundpfandrechtlich gesicherte\nDarlehen ausweislich dem Monatsbericht der Bundesbank im Dezember 1993 bei\nfunfjahriger Laufzeit bei 7,50 % und bei zehnjahriger Laufzeit bei 7,89 %. Die\nBeklagte hat aber geltend gemacht, dass die hoheren Effektivzinsen im\nvorliegenden Fall durch die Besonderheiten der streitgegenstandlichen\nDarlehensvertrage bedingt seien und der Effektivzins deshalb noch als ublich\nanzusehen sei. Insbesondere sei das eine Darlehen endfallig und das andere\nDarlehen mit anfanglich 1,5 % jahrlich zu tilgen gewesen, wohingegen die\nZinsstatistik der Deutschen Bundesbank von Darlehen mit einer anfanglichen\nTilgung von 1,0 % ausgehe. \n--- \n--- \n| 107 \n--- \n| bb) Die Grundpfandrechte wurden im vorliegenden Fall auch erst nach\nAbschluss der Darlehensvertrage zu Sicherungszwecken bestellt; beide\nDarlehensvertrage sahen unter Ziff. 3 „Sicherheiten" eine Grundschuld vor. Das\nLandgericht hat hierzu nur festgestellt, dass „als weitere Sicherheit eine\nbereits im Grundbuch eingetragene Globalgrundschuld dienen" sollte; weitere\nFeststellungen hat es nicht getroffen. Aus den von den Parteien vorgelegten\nUnterlagen und insbesondere der Grundschuldbestellungsurkunde vom 29. Dezember\n1993 ergibt sich jedoch, dass die Grundpfandrechte erst nach Abschluss der\nDarlehensvertrage bestellt worden sind. Damit ist zwar der - inzwischen\nallgemein als verfehlt angesehenen - Begrundung des BGH in den Urteilen v. 14.\nJuni 2004 der Boden entzogen, wonach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG 1993 nicht\ngelte, wenn das Grundpfandrecht bereits zuvor zur Sicherung einer\nZwischenfinanzierung bestellt worden ist (BGH, Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR\n393/02, NJW 2004, 2736 = BGHZ 159, 294ff.; v. 14. Juni 2004 - II ZR 407/02, WM\n2004, 1536). \n--- \n--- \n| 108 \n--- \n| cc) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG\n1993 nach Maßgabe der gesetzgeberischen Wertungen einschrankend auszulegen\nist. Zwar stellt § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG 1993 typisierend allein darauf ab,\nob die Kredite eine Sicherung durch Grundpfandrecht vorsehen und zu fur solche\nKredite ublichen Bedingungen gewahrt worden sind. Dabei kommt es nicht darauf\nan, wer das Grundpfandrecht bestellt (BGH, NJW 2005, 664, 666). Ebenso wenig\nspielt es eine Rolle, wann das Grundpfandrecht bestellt worden ist (BGH,\na.a.O.). Ein Ruckschluss von der Neuregelung des § 358 Abs. 3 BGB n. F. aus\ndem Jahre 2002 auf die Rechtslage im Jahre 1993 ist nicht moglich. Auch ist\neine solche Einschrankung europarechtlich nicht geboten, weil Art. 2 Abs. 3\nder Richtlinie 87/102/EWG uber den Verbraucherkredit die hier einschlagigen\nBestimmungen der Richtlinie schon dann fur nicht anwendbar erklart, wenn der\nKreditvertrag durch Grundpfandrechte gesichert ist, ohne dass es auf die\nÜblichkeit der Bedingungen oder den Verwendungszweck ankame. Hingegen konnen\nder Gegenstand des Kredits und der Zweck der Finanzierung bei der Auslegung\ndes § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht außer Acht gelassen werden. Ausgangspunkt\nder Auslegung ist die der Norm zugrunde liegenden gesetzliche Wertung sowie\ninsbesondere die Bewertung der widerstreitenden Interessen. \n--- \n--- \n| 109 \n--- \n| Ursprunglich sollten Realkredite uberhaupt nicht dem VerbrKrG unterfallen\n(BT-Drucks. 11/5462, S. 18 zu § 2 des Regierungsentwurfs). Die meisten\nVorschriften des VerbrKrG passten nicht auf grundpfandrechtlich gesicherte\nDarlehen, sofern sie zu fur Realkredite ublichen Bedingungen (insb.\nhinsichtlich der Zinshohe) gewahrt werden (BT-Drucks. 11/5462 a.a.O.). Dabei\nhatte der Gesetzgeber ersichtlich die typischen Realkredite zur Finanzierung\nvon Immobilienerwerb vor Augen. Dies folgt nicht nur aus dem Hinweis auf die\ntaggenaue Refinanzierung vieler Realkredite, sondern vor allem aus dem\nZusammenhang der Begrundung. Diese stellt auf die langen Laufzeiten, die\nniedrige Anfangstilgung und die Unterschiede zu typischen Konsumentenkrediten\nab (BT-Drucks. 11/5462, S. 18). Die Gleichstellung von Krediten, bei denen\nnach § 7 Abs. 3 bis 5 BausparKG von einer Sicherung mit Grundpfandrechten\nabgesehen werden kann, bestatigt die gesetzgeberischen Vorstellungen, dass die\nNorm typischerweise auf Kredite zu Immobilienzwecken anwendbar sein soll.\nDiese Vorstellung ist im Gesetzgebungsverfahren nicht in Frage gestellt\nworden. Der Änderungsvorschlag des Bundesrates betraf nur die Einschrankung\nder Ausnahme auf einzelne, auf Realkredite nicht passende Bestimmungen des\nVerbrKrG, hingegen nicht die Begrundung der Ausnahme selbst (BT-Drucks.\n11/5462, S. 35). Die Bundesregierung hat dieser Einschrankung zugestimmt (BT-\nDrucks. 11/5462, S. 41). Gerade hier zeigt sich, dass es nur darum ging, auf\nbestimmte Darlehen nicht passende Bestimmungen auszuschließen, wobei die\nBegrundung ausdrucklich auch den Einwendungsdurchgriff erwahnt. Die\nBestimmungen sind jedoch nicht deshalb als unpassend angesehen worden, weil\ndas Darlehen grundpfandrechtlich gesichert war, sondern weil man einen\nbestimmten, durch verschiedene Merkmale gegenuber dem eigentlichen\nKonsumentenkredit abgegrenzten Typus eines Kredits aufgrund der sachlich\nbestehenden Unterschiede gegenuber dem Konsumentenkredit von einzelnen\nRegelungen des VerbrKrG ausnehmen wollte. Der Gesetzgeber hat die Interessen\nder Kreditgeber nur dann hoher als die des Verbrauchers eingeschatzt, wenn die\ngesamten Kreditbedingungen (und nicht etwa nur die Zinshohe) dem Typus des\nublichen Realkredits entsprachen. \n--- \n--- \n| 110 \n--- \n| Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Beide Darlehen sollten der\nFinanzierung von Fondsanteilen dienen. Der Effektivzins beider Darlehen lag\nausweislich der entsprechenden Bundesbankstatistik fur Dezember 1993 oberhalb\nder Streubreite fur ubliche Realkredite. Auch die ubrigen Bedingungen des\nGeschafts und der Verwendungszweck weichen vom ublichen Typus eines\nRealkredits ab. Die Fremdfinanzierung diente steuerlichen Aspekten; es\nhandelte sich um eine Geldanlage. Schließlich fehlt es hier an der bei\nublichen Realkrediten typischen Trennung von „Verkaufer" und Finanzier, die\nbei dem Vertrieb der Fondsanteile - wie auch im vorliegenden Fall - gerade\nnicht gegeben ist. Gerade auf diese typische Trennung von Realkredit und\nfinanziertem Geschaft geht aber der Ausschluss des Einwendungsdurchgriffs\nzuruck. Der Senat teilt daher die Auffassung des BGH (II. Zivilsenat), dass\neine teleologische Auslegung der Vorschrift ergebe, dass die Beteiligung an\neiner Fondsgesellschaft von der Bereichsausnahme nicht erfasst werde (BGH,\nUrt. v. 21. Marz 2005 - II ZR 411/02, WM 2005, 843). § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG\nsei eng auszulegen und auf Falle zu begrenzen, in denen der Kredit der\nFinanzierung eines Grundstuckserwerbs diene. Dem sei der Erwerb einer\nImmobilienfondsbeteiligung nicht gleichzustellen (BGH, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 111 \n--- \n| c) Es fehlt aber - wenn man § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG 1993 fur unanwendbar\nhalt - an moglichen Einwendungen aus dem Erwerb der Fondsanteile, die die\nKlagerin und der Drittwiderbeklagte der Beklagten entgegenhalten konnten.\nKlagerin und Drittwiderbeklagter konnen sich nicht auf eine arglistige\nTauschung bezuglich ihres Beitritts zum RN-Fonds Nr. 2 berufen. Die Tauschung\nist schon nicht als bewiesen anzusehen. Sie konnen sich gleichfalls nicht auf\neinen Widerruf ihrer Beitrittserklarung berufen. \n--- \n--- \n| 112 \n--- \n| aa) Die Klagerin und der Drittwiderbeklagte haben behauptet, der\nVersicherungsvertreter L. habe sie Anfang September 1993 damit geworben, dass\ndie Beteiligung am Immobilienfonds schon nach wenigen Jahren mit Gewinn\nverkauft werden konne. Sie seien nicht daruber aufgeklart worden, dass die\nFondsanteile nur erschwert handelbar seien. Die Beklagte hat diese\nAusfuhrungen mit Nichtwissen bestritten. \n--- \n--- \n| 113 \n--- \n| Dieser Sachvortrag ist jedoch nicht bewiesen. Klagerin und\nDrittwiderbeklagter haben sich nur wechselseitig als Zeugen benannt. Da beide\njedoch Partei des Rechtsstreits sind, ist eine Zeugeneinvernahme\nausgeschlossen (vgl. oben 2) b) aa). Weiteren Beweis haben Klagerin und\nDrittwiderbeklagter nicht angetreten, so dass sie als beweisfallig anzusehen\nsind. \n--- \n--- \n| 114 \n--- \n| bb) Ob die Klagerin und der Drittwiderbeklagte ihren Beitritt zum RN-Fonds\nNr. 2 aufgrund einer Haustursituation widerrufen konnten, ist ebenfalls nicht\nbewiesen. Klagerin und Drittwiderbeklagter haben noch nicht einmal\nvorgetragen, wann und wie der Fondsbeitritt vonstatten ging. Zwar gab - wofur\nauch die notarielle Urkunde vom 10. September 1993 uber den Treuhandauftrag\nspricht - wohl erst die T. die Beitrittserklarungen ab. Jedoch fehlt jede\nnahere Darlegung, unter welchen Umstanden der Beitritt erfolgte. Dies ware\naber erforderlich, weil die Darlegungs- und Beweislast fur die Voraussetzungen\neines Einwendungsdurchgriffs bei der Klagerin und dem Drittwiderbeklagten\nliegt. Insbesondere greift der Rechtsscheinstatbestand des § 172 BGB auch bei\neinem Beitritt zu einem Immobilienfonds, der dann rechtlich einwandfrei und\nnicht nur nach den Grundsatzen uber die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam\nzu behandeln ware. Daher kann nicht beurteilt werden, ob der Beitritt an\nerheblichen rechtlichen Mangeln litt und ob die Grundsatze uber die\nfehlerhafte Gesellschaft eingreifen. Dies geht zu Lasten der Klagerin und des\nDrittwiderbeklagten. \n--- \n--- \n| 115 \n--- \n| cc) Weitere Kundigungsgrunde oder Grunde, die nach den Grundsatzen uber die\nfehlerhafte Gesellschaft die Klagerin und den Drittwiderbeklagten dazu\nberechtigten wurden, ihren Beitritt fur die Zukunft ruckgangig zu machen,\nhaben die Klagerin und der Drittwiderbeklagte nicht geltend gemacht. Sie sind\nauch sonst nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 116 \n--- \n| 5) Die Darlehensvertrage sind auch nicht aus anderen Grunden unwirksam. \n--- \n--- \n| 117 \n--- \n| a) Der Darlehensvertrag Nr. 50 982 362 ist nicht nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG\n1993 nichtig. Die Angaben im Darlehensvertrag verstoßen nicht gegen § 4 Abs. 1\nSatz 4 Nr. 1 lit. f VerbrKrG 1993. \n--- \n--- \n| 118 \n--- \n| aa) Die Lebensversicherung ist nicht im Zusammenhang mit dem\nDarlehensvertrag abgeschlossen worden, sondern bestand schon vorher. Der\nDrittwiderbeklagte hat die Lebensversicherung unstreitig bereits am 1. August\n1992 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte jede Absicht der Parteien,\neinen Darlehensvertrag abzuschließen. \n--- \n--- \n| 119 \n--- \n| Der entsprechende Vortrag der Beklagten ist zuzulassen, weil er unstreitig\nist. Im Übrigen hat das Landgericht selbst in seinem Tatbestand festgestellt,\ndass der Versicherungsberater L. dazu geraten habe, die Anlage "durch die\nbestehende Lebensversicherung" zu finanzieren. Damit steht die Feststellung\ndes Landgerichts, dass "zu Tilgungszwecken abgeschlossene Lebensversicherungen\nals Sicherheit" abgetreten wurden, in Widerspruch zu den anderen\nFeststellungen. In den Urteilsgrunden bezieht sich das Landgericht jedoch nur\nauf den Darlehensvertrag, ohne Feststellungen in tatsachlicher Hinsicht zu\ntreffen, wann die Lebensversicherungen abgeschlossen worden sind. \n--- \n--- \n| 120 \n--- \n| § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 lit. f VerbrKrG 1993 stellt darauf ab, ob der\nVersicherungsvertrag im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag abgeschlossen\nworden ist. Die Formulierung geht darauf zuruck, dass die Vorgabe der\nÄnderungen der Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt werden sollten (Bericht\ndes Rechtsausschusses, BT-Drucks. 11/8274, S. 21). Danach kommt es auf einen\nzeitlichen und sachlichen Bezug zwischen Versicherungsvertrag und\nKreditvertrag an (Staudiner/Kessal-Wulf, Bearb. 1997, § 4 VerbrKrG Rn. 63). An\ndem erforderlichen zeitlichen Bezug fehlt es bei Versicherungen, die der\nKreditnehmer bereits vor Abschluss des Kreditvertrages abgeschlossen hat,\nselbst wenn sie fur den spateren Kredit als Sicherheit eingesetzt werden\n(Staudinger a.a.O.). Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 87/102/EWG uber den\nVerbraucherkredit sieht keine zwingenden Vorschriften in dieser Hinsicht vor;\nArt. 4 Abs. 3 der Richtlinie 87/102/EWG uber den Verbraucherkredit ist nur\neine Sollvorschrift, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich aus der Anlage\nzur Richtlinie 87/102/EWG uber den Verbraucherkredit hinsichtlich der Kosten\neiner Versicherung etwas anderes ergibt. In einer Konstellation wie der\nvorliegenden fehlt es fur eine Angabe der fur die bereits abgeschlossene\nLebensversicherung aufzubringenden Raten an einem rechtfertigenden Grund: Der\nVerbraucher, der die Lebensversicherung bereits abgeschlossen hat, weiß,\nwelche Kosten diese Lebensversicherung verursacht. Eine erneute Angabe dieser\nKosten, die dem Verbraucher bereits bekannt sind, ist dann nicht erforderlich,\nweil diese Kosten unabhangig vom Kreditvertrag anfallen. Der Einsatz der\nbereits abgeschlossenen Lebensversicherung zu Sicherungs- oder Tilgungszwecken\nfallt daher nach Sinn und Zweck der Angabepflichten nicht unter § 4 Abs. 1\nSatz 4 Nr. 1 lit. f VerbrKrG 1993. § 4 VerbrKrG soll dem Verbraucher einen\nÜberblick uber die mit der Kreditaufnahme verbundenen Kosten ermoglichen (BT-\nDrucks. 11/5462 S. 19 zu § 3 des Regierungsentwurfs). Kosten, die sowieso\nbereits bestehen, brauchen nicht erneut mitgeteilt werden. \n--- \n--- \n| 121 \n--- \n| bb) Der Mangel ware jedenfalls geheilt, weil Klagerin und\nDrittwiderbeklagter die Kredite in Anspruch genommen haben (§ 6 Abs. 2 Satz 1\nVerbrKrG 1993). \n--- \n--- \n| 122 \n--- \n| Die Auszahlung der Darlehensvaluta auf Anweisung der T. ist der Klagerin\nund dem Drittwiderbeklagten zuzurechnen. Der Sparkasse W. lag die notarielle\nAusfertigung der Vollmacht vor, als sie Mitte 1994 die Darlehensvaluta\nauszahlte. Damit kann sich die Beklagte auch hinsichtlich der Auszahlungen auf\nden Rechtsschein einer wirksamen Anweisung berufen (§ 172 BGB). \n--- \n--- \n| 123 \n--- \n| b) Es liegt weder ein Verstoß gegen § 15 VerbrKrG vor noch ein Verstoß\ngegen § 56 GewO. \n--- \n--- \n| 124 \n--- \n| aa) Die Vereinbarungen mit dem Versicherungsvertreter L. stellen schon\nkeinen Kreditvermittlungsvertrag im Sinne des § 15 VerbrKrG 1993 dar. Auch der\nTreuhandauftrag an die T. war kein Kreditvermittlungsvertrag im Sinne des § 15\nVerbrKrG, weil es sich bei dem Treuhandauftrag wohl um einen\nGeschaftsbesorgungsvertrag, nicht aber um einen Maklervertrag handelte. § 15\nVerbrKrG meint jedoch nur letzteren (vgl. jetzt §§ 655a ff. BGB n. F.). Im\nÜbrigen fuhrt ein Verstoß gegen § 15 VerbrKrG nicht auch zur Nichtigkeit des\ndaraufhin abgeschlossenen Kreditvertrages (Palandt/Putzo, BGB 61. Aufl. § 15\nVerbrKrG Rn. 5). \n--- \n--- \n| 125 \n--- \n| bb) § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO i. d. F. vom 17. Dezember 1990 verbietet zwar im\nReisegewerbe die fur den Darlehensnehmer entgeltliche Vermittlung von\nDarlehensgeschaften. Jedoch haben Klagerin und Drittwiderbeklagter weder\ndargelegt, dass L. ein Reisegewerbe ausubte, noch dass er die entgeltliche\nVermittlung von Darlehensgeschaften ubernommen hat. Im Übrigen fuhrt ein\nVerstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO n. F. im vorliegenden Fall nicht zur\nNichtigkeit des dann abgeschlossenen Darlehensvertrags. Bereits bei einem\nVerstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO a. F., wonach auch der Abschluss von\nDarlehensgeschaften im Reisegewerbe untersagt war, war der abgeschlossene\nDarlehensvertrag dann nicht nichtig, sofern dem Darlehensnehmer ein\nWiderrufsrecht nach § 1 HWiG zusteht (BGHZ 131, 385ff.). Dies muss fur einen\nvermittelten Kreditvertrag erst recht gelten, wenn § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO n.\nF. nur die entgeltliche Vermittlung von Darlehensgeschaften verbietet und dem\nVerbraucher - wie hier - ein Widerrufsrecht fur den Darlehensvertrag nach\nVerbrKrG zusteht (so auch OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 1726). \n--- \n--- \n| 126 \n--- \n| 6) Die Beklagte hat einen Anspruch auf Ruckzahlung der Darlehensbetrage\nnebst Zinsen. Sie hat die Darlehen wirksam gekundigt. \n--- \n--- \n| 127 \n--- \n| a) Die noch nicht getilgten Darlehensvaluta der ursprunglich in Hohe von\n84.000 DM bzw. 32.667 DM valutierenden Darlehen zum Zeitpunkt der Kundigung am\n26. Februar 2003 betrugen 57.662,87 EUR. Zusatzlich kann die Beklagte die zu\ndiesem Zeitpunkt ruckstandigen Zinsen verlangen. \n--- \n--- \n| 128 \n--- \n| aa) Die offenen Darlehensvaluta des Darlehens Nr. 50 982 362 betrugen\nausweislich der Kontoauszuge zum 30. Dezember 1995 noch 83.588,36 DM =\n42.738,05 EUR. Weitere Betrage sind nicht getilgt worden. Daher kann die\nBeklagte auf diesen Kapitalsaldo die vertraglich vereinbarten Zinsen in Hohe\nvon 6,59 % p. a. verlangen. Zusatzlich kann die Beklagte die in den\nKontoauszugen ausgewiesenen Gebuhren verlangen. Diese betragen insgesamt 88 DM\n= 44,99 EUR in den Jahren 1996 bis 1999 (je 10 DM Auszugsgebuhr, 2 x 7,50 DM\nStornogebuhr, 33 DM Mahngebuhren). Hingegen hat die Beklagte keinen Anspruch\nauf den vor ihr fur den 17. Februar 2003 behaupteten Saldo von 66.667,32 EUR,\nweil in diesem Saldo auch die von der Beklagten ausweislich der vorgelegten\nKontoauszuge kapitalisierten Zinsen enthalten sind. Es fehlt jeder Vortrag der\nBeklagten, warum sie dazu berechtigt war, die Zinsen zu kapitalisieren. Dies\nwidersprache zudem § 11 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG 1993. Ebenso fehlt jeder\nVortrag der Beklagten zur Frage, ob insoweit Verzug eingetreten ist. Die\nKlagerin und der Drittwiderbeklagte haben wiederholt auf die mangelnde\nSchlussigkeit des Vortrags der Beklagten hingewiesen, so dass ein erneuter\nHinweis des Senats nicht erforderlich ist. Die Beklagte macht den bei\nKundigung am 17. Marz 2003 falligen Saldo geltend. 6,59 % Zinsen aus einem\nKapital von 83.588,36 DM sind jahrlich 5.508,47 DM, fur sieben Jahre (1996 bis\n2002) ergibt dies einen Betrag von 38.559,31 DM. Hinzuzuaddieren sind noch die\nZinsen fur zwei Monate (Jan. und Feb. 2003), also 459,04 DM x 2 = 918,08 DM.\nDamit bestanden zum Zeitpunkt der Kundigung insgesamt Zinsruckstande in Hohe\nvon 39.477,39 DM = 20.184,47 EUR. Die Gesamtforderung der Beklagten aus dem\nDarlehen Nr. 50 982 362, mit der die Klagerin und der Drittwiderbeklagte in\nVerzug geraten sind, betragt daher 62.967,51 EUR (42.738,05 EUR offenes\nDarlehenskapital, 20.184,47 EUR ruckstandige Zinsen und 44,99 EUR Kosten und\nGebuhren). \n--- \n--- \n| 129 \n--- \n| bb) Der offene Saldo des Tilgungsdarlehens Nr. 50 981 927 betrug zum\nZeitpunkt der Kundigung 14.924,82 EUR. \n--- \n--- \n| 130 \n--- \n| Auszugehen ist vom am 30. Juli 2002 bestehenden Saldo von nur noch\n29.619,58 DM (= 15.114,25 EUR), weil es sich dabei um ein Tilgungsdarlehen\nhandelte und Klagerin und Drittwiderbeklagter durch die Ausschuttungen des RN-\nFonds Nr. 2 Tilgungsleistungen erbracht haben. Nach diesem Zeitpunkt haben die\nweiteren Ausschuttungen des RN-Fonds Nr. 2 im August und September 2002 von je\n109,16 EUR vereinbarungsgemaß zu einer weiteren Tilgung auf noch 14.895,93 EUR\ngefuhrt. Diesem Betrag ist die vierteljahrliche Zinsrate, die am 30. September\n2002 geschuldet war, mit 247,21 EUR (§ 287 ZPO; Nominalzins auch hier 6,59 %\nauf den Mittelwert des Dreimonatszeitraums Juli bis September)\nvereinbarungsgemaß zuzuschlagen, so dass sich ein Saldo von 15.143,14 EUR\nergibt. Die letzten beiden Ausschuttungen des RN-Fonds Nr. 2 von Oktober und\nNovember 2002 haben diesen offenen Saldo dann auf 14.924,82 EUR zuruckgefuhrt.\nMithin kann die Beklagte fur das Darlehen Nr. 50 981 927 ein Restkapital von\n14.924,82 EUR verlangen. \n--- \n--- \n| 131 \n--- \n| Weiterhin schulden Klagerin und Drittwiderbeklagter bis zum Zeitpunkt der\nKundigung am 17. Marz 2003 die vertraglich vereinbarten Zinsen auf dieses\nRestkapital. Dies sind 6,59 % Zins vom 16. November 2002 bis 17. Marz 2003\nsowie weitere 6,59 % Zins aus 15.143,14 EUR vom 1. Oktober 2002 bis 15.\nOktober 2002 und weitere 6,59 % Zins aus 15.033,98 EUR (Restschuld am 30.\nSeptember 2002 von 15.143,14 EUR abzuglich Rate von 109,16 EUR) vom 16.\nOktober 2002 bis 15. November 2002. \n--- \n--- \n| 132 \n--- \n| b) Die Kundigung ist wirksam, weil die Klagerin und ihr Ehemann zum\nZeitpunkt der Kundigung mit den Zinsraten erheblich in Verzug waren und mit\nder Klage zu erkennen gegeben haben, keine weiteren Raten zahlen zu wollen. §\n12 VerbrKrG 1993 steht dem nicht entgegen. Klagerin und Drittwiderbeklagter\nwaren mit mehr als zwei aufeinander folgenden Raten in Verzug; der Ruckstand\nuberschritt auch die Grenze von funf Prozent des Nennbetrags des Kredits. Die\nBeklagte hat die Klagerin und den Drittwiderbeklagten auch wiederholt gemahnt;\neine weitere Aufforderung zur Zahlung der Ruckstande war entbehrlich, nachdem\nKlagerin und Drittwiderbeklagter unmissverstandlich zu verstehen gegeben\nhaben, die Darlehensbetrage in keinem Fall weiter zuruckzahlen zu wollen. Die\nEinhaltung der Formvorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG 1993 ware im\nvorliegenden Fall daher nur eine nutzlose Formelei; sie ist deshalb\nausnahmsweise entbehrlich (OLG Dusseldorf, WM 1995, 1530; a. A.\nMunchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 498 Rn. 17). Im Übrigen ware - sofern die\nstreitgegenstandlichen Darlehen als grundpfandrechtlich gesicherte Kredite im\nSinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG anzusehen waren - § 12 VerbrKrG ohnehin\nnicht anwendbar. \n--- \n--- \n| 133 \n--- \n| c) Die Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz sind\nals Verzugszinsen geschuldet (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB n. F.). Aus § 11\nAbs. 1 VerbrKrG 1993 folgt der gleiche Verzugszinssatz. § 11 Abs. 2 Satz 2\nVerbrKrG 1993 steht dem nicht entgegen, weil sich diese Vorschrift nur auf die\nVerzinsung der aufgrund des Verzugs anfallenden Zinsen bezieht (vgl.\nMunchKommBGB/Habersack, 4. Aufl. § 497 Rn. 28f.). Zinsen auf Verzugszinsen\nmacht die Beklagte jedoch nicht geltend. \n--- \n--- \n| 134 \n--- \n| 7) Danach kommt es auf die Hilfsantrage der Beklagten nicht mehr an. Die\nBedingung war die Unzulassigkeit der Widerklage Ziff. 1 (Widerklageantrag\nZiff. 2) bzw. die Unwirksamkeit des Darlehensvertrags (Widerklageantrag Ziff.\n3). Beide Bedingungen sind nicht eingetreten. \n--- \n--- \nC. \n--- \n--- \n| 135 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1 ZPO.\nDie Zuvielforderung der Beklagten war mit rund 4.000,00 EUR verhaltnismaßig\ngeringfugig, betraf in der Sache nur die nicht streitwerterhohenden\nNebenforderungen und hat - selbst wenn man sie auf den Streitwert bezieht -\nkeinen Streitwertsprung verursacht. Die Entscheidung uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n--- \n| 136 \n--- \n| Die Revision war insgesamt zuzulassen, weil zwei Zivilsenate des BGH\nunterschiedliche Auffassungen zur Anwendbarkeit von § 172 BGB und zur\nReichweite von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG haben, fur die gerichtliche Praxis\nund die Parteien jedoch dringend eine Klarung dieser Fragen wunschenswert ist. \n--- \n---\n\n
128,293
fg-des-saarlandes-2004-12-14-2-k-21802
934
Finanzgericht des Saarlandes
fg-des-saarlandes
des Saarlandes
Saarland
Finanzgerichtsbarkeit
2 K 218/02
2004-12-14
2019-01-07 09:30:47
2019-02-12 12:10:33
Urteil
## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten daruber, ob der Beklagte den Antrag des Klagers auf\nDurchfuhrung der Einkommensteuerveranlagung fur das Jahr 1999 zu Recht\nabgelehnt hat.\n\nDer Klager wurde bis zum Jahr 1999 zusammen mit seiner Ehefrau zur\nEinkommensteuer veranlagt (Einkommensteuerakte - ESt -, Bl. 6). Ausweislich\nder Einkommensteuererklarung fur das Jahr 2000 leben die Ehegatten seit dem\nJahr 2001 dauernd getrennt. Der Klager und seine Ehefrau bezogen im Streitjahr\nEinkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit sowie Einkunfte aus Vermietung und\nVerpachtung (ESt 1999, Bl. 17 f.). Im Juli 1999 erhielt der Beklagte eine\nKontrollmitteilung, wonach der Klager fur die Vermietung einer Ferienwohnung\nin N im Jahr 1998 Einnahmen in Hohe von 5.500 DM erzielte (ESt 1998). Nachdem\ndie Ehegatten trotz Aufforderung keine Einkommensteuererklarung fur das Jahr\n1999 abgegeben hatten, erließ der Beklagte am 12. Oktober 2001 einen\nEinkommensteuerbescheid, der auf geschatzten Besteuerungsgrundlagen beruhte\n(ESt 1999, Bl. 3). Hiergegen legten die Eheleute am 27. November 2001\nEinspruch ein (ESt 1999, Bl. 5). Im Laufe des Einspruchsverfahrens reichten\nsie die Einkommensteuererklarung fur das Streitjahr ein (ESt 1999, Bl. 6 ff.).\nDarin erklarten sie negative Vermietungseinkunfte in Hohe von insgesamt\n-23.523 DM. Auf den Hinweis des Beklagten hin, dass die Einspruche verfristet\nseien (ESt 1999, Bl. 29 ff.), nahmen die Eheleute die Einspruche zuruck (ESt\n1999, Bl. 37 f.).\n\nAm 17. April 2002 beantragte der Klager, die im Rahmen des\nEinspruchsverfahrens eingereichte Steuererklarung als Antrag auf Durchfuhrung\nder Einkommensteuerveranlagung zu behandeln (ESt 1999, Bl. 40). Der Beklagte\nanderte in seinem Bescheid vom 13. Mai 2002 die Anrechnungsverfugung, lehnte\naber den Antrag des Klagers auf Durchfuhrung der Veranlagung ab (ESt 1999, Bl.\n41 ff.). Hiergegen legte der Klager am 28. Mai 2002 Einspruch ein\n(Rechtsbehelfsakte - Rbh -, Bl. 2). Diesen Einspruch wies der Beklagte mit\nseiner Einspruchsentscheidung vom 12. August 2002 als unbegrundet zuruck (Rbh,\nBl. 10 ff.).\n\nHiergegen richtet sich die am 13. September 2002 erhobene Klage.\n\nZur Begrundung fuhrt der Klager wie bereits zur Begrundung seines Einspruchs\naus, die Einkommensteuererklarung sei rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen\nZweijahresfrist eingereicht worden. Wenn auch der Beklagte positive\nVermietungseinkunfte angenommen habe und von einer Pflichtveranlagung\nausgegangen sei, so andere dies nichts an der materiellen Rechtslage, wonach\ndie Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gegeben seien.\n\nEr beantragt,\n\n> > unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. August 2002 den\n> Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuerveranlagung fur das Jahr 1999\n> gemaß der am 28. Dezember 2001 eingereichten Einkommensteuererklarung\n> durchzufuhren.\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n> > die Klage als unbegrundet abzuweisen.\n\nZur Begrundung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung, in der er\nausfuhrte, der Einkommensteuerbescheid vom 12. Oktober 2001 sei in\nBestandskraft erwachsen. Da keine Änderungsvorschrift erfullt sei, komme\nAntragsveranlagung fur das Streitjahr nicht mehr in Betracht.\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsatze sowie auf die\nbeigezogenen Behordenakten (zwei Bande) und das Protokoll der mundlichen\nVerhandlung verwiesen.\n\n## Entscheidungsgründe\n\n1\\. Die als Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 2. Alt. FGO) zulassige Klage ist\nunbegrundet. Die Ablehnung der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG\nist rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen Rechten (vgl. § 101\nSatz 1 FGO). Denn der Klager hat keinen Anspruch auf Durchfuhrung der\nAntragsveranlagung.\n\n1.1 Nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG wird die Veranlagung zur\nEinkommensteuer auf Antrag durchgefuhrt, wenn das Einkommen ganz oder\nteilweise aus Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19\nEStG) besteht, von denen ein Steuerabzug (§§ 38 ff. EStG) vorgenommen worden\nist und keine Veranlagungspflicht nach § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG besteht.\nDer Antrag ist bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden\nzweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklarung zu stellen\n(§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG).\n\nDiese Frist hat der Klager zwar eingehalten, jedoch steht der\nAntragsveranlagung der bestandskraftige Bescheid fur das Streitjahr uber\nEinkommensteuer vom 12. Oktober 2001 entgegen. Dieser Einkommensteuerbescheid\nkonnte in Bestandskraft erwachsen, weil der Klager zwar am 27. November 2001\nEinspruch erhoben, jedoch die einmonatige Frist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO\nnicht eingehalten hat. Denn die Einspruchsfrist endete gemaß § 108 Abs. 1 AO\ni.V.m. § 187 Abs. 1 BGB bereits am 15. November 2001, einem Donnerstag.\n\nZwar muss das Finanzamt im Rahmen der dem Finanzamt zustehenden\nSchatzungsbefugnis (§ 162 AO) grundsatzlich auch die Regelung des § 46 EStG\nbeachten. Im Streitfall hatte der Beklagte zu berucksichtigen, dass der Klager\nin den Vorjahren Einkunfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatte. Die\nVermietung des Objektes in B fuhrte nach den vom Klager abgegebenen\nSteuererklarungen zwar zu Verlusten, jedoch vermietete der Klager daneben eine\nFerienwohnung in N, ohne dass dies im Streitjahr erklart worden war. Dabei\nhatte der Klager im Jahr 1998 immerhin Einnahmen in Hohe von 5.500 DM erzielt.\nFur den Beklagten war daher nicht erkennbar, ob die nicht dem Steuerabzug\nunterliegenden Vermietungseinkunfte des Klagers und seiner Ehefrau im Jahr\n1999 die Grenze von 800 DM (§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) uberschreiten, was\nder Beklagte im Rahmen seiner gesetzlichen Verpflichtung zur gleichmaßigen\nSteuerfestsetzung (§§ 85, 88 AO) zu uberprufen hatte. Mangels Steuererklarung\nist der Beklagte im Schatzungsbescheid vom 12. Oktober 2001 dementsprechend\nvon positiven Vermietungseinkunften des Klagers von 9.000 DM (§ 162 AO) und\ndamit von einer Amtsveranlagung ausgegangen. Erst aus der nachtraglich\nvorgelegten Steuererklarung ergab sich, dass und in welcher Hohe der Klager\nEinkunfte aus der Vermietung einen Verlust erwirtschaftet hatte.\n\nDer Klager hatte dabei die Moglichkeit, diesen Schatzungsbescheid rechtzeitig\nanzufechten und zur Begrundung seines Einspruchs den Antrag auf Durchfuhrung\nder Einkommensteuerveranlagung durch Einreichung der Steuererklarung zu\nstellen. Dies ist indessen nicht geschehen. Denn der Einspruch gegen den\nSchatzungsbescheid ist - wie bereits dargelegt - in Bestandskraft erwachsen.\n\n1.2 Die Voraussetzungen der §§ 129, 172 AO fur eine Durchbrechung der\nBestandskraft des Einkommensteuerbescheids vom 12. Oktober 2001 sind im\nStreitfall nicht erfullt.\n\n1.2.1 Eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO kommt nicht\nBetracht. Danach darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorlaufig (§ 165 AO)\noder unter dem Vorbehalt der Nachprufung (§ 164 AO) ergangen ist, nur\naufgehoben oder geandert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder\nseinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt zugunsten des\nSteuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1\nSatz 1 AO) zugestimmt oder den Antrag gestellt hat. Der Klager hat jedoch im\nvorliegenden Fall - wie oben dargelegt wurde - die einmonatige Einspruchsfrist\nversaumt.\n\n1.2.2 Auch die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind nicht\nerfullt. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu\nandern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachtraglich bekannt werden, die zu\neiner niedrigeren Steuer fuhren und den Steuerpflichtigen kein grobes\nVerschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder die Beweismittel erst\nnachtraglich bekannt werden.\n\nDen Klager trifft indessen ein grobes Verschulden, das Vorsatz oder - was im\nStreitfall nur in Betracht kommt - grobe Fahrlassigkeit voraussetzt (vgl. zum\nBeispiel Rusken in Klein, AO, 8. Aufl. 2003, § 173, Rdnr. 112 mit weiteren\nNachweisen). Eine solche wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn der\nSteuerpflichtige die ihm nach seinen personlichen Fahigkeiten und\nVerhaltnissen zumutbare Sorgfalt in ungewohnlichem, nicht entschuldbarem Maße\nverletzt hat (vgl. zum Beispiel BFH, Urteil vom 23. November 2001 VI R 125/00,\nBStBl. II 2002, 296; Balmes in Kuhn/von Wedelstadt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, §\n173 AO, Rz. 24 mit weiteren Nachweisen). Nach der standigen Rechtsprechung des\nBFH, der sich der Senat anschließt, ist ein grobes Verschulden des\nSteuerpflichtigen grundsatzlich anzunehmen, wenn er es unterlasst, Einspruch\ngegen einen Steuerbescheid einzulegen, obwohl er damit die dem Finanzamt nicht\nbekannte Tatsache hatte mitteilen konnen (siehe zum Beispiel BFH, Urteil vom\n23. Januar 2001 XI R 42/00, BStBl. II 2001, 379 mit weiteren Nachweisen).\n\nDer Senat ist der Auffassung, dass der Fall des ganzlich unterlassenen\nEinspruchs dem des verspatet eingelegten Einspruchs gleichzusetzen ist. Denn\nin beiden Fallen ist dem Finanzamt die Moglichkeit genommen, eine sachliche\nPrufung des betreffenden Steuerbescheids vorzunehmen und einen gegebenenfalls\nbestehenden rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.\n\nIm vorliegenden Fall hat der Klager verspatet Einspruch eingelegt und den\nunzulassigen Rechtsbehelf zuruckgenommen. Dabei ist zu berucksichtigen, dass\ner als kommunaler Verwaltungsbeamter mit den Grundzugen des\nVerwaltungsverfahrensrechts vertraut ist. Ihm, der selbst Verwaltungsakte\nerlasst und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versieht, musste die Bedeutung\nder einmonatigen Einspruchsfrist bekannt sein. Denn insoweit bestehen\nletztlich keine Unterschiede zwischen dem allgemeinen und dem steuerlichen\nVerwaltungsverfahrensrecht (vgl. insbesondere die einmonatige\nWiderspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Klager hat auch nicht die\nMoglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO fur sich\nin Betracht gezogen, obwohl ihm dieses Rechtsinstitut auch bekannt sein musste\n(vgl. dazu § 32 VwVfG des Bundes und die gleichlautenden Vorschriften der\nVerwaltungsverfahrensgesetze der Lander). Damit hat sich der Klager\nwissentlich aller Moglichkeiten begeben, eine Änderung des sich nachtraglich\nals objektiv rechtswidrig erweisenden Einkommensteuerbescheids herbeizufuhren,\nobwohl er aufgrund seiner personlichen Verhaltnisse dazu in der Lage war.\nEtwas Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch aus den beigezogenen\nBehordenakten ersichtlich.\n\nHinzu kommt, dass der Klager offensichtlich zur Abgabe einer Steuererklarung\naufgefordert worden war, ohne dass er auf diese Aufforderung reagiert hatte.\nDies folgt aus dem Vermerk in der Einkommensteuerakte (ESt 1999, Bl. 1) und\nder Rechtsbehelfsbelehrung im Einkommensteuerbescheid vom 12. Oktober 2001\n(ESt 1999, Bl. 4). Bereits zu diesem fruhen Stadium hatte der Klager erklaren\nkonnen, dass keine Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklarung bestehe,\nweil die Voraussetzungen fur eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8\nEStG gegeben seien. Auch dies hat der Klager unterlassen, so dass der Beklagte\nim Hinblick auf die Kontrollmitteilung fur das Jahr 1998 von positiven\nVermietungseinkunften des Klagers ausgehen konnte.\n\n1.2.3 Schließlich kommt eine Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 12.\nOktober 2001 nach § 174 AO schon deshalb nicht in Betracht, weil es keine\ndiesem genannten Einkommensteuerbescheid widersprechende Steuerfestsetzung\ngibt. Abgesehen davon, dass der Beklagte wegen der bestandskraftigen\nEinkommensteuerfestsetzung keinen weiteren Steuerbescheid mehr erlassen kann,\nbesteht auch daruber hinaus keine Verpflichtung der Finanzbehorde, sehenden\nAuges die Voraussetzungen einer Korrekturnorm zu schaffen, zumal der Klager\nselbst den Eintritt der Bestandskraft zu vertreten hat.\n\nAn dieser Beurteilung andert auch der Umstand nichts, dass der Klager seinen\nAntrag auf Durchfuhrung der Einkommensteuerveranlagung rechtzeitig vor Ablauf\nder in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG festgelegten Zweijahresfrist gestellt\nhat. Dem Klager ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber insbesondere den\nSteuerpflichtigen mit lohnsteuerpflichtigen Bezugen aus nichtselbstandiger\nArbeit die Moglichkeit eingeraumt hat, innerhalb von zwei Jahren zu\nentscheiden, ob eine Einkommensteuerveranlagung durchgefuhrt oder die\nEinkommensteuer durch den Lohnsteuerabzug abgegolten werden soll. Der Klager\nverkennt dabei aber, dass es sich in den Fallen des § 46 Abs. 2 EStG immer\njeweils um eine Einkommensteuerveranlagung handelt, die sich nur dadurch\nunterscheidet, dass sie grundsatzlich von Amts wegen und in bestimmten Fallen\nnur auf Antrag erfolgt. Fur die Steuerfestsetzung als solche ist dies jedoch\nohne Belang. Ein Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 8\nEStG erfullt, hat keinen Anspruch auf einen absoluten Schutz seines durch\ndiese Vorschrift eingeraumten Wahlrechts. Vielmehr muss er sich bei einem\nVerstoß wie jeder andere Steuerpflichtige auch, mit den Rechtsbehelfen zur\nWehr setzen, die in der AO und der FGO vom Gesetzgeber zur Verfugung gestellt\nwerden. Unterlasst er dies, so muss er auch einen rechtswidrigen, aber\nbestandskraftigen Einkommensteuerbescheid gegen sich gelten lassen.\n\n2\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.\n\n3\\. Der Senat halt es fur erforderlich, im Streitfall die Revision nach § 115\nAbs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Einer\nFortbildung des Rechts bedarf es immer dann, wenn der Streitfall Rechtsfragen\naufwirft, die in der bisherigen Rechtsprechung noch ungeklart sind (vgl.\nWagner in Kuhn/von Wedelstadt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, § 115 FGO, Rz. 14).\n\nSoweit ersichtlich, hatte der BFH bislang noch keine Gelegenheit, sich zu der\nFrage zu außern, in welchem Verhaltnis die in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG\ngeregelte Zweijahresfrist und die Bestandskraft von Steuerbescheiden bzw.\nderen Durchbrechung nach §§ 129, 172 ff. AO zu sehen sind. Die hier\nklarungsbedurftige Frage lautet also, ob ein Antrag auf Durchfuhrung der\nEinkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG auch dann noch mit\nErfolg gestellt werden kann, wenn zwar die Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr.\n8 Satz 2 EStG noch nicht abgelaufen ist, aber bereits ein bestandskraftiger\nEinkommensteuerbescheid fur den betreffenden Veranlagungszeitraum erlassen\nwurde. Der Senat ist der Überzeugung, dass diese Frage fur die\nEinkommensteuerveranlagung von Arbeitnehmern eine uber den hier entschiedenen\nFall hinausgehende, allgemeine Bedeutung hat und ihre Klarung deshalb von\nallgemeinem Interesse ist.\n\n## Gründe\n\n1\\. Die als Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 2. Alt. FGO) zulassige Klage ist\nunbegrundet. Die Ablehnung der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG\nist rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen Rechten (vgl. § 101\nSatz 1 FGO). Denn der Klager hat keinen Anspruch auf Durchfuhrung der\nAntragsveranlagung.\n\n1.1 Nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG wird die Veranlagung zur\nEinkommensteuer auf Antrag durchgefuhrt, wenn das Einkommen ganz oder\nteilweise aus Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19\nEStG) besteht, von denen ein Steuerabzug (§§ 38 ff. EStG) vorgenommen worden\nist und keine Veranlagungspflicht nach § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG besteht.\nDer Antrag ist bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden\nzweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklarung zu stellen\n(§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG).\n\nDiese Frist hat der Klager zwar eingehalten, jedoch steht der\nAntragsveranlagung der bestandskraftige Bescheid fur das Streitjahr uber\nEinkommensteuer vom 12. Oktober 2001 entgegen. Dieser Einkommensteuerbescheid\nkonnte in Bestandskraft erwachsen, weil der Klager zwar am 27. November 2001\nEinspruch erhoben, jedoch die einmonatige Frist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO\nnicht eingehalten hat. Denn die Einspruchsfrist endete gemaß § 108 Abs. 1 AO\ni.V.m. § 187 Abs. 1 BGB bereits am 15. November 2001, einem Donnerstag.\n\nZwar muss das Finanzamt im Rahmen der dem Finanzamt zustehenden\nSchatzungsbefugnis (§ 162 AO) grundsatzlich auch die Regelung des § 46 EStG\nbeachten. Im Streitfall hatte der Beklagte zu berucksichtigen, dass der Klager\nin den Vorjahren Einkunfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatte. Die\nVermietung des Objektes in B fuhrte nach den vom Klager abgegebenen\nSteuererklarungen zwar zu Verlusten, jedoch vermietete der Klager daneben eine\nFerienwohnung in N, ohne dass dies im Streitjahr erklart worden war. Dabei\nhatte der Klager im Jahr 1998 immerhin Einnahmen in Hohe von 5.500 DM erzielt.\nFur den Beklagten war daher nicht erkennbar, ob die nicht dem Steuerabzug\nunterliegenden Vermietungseinkunfte des Klagers und seiner Ehefrau im Jahr\n1999 die Grenze von 800 DM (§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) uberschreiten, was\nder Beklagte im Rahmen seiner gesetzlichen Verpflichtung zur gleichmaßigen\nSteuerfestsetzung (§§ 85, 88 AO) zu uberprufen hatte. Mangels Steuererklarung\nist der Beklagte im Schatzungsbescheid vom 12. Oktober 2001 dementsprechend\nvon positiven Vermietungseinkunften des Klagers von 9.000 DM (§ 162 AO) und\ndamit von einer Amtsveranlagung ausgegangen. Erst aus der nachtraglich\nvorgelegten Steuererklarung ergab sich, dass und in welcher Hohe der Klager\nEinkunfte aus der Vermietung einen Verlust erwirtschaftet hatte.\n\nDer Klager hatte dabei die Moglichkeit, diesen Schatzungsbescheid rechtzeitig\nanzufechten und zur Begrundung seines Einspruchs den Antrag auf Durchfuhrung\nder Einkommensteuerveranlagung durch Einreichung der Steuererklarung zu\nstellen. Dies ist indessen nicht geschehen. Denn der Einspruch gegen den\nSchatzungsbescheid ist - wie bereits dargelegt - in Bestandskraft erwachsen.\n\n1.2 Die Voraussetzungen der §§ 129, 172 AO fur eine Durchbrechung der\nBestandskraft des Einkommensteuerbescheids vom 12. Oktober 2001 sind im\nStreitfall nicht erfullt.\n\n1.2.1 Eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO kommt nicht\nBetracht. Danach darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorlaufig (§ 165 AO)\noder unter dem Vorbehalt der Nachprufung (§ 164 AO) ergangen ist, nur\naufgehoben oder geandert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder\nseinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt zugunsten des\nSteuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1\nSatz 1 AO) zugestimmt oder den Antrag gestellt hat. Der Klager hat jedoch im\nvorliegenden Fall - wie oben dargelegt wurde - die einmonatige Einspruchsfrist\nversaumt.\n\n1.2.2 Auch die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind nicht\nerfullt. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu\nandern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachtraglich bekannt werden, die zu\neiner niedrigeren Steuer fuhren und den Steuerpflichtigen kein grobes\nVerschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder die Beweismittel erst\nnachtraglich bekannt werden.\n\nDen Klager trifft indessen ein grobes Verschulden, das Vorsatz oder - was im\nStreitfall nur in Betracht kommt - grobe Fahrlassigkeit voraussetzt (vgl. zum\nBeispiel Rusken in Klein, AO, 8. Aufl. 2003, § 173, Rdnr. 112 mit weiteren\nNachweisen). Eine solche wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn der\nSteuerpflichtige die ihm nach seinen personlichen Fahigkeiten und\nVerhaltnissen zumutbare Sorgfalt in ungewohnlichem, nicht entschuldbarem Maße\nverletzt hat (vgl. zum Beispiel BFH, Urteil vom 23. November 2001 VI R 125/00,\nBStBl. II 2002, 296; Balmes in Kuhn/von Wedelstadt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, §\n173 AO, Rz. 24 mit weiteren Nachweisen). Nach der standigen Rechtsprechung des\nBFH, der sich der Senat anschließt, ist ein grobes Verschulden des\nSteuerpflichtigen grundsatzlich anzunehmen, wenn er es unterlasst, Einspruch\ngegen einen Steuerbescheid einzulegen, obwohl er damit die dem Finanzamt nicht\nbekannte Tatsache hatte mitteilen konnen (siehe zum Beispiel BFH, Urteil vom\n23. Januar 2001 XI R 42/00, BStBl. II 2001, 379 mit weiteren Nachweisen).\n\nDer Senat ist der Auffassung, dass der Fall des ganzlich unterlassenen\nEinspruchs dem des verspatet eingelegten Einspruchs gleichzusetzen ist. Denn\nin beiden Fallen ist dem Finanzamt die Moglichkeit genommen, eine sachliche\nPrufung des betreffenden Steuerbescheids vorzunehmen und einen gegebenenfalls\nbestehenden rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.\n\nIm vorliegenden Fall hat der Klager verspatet Einspruch eingelegt und den\nunzulassigen Rechtsbehelf zuruckgenommen. Dabei ist zu berucksichtigen, dass\ner als kommunaler Verwaltungsbeamter mit den Grundzugen des\nVerwaltungsverfahrensrechts vertraut ist. Ihm, der selbst Verwaltungsakte\nerlasst und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versieht, musste die Bedeutung\nder einmonatigen Einspruchsfrist bekannt sein. Denn insoweit bestehen\nletztlich keine Unterschiede zwischen dem allgemeinen und dem steuerlichen\nVerwaltungsverfahrensrecht (vgl. insbesondere die einmonatige\nWiderspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Klager hat auch nicht die\nMoglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO fur sich\nin Betracht gezogen, obwohl ihm dieses Rechtsinstitut auch bekannt sein musste\n(vgl. dazu § 32 VwVfG des Bundes und die gleichlautenden Vorschriften der\nVerwaltungsverfahrensgesetze der Lander). Damit hat sich der Klager\nwissentlich aller Moglichkeiten begeben, eine Änderung des sich nachtraglich\nals objektiv rechtswidrig erweisenden Einkommensteuerbescheids herbeizufuhren,\nobwohl er aufgrund seiner personlichen Verhaltnisse dazu in der Lage war.\nEtwas Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch aus den beigezogenen\nBehordenakten ersichtlich.\n\nHinzu kommt, dass der Klager offensichtlich zur Abgabe einer Steuererklarung\naufgefordert worden war, ohne dass er auf diese Aufforderung reagiert hatte.\nDies folgt aus dem Vermerk in der Einkommensteuerakte (ESt 1999, Bl. 1) und\nder Rechtsbehelfsbelehrung im Einkommensteuerbescheid vom 12. Oktober 2001\n(ESt 1999, Bl. 4). Bereits zu diesem fruhen Stadium hatte der Klager erklaren\nkonnen, dass keine Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklarung bestehe,\nweil die Voraussetzungen fur eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8\nEStG gegeben seien. Auch dies hat der Klager unterlassen, so dass der Beklagte\nim Hinblick auf die Kontrollmitteilung fur das Jahr 1998 von positiven\nVermietungseinkunften des Klagers ausgehen konnte.\n\n1.2.3 Schließlich kommt eine Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 12.\nOktober 2001 nach § 174 AO schon deshalb nicht in Betracht, weil es keine\ndiesem genannten Einkommensteuerbescheid widersprechende Steuerfestsetzung\ngibt. Abgesehen davon, dass der Beklagte wegen der bestandskraftigen\nEinkommensteuerfestsetzung keinen weiteren Steuerbescheid mehr erlassen kann,\nbesteht auch daruber hinaus keine Verpflichtung der Finanzbehorde, sehenden\nAuges die Voraussetzungen einer Korrekturnorm zu schaffen, zumal der Klager\nselbst den Eintritt der Bestandskraft zu vertreten hat.\n\nAn dieser Beurteilung andert auch der Umstand nichts, dass der Klager seinen\nAntrag auf Durchfuhrung der Einkommensteuerveranlagung rechtzeitig vor Ablauf\nder in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG festgelegten Zweijahresfrist gestellt\nhat. Dem Klager ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber insbesondere den\nSteuerpflichtigen mit lohnsteuerpflichtigen Bezugen aus nichtselbstandiger\nArbeit die Moglichkeit eingeraumt hat, innerhalb von zwei Jahren zu\nentscheiden, ob eine Einkommensteuerveranlagung durchgefuhrt oder die\nEinkommensteuer durch den Lohnsteuerabzug abgegolten werden soll. Der Klager\nverkennt dabei aber, dass es sich in den Fallen des § 46 Abs. 2 EStG immer\njeweils um eine Einkommensteuerveranlagung handelt, die sich nur dadurch\nunterscheidet, dass sie grundsatzlich von Amts wegen und in bestimmten Fallen\nnur auf Antrag erfolgt. Fur die Steuerfestsetzung als solche ist dies jedoch\nohne Belang. Ein Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 8\nEStG erfullt, hat keinen Anspruch auf einen absoluten Schutz seines durch\ndiese Vorschrift eingeraumten Wahlrechts. Vielmehr muss er sich bei einem\nVerstoß wie jeder andere Steuerpflichtige auch, mit den Rechtsbehelfen zur\nWehr setzen, die in der AO und der FGO vom Gesetzgeber zur Verfugung gestellt\nwerden. Unterlasst er dies, so muss er auch einen rechtswidrigen, aber\nbestandskraftigen Einkommensteuerbescheid gegen sich gelten lassen.\n\n2\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.\n\n3\\. Der Senat halt es fur erforderlich, im Streitfall die Revision nach § 115\nAbs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Einer\nFortbildung des Rechts bedarf es immer dann, wenn der Streitfall Rechtsfragen\naufwirft, die in der bisherigen Rechtsprechung noch ungeklart sind (vgl.\nWagner in Kuhn/von Wedelstadt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, § 115 FGO, Rz. 14).\n\nSoweit ersichtlich, hatte der BFH bislang noch keine Gelegenheit, sich zu der\nFrage zu außern, in welchem Verhaltnis die in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG\ngeregelte Zweijahresfrist und die Bestandskraft von Steuerbescheiden bzw.\nderen Durchbrechung nach §§ 129, 172 ff. AO zu sehen sind. Die hier\nklarungsbedurftige Frage lautet also, ob ein Antrag auf Durchfuhrung der\nEinkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG auch dann noch mit\nErfolg gestellt werden kann, wenn zwar die Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr.\n8 Satz 2 EStG noch nicht abgelaufen ist, aber bereits ein bestandskraftiger\nEinkommensteuerbescheid fur den betreffenden Veranlagungszeitraum erlassen\nwurde. Der Senat ist der Überzeugung, dass diese Frage fur die\nEinkommensteuerveranlagung von Arbeitnehmern eine uber den hier entschiedenen\nFall hinausgehende, allgemeine Bedeutung hat und ihre Klarung deshalb von\nallgemeinem Interesse ist.\n\n
135,539
lsgbw-2007-02-27-l-13-r-218503
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 13 R 2185/03
2007-02-27
2019-01-07 11:12:18
2019-01-17 11:55:35
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nKarlsruhe vom 29. April 2003 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt im Vormerkungsstreit, seine nach dem Fremdrentengesetz\n(FRG) als Beitragszeiten berucksichtigten Beschaftigungszeiten vom 20. April\n1971 bis zum 10. Februar 1990 in die Qualifikationsgruppe 1 einzustufen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1939 geborene Klager reiste am 25. Marz 1990 aus Rumanien in die\nBundesrepublik Deutschland ein. Er ist Inhaber eines Ausweises fur Vertriebene\nund Fluchtlinge „B", ausgestellt vom Landratsamt R. am 22. Mai 1990. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| In Rumanien besuchte er von 1955 bis 1960 die Mittelschule, von der er mit\ndem im Juli 19960 abgelegten Reife-Diplom abging. Seinen bestatigten Angaben\nzufolge betatigte er sich von Januar 1957 bis Dezember 1958 als\nHutmacherlehrling im Hutmacherbetrieb des Vaters. Im Anschluss an die\nMittelschule absolvierte er bis 1962 die Technische Schule fur Facharbeiter,\ndie er im Juni 1962 mit dem Diplom Fachrichtung Mechaniker fur Apparate und\nInstallationen in der chemischen Industrie verließ. Ab August 1962 arbeitete\ner als Mechaniker, ab Marz 1963 als Kontrolleur und von Januar 1996 bis\nSeptember 1968 als Projektant II, jeweils in der chemischen Fabrik B.. Danach\nstudierte er ab 1. Oktober 1968 zweieinhalb Jahre an der Fakultat fur\nMechanik, Abteilung Unteringenieure des Polytechnischen Instituts K.. Nachdem\ner im Marz 1971 die Diplomprufung bestanden hatte, erhielt er am 11. Dezember\n1971 das „Diploma de Subinginer", Vertiefungsrichtung Technologie der\nKaltbearbeitung. Ab dem 20. April 1971 arbeitete er in einem Reparaturbetrieb\nfur Ausrustungen und Mechanismen als Unteringenieur. Im Juni 1978 und Januar\n1979 unterzog er sich fur insgesamt nicht ganz zwei Wochen einer Weiterbildung\nin „Statistischer Qualitatskontrolle". Am 1. Januar 1980 wurde er zum\nHauptunteringenieur befordert. Die Beschaftigung endete am 10. Februar 1990.\nMit Urkunde des Ministeriums fur Wissenschaft und Kunst Baden-Wurttemberg vom\n22. Juni 1990 wurde ihm die Genehmigung erteilt, den am Polytechnischen\nInstitut K. erworbenen Grad „Subinginer" in der Bundesrepublik Deutschland in\nder Form „Diplomingenieur (Fachhochschule)" zu fuhren. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Auf den Kontenklarungsantrag des Klagers vom April 2001 stellte die Beklagte\nmit Bescheid vom 8. November 2001 den Versicherungsverlauf fest. Die ab 20.\nApril 1971 als Beitragszeiten nach dem FRG vorgemerkten Beschaftigungszeiten\nin Rumanien stufte sie in die Qualifikationsgruppe 2, Bereich 14 bis 31. Marz\n1973 und Bereich 06 ab 1. April 1973 der Anlage 14 zum Sozialgesetzbuch\nSechstes Buch (SGB VI) ein. Hiergegen legte der Klager am 20. November 2001\nWiderspruch ein, den er im Wesentlichen damit begrundete, dass er in der Zeit\nvom 1. Oktober 1968 bis 30. Marz 1971 an einem Institut mit Hochschulcharakter\nsein Diplom erworben habe, so dass die anschließenden Beschaftigungszeiten der\nQualifikationsgruppe 1 zuzuordnen seien. Das Abkommen zwischen der ehemaligen\nDDR und Rumanien uber die Anerkennung von Ausbildungen vom 10. April 1986\nkonne den Hochschulcharakter seiner Ausbildung nicht in Frage stellen. Dieses\nAbkommen habe keinen erschopfenden Charakter und sei zudem mit der deutschen\nWiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erloschen. In der Zeit vom 20. April 1971\nbis zum 31. Marz 1973 sei die Zuordnung zum Bereich 14 der Anlage 14\nunzutreffend. Der Betrieb, in dem er gearbeitet habe, sei dem Bereich 6 der\nAnlage 14 zuzuordnen. Schließlich sei die in § 22 Abs. 4 FRG vorgesehene\nKurzung auf 60 v. H. der Tabellenwerte verfassungswidrig. Mit Bescheid vom 6.\nMarz 2002 half die Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich der Zuordnung seiner\nBeschaftigungszeiten zum Bereich 6 der Anlage 14 ab. Mit dem Bescheid vom 12.\nAugust 2002 hob die Beklagte die Anerkennung einer Beitragszeit fur den 31.\nDezember 1979 wegen unbezahltem Urlaub an diesem Tag auf. Mit\nWiderspruchsbescheid vom 17. Oktober 2002 wies die Beklagte den Widerspruch\ndes Klagers hinsichtlich der Einstufung in Qualifikationsstufe 1 als\nunbegrundet und hinsichtlich der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des §\n22 Abs. 4 FRG als unzulassig zuruck, weil Entgeltpunkte erst bei der Erteilung\ndes Rentenbescheids festgestellt wurden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit der am 12. November 2002 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage hat\nder Klager sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begrundung hat er im Wesentlichen\nvorgetragen, das Äquivalenzabkommen zwischen der DDR und Rumanien sei nicht\nmehr gultig. Es habe in der DDR und Rumanien Studiengange mit weniger als vier\nJahren Studiendauer gegeben. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das\nSG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. April 2003 abgewiesen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen den am 30. April 2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klager am\n21. Mai 2003 Berufung eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, anders\nals die Absolventen einer dreijahrigen Ausbildung an einer technischen Schule\nsei die Ausbildung zum Subinginer in Rumanien als Hochschulausbildung\nanerkannt gewesen. Er hat u. a. Bescheinigungen des Rumanischen Ministeriums\nfur Erziehung und Forschung vom 23. August 2004 und der Technischen\nUniversitat K. vom 23. Juli 2004 vorgelegt, wonach die Zulassung zum\nHochschulstudium fur Unteringenieure anhand einer Aufnahmeprufung erfolgte und\ndie Kandidaten im Besitz eines Abitur- oder Maturadiploms sein mussten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Rentenbescheid vom 24. August 2004 wurde dem Klager ab dem 1. November\n2004 Altersrente gewahrt in Hohe von 994,48 EUR. Im Bescheid ist erklart, dass\ndie unter Außerachtlassung des im Vormerkungsstreit verfolgten Anspruchs\nberechnete Rente neu festgestellt werde, wenn und soweit der Klager dort\nobsiege, wobei der Zahlungsausschluss des § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches\nSozialgesetzbuch (SGB X) keine Anwendung finde. Der Klager hat hiergegen mit\nSchreiben vom 10. September 2004 Widerspruch eingelegt und geltend gemacht,\ndie in § 22 Abs. 4 FRG vorgesehene Kurzung auf 60 v. H. der Tabellenwerte sei\nverfassungswidrig. Im Hinblick auf die zunachst anhangigen\nverfassungsgerichtlichen Verfahren zu dieser Frage und das nun eingeleitete\nGesetzgebungsverfahren zur Schaffung einer Übergangsregelung ruht dieses\nWiderspruchsverfahren im Einverstandnis der Beteiligten. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt sinngemaß, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. April 2003\naufzuheben und die Beklagte unter Abanderung des Bescheids vom 6. Marz 2002 in\nder Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2002 zu verpflichten,\ndie anerkannten Beitragszeiten vom 20. April 1971 bis zum 10. Februar 1990 in\ndie Qualifikationsgruppe 1 nach Anlage 13 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch\n(SGB VI) einzustufen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie verbleibt bei ihrer Auffassung. Auch der neue Vortrag im\nBerufungsverfahren mit den vorgelegten Bescheinigungen vermoge keine\nBesserstellung herbeizufuhren. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beteiligten haben auf Anregung des Gerichts einen Vergleich geschlossen,\nin dem sich die Beklagte verpflichtet hat, die Altersrente des Klagers ab dem\n1. November 2004 unter Berucksichtigung der Versicherungszeiten ab 20. April\n1971 in der Qualifikationsgruppe 1 in dem nach dem Gesetz vorgesehenen Umfang\nneu festzustellen, sofern der Klager im Vormerkungsstreit rechtskraftig\nobsiegt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft bei Dr. O. vom\nSekretariat der Standigen Konferenz der Kultusminister der Lander in der\nBundesrepublik Deutschland, Zentralstelle fur auslandisches Bildungswesen, vom\n8. Januar 2007. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mundliche\nVerhandlung einverstanden erklart. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakte, der\nKlageakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung des Klagers hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die gemaß § 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung\nist zulassig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und\nFristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG) eingelegt worden. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der im Wege der kombinierten\nAnfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffene Vormerkungsbescheid vom 6.\nMarz 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2002; der\nBescheid vom 6. Marz 2002 hat wahrend des Vorverfahrens den ursprunglich\nangegriffenen Bescheid vom 8. November 2001 ersetzt. Der\nAltersruhegeldbescheid ist nicht kraft Gesetzes Gegenstand des\nBerufungsverfahrens geworden war. Er hat den angegriffenen Vormerkungsbescheid\nweder ersetzt, noch hat sich dieser erledigt (vgl. hierzu Bundessozialgericht\n<BSG>, SozR 1500 § 53 Nr. 2). Dies ergibt sich im vorliegenden Fall bereits\ndaraus, dass die Beklagte im Rentenbescheid selbst sowie mit Schriftsatz vom\n3. September 2004 zum Ausdruck gebracht hat, dass die Hohe der Rente neu\nfestgestellt wird, wenn und soweit der Klager im Vormerkungsstreit obsiegt.\nWeiterhin haben die Beteiligten zur Klarstellung einen Teilvergleich des\nInhalts geschlossen, dass die Altersrente ab 1. November 2004 unter\nBerucksichtigung der Beitragszeiten ab 20. April 1971 in Qualifikationsgruppe\n1 neu festgestellt wird, sofern der Klager im Vormerkungsstreit rechtskraftig\nobsiegt. Nachdem die Beteiligten sich in diesem Teilvergleich auch dahingehend\ngeeinigt haben, das Verfahren auf den fur den Rentenbescheid bindenden\nVormerkungsbescheid zu beschranken, ist der Rentenbescheid auch nicht in\nentsprechender Anwendung des § 96 SGG (BSG SozR 1500 § 96 Nr. 13; BSGE 48,\n100, 101; 49, 258, 259; 59, 40; SozR 1500 § 96 Nr. 18; SozR 2200 § 1251 Nr.\n92) Gegenstand des Verfahrens geworden. Weiterhin ist nicht Gegenstand des\nVerfahrens der Rucknahmebescheid vom 12. August 2002 geworden. Der Bescheid\nvom 12. August 2002 war zwar Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Der\nKlager, der im Rahmen der Anhorung zum Erlass dieses Bescheids mitgeteilt hat,\ndass er keine Einwande gegen die beabsichtigte Rucknahme habe, hat diese\nEntscheidung im Gerichtsverfahren aber nicht angegriffen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Berufung, mit der der Klager damit ausschließlich die teilweise\nAufhebung, des Vormerkungsbescheids und die Verpflichtung der Beklagten zur\nEinstufung der Beitragszeiten vom 20. April 1971 bis 10. Februar 1990 in\nQualifikationsgruppe 1 anstatt Qualifikationsgruppe 2 begehrt, ist\nunbegrundet. Denn der Vormerkungsbescheid in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids ist rechtmaßig. Der Klager hat keinen Anspruch auf\nEinstufung der anerkannten Beitragszeiten vom 20. April 1971 bis 10. Februar\n1990 in die Qualifikationsgruppe 1. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Maßgebend fur die Vormerkung von rentenrechtlichen Zeiten sind die\nBestimmungen des SGB VI, in Kraft getreten durch das Rentenreformgesetz 1992\nvom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2262) mit Wirkung ab 1. Januar 1992. Zu den\nrentenrechtlichen Zeiten, die gemaß § 149 Abs. 5 SGB VI vorzumerken sind,\nzahlen vorrangig die Beitragszeiten (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Dies sind\nZeiten, fur die nach Bundesrecht Beitrage gezahlt worden sind (§ 55 Abs. 1\nSatz 1 SGB VI). Der Klager hat die hier streitigen Zeiten nicht unter der\nGeltung der bundesrechtlichen Vorschriften uber die Beitragspflicht\nzuruckgelegt. § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Fremdrentengesetzes (FRG) stellt\njedoch die in einem Vertreibungsgebiet (Rumanien) zuruckgelegten von der\nBeklagten bindend festgestellten Beitragszeiten den im Inland zuruckgelegten\nZeiten gleich. In diesem Rahmen begehrt der Klager die Vormerkung hoherer\nfiktiver und als versichert geltender Arbeitsverdienste. Gemaß § 22 FRG\nursprunglicher Fassung wurden den Rentenberechtigten aufgrund von Einstufungen\nin „Leistungsgruppen" fiktive Durchschnittsverdienste vergleichbarer\nBeschaftigungen im Bundesgebiet zugewiesen. Eine wesentliche Änderung des § 22\nAbs. 1 FRG erfolgte mit Wirkung ab 1. Januar 1992 durch das Renten-\nÜberleitungsgesetz (RÜG) vom 22. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606). Hiernach sollte\ndie Bewertung nicht mehr auf der Grundlage der Einkommensverhaltnisse im alten\nBundesgebiet erfolgen, sondern der Einkommensverhaltnisse in der fruheren DDR,\nanknupfend an die dortigen Beschaftigungs- und Wirtschaftsstrukturen. An die\nStelle der Leistungsgruppen treten die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum\nSGB VI mit den in Anlage 14 ausgewiesenen nach Wirtschaftsbereichen\nunterteilten Durchschnittsverdiensten. Diese Neuregelungen sind im Fall des\nKlagers anzuwenden, weil dieser zwar noch vor dem 1. Juli 1990 ins\nBundesgebiet ubergesiedelt ist, jedoch keinen Rentenanspruch vor dem 1. Januar\n1996 hatte (Artikel 6 § 4 Abs. 3 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-\nNeuregelungsgesetzes). Die Zuordnung bezuglich Anlage 14 (Bereich 6) greift\nder Klager nicht an. Der Klager macht jedoch geltend, dass er einen Anspruch\ndarauf habe, dass die bindend anerkannten Beitragszeiten vom 20. April 1971\nbis 10. Februar 1990 in Qualifikationsgruppe 1 statt 2 nach Anlage 13\neingestuft werden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dieser Anspruch steht dem Klager nicht zu. Nach Anlage 13 zum SGB VI sind\nVersicherte in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn\nsie deren Qualifikationsmerkmale erfullen und eine entsprechende Tatigkeit\nausgeubt haben (Satz 1). Haben Versicherte aufgrund langjahriger\nBerufserfahrung Fahigkeiten erworben, die ublicherweise denen von Versicherten\neiner hoheren Qualifikationsgruppe entsprechen, sind sie in diese\nQualifikationsgruppe einzustufen (Satz 2). In die Qualifikationsgruppe 1 -\nHochschulabsolventen - einzustufen sind Personen, die in Form eines Direkt-,\nFern-, Abend- oder externen Studiums an einer Universitat, Hochschule,\nIngenieurhochschule, Akademie oder an einem Institut mit Hochschulcharakter\nein Diplom erworben oder ein Staatsexamen abgelegt haben (Nr. 1) und Personen,\ndenen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder wissenschaftlicher Leistungen\nein wissenschaftlicher Grad oder Titel zuerkannt worden ist (z.B. Attestation\nim Bereich Volksbildung, Dr. h.c., Professor) (Nr. 2) sowie Inhaber\ngleichwertiger Abschlusszeugnisse staatlich anerkannter hoherer Schulen und\nUniversitaten (Nr. 3). Hierzu zahlen nicht Teilnehmer an einem verkurzten\nSonderstudium (z.B. Teilstudium), das nicht mit dem Erwerb eines Diploms oder\nStaatsexamens abschloss. Zur Qualifikationsgruppe 2 - Fachschulabsolventen -\ngehoren Personen, die an einer Ingenieur- oder Fachschule in einer beliebigen\nStudienform oder extern den Fachschulabschluss entsprechend den geltenden\nRechtsvorschriften erworben haben und denen eine Berufsbezeichnung der\nFachschulausbildung erteilt worden ist (Nr. 1), Personen, denen aufgrund\ngesetzlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet der Fachschulabschluss bzw. eine\nBerufsbezeichnung der Fachschulausbildung zuerkannt worden ist (Nr. 2),\nPersonen, die an staatlich anerkannten mittleren und hoheren Fachschulen\naußerhalb des Beitrittsgebiets eine Ausbildung abgeschlossen haben, die der\nAnforderung des Fachschulabschlusses im Beitrittsgebiet entsprach, und ein\nentsprechendes Zeugnis besitzen (Nr. 3) und Technische Fachkrafte, die\nberechtigt die Berufsbezeichnung "Techniker" fuhrten, sowie Fachkrafte, die\nberechtigt eine dem "Techniker" gleichwertige Berufsbezeichnung entsprechend\nder Systematik der Berufe im Beitrittsgebiet (z.B. Topograph, Grubensteiger)\nfuhrten (Nr. 4). Hierzu zahlen nicht Teilnehmer an einem Fachschulstudium, das\nnicht zum Fachschulabschluss fuhrte, und Meister, auch wenn die Ausbildung an\neiner Ingenieur- oder Fachschule erfolgte. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Bezugnahme von § 22 FRG auf § 256 b SGB VI und Anlage 13 zum SGB VI und\ndamit auf die dort zugrunde gelegten Gegebenheiten der DDR ist nicht so zu\nverstehen, dass mit formalen Kriterien dortiger Ausbildungsgange zu\nvergleichen ware, sondern in dem Sinne zu lesen, dass beim Vergleich mit der\nDDR das qualitative Selbstverstandnis der Bildungsgange im jeweils betroffenen\nVertreibungsgebiet zu prufen ist (BSG, SozR 4-2600 § 256 b Nr. 1 und Nr. 2;\nSozR 4-5050 § 22 Nr. 3; Urteil vom 23. September 2003 - B 4 RA 48/02 R -\nabgedruckt in Juris; Urteil des Senats vom 7. Oktober 2003 - L 13 RA 4254/00 -\nabgedruckt in Juris). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach diesem Maßstab erfullt der Klager nicht die Qualifikationsmerkmale der\nQualifikationsgruppe 1. Nach Nr. 1 der Qualifikationsgruppe 1 kommt es auf den\nformlich zuerkannten Ausbildungsabschluss an. Der Abschluss, welcher an einer\nder in der Bestimmung genannten Einrichtungen erworben worden ist, muss\nentweder ein Diplom oder ein Staatsexamen sein. Anders als die Attestation in\nNr. 2 zur Qualifikationsgruppe 1 werden diese Abschlusse hier nicht\nbeispielhaft, sondern abschließend aufgefuhrt (zu den Abschlussen vgl. auch\ndie Anordnungen der DDR uber die Erteilung von Berufsbezeichnungen der Hoch-\nund Fachschulausbildung vom 3. Marz 1976, 25. Oktober 1979 und 4. Marz 1988).\nDamit scheidet z.B. die Hauptprufung als Hochschulabschluss im Sinne der\nNummer 1 aus, so dass nicht nur der Fachschulingenieur, sondern auch der\nHochschulingenieur der DDR nicht von der Nummer 1 erfasst wird. Die III.\nHochschulreform in der DDR hat u.a. so genannte Ingenieurhochschulen\ngeschaffen und - vorubergehend - den Hochschulingenieur aus ahnlichen Grunden,\ndie in Rumanien der Ausbildung zum subinginer zugrunde lagen (vgl. unten), als\nBerufsbezeichnung eingefuhrt. Dieser schloss sein verkurztes (dreieinhalb\nJahre, von dem ein halbes Jahr aus praktischer Ausbildung bestand) anders als\nder Diplom-Ingenieur sein - mit der Reform von funf auf vier Jahre gekurztes -\nStudium nicht mit dem Diplom, sondern mit der Hauptprufung ab (Hans-Joachim\nHermes, Wolfgang Lambrecht, in: Luther, Stephan (Gesamtleitung), Von der Kgl.\nGewerbeschule zur Technischen Universitat. Die Entwicklung der hoheren\ntechnischen Bildung in Chemnitz 1836-2003, S. 147ff.). Dieser\nHochschulabschluss erfullt, auch wenn er, wie das Staatsexamen, den Inhaber\nzur Erlangung eines akademischen Grades berechtigte (vgl. unten), ebenso wie\nandere - auslandische - Abschlusse (z.B. Bachelor-, Master- und Magister)\nnicht die Voraussetzungen der Nummer 1, da er weder ein Staatsexamen noch ein\nDiplom ist. Das Diplom wurde ebenfalls mit der III. Hochschulreform allgemein\nals erster akademischer Grad - u.a. auch fur Mediziner als Voraussetzung fur\ndie Promotion - eingefuhrt. Dieses Diplom, das nun in der Regel mit Abschluss\ndes Hochschulstudiums erworben wurde, ist das Diplom im Sinne der Nummer 1\n(vgl. auch Polster, in Kassler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 52.\nErganzungslieferung, § 256 b SGB VI Rdnr. 21). Auch aus dem Zusammenhang mit\nder Regelung unter Nr. 2, in der den aufgrund einer Hochschulausbildung\nerworbenen Diplomen und Staatsexamen nur die aufgrund gesetzlicher\nBestimmungen oder wissenschaftlicher Leistungen zuerkannten wissenschaftlichen\nGrade oder Titel, nicht dagegen Berufsbezeichnungen gleichgestellt werden,\nergibt sich, dass ein Diplom im Sinne der Nr. 1 nur das in der DDR allgemein -\nnach Abschluss eines Medizinstudiums, Lehramtsstudiums oder eines\ngeisteswissenschaftlichen Studiums - als erster akademischer Grad ubliche\nDiplom ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Klager, der zwar eine Diplomprufung abgelegt und ein Diplom des\nPolytechnischen Instituts erhalten hat, hat damit jedoch keinen - ersten -\nakademischen Grad erworben. Sein „Diploma de Subinginer" ist daher kein Diplom\nim Sinne der Nr. 1 der Qualifikationsgruppe 1 (vgl. im Ergebnis auch\nBayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. September 2003 - L 14 RA 3/03\n- abgedruckt in Juris). Das vom Klager zuruckgelegte Studium ist an dem der\nUniversitat K. angeschlossenen Polytechnischen Institut durchlaufen worden,\ndas zwar nach allen Belegen Hochschulcharakter hatte und das Reifezeugnis als\nZugangsvoraussetzung verlangte. Bei diesem Studium handelte es sich nach\nrumanischem Selbstverstandnis jedoch um eine verkurzte Hochschulausbildung.\nDies ergibt sich auch aus der vom Senat eingeholten Auskunft vom 8. Januar\n2007, wonach es sich bei der Ausbildung zum subinginer um einen 1968/1969 als\nmittlere technische Ausbildung eingefuhrten, zwei- bis dreijahrigen\nKurzstudiengang handelte. Auch nach rumanischem Verstandnis wurde auf der\nGrundlage dieses Studiums kein Diplom im Sinne der Nr. 1 d.h. kein\nakademischer Grad erworben. Im Unterschied zu den funf- bis\nfunfeinhalbjahrigen Ingenieurstudiengangen, deren Abschluss zur Verleihung des\nakademischen Grades „inginer" fuhrte, wurde mit dem „Diploma de Subinginer"\nlediglich der Abschluss als subinginer in einem entsprechendem\nAbschlusszeugnis bescheinigt (vgl. auch Muller, Die Qual mit den\nQualifikationsgruppen, DAngVers 1995, S. 354 <358>) und die Berufsbezeichnung\nsubinginer verliehen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Da dem Klager in Rumanien auch kein akademischer Grad zuerkannt worden ist,\nliegen die Voraussetzungen der Nr. 2 der Qualifikationsgruppe 1 offensichtlich\nnicht vor. Der Klager erfullt auch nicht die eine Gleichwertigkeit der\nAbschlusszeugnisse mit den Abschlussen der Nr. 1 oder den wissenschaftlichen\nGraden/Titeln der Nr. 2 fordernden Voraussetzungen der Nr. 3 der\nQualifikationsgruppe 1. Sein Diplom war weder ein erster akademischer Grad\nnoch berechtigte es ihn, vergleichbar mit dem Staatsexamen, einen - zweiten -\nakademischen Grad zu erwerben. Der Abschluss eines verkurzten, starker\nberufsorientierten Studiengangs fuhrte in Rumanien zu einem eigenstandigen\nQualifikationsniveau (Muller a.a.O., S. 363). Er wurde nach der oben\ndargestellten Zweistufigkeit des rumanischen Hochschulsystems nicht mit dem\nAbschluss des inginers aufgrund eines regularen funf- bis funfeinhalbjahrigen\nStudiums als gleichwertig angesehen. Fur den Senat steht aufgrund der von ihm\neingeholten Auskunft fest, dass der Abschluss als subinginer deutlich von dem\ndes inginer unterschieden und nicht als gleichwertig angesehen wurde (vgl. im\nErgebnis auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. September 2003 -\nL 14 RA 3/03 -). Der subinger hatte nur begrenzte Berufschancen und kein\nBerufsprestige (Auskunft des Sekretariats der standigen Konferenz der\nKultusminister der Lander in der Bundesrepublik Deutschland vom 8. Januar 2007\nunter Hinweis auf Maria Miclescu, Die Hochschule als Vermittler beruflicher\nQualifizierung, 1979, S. 29). Die verkurzten Studiengange waren mit dem Ziel\neingerichtet worden, Personen fur eine mittlere technische Position zwischen\nden vollqualifizierten Ingenieuren und den Technikern bzw. Meistern\nauszubilden. Diesem Zweck entsprach in der DDR im Wesentlichen die Einfuhrung\ndes Hochschulingenieurs im Wege der Eingliederung von Ingenieurschulen in die\nHochschulen oder „Umetikettierung" von Fachschulen. Dieser Abschluss setzte\nsich u.a. wegen der damit verbundenen Nachteile gegenuber dem Diplomingenieur\nnicht durch. Die von Anfang an gegebene Moglichkeit, aufbauend auf dieses\nStudium ein Diplom zu erwerben, wurde den Hochschulingenieuren daher ab 1974\nschon nach einem sechsmonatigen Fernstudium eroffnet (Hans-Joachim Hermes,\nWolfgang Lambrecht, in: Luther, Stephan (Gesamtleitung): Von der Kgl.\nGewerbeschule zur Technischen Universitat. Die Entwicklung der hoheren\ntechnischen Bildung in Chemnitz 1836-2003, S. 147ff.). Die rumanischen\nUnteringenieure hatten dagegen keine Moglichkeit, im Wege eines Aufbaustudiums\ndie Qualifikation des inginers zu erreichen. Auch ein beruflicher Aufstieg war\nin Rumanien schwer vorstellbar, weshalb das Kurzstudium zum Teil auch als\nberufliche Sackgasse angesehen wurde (Auskunft des Sekretariats der standigen\nKonferenz der Kultusminister der Lander in der Bundesrepublik Deutschland vom\n8. Januar 2007 unter Hinweis auf Maria Miclescu, Die Hochschule als Vermittler\nberuflicher Qualifizierung, 1979, S. 29). Das „Diploma de Subinginer", das\nnach rumanischen Verstandnis weder ein erster akademischer Grad war, noch dazu\nberechtigte, einen akademischen Grad zu erwerben, ist damit dem Diplom im\nSinne der Nummer 1 nicht gleichwertig. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Dieses Ergebnis spiegelt sich auch im Abkommen zwischen der DDR und Rumanien\nuber die Äquivalenz der Dokumente der verschiedenen Bildungsstufen und der\nakademischen Grade vom 10. April 1986 wider. Das Abkommen ist zwar mit dem\nBeitritt der DDR am 3. Oktober 1990 außer Kraft getreten und die darin\nvorgenommenen Wertungen sind fur das Fremdrentenrecht ohnehin nicht bindend.\nSie stellen aber aus der damaligen Sicht die Abschlusse im rumanischen\nBildungssystem in Beziehung zu den in der DDR erworbenen Abschlussen und\nstellen das „Diploma de Subinginer" lediglich einem in der DDR erworbenen\nIngenieurschul- oder Fachschulabschluss gleich (vgl. Art. 3 und 4 des\nAbkommens; hierzu Muller, wie zitiert, S. 354 ff., 358, 363). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Eine Gleichwertigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass Abschlusse von\nIngenieurfachschulen der DDR seit der Wiedervereinigung zum Teil den\nAbschlussen von Fachhochschulen gleichwertig gestellt werden. Dies beruht auf\nArtikel 37 Abs. 1 des Einigungsvertrages. Die Gleichwertigkeit von DDR-\nAbschlussen wird gemaß Art. 37 Abs. 1 Satz 3 EV i.V.m. Artikel 1 Satz 1 des\n„Abkommens zwischen den Landern der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung\nder Zustandigkeit fur die Feststellung der Gleichwertigkeit von\nBildungsabschlussen mit Hochschulabschlussen gemaß Art. 37 Abs. 1 Satz 3 des\nEinigungsvertrages" vom fur das Hochschulwesen zustandigen Ministerium des\nLandes, in dem die Einrichtung gelegen war, an der der Bildungsabschluss\nerworben wurde, festgestellt. Nach Art. 2 Satz 2 des Abkommens richtet sich\ndiese Gleichwertigkeitsfeststellung nach den Kriterien, die die Standige\nKonferenz der Lander in der Bundesrepublik Deutschland festgelegt hat. Nach\nIV. Nr. 3 des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 10/11. Oktober 1991\nin der Fassung vom 7. Oktober 1994 zuletzt geandert durch KMK-Beschluss vom\n24. April 1998 i.d.F. 30. Juni 2000 genugt fur die Gleichwertigkeit mit dem\nDiplom (FH) eine dreijahrige Berufstatigkeit nach einem\nIngenieurschulabschluss, der wie der des Klagers, vor 1991 erworben wurde.\nDiese Gleichwertigkeitsfeststellung andert jedoch nichts daran, dass\nAbsolventen einer Ingenieurschule im Beitrittsgebiet - auch nach dreijahriger,\ndem Abschluss entsprechender Tatigkeit - in unmittelbarer Anwendung des § 256\nb Abs. 1 SGB VI und der Anlage 13 zum SGB VI nicht der Qualifikationsgruppe 1\nzuzuordnen sind. Denn in Nr. 3 der Qualifikationsgruppe 1 geht es um die\nGleichwertigkeit von im Beitrittsgebiet oder Ausland erworbenen Abschlussen\nmit den im Beitrittsgebiet erworbenen Abschlussen der Nr. 1 und 2. Die\nGleichwertigkeit im Sinne von Art. 37 EV befasst sich demgegenuber mit der\nGleichwertigkeit von im Beitrittsgebiet erworbenen Abschlussen mit\nAbschlussen, die in den anderen Landern der Bundesrepublik Deutschland\neinschließlich Berlin (West) erworben worden sind. Im FRG, das auf § 256 b\nAbs. 1 SGB VI und die Anlage 13 zum SGB VI verweist, kann die Nach-\nDiplomierung von Ingenieurabschlussen daher nicht dazu fuhren, dass der\nursprungliche Ausbildungsabschluss dem Diplom im Sinne der Nr. 1\ngleichzustellen ist. Dass der Abschluss als subinginer nicht einem Diplom im\nSinne der Nr. 1 gleich steht, steht - entgegen der Auffassung des Klagers -\ndaher auch nicht im Widerspruch dazu, dass er die Genehmigung erhalten hat, im\nBundesgebiet den Titel eines Diplom-Ingenieurs (FH) zu fuhren. Hiermit wird\nebenso wie auf der Grundlage von Art. 37 EV ausschließlich die\nGleichwertigkeit mit einem bundesdeutschen Fachhochschulabschluss\nfestgestellt, aus der sich, wie dargelegt, weder fur einen in der DDR\nerworbenen Abschluss noch fur einen entsprechenden rumanischen Abschluss das\nVorliegen der Voraussetzungen der Qualifikationsgruppe 1 herleiten lasst, da\ndie Qualifikationsgruppen nicht auf dem bundesdeutschen Ausbildungssystem,\nsondern auf dem der fruheren DDR beruhen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klager erfullt auch nicht die Voraussetzungen des Satzes 2 der Anlage 13\nzum SGB VI. Danach ist fur eine Einstufung oberhalb der Qualifikationsgruppe 2\nder Erwerb von gleichwertigen Fahigkeiten "auf Grund langjahriger\nBerufserfahrung" und die tatsachliche Ausubung einer dem hoheren (durch\nlangjahrige Berufserfahrung erworbenen) Qualifikationsniveau entsprechenden\nTatigkeit erforderlich. Das Tatbestandsmerkmal der "langjahrigen\nBerufserfahrung" ersetzt die formalen Qualifikationsmerkmale des Satzes 1\ni.V.m. den ersten vier Qualifikationsgruppen (Absolvierung eines formalen\nAusbildungsganges mit formalem Abschluss). Damit macht der Gesetzestext\ndeutlich, dass - anders als im Rahmen des Satzes 1 - der berufliche Werdegang\nfur die Einstufung bedeutsam ist. Das Gesetz hat mit dem gleichgestellten\nTatbestand des Satzes 2 der Anlage 13 Grundsatze fortgeschrieben, die die\nbisherigen Leistungsgruppen im Fremdrentenrecht bis 1992 gepragt haben (BSG\nSozR 4-2600 § 256 b Nr. 2). Unter Berucksichtigung dieser Rechtsprechung ist\ndie Qualifikation auf Grund langjahriger Berufserfahrung dann erworben worden,\nwenn der hoherwertige Beruf wahrend eines Zeitraumes ausgeubt wurde, der\nausreicht, um die theoretischen und praktischen Fahigkeiten fur eine\nvollwertige Berufsausubung auch ohne formelle Ausbildung zu vermitteln.\nHierfur kommt es jeweils auf den ausgeubten Beruf an (vgl. BSG SozR 4-2600 §\n256 b Nr. 1). Der Klager war seit dem 20. April 1971 bis zu seiner Ausreise\nals Subingenieur, zuletzt als Hauptsubingenieur tatig. Er hat damit in\nRumanien keinen gegenuber seinem Ausbildungsabschluss hoherwertigen Beruf\nvollwertig ausgeubt und war nicht auf einem Niveau tatig, auf dem er die\nnotwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse eines inginers, der ein\nregulares Ingenieurstudium abgeschlossen hat, hatte erwerben konnen. Der\nKlager selbst hat auch auf den Schriftsatz der Beklagten vom 8. Januar 2004\nnicht geltend gemacht, in einem qualitativ gegenuber dem Unteringenieur\nhoherwertigen Beruf tatig gewesen zu sein, insbesondere die Aufgaben und\nTatigkeiten eines inginers wahrgenommen zu haben. Er hat allerdings\nvorgetragen, dass er bevor er als Hauptunteringenieur tatig war, nicht - wie\nin der vom Senat eingeholten Auskunft des Sekretariats der Standigen\nKultusministerkonferenz angenommen - Projektunteringenieur gewesen sei.\nSubinginer proiectant bedeute vielmehr, dass er als „Entwurfs-Unteringenieur"\ngearbeitet habe. Er sei hauptsachlich mit mathematisch-technischen\nBerechnungen und Dimensionierungen von technischen Produkten betraut gewesen.\nZu diesem Bereich der Entwurfstatigkeit hatten die Techniker in Rumanien\nkeinen Zugang gehabt. Damit bestatigt er fur seine eigene berufliche Tatigkeit\ndie allgemeine Aussage der KMK, dass „Subingenieure" mittlere technische\nPositionen zwischen den vollqualifizierten Ingenieuren und den Technikern und\nMeistern eingenommen haben. Eine solche Tatigkeit rechtfertigt aber nicht die\nEinordnung in die Qualifikationsgruppe 1, die eine langjahrige berufliche\nErfahrung im hier nicht ausgeubten Tatigkeitsbereich eines inginers\nvoraussetzt. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Senat verkennt nicht, dass der Klager eine hoherwertige Ausbildung\nabgeschlossen und eine hoherwertige Tatigkeit ausgeubt hat, als die\nausdrucklich in der Qualifikationsgruppe 2 genannten Techniker oder die\nFachschul-Ingenieure der DDR. Dies reicht jedoch fur eine Einstufung in die\nQualifikationsgruppe 1 nicht aus. Da sein Ausbildungsabschluss als subinginer\nweder ein Diplom-Abschluss im Sinne der Nr. 1 der Qualifikationsgruppe 1 der\nAnlage 13 zum SGB VI darstellt, noch diesem im Sinne der Nr. 3 gleichwertig\nist, und der Klager auch keine dem Qualifikationsniveau des inginer\nentsprechende langjahrige berufliche Tatigkeit ausgeubt hat, kommt eine\nEinstufung in die Qualifikationsgruppe 1 nicht in Betracht, so dass die\nEinstufung in die Qualifikationsgruppe 2 nicht zu beanstanden ist. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach alledem war die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Senat hat die Revision gemaß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der\nFrage, welche Anforderungen an die in Nr. 1 und Nr. 3 der Qualifikationsgruppe\n1 der Anlage 13 zum SGB VI aufgefuhrten Abschlusse und Abschlusszeugnisse zu\nstellen sind, grundsatzliche Bedeutung zukommt. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung des Klagers hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die gemaß § 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung\nist zulassig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und\nFristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG) eingelegt worden. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der im Wege der kombinierten\nAnfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffene Vormerkungsbescheid vom 6.\nMarz 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2002; der\nBescheid vom 6. Marz 2002 hat wahrend des Vorverfahrens den ursprunglich\nangegriffenen Bescheid vom 8. November 2001 ersetzt. Der\nAltersruhegeldbescheid ist nicht kraft Gesetzes Gegenstand des\nBerufungsverfahrens geworden war. Er hat den angegriffenen Vormerkungsbescheid\nweder ersetzt, noch hat sich dieser erledigt (vgl. hierzu Bundessozialgericht\n<BSG>, SozR 1500 § 53 Nr. 2). Dies ergibt sich im vorliegenden Fall bereits\ndaraus, dass die Beklagte im Rentenbescheid selbst sowie mit Schriftsatz vom\n3. September 2004 zum Ausdruck gebracht hat, dass die Hohe der Rente neu\nfestgestellt wird, wenn und soweit der Klager im Vormerkungsstreit obsiegt.\nWeiterhin haben die Beteiligten zur Klarstellung einen Teilvergleich des\nInhalts geschlossen, dass die Altersrente ab 1. November 2004 unter\nBerucksichtigung der Beitragszeiten ab 20. April 1971 in Qualifikationsgruppe\n1 neu festgestellt wird, sofern der Klager im Vormerkungsstreit rechtskraftig\nobsiegt. Nachdem die Beteiligten sich in diesem Teilvergleich auch dahingehend\ngeeinigt haben, das Verfahren auf den fur den Rentenbescheid bindenden\nVormerkungsbescheid zu beschranken, ist der Rentenbescheid auch nicht in\nentsprechender Anwendung des § 96 SGG (BSG SozR 1500 § 96 Nr. 13; BSGE 48,\n100, 101; 49, 258, 259; 59, 40; SozR 1500 § 96 Nr. 18; SozR 2200 § 1251 Nr.\n92) Gegenstand des Verfahrens geworden. Weiterhin ist nicht Gegenstand des\nVerfahrens der Rucknahmebescheid vom 12. August 2002 geworden. Der Bescheid\nvom 12. August 2002 war zwar Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Der\nKlager, der im Rahmen der Anhorung zum Erlass dieses Bescheids mitgeteilt hat,\ndass er keine Einwande gegen die beabsichtigte Rucknahme habe, hat diese\nEntscheidung im Gerichtsverfahren aber nicht angegriffen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Berufung, mit der der Klager damit ausschließlich die teilweise\nAufhebung, des Vormerkungsbescheids und die Verpflichtung der Beklagten zur\nEinstufung der Beitragszeiten vom 20. April 1971 bis 10. Februar 1990 in\nQualifikationsgruppe 1 anstatt Qualifikationsgruppe 2 begehrt, ist\nunbegrundet. Denn der Vormerkungsbescheid in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids ist rechtmaßig. Der Klager hat keinen Anspruch auf\nEinstufung der anerkannten Beitragszeiten vom 20. April 1971 bis 10. Februar\n1990 in die Qualifikationsgruppe 1. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Maßgebend fur die Vormerkung von rentenrechtlichen Zeiten sind die\nBestimmungen des SGB VI, in Kraft getreten durch das Rentenreformgesetz 1992\nvom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2262) mit Wirkung ab 1. Januar 1992. Zu den\nrentenrechtlichen Zeiten, die gemaß § 149 Abs. 5 SGB VI vorzumerken sind,\nzahlen vorrangig die Beitragszeiten (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Dies sind\nZeiten, fur die nach Bundesrecht Beitrage gezahlt worden sind (§ 55 Abs. 1\nSatz 1 SGB VI). Der Klager hat die hier streitigen Zeiten nicht unter der\nGeltung der bundesrechtlichen Vorschriften uber die Beitragspflicht\nzuruckgelegt. § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Fremdrentengesetzes (FRG) stellt\njedoch die in einem Vertreibungsgebiet (Rumanien) zuruckgelegten von der\nBeklagten bindend festgestellten Beitragszeiten den im Inland zuruckgelegten\nZeiten gleich. In diesem Rahmen begehrt der Klager die Vormerkung hoherer\nfiktiver und als versichert geltender Arbeitsverdienste. Gemaß § 22 FRG\nursprunglicher Fassung wurden den Rentenberechtigten aufgrund von Einstufungen\nin „Leistungsgruppen" fiktive Durchschnittsverdienste vergleichbarer\nBeschaftigungen im Bundesgebiet zugewiesen. Eine wesentliche Änderung des § 22\nAbs. 1 FRG erfolgte mit Wirkung ab 1. Januar 1992 durch das Renten-\nÜberleitungsgesetz (RÜG) vom 22. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606). Hiernach sollte\ndie Bewertung nicht mehr auf der Grundlage der Einkommensverhaltnisse im alten\nBundesgebiet erfolgen, sondern der Einkommensverhaltnisse in der fruheren DDR,\nanknupfend an die dortigen Beschaftigungs- und Wirtschaftsstrukturen. An die\nStelle der Leistungsgruppen treten die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum\nSGB VI mit den in Anlage 14 ausgewiesenen nach Wirtschaftsbereichen\nunterteilten Durchschnittsverdiensten. Diese Neuregelungen sind im Fall des\nKlagers anzuwenden, weil dieser zwar noch vor dem 1. Juli 1990 ins\nBundesgebiet ubergesiedelt ist, jedoch keinen Rentenanspruch vor dem 1. Januar\n1996 hatte (Artikel 6 § 4 Abs. 3 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-\nNeuregelungsgesetzes). Die Zuordnung bezuglich Anlage 14 (Bereich 6) greift\nder Klager nicht an. Der Klager macht jedoch geltend, dass er einen Anspruch\ndarauf habe, dass die bindend anerkannten Beitragszeiten vom 20. April 1971\nbis 10. Februar 1990 in Qualifikationsgruppe 1 statt 2 nach Anlage 13\neingestuft werden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dieser Anspruch steht dem Klager nicht zu. Nach Anlage 13 zum SGB VI sind\nVersicherte in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn\nsie deren Qualifikationsmerkmale erfullen und eine entsprechende Tatigkeit\nausgeubt haben (Satz 1). Haben Versicherte aufgrund langjahriger\nBerufserfahrung Fahigkeiten erworben, die ublicherweise denen von Versicherten\neiner hoheren Qualifikationsgruppe entsprechen, sind sie in diese\nQualifikationsgruppe einzustufen (Satz 2). In die Qualifikationsgruppe 1 -\nHochschulabsolventen - einzustufen sind Personen, die in Form eines Direkt-,\nFern-, Abend- oder externen Studiums an einer Universitat, Hochschule,\nIngenieurhochschule, Akademie oder an einem Institut mit Hochschulcharakter\nein Diplom erworben oder ein Staatsexamen abgelegt haben (Nr. 1) und Personen,\ndenen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder wissenschaftlicher Leistungen\nein wissenschaftlicher Grad oder Titel zuerkannt worden ist (z.B. Attestation\nim Bereich Volksbildung, Dr. h.c., Professor) (Nr. 2) sowie Inhaber\ngleichwertiger Abschlusszeugnisse staatlich anerkannter hoherer Schulen und\nUniversitaten (Nr. 3). Hierzu zahlen nicht Teilnehmer an einem verkurzten\nSonderstudium (z.B. Teilstudium), das nicht mit dem Erwerb eines Diploms oder\nStaatsexamens abschloss. Zur Qualifikationsgruppe 2 - Fachschulabsolventen -\ngehoren Personen, die an einer Ingenieur- oder Fachschule in einer beliebigen\nStudienform oder extern den Fachschulabschluss entsprechend den geltenden\nRechtsvorschriften erworben haben und denen eine Berufsbezeichnung der\nFachschulausbildung erteilt worden ist (Nr. 1), Personen, denen aufgrund\ngesetzlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet der Fachschulabschluss bzw. eine\nBerufsbezeichnung der Fachschulausbildung zuerkannt worden ist (Nr. 2),\nPersonen, die an staatlich anerkannten mittleren und hoheren Fachschulen\naußerhalb des Beitrittsgebiets eine Ausbildung abgeschlossen haben, die der\nAnforderung des Fachschulabschlusses im Beitrittsgebiet entsprach, und ein\nentsprechendes Zeugnis besitzen (Nr. 3) und Technische Fachkrafte, die\nberechtigt die Berufsbezeichnung "Techniker" fuhrten, sowie Fachkrafte, die\nberechtigt eine dem "Techniker" gleichwertige Berufsbezeichnung entsprechend\nder Systematik der Berufe im Beitrittsgebiet (z.B. Topograph, Grubensteiger)\nfuhrten (Nr. 4). Hierzu zahlen nicht Teilnehmer an einem Fachschulstudium, das\nnicht zum Fachschulabschluss fuhrte, und Meister, auch wenn die Ausbildung an\neiner Ingenieur- oder Fachschule erfolgte. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Bezugnahme von § 22 FRG auf § 256 b SGB VI und Anlage 13 zum SGB VI und\ndamit auf die dort zugrunde gelegten Gegebenheiten der DDR ist nicht so zu\nverstehen, dass mit formalen Kriterien dortiger Ausbildungsgange zu\nvergleichen ware, sondern in dem Sinne zu lesen, dass beim Vergleich mit der\nDDR das qualitative Selbstverstandnis der Bildungsgange im jeweils betroffenen\nVertreibungsgebiet zu prufen ist (BSG, SozR 4-2600 § 256 b Nr. 1 und Nr. 2;\nSozR 4-5050 § 22 Nr. 3; Urteil vom 23. September 2003 - B 4 RA 48/02 R -\nabgedruckt in Juris; Urteil des Senats vom 7. Oktober 2003 - L 13 RA 4254/00 -\nabgedruckt in Juris). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach diesem Maßstab erfullt der Klager nicht die Qualifikationsmerkmale der\nQualifikationsgruppe 1. Nach Nr. 1 der Qualifikationsgruppe 1 kommt es auf den\nformlich zuerkannten Ausbildungsabschluss an. Der Abschluss, welcher an einer\nder in der Bestimmung genannten Einrichtungen erworben worden ist, muss\nentweder ein Diplom oder ein Staatsexamen sein. Anders als die Attestation in\nNr. 2 zur Qualifikationsgruppe 1 werden diese Abschlusse hier nicht\nbeispielhaft, sondern abschließend aufgefuhrt (zu den Abschlussen vgl. auch\ndie Anordnungen der DDR uber die Erteilung von Berufsbezeichnungen der Hoch-\nund Fachschulausbildung vom 3. Marz 1976, 25. Oktober 1979 und 4. Marz 1988).\nDamit scheidet z.B. die Hauptprufung als Hochschulabschluss im Sinne der\nNummer 1 aus, so dass nicht nur der Fachschulingenieur, sondern auch der\nHochschulingenieur der DDR nicht von der Nummer 1 erfasst wird. Die III.\nHochschulreform in der DDR hat u.a. so genannte Ingenieurhochschulen\ngeschaffen und - vorubergehend - den Hochschulingenieur aus ahnlichen Grunden,\ndie in Rumanien der Ausbildung zum subinginer zugrunde lagen (vgl. unten), als\nBerufsbezeichnung eingefuhrt. Dieser schloss sein verkurztes (dreieinhalb\nJahre, von dem ein halbes Jahr aus praktischer Ausbildung bestand) anders als\nder Diplom-Ingenieur sein - mit der Reform von funf auf vier Jahre gekurztes -\nStudium nicht mit dem Diplom, sondern mit der Hauptprufung ab (Hans-Joachim\nHermes, Wolfgang Lambrecht, in: Luther, Stephan (Gesamtleitung), Von der Kgl.\nGewerbeschule zur Technischen Universitat. Die Entwicklung der hoheren\ntechnischen Bildung in Chemnitz 1836-2003, S. 147ff.). Dieser\nHochschulabschluss erfullt, auch wenn er, wie das Staatsexamen, den Inhaber\nzur Erlangung eines akademischen Grades berechtigte (vgl. unten), ebenso wie\nandere - auslandische - Abschlusse (z.B. Bachelor-, Master- und Magister)\nnicht die Voraussetzungen der Nummer 1, da er weder ein Staatsexamen noch ein\nDiplom ist. Das Diplom wurde ebenfalls mit der III. Hochschulreform allgemein\nals erster akademischer Grad - u.a. auch fur Mediziner als Voraussetzung fur\ndie Promotion - eingefuhrt. Dieses Diplom, das nun in der Regel mit Abschluss\ndes Hochschulstudiums erworben wurde, ist das Diplom im Sinne der Nummer 1\n(vgl. auch Polster, in Kassler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 52.\nErganzungslieferung, § 256 b SGB VI Rdnr. 21). Auch aus dem Zusammenhang mit\nder Regelung unter Nr. 2, in der den aufgrund einer Hochschulausbildung\nerworbenen Diplomen und Staatsexamen nur die aufgrund gesetzlicher\nBestimmungen oder wissenschaftlicher Leistungen zuerkannten wissenschaftlichen\nGrade oder Titel, nicht dagegen Berufsbezeichnungen gleichgestellt werden,\nergibt sich, dass ein Diplom im Sinne der Nr. 1 nur das in der DDR allgemein -\nnach Abschluss eines Medizinstudiums, Lehramtsstudiums oder eines\ngeisteswissenschaftlichen Studiums - als erster akademischer Grad ubliche\nDiplom ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Klager, der zwar eine Diplomprufung abgelegt und ein Diplom des\nPolytechnischen Instituts erhalten hat, hat damit jedoch keinen - ersten -\nakademischen Grad erworben. Sein „Diploma de Subinginer" ist daher kein Diplom\nim Sinne der Nr. 1 der Qualifikationsgruppe 1 (vgl. im Ergebnis auch\nBayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. September 2003 - L 14 RA 3/03\n- abgedruckt in Juris). Das vom Klager zuruckgelegte Studium ist an dem der\nUniversitat K. angeschlossenen Polytechnischen Institut durchlaufen worden,\ndas zwar nach allen Belegen Hochschulcharakter hatte und das Reifezeugnis als\nZugangsvoraussetzung verlangte. Bei diesem Studium handelte es sich nach\nrumanischem Selbstverstandnis jedoch um eine verkurzte Hochschulausbildung.\nDies ergibt sich auch aus der vom Senat eingeholten Auskunft vom 8. Januar\n2007, wonach es sich bei der Ausbildung zum subinginer um einen 1968/1969 als\nmittlere technische Ausbildung eingefuhrten, zwei- bis dreijahrigen\nKurzstudiengang handelte. Auch nach rumanischem Verstandnis wurde auf der\nGrundlage dieses Studiums kein Diplom im Sinne der Nr. 1 d.h. kein\nakademischer Grad erworben. Im Unterschied zu den funf- bis\nfunfeinhalbjahrigen Ingenieurstudiengangen, deren Abschluss zur Verleihung des\nakademischen Grades „inginer" fuhrte, wurde mit dem „Diploma de Subinginer"\nlediglich der Abschluss als subinginer in einem entsprechendem\nAbschlusszeugnis bescheinigt (vgl. auch Muller, Die Qual mit den\nQualifikationsgruppen, DAngVers 1995, S. 354 <358>) und die Berufsbezeichnung\nsubinginer verliehen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Da dem Klager in Rumanien auch kein akademischer Grad zuerkannt worden ist,\nliegen die Voraussetzungen der Nr. 2 der Qualifikationsgruppe 1 offensichtlich\nnicht vor. Der Klager erfullt auch nicht die eine Gleichwertigkeit der\nAbschlusszeugnisse mit den Abschlussen der Nr. 1 oder den wissenschaftlichen\nGraden/Titeln der Nr. 2 fordernden Voraussetzungen der Nr. 3 der\nQualifikationsgruppe 1. Sein Diplom war weder ein erster akademischer Grad\nnoch berechtigte es ihn, vergleichbar mit dem Staatsexamen, einen - zweiten -\nakademischen Grad zu erwerben. Der Abschluss eines verkurzten, starker\nberufsorientierten Studiengangs fuhrte in Rumanien zu einem eigenstandigen\nQualifikationsniveau (Muller a.a.O., S. 363). Er wurde nach der oben\ndargestellten Zweistufigkeit des rumanischen Hochschulsystems nicht mit dem\nAbschluss des inginers aufgrund eines regularen funf- bis funfeinhalbjahrigen\nStudiums als gleichwertig angesehen. Fur den Senat steht aufgrund der von ihm\neingeholten Auskunft fest, dass der Abschluss als subinginer deutlich von dem\ndes inginer unterschieden und nicht als gleichwertig angesehen wurde (vgl. im\nErgebnis auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. September 2003 -\nL 14 RA 3/03 -). Der subinger hatte nur begrenzte Berufschancen und kein\nBerufsprestige (Auskunft des Sekretariats der standigen Konferenz der\nKultusminister der Lander in der Bundesrepublik Deutschland vom 8. Januar 2007\nunter Hinweis auf Maria Miclescu, Die Hochschule als Vermittler beruflicher\nQualifizierung, 1979, S. 29). Die verkurzten Studiengange waren mit dem Ziel\neingerichtet worden, Personen fur eine mittlere technische Position zwischen\nden vollqualifizierten Ingenieuren und den Technikern bzw. Meistern\nauszubilden. Diesem Zweck entsprach in der DDR im Wesentlichen die Einfuhrung\ndes Hochschulingenieurs im Wege der Eingliederung von Ingenieurschulen in die\nHochschulen oder „Umetikettierung" von Fachschulen. Dieser Abschluss setzte\nsich u.a. wegen der damit verbundenen Nachteile gegenuber dem Diplomingenieur\nnicht durch. Die von Anfang an gegebene Moglichkeit, aufbauend auf dieses\nStudium ein Diplom zu erwerben, wurde den Hochschulingenieuren daher ab 1974\nschon nach einem sechsmonatigen Fernstudium eroffnet (Hans-Joachim Hermes,\nWolfgang Lambrecht, in: Luther, Stephan (Gesamtleitung): Von der Kgl.\nGewerbeschule zur Technischen Universitat. Die Entwicklung der hoheren\ntechnischen Bildung in Chemnitz 1836-2003, S. 147ff.). Die rumanischen\nUnteringenieure hatten dagegen keine Moglichkeit, im Wege eines Aufbaustudiums\ndie Qualifikation des inginers zu erreichen. Auch ein beruflicher Aufstieg war\nin Rumanien schwer vorstellbar, weshalb das Kurzstudium zum Teil auch als\nberufliche Sackgasse angesehen wurde (Auskunft des Sekretariats der standigen\nKonferenz der Kultusminister der Lander in der Bundesrepublik Deutschland vom\n8. Januar 2007 unter Hinweis auf Maria Miclescu, Die Hochschule als Vermittler\nberuflicher Qualifizierung, 1979, S. 29). Das „Diploma de Subinginer", das\nnach rumanischen Verstandnis weder ein erster akademischer Grad war, noch dazu\nberechtigte, einen akademischen Grad zu erwerben, ist damit dem Diplom im\nSinne der Nummer 1 nicht gleichwertig. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Dieses Ergebnis spiegelt sich auch im Abkommen zwischen der DDR und Rumanien\nuber die Äquivalenz der Dokumente der verschiedenen Bildungsstufen und der\nakademischen Grade vom 10. April 1986 wider. Das Abkommen ist zwar mit dem\nBeitritt der DDR am 3. Oktober 1990 außer Kraft getreten und die darin\nvorgenommenen Wertungen sind fur das Fremdrentenrecht ohnehin nicht bindend.\nSie stellen aber aus der damaligen Sicht die Abschlusse im rumanischen\nBildungssystem in Beziehung zu den in der DDR erworbenen Abschlussen und\nstellen das „Diploma de Subinginer" lediglich einem in der DDR erworbenen\nIngenieurschul- oder Fachschulabschluss gleich (vgl. Art. 3 und 4 des\nAbkommens; hierzu Muller, wie zitiert, S. 354 ff., 358, 363). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Eine Gleichwertigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass Abschlusse von\nIngenieurfachschulen der DDR seit der Wiedervereinigung zum Teil den\nAbschlussen von Fachhochschulen gleichwertig gestellt werden. Dies beruht auf\nArtikel 37 Abs. 1 des Einigungsvertrages. Die Gleichwertigkeit von DDR-\nAbschlussen wird gemaß Art. 37 Abs. 1 Satz 3 EV i.V.m. Artikel 1 Satz 1 des\n„Abkommens zwischen den Landern der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung\nder Zustandigkeit fur die Feststellung der Gleichwertigkeit von\nBildungsabschlussen mit Hochschulabschlussen gemaß Art. 37 Abs. 1 Satz 3 des\nEinigungsvertrages" vom fur das Hochschulwesen zustandigen Ministerium des\nLandes, in dem die Einrichtung gelegen war, an der der Bildungsabschluss\nerworben wurde, festgestellt. Nach Art. 2 Satz 2 des Abkommens richtet sich\ndiese Gleichwertigkeitsfeststellung nach den Kriterien, die die Standige\nKonferenz der Lander in der Bundesrepublik Deutschland festgelegt hat. Nach\nIV. Nr. 3 des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 10/11. Oktober 1991\nin der Fassung vom 7. Oktober 1994 zuletzt geandert durch KMK-Beschluss vom\n24. April 1998 i.d.F. 30. Juni 2000 genugt fur die Gleichwertigkeit mit dem\nDiplom (FH) eine dreijahrige Berufstatigkeit nach einem\nIngenieurschulabschluss, der wie der des Klagers, vor 1991 erworben wurde.\nDiese Gleichwertigkeitsfeststellung andert jedoch nichts daran, dass\nAbsolventen einer Ingenieurschule im Beitrittsgebiet - auch nach dreijahriger,\ndem Abschluss entsprechender Tatigkeit - in unmittelbarer Anwendung des § 256\nb Abs. 1 SGB VI und der Anlage 13 zum SGB VI nicht der Qualifikationsgruppe 1\nzuzuordnen sind. Denn in Nr. 3 der Qualifikationsgruppe 1 geht es um die\nGleichwertigkeit von im Beitrittsgebiet oder Ausland erworbenen Abschlussen\nmit den im Beitrittsgebiet erworbenen Abschlussen der Nr. 1 und 2. Die\nGleichwertigkeit im Sinne von Art. 37 EV befasst sich demgegenuber mit der\nGleichwertigkeit von im Beitrittsgebiet erworbenen Abschlussen mit\nAbschlussen, die in den anderen Landern der Bundesrepublik Deutschland\neinschließlich Berlin (West) erworben worden sind. Im FRG, das auf § 256 b\nAbs. 1 SGB VI und die Anlage 13 zum SGB VI verweist, kann die Nach-\nDiplomierung von Ingenieurabschlussen daher nicht dazu fuhren, dass der\nursprungliche Ausbildungsabschluss dem Diplom im Sinne der Nr. 1\ngleichzustellen ist. Dass der Abschluss als subinginer nicht einem Diplom im\nSinne der Nr. 1 gleich steht, steht - entgegen der Auffassung des Klagers -\ndaher auch nicht im Widerspruch dazu, dass er die Genehmigung erhalten hat, im\nBundesgebiet den Titel eines Diplom-Ingenieurs (FH) zu fuhren. Hiermit wird\nebenso wie auf der Grundlage von Art. 37 EV ausschließlich die\nGleichwertigkeit mit einem bundesdeutschen Fachhochschulabschluss\nfestgestellt, aus der sich, wie dargelegt, weder fur einen in der DDR\nerworbenen Abschluss noch fur einen entsprechenden rumanischen Abschluss das\nVorliegen der Voraussetzungen der Qualifikationsgruppe 1 herleiten lasst, da\ndie Qualifikationsgruppen nicht auf dem bundesdeutschen Ausbildungssystem,\nsondern auf dem der fruheren DDR beruhen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klager erfullt auch nicht die Voraussetzungen des Satzes 2 der Anlage 13\nzum SGB VI. Danach ist fur eine Einstufung oberhalb der Qualifikationsgruppe 2\nder Erwerb von gleichwertigen Fahigkeiten "auf Grund langjahriger\nBerufserfahrung" und die tatsachliche Ausubung einer dem hoheren (durch\nlangjahrige Berufserfahrung erworbenen) Qualifikationsniveau entsprechenden\nTatigkeit erforderlich. Das Tatbestandsmerkmal der "langjahrigen\nBerufserfahrung" ersetzt die formalen Qualifikationsmerkmale des Satzes 1\ni.V.m. den ersten vier Qualifikationsgruppen (Absolvierung eines formalen\nAusbildungsganges mit formalem Abschluss). Damit macht der Gesetzestext\ndeutlich, dass - anders als im Rahmen des Satzes 1 - der berufliche Werdegang\nfur die Einstufung bedeutsam ist. Das Gesetz hat mit dem gleichgestellten\nTatbestand des Satzes 2 der Anlage 13 Grundsatze fortgeschrieben, die die\nbisherigen Leistungsgruppen im Fremdrentenrecht bis 1992 gepragt haben (BSG\nSozR 4-2600 § 256 b Nr. 2). Unter Berucksichtigung dieser Rechtsprechung ist\ndie Qualifikation auf Grund langjahriger Berufserfahrung dann erworben worden,\nwenn der hoherwertige Beruf wahrend eines Zeitraumes ausgeubt wurde, der\nausreicht, um die theoretischen und praktischen Fahigkeiten fur eine\nvollwertige Berufsausubung auch ohne formelle Ausbildung zu vermitteln.\nHierfur kommt es jeweils auf den ausgeubten Beruf an (vgl. BSG SozR 4-2600 §\n256 b Nr. 1). Der Klager war seit dem 20. April 1971 bis zu seiner Ausreise\nals Subingenieur, zuletzt als Hauptsubingenieur tatig. Er hat damit in\nRumanien keinen gegenuber seinem Ausbildungsabschluss hoherwertigen Beruf\nvollwertig ausgeubt und war nicht auf einem Niveau tatig, auf dem er die\nnotwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse eines inginers, der ein\nregulares Ingenieurstudium abgeschlossen hat, hatte erwerben konnen. Der\nKlager selbst hat auch auf den Schriftsatz der Beklagten vom 8. Januar 2004\nnicht geltend gemacht, in einem qualitativ gegenuber dem Unteringenieur\nhoherwertigen Beruf tatig gewesen zu sein, insbesondere die Aufgaben und\nTatigkeiten eines inginers wahrgenommen zu haben. Er hat allerdings\nvorgetragen, dass er bevor er als Hauptunteringenieur tatig war, nicht - wie\nin der vom Senat eingeholten Auskunft des Sekretariats der Standigen\nKultusministerkonferenz angenommen - Projektunteringenieur gewesen sei.\nSubinginer proiectant bedeute vielmehr, dass er als „Entwurfs-Unteringenieur"\ngearbeitet habe. Er sei hauptsachlich mit mathematisch-technischen\nBerechnungen und Dimensionierungen von technischen Produkten betraut gewesen.\nZu diesem Bereich der Entwurfstatigkeit hatten die Techniker in Rumanien\nkeinen Zugang gehabt. Damit bestatigt er fur seine eigene berufliche Tatigkeit\ndie allgemeine Aussage der KMK, dass „Subingenieure" mittlere technische\nPositionen zwischen den vollqualifizierten Ingenieuren und den Technikern und\nMeistern eingenommen haben. Eine solche Tatigkeit rechtfertigt aber nicht die\nEinordnung in die Qualifikationsgruppe 1, die eine langjahrige berufliche\nErfahrung im hier nicht ausgeubten Tatigkeitsbereich eines inginers\nvoraussetzt. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Senat verkennt nicht, dass der Klager eine hoherwertige Ausbildung\nabgeschlossen und eine hoherwertige Tatigkeit ausgeubt hat, als die\nausdrucklich in der Qualifikationsgruppe 2 genannten Techniker oder die\nFachschul-Ingenieure der DDR. Dies reicht jedoch fur eine Einstufung in die\nQualifikationsgruppe 1 nicht aus. Da sein Ausbildungsabschluss als subinginer\nweder ein Diplom-Abschluss im Sinne der Nr. 1 der Qualifikationsgruppe 1 der\nAnlage 13 zum SGB VI darstellt, noch diesem im Sinne der Nr. 3 gleichwertig\nist, und der Klager auch keine dem Qualifikationsniveau des inginer\nentsprechende langjahrige berufliche Tatigkeit ausgeubt hat, kommt eine\nEinstufung in die Qualifikationsgruppe 1 nicht in Betracht, so dass die\nEinstufung in die Qualifikationsgruppe 2 nicht zu beanstanden ist. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach alledem war die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Senat hat die Revision gemaß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der\nFrage, welche Anforderungen an die in Nr. 1 und Nr. 3 der Qualifikationsgruppe\n1 der Anlage 13 zum SGB VI aufgefuhrten Abschlusse und Abschlusszeugnisse zu\nstellen sind, grundsatzliche Bedeutung zukommt. \n---\n\n
140,844
lg-freiburg-2005-05-13-2-o-40104
131
Landgericht Freiburg
lg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
2 O 401/04
2005-05-13
2019-01-08 15:52:51
2019-01-17 12:01:01
Entscheidung
## Tenor\n\nDas Gericht ist zur Entscheidung des Rechtsstreits international, sachlich und\nortlich zustandig.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager betreibt in R. ein Sportcenter mit einer Tennishalle. Die\nBeklagt ist eine belgische Firma, die Licht- und Bauplatten aus Hart-PVC\nvertreibt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte lieferte dem Klager am 16.12.1995 16 Lichtplatten nebst\nZubehor zum Preis von DM 4.669,70. Über die Lieferung stellte die Beklagte\neine Auftragsbestatigung vom 16.12.1995 aus (Anlage 1 AH Kl.), die als\nLieferadresse das Sportcenter des Klagers nannte, als Gerichtsstand V./Belgien\nund Bezug nahm auf die Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der\nBeklagten. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Eine weitere Lieferung von Lichtplatten erfolgte am 15.01.1996 zum Preis\nvon DM 7.199,59. Über diese Lieferung stellte die Beklagte eine Rechnung vom\n15.01.1996 aus, die ebenfalls als Lieferadresse das Sportcenter des Klagers\nnannte, den Gerichtsstand V./Belgien und den Hinweis auf die Allgemeinen\nVerkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten (Anlage 2 AH Kl.). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| In den Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten heißt es in § 6: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| „Mit der Übergabe an den Spediteur oder Frachtfuhrer, spatestens jedoch mit\ndem Verlassen des Werkes oder Lagers, geht die Gefahr auf den Abnehmer uber.\nDies gilt auch bei fob- und cif-Geschaften sowie bei einer Vereinbarung „frei\nBestimmungsort" oder ahnlich." \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Anlieferung der Lichtplatten erfolgte mit eigenen LKW der Beklagten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager legt vor eine schriftliche Erklarung der Beklagten, in dem diese\n„10 Jahre Gewahrleistung" fur Hagelsicherheit, Korrosions-, Witterungs- und\nUV-Lichtbestandigkeit der Lichtplatten ubernimmt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Lichtplatten wurden von dem Klager selbst eingebaut. In der Folgezeit\nverformten sich die Lichtplatten, wurden matt und dunkel. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit der Klage verlangt der Klager die Kosten einer Neuverlegung der\nLichtplatten. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager behauptet, die aufgetretenen Fehler beruhten auf einer\nMaterialuntauglichkeit der Lieferung. Die Neuverlegung der Platten erfordere\nKosten in Hohe von EUR 11.213,60. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager ist der Ansicht, dass angerufene Gericht sei international\nzustandig, weil die Parteien eine Bringschuld vereinbart hatten, da die\nLieferung von Auslieferungslagern der Beklagten in Deutschland direkt zum\nWohnort des Klagers erfolgt sei und sich aus den Rechnungen und Lieferscheinen\ndie Vereinbarung des Lieferorts ergebe. Wegen der Große der Lichtplatten und\nden dadurch vorhandenen Schwierigkeiten des Transports sei von Anfang an klar\ngewesen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Lieferung an den\nVerwendungsort herbeizufuhren. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| die Beklagte zu verurteilen, an den Klager EUR 11.213,60 zuzuglich Zinsen\ndaraus in Hohe von 5 % uber dem Basiszinssatz seit dem 22.07.2001 zu bezahlen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte rugt die internationale Zustandigkeit des angerufenen\nGerichts. Sie ist der Ansicht, zwischen den Parteien sei wirksam eine\nGerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen. Außerdem hatten die Parteien\neine Schickschuld vereinbart, so dass Erfullungsort der Sitz der Beklagten\nsei. Das ergebe sich auch aus § 6 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der\nBeklagten. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beklagte bestreitet, dass eine zehnjahrige Garantie vereinbart worden\nund dass die gelieferten Lichtplatte fehlerhaft gewesen seien. Der Schaden sei\nallein auf eine fehlerhafte Verlegung durch den Klager zuruckzufuhren. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Akten des selbstandigen Beweisverfahrens 2 OH -/- waren Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Parteien streiten zunachst uber die Zustandigkeit des angerufenen\nGerichts. Über diese im Rahmen der Prufung der Zulassigkeit der Klage zu\nentscheidende Frage war daher zunachst nach § 280 ZPO durch Zwischenurteil zu\nentscheiden. Dass in der mundlichen Verhandlung eine ausdruckliche Anordnung\ngemaß § 280 Abs. 1 ZPO, uber die Zulassigkeit der Klage abgesondert zu\nverhandeln, nicht erging, hindert den Erlass eines Zwischenurteils nicht. Der\nErlass des Zwischenurteils setzt eine ausdruckliche Anordnung der\nabgesonderten Verhandlung nicht voraus (BGH WM 1994, 1051, 1052; so im\nErgebnis schon BGH NJW 1956, 1920, 1921; ebenso Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20.\nAufl., § 280 Rn. 16). Die Beklagte erleidet keinen verfahrensrechtlichen\nNachteil, wenn das Gericht uber Fragen der Zulassigkeit der Klage vorab\nentscheidet, ohne zuvor die abgesonderte Verhandlung angeordnet zu haben.\nDiese Anordnung dient lediglich der Prozessokonomie. Danach hangt auch die\nRechtsmittelfahigkeit des Zwischenurteils nicht von der Anordnung der\nabgesonderten Verhandlung ab. Im Übrigen wurden die Parteien vor Schluss der\nmundlichen Verhandlung - insoweit nicht protokolliert - darauf hingewiesen,\ndass im Fall des Vergleichswiderrufs zunachst eine Entscheidung uber die\nZustandigkeit des Gerichts erfolgen soll. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das angerufene Gericht ist international, sachlich und ortlich zur\nEntscheidung des Rechtsstreits zustandig. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine bindende Gerichtsstandsvereinbarung, die die Zustandigkeit eines\nbelgischen Gerichts begrunden konnte, haben die Parteien nicht geschlossen.\nEine Gerichtsstandsvereinbarung setzt nach Art. 23 EuGVVO voraus, dass sie\nschriftlich oder mundlich mit schriftlicher Bestatigung abgeschlossen wird\noder in einer Form, welchen den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den\nParteien entstanden sind, oder im internationalen Handel in einer Form, die\neinem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten\nund den Parteien von Vertragen dieser Art in dem betreffenden Geschaftszweig\nallgemein kennen und regelmaßig beachten. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Keine dieser Voraussetzungen sind vorgetragen. Allein die Tatsache, dass die\nBeklagten in ihre Rechnungen und Auftragsbestatigungen die Bestimmung eines\nGerichtsstands aufgenommen hat, erfullt weder die Voraussetzungen einer\nschriftlichen Vereinbarung, noch liegt damit eine schriftliche Bestatigung des\nKlagers oder der Beklagten uber eine vorausgegangene mundlichen Vereinbarung\nvor, noch ist ein Handelsbrauch vorgetragen worden, der eine entsprechende\nForm zulasst. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die internationale Zustandigkeit des Gerichts folgt aus Art. 5 Nr. 1 b)\nEuGVVO. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet\neines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn\nein Vertrag oder Anspruche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens\nbilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfullt\nworden ist oder zu erfullen ware. Dabei ist im Sinne dieser Vorschrift bei\neinem Verkauf beweglicher Sachen derjenige Ort der Erfullungsort, an dem die\nSache nach dem Vertrag geliefert worden ist. Dieser Ort ist nicht nur fur die\nvertraglichen Primaranspruche, sondern auch fur aus der Lieferung folgende\nGewahrleistungsanspruche und sonstige vertraglichen Sekundaranspruche als\nErfullungsort maßgeblich. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Mit dieser Regelung wurde abweichend von der nach Art. 5 GVÜ geltenden\nRechtslage (EuGH NJW 1977, 491; NJW 2000, 719) erstmals ein selbstandiger\nErfullungsortbegriff geschaffen, der unabhangig von dem nach den Regeln des\ninternationalen Privatrechts anwendbaren materiellen Recht autonom nach den\nRechtsgrundsatzen der Verordnung des Rates uber die gerichtliche Zustandigkeit\nund die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und\nHandelssachen zu bestimmen ist (Thomas/Putzo, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rn 4). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Das bedeutet allerdings nicht, dass in jedem Fall, in dem die verkaufte Ware\nan den Kaufer geliefert wird, der Wohnsitz des Kaufers den Erfullungsort\nbildet. Vielmehr bildet, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen von einem\nVersendungskauf auszugehen ist, der Ort der Absendung den Erfullungsort, weil\ndann bereits mit der Absendung die Lieferung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b\nEuGVVO erfolgt ist (vgl. Geimer/Schutze, Europaisches Zivilverfahrensrecht, 2.\nAufl. 2004, Art. 5 Rn. 86; a.A. Hager/Bentele, IPRax 2004, 73). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Ein derartiger Versendungskauf ist zwischen den Parteien jedoch nicht\nvereinbart worden. Die Frage, ob ein Versendungskauf vorliegt, kann dabei auch\nim Rahmen des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO nicht ohne Ruckgriff auf die mangels\nkonkreter Vereinbarungen dem Vertragsverhaltnis zugrunde liegenden materiell-\nrechtlichen Regelungen entschieden werden. Da sowohl Deutschland als auch\nBelgien dem Übereinkommen der Vereinten Nationen uber Vertrage uber den\ninternationalen Warenkauf (CISG) beigetreten sind, ist die Frage nach den\nRegeln des CISG zu beurteilen. Nach Art. 31 a CISG hat der Verkaufer, wenn der\nKaufvertrag die Beforderung der Ware erfordert, sie dem ersten Beforderer zur\nÜbermittlung an den Kaufer zu ubergeben. Dieser Ort der Übergabe bestimmt auch\nden Erfullungsort (Staudinger/Magnus, BGB [2004], Art. 31 CISG Rn 24). Der\nVerkaufer „liefert" in diesem Fall im Sinne von Art. 5 EuGVVO bis zur Übergabe\nan den Beforderer. § 31 a CISG greift jedoch nur ein, wenn eine Übergabe an\neinen selbstandigen Beforderer erfolgt, nicht jedoch, wenn der Verkaufer den\nTransport mit eigenen Leuten durchfuhrt (Staudinger/Magnus a.a.O. Rn. 13). Da\nim Streitfall die Beklagte die Anlieferung selbst ubernommen hatte, liegt\nsomit eine den Liefer- und Erfullungsort bestimmende Übergabe an einen Dritten\nund damit ein Versendungskauf im Sinne von Art. 31 a CISG nicht vor. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Das bedeutet nicht, dass damit Art. 31 c CISG eingreift und der Lieferort\nund Erfullungsort am Sitz der Beklagten anzunehmen ist. Denn der Kaufvertrag\nerforderte unstreitig eine Beforderung der Ware, so dass nicht vereinbart war,\ndass die Beklagte die Ware an dem Ort ihrer Niederlassung zur Verfugung zu\nstellen hatte. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Es ist deshalb im Rahmen von Art. 5 EuGVVO ohne Rucksicht auf das anwendbare\nmaterielle Recht autonom zu klaren, was unter dem Ort der Lieferung zu\nverstehen ist. Da sich Art. 5 Nr. 1 b 1. Halbsatz an der Regelung von Art. 46\ndes franzosischen Nouveau Code de Procedure ausrichtet, bietet sich an, die\nfranzosische Rechtsprechung und Literatur zu berucksichtigen\n(Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, CISG, 4. Aufl. 2004, Art. 31 Rn 93).\nDanach befindet sich der tatsachliche Erfullungsort der Lieferpflicht dort, wo\nder Kaufer nach dem Vertrag den korperlichen Gewahrsam an der Ware erlangt\n(Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, a.a.O. Rn. 94, m. w. N.). Unternimmt der\nVerkaufer, wie im Streitfall, den Transport der Ware selber, ohne Einschaltung\neines selbstandigen Beforderers, geht der korperliche Gewahrsam an der Ware\nerst am Bestimmungsort auf den Kaufer uber. Dieser bildet folglich den Ort der\nLieferung und damit den zustandigkeitsbegrundenden Erfullungsort\n(Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer. a.a.O.). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Diese Auslegung des Art. 5 Nr. 1 b 1 entspricht am besten der\nVertragswirklichkeit und ermoglicht die Bestimmung des Lieferorts nach\npragmatischen Kriterien. Jede andere Bestimmung des Lieferorts in Fallen, in\ndenen der Verkaufer den Transport der Ware selbst ubernimmt, widersprache der\npragmatischen Anschauung, dass derjenige liefert, der die Ware an einen\nanderen Ort verbringt, und wurde in diesen Fallen einen juristischen Lieferort\nbegrunden, der der tatsachlichen vertraglichen Abwicklung nicht gerecht wurde. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Eine zu berucksichtigende davon abweichende vertragliche Vereinbarung ergibt\nsich nicht aus § 6 der Allgemeinen Geschaftsbedingungen der Beklagten. Denn §\n6 enthalt nach seinem Wortlaut lediglich eine Gefahrtragungsregel, die nicht\nden Erfullungsort bestimmt (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., 2005, § 269,\nRn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, a.a.O., Rn. 92;\nStaudinger/Magnus, a.a.O. Rn. 32). Dass lediglich eine Gefahrtragungsregel\nvorliegt, wird insbesondere durch Satz 2 deutlich, der fur die Incoterms-\nKlauseln „fob" und „cif", die einen Lieferort festlegen (vgl.\nMunchKommBGB/Westermann, 4. Aufl. 2004, § 447 Rn. 10 f.; Palandt/Heinrichs,\na.a.O. Rn. 10), allein die Gefahrtragung abweichend regelt, im ubrigen aber\ndie Geltung der Klauseln voraussetzt. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die internationale Zustandigkeit des angerufen Gerichts begrundet auch die\nortliche Zustandigkeit, die sachliche Zustandigkeit folgt aus §§ 71, 23 GVG. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Parteien streiten zunachst uber die Zustandigkeit des angerufenen\nGerichts. Über diese im Rahmen der Prufung der Zulassigkeit der Klage zu\nentscheidende Frage war daher zunachst nach § 280 ZPO durch Zwischenurteil zu\nentscheiden. Dass in der mundlichen Verhandlung eine ausdruckliche Anordnung\ngemaß § 280 Abs. 1 ZPO, uber die Zulassigkeit der Klage abgesondert zu\nverhandeln, nicht erging, hindert den Erlass eines Zwischenurteils nicht. Der\nErlass des Zwischenurteils setzt eine ausdruckliche Anordnung der\nabgesonderten Verhandlung nicht voraus (BGH WM 1994, 1051, 1052; so im\nErgebnis schon BGH NJW 1956, 1920, 1921; ebenso Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20.\nAufl., § 280 Rn. 16). Die Beklagte erleidet keinen verfahrensrechtlichen\nNachteil, wenn das Gericht uber Fragen der Zulassigkeit der Klage vorab\nentscheidet, ohne zuvor die abgesonderte Verhandlung angeordnet zu haben.\nDiese Anordnung dient lediglich der Prozessokonomie. Danach hangt auch die\nRechtsmittelfahigkeit des Zwischenurteils nicht von der Anordnung der\nabgesonderten Verhandlung ab. Im Übrigen wurden die Parteien vor Schluss der\nmundlichen Verhandlung - insoweit nicht protokolliert - darauf hingewiesen,\ndass im Fall des Vergleichswiderrufs zunachst eine Entscheidung uber die\nZustandigkeit des Gerichts erfolgen soll. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das angerufene Gericht ist international, sachlich und ortlich zur\nEntscheidung des Rechtsstreits zustandig. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine bindende Gerichtsstandsvereinbarung, die die Zustandigkeit eines\nbelgischen Gerichts begrunden konnte, haben die Parteien nicht geschlossen.\nEine Gerichtsstandsvereinbarung setzt nach Art. 23 EuGVVO voraus, dass sie\nschriftlich oder mundlich mit schriftlicher Bestatigung abgeschlossen wird\noder in einer Form, welchen den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den\nParteien entstanden sind, oder im internationalen Handel in einer Form, die\neinem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten\nund den Parteien von Vertragen dieser Art in dem betreffenden Geschaftszweig\nallgemein kennen und regelmaßig beachten. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Keine dieser Voraussetzungen sind vorgetragen. Allein die Tatsache, dass die\nBeklagten in ihre Rechnungen und Auftragsbestatigungen die Bestimmung eines\nGerichtsstands aufgenommen hat, erfullt weder die Voraussetzungen einer\nschriftlichen Vereinbarung, noch liegt damit eine schriftliche Bestatigung des\nKlagers oder der Beklagten uber eine vorausgegangene mundlichen Vereinbarung\nvor, noch ist ein Handelsbrauch vorgetragen worden, der eine entsprechende\nForm zulasst. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die internationale Zustandigkeit des Gerichts folgt aus Art. 5 Nr. 1 b)\nEuGVVO. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet\neines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn\nein Vertrag oder Anspruche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens\nbilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfullt\nworden ist oder zu erfullen ware. Dabei ist im Sinne dieser Vorschrift bei\neinem Verkauf beweglicher Sachen derjenige Ort der Erfullungsort, an dem die\nSache nach dem Vertrag geliefert worden ist. Dieser Ort ist nicht nur fur die\nvertraglichen Primaranspruche, sondern auch fur aus der Lieferung folgende\nGewahrleistungsanspruche und sonstige vertraglichen Sekundaranspruche als\nErfullungsort maßgeblich. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Mit dieser Regelung wurde abweichend von der nach Art. 5 GVÜ geltenden\nRechtslage (EuGH NJW 1977, 491; NJW 2000, 719) erstmals ein selbstandiger\nErfullungsortbegriff geschaffen, der unabhangig von dem nach den Regeln des\ninternationalen Privatrechts anwendbaren materiellen Recht autonom nach den\nRechtsgrundsatzen der Verordnung des Rates uber die gerichtliche Zustandigkeit\nund die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und\nHandelssachen zu bestimmen ist (Thomas/Putzo, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rn 4). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Das bedeutet allerdings nicht, dass in jedem Fall, in dem die verkaufte Ware\nan den Kaufer geliefert wird, der Wohnsitz des Kaufers den Erfullungsort\nbildet. Vielmehr bildet, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen von einem\nVersendungskauf auszugehen ist, der Ort der Absendung den Erfullungsort, weil\ndann bereits mit der Absendung die Lieferung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b\nEuGVVO erfolgt ist (vgl. Geimer/Schutze, Europaisches Zivilverfahrensrecht, 2.\nAufl. 2004, Art. 5 Rn. 86; a.A. Hager/Bentele, IPRax 2004, 73). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Ein derartiger Versendungskauf ist zwischen den Parteien jedoch nicht\nvereinbart worden. Die Frage, ob ein Versendungskauf vorliegt, kann dabei auch\nim Rahmen des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO nicht ohne Ruckgriff auf die mangels\nkonkreter Vereinbarungen dem Vertragsverhaltnis zugrunde liegenden materiell-\nrechtlichen Regelungen entschieden werden. Da sowohl Deutschland als auch\nBelgien dem Übereinkommen der Vereinten Nationen uber Vertrage uber den\ninternationalen Warenkauf (CISG) beigetreten sind, ist die Frage nach den\nRegeln des CISG zu beurteilen. Nach Art. 31 a CISG hat der Verkaufer, wenn der\nKaufvertrag die Beforderung der Ware erfordert, sie dem ersten Beforderer zur\nÜbermittlung an den Kaufer zu ubergeben. Dieser Ort der Übergabe bestimmt auch\nden Erfullungsort (Staudinger/Magnus, BGB [2004], Art. 31 CISG Rn 24). Der\nVerkaufer „liefert" in diesem Fall im Sinne von Art. 5 EuGVVO bis zur Übergabe\nan den Beforderer. § 31 a CISG greift jedoch nur ein, wenn eine Übergabe an\neinen selbstandigen Beforderer erfolgt, nicht jedoch, wenn der Verkaufer den\nTransport mit eigenen Leuten durchfuhrt (Staudinger/Magnus a.a.O. Rn. 13). Da\nim Streitfall die Beklagte die Anlieferung selbst ubernommen hatte, liegt\nsomit eine den Liefer- und Erfullungsort bestimmende Übergabe an einen Dritten\nund damit ein Versendungskauf im Sinne von Art. 31 a CISG nicht vor. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Das bedeutet nicht, dass damit Art. 31 c CISG eingreift und der Lieferort\nund Erfullungsort am Sitz der Beklagten anzunehmen ist. Denn der Kaufvertrag\nerforderte unstreitig eine Beforderung der Ware, so dass nicht vereinbart war,\ndass die Beklagte die Ware an dem Ort ihrer Niederlassung zur Verfugung zu\nstellen hatte. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Es ist deshalb im Rahmen von Art. 5 EuGVVO ohne Rucksicht auf das anwendbare\nmaterielle Recht autonom zu klaren, was unter dem Ort der Lieferung zu\nverstehen ist. Da sich Art. 5 Nr. 1 b 1. Halbsatz an der Regelung von Art. 46\ndes franzosischen Nouveau Code de Procedure ausrichtet, bietet sich an, die\nfranzosische Rechtsprechung und Literatur zu berucksichtigen\n(Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, CISG, 4. Aufl. 2004, Art. 31 Rn 93).\nDanach befindet sich der tatsachliche Erfullungsort der Lieferpflicht dort, wo\nder Kaufer nach dem Vertrag den korperlichen Gewahrsam an der Ware erlangt\n(Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, a.a.O. Rn. 94, m. w. N.). Unternimmt der\nVerkaufer, wie im Streitfall, den Transport der Ware selber, ohne Einschaltung\neines selbstandigen Beforderers, geht der korperliche Gewahrsam an der Ware\nerst am Bestimmungsort auf den Kaufer uber. Dieser bildet folglich den Ort der\nLieferung und damit den zustandigkeitsbegrundenden Erfullungsort\n(Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer. a.a.O.). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Diese Auslegung des Art. 5 Nr. 1 b 1 entspricht am besten der\nVertragswirklichkeit und ermoglicht die Bestimmung des Lieferorts nach\npragmatischen Kriterien. Jede andere Bestimmung des Lieferorts in Fallen, in\ndenen der Verkaufer den Transport der Ware selbst ubernimmt, widersprache der\npragmatischen Anschauung, dass derjenige liefert, der die Ware an einen\nanderen Ort verbringt, und wurde in diesen Fallen einen juristischen Lieferort\nbegrunden, der der tatsachlichen vertraglichen Abwicklung nicht gerecht wurde. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Eine zu berucksichtigende davon abweichende vertragliche Vereinbarung ergibt\nsich nicht aus § 6 der Allgemeinen Geschaftsbedingungen der Beklagten. Denn §\n6 enthalt nach seinem Wortlaut lediglich eine Gefahrtragungsregel, die nicht\nden Erfullungsort bestimmt (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., 2005, § 269,\nRn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, a.a.O., Rn. 92;\nStaudinger/Magnus, a.a.O. Rn. 32). Dass lediglich eine Gefahrtragungsregel\nvorliegt, wird insbesondere durch Satz 2 deutlich, der fur die Incoterms-\nKlauseln „fob" und „cif", die einen Lieferort festlegen (vgl.\nMunchKommBGB/Westermann, 4. Aufl. 2004, § 447 Rn. 10 f.; Palandt/Heinrichs,\na.a.O. Rn. 10), allein die Gefahrtragung abweichend regelt, im ubrigen aber\ndie Geltung der Klauseln voraussetzt. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die internationale Zustandigkeit des angerufen Gerichts begrundet auch die\nortliche Zustandigkeit, die sachliche Zustandigkeit folgt aus §§ 71, 23 GVG. \n--- \n---\n\n
141,169
olgkarl-2005-07-28-2-ss-8305
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 Ss 83/05
2005-07-28
2019-01-08 17:32:55
2019-02-12 12:20:41
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung\nin die versaumte Frist zur Einlegung der Revision gewahrt.\n\n2\\. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts F. vom\n01. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.\n\nDie Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch uber die Kosten des\nRechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts F. zuruckverwiesen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Das Amtsgericht - Schoffengericht - F. hat den Angeklagten mit Urteil\nvom 03. Mai 2004 „wegen vorsatzlichen unerlaubten Handeltreibens mit\nBetaubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fallen und gewerbsmaßigen\nHandeltreibens mit Betaubungsmitteln" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei\nJahren verurteilt. Daruber hinaus hat es bestimmt, dass die in den\nNiederlanden erlittene Auslieferungshaft im Verhaltnis 1:1 anzurechnen ist. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht F. mit Urteil vom 01.\nDezember 2004 als unbegrundet verworfen und das erstinstanzliche Urteil im\nSchuldspruch dahin gehend neu gefasst, dass der Angeklagte „wegen unerlaubten\nHandeltreibens mit Betaubungsmitteln in 11 Fallen, davon in 10 Fallen mit\nBetaubungsmitteln in nicht geringer Menge" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von\n3 Jahren verurteilt wird. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und die\nVerletzung formellen und materiellen Rechts gerugt. \n--- \n| 4 \n--- \n| II. Dem form- und fristgerecht gestellten Antrag des Angeklagten, ihm\nWiedereinsetzung in die versaumte Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs.\n1 StPO) zu gewahren, war zu entsprechen. Die Revision wurde nicht fristgerecht\neingelegt, weil die Rechtsmittelschrift vom 3. Dezember 2004 nicht von dem\nPflichtverteidiger, sondern von seinem Sozius unterzeichnet war, der die\nPflichtverteidigung nicht ohne Weiteres fur den bestellten Verteidiger fuhren\ndarf (vgl. BGH StV 1981, 393); dass der Sozius als allgemeiner Vertreter des\nPflichtverteidigers gehandelt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 12; NStZ 1992, 248),\nist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Den Angeklagten trifft an diesem\nRechtsirrtum seines Verteidigers freilich kein Verschulden. \n--- \n| 5 \n--- \n| III. Die Revision des Angeklagten hat mit der Ruge einer Verletzung des §\n338 Nr. 3 StPO Erfolg. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch des\nAngeklagten, das wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden der\nStrafkammer gerichtet war, zu Unrecht zuruckgewiesen. \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Anlass fur das zu Beginn der Hauptverhandlung am 06. Oktober 2004\ngestellte Befangenheitsgesuch war die Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden\nim Berufungsrechtszug und eine von ihm abgegebene dienstliche Erklarung im\nVerfahren uber die vom Angeklagten erhobene und auf eine Verletzung des\nBeschleunigungsgrundsatzes gestutzte Haftbeschwerde. \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Dem Befangenheitsgesuch liegt folgender Verfahrenssachverhalt zugrunde: \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Berufungsverfahren ist am 01. Juni 2004 bei der Berufungskammer\neingegangen. Am 03. Juni 2004 setzte sich der Vorsitzende Richter fernmundlich\nmit dem Verteidiger in Verbindung und fragte an, in welchem Umfang die\nBerufung durchgefuhrt werden solle, insbesondere, ob fur die Verhandlung\nnochmals Zeugen geladen werden mussten. Eine Verhandlung mit Beweisaufnahme\nsei „fruhestens im Herbst" des Jahres moglich. Nach einem Gesprach mit seinem\nMandanten informierte der Verteidiger den Vorsitzenden daruber, dass dieser\neine Berufungsbeschrankung ablehne. Anlasslich der Eroffnung des\naktualisierten, an das erstinstanzliche Urteil angepassten, Haftbefehls am 23.\nJuni 2004 erorterte der Vorsitzende Richter auch mit dem - in diesem Termin\nanwaltlich nicht vertretenen - Angeklagten die Moglichkeit einer\nBerufungsbeschrankung und einer Reduzierung der in erster Instanz\nausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafe. Mutmaßlich infolge eines\nMissverstandnisses ging der Vorsitzende davon aus, dass der Angeklagte seine\nBerufung tatsachlich beschranken wolle und bestimmte Termin zur Durchfuhrung\nder Hauptverhandlung auf den 07. Juli 2004; Zeugen wurden nicht geladen. In\nder Hauptverhandlung lehnte der Angeklagte eine Beschrankung seiner Berufung\nauf den Rechtsfolgenausspruch ab und machte geltend, dass er unschuldig sei.\nDaraufhin erklarte der Vorsitzende, eine Durchfuhrung der\nBerufungshauptverhandlung mit Beweisaufnahme werde „dann nicht vor November\n2004" moglich sein. Nachdem in der Folgezeit eine Terminsbestimmung nicht\nerfolgte, legte der Angeklagte Haftbeschwerde ein und rugte, dass der in\nHaftsachen besondere Geltung beanspruchende Beschleunigungsgrundsatz\nsystematisch verletzt worden sei und der Verdacht bestehe, dass der\nVorsitzende spater eingegangene Nichthaftsachen vorrangig verhandele. In\nseinem Nichtabhilfebeschluss vom 03. August 2004 wiederholte der Vorsitzende\nder Strafkammer, dass die Durchfuhrung einer mehrtagigen\nBerufungshauptverhandlung mit umfassender Beweisaufnahme in dieser Sache nicht\nvor November 2004 moglich sei. Die vom Verteidiger begehrte kurzfristige\nTerminierung vor dessen Urlaub sei nicht moglich, weil die erforderliche\nVorbereitungszeit fur das umfangreiche Verfahren wegen der Befassung mit\nanderen Verfahren nicht zur Verfugung stehe. Die Strafkammer verhandele seit\ndem 12. Juli 2004 ein umfangreiches Betrugsverfahren mit Fortsetzungsterminen\nam 04. und 05. August 2004 und moglichen weiteren Terminen. In den bis zum 11.\nSeptember 2004 dauernden Schulferien sei die Durchfuhrung einer mehrtagigen\nHauptverhandlung mit etlichen Zeugen erfahrungsgemaß wenig produktiv; bis zum\n24. September 2004 befinde er sich im Urlaub und nehme anschließend an einer\nFortbildung teil. Im Oktober 2004 sei eine umfangreiche Wirtschaftsstrafsache\nmit 6 bis 8 Verhandlungstagen vorgesehen. Unter anderem ist in der\nNichtabhilfeentscheidung auch ausgefuhrt: „Naturlich werden - soweit moglich -\ndie zur Verfugung stehenden Sitzungstage ausgeschopft mit kurzen Sachen wie\nBerufungen, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschrankt sind oder in denen\nein Gestandnis vorliegt. Am 26.07.2004 wurde die Haftsache V. (7 AK 77/04)\nverhandelt; es wurde Revision sowie Haftbeschwerde eingelegt, so dass das\nUrteil beschleunigt abzusetzen ist." \n--- \n| 9 \n--- \n| Nachdem der mit der Haftbeschwerde befasste Senat zur Vorbereitung seiner\nEntscheidung um eine Bekanntgabe der Hauptverhandlungstermine fur die nachsten\nMonate gebeten hatte, ubersandte der Vorsitzende einen Terminplan bis November\n2004, der in der zweiten Oktoberwoche keine Hauptverhandlungstermine vorsah.\nDer Senat hatte daraufhin um erganzende Auskunft daruber gebeten, aus welchen\nGrunden eine Verhandlung des vorliegenden Verfahrens im Oktober nicht moglich\nsein sollte. Der Vorsitzende teilte mit dienstlicher Stellungnahme vom\n18.08.2004 mit, er werde „im Hinblick auf die erkennbaren Bedenken des Senats"\nTermin zur Durchfuhrung der Berufungshauptverhandlung nunmehr auf den 06.\nOktober 2004 mit zwei Fortsetzungsterminen bestimmen. \n--- \n| 10 \n--- \n| b) Mit seinem Ablehnungsgesuch macht der Angeklagte geltend, der\nVorsitzende habe ihn zunachst dadurch, dass er eine Reduzierung der Strafe bei\neiner Berufungshauptverhandlung ohne Beweisaufnahme - also einer Beschrankung\nder Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch - in Aussicht gestellt habe, unter\nDruck gesetzt, seine Berufung zu beschranken. Nachdem er eine\nBerufungsbeschrankung unter Hinweis auf seine Unschuld abgelehnt habe, habe\nder Vorsitzende behauptet, eine Berufungshauptverhandlung sei dann nicht vor\nNovember 2004 moglich. Diese Behauptung, der er zunachst Glauben geschenkt\nhabe, habe der Vorsitzende in der auf seine Haftbeschwerde hin ergangenen\nNichtabhilfeentscheidung wiederholt; sie habe sich spater als objektiv falsch\nerwiesen. Der Vorsitzende habe die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft\ngegen ihn ohne sachlichen Grund angeordnet und eine Terminierung noch im\nOktober nur aufgrund der vom Senat im Haftbeschwerdeverfahren geaußerten\nBedenken avisiert. Daruber hinaus habe er in der Nichtabhilfeentscheidung auch\nbehauptet, am 26. Juli 2004 „die Haftsache V." verhandelt zu haben und habe\ndamit eine zur Tauschung geeignete Behauptung aufgestellt. Die Sache sei erst\nim Verlauf der Berufungshauptverhandlung zu einer Haftsache geworden sei, weil\nder abgelehnte Richter die Angeklagte am Ende der Sitzung verhaftet habe. Ein\nverstandiger Angeklagter musse die aufgestellte Behauptung des abgelehnten\nRichters als unwahr ansehen und annehmen, dass er von der Schuld des\nAngeklagten bereits uberzeugt sei, da er andernfalls anders als hier geschehen\ngehandelt hatte. \n--- \n| 11 \n--- \n| c) Zu dem Ablehnungsgesuch erklarte der abgelehnte Richter dienstlich, dass\nder im Ablehnungsgesuch geschilderte außere Ablauf der Ereignisse richtig sei.\nDie Bezeichnung der Sache V. als Haftsache sei missverstandlich, er habe\nlediglich auf das Erfordernis einer beschleunigten Urteilsabsetzung hinweisen\nwollen, die der vom Verteidiger angeregten kurzfristigen Terminierung noch vor\ndem 15. August 2004 entgegen gestanden habe. \n--- \n| 12 \n--- \n| d) Das Landgericht hat den Ablehnungsantrag des Angeklagten als unbegrundet\nzuruckgewiesen. Soweit er darauf gestutzt sei, der abgelehnte Richter habe im\nVerfahren uber die Haftbeschwerde die objektiv falsche Behauptung aufgestellt,\neine Terminierung sei nicht vor November 2004 moglich, liege hierin keine\nTatsachenbehauptung, sondern eine Wertung innerhalb des dem Vorsitzenden bei\nder Terminsbestimmung zustehenden Ermessens. Allenfalls grobe, den Anschein\nder Willkur erweckende Rechtsfehler begrundeten insoweit den Vorwurf der\nBefangenheit, die hier nicht hinreichend dargetan seien. Der Vorsitzende sei\nsich des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebots bewusst gewesen, er\nhabe es lediglich zunachst fur zulassig gehalten, dem vorliegenden Verfahren\nkeinen absoluten Vorrang vor anderen Verfahren einzuraumen. Dies sei\nvertretbar, jedenfalls noch nicht willkurlich, zumal gegen die Annahme\nwillkurlichen Verhaltens spreche, dass der abgelehnte Richter - nachdem der\nStrafsenat Bedenken gegen seine Terminsplanung angedeutet habe -\nHauptverhandlungstermin noch im Oktober 2004 bestimmt habe. Auch der Umstand,\ndass der abgelehnte Richter in seinem Nichtabhilfebeschluss eine unzutreffende\nBehauptung aufgestellt habe, begrunde die Besorgnis der Befangenheit nicht.\nDie Einordnung eines Verfahrens als „Haftsache", obwohl sie erst mit Erlass\neines Haftbefehls durch den abgelehnten Richter am Ende der\nBerufungshauptverhandlung zu einer solchen geworden sein, konne zwar\nmissverstanden werden. Spater sei freilich deutlich geworden, dass die\nEinordnung des Verfahrens als besonders eilbedurftig ihren sachlichen Grund\naus der Sicht des abgelehnten Richters in der Notwendigkeit rascher\nUrteilsabsetzung finde. \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. Das Ablehnungsgesuch des Angeklagten gegen den Vorsitzenden Richter der\nStrafkammer war begrundet. Seine Verfugungen und Erklarungen im Zusammenhang\nmit der Terminierung der Berufungshauptverhandlung und der Anordnung der\nHaftfortdauer sind in ihrer Gesamtschau geeignet, auch bei einem besonnenen\nAngeklagten den Anschein einer willkurlichen Ausubung des richterlichen\nErmessens im Rahmen der Terminsbestimmung zu erwecken und Misstrauen gegen die\nUnparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). \n--- \n| 14 \n--- \n| a) Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist gerechtfertigt, wenn\nder Ablehnende bei verstandiger Wurdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund\nzu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenuber eine innere\nHaltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit storend\nbeeinflussen kann (BVerfGE 32, 288 <290>; BGHSt 24, 336 <338>). Die Mitwirkung\ndes Richters an Zwischenentscheidungen in dem anhangigen Verfahren und die\ndabei geaußerten Rechtsmeinungen rechtfertigen in der Regel nicht die Annahme\nder Befangenheit (vgl. BGHSt 48, 4 <8> m.w.N.). Sogar Verfahrensverstoße, die\nauf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen oder sogar unhaltbaren\nRechtsansicht beruhen, stellen grundsatzlich keinen Ablehnungsgrund dar, weil\nsachliche und rechtliche Fehler fur sich nicht geeignet sind, die Besorgnis\nder Befangenheit eines Richters zu begrunden (BGH, a.a.O.). Anderes gilt\nfreilich dann, wenn die Entscheidungen des Richters abwegig sind oder sogar\nden Anschein der Willkur wecken. Die Befangenheit kann sich auch daraus\nergeben, dass das Verhalten des Richters vor der Hauptverhandlung besorgen\nlasst, er werde nicht mehr unvoreingenommen an die Sache herangehen, weil er\nbeispielsweise deutlich zum Ausdruck bringt, von der Schuld des Angeklagten\nbereits endgultig uberzeugt zu sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 24\nRdn. 15). Die ursprunglich begrundete Besorgnis kann durch die dem Ablehnenden\nbekannt gemachte dienstliche Äußerung des Richters nach § 26 Abs. 3 StPO\nausgeraumt werden (BGH wistra 2002, 267 ff.; BGH, BGHR StPO § 24 Abs. 2\nBefangenheit 14). \n--- \n| 15 \n--- \n| b) Gemessen an diesen Maßstaben begrundeten die Erklarungen des\nVorsitzenden im Verfahren uber die Haftfortdauer und sein Verhalten bei der\nTerminsbestimmung die Besorgnis der Befangenheit. Ein verstandiger Angeklagter\nmusste aus dem Verhalten des Vorsitzenden berechtigterweise schließen, dass\ndieser ihm gegenuber nicht mehr die erforderliche Unparteilichkeit und\nUnvoreingenommenheit aufbringen wurde. \n--- \n| 16 \n--- \n| In seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 03.08.2004 - der Angeklagte befand\nsich zu diesem Zeitpunkt mehr als 13 Monate in Auslieferungs- und\nUntersuchungshaft - hat der Vorsitzende ausgefuhrt, dass \n--- \n| 17 \n--- \n| ein fruherer Termin als November 2004 nicht moglich sei, \n--- \n| 18 \n--- \n| und im Zusammenhang damit unter anderem darauf hingewiesen, dass am 26.\nJuli die „ Haftsache V." verhandelt worden sei. \n--- \n| 19 \n--- \n| Beides traf objektiv nicht zu. \n--- \n| 20 \n--- \n| aa) Dem Landgericht ist zwar zuzugeben, dass die gewahlte Formulierung eine\nim Terminierungsermessen des Strafkammervorsitzenden liegende Wertung enthalt.\nIndessen erschopft sie sich hierin nicht. Als Mitteilung eines langjahrig\nerfahrenen Strafkammervorsitzenden an die Verfahrensbeteiligten in einer\nbesonders eilbedurftigen Haftsache impliziert sie auch die tatsachliche\nAuskunft, dass die Kammer bis November 2004 durch vorrangig zu bearbeitende\nSachen derart in Anspruch genommen ist, dass durch Hauptverhandlungen, ihre\nVorbereitung und durch Urteilsabsetzungen keine Kapazitat mehr vorhanden ist,\ndie es erlauben wurde, das Verfahren - gegebenenfalls auf einen\naußerordentlichen Sitzungstag - zu terminieren. Dies traf indes - worauf der\nAngeklagte zutreffend hingewiesen hat - objektiv nicht zu. Im Terminplan der\nStrafkammer waren fur die zweite Oktoberwoche keine Hauptverhandlungen\nvorgesehen. Der Strafkammervorsitzende hat hierzu erklart, er habe sich diese\nWoche fur die Mitwirkung an Vortragen und Diskussionen in der „Woche der\nJustiz" in Freiburg freigehalten. Fur die zweite Oktoberhalfte war eine\nHauptverhandlung in einer umfangreichen Nicht-Haftsache lediglich vorgesehen,\njedoch noch nicht terminiert. \n--- \n| 21 \n--- \n| Daraus folgt, dass die Behauptung, eine Terminierung vor November sei nicht\nmoglich gewesen, objektiv nicht zutraf. \n--- \n| 22 \n--- \n| bb) Die Mitteilung, am 26.07.2004 sei die „Haftsache V." verhandelt worden,\nist von vergleichsweise weit geringerem Belang, weil der\nStrafkammervorsitzende insoweit das Hauptgewicht auf die Eilbedurftigkeit der\nUrteilsabsetzung gelegt hat. Doch ist der Revision zuzugeben, dass dem\nStrafkammervorsitzenden auch hier eine objektiv nicht nur missverstandliche\nDarstellung unterlaufen ist, die zu einer fehlerhaften Einschatzung der\nBelastung der Kammer mit vorgreiflichen oder gleichrangigen Verfahren\nbeitragen konnte. Die Bezeichnung „Haftsache" beinhaltet, dass es sich hierbei\num ein Verfahren gehandelt habe, das wegen der Inhaftierung des oder der\nAngeklagten von mindestens vergleichbarer Eilbedurftigkeit war wie das\nVorliegende. Gerade dies war aber nicht der Fall. Zum Zeitpunkt der\nTerminsbestimmung bis kurz vor Ende der Hauptverhandlung war dieses Verfahren\nkeine Haftsache gewesen. Dass es danach noch zu einer solchen wurde, war im\nBegrundungszusammenhang dafur, dass das vorliegende Verfahren nicht eher\nverhandelt werden konnte, erkennbar ohne Belang. \n--- \n| 23 \n--- \n| cc) Der Revision ist darin zuzustimmen, dass die beiden\nTatsachenbehauptungen im Nichtabhilfebeschluss der Strafkammer vom 03.08.2004,\ndie sich spater als unzutreffend erwiesen haben, bei einer Gesamtschau des\nVerfahrensverlaufs im Berufungsverfahren aus der Sicht eines verstandigen\nAngeklagten geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begrunden. Er\nkonnte den Eindruck gewinnen, dass der Strafkammervorsitzende die\nTerminsbestimmung aus sachwidrigen und damit willkurlichen Erwagungen\ngetroffen habe und die spate Terminierung letztlich als Sanktion fur die\nverweigerte Berufungsbeschrankung ansehen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Bei der insoweit gebotenen Gesamtschau des Verfahrensablaufs im\nBerufungsrechtszug war zu berucksichtigen, dass der Vorsitzende sich nur\nwenige Tage nach Eingang der Akten mit dem Verteidiger des Angeklagten in\nVerbindung setzte, um zu erfragen, in welchem Umfang die Berufung durchgefuhrt\nwerden solle. Dies und der weitere Hinweis, dass eine\nBerufungshauptverhandlung ohne Zeugen zeitnah, eine Berufungshauptverhandlung\nmit Beweisaufnahme dagegen erst im Herbst in Betracht komme, ist freilich fur\nsich genommen nicht zu beanstanden, zumal der Urlaub des Verteidigers und des\nStrafkammervorsitzenden bevorstand. Auch ein Hinwirken auf eine\nBerufungsbeschrankung im Termin uber die Eroffnung des Haftbefehls begegnet\nnicht ohne Weiteres Bedenken, wenn sie Ausdruck einer nach Aktenlage\ngewonnenen und notwendig vorlaufigen Einschatzung der vermutlichen\nErfolgsaussichten des Rechtsmittels ist; sie setzt freilich - da der\nBerufungsrechtszug eine zweite Tatsacheninstanz ist, das erstinstanzliche\nUrteil also nicht lediglich einer Richtigkeitskontrolle unterzogen wird -\nAktenkenntnis voraus, da sich andernfalls verlassliche Aussagen uber die\nmoglichen Erfolgsaussichten der Berufung nicht treffen lassen. Vor diesem\nHintergrund hat der Vorsitzende einen ersten Berufungshauptverhandlungstermin\nzeitnah nach Eingang der Akten im Juli 2004 bestimmt, fur den er sich - auch\nwenn er irrig mit einer Beschrankung der Berufung auf den\nRechtsfolgenausspruch rechnete - in den umfangreichen Verfahrensstoff\neinarbeiten musste. Bei dieser Sachlage erscheint die vom Vorsitzenden nach\nAussetzung der Hauptverhandlung abgegebene Erklarung, eine Neuterminierung sei\nim Hinblick auf den Vorbereitungsaufwand erst im November und damit rund 3\nMonate spater moglich, bereits fur sich genommen ungewohnlich und kaum\nnachvollziehbar, zumal es sich vorliegend um eine besonders eilbedurftige\nHaftsache handelte. Ein entsprechender Zeitraum kann in der hier vorliegenden\nbesonderen Fallkonstellation freilich ausnahmsweise aufgrund der Belastung\neines Spruchkorpers mit anderen Haftsachen oder sonstigen eilbedurftigen\nStrafsachen wie beispielsweise Fuhrerscheinsachen unvermeidlich und daher\ngerechtfertigt sein. Hier tritt freilich hinzu, dass der abgelehnte Richter\nvorrangig zu bearbeitende eilbedurftige Sachen nicht benannt hat, sondern an\nseinen Sitzungstagen weniger eilbedurftige, moglicherweise sogar spater\neingegangene Sachen verhandelte. Bei dieser Sachlage fehlt es auch unter\nBerucksichtigung des weiten Ermessenspielraums des Vorsitzenden bei der\nTerminierung der anhangigen Sachen an nachvollziehbaren Grunden fur die\nTerminierung der Haftsache erst im November 2004. Aus der Sicht des\nAngeklagten ist daher entweder die Besorgnis begrundet, der Vorsitzende habe\nihm - ohne genugende Vorbereitung, gleichsam ins Blaue hinein - nachhaltig zur\nBerufungsbeschrankung geraten, weil er - ungeachtet der Beweislage - letztlich\nbereits von seiner vollen Schuld uberzeugt ist, oder er habe die Haftsache\nmehrere Monate ohne nachvollziehbaren Grund nicht terminiert, um die\nverweigerte Berufungsbeschrankung zu sanktionieren. Beides rechtfertigt die\nBesorgnis der Befangenheit. \n--- \n| 25 \n--- \n| dd) Dass der Strafkammervorsitzende den Hauptverhandlungstermin in den im\nOktober freigehaltenen Zeitraum verlegte, konnte die durch die abgegebenen\nErklarungen und die Verfahrensweise bei der Terminierung begrundete Besorgnis\nder Befangenheit aus der Sicht des Angeklagten nicht mehr entfallen lassen,\ndenn zu dieser Terminsverlegung sah sich der Vorsitzende seiner ausdrucklichen\nErklarung zufolge erst durch die im Haftbeschwerdeverfahren erkennbar\ngewordenen Bedenken des Senats veranlasst. \n--- \n| 26 \n--- \n| IV. Bei dieser Sachlage war das Urteil gemaß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben\nund die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer\ndes Landgerichts zuruckzuverweisen. \n---\n\n
151,826
vghbw-2007-10-09-7-s-249803
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
7 S 2498/03
2007-10-09
2019-01-09 21:09:50
2019-01-17 12:04:31
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDas Verfahren ist gebuhrenpflichtig.\n\nDer Auslagenpauschsatz wird auf EUR 800,00 festgesetzt.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin ist unter der Ord.Nr. ... Teilnehmerin des\nFlurbereinigungsverfahrens ...-...-..., Landkreis Rottweil, das mit\nunanfechtbarem Flurbereinigungsbeschluss vom 19.07.1974 angeordnet wurde. Das\nFlurbereinigungsgebiet wird von der Autobahn A 81 durchzogen. Die fur dieses\nStraßenbauvorhaben erforderlichen Flachen sollen im Rahmen der Flurbereinigung\nbereitgestellt werden. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin, ein Gipsabbauunternehmen, brachte in das Verfahren insgesamt\n175 Flurstucke mit zusammen 44,7190 ha ein. Die Einlagegrundstucke\nkonzentrierten sich im Wesentlichen auf drei raumliche Schwerpunkte: ca. 25,5\nha auf Gemarkung ... (hier betreibt die Klagerin einen Gipssteinbruch und\nverfugt uber potenzielle Erweiterungsflachen), ca. 16 ha auf Gemarkung ...,\ndie uberwiegend mit Abbaurechten zugunsten der Fa. ... belastet sind und ca.\n3,5 ha bei der ... ...-..., wo sich ein ausgebeuteter und derzeit\nstillgelegter Steinbruch befindet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Auf entsprechenden Antrag erhielt die Klagerin in den Jahren 1991 und 2000\njeweils eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamtes Rottweil\nzur Erweiterung und zum Betrieb des Gipssteinbruches im Gewann „...", ... ....\nDas Amt fur Flurneuordnung und Landentwicklung Rottweil (im Folgenden: Amt)\nerteilte jeweils die nach § 34 FlurbG erforderliche Zustimmung. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 20.09.1977 wurde das Wertermittlungsverfahren eingeleitet. Seine\nErgebnisse lagen in der Zeit vom 13. bis 23. Marz 1984 fur die Beteiligten zur\nEinsichtnahme aus; die Bekanntgabe und Erlauterung der Ergebnisse erfolgte in\nAnhorungsterminen vom 14. und 21.03.1984. In diesen Terminen, die ebenso wie\ndie Zeiten der Offenlage der Ergebnisse offentlich bekannt gemacht worden\nwaren, erhob die Klagerin keine Einwendungen. In einem Schreiben vom\n28.02.1984 hatte sie dem Beklagten jedoch mitgeteilt, dass sie auf\nverschiedenen Grundstucken Bohrungen durchgefuhrt habe, um eine exakte\nWertermittlung durchfuhren zu konnen. Ein umfangreiches Gutachten mit den\nexakten Wertanalysen des Rohsteinvorkommens befinde sich derzeit in\nBearbeitung. Außerdem bat sie, ihr die Ergebnisse der Wertermittlung\nschriftlich mitzuteilen, damit sie mit dem Sachverstandigen-Gremium besprochen\nwerden konnten. Im Antwortschreiben vom 01.03.1984 wies der Beklagte auf einen\nals Anlage ubersandten Auszug mit den in das Verfahren eingebrachten\nGrundstucken und deren Einordnung in die landwirtschaftlichen Bodenklassen 1\nbis 8 hin. Außerdem teilte er der Klagerin mit, dass das Abbauland fur Gips in\ndie Bodenklasse 10 eingestuft werde, soweit eine Genehmigung bzw. die Aufnahme\nin den Flachennutzungsplan vorliege. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| In seinen Sitzungen vom 21.05.1992 und 11.03.1993 erganzte der Vorstand der\nTeilnehmergemeinschaft den am 20.09.1977 beschlossenen Rahmen der\nWertermittlung, der 8 Bodenklassen fur landwirtschaftliche Grundstucke vorsah,\naber Land von besonderer Verwertbarkeit nicht berucksichtigte, u.a. wie folgt:\n„Genehmigte Gipsabbauflachen werden mit 4,-- DM/m² bewertet. Damit ergibt sich\nder endgultige Wertrahmen mit 15 Klassen, die in der Vorstandssitzung vom\n21.05.1992 beschlossen wurden. Ziffer 4 des Rahmens fur die Wertermittlung vom\n20.09.1977 ist uberholt." \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die gesamten Ergebnisse der Wertermittlung - einschließlich der Erganzung im\nHinblick auf das Land von besonderer Verwertbarkeit - wurden in den Rathausern\n..., ... und ... zur Einsichtnahme ausgelegt; der Anhorungstermin, der ebenso\nwie die Zeiten der Einsichtnahme offentlich bekannt gemacht wurde, fand am\n03.05.1993 statt. Die Klagerin erhob keine Einwendungen und sie legte auch\nkeinen Widerspruch gegen den **Feststellungsbeschluss vom 10.06.1993** ein,\nmit dem das Amt die Ergebnisse der Wertermittlung aller in das\nFlurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstucke feststellte. Der\nFeststellungsbeschluss wurde u.a. im Amtsblatt der Gemeinde ... am 24.06.1993\noffentlich bekannt gemacht; die Klagerin legte innerhalb der Widerspruchsfrist\nvon einem Monat keinen Widerspruch ein. Der Beschluss ist insgesamt seit dem\n16.03.1995 unanfechtbar. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im sogenannten Wunschtermin fur die Zuteilung nach § 57 FlurbG am 21.09.1993\nlegte die Klagerin konkret ihre Vorstellungen zur Landabfindung dar. Unter\nanderem machte sie geltend, dass ihr der Gipsbruch einschließlich der von der\nGemeinde erworbenen, aber noch nicht im Grundbuch eingetragenen Flachen\nzugeteilt werden sollen; außerdem solle die Zuteilung in den Blocken Nr. 4 im\nBereich der Einlage (moglichst weit ostlich) erfolgen, da hier der Gips\nanstehe. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Unter dem 30.08.1994 ordnete das Amt fur das gesamte Flurbereinigungsgebiet\ndie **vorl aufige Besitzeinweisung** auf den 24.10.1994 (Stichtag der\nWertgleichheit von Einlage und Abfindung) an. Am 18.10.1994 legte die Klagerin\nhiergegen Widerspruch ein und machte geltend, dass die zugewiesenen\nGrundstucke vor allem in einem Gebiet lagen, in dem keinerlei Gipsvorkommen\nvorhanden sei. Da bisher alle ihre Grundstucke uberwiegend im Bereich des\nGipsvorkommens gelegen hatten, konne sie der Zuweisung nicht zustimmen. Die\nNeuzuteilung weise eine im Vergleich zur Einlage um rund 1,3 ha kleinere\nGipsflache aus und uberdies eine Flache von 1,1 ha in einem nicht abbaufahigen\nGebiet. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid des Landesamtes fur\nFlurneuordnung und Landentwicklung Baden-Wurttemberg (im folgenden: Landesamt)\nals unbegrundet zuruckgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage wurde am\n17.08.2005 im Rahmen eines vor dem erkennenden Senat geschlossenen\ngerichtlichen Vergleichs zuruckgenommen (Az.: 7 S 2442/03). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Schreiben vom 01.03.1996 an das Landesamt erhob die Klagerin\ninsbesondere gegen die Zuteilung und den Wegebau „Beschwerde". Da ihre\nEinlagegrundstucke uberwiegend im Gipskeupergebiet gelegen hatten, handele es\nsich um Gelande mit besonderer Verwertbarkeit. Darauf sei bei der\nWertermittlung jedoch keine Rucksicht genommen worden. Der Flachenabzug und\nder Schaden durch den Wegebau sowie durch die Zuteilung von Grundstucken, die\nnicht abbauwurdig seien, seien extrem hoch. Der Verlust liege bei mindestens\n300.000 t Rohgips, wobei die unterschiedliche Lagerstattenhohe und die\nNeuerschließung eines Bruches in den Kosten fur den Verlust des Gipsabbaues\nnoch gar nicht berucksichtigt seien. Durch die vorlaufige Besitzweinweisung\nsei klar ersichtlich, dass andere Unternehmen, die im Bereich der\nGipsabbaugebiete gelegen seien, weitaus gunstiger behandelt worden seien; sie\nwerde außerdem von Konkurrenzunternehmen „eingeschnurt". Es sei absolut\nunzulassig, Vorratsflachen fur den Gipsabbau bei der Bewertung lediglich als\nlandwirtschaftliche Flachen einzustufen. In seinem Antwortschreiben vom\n06.05.1996 wies das Landesamt die Klagerin darauf hin, dass die\nWertermittlungsergebnisse unanfechtbar seien. Allerdings seien der Klagerin\ndurch die vorlaufige Besitzeinweisung auch Flachen zugeteilt worden, die sie\nzwar kauflich von der Gemeinde erworben habe, die jedoch noch nicht im\nGrundbuch eingetragen seien. Dennoch sei die Klagerin bei der vorlaufigen\nBesitzeinweisung so behandelt worden, als ob es Eigentumsflachen seien. Die\nderzeitige Zuteilung konne nur dann in den Flurbereinigungsplan ubernommen\nwerden, wenn die Kaufvertrage auch im Grundbuch vollzogen seien. Wenn dies\nnicht alsbald geschehe, musste die Zuteilung geandert werden. Es sei nicht\nerkennbar, dass der Klagerin durch die zugeteilten Grundstucke ein Schaden\nentstanden sei. Vielmehr entspreche diese weitgehend den geaußerten Wunschen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Im **Flurbereinigungsplan vom 24.08.1998** erhielt die Klagerin 13\nFlurstucke mit zusammen 42,2444 ha (= 1890,89 WE) als Landabfindung\nzugewiesen. Die gegenuber dem ermittelten Anspruch von 1891,14 WE sich\nergebende Minderausweisung von 0,25 WE wurde in Geld ausgeglichen\n(Kapitalisierungsfaktor 640 DM/WE). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Im Anhorungstermin nach § 59 FlurbG am 26.02.1999 erhob die Klagerin\nWiderspruch gegen den Flurbereinigungsplan und ubergab zur Begrundung ein\nSchreiben vom 26.02.1999. Darin wird im Wesentlichen ausgefuhrt, dass ihre\nbetriebswirtschaftlichen Verhaltnisse nicht hinreichend berucksichtigt worden\nseien. Statt der Zuteilung von fur den Betrieb des Gipsabbaus wenig oder\nungeeigneten Grundstucken hatten ihr weitere Grundstucke im westlichen und\nnordwestlichen Bereich zugewiesen werden mussen, die sich gerade fur den\nGipsabbau eigneten. Die von ihr eingebrachten Gipsabbauflachen durften auch\nnicht nur nach dem Bodennutzungswert fur landwirtschaftliche Grundstucke,\nsondern mussten nach dem Verkehrswert fur Bauflachen und Bauland bewertet\nwerden; jedenfalls musse ein hoherer Wert als fur die landwirtschaftliche\nBodennutzung berucksichtigt werden. Nur dies entspreche der Maßgabe des § 44\nFlurbG. Außerdem sei der vorgenommene pauschale Flachenabzug von 5 %\nunzulassig. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| In der Folgezeit kam es im Zuge einer angestrebten gutlichen Regelung zu\nmehreren Verhandlungen und Besprechungen zwischen dem Beklagten einerseits und\nder Klagerin und deren Pachtern andererseits, ohne dass ein konkretes Ergebnis\nerzielt werden konnte. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Am 11.10.2001 legte die Klagerin auch **Widerspruch gegen den\nFeststellungsbeschluss vom 16.06.1993** ein. Zur Begrundung wird ausgefuhrt:\nTrotz der am 16.03.1995 eingetretenen Bestandskraft des\nFeststellungsbeschlusses sei der Widerspruch zulassig. Er sei gemaß § 134 Abs.\n2 und 3 FlurbG im Wege der Nachsichtgewahrung zuzulassen. Das dem Beklagten\ninsoweit zustehende Ermessen sei auf Null reduziert, da das\nWertermittlungsverfahren mit einem besonders schweren und offensichtlichen\nRechtsfehler behaftet sei. Dieser bestehe darin, dass die von ihr\neingebrachten Vorratsflachen im Bereich des Gipsvorkommens lediglich nach\nihrem landwirtschaftlichen Nutzen bewertet worden seien. Richtigerweise hatte\ndas Gipsvorkommen in den Grundstucken jedoch gesondert berucksichtigt werden\nmussen. Dies hatte entweder dadurch geschehen konnen, dass die Vorratsflachen\nals sogenanntes „begunstigtes Agrarland" in eine hohere Bodenklasse eingestuft\nworden waren oder das Gipsvorkommen nach § 28 Abs. 2 FlurbG gesondert bewertet\nund in Geld abgefunden worden ware. Denn zu den wesentlichen Bestandteilen\ni.S.d. § 28 Abs. 2 FlurbG zahlten auch grundeigene Bodenschatze. Mit der\nAufhebung des Feststellungsbeschlusses werde auch dem Flurbereinigungsplan die\nGrundlage entzogen, so dass auch dieser aufzuheben sei. Unabhangig hiervon sei\ndieser aber auch auf den Widerspruch vom 18.03.1999 hin aufzuheben. Denn\naufgrund der vollig fehlenden Berucksichtigung des Gipsvorkommens in den\nVorratsgrundstucken verstoße der Flurbereinigungsplan gegen den Grundsatz der\nWertgleichheit von Einlage und Abfindung. Zu den nach § 44 Abs. 2 FlurbG zu\nberucksichtigenden Umstanden gehore auch das Vorkommen von Bodenschatzen,\nunabhangig davon, ob bereits eine Abbaugenehmigung vorliege oder nicht. Das\nAmt hatte sich daher bei der Ausgestaltung der Abfindung nicht allein an den\nsich aus der Wertermittlung ergebenden Wertverhaltnissen orientieren durfen,\nsondern hatte vielmehr den Umstand berucksichtigen mussen, dass in dem Gebiet\nein Gipsvorkommen gegeben sei, dessen Machtigkeit von Flurstuck zu Flurstuck\nvariiere. Die ihr zugewiesenen Abfindungsflurstucke enthielten ca. 700 000 t\nweniger Gips als die von ihr eingeworfenen Grundstucke. Von einer wertgleichen\nAbfindung konne danach nicht die Rede sein. Auch habe sie mit uber 7,00 DM/m²\nin etwa den doppelten Preis wie fur lediglich landwirtschaftlich nutzbare\nFlachen bezahlt. Mit Schriftsatz vom 29.10.2001 reichte die Klagerin noch die\nUnterlagen nach, aufgrund derer sie die Differenz zwischen der Gipsmenge in\nden Einlageflurstucken und der Gipsmenge in den Abfindungsflurstucken\nermittelt hatte; darunter den vollstandigen Bericht uber die\nBohruntersuchungen „...-..." vom 13.01.1984 von Dipl.-Geol. ... ... sowie\nderen undatierten Bericht uber das „... x ...-...". \n--- \n| 14 \n--- \n| Am 16.07.2002 wurde der Klagerin der sie betreffende **Nachtrag 1** zum\nFlurbereinigungsplan bekanntgegeben. Mit diesem wurde die bisherige (Teil-)\nAbfindung der Klagerin mit den Flurstucken Nrn. ..., ..., ... auf Gemarkung\n... und Nr. ... auf Gemarkung ... mit zusammen 988,54 WE aufgehoben und durch\ndie neuen Abfindungsflurstucke Nrn. ..., ..., ..., ... und ... mit insgesamt\n988,57 WE ersetzt. Im Anhorungstermin vom 20.08.2002 legte die Klagerin auch\ngegen den Nachtrag 1 Widerspruch ein. \n--- \n| 15 \n--- \n| In der Folgezeit fanden erneut Gesprache und Verhandlungen zwischen den\nBeteiligten statt, in deren Verlauf das Landesamt auch Auskunfte des\nLandesamtes fur Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Wurttemberg (im\nFolgenden: LGRB) einholte. In der Stellungnahme des LGRB vom 23.05.2003 wird\nunter anderem ausgefuhrt, dass zusammenfassend hinsichtlich des alten und\nneuen Bestandes der Klagerin gesagt werden konne, dass beide Gebiete in den\nBereichen mit den hochsten Gipsgesteinsmachtigkeiten lagen. Insbesondere sei\nanzumerken, dass die Grundstucke aus dem alten Bestand im westlichen Bereich\n(westliche Teile der Gewanne ... ... ... ...) im neuen Bestand aufgrund der\nFlurbereinigung nicht mehr vorhanden seien. Besonders hier, aber auch im\nwestlichen Teil des Gewanns ... sei eine geringere Gipsgesteinsmachtigkeit zu\nerwarten. Aufgrund der Ergebnisse der Bohrkampagne von 1983 sei zwar eine\nuberschlagige Einschatzung der in der untersuchten Flache zu erwartenden\nGipsgesteinsmachtigkeit und -qualitat moglich, deren Ergebnisse seien jedoch\nfur eine parzellenscharfe und hinreichend genaue Massenermittlung der zu\nerwartenden Gipsmenge in Einlage und Abfindung unzureichend. In der\nStellungnahme des LGRB vom 04.12.2003 wird unter anderem ausgefuhrt, dass fur\neine parzellenscharfe und hinreichend genaue Massenermittlung der zu\nerwartenden Gipsmenge in Einlage und Abfindung je nach Grundstucksgroße weit\nmehr Bohrungen erforderlich seien, als sie in der Bohrkampagne 1983\nvorgenommen worden seien. So werde jedoch ein Vorkommen im Regelfall nicht\nerkundet, da diese Vorgehensweise viel zu teuer ware. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Mit **Widerspruchsbescheid vom 13.02.2004** wies das Landesamt die\nWiderspruche der Klagerin gegen den Feststellungsbeschluss vom 16.06.1993 und\ngegen den Flurbereinigungsplan vom 24.08.1998 sowie den hierzu ergangenen\nNachtrag 1 vom 22.03.2002 zuruck. Zur Begrundung wird ausgefuhrt: Der\nWiderspruch gegen die Feststellung der Wertermittlungsergebnisse sei bereits\nunzulassig, da er nicht innerhalb der Widerspruchsfrist erhoben worden sei.\nDie bestandskraftig gewordene Wertermittlung erfasse auch die zum Gipsabbau\ngeeigneten Flachen (sogenannte Vorratsflachen). Es seien auch keine Grunde\ndafur ersichtlich, der Klagerin wegen der von ihr verschuldeten Versaumung der\nWiderspruchsfrist Nachsicht zu gewahren. Denn eine fur sie sonst eintretende\nHarte sei nicht offensichtlich gegeben. Dies gelte selbst dann, wenn man\nzugunsten der Klagerin eine fehlerhafte Wertermittlung unterstellen wurde.\nDenn unabhangig von der Wertermittlung gebiete § 44 Abs. 2 FlurbG die Abwagung\nder individuellen betrieblichen Belange der Teilnehmer und die\nBerucksichtigung aller Umstande, die auf den Ertrag, die Benutzung und die\nVerwertung der Grundstucke wesentlichen Einfluss hatten. Hierzu gehore aber\nauch die besondere Bedeutung gipshaltiger Grundstucke fur die Klagerin und\nderen Betrieb. Da dieser Umstand bei der Gestaltung der Landabfindung danach\nin jedem Fall zu berucksichtigen sei, konne es keinen Hartefall darstellen,\nwenn bei der Wertermittlung ein moglicherweise hoherer Verkehrswert als jetzt\nfestgestellt richtig gewesen sein sollte. Dass im Falle der Klagerin von einem\nHartefall nicht gesprochen werden konne, ergebe sich auch daraus, dass eine\nBilanz an gipshaltigen Flachen zwischen Einlage und Abfindung fur sie nicht\nnachteilig ausfalle. Der Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan in der\nFassung des Nachtrags 1 sei zwar zulassig, aber nicht begrundet. Die Klagerin\nhabe keinen Anspruch auf weitere Zuteilung von gipshaltigen Flachen. Die\nLandabfindung sei auch insoweit gleichwertig, als Gipsabbau- und\nGipsvorratsflachen betroffen seien. Sie habe insoweit keinen weitergehenden\nAnspruch auf Befreiung vom Landabzug. Als (noch) landwirtschaftlich genutzte\nGrundstucke hatten die Gipsvorratsflachen - bezogen auf den maßgeblichen\nStichtag der Wertgleichheit - unzweifelhaft einen Vorteil durch das neue\nWegenetz. Denn die Grundstucke seien nunmehr in der Regel zweiseitig durch\neinen befestigten Weg erschlossen. Aber auch bezogen auf die\nGipsvorratsflachen seien durch die Flurbereinigung objektiv Vorteile unter\nbetrieblichen Gesichtspunkten entstanden. Denn die Zusammenlegung in\npotenziellen Erweiterungsflachen vereinfache die zukunftige\nBetriebserweiterung erheblich. So konne die Klagerin in zusammenhangenden\nAbbauflachen unbeeinflusst von privaten Rechten Dritter planen. Die Einraumung\nvon Abbaurechten durch Dritte, die Behinderung durch „Sperrgrundstucke" oder\nder Aufkauf von „Luckengrundstucken" zu moglicherweise hoheren Preisen\nentfalle. Das Amt habe aber auch die betrieblichen Belange der Klagerin\nausreichend in seiner Abfindungsgestaltung berucksichtigt. So sei die\nZuteilung in Fortfuhrung der Betriebsentwicklungsachse auch unter\nBerucksichtigung der im Abbauantrag der Klagerin von 1989/91 dargestellten\n„mittelfristigen Erweiterungsflachen" erfolgt. Weiter habe das Amt auch die\nvon der Klagerin im Wunschtermin abgegebenen Zuteilungsvorstellungen\nberucksichtigt; die Abfindung sei in fast allen Bereichen nach den Wunschen\nder Klagerin vorgenommen worden. So habe die Klagerin darauf hingewiesen, dass\nsie bei den Blocken Nrn. ... und ... eine Zuteilung im Bereich ihrer Einlage\nwunsche, da dort der Gips anstehe. In Umsetzung dieses Wunsches sei die\nAbfindung unmittelbar ostlich an den Festplatz (= Neuflurstuck ...)\nanschließend und auch in der ostlichen Halfte des Blocks ... erfolgt. Dagegen\nhabe die Klagerin keinen Anspruch darauf, dass bei der Abfindungsgestaltung\nzusatzlich berucksichtigt werde, in welcher Machtigkeit das Gipsvorkommen auf\nden Grundstucken jeweils vorhanden sei. Solche Detailkenntnisse konnten vom\nAmt nicht erwartet werden. Vielmehr ware es Sache der Klagerin im Rahmen ihrer\nMitwirkungspflicht gewesen, solche Tatsachen rechtzeitig vorzutragen. Dem sei\ndie Klagerin jedoch nicht nachgekommen. So seien die diesbezuglichen\nUntersuchungen der Dipl. Geol. ... ... auszugsweise erstmals dem\nErweiterungsantrag von 1999 beigelegt worden, also lange nach dem Stichtag der\nWertgleichheit und auch nach dem Anhorungstermin zum Flurbereinigungsplan.\nSchließlich sei auch zu berucksichtigen, dass die Klagerin Grundstucke mit\nbereits bestimmten Gipsmengen auch nicht in das Verfahren eingebracht habe.\nAus den Bohruntersuchungen zur Prufung der Abbauwurdigkeit hatten sich\nlediglich unterschiedliche Gipsmachtigkeiten ergeben. Daraus ließen sich aber\nnur begrenzt Ruckschlusse auf die tatsachlich nutzbare Gipsmenge ziehen. Denn\nzum Beispiel der Grad der Verkarstung (Auslaugung) und eine schwankende\nAbbaumachtigkeit hatten wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche\nVerwertbarkeit des Gipses. Insofern habe die Klagerin lediglich die Chance auf\nden Abbau einer bestimmten Gipsmenge eingebracht; dagegen liege es in ihrem\nunternehmerischen Risiko, welchen Gipsertrag sie tatsachlich beim Abbau\nerzielen konne. Dieses Risiko konne nicht auf die Teilnehmergemeinschaft\nabgewalzt werden. Der Widerspruch gegen den Nachtrag 1 zum\nFlurbereinigungsplan sei ebenfalls unbegrundet. Das Amt habe dem Widerspruch\ninsoweit abgeholfen, als die Abfindung der Klagerin im Gewann ... um rund 65 m\nnach Westen verschoben worden sei. Die Grundstucksbreite sei dabei kleiner,\ndas Abfindungsflurstuck Nr. ... dafur nach Westen verbreitert worden. Weiter\nsei die Abfindung mit dem Flurstuck Nr. ... aufgehoben und das Flurstuck Nr.\n... neu zugeteilt worden. Damit sei die Klagerin insgesamt wertgleich\nabgefunden. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Bereits am 03.11.2003 hat die Klagerin gegen den Flurbereinigungsplan vom\n24.08.1998 i.d.F. der Nachtrage I und II vom 16.07. und vom 22.10.2002\n**Klage** erhoben. Der am 17.02.2004 zugestellte Widerspruchsbescheid des\nLandesamtes wurde mit am 03.03.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz der\nKlagerin ebenfalls in das Verfahren einbezogen. Am 28.08.2004 legte die\nKlagerin auch gegen den **Nachtrag III vom 07.07.2004** zum\nFlurbereinigungsplan (Abfindungsanspruch unverandert 1891,14 WE, Landabfindung\n1890,90 WE sowie Geldausgleich fur Minderausweisung) Widerspruch ein. Mit am\n22.11.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21.11.2005 bezog die\nKlagerin auch diesen Nachtrag in das anhangige Klageverfahren ein. Mit\nSchriftsatz vom 12.10.2006, bei Gericht eingegangen am 13.10.2006, erweiterte\ndie Klagerin die Klage auch auf den unter dem 24.06.2006 ergangenen **Nachtrag\nIV** . Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2007 half das Landesamt den\nWiderspruchen gegen die Nachtrage III und IV, die im Wesentlichen Änderungen\nin der raumlichen Zuordnung der zugunsten der in demselben Gebiet Gipsabbau\nbetreibenden ... bestehenden Abbaurechte zum Inhalt hatten, teilweise ab. Der\nFlurbereinigungsplan im Stand des Nachtrags IV wurde insoweit geandert, als\naus dem mit Abbaurechten belasteten Abfindungsflurstuck Nr. ... eine 1 ha\ngroße Teilflache mit 33,27 WE abgetrennt und unter der Flst.Nr. ...\nbelastungsfrei der Klagerin zugewiesen wurde. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Zur Begrundung der Klage machte die Klagerin im Wesentlichen geltend: Die\ndurchgefuhrte Wertermittlung sei fehlerhaft. Das Gipsvorkommen in den\nsogenannten Vorratsflachen hatte gesondert berucksichtigt werden mussen, indem\nauch die Vorratsflachen als sogenanntes „begunstigtes Agrarland" in eine\nhohere Bodenklasse einzustufen gewesen seien. Dass eine Ausbeutung des\nbetreffenden Gipsvorkommens wirtschaftlich sinnvoll sei, ergebe sich aus der\nLagerstattenpotenzialkarte des LGRB i.d.F. vom Marz 2002, deren Aussagen durch\nvon ihr selbst im Jahre 1984 durchgefuhrte Bohruntersuchungen bestatigt\nwurden. Der Abbau des Vorkommens in ihren Vorratsflachen ware auch\ngenehmigungsfahig gewesen, wie sich daraus ergebe, dass der Regionalplan fur\ndie Region Schwarzwald-Baar-Heuberg die fraglichen Flachen als\nschutzbedurftigen Bereich fur den Abbau oberflachennaher Rohstoffe ausweise.\nDaruber hinaus hatte der Beklagte durch Sachverstandige die Machtigkeit und\nVerteilung des Gipsvorkommens in den Vorratsflachen feststellen lassen mussen.\nDie Einholung einer Stellungnahme des Gutachterausschusses der Gemeinde ...\nsei insoweit ebenso wenig ausreichend gewesen wie die Anwendung der Grundsatze\ndes sogenannten Vergleichswertverfahrens; fur letzteres habe es insbesondere\nan geeigneten Vergleichsgrundstucken und damit an aussagekraftigen\nVergleichspreisen gefehlt. Die fehlerhafte Wertermittlung fuhre zwangslaufig\nauch zur Rechtswidrigkeit des Flurbereinigungsplanes. Die Bestandskraft des\nFeststellungsbeschlusses stehe seiner Aufhebung nicht entgegen, da das\nGipsvorkommen in ihren Einlagegrundstucken uberhaupt nicht Gegenstand des\nWertermittlungsverfahrens gewesen sei. Abgesehen davon sei ihr hinsichtlich\nder Versaumung der Widerspruchsfrist auch Nachsicht zu gewahren. Daruber\nhinaus sei aber auch die Abfindungsgestaltung im Flurbereinigungsplan selbst\nzu beanstanden. Denn ihr werde eine Landabfindung zugewiesen, die mindestens\n710 000 t weniger Gips enthalte als ihre in das Verfahren eingebrachten\nFlachen und die dazu noch schwierigere Abbaubedingungen aufweise. Jedenfalls\nliege ein Gestaltungsfehler darin, dass gerade im Bereich ... nach der\nAufstellung des Amtes vom 09.05.2003 ein besonders hohes Defizit an\ngipshoffiger Flache bestehe. Dieses werde auch durch die Mehrausweisung im\nBereich ... nicht ausgeglichen, da sich ihre unternehmerischen Aktivitaten auf\nden Bereich ... konzentrierten. Entgegen der Darstellung des Beklagten weiche\nihre Abfindung in entscheidenden Punkten auch von ihren Zuteilungswunschen ab.\nSo sei ihr mit dem Grundstuck Flst.Nr. ... eine Flache von uber 1 ha außerhalb\nder Gipsgrenze zugewiesen und andere Flachen im Vergleich zur Einlage nicht\nunerheblich nach Westen verschoben worden. Des weiteren spreche vieles dafur,\ndass der angefochtene Flurbereinigungsplan i.d.F. der Nachtrage nicht nur\ngegen den Grundsatz der Wertgleichheit der Abfindung, sondern auch gegen das\nrechtsstaatliche Abwagungsverbot verstoße. Es sei zweifelhaft, ob der Beklagte\ndie Gipshaltigkeit ihrer Einlagegrundstucke uberhaupt als Belang in die\ngebotene Abwagung eingestellt habe. Jedenfalls aber seien die betrieblichen\nBelange nicht in einer ihrer objektiven Gewichtigkeit entsprechenden Weise\nberucksichtigt worden. So herrschten auf den Abfindungsgrundstucken deutlich\nschwierigere Abbaubedingungen als auf den eingebrachten Einlagegrundstucken.\nAußerdem weise die Landabfindung - wie bereits ausgefuhrt - gerade im Bereich\n..., wo sich ihre unternehmerischen Aktivitaten konzentrierten, ein besonders\nhohes Defizit an gipshoffiger Flache auf. Soweit die Zuteilung einer\nwertgleichen Abfindung in Form gipshaltiger Grundstucke nicht moglich sei,\nstehe ihr gemaß §§ 28 Abs. 2, 50 Abs. 4 FlurbG eine angemessene Abfindung in\nGeld zu. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| nach entsprechender Nachsichtgewahrung den Feststellungsbeschluss des Amtes\nfur Flurneuordnung und Landentwicklung vom 10. Juni 1993 und den\nFlurbereinigungsplan desselben Amtes vom 24. August 1998 i.d.F. der Nachtrage\nI bis IV vom 22. Marz 2002, 22. Oktober 2002, 07. Juli 2004 und 24. Juni 2005\nin der Gestalt der Widerspruchsbescheide des Regierungsprasidiums Stuttgart -\nLandesamt fur Flurneuordnung - vom 13. Februar 2004 und vom 24. September 2007\ndahin zu andern, dass ihr eine wertgleiche Abfindung in Gestalt von\nGrundstucken zugewiesen wird, die einen mit ihrer Einlage gleichwertigen\nGipsgehalt aufweisen; \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| hilfsweise, soweit Grundstucke mit gleichwertigem Gipsgehalt nicht\nzugewiesen werden konnen, ihr eine angemessene Abfindung in Geld zu gewahren; \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| hochsthilfsweise, die Widerspruchsbescheide des Regierungsprasidiums\nStuttgart vom 13. Februar 2004 und vom 24. September 2007 aufzuheben und die\nSache zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an die Obere\nFlurbereinigungsbehorde zuruckzuverweisen; \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| die Zuziehung eines Bevollmachtigten im Vorverfahren fur notwendig zu\nerklaren. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Er nimmt Bezug auf die Ausfuhrungen im Widerspruchsbescheid und tragt\nerganzend vor: Es sei niemals bestritten worden, dass der\nFlurbereinigungsbehorde bekannt gewesen sei, dass es innerhalb des\nFlurbereinigungsgebietes abbauwurdige Gipsvorkommen gebe. Allerdings habe die\nBehorde nicht gewusst und mangels entsprechender Informationen auch nicht\nwissen konnen, in welchen konkreten Bereichen der Gipsabbau von\nGipsunternehmen als besonders interessant angesehen werde. Aus den offentlich\nzuganglichen Unterlagen, insbesondere der Lagerstattenpotenzialkarte des LGRB,\nlasse sich jedenfalls nicht ableiten, in welchen Grundstucken wie viel Gips\nliege und/oder wo dieser wirtschaftlich verwertbar sei. Fur solche\nbetriebsspezifischen Informationen sei die Behorde zwingend auf die Mitwirkung\nder Teilnehmer angewiesen. Daruber hinaus sei die Landabfindung der Klagerin\ngerade in dem Bereich erfolgt, der nach dem Abbauantrag von 1991 von ihr\nselbst als mittelfristige Erweiterungsflache bezeichnet worden sei. Bei der\nvon ihr angestellten Mengenberechnung gehe die Klagerin unzulassigerweise von\neiner Differenz zwischen Einlage und Abfindung aus. Dabei lasse sie den\nLandabzug nach § 47 FlurbG unberucksichtigt, der aber auch bei ihren\nGrundstucken vorzunehmen gewesen sei. Wie im Widerspruchsbescheid bereits\ndargestellt, stehe richtigerweise einem Anspruch an gipshoffiger Flache in\nHohe von 29,5656 ha eine Abfindung von 29,174 ha gegenuber. Mithin bestehe nur\neine Differenz von 3 908 m², die aber mit der Mehrung an abgebauten\nGipsflachen aufgerechnet werden konne. Die Ausfuhrungen der Klagerin zu\ndeutlich schwierigeren Abbaubedingungen in den Abfindungsgrundstucken seien\nnicht nachvollziehbar. Die Abfindung liege schwerpunktmaßig im Bereich ihrer\nEinlagegrundstucke. Im Gewann ... sei die Abfindung aufgrund des Nachtrags I\nnach Westen verschoben worden. Dies sei auch nur deshalb geschehen, weil das\nAmt der Auffassung gewesen sei, dem Wunsch der Klagerin entsprochen zu haben,\nsich aus der Umklammerung durch die Landabfindung eines Konkurrenzunternehmens\nzu losen. Zudem sei dem Gutachten ... zu entnehmen, dass im Bereich der\nBohrung Nr. 9 Gips erst ab einer Tiefe von 3 m, bei der weiter westlich\ngelegenen Bohrung Nr. 8 der Gips aber bereits ab 1,15 m anstehe. Selbst wenn\ndie Behauptung der Klagerin uber schwierigere Abbaubedingungen zutreffen\nwurde, wurden die angeblichen Nachteile durch anderweitige Vorteile\naufgewogen. So rucke die Abfindung im Gewann ... von der bebauten Ortslage ab,\nwas dazu fuhre, dass die Klagerin beim Abbau auf diese weniger Rucksicht\nnehmen musse. Außerdem ruckten die bisher noch weiter westlich gelegenen\nEinlageflurstucke in den Gewannen ... ... ... ..., in denen mit deutlich\ngeringerer Gipsmachtigkeit zu rechnen sei, weiter nach Osten. Schließlich sei\ndie Landabfindung nunmehr frei von „storenden" Grundstucken Dritter,\ninsbesondere eines Konkurrenzunternehmens. Auch der Hinweis zu langeren\nTransportwegen fur den Abbau sei nicht nachvollziehbar. Diese ergaben sich vor\nallem aus der Ausdehnung der Abbauflachen nach Suden. Diese ware aber aufgrund\nder Nord-Sudausdehnung der Einlageflachen der Klagerin auch ohne die\nNeuzuteilung im Flurbereinigungsverfahren gegeben gewesen. Entgegen der\nAuffassung der Klagerin sei das Vergleichswertverfahren zur Ermittlung eines\neventuell hoheren Verkehrswerts der eingebrachten Gipsvorratsflachen durchaus\ngeeignet. Wenn die Abbauwurdigkeit des Gipses feststehe und weitere\nVoraussetzungen - wie z.B. jene, dass mit der Ausbeutung des Vorkommens in\nabsehbarer Zeit zu rechnen sei - gegeben seien, konne der ggf. hohere Wert\nauch durch dieses Verfahren ermittelt werden. Aus den vom Amt aus dem\nGrundbuch erhobenen Grundstucksverkaufen ergebe sich ebenfalls nicht, dass der\nGrundstucksmarkt moglicherweise unterschiedliche Gipsmachtigkeiten mit\nunterschiedlichen Kaufpreisen honoriere. Außerdem entspreche es standiger\nRechtsprechung des BGH, dass Nutzungsmoglichkeiten, deren Realisierung nicht\nin absehbarer Zeit zu erwarten sei, den Verkehrswert eines Grundstucks nicht\nmehr beeinflussten. Insbesondere Nutzungsmoglichkeiten, die sich erst in 30\nJahren realisieren ließen, seien fernliegende, entschadigungsrechtlich\nirrelevante Moglichkeiten. Ob sich die betriebliche Disposition der Klagerin\nauf einen langeren Zeitraum erstrecke, spiele insoweit keine Rolle. Es werde\ndaran festgehalten, dass es letztlich unerheblich sei, ob die Grundstuckswerte\naufgrund der aktuellen Kaufpreise hatten hoher angesetzt werden mussen. Denn\nwenn die Bilanz nach Flache im abbauwurdigen Bereich stimme, spiele es keine\nRolle, mit welchem Geldbetrag die einzelne Flache bewertet werde. Dies konne\nnur fur eine verbleibende Differenz an Flachen maßgeblich sein, die hier\njedoch nicht bestehe. Den Ausfuhrungen der Klagerin zu den angeblichen\nAbweichungen zu den im Wunschtermin geaußerten Zuteilungswunschen konne\nebenfalls nicht gefolgt werden. Ihre Abfindung liege unmittelbar ostlich an\nden Festplatz (Flst.Nr. ...) der Gemeinde. Im Bereich des Abfindungsflurstucks\nNr. ... habe die Klagerin auch Flachen eingebracht, so z.B. den nordwestlichen\nTeil der Einlageflurstucke Nrn. ... ... ... (etwa 0,5 ha). Weiter habe die\nKlagerin auch Grundstucke, die nicht gipshaltig bzw. nicht abbauwurdig seien,\nin das Verfahren eingebracht (Flst.Nrn. ... ... ...). Die Abfindung mit rund 1\nha nicht gipshaltiger Flache konne daher fur sie nicht nachteilig sein.\nGegenuber dem Hilfsantrag der Klagerin werde daran festgehalten, dass eine\ngesonderte Wertermittlung des Gipses auch bei Annahme einer Anwendbarkeit von\n§ 28 Abs. 2 FlurbG nicht erforderlich gewesen ware. Denn die Klagerin habe\nentsprechend ihrem flachenmaßigem Anspruch auf gipshaltige Grundstucke wieder\nentsprechende Flachen erhalten. Der von ihr angegebene Verlust von mindestens\n710 000 t Gips sei nicht zutreffend, weil sie unzulassigerweise Einlage mit\nAbfindung vergleiche, statt richtigerweise Abfindungsanspruch und Abfindung.\nAußerdem resultiere der vermeintliche Verlust auf einer erwarteten kunftigen\nAbbaumoglichkeit und einem vermuteten Ertrag, also auf bloßen Chancen, die\nnicht berucksichtigungsfahig seien. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts\nwird auf die gewechselten Schriftsatze und die vom Beklagten vorgelegten\nVerwaltungsvorgange und Karten Bezug genommen. Dem Senat lagen außerdem die im\nKlageverfahren 7 S 2442/03 angefallenen Gerichtsakten sowie die in diesem\nVerfahren vom Beklagten ubersandten Verwaltungsvorgange und Karten vor. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage hat keinen Erfolg. Soweit sie sich gegen den\nFeststellungsbeschluss vom 10.06.1993 richtet, ist sie bereits unzulassig\n(1.); im Übrigen ist sie unbegrundet (2.). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 1.) Der angefochtene Feststellungsbeschluss vom 10.06.1993 ist unanfechtbar\ngeworden, weil die Klagerin verspatet - namlich erst am 11.10.2001 -\nWiderspruch eingelegt hat. Die Widerspruchsfrist lief fur die Klagerin gem. §§\n79 LVwVfG, 70 Abs. 1 VwGO, 115 Abs. 1 FlurbG einen Monat nach dem ersten Tag\nder offentlichen Bekanntmachung, hier also am 24.07.1993 ab; der Beschluss\nwurde insgesamt am 16.03.1995 unanfechtbar. Von der Bestandskraft der\nWertermittlung sind entgegen der Auffassung der Klagerin auch die zum\nGipsabbau geeigneten sogenannten Vorratsflachen erfasst. Die Frage der\nBewertung dieser Flachen war Gegenstand des Wertermittlungsverfahrens, da\ngenehmigte Gipsabbauflachen mit 4,-- DM/m² bewertet und in die Bodenklasse 10\neingestuft, die ubrigen Gipsabbauflachen (Vorratsflachen) dagegen nach ihrem\nlandwirtschaftlichen Nutzwert bewertet wurden. Aus dem von der Klagerin\nangefuhrten Urteil des Flurbereinigungsgerichts Koblenz vom 21.09.1983 - 9 C\n37/82 - (RdL 1983, 323) ergibt sich nichts anderes. Denn in dem dort\nentschiedenen Fall war die Frage des Tuffsteinvorkommens in den\nEinlageflurstucken uberhaupt nicht behandelt worden. Entgegen der Auffassung\nder Klagerin waren bei der Frage der Einstufung der Gipsabbauflachen auch\nnicht ihre gewerbliche Betatigung, sondern die Grundstucke und ihre\nBestandteile selbst Gegenstand der Bewertung; dies ergibt sich unmittelbar aus\ndem Vorstandsbeschluss vom 21.05.1992/11.03.1993. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Wegen der Versaumung der Widerspruchsfrist kann der Klagerin auch nicht\ngemaß § 134 Abs. 2, 3 FlurbG Nachsicht gewahrt werden. Ein Rechtsanspruch der\nKlagerin auf Gewahrung von Nachsicht gemaß § 134 Abs. 2 S. 2 FlurbG scheidet\naus, weil - wie zwischen den Beteiligten wohl auch unstreitig ist - die\nKlagerin die Widerspruchsfrist schuldhaft versaumt und sie den Widerspruch\nauch nicht unverzuglich i.S.d. Vorschrift nachgeholt hat. Das Amt hat es des\nWeiteren auch zu Recht abgelehnt, den Widerspruch der Klagerin trotz\nFristversaumnis zuzulassen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Eine - bei schuldhafter Fristversaumnis - im Ermessen stehende\nNachsichtgewahrung gemaß § 134 Abs. 2 S. 1 FlurbG setzt eine\nInteressenabwagung zwischen den Erfordernissen der Beschleunigung des\nVerfahrens und der Rechtssicherheit, die eine zeitliche Begrenzung des\nBeschwerderechts erfordern, und dem sachlich-rechtlichen Anspruch des\nTeilnehmers auf eine dem Gesetz entsprechende Abfindung voraus. Nur wenn\ndieser Anspruch derart beruhrt wird, dass fur den Teilnehmer eine unbillige\nHarte eintritt, ist die Nachsichtgewahrung gerechtfertigt. Unbedeutende\nBeeintrachtigungen haben außer Betracht zu bleiben. Die fur den Teilnehmer\neintretende Harte muss offenbar sein; d.h. sie muss ohne besondere\nUntersuchungen erkennbar zu Tage treten. Es ist nicht Sinn dieser Regelung,\ndie sachlichen Einwendungen auf das Genaueste so zu untersuchen, als waren sie\nfristgerecht in das Verfahren eingefuhrt worden (BVerwG, Beschluss vom\n12.02.1963, BVerwGE 15, 271; BVerwG, Urteil vom 17.04.1975, BVerwGE 48, 160).\nBei der erforderlichen Abwagung ist außerdem der Zeitablauf zwischen dem\nEintritt der Saumnis und der Erhebung des verspateten Rechtsmittels zu\nberucksichtigen; aus dem Beschleunigungsgrundsatz ergeben sich zeitliche\nGrenzen fur die im Ermessen der Behorde stehende Nachsichtgewahrung (BVerwG,\nUrteil vom 07.05.1965, BVerwGE 21, 93; Beschluss vom 29.11.1978 - B 21.75 - ,\nRzF 28 zu § 134 Abs.2 FlurbG). Es muss von einem Teilnehmer erwartet werden,\ndass er Einwendungen gegen die mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren\nSchlussakte eines abgeschlossenen Verfahrensabschnitts unverzuglich nach deren\nBekanntwerden geltend macht (BVerwG, Urteil vom 17.04.1975, aaO). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Danach scheidet im vorliegenden Fall schon in zeitlicher Hinsicht eine\nNachsichtgewahrung aus. Die Ergebnisse der Wertermittlung wurden im Beschluss\nvom 16.06.1993 festgestellt. Ihren Widerspruch hiergegen hat die Klagerin erst\nuber acht Jahre spater am 11.10.2001 eingelegt. Nachvollziehbare oder\nplausible Grunde, die die Klagerin davon abhalten konnten, die Unrichtigkeit\nder Wertermittlung rechtzeitig mit dem Rechtsmittel des Widerspruchs geltend\nzu machen, hat die Klagerin auch in der mundlichen Verhandlung nicht vortragen\nkonnen; solche sind auch anhand der Akten nicht feststellbar. Dem\nBeschleunigungsgebot kommt - nach inzwischen (im Jahr 1994) außerdem erfolgter\nvorlaufiger Besitzeinweisung der Teilnehmer - im Rahmen der Interessenabwagung\nauch deshalb uberwiegende Bedeutung zu, weil die Klagerin sich zur Begrundung\nihres Widerspruchs ausschlaggebend nicht auf neuere, sondern ihr schon lange -\nbereits wahrend des Wertermittlungsverfahrens - bekannte Umstande beruft. Dies\ngilt insbesondere fur das von ihr zur Abschatzung des Gipsvorkommens in\nAuftrag gegebene, bereits im Schreiben vom 28.02.1984 erwahnte und noch im\nJahr 1984 erstattete Gutachten der Diplomgeologin ... ... („Bericht uber die\nBohruntersuchungen ... - ... vom 13.01.1984"). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Daruber hinaus und unabhangig davon fehlt es auch an einer offensichtlichen\nFehlerhaftigkeit der durchgefuhrten Wertermittlung, die zu einer Harte fur die\nKlagerin fuhren konnte. Dem materiell - rechtlichen Anspruch der Klagerin auf\nwertgleiche Abfindung wurde - gerade auch im Hinblick auf die Zuweisung\ngipshaltiger Abbauflachen - Rechnung getragen. Soweit sie geltend macht, dass\nihre gipshaltigen Vorratsflachen ebenso wie die genehmigten Abbauflachen als\n„begunstigtes Agrarland" hatten bewertet werden mussen, ergibt sich aus der\nvom Beklagten angestellten Vergleichsberechnung vom 09.05.2003, bei der eine\neinheitliche Klasse fur Gipsabbau- und Vorratsflachen unterstellt wurde, dass\ndie Gesamtbilanz an gipshaltigen Grundstucksflachen fur die Klagerin nicht zum\nNachteil ausfallt (s. hierzu die Ausfuhrungen unten). Über die Zuweisung nach\nFlache und Lage gleichwertiger gipshaltiger Grundstucke hinaus bestand dagegen\nkeine Verpflichtung des Beklagten, die Machtigkeit und Verteilung des\nGipsvorkommens in den einzelnen Einlage- und Abfindungsgrundstucken - ggf.\nunter Hinzuziehung von Sachverstandigen - festzustellen und gesondert zu\nbewerten. Zwar sind nach § 28 Abs. 2 FlurbG wesentliche Bestandteile eines\nGrundstucks, die seinen Wert dauernd beeinflussen, soweit erforderlich in\nihrem Wert besonders zu ermitteln. Selbst wenn man insoweit zugunsten der\nKlagerin unterstellt, dass Gips ein wesentlicher Bestandteil im Sinne dieser\nVorschrift ist (was deshalb fraglich ist, weil Gips, soweit er - wie hier -\nnicht untertagig abgebaut wird, nicht zu den grundeigenen Bodenschatzen im\nSinne des Berggesetzes gehort, vgl. Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Auflage, § 28\nRdn. 31), war eine gesonderte Wertermittlung des Gipsvorkommens in den\neinzelnen Grundstucken im vorliegenden Fall in dem von der Klagerin\ngewunschten Umfang jedenfalls nicht erforderlich. Auch bei abbauwurdigem Kies-\noder Gesteinsvorkommen genugt es vielmehr, sie in Verkehrswertklassen zu\nerfassen (Seehusen/Schwede, a.a.O., § 28 Rdn. 7, 31). Eine daruber hinaus\ngehende Verpflichtung bestand auch im Hinblick auf das hier streitige\nGipsvorkommen nicht. Ein solches wird auch auf die Art und Weise, wie es die\nKlagerin fordert, im Regelfall nicht erkundet, da diese Vorgehensweise viel zu\nteuer ware (Stellungnahme des LGRB vom 04.12.2003). Endgultige Nachweise fur\ndie Abbauwurdigkeit von Gipsvorkommen sollen offenbar auch erst im Rahmen von\nGenehmigungsverfahren zum Gipsabbau erbracht werden (vgl. die\nLagerstattenpotenzialkarte des LGRB, S. 11 f.). Die Klagerin selbst hat aber\netwa auch fur ihre Abbauantrage in den Jahren 1989/1991 und 2000 die\nvorgesehenen Abbauflachen nicht parzellenscharf auf die jeweiligen\nAbbaubedingungen untersucht, sondern sich mit einer - von ihr zur\nWertermittlung ebenfalls als nicht ausreichend erachteten - Schatzung des\ninsgesamt zu gewinnenden Gipses aufgrund von Probebohrungen begnugt. Daruber\nhinaus schreibt § 28 Abs. 2 FlurbG auch nicht vor, auf welche Weise eine\ngesonderte Wertermittlung vorzunehmen ist. Im vorliegenden Fall hatte sich der\nWert des Gipses auch im Vergleichswertverfahren ermitteln lassen, indem die\nDifferenz zwischen dem Wert gipshaltiger und nicht gipshaltiger Grundstucke\nfestgestellt wird. Nur wenn keine Vergleichsfalle vorhanden sind, ist der Wert\ndes (bloßen) Grundstucks und der abbaubaren Bodenbestandteile gesondert zu\nermitteln (BGH, Urteil vom 01.07.1982, AgrarR 1982, 306 und Urteil vom\n18.09.1986, NJW 1987, 1256). Im hier fraglichen Gebiet sind aber - wie sich\naus der „Karte zur Kaufpreissammlung Gipsgebiet" ergibt - hinreichend\nVerkaufsfalle vorhanden, so dass ein (Kaufpreis-) Vergleich zwischen den\ndiesseits und jenseits der sog. Gipsgrenze liegenden Grundstucken moglich ist.\nAllerdings lasst sich zwischen den rein landwirtschaftlichen Grundstucken und\nden gipshaltigen Grundstucken außerhalb der genehmigten Abbauflachen kein\nsignifikanter Unterschied zwischen den erzielten Verkaufspreisen feststellen.\nDem entspricht es auch, dass - wie auch die Klagerin nicht beanstandet -\nselbst die genehmigten Gipsabbauflachen als sog. begunstigtes Agrarland (nur)\nmit 4,00 DM/m² bewertet wurden und damit nur geringfugig uber dem Wert der\nlandwirtschaftlichen Bodenklasse 1 mit 3,84 DM/m² lagen. Aus diesem Grund hat\ndas zustandige Amt auch von der Bildung einer eigenen Verkehrswertklasse\nabgesehen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Schließlich ware die fur die Klagerin - im Falle einer rechtswidrig\nunterlassenen gesonderten Feststellung des Gipsvorkommens in den einzelnen\nGrundstucken - eintretende Harte auch nicht offenbar. Denn eine - wie die\nKlagerin unterstellt - zu niedrige Bewertung der gipshaltigen Vorratsflachen\nließe sich - wenn uberhaupt - erst nach Durchfuhrung zahlreicher Bohrungen und\nentsprechender Untersuchungen feststellen (vgl. die Stellungnahme des LGRB vom\n04.12.2003). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Kommt nach alledem eine Zulassung des Widerspruchs trotz Fristversaumnis\nnicht in Betracht, ist die gegen die Feststellung der Ergebnisse der\nWertermittlung erhobene Klage unzulassig. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 2.) Gegen die Zulassigkeit der Klage gegen den Flurbereinigungsplan vom\n24.08.1998 in der Fassung der Nachtrage I bis IV und in der Gestalt der\nWiderspruchsbescheide vom 13.02.2004 und vom 24.09.2007 bestehen dagegen keine\nBedenken. Die Klage ist insoweit jedoch nicht begrundet. Weder der Anspruch\nauf wertgleiche Abfindung (a) noch der Anspruch auf abwagungsfehlerfreie\nBerucksichtigung besonderer betrieblicher Belange der Klagerin (b) ist\nverletzt; auch die Hilfsantrage haben keinen Erfolg (c). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| a) Nach § 44 Abs. 1 S. 1 FlurbG kann jeder Teilnehmer eine wertgleiche\nAbfindung in Land beanspruchen. Das Gebot wertgleicher Abfindung ist oberster\nGrundsatz des Flurbereinigungsverfahrens (BVerwG, Urteil vom 16.12.1992 - 11\nC/92 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 72). Es verlangt, dass der Wert der\ngesamten Neuzuteilung unter Berucksichtigung der Abzuge fur Folgeeinrichtungen\ndem Wert der Gesamteinlage entspricht (BVerwG, Urteil vom 24.02.1959 - 1 C\n160.57 -, RdL 1959, 221). Maßgebend ist zunachst die Bemessung der Abfindung,\nbei der gemaß § 44 Abs. 1 S. 2 FlurbG die nach den §§ 27 bis 33 FlurbG\nermittelten, am Nutzwert fur jedermann ausgerichteten Grundstuckswerte\nzugrunde zulegen sind. Diese Werte bilden indes nicht den ausschließlichen\nMaßstab fur die Bestimmung einer wertgleichen Abfindung. Zusatzlich sind\nvielmehr nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG noch weitere den Wert der\nkonkreten Gesamtabfindung mitbestimmende Faktoren einzubeziehen (BVerwG,\nBeschluss vom 27.11.1961 - 1 B 127.61 -, RdL 1962, 243 und Urteil vom\n14.12.1978 - 5 C 16.76 -, BVerwGE 57, 192). Hierbei ist auch auf die\nVerhaltnisse des konkreten Betriebes abzustellen; insbesondere sind auch\nwertbildende Faktoren, die sich aus der Gestaltung der Abfindung ergeben, wie\nz.B. der Zuschnitt der Flachen, der Zusammenlegungsgrad und die Entfernung vom\nWirtschaftshof zu berucksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 27.11.1961, aaO;\nUrteile vom 15.10.1974 - 5 C 30.72 -, BVerwGE 47, 87 und vom 16.12.1992, aaO). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Ausgehend von diesen Grundsatzen ist zunachst die Bemessung der Abfindung\nnicht zu beanstanden. Die Klagerin hat nach dem unanfechtbaren\nFeststellungsbeschluss vom 10.06.1993 einen Abfindungsanspruch von 1891,14 WE.\nDie Abfindung betragt im Stand der maßgeblichen Nachtrage III und IV zum\nFlurbereinigungsplan vom 24.08.1998 1890,90 WE. Fur die sich daraus ergebende\nMinderausweisung in Hohe von 0,24 WE erhalt die Klagerin einen Geldausgleich\nzum Kapitalisierungsfaktor von 640,-- DM/WE. Insgesamt erhalt die Klagerin\nunter Berucksichtigung von zu bezahlenden und zu empfangenden Entschadigungen\nfur Obstbaume einen Betrag in Hohe von 54,25 EUR. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Landabfindung ist entgegen der (im Klageverfahren allerdings auch nicht\nmehr vertretenen) Auffassung der Klagerin nicht bereits aus formellen Grunden\nwegen fehlender Zustimmung rechtswidrig. Zwar ist gemaß § 45 Abs. 1 S. 1 Nr.\n11 FlurbG die Zustimmung des Eigentumers erforderlich, wenn gewerbliche\nAnlagen, sofern sie dauernd in Betrieb sind, und Lagerstatten von\nBodenschatzen, die der Aufsicht der Bergbehorde unterliegen, verandert werden.\nDie auf dem Einlageflurstuck Nr. ... (alt) befindlichen Gewinnungsanlagen fur\nden Gipsabbau wurden indes durch die Abfindung nicht verandert und das\nGipsvorkommen in den Grundstucken zahlt nicht zu den Lagerstatten von\nBodenschatzen im Sinne der genannten Vorschrift. Das Bundesberggesetz gilt\nlediglich fur das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von bergfreien und\ngrundeigenen Bodenschatzen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BBergG). Gips, soweit er - wie\ndurch die Klagerin - nicht untertagig aufgesucht und gewonnen wird, zahlt\nnicht zu den Bodenschatzen dieser Art (§ 3 Abs. 3 und Abs. 4 BBergG). \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Dem Gebot, die Landabfindung in moglichst großen Grundstucken auszuweisen (§\n44 Abs. 3 S. 1 FlurbG), ist der Beklagte nachgekommen. Außerdem wurde - wie\nsich ebenfalls aus einem Vergleich der Einlage- und Abfindungsflurstucke\n(Anlage B.2.2. und B.2.3. zum Schriftsatz des Beklagten vom 30.06.2004) ergibt\n- in allen drei Bereichen, in denen die Klagerin schwerpunktmaßig Grundstucke\nin das Verfahren einbrachte, die Flachen zusammengefasst und weiter\narrondiert. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Zu den nach § 44 Abs. 2 FlurbG bei der Abfindungsgestaltung zu\nberucksichtigenden Umstanden gehort auch ein ausbeutungsfahiges Vorkommen von\nBodenschatzen und dessen Bedeutung fur einen Abbaubetrieb (vgl. auch OVG\nRheinland-Pfalz, Urteil vom 21.09.1983, Rdl. 1983, 323 und Seehusen/Schwede §\n44 RdNr. 34). Denn ein solches Vorkommen - zu dem z.B. neben Sand und Kies\nauch Gips gehort - zahlt zu den Eigenschaften eines Grundstucks, die seine\nNutzungs- und Verwertungsmoglichkeit mitbestimmen, und das Einfluss auf die zu\nberucksichtigenden betriebswirtschaftlichen Verhaltnisse hat. Auch diesem\nUmstand ist bei der Abfindung der Klagerin jedoch hinreichend Rechnung\ngetragen worden. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das LGRB hat in seiner vom Landesamt eingeholten Stellungnahme vom\n23.05.2003 ausgefuhrt, dass sowohl hinsichtlich des alten als auch des neuen\nBestandes der Klagerin gesagt werden konne, dass beide Gebiete in den\nBereichen mit der hochsten Gipsgesteinsmachtigkeiten liegen. Es hat diese\nAussage anschaulich und uberzeugend dadurch belegt, dass es die Einlage- und\nAbfindungsflachen zur besseren Vergleichbarkeit digitalisiert und jeweils\neinzeln und zusammen uber die Linien der angenommenen Machtigkeitsverteilung\ndes Gipses in der Flache KOR ... (Flachennummer des LGRB fur den Bereich ...)\ngelegt hat (vgl. die der Stellungnahme vom 23.05.2003 beigefugten drei\nAusdrucke). Auch nach der vom Beklagten aufgestellten und in der mundlichen\nVerhandlung ausfuhrlich erorterten Vergleichsberechnung vom 09.05.2003 hat die\nKlagerin im Stand der Abfindung kein Defizit an Gipsflachen. Denn einem Minus\nvon 3908 qm an gipshaltigen Vorratsflachen steht ein Plus von 6.546 qm an\nbereits abgebauten Gipsflachen gegenuber. Die Mehrzuteilung an abgebauten\nFlachen ergibt sich daraus, dass die Klagerin aufgrund ihrer\nAbbaugenehmigungen auch nicht in ihrem Eigentum stehende Flachen abgebaut hat\n(vgl. hierzu das Beiblatt „Alter Bestand" zur Vergleichsberechnung vom\n09.05.2003). Aber auch wenn man von einem Minus bei der zugeteilten\ngipshaltigen Flache von 3.908 qm ausgeht, fallt dieses bei der gebotenen\nGesamtbetrachtung von Einlage und Abfindung nicht entscheidend ins Gewicht. Zu\nden bereits erwahnten Gestaltungsvorteilen kommt insbesondere hinzu, dass die\nweiter westlich gelegenen Einlageflurstucke auf der Gemarkung ... in den\nGewannen ... ... ... ..., in denen nach den vorliegenden Gutachten und auch\nnach den Angaben der Klagerin mit deutlich geringerer Gipsgesteinsmachtigkeit\nzu rechnen ist (vgl. auch hierzu die Zusammenfassung in der Stellungnahme des\nLGRB vom 23.05.2003), im neuen Bestand nicht mehr enthalten sind. Außerdem\nruckte die Abfindung in den Gewannen ... ... ... (Gemarkung ...) im Vergleich\nzu mehreren Einlageflurstucken weiter von der Ortslage ab, so dass die\nKlagerin beim Abbau insoweit weniger Rucksicht auf die vorhandene und\nzulassige Wohnbebauung zu nehmen hat. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Auch die von der Klagerin in der mundlichen Verhandlung noch\nherausgestellten Haupteinwande gegen die vorgenommene Zuteilung gipshaltiger\nFlachen vermogen nicht zu uberzeugen. Zwar trifft es zu, dass ihr im Bereich\ndes Festplatzes der Gemeinde ... (Abfindungsflurstuck Nr. ...) keine Flachen\nzugewiesen wurden und sie im Vergleich zu ihrer Einlage in diesem Bereich eine\num ca. 1 ha kleinere Abfindungsflache erhalten hat. Demgegenuber ist jedoch zu\nberucksichtigen, dass die Klagerin im Bereich des Festplatzes - ausweislich\nder Karte „Einlageflurstucke" (Anlage B.2.2.) - auch keine zusammenhangenden\nGrundstucksflachen eingebracht hat, denn die im fraglichen Bereich zentral\ngelegenen Grundstucke ... ... (alt) und ...(alt) standen nicht in ihrem\nEigentum. Die Beteiligten waren sich deshalb auch einig darin, dass, auch\nwegen des in der Nahe befindlichen Sportlerheimes, nur ein Teil dieser Einlage\nabbaufahig gewesen ware. Außerdem durfte das Amt im Rahmen seiner\nAbwagungsentscheidung auch berucksichtigen, dass der Vertreter der Klagerin in\neinem Schreiben vom 07.09.1992 an die Gemeindeverwaltung das grundsatzliche\nEinverstandnis zur Anlage eines Festplatzes auf Teilflachen der Grundstucke\nFlst.Nr ... - ... (alt) erklart und insoweit auf eine Zuteilung in alter Lage\nverzichtet hatte (vgl. das in der mundlichen Verhandlung ubergebene Schreiben\ndes Amtes vom 22.09.1992 an das Burgermeisteramt ... mit Anlagen). Schließlich\nist - bezogen auf das der Klagerin zugewiesene 79.815 qm große\nAbfindungsflurstuck Nr. ... - festzustellen, dass dieses unmittelbar an das\nFestplatzgrundstuck angrenzt und zum weit uberwiegenden Teil (mit Ausnahme von\netwa 11.000 qm) ebenfalls im Bereich des Gipsvorkommens liegt. Insbesondere im\nostlichen - an das „Festplatzgrundstuck" angrenzenden - Teil dieses\nGrundstucks lassen Probebohrungen eine ahnliche Gipsgesteinsmachtigkeit\nerwarten wie auf dem Festplatzgrundstuck selbst (vgl. die der Stellungnahme\ndes LGRB vom 23.05.2003 als Anlage beigefugte Karte mit den Eintragungen\n„Neuer Bestand/Alter Bestand/Isopachen Gipsgestein"). Auch die Gestaltung der\nAbfindung hinsichtlich des Abfindungsflurstucks Nr. ... ist entgegen der\nAuffassung der Klagerin nicht zu beanstanden. Zwar liegt dieses Grundstuck\nebenfalls weiter westlich als die - am weitesten ostlich gelegenen -\nEinlagegrundstucke der Klagerin in diesem Bereich. Jedoch wurden die von der\nKlagerin gerade in den Gewannen ... ... ... eingebrachten Grundstucke immer\nwieder durch im Eigentum Dritter stehender Flachen voneinander getrennt, so\ndass die Klagerin gerade hier mit der Zuweisung einer 38290 qm großen,\nzusammenhangenden Flache, die bis auf eine geringfugige Flache von 250 qm\ngipshaltig ist, sogar einen besonderen Gestaltungsvorteil erfahren hat. Dies\ngilt erst recht, wenn man berucksichtigt, dass - wie in der mundlichen\nVerhandlung festgestellt - bei einem nicht unerheblichen Flachenanteil der\nEinlageflurstucke wegen der Nahe zur Wohnbebauung ein Sicherheitsabstand\neinzuhalten gewesen und deshalb ein Gipsabbau nicht moglich gewesen ware. Der\nvon der Klagerin gegen die angenommene Große des erforderlichen Abstandes von\n200 m zur Wohnbebauung erhobene Einwand uberzeugt nicht. Denn dieses Maß\nentspricht den Angaben im Abbauantrag aus dem Jahr 1999 (vgl. die Ziff.\nB.5.8.1 im immissionsschutzrechtlichen Antrag der Fa. E. D. und die\nzeichnerische Darstellung im Bestandsplan des beauftragten Ingenieurburos D.).\nAuch mit ihrem weiteren Einwand, dass der Gipsabbau auch anders als durch\nSprengungen erfolgen konne, setzt sie sich in Widerspruch zu den Angaben im\nAbbauantrag. Denn danach soll „das Gipsgestein durch Sprengungen aus dem\nGesteinsverbund gelost und zerkleinert" werden; aus diesem Grund war dem\nAntrag auch ein Sprenggutachten eines Sachverstandigen beigefugt. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Soweit die Klagerin - ausgehend von der Vergleichsberechnung des Beklagten\nvom 09.05.2003 - von einer erheblich großeren Flachendifferenz im Gips-gebiet\n(uber 1,9 ha) zu ihren Ungunsten ausgeht, beruht dies im Wesentlichen darauf,\ndass sie den vorgenommenen Flachenabzug nach § 47 FlurbG unberucksichtigt\nlasst. Unabhangig davon, dass dieser Flachenabzug bereits im\nWertermittlungsverfahren erfolgte und daher an der Bestandskraft und\nBindungswirkung des Feststellungsbeschlusses vom 16.06.1993 teilnimmt, ist\ndieser Flachenabzug auch bei den gipshaltigen Grundstucken zu Recht\nvorgenommen worden. Eine allgemeine Freistellung bestimmter Grundstucksarten\nvom Flachenabzug sieht das Flurbereinigungsgesetz nicht vor (BVerwG, Urteil\nvom 24.11.1977, BVerwGE 45, 48). Dass fur Grundstucke mit Gipsvorkommen\nanderes zu gelten hatte, ist nicht ersichtlich. Denn auch ihnen kommt der\nallgemeine Flurbereinigungsvorteil - insbesondere durch die Neugestaltung des\nWegenetzes - zugute. Dies gilt jedenfalls so lange, als diese Grundstucke noch\nlandwirtschaftlich genutzt werden. Aber auch im Hinblick auf die beabsichtigte\nGipsgewinnung bringt die Flurbereinigung durch die Zusammenlegung der\nVorratsflachen Vorteile, indem sie die zukunftige Betriebserweiterung\nerheblich vereinfacht. Aus diesen Grunden musste auch eine Befreiung vom\nFlachenabzug nach § 47 Abs. 3 FlurbG nicht vorgenommen werden. Denn eine\noffensichtliche und unbillige Harte fur die Klagerin ergibt sich aus der\nHeranziehung zum Flachenbeitrag nicht. Eine Befreiung vom Landabzug kommt nur\ndann in Betracht, wenn die Abfindungsgrundstucke eines Teilnehmers in\nunverhaltnismaßig geringem Umfang oder uberhaupt nicht an den im Rahmen der\nFlurbereinigung geschaffenen Erschließungsanlagen beteiligt sind oder wenn die\nEinlageflurstucke bereits so erschlossen waren, dass fur die Abfindung im\nVergleich zur Einlage uberhaupt kein oder nur ein geringer Vorteil\nhinsichtlich der Erschließung eintreten konnte (BVerwG, Urteil vom 24.11.1977,\na.a.O.). Auch der Abzug in Hohe von 5 % begegnet keinen rechtlichen Bedenken.\nEr wurde entgegen der Auffassung der Klagerin nach den Feststellungen des\nBeklagten im Widerspruchsbescheid nicht unabhangig vom tatsachlichen\nLandbedarf vorgenommen, sondern konkret aus dem Bedarf fur offentliche und\ngemeinschaftliche Anlagen errechnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.07.1964,\nRdL 1964, 328). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Soweit die Klagerin auch die Verletzung ihres Anspruchs auf wertgleiche\nAbfindung wieder damit begrundet, dass ihr eine Landabfindung zugewiesen\nworden sei, die mindestens 750.000 t weniger Gips als die in das Verfahren\neingebrachten Grundstucke enthalte und die dazu noch schwierigere\nAbbaubedingungen aufweise, vermag sie damit - ungeachtet der Bestandskraft der\nWertermittlung - ebenfalls nicht durchzudringen. Diese Annahme beruht auf der\nVornahme einzelner Bohrungen im Rahmen der Untersuchungen der Diplomgeologin\n... (Bericht vom 13.01.1984) und einer Hochrechnung auf eine bestimmte\ndurchschnittliche Gipsmachtigkeit. Nach der erwahnten Stellungnahme des LGRB\nvom 04.12.2003 waren jedoch fur eine parzellenscharfe und hinreichend genaue\nMassenermittlung der zu erwartenden Gipsmenge weit mehr Bohrungen\nerforderlich, als sie bisher - insbesondere in der Bohrkampagne 1983 -\nvorgenommen wurden. Solche Erkundungen hat auch die Klagerin nicht angestellt,\ndenn sie hat schon keine Grundstucke mit feststehenden - bereits ermittelten -\nGipsgesteinsmachtigkeiten in das Verfahren eingebracht. Auch der Beklagte\nmusste - wie bereits ausgefuhrt - derart aufwandige Untersuchungen nicht\ndurchfuhren. Vielmehr war es bei den sogenannten Vorratsflachen vielmehr\nausreichend - aber auch erforderlich -, wenn der Beklagte seiner\nAbwagungsentscheidung die vorhandenen und zuganglichen Unterlagen\n(Lagerstattenpotenzialkarte des LGRB und das Gutachten der Diplomgeologin ...\nvom 13.01.1984) zugrunde legte. Von diesen ausgehend ist jedoch - wie\nausgefuhrt - kein ins Gewicht fallendes Defizit an gipshaltigen Flachen zu\nerkennen. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Dem Beklagten ist auch darin zu folgen, dass den im Termin nach § 57 FlurbG\ngeaußerten Abfindungswunschen der Klagerin weitestgehend Rechnung getragen\nwurde. Das gegenteilige Vorbringen der Klagerin, das diese in der mundlichen\nVerhandlung auch nicht wiederholt hat, ist nicht nachvollziehbar. Die\nAbfindung erfolgte gerade im Bereich des Festplatzes der Gemeinde ... so weit\nwie moglich ostlich, da sie unmittelbar an diesen Festplatz (Flst.Nr. ...)\nanschließt. Soweit die Klagerin die Abfindung mit dem Flurstuck Nr. ... rugt,\nweist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Klagerin in diesem - weniger\ngipshaltigen - Bereich teilweise auch Einlageflurstucke hatte (Nrn. ... und\n...). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| b) Auch der - uber den Anspruch auf wertgleiche Abfindung hinausgehende -\nAnspruch der Klagerin auf abwagungsfehlerfreie Berucksichtigung ihrer\nbesonderen betrieblichen Belange ist nicht verletzt. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Eine uber die Gleichwertigkeitsprufung nach § 44 Abs. 1 S. 1 FlurbG\nhinausgehende Abwagungskontrolle nach § 44 Abs. 2 Hs. 1 FlurbG ist\ngrundsatzlich nicht geboten. Eine solche kommt nach der neueren Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichts allerdings in bestimmten Ausnahmefallen in\nBetracht. Die Abwagungskontrolle bezieht sich auf solche Belange, die nicht\ndie Wertsicherung des Bestandes betreffen und deren ordnungsgemaße\nBerucksichtigung deshalb durch eine wertgleiche Abfindung noch nicht\ngewahrleistet ist. Das trifft zu fur besondere betriebliche\nEntwicklungstendenzen, deren Berucksichtigung schon nach der fruheren\nRechtsprechung Gegenstand einer erganzenden, freilich nicht ausdrucklich den\nGrundsatzen planerischer Abwagungskontrolle folgenden gerichtlichen\nÜberprufung war. Ihre Abwagungserheblichkeit ergibt sich aus dem\nGestaltungsauftrag der Flurbereinigungsbehorde. Um ihm gerecht zu werden, muss\ndie Behorde auch versuchen, fur die Beteiligten die Voraussetzungen fur eine\ngunstige wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Sie hat dabei, soweit\nmoglich, kunftigen Verhaltnissen Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom\n23.08.2006, BVerwGE 126, 303). Eine solche uber die Gleichwertigkeitsprufung\nhinausgehende Abwagungskontrolle kommt etwa dann in Betracht, wenn der Inhaber\neines Landabbauunternehmens den Planwunsch nach zusammenhangender Abfindung im\nUmfeld seiner bisherigen Abbaugrundstucke außert (BVerwG, Urteil vom\n17.01.2007 - 10 C 1/06 -, juris). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Von dieser neueren Rechtsprechung ausgehend macht die Klagerin vor allem\ngeltend, der Beklagte habe bei seiner Abwagungsentscheidung verkannt oder\njedenfalls nicht hinreichend gewichtet, dass der Schwerpunkt ihrer\nunternehmerischen Aktivitaten im Bereich ... liege und sie gerade in diesem\nBereich ein Minus an gipshoffiger Flache zugeteilt bekommen habe; dieses\nbelaufe sich bei einem Vergleich zwischen Anspruch und Abfindung auf uber 2\nha. Auch wenn die Klagerin auf diesen besonderen Umstand im Termin nach § 57\nFlurbG nicht ausdrucklich hingewiesen hatte, so war diese Tatsache doch ohne\nweiteres erkennbar - zum einem daraus, dass die Klagerin ihren Gipsbruch auf\nder Gemarkung ... hat und zum anderen auch deshalb, weil dem Beklagten auch\ndie Abbau- und Erweiterungsplane aus dem Antrag der Klagerin von 1989/91\nvorlagen. Der Senat vermag jedoch der Klagerin nicht darin zu folgen, dass\ngerade fur den Bereich ... ein abwagungsbeachtliches Defizit an gipshaltiger\nFlache gegeben ist. Ausgehend von der in der mundlichen Verhandlung erorterten\nVergleichsberechnung des Beklagten vom 09.05.2003 ergibt sich fur den Bereich\n... eine nach Wert ausgeglichene Bilanz (1153,46 WE Abfindung bei 1153,05\nAnspruch). Bereits als Folge der in diesem Bereich vermehrten Abfindung mit\nFlachen der Bodenklasse 10 aufgrund der unanfechtbaren Wertermittlung fiel die\ntatsachliche Abfindung nach Flache mit 23,8586 ha gegenuber dem (fiktiven)\nAnspruch nach Flache (24,3301 ha) um ca. 0,5 ha kleiner aus\n(Vergleichsberechnung vom 09.05.1003 und Schreiben des Landesamtes an die\nKlagerin vom 07.04.2003). Dies musste und durfte sich auf die Zuweisung\ngipshaltiger Flachen ebenso auswirken wie der - zulassige - allgemeine\nLandabzug nach § 47 FlurbG, auf den ca. 1,5 ha entfallen (vgl. das\nBegleitschreiben des Landesamtes vom 25.06.2003 zur Vergleichsberechnung vom\n09.05.2003). Die Vergleichsberechnung ist entgegen der Auffassung der Klagerin\nauch insoweit nicht zu beanstanden, als ihr fur den Bereich ... eine nicht\nabbaubare Gipsflache von uber 4,4 ha bei den Einlagegrundstucken zugrunde\ngelegt wurde. Dieser Flachenermittlung liegt - wie vom Beklagten in der\nmundlichen Verhandlung erlautert wurde und anhand der von ihm ubergebenen\nBesitzstandskarte und der tabellarischen Übersichten (erneuerte Fassung\nFebruar 2003) ohne weiteres nachvollziehbar ist - die Annahme zugrunde, dass\nin einem Sicherheitsabstand von 130 m zum Sportlerheim und von 200 m zur\nWohnbebauung ein Gipsabbau durch Sprengung nicht moglich ist. Sie beruht damit\nauf den - wie ausgefuhrt - eigenen Angaben der Klagerin bzw. ihrer Pachterin\nin den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantragen. Von diesen durfte der\nBeklagte bei seiner Abwagungsentscheidung ausgehen. Es ist weder vorgetragen\nnoch ersichtlich, dass fur ihn Anlass bestanden haben konnte, die\ndiesbezuglichen Angaben in Zweifel zu ziehen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Soweit die Klagerin weiter geltend macht, dass auf den\nAbfindungsgrundstucken deutlich schwierigere Abbaubedingungen als auf den\nEinlagegrundstucken herrschten, ist mit diesem Vorbringen ein beachtliches\nAbwagungsdefizit ebenfalls nicht dargetan. Die Klagerin begrundet diesen\nGesichtspunkt damit, dass der im Zuge eines Abbaus zu entfernende Abraum auf\nden Abfindungsflurstucken bezogen auf die abbaufahige Gipsmenge im\nDurchschnitt deutlich machtiger sei als auf den von ihr in das Verfahren\neingebrachten Grundstucken, weil hier die durchschnittliche Gipsmenge bei\ngleicher Abraumuberdeckung deutlich geringer sei; hierdurch ergaben sich\nhohere Kosten durch Aufschluss und Rekultivierung. Außerdem entstunden im\nRahmen der Ausbeutung der Abfindungsgrundstucke deutlich langere Transportwege\nfur den Abraum, der entsprechend den Abbaugenehmigungen zur Rekultivierung des\nnordlichen Abbaubereichs eingesetzt werden musse. Damit sind Belange, die\ntrotz wertgleicher Abfindung noch einer gesonderten Abwagung bedurfen, schon\nnicht benannt. Denn die Klagerin hat - wie bereits ausgefuhrt -\nVorratsflachen, die im Hinblick auf abbauwurdiges Gipsvorkommen und die\nkonkreten Abbaubedingungen ausreichend untersucht waren, nicht in das\nVerfahren eingebracht. Es fehlt damit insoweit an einer hinreichenden\nVerknupfung dieser Umstande mit konkretisierten und verfestigten betrieblichen\nEntwicklungstendenzen. Es kommt hinzu, dass diese besonderen -\nbetriebsspezifischen - Umstande von der Klagerin auch nicht rechtzeitig\nvorgetragen wurden. Gerade insoweit traf sie aber eine besondere\nMitwirkungspflicht. Sie war gehalten, im Wunschtermin auf die maßgeblichen\nGesichtspunkte hinzuweisen, sofern diese nicht ohnehin fur den Vorstand der\nTeilnehmergemeinschaft erkennbar waren, und hierzu auch konkrete\nGestaltungsvorschlage zu unterbreiten; nur derart qualifizierte Planwunsche\ngehoren zum beachtlichen Abwagungsmaterial (BVerwG, Urteil vom 23.08.2006,\naaO). Dass im vorliegenden Fall solche geaußert wurden, ist indes weder\nvorgetragen noch aus den vorliegenden Akten ersichtlich. Es ist auch nicht\nerkennbar, dass sich dem Beklagten diese Belange auf Grund sonstiger Umstande\naufdrangen mussten. Vielmehr wurden die sich aus den Akten ergebenden\nEntwicklungstendenzen des Betriebes - wie sie insbesondere in den in den\nGenehmigungsantragen dargestellten mittelfristigen Erweiterungsflachen zum\nAusdruck kommen (vgl. etwa die zum Abbauantrag 1989/1991 eingereichten Plane\ndes Planungsburos Dr. F. mit Erlauterungsbericht) - bei der Abwagung mit dem\nihnen zukommenden Gewicht berucksichtigt, indem die Abfindung mit gipshaltigen\nFlachen gerade in den Bereichen erfolgte, in denen die Klagerin von ihr zur\nBetriebserweiterung bereits erworbene Vorratsflachen in das Verfahren\neingebracht hatte. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Erganzend - insbesondere zu den mit den Nachtragen III und IV vorgenommenen\nÄnderungen, mit denen versucht wurde, einzelnen Einwanden der Klagerin\nRechnung zu tragen - wird auf die Begrundung der Widerspruchsbescheide, denen\nder Senat folgt, Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| c) Nach alledem kann die Klage auch mit den Hilfsantragen keinen Erfolg\nhaben. Der erste Hilfsantrag ist nur fur den Fall gestellt, dass keine\nwertgleiche Abfindung erfolgt ist. Die hochsthilfsweise begehrte\nZuruckverweisung zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an das Landesamt\nkommt nach der oben dargestellten Sach- und Rechtslage ebenfalls nicht in\nBetracht. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch uber die\nGebuhrenpflicht und uber die Erhebung eines Auslagenpauschsatzes zu Lasten der\nKlagerin beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine\nder Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 56 \n--- \n| **vom 09. Oktober 2007** \n--- \n| 57 \n--- \n| Der Streitwert fur das Verfahren wird auf 100.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| **Gr unde** \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Die Klagerin macht den\nVerlust von uber 700.000 t Gips geltend. Nach Angaben des Beklagten kann der\nErlos fur eine Tonne Gips mit 0,30 DM/t bewertet werden. Hieraus ergibt sich\nein Wert von (abgerundet) 100.000,-- EUR. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage hat keinen Erfolg. Soweit sie sich gegen den\nFeststellungsbeschluss vom 10.06.1993 richtet, ist sie bereits unzulassig\n(1.); im Übrigen ist sie unbegrundet (2.). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 1.) Der angefochtene Feststellungsbeschluss vom 10.06.1993 ist unanfechtbar\ngeworden, weil die Klagerin verspatet - namlich erst am 11.10.2001 -\nWiderspruch eingelegt hat. Die Widerspruchsfrist lief fur die Klagerin gem. §§\n79 LVwVfG, 70 Abs. 1 VwGO, 115 Abs. 1 FlurbG einen Monat nach dem ersten Tag\nder offentlichen Bekanntmachung, hier also am 24.07.1993 ab; der Beschluss\nwurde insgesamt am 16.03.1995 unanfechtbar. Von der Bestandskraft der\nWertermittlung sind entgegen der Auffassung der Klagerin auch die zum\nGipsabbau geeigneten sogenannten Vorratsflachen erfasst. Die Frage der\nBewertung dieser Flachen war Gegenstand des Wertermittlungsverfahrens, da\ngenehmigte Gipsabbauflachen mit 4,-- DM/m² bewertet und in die Bodenklasse 10\neingestuft, die ubrigen Gipsabbauflachen (Vorratsflachen) dagegen nach ihrem\nlandwirtschaftlichen Nutzwert bewertet wurden. Aus dem von der Klagerin\nangefuhrten Urteil des Flurbereinigungsgerichts Koblenz vom 21.09.1983 - 9 C\n37/82 - (RdL 1983, 323) ergibt sich nichts anderes. Denn in dem dort\nentschiedenen Fall war die Frage des Tuffsteinvorkommens in den\nEinlageflurstucken uberhaupt nicht behandelt worden. Entgegen der Auffassung\nder Klagerin waren bei der Frage der Einstufung der Gipsabbauflachen auch\nnicht ihre gewerbliche Betatigung, sondern die Grundstucke und ihre\nBestandteile selbst Gegenstand der Bewertung; dies ergibt sich unmittelbar aus\ndem Vorstandsbeschluss vom 21.05.1992/11.03.1993. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Wegen der Versaumung der Widerspruchsfrist kann der Klagerin auch nicht\ngemaß § 134 Abs. 2, 3 FlurbG Nachsicht gewahrt werden. Ein Rechtsanspruch der\nKlagerin auf Gewahrung von Nachsicht gemaß § 134 Abs. 2 S. 2 FlurbG scheidet\naus, weil - wie zwischen den Beteiligten wohl auch unstreitig ist - die\nKlagerin die Widerspruchsfrist schuldhaft versaumt und sie den Widerspruch\nauch nicht unverzuglich i.S.d. Vorschrift nachgeholt hat. Das Amt hat es des\nWeiteren auch zu Recht abgelehnt, den Widerspruch der Klagerin trotz\nFristversaumnis zuzulassen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Eine - bei schuldhafter Fristversaumnis - im Ermessen stehende\nNachsichtgewahrung gemaß § 134 Abs. 2 S. 1 FlurbG setzt eine\nInteressenabwagung zwischen den Erfordernissen der Beschleunigung des\nVerfahrens und der Rechtssicherheit, die eine zeitliche Begrenzung des\nBeschwerderechts erfordern, und dem sachlich-rechtlichen Anspruch des\nTeilnehmers auf eine dem Gesetz entsprechende Abfindung voraus. Nur wenn\ndieser Anspruch derart beruhrt wird, dass fur den Teilnehmer eine unbillige\nHarte eintritt, ist die Nachsichtgewahrung gerechtfertigt. Unbedeutende\nBeeintrachtigungen haben außer Betracht zu bleiben. Die fur den Teilnehmer\neintretende Harte muss offenbar sein; d.h. sie muss ohne besondere\nUntersuchungen erkennbar zu Tage treten. Es ist nicht Sinn dieser Regelung,\ndie sachlichen Einwendungen auf das Genaueste so zu untersuchen, als waren sie\nfristgerecht in das Verfahren eingefuhrt worden (BVerwG, Beschluss vom\n12.02.1963, BVerwGE 15, 271; BVerwG, Urteil vom 17.04.1975, BVerwGE 48, 160).\nBei der erforderlichen Abwagung ist außerdem der Zeitablauf zwischen dem\nEintritt der Saumnis und der Erhebung des verspateten Rechtsmittels zu\nberucksichtigen; aus dem Beschleunigungsgrundsatz ergeben sich zeitliche\nGrenzen fur die im Ermessen der Behorde stehende Nachsichtgewahrung (BVerwG,\nUrteil vom 07.05.1965, BVerwGE 21, 93; Beschluss vom 29.11.1978 - B 21.75 - ,\nRzF 28 zu § 134 Abs.2 FlurbG). Es muss von einem Teilnehmer erwartet werden,\ndass er Einwendungen gegen die mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren\nSchlussakte eines abgeschlossenen Verfahrensabschnitts unverzuglich nach deren\nBekanntwerden geltend macht (BVerwG, Urteil vom 17.04.1975, aaO). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Danach scheidet im vorliegenden Fall schon in zeitlicher Hinsicht eine\nNachsichtgewahrung aus. Die Ergebnisse der Wertermittlung wurden im Beschluss\nvom 16.06.1993 festgestellt. Ihren Widerspruch hiergegen hat die Klagerin erst\nuber acht Jahre spater am 11.10.2001 eingelegt. Nachvollziehbare oder\nplausible Grunde, die die Klagerin davon abhalten konnten, die Unrichtigkeit\nder Wertermittlung rechtzeitig mit dem Rechtsmittel des Widerspruchs geltend\nzu machen, hat die Klagerin auch in der mundlichen Verhandlung nicht vortragen\nkonnen; solche sind auch anhand der Akten nicht feststellbar. Dem\nBeschleunigungsgebot kommt - nach inzwischen (im Jahr 1994) außerdem erfolgter\nvorlaufiger Besitzeinweisung der Teilnehmer - im Rahmen der Interessenabwagung\nauch deshalb uberwiegende Bedeutung zu, weil die Klagerin sich zur Begrundung\nihres Widerspruchs ausschlaggebend nicht auf neuere, sondern ihr schon lange -\nbereits wahrend des Wertermittlungsverfahrens - bekannte Umstande beruft. Dies\ngilt insbesondere fur das von ihr zur Abschatzung des Gipsvorkommens in\nAuftrag gegebene, bereits im Schreiben vom 28.02.1984 erwahnte und noch im\nJahr 1984 erstattete Gutachten der Diplomgeologin ... ... („Bericht uber die\nBohruntersuchungen ... - ... vom 13.01.1984"). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Daruber hinaus und unabhangig davon fehlt es auch an einer offensichtlichen\nFehlerhaftigkeit der durchgefuhrten Wertermittlung, die zu einer Harte fur die\nKlagerin fuhren konnte. Dem materiell - rechtlichen Anspruch der Klagerin auf\nwertgleiche Abfindung wurde - gerade auch im Hinblick auf die Zuweisung\ngipshaltiger Abbauflachen - Rechnung getragen. Soweit sie geltend macht, dass\nihre gipshaltigen Vorratsflachen ebenso wie die genehmigten Abbauflachen als\n„begunstigtes Agrarland" hatten bewertet werden mussen, ergibt sich aus der\nvom Beklagten angestellten Vergleichsberechnung vom 09.05.2003, bei der eine\neinheitliche Klasse fur Gipsabbau- und Vorratsflachen unterstellt wurde, dass\ndie Gesamtbilanz an gipshaltigen Grundstucksflachen fur die Klagerin nicht zum\nNachteil ausfallt (s. hierzu die Ausfuhrungen unten). Über die Zuweisung nach\nFlache und Lage gleichwertiger gipshaltiger Grundstucke hinaus bestand dagegen\nkeine Verpflichtung des Beklagten, die Machtigkeit und Verteilung des\nGipsvorkommens in den einzelnen Einlage- und Abfindungsgrundstucken - ggf.\nunter Hinzuziehung von Sachverstandigen - festzustellen und gesondert zu\nbewerten. Zwar sind nach § 28 Abs. 2 FlurbG wesentliche Bestandteile eines\nGrundstucks, die seinen Wert dauernd beeinflussen, soweit erforderlich in\nihrem Wert besonders zu ermitteln. Selbst wenn man insoweit zugunsten der\nKlagerin unterstellt, dass Gips ein wesentlicher Bestandteil im Sinne dieser\nVorschrift ist (was deshalb fraglich ist, weil Gips, soweit er - wie hier -\nnicht untertagig abgebaut wird, nicht zu den grundeigenen Bodenschatzen im\nSinne des Berggesetzes gehort, vgl. Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Auflage, § 28\nRdn. 31), war eine gesonderte Wertermittlung des Gipsvorkommens in den\neinzelnen Grundstucken im vorliegenden Fall in dem von der Klagerin\ngewunschten Umfang jedenfalls nicht erforderlich. Auch bei abbauwurdigem Kies-\noder Gesteinsvorkommen genugt es vielmehr, sie in Verkehrswertklassen zu\nerfassen (Seehusen/Schwede, a.a.O., § 28 Rdn. 7, 31). Eine daruber hinaus\ngehende Verpflichtung bestand auch im Hinblick auf das hier streitige\nGipsvorkommen nicht. Ein solches wird auch auf die Art und Weise, wie es die\nKlagerin fordert, im Regelfall nicht erkundet, da diese Vorgehensweise viel zu\nteuer ware (Stellungnahme des LGRB vom 04.12.2003). Endgultige Nachweise fur\ndie Abbauwurdigkeit von Gipsvorkommen sollen offenbar auch erst im Rahmen von\nGenehmigungsverfahren zum Gipsabbau erbracht werden (vgl. die\nLagerstattenpotenzialkarte des LGRB, S. 11 f.). Die Klagerin selbst hat aber\netwa auch fur ihre Abbauantrage in den Jahren 1989/1991 und 2000 die\nvorgesehenen Abbauflachen nicht parzellenscharf auf die jeweiligen\nAbbaubedingungen untersucht, sondern sich mit einer - von ihr zur\nWertermittlung ebenfalls als nicht ausreichend erachteten - Schatzung des\ninsgesamt zu gewinnenden Gipses aufgrund von Probebohrungen begnugt. Daruber\nhinaus schreibt § 28 Abs. 2 FlurbG auch nicht vor, auf welche Weise eine\ngesonderte Wertermittlung vorzunehmen ist. Im vorliegenden Fall hatte sich der\nWert des Gipses auch im Vergleichswertverfahren ermitteln lassen, indem die\nDifferenz zwischen dem Wert gipshaltiger und nicht gipshaltiger Grundstucke\nfestgestellt wird. Nur wenn keine Vergleichsfalle vorhanden sind, ist der Wert\ndes (bloßen) Grundstucks und der abbaubaren Bodenbestandteile gesondert zu\nermitteln (BGH, Urteil vom 01.07.1982, AgrarR 1982, 306 und Urteil vom\n18.09.1986, NJW 1987, 1256). Im hier fraglichen Gebiet sind aber - wie sich\naus der „Karte zur Kaufpreissammlung Gipsgebiet" ergibt - hinreichend\nVerkaufsfalle vorhanden, so dass ein (Kaufpreis-) Vergleich zwischen den\ndiesseits und jenseits der sog. Gipsgrenze liegenden Grundstucken moglich ist.\nAllerdings lasst sich zwischen den rein landwirtschaftlichen Grundstucken und\nden gipshaltigen Grundstucken außerhalb der genehmigten Abbauflachen kein\nsignifikanter Unterschied zwischen den erzielten Verkaufspreisen feststellen.\nDem entspricht es auch, dass - wie auch die Klagerin nicht beanstandet -\nselbst die genehmigten Gipsabbauflachen als sog. begunstigtes Agrarland (nur)\nmit 4,00 DM/m² bewertet wurden und damit nur geringfugig uber dem Wert der\nlandwirtschaftlichen Bodenklasse 1 mit 3,84 DM/m² lagen. Aus diesem Grund hat\ndas zustandige Amt auch von der Bildung einer eigenen Verkehrswertklasse\nabgesehen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Schließlich ware die fur die Klagerin - im Falle einer rechtswidrig\nunterlassenen gesonderten Feststellung des Gipsvorkommens in den einzelnen\nGrundstucken - eintretende Harte auch nicht offenbar. Denn eine - wie die\nKlagerin unterstellt - zu niedrige Bewertung der gipshaltigen Vorratsflachen\nließe sich - wenn uberhaupt - erst nach Durchfuhrung zahlreicher Bohrungen und\nentsprechender Untersuchungen feststellen (vgl. die Stellungnahme des LGRB vom\n04.12.2003). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Kommt nach alledem eine Zulassung des Widerspruchs trotz Fristversaumnis\nnicht in Betracht, ist die gegen die Feststellung der Ergebnisse der\nWertermittlung erhobene Klage unzulassig. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 2.) Gegen die Zulassigkeit der Klage gegen den Flurbereinigungsplan vom\n24.08.1998 in der Fassung der Nachtrage I bis IV und in der Gestalt der\nWiderspruchsbescheide vom 13.02.2004 und vom 24.09.2007 bestehen dagegen keine\nBedenken. Die Klage ist insoweit jedoch nicht begrundet. Weder der Anspruch\nauf wertgleiche Abfindung (a) noch der Anspruch auf abwagungsfehlerfreie\nBerucksichtigung besonderer betrieblicher Belange der Klagerin (b) ist\nverletzt; auch die Hilfsantrage haben keinen Erfolg (c). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| a) Nach § 44 Abs. 1 S. 1 FlurbG kann jeder Teilnehmer eine wertgleiche\nAbfindung in Land beanspruchen. Das Gebot wertgleicher Abfindung ist oberster\nGrundsatz des Flurbereinigungsverfahrens (BVerwG, Urteil vom 16.12.1992 - 11\nC/92 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 72). Es verlangt, dass der Wert der\ngesamten Neuzuteilung unter Berucksichtigung der Abzuge fur Folgeeinrichtungen\ndem Wert der Gesamteinlage entspricht (BVerwG, Urteil vom 24.02.1959 - 1 C\n160.57 -, RdL 1959, 221). Maßgebend ist zunachst die Bemessung der Abfindung,\nbei der gemaß § 44 Abs. 1 S. 2 FlurbG die nach den §§ 27 bis 33 FlurbG\nermittelten, am Nutzwert fur jedermann ausgerichteten Grundstuckswerte\nzugrunde zulegen sind. Diese Werte bilden indes nicht den ausschließlichen\nMaßstab fur die Bestimmung einer wertgleichen Abfindung. Zusatzlich sind\nvielmehr nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG noch weitere den Wert der\nkonkreten Gesamtabfindung mitbestimmende Faktoren einzubeziehen (BVerwG,\nBeschluss vom 27.11.1961 - 1 B 127.61 -, RdL 1962, 243 und Urteil vom\n14.12.1978 - 5 C 16.76 -, BVerwGE 57, 192). Hierbei ist auch auf die\nVerhaltnisse des konkreten Betriebes abzustellen; insbesondere sind auch\nwertbildende Faktoren, die sich aus der Gestaltung der Abfindung ergeben, wie\nz.B. der Zuschnitt der Flachen, der Zusammenlegungsgrad und die Entfernung vom\nWirtschaftshof zu berucksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 27.11.1961, aaO;\nUrteile vom 15.10.1974 - 5 C 30.72 -, BVerwGE 47, 87 und vom 16.12.1992, aaO). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Ausgehend von diesen Grundsatzen ist zunachst die Bemessung der Abfindung\nnicht zu beanstanden. Die Klagerin hat nach dem unanfechtbaren\nFeststellungsbeschluss vom 10.06.1993 einen Abfindungsanspruch von 1891,14 WE.\nDie Abfindung betragt im Stand der maßgeblichen Nachtrage III und IV zum\nFlurbereinigungsplan vom 24.08.1998 1890,90 WE. Fur die sich daraus ergebende\nMinderausweisung in Hohe von 0,24 WE erhalt die Klagerin einen Geldausgleich\nzum Kapitalisierungsfaktor von 640,-- DM/WE. Insgesamt erhalt die Klagerin\nunter Berucksichtigung von zu bezahlenden und zu empfangenden Entschadigungen\nfur Obstbaume einen Betrag in Hohe von 54,25 EUR. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Landabfindung ist entgegen der (im Klageverfahren allerdings auch nicht\nmehr vertretenen) Auffassung der Klagerin nicht bereits aus formellen Grunden\nwegen fehlender Zustimmung rechtswidrig. Zwar ist gemaß § 45 Abs. 1 S. 1 Nr.\n11 FlurbG die Zustimmung des Eigentumers erforderlich, wenn gewerbliche\nAnlagen, sofern sie dauernd in Betrieb sind, und Lagerstatten von\nBodenschatzen, die der Aufsicht der Bergbehorde unterliegen, verandert werden.\nDie auf dem Einlageflurstuck Nr. ... (alt) befindlichen Gewinnungsanlagen fur\nden Gipsabbau wurden indes durch die Abfindung nicht verandert und das\nGipsvorkommen in den Grundstucken zahlt nicht zu den Lagerstatten von\nBodenschatzen im Sinne der genannten Vorschrift. Das Bundesberggesetz gilt\nlediglich fur das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von bergfreien und\ngrundeigenen Bodenschatzen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BBergG). Gips, soweit er - wie\ndurch die Klagerin - nicht untertagig aufgesucht und gewonnen wird, zahlt\nnicht zu den Bodenschatzen dieser Art (§ 3 Abs. 3 und Abs. 4 BBergG). \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Dem Gebot, die Landabfindung in moglichst großen Grundstucken auszuweisen (§\n44 Abs. 3 S. 1 FlurbG), ist der Beklagte nachgekommen. Außerdem wurde - wie\nsich ebenfalls aus einem Vergleich der Einlage- und Abfindungsflurstucke\n(Anlage B.2.2. und B.2.3. zum Schriftsatz des Beklagten vom 30.06.2004) ergibt\n- in allen drei Bereichen, in denen die Klagerin schwerpunktmaßig Grundstucke\nin das Verfahren einbrachte, die Flachen zusammengefasst und weiter\narrondiert. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Zu den nach § 44 Abs. 2 FlurbG bei der Abfindungsgestaltung zu\nberucksichtigenden Umstanden gehort auch ein ausbeutungsfahiges Vorkommen von\nBodenschatzen und dessen Bedeutung fur einen Abbaubetrieb (vgl. auch OVG\nRheinland-Pfalz, Urteil vom 21.09.1983, Rdl. 1983, 323 und Seehusen/Schwede §\n44 RdNr. 34). Denn ein solches Vorkommen - zu dem z.B. neben Sand und Kies\nauch Gips gehort - zahlt zu den Eigenschaften eines Grundstucks, die seine\nNutzungs- und Verwertungsmoglichkeit mitbestimmen, und das Einfluss auf die zu\nberucksichtigenden betriebswirtschaftlichen Verhaltnisse hat. Auch diesem\nUmstand ist bei der Abfindung der Klagerin jedoch hinreichend Rechnung\ngetragen worden. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das LGRB hat in seiner vom Landesamt eingeholten Stellungnahme vom\n23.05.2003 ausgefuhrt, dass sowohl hinsichtlich des alten als auch des neuen\nBestandes der Klagerin gesagt werden konne, dass beide Gebiete in den\nBereichen mit der hochsten Gipsgesteinsmachtigkeiten liegen. Es hat diese\nAussage anschaulich und uberzeugend dadurch belegt, dass es die Einlage- und\nAbfindungsflachen zur besseren Vergleichbarkeit digitalisiert und jeweils\neinzeln und zusammen uber die Linien der angenommenen Machtigkeitsverteilung\ndes Gipses in der Flache KOR ... (Flachennummer des LGRB fur den Bereich ...)\ngelegt hat (vgl. die der Stellungnahme vom 23.05.2003 beigefugten drei\nAusdrucke). Auch nach der vom Beklagten aufgestellten und in der mundlichen\nVerhandlung ausfuhrlich erorterten Vergleichsberechnung vom 09.05.2003 hat die\nKlagerin im Stand der Abfindung kein Defizit an Gipsflachen. Denn einem Minus\nvon 3908 qm an gipshaltigen Vorratsflachen steht ein Plus von 6.546 qm an\nbereits abgebauten Gipsflachen gegenuber. Die Mehrzuteilung an abgebauten\nFlachen ergibt sich daraus, dass die Klagerin aufgrund ihrer\nAbbaugenehmigungen auch nicht in ihrem Eigentum stehende Flachen abgebaut hat\n(vgl. hierzu das Beiblatt „Alter Bestand" zur Vergleichsberechnung vom\n09.05.2003). Aber auch wenn man von einem Minus bei der zugeteilten\ngipshaltigen Flache von 3.908 qm ausgeht, fallt dieses bei der gebotenen\nGesamtbetrachtung von Einlage und Abfindung nicht entscheidend ins Gewicht. Zu\nden bereits erwahnten Gestaltungsvorteilen kommt insbesondere hinzu, dass die\nweiter westlich gelegenen Einlageflurstucke auf der Gemarkung ... in den\nGewannen ... ... ... ..., in denen nach den vorliegenden Gutachten und auch\nnach den Angaben der Klagerin mit deutlich geringerer Gipsgesteinsmachtigkeit\nzu rechnen ist (vgl. auch hierzu die Zusammenfassung in der Stellungnahme des\nLGRB vom 23.05.2003), im neuen Bestand nicht mehr enthalten sind. Außerdem\nruckte die Abfindung in den Gewannen ... ... ... (Gemarkung ...) im Vergleich\nzu mehreren Einlageflurstucken weiter von der Ortslage ab, so dass die\nKlagerin beim Abbau insoweit weniger Rucksicht auf die vorhandene und\nzulassige Wohnbebauung zu nehmen hat. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Auch die von der Klagerin in der mundlichen Verhandlung noch\nherausgestellten Haupteinwande gegen die vorgenommene Zuteilung gipshaltiger\nFlachen vermogen nicht zu uberzeugen. Zwar trifft es zu, dass ihr im Bereich\ndes Festplatzes der Gemeinde ... (Abfindungsflurstuck Nr. ...) keine Flachen\nzugewiesen wurden und sie im Vergleich zu ihrer Einlage in diesem Bereich eine\num ca. 1 ha kleinere Abfindungsflache erhalten hat. Demgegenuber ist jedoch zu\nberucksichtigen, dass die Klagerin im Bereich des Festplatzes - ausweislich\nder Karte „Einlageflurstucke" (Anlage B.2.2.) - auch keine zusammenhangenden\nGrundstucksflachen eingebracht hat, denn die im fraglichen Bereich zentral\ngelegenen Grundstucke ... ... (alt) und ...(alt) standen nicht in ihrem\nEigentum. Die Beteiligten waren sich deshalb auch einig darin, dass, auch\nwegen des in der Nahe befindlichen Sportlerheimes, nur ein Teil dieser Einlage\nabbaufahig gewesen ware. Außerdem durfte das Amt im Rahmen seiner\nAbwagungsentscheidung auch berucksichtigen, dass der Vertreter der Klagerin in\neinem Schreiben vom 07.09.1992 an die Gemeindeverwaltung das grundsatzliche\nEinverstandnis zur Anlage eines Festplatzes auf Teilflachen der Grundstucke\nFlst.Nr ... - ... (alt) erklart und insoweit auf eine Zuteilung in alter Lage\nverzichtet hatte (vgl. das in der mundlichen Verhandlung ubergebene Schreiben\ndes Amtes vom 22.09.1992 an das Burgermeisteramt ... mit Anlagen). Schließlich\nist - bezogen auf das der Klagerin zugewiesene 79.815 qm große\nAbfindungsflurstuck Nr. ... - festzustellen, dass dieses unmittelbar an das\nFestplatzgrundstuck angrenzt und zum weit uberwiegenden Teil (mit Ausnahme von\netwa 11.000 qm) ebenfalls im Bereich des Gipsvorkommens liegt. Insbesondere im\nostlichen - an das „Festplatzgrundstuck" angrenzenden - Teil dieses\nGrundstucks lassen Probebohrungen eine ahnliche Gipsgesteinsmachtigkeit\nerwarten wie auf dem Festplatzgrundstuck selbst (vgl. die der Stellungnahme\ndes LGRB vom 23.05.2003 als Anlage beigefugte Karte mit den Eintragungen\n„Neuer Bestand/Alter Bestand/Isopachen Gipsgestein"). Auch die Gestaltung der\nAbfindung hinsichtlich des Abfindungsflurstucks Nr. ... ist entgegen der\nAuffassung der Klagerin nicht zu beanstanden. Zwar liegt dieses Grundstuck\nebenfalls weiter westlich als die - am weitesten ostlich gelegenen -\nEinlagegrundstucke der Klagerin in diesem Bereich. Jedoch wurden die von der\nKlagerin gerade in den Gewannen ... ... ... eingebrachten Grundstucke immer\nwieder durch im Eigentum Dritter stehender Flachen voneinander getrennt, so\ndass die Klagerin gerade hier mit der Zuweisung einer 38290 qm großen,\nzusammenhangenden Flache, die bis auf eine geringfugige Flache von 250 qm\ngipshaltig ist, sogar einen besonderen Gestaltungsvorteil erfahren hat. Dies\ngilt erst recht, wenn man berucksichtigt, dass - wie in der mundlichen\nVerhandlung festgestellt - bei einem nicht unerheblichen Flachenanteil der\nEinlageflurstucke wegen der Nahe zur Wohnbebauung ein Sicherheitsabstand\neinzuhalten gewesen und deshalb ein Gipsabbau nicht moglich gewesen ware. Der\nvon der Klagerin gegen die angenommene Große des erforderlichen Abstandes von\n200 m zur Wohnbebauung erhobene Einwand uberzeugt nicht. Denn dieses Maß\nentspricht den Angaben im Abbauantrag aus dem Jahr 1999 (vgl. die Ziff.\nB.5.8.1 im immissionsschutzrechtlichen Antrag der Fa. E. D. und die\nzeichnerische Darstellung im Bestandsplan des beauftragten Ingenieurburos D.).\nAuch mit ihrem weiteren Einwand, dass der Gipsabbau auch anders als durch\nSprengungen erfolgen konne, setzt sie sich in Widerspruch zu den Angaben im\nAbbauantrag. Denn danach soll „das Gipsgestein durch Sprengungen aus dem\nGesteinsverbund gelost und zerkleinert" werden; aus diesem Grund war dem\nAntrag auch ein Sprenggutachten eines Sachverstandigen beigefugt. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Soweit die Klagerin - ausgehend von der Vergleichsberechnung des Beklagten\nvom 09.05.2003 - von einer erheblich großeren Flachendifferenz im Gips-gebiet\n(uber 1,9 ha) zu ihren Ungunsten ausgeht, beruht dies im Wesentlichen darauf,\ndass sie den vorgenommenen Flachenabzug nach § 47 FlurbG unberucksichtigt\nlasst. Unabhangig davon, dass dieser Flachenabzug bereits im\nWertermittlungsverfahren erfolgte und daher an der Bestandskraft und\nBindungswirkung des Feststellungsbeschlusses vom 16.06.1993 teilnimmt, ist\ndieser Flachenabzug auch bei den gipshaltigen Grundstucken zu Recht\nvorgenommen worden. Eine allgemeine Freistellung bestimmter Grundstucksarten\nvom Flachenabzug sieht das Flurbereinigungsgesetz nicht vor (BVerwG, Urteil\nvom 24.11.1977, BVerwGE 45, 48). Dass fur Grundstucke mit Gipsvorkommen\nanderes zu gelten hatte, ist nicht ersichtlich. Denn auch ihnen kommt der\nallgemeine Flurbereinigungsvorteil - insbesondere durch die Neugestaltung des\nWegenetzes - zugute. Dies gilt jedenfalls so lange, als diese Grundstucke noch\nlandwirtschaftlich genutzt werden. Aber auch im Hinblick auf die beabsichtigte\nGipsgewinnung bringt die Flurbereinigung durch die Zusammenlegung der\nVorratsflachen Vorteile, indem sie die zukunftige Betriebserweiterung\nerheblich vereinfacht. Aus diesen Grunden musste auch eine Befreiung vom\nFlachenabzug nach § 47 Abs. 3 FlurbG nicht vorgenommen werden. Denn eine\noffensichtliche und unbillige Harte fur die Klagerin ergibt sich aus der\nHeranziehung zum Flachenbeitrag nicht. Eine Befreiung vom Landabzug kommt nur\ndann in Betracht, wenn die Abfindungsgrundstucke eines Teilnehmers in\nunverhaltnismaßig geringem Umfang oder uberhaupt nicht an den im Rahmen der\nFlurbereinigung geschaffenen Erschließungsanlagen beteiligt sind oder wenn die\nEinlageflurstucke bereits so erschlossen waren, dass fur die Abfindung im\nVergleich zur Einlage uberhaupt kein oder nur ein geringer Vorteil\nhinsichtlich der Erschließung eintreten konnte (BVerwG, Urteil vom 24.11.1977,\na.a.O.). Auch der Abzug in Hohe von 5 % begegnet keinen rechtlichen Bedenken.\nEr wurde entgegen der Auffassung der Klagerin nach den Feststellungen des\nBeklagten im Widerspruchsbescheid nicht unabhangig vom tatsachlichen\nLandbedarf vorgenommen, sondern konkret aus dem Bedarf fur offentliche und\ngemeinschaftliche Anlagen errechnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.07.1964,\nRdL 1964, 328). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Soweit die Klagerin auch die Verletzung ihres Anspruchs auf wertgleiche\nAbfindung wieder damit begrundet, dass ihr eine Landabfindung zugewiesen\nworden sei, die mindestens 750.000 t weniger Gips als die in das Verfahren\neingebrachten Grundstucke enthalte und die dazu noch schwierigere\nAbbaubedingungen aufweise, vermag sie damit - ungeachtet der Bestandskraft der\nWertermittlung - ebenfalls nicht durchzudringen. Diese Annahme beruht auf der\nVornahme einzelner Bohrungen im Rahmen der Untersuchungen der Diplomgeologin\n... (Bericht vom 13.01.1984) und einer Hochrechnung auf eine bestimmte\ndurchschnittliche Gipsmachtigkeit. Nach der erwahnten Stellungnahme des LGRB\nvom 04.12.2003 waren jedoch fur eine parzellenscharfe und hinreichend genaue\nMassenermittlung der zu erwartenden Gipsmenge weit mehr Bohrungen\nerforderlich, als sie bisher - insbesondere in der Bohrkampagne 1983 -\nvorgenommen wurden. Solche Erkundungen hat auch die Klagerin nicht angestellt,\ndenn sie hat schon keine Grundstucke mit feststehenden - bereits ermittelten -\nGipsgesteinsmachtigkeiten in das Verfahren eingebracht. Auch der Beklagte\nmusste - wie bereits ausgefuhrt - derart aufwandige Untersuchungen nicht\ndurchfuhren. Vielmehr war es bei den sogenannten Vorratsflachen vielmehr\nausreichend - aber auch erforderlich -, wenn der Beklagte seiner\nAbwagungsentscheidung die vorhandenen und zuganglichen Unterlagen\n(Lagerstattenpotenzialkarte des LGRB und das Gutachten der Diplomgeologin ...\nvom 13.01.1984) zugrunde legte. Von diesen ausgehend ist jedoch - wie\nausgefuhrt - kein ins Gewicht fallendes Defizit an gipshaltigen Flachen zu\nerkennen. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Dem Beklagten ist auch darin zu folgen, dass den im Termin nach § 57 FlurbG\ngeaußerten Abfindungswunschen der Klagerin weitestgehend Rechnung getragen\nwurde. Das gegenteilige Vorbringen der Klagerin, das diese in der mundlichen\nVerhandlung auch nicht wiederholt hat, ist nicht nachvollziehbar. Die\nAbfindung erfolgte gerade im Bereich des Festplatzes der Gemeinde ... so weit\nwie moglich ostlich, da sie unmittelbar an diesen Festplatz (Flst.Nr. ...)\nanschließt. Soweit die Klagerin die Abfindung mit dem Flurstuck Nr. ... rugt,\nweist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Klagerin in diesem - weniger\ngipshaltigen - Bereich teilweise auch Einlageflurstucke hatte (Nrn. ... und\n...). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| b) Auch der - uber den Anspruch auf wertgleiche Abfindung hinausgehende -\nAnspruch der Klagerin auf abwagungsfehlerfreie Berucksichtigung ihrer\nbesonderen betrieblichen Belange ist nicht verletzt. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Eine uber die Gleichwertigkeitsprufung nach § 44 Abs. 1 S. 1 FlurbG\nhinausgehende Abwagungskontrolle nach § 44 Abs. 2 Hs. 1 FlurbG ist\ngrundsatzlich nicht geboten. Eine solche kommt nach der neueren Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichts allerdings in bestimmten Ausnahmefallen in\nBetracht. Die Abwagungskontrolle bezieht sich auf solche Belange, die nicht\ndie Wertsicherung des Bestandes betreffen und deren ordnungsgemaße\nBerucksichtigung deshalb durch eine wertgleiche Abfindung noch nicht\ngewahrleistet ist. Das trifft zu fur besondere betriebliche\nEntwicklungstendenzen, deren Berucksichtigung schon nach der fruheren\nRechtsprechung Gegenstand einer erganzenden, freilich nicht ausdrucklich den\nGrundsatzen planerischer Abwagungskontrolle folgenden gerichtlichen\nÜberprufung war. Ihre Abwagungserheblichkeit ergibt sich aus dem\nGestaltungsauftrag der Flurbereinigungsbehorde. Um ihm gerecht zu werden, muss\ndie Behorde auch versuchen, fur die Beteiligten die Voraussetzungen fur eine\ngunstige wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Sie hat dabei, soweit\nmoglich, kunftigen Verhaltnissen Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom\n23.08.2006, BVerwGE 126, 303). Eine solche uber die Gleichwertigkeitsprufung\nhinausgehende Abwagungskontrolle kommt etwa dann in Betracht, wenn der Inhaber\neines Landabbauunternehmens den Planwunsch nach zusammenhangender Abfindung im\nUmfeld seiner bisherigen Abbaugrundstucke außert (BVerwG, Urteil vom\n17.01.2007 - 10 C 1/06 -, juris). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Von dieser neueren Rechtsprechung ausgehend macht die Klagerin vor allem\ngeltend, der Beklagte habe bei seiner Abwagungsentscheidung verkannt oder\njedenfalls nicht hinreichend gewichtet, dass der Schwerpunkt ihrer\nunternehmerischen Aktivitaten im Bereich ... liege und sie gerade in diesem\nBereich ein Minus an gipshoffiger Flache zugeteilt bekommen habe; dieses\nbelaufe sich bei einem Vergleich zwischen Anspruch und Abfindung auf uber 2\nha. Auch wenn die Klagerin auf diesen besonderen Umstand im Termin nach § 57\nFlurbG nicht ausdrucklich hingewiesen hatte, so war diese Tatsache doch ohne\nweiteres erkennbar - zum einem daraus, dass die Klagerin ihren Gipsbruch auf\nder Gemarkung ... hat und zum anderen auch deshalb, weil dem Beklagten auch\ndie Abbau- und Erweiterungsplane aus dem Antrag der Klagerin von 1989/91\nvorlagen. Der Senat vermag jedoch der Klagerin nicht darin zu folgen, dass\ngerade fur den Bereich ... ein abwagungsbeachtliches Defizit an gipshaltiger\nFlache gegeben ist. Ausgehend von der in der mundlichen Verhandlung erorterten\nVergleichsberechnung des Beklagten vom 09.05.2003 ergibt sich fur den Bereich\n... eine nach Wert ausgeglichene Bilanz (1153,46 WE Abfindung bei 1153,05\nAnspruch). Bereits als Folge der in diesem Bereich vermehrten Abfindung mit\nFlachen der Bodenklasse 10 aufgrund der unanfechtbaren Wertermittlung fiel die\ntatsachliche Abfindung nach Flache mit 23,8586 ha gegenuber dem (fiktiven)\nAnspruch nach Flache (24,3301 ha) um ca. 0,5 ha kleiner aus\n(Vergleichsberechnung vom 09.05.1003 und Schreiben des Landesamtes an die\nKlagerin vom 07.04.2003). Dies musste und durfte sich auf die Zuweisung\ngipshaltiger Flachen ebenso auswirken wie der - zulassige - allgemeine\nLandabzug nach § 47 FlurbG, auf den ca. 1,5 ha entfallen (vgl. das\nBegleitschreiben des Landesamtes vom 25.06.2003 zur Vergleichsberechnung vom\n09.05.2003). Die Vergleichsberechnung ist entgegen der Auffassung der Klagerin\nauch insoweit nicht zu beanstanden, als ihr fur den Bereich ... eine nicht\nabbaubare Gipsflache von uber 4,4 ha bei den Einlagegrundstucken zugrunde\ngelegt wurde. Dieser Flachenermittlung liegt - wie vom Beklagten in der\nmundlichen Verhandlung erlautert wurde und anhand der von ihm ubergebenen\nBesitzstandskarte und der tabellarischen Übersichten (erneuerte Fassung\nFebruar 2003) ohne weiteres nachvollziehbar ist - die Annahme zugrunde, dass\nin einem Sicherheitsabstand von 130 m zum Sportlerheim und von 200 m zur\nWohnbebauung ein Gipsabbau durch Sprengung nicht moglich ist. Sie beruht damit\nauf den - wie ausgefuhrt - eigenen Angaben der Klagerin bzw. ihrer Pachterin\nin den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantragen. Von diesen durfte der\nBeklagte bei seiner Abwagungsentscheidung ausgehen. Es ist weder vorgetragen\nnoch ersichtlich, dass fur ihn Anlass bestanden haben konnte, die\ndiesbezuglichen Angaben in Zweifel zu ziehen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Soweit die Klagerin weiter geltend macht, dass auf den\nAbfindungsgrundstucken deutlich schwierigere Abbaubedingungen als auf den\nEinlagegrundstucken herrschten, ist mit diesem Vorbringen ein beachtliches\nAbwagungsdefizit ebenfalls nicht dargetan. Die Klagerin begrundet diesen\nGesichtspunkt damit, dass der im Zuge eines Abbaus zu entfernende Abraum auf\nden Abfindungsflurstucken bezogen auf die abbaufahige Gipsmenge im\nDurchschnitt deutlich machtiger sei als auf den von ihr in das Verfahren\neingebrachten Grundstucken, weil hier die durchschnittliche Gipsmenge bei\ngleicher Abraumuberdeckung deutlich geringer sei; hierdurch ergaben sich\nhohere Kosten durch Aufschluss und Rekultivierung. Außerdem entstunden im\nRahmen der Ausbeutung der Abfindungsgrundstucke deutlich langere Transportwege\nfur den Abraum, der entsprechend den Abbaugenehmigungen zur Rekultivierung des\nnordlichen Abbaubereichs eingesetzt werden musse. Damit sind Belange, die\ntrotz wertgleicher Abfindung noch einer gesonderten Abwagung bedurfen, schon\nnicht benannt. Denn die Klagerin hat - wie bereits ausgefuhrt -\nVorratsflachen, die im Hinblick auf abbauwurdiges Gipsvorkommen und die\nkonkreten Abbaubedingungen ausreichend untersucht waren, nicht in das\nVerfahren eingebracht. Es fehlt damit insoweit an einer hinreichenden\nVerknupfung dieser Umstande mit konkretisierten und verfestigten betrieblichen\nEntwicklungstendenzen. Es kommt hinzu, dass diese besonderen -\nbetriebsspezifischen - Umstande von der Klagerin auch nicht rechtzeitig\nvorgetragen wurden. Gerade insoweit traf sie aber eine besondere\nMitwirkungspflicht. Sie war gehalten, im Wunschtermin auf die maßgeblichen\nGesichtspunkte hinzuweisen, sofern diese nicht ohnehin fur den Vorstand der\nTeilnehmergemeinschaft erkennbar waren, und hierzu auch konkrete\nGestaltungsvorschlage zu unterbreiten; nur derart qualifizierte Planwunsche\ngehoren zum beachtlichen Abwagungsmaterial (BVerwG, Urteil vom 23.08.2006,\naaO). Dass im vorliegenden Fall solche geaußert wurden, ist indes weder\nvorgetragen noch aus den vorliegenden Akten ersichtlich. Es ist auch nicht\nerkennbar, dass sich dem Beklagten diese Belange auf Grund sonstiger Umstande\naufdrangen mussten. Vielmehr wurden die sich aus den Akten ergebenden\nEntwicklungstendenzen des Betriebes - wie sie insbesondere in den in den\nGenehmigungsantragen dargestellten mittelfristigen Erweiterungsflachen zum\nAusdruck kommen (vgl. etwa die zum Abbauantrag 1989/1991 eingereichten Plane\ndes Planungsburos Dr. F. mit Erlauterungsbericht) - bei der Abwagung mit dem\nihnen zukommenden Gewicht berucksichtigt, indem die Abfindung mit gipshaltigen\nFlachen gerade in den Bereichen erfolgte, in denen die Klagerin von ihr zur\nBetriebserweiterung bereits erworbene Vorratsflachen in das Verfahren\neingebracht hatte. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Erganzend - insbesondere zu den mit den Nachtragen III und IV vorgenommenen\nÄnderungen, mit denen versucht wurde, einzelnen Einwanden der Klagerin\nRechnung zu tragen - wird auf die Begrundung der Widerspruchsbescheide, denen\nder Senat folgt, Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| c) Nach alledem kann die Klage auch mit den Hilfsantragen keinen Erfolg\nhaben. Der erste Hilfsantrag ist nur fur den Fall gestellt, dass keine\nwertgleiche Abfindung erfolgt ist. Die hochsthilfsweise begehrte\nZuruckverweisung zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an das Landesamt\nkommt nach der oben dargestellten Sach- und Rechtslage ebenfalls nicht in\nBetracht. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch uber die\nGebuhrenpflicht und uber die Erhebung eines Auslagenpauschsatzes zu Lasten der\nKlagerin beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine\nder Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 56 \n--- \n| **vom 09. Oktober 2007** \n--- \n| 57 \n--- \n| Der Streitwert fur das Verfahren wird auf 100.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| **Gr unde** \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Die Klagerin macht den\nVerlust von uber 700.000 t Gips geltend. Nach Angaben des Beklagten kann der\nErlos fur eine Tonne Gips mit 0,30 DM/t bewertet werden. Hieraus ergibt sich\nein Wert von (abgerundet) 100.000,-- EUR. \n---\n\n
128,808
ovgsl-2006-08-14-5-y-106
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 Y 1/06
2006-08-14
2019-01-07 09:35:36
2019-02-12 12:11:54
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Prozessbevollmachtigten des Antragstellers gegen den\nBeschluss des Verwaltungsgerichts vom 11.7.2006 - 9 K 1/06.PVL -wird\nzuruckgewiesen.\n\nDas Beschwerdeverfahren ist kostenfrei; Kosten werden nicht erstattet.\n\n## Gründe\n\nDie Beschwerdefuhrer wenden sich gegen die Gegenstandswertfestsetzung durch\nBeschluss des Verwaltungsgerichts vom 11.7.2006 und begehren statt der\nFestsetzung gemaß § 23 III RVG auf den anwaltsbezogenen Auffangwert von\n4.000,-- Euro eine Festsetzung gemaß § 23 I RVG unter Weiterverweisung auf §\n52 GKG auf den hoheren verwaltungsgerichtlichen Auffangwert von 5.000,-- Euro.\n\nDie Beschwerde ist gemaß § 33 III RVG zulassig und unterliegt gemaß § 33 VIII\n1 und 3 RVG der Entscheidung durch den Einzelrichter unter Ausschluss der\nMitwirkung ehrenamtlicher Richter.\n\nDie Beschwerde ist aber unbegrundet.\n\nDie Beschwerdefuhrer hatten Recht, wenn § 23 I RVG fur die anwaltliche\nTatigkeit im gerichtlichen Verfahren generell bestimmen wurde:\n\n> Der Gegenstandswert bestimmt sich im gerichtlichen Verfahren nach den fur\n> die Gerichtsgebuhren geltenden Wertvorschriften.\n\nDann wurde die anwaltliche Tatigkeit im Gerichtsverfahren generell nach den\nWertvorschriften fur die Gerichtstatigkeit bewertet, und § 52 GKG enthielte\ndann fur die Tatigkeit der Anwalte vor den Verwaltungsgerichten eine\nluckenlose Regelung einschließlich des stets anzuwendenden gerichtlichen\nAuffangwerts gemaß § 52 II GKG von 5.000,-- Euro.\n\nIndessen ist der Gesetzgeber des RVG einen anderen Weg gegangen und hat unter\nAblehnung einer generellen Verweisung in § 23 I 1 RVG bestimmt:\n\n> Soweit sich die Gerichtsgebuhren nach dem Wert richten, bestimmt sich der\n> Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den fur die Gerichtsgebuhren\n> geltenden Wertvorschriften.\n\nDiese Regelung schließt eindeutig eine generelle Verweisung fur die\ngerichtliche Anwaltstatigkeit auf die gerichtlichen Wertbestimmungen aus. Die\nvom Gesetzgeber vorgesehene Ausnahme liegt jedenfalls dann vor, wenn in dem\neinschlagigen Gerichtsverfahren keine wertbezogenen Gerichtsgebuhren erhoben\nwerden.\n\n> Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, § 23 RVG Rdnr. 13 unter Darlegung des\n> Streitstandes; vgl. auch Rdnr. 19 zu entsprechenden\n> mitbestimmungsrechtlichen Gerichtsverfahren bei den Arbeitsgerichten.\n\nGerade ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor, denn fur das\nPersonalvertretungsverfahren der saarlandischen Verwaltungsgericht verweist §\n113 II SPersVG auf die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes uber das\nBeschlussverfahren und damit fur Mitbestimmungsangelegenheiten auf § 3 a I Nr.\n3 ArbGG, fur das § 2 II des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl.\nI S. 718) insgesamt Kostenfreiheit und damit vollstandige\nGerichtsgebuhrenfreiheit bestimmt. Mithin gibt es fur das\npersonalvertretungsrechtliche Gerichtsverfahren vor den Verwaltungsgerichten\nkeine anwendbaren wertbezogenen Gerichtsgebuhren und deshalb greift die\ngesetzliche Ausnahme von 23 I RVG ein. Zwangslaufig bleibt dann nur die vom\nVerwaltungsgericht zutreffend angenommene Einordnung als andere Angelegenheit\nnach § 23 III RVG ubrig, der als umfassende Auffangvorschrift anzusehen ist.\n\n> In diesem Sinn auch Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, § 23 RVG Rdnr. 13.\n\nDamit erweist sich dann auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts als\nzutreffend, in personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten sei regelmaßig\nund so auch hier gemaß § 23 III 2 der anwaltsbezogene Auffangwert von 4.000,--\nEuro als Gegenstandswert festzusetzen.\n\nDie Beschwerde bleibt deshalb erfolglos.\n\nDie Kostenfreiheit des Beschwerdeverfahrens ergibt sich daraus, dass die in §\n2 II Kostenmodernisierungsgesetz angeordnete Kostenfreiheit fur das\nmitbestimmungsrechtliche Beschlussverfahren nach § 2 a I ArbGG samtliche\nNebenverfahren einschließlich kostenbezogener Nebenverfahren ergreift. Eine\nKostenerstattung ist in § 33 IX 2 RVG fur das Beschwerdeverfahren ausdrucklich\nausgeschlossen.\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n
133,946
fg-baden-wurttemberg-2005-02-01-1-k-24104
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 241/04
2005-02-01
2019-01-07 10:36:01
2019-01-17 11:53:54
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (Überlassen von Datev) \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Streitig ist, ob der Erwerb von Mehrzuteilungen im Rahmen eines\nFlurbereinigungsverfahrens grunderwerbsteuerbar ist. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Rahmen der Flurbereinigung in R. erhielt die Klagerin eine Mehrabfindung\nnach § 54 Abs. 2 Flurbereinigungsgesetz -FlurbG- in Hohe von 15.865 DM\nzugeteilt. Fur den Erwerb der Aufstockungsflache hat der Beklagte gegen die\nKlagerin - zuletzt - mit Bescheid vom 20. Marz 2001 Grunderwerbsteuer in Hohe\nvon 555 DM festgesetzt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Hiergegen wendet sich die Klagerin nach erfolglosem Vorverfahren mit\nvorliegender Klage. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Besteuerung des Zuteilungsmehrwertes sei rechtswidrig, da § 1 Abs. 1\nNr. 3 Bstb. a GrEStG den Übergang von Eigentum durch Abfindung in Land von der\nBesteuerung ausnehme. Auch der Bundesfinanzhof gehe davon aus, dass\nMehrzuteilungen gegen Geldausgleich steuerfrei seien. Dies habe das Gericht\nzwar zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 Bstb. b GrEStG und damit zum Geldausgleich im Rahmen\ndes formlichen Umlegungsverfahrens nach dem Bundesbaugesetzbuch entschieden.\nDie Entscheidung sei jedoch auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 Bstb. a GrEStG ubertragbar. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| den Grunderwerbsteuerbescheid vom 20. Marz 2001 und die\nEinspruchsentscheidung vom 10. September 2001 aufzuheben, hilfsweise die\nRevision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte beantragt \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Klageabweisung \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| und verweist zur Begrundung auf die Einspruchsentscheidung. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beteiligten haben einen Antrag auf mundliche Verhandlung nicht\ngestellt. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der vorstehende Sach- und Streitstand ist den Gerichtsakten sowie den vom\nBeklagten vorgelegten Akten (§ 71 Abs. 2 FGO) entnommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| 1\\. Die Klage ist unbegrundet. Die angefochtene Steuerfestsetzung verletzt\ndie Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Erwerbsvorgange in Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz unterliegen\nder Grunderwerbsteuer, soweit sie nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Bstb. a GrEStG\nvon der Besteuerung ausgenommen sind. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Erwerb der Aufstockungsflache durch die Klagerin nach § 54 Abs. 2\nFlurbG ist nicht unter diesen Ausnahmetatbestand zu subsumieren. Nach § 1 Abs.\n1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG sind der Übergang des Eigentums durch die\nAbfindung in Land und die unentgeltliche Zuteilung von Land fur\ngemeinschaftliche Anlagen im Flurbereinigungsverfahren sowie durch die\nentsprechenden Rechtsvorgange im beschleunigten Zusammenlegungsverfahren und\nim Landtauschverfahren nach dem FlurbG in seiner jeweiligen Fassung nicht\nsteuerbar. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Ein hier allein in Betracht kommender Übergang des Eigentums durch\nAbgeltung in Land liegt jedoch wegen der Teilflache nicht vor. Die Klagerin\nhat die Teilflache vielmehr entsprechend der Mitteilung des Amts fur\nFlurneuordnung und Landentwicklung B. nach § 54 Abs. 2 FlurbG zugeteilt\nerhalten. Gemaß § 54 Abs. 2 FlurbG ist das infolge von Geldabfindungen und zur\nAbfindung der Teilnehmer nicht benotigte Land in einer dem Zweck der\nFlurbereinigung entsprechenden Weise oder fur Siedlungszwecke zu verwenden.\nDurch den Flurbereinigungsplan wird dabei bestimmt, wem das Land zu Eigentum\nzugeteilt wird. Eine Landzuteilung nach § 54 Abs. 2 FlurbG stellt damit keine\nAbfindung in Land im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG dar\n(vgl. Fischer; in: Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 1 Rn. 644; Pahlke/Franz,\nGrEStG, 2. Aufl., § 1 Rz. 188). Denn eine Landzuteilung nach § 54 Abs. 2\nFlurbG dient nicht der Abfindung in Land, sondern beinhaltet einen\nzusatzlichen Erwerb von Land uber die eingebrachten und dafur als Abfindung\nerlangten Grundstucksflachen hinaus (vgl. auch FG Nurnberg vom 19. Juli 2001 -\nIV 233/2000, EFG 2001, 571). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Damit kann auch die von der Klagerin zitierte "neue" Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofs zur Steuerbefreiung von Mehrzuteilungen gegen Geldausgleich\nund damit einer Zuteilung uber den sogenannten Sollanspruch in einem\nUmlegungsverfahren nach § 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG keine Anwendung\nfinden. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass dem Urteil des Bundesfinanzhofs\nvom 28. Juli 1999 auch fur das Flurbereinigungsverfahren Bedeutung beizumessen\nist. Auf § 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG ist die Entscheidung jedoch nur auf\nunvermeidbare Mehrzuweisungen nach §§ 44 Abs. 3 FlurbG - im\nLandtauschverfahren nach § 103 b Abs. 1 FlurbG - ubertragbar. Auch derartige -\nunvermeidbare - Mehrausweisungen sind Teil der Landabfindung. Insoweit erlaubt\nder Wortlaut von § 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG eine Differenzierung nach\ndem Maß der Zuteilung nicht. Weitergehende Schlusse vermag der erkennende\nSenat aus dieser Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht zu ziehen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Damit war die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 3\\. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO\ngenannten Zulassungsgrunde vorliegt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 4\\. Da der Streitwert fur die Klage 500 Euro nicht ubersteigt und keiner\nder Beteiligten mundliche Verhandlung beantragt hat, konnte das Gericht gemaß\n§ 94 a FGO ohne mundliche Verhandlung entscheiden (BFH vom 22. Juli 1983 - VI\nB 180/82, BStBl II 1983, 762). \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| 1\\. Die Klage ist unbegrundet. Die angefochtene Steuerfestsetzung verletzt\ndie Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Erwerbsvorgange in Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz unterliegen\nder Grunderwerbsteuer, soweit sie nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Bstb. a GrEStG\nvon der Besteuerung ausgenommen sind. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Erwerb der Aufstockungsflache durch die Klagerin nach § 54 Abs. 2\nFlurbG ist nicht unter diesen Ausnahmetatbestand zu subsumieren. Nach § 1 Abs.\n1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG sind der Übergang des Eigentums durch die\nAbfindung in Land und die unentgeltliche Zuteilung von Land fur\ngemeinschaftliche Anlagen im Flurbereinigungsverfahren sowie durch die\nentsprechenden Rechtsvorgange im beschleunigten Zusammenlegungsverfahren und\nim Landtauschverfahren nach dem FlurbG in seiner jeweiligen Fassung nicht\nsteuerbar. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Ein hier allein in Betracht kommender Übergang des Eigentums durch\nAbgeltung in Land liegt jedoch wegen der Teilflache nicht vor. Die Klagerin\nhat die Teilflache vielmehr entsprechend der Mitteilung des Amts fur\nFlurneuordnung und Landentwicklung B. nach § 54 Abs. 2 FlurbG zugeteilt\nerhalten. Gemaß § 54 Abs. 2 FlurbG ist das infolge von Geldabfindungen und zur\nAbfindung der Teilnehmer nicht benotigte Land in einer dem Zweck der\nFlurbereinigung entsprechenden Weise oder fur Siedlungszwecke zu verwenden.\nDurch den Flurbereinigungsplan wird dabei bestimmt, wem das Land zu Eigentum\nzugeteilt wird. Eine Landzuteilung nach § 54 Abs. 2 FlurbG stellt damit keine\nAbfindung in Land im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG dar\n(vgl. Fischer; in: Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 1 Rn. 644; Pahlke/Franz,\nGrEStG, 2. Aufl., § 1 Rz. 188). Denn eine Landzuteilung nach § 54 Abs. 2\nFlurbG dient nicht der Abfindung in Land, sondern beinhaltet einen\nzusatzlichen Erwerb von Land uber die eingebrachten und dafur als Abfindung\nerlangten Grundstucksflachen hinaus (vgl. auch FG Nurnberg vom 19. Juli 2001 -\nIV 233/2000, EFG 2001, 571). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Damit kann auch die von der Klagerin zitierte "neue" Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofs zur Steuerbefreiung von Mehrzuteilungen gegen Geldausgleich\nund damit einer Zuteilung uber den sogenannten Sollanspruch in einem\nUmlegungsverfahren nach § 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG keine Anwendung\nfinden. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass dem Urteil des Bundesfinanzhofs\nvom 28. Juli 1999 auch fur das Flurbereinigungsverfahren Bedeutung beizumessen\nist. Auf § 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG ist die Entscheidung jedoch nur auf\nunvermeidbare Mehrzuweisungen nach §§ 44 Abs. 3 FlurbG - im\nLandtauschverfahren nach § 103 b Abs. 1 FlurbG - ubertragbar. Auch derartige -\nunvermeidbare - Mehrausweisungen sind Teil der Landabfindung. Insoweit erlaubt\nder Wortlaut von § 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG eine Differenzierung nach\ndem Maß der Zuteilung nicht. Weitergehende Schlusse vermag der erkennende\nSenat aus dieser Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht zu ziehen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Damit war die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 3\\. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO\ngenannten Zulassungsgrunde vorliegt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 4\\. Da der Streitwert fur die Klage 500 Euro nicht ubersteigt und keiner\nder Beteiligten mundliche Verhandlung beantragt hat, konnte das Gericht gemaß\n§ 94 a FGO ohne mundliche Verhandlung entscheiden (BFH vom 22. Juli 1983 - VI\nB 180/82, BStBl II 1983, 762). \n--- \n---\n\n
134,046
vghbw-2006-02-08-13-s-1806
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 18/06
2006-02-08
2019-01-07 10:36:48
2019-01-17 11:54:00
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Dezember 2005 - 16 K 3169/05 - geandert.\nDie Antrage der Antragsteller werden abgelehnt.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDer Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Gemaß den §§ 166 VwGO, 114, 119 Satz 2, 121 ZPO war den Antragstellern fur\ndas Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihnen ihr\nProzessbevollmachtigter beizuordnen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.12.2005 ist zulassig und begrundet. Das\nVerwaltungsgericht hat den Antragen der Antragsteller, die Antragsgegnerin im\nWege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen die bis zum 3.9.2005\nbefristet erteilten Aufenthaltserlaubnisse bis zum rechtskraftigen Abschluss\ndes Verfahrens 16 K 3168/05 zu verlangern, zu Unrecht stattgegeben. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige\nAnordnung zur Regelung eines vorlaufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges\nRechtsverhaltnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher\nNachteile notig erscheint. Voraussetzung fur den Erlass einer einstweiligen\nAnordnung ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO, dass der Antragsteller\neinen Anspruch glaubhaft macht, dessen vorlaufiger Sicherung die begehrte\nAnordnung dienen soll (Anordnungsanspruch), und dass er Grunde glaubhaft\nmacht, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen\n(Anordnungsgrund). \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Senat teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass das\nVerwaltungsgericht zu Unrecht von der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes\ndurch die Antragsteller ausgegangen ist. Wie sich schon aus der Bezeichnung\nder Maßnahme als einer einstweiligen Anordnung und aus der Vorlaufigkeit des\nzu regelnden Zustandes ergibt, dient die einstweilige Anordnung ihrem Wesen\nnach dem vorlaufigen Rechtsschutz. Es ist daher grundsatzlich nicht Sinn des\nsummarischen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem\nAntragsteller schon diejenige Rechtsposition zu verschaffen, die er nur im\nVerfahren zur Hauptsache, also aufgrund einer Verpflichtungs- oder\nLeistungsklage, erstreiten konnte. Eine solche unzulassige Vorwegnahme des\nErgebnisses der Hauptsache liegt nicht nur in irreparablen Regelungen. Sie\nkann auch dann gegeben sein, wenn die begehrte Regelung nur vorubergehend,\nd.h. unter dem Vorbehalt einer anderweitigen gerichtlichen Entscheidung in der\nHauptsache ergehen soll. Denn die Begriffe „einstweilig" und „vorlaufig" sind\nnicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich zu verstehen. Die einstweilige\nRegelung darf grundsatzlich nur der Sicherung, nicht aber der Erfullung des\nAnspruchs dienen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., RdNr. 13 f., Eyermann,\nVwGO, 11. Aufl., § 123 RdNr. 63). \n--- \n| 5 \n--- \n| Von diesen Grundsatzen hat die Rechtsprechung nur dann Ausnahmen\nzugelassen, wenn anders ein wirksamer Rechtsschutz nicht zu erreichen ware.\nDas ist regelmaßig dann der Fall, wenn das Begehren termingebunden ist, so\ndass der Rechtsschutz im Verfahren zur Hauptsache unter Umstanden zu spat\nkame, oder wenn begehrte Geldleistungen fur den Antragsteller lebensnotwendig\nsind. \n--- \n| 6 \n--- \n| Ausgehend hiervon besteht fur den Erlass der von den Antragstellern\nbegehrten einstweiligen Anordnung kein Anordnungsgrund im Sinne von § 123 Abs.\n1 VwGO, weil es nicht dringlich ist, die von ihnen begehrte vorlaufige\nRegelung zu treffen. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich nicht, dass der Erlass\nder einstweiligen Anordnung notig ware, um wesentliche Nachteile von ihnen\nabzuwenden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Unter rein auslanderrechtlichen Gesichtspunkten gesehen ist es zur\nGewahrung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich (und damit auch nicht\nstatthaft), die von den Antragstellern begehrte Regelung nach § 123 VwGO\n(Verpflichtung zu einer Aufenthaltserlaubnis) zu treffen. Denn die Klage der\nAntragstellerin zu 1 gegen den auf § 73 Abs. 1 AsylVfG gestutzten\nWiderrufsbescheid des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge vom 3.5.2005\nhat aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass wahrend der Dauer des\nWiderrufsverfahrens ihr aufenthaltsrechtlicher Status - und damit auch\nderjenige des Antragstellers zu 2 - nicht angetastet werden darf, die\nAuslanderbehorde mithin einstweilen verpflichtet ist, auslanderrechtliche\nMaßnahmen zu unterlassen, welche die Wirksamkeit des angefochtenen\nWiderrufsbescheids voraussetzen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 13.3.2001 -\n11 S 2374/99 -, InfAuslR 2001, 490; Marx, AsylVfG, 6. Aufl., § 4 AsylVfG RdNr.\n5; Storr in Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher, AufenthG, § 25\nRdNr. 4). Eine Beendigung des Aufenthalts durch auslanderrechtliche Maßnahmen\nhaben die Antragsteller hiernach bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des\nWiderrufsbescheids des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge nicht zu\nbefurchten. Es geht den Antragstellern, wie aus ihren Ausfuhrungen hervorgeht,\nletztlich auch nur darum, durch den Erlass der begehrten einstweiligen\nAnordnung in den fur die Gewahrung von Kindergeld und Bundeserziehungsgeld\nerforderlichen „Besitz" von Aufenthaltserlaubnissen zu gelangen (vgl. insoweit\n§ 62 Abs. 2 EStG bzw. § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG). Diese Geldleistungen sind fur\ndie Antragsteller jedoch nicht lebensnotwendig, so dass ihnen durch ihre\neinstweilige Vorenthaltung keine schweren und unzumutbaren Nachteile\nentstehen. Sie erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem\nZweiten Buch Sozialgesetzbuch, mit denen ihre Existenzgrundlage hinreichend\ngesichert ist. Besondere Umstande, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen\nkonnten, haben die Antragsteller nicht dargetan und sind auch sonst nicht\nerkennbar. Den Antragstellern entsteht auch kein nicht wieder gutzumachender\nSchaden, falls ihrem Begehren auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes nicht\nstattgegeben wird. Denn sowohl das Kindergeld als auch das\nBundeserziehungsgeld wird ruckwirkend bewilligt, falls die Antragsteller\nletztlich mit ihrem Begehren auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen Erfolg\nhaben sollten (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.2.2005\n- L 5 EG 1/04 -, Breithaupt 2005, 597 und Niedersachsisches Finanzgericht,\nUrteil vom 8.9.2004 - 2 K 55/03 -, EFG 2005, 307). \n--- \n| 8 \n--- \n| Hiernach fehlt es am Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO, da die\nAntragsteller nicht glaubhaft gemacht haben, dass ihnen ohne den Erlass der\nerstrebten einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare, anders nicht\nabwendbare Nachteile entstunden, zu deren nachtraglicher Beseitigung die\nEntscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage ware. \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Vermeidung weiteren Rechtsstreits merkt der Senat abschließend an, dass\ndas Verwaltungsgericht auch zu Unrecht davon ausgegangen ist, im Weg der\neinstweiligen Anordnung sei - uber die Duldung als vorlaufige Maßnahme hinaus\n- die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis moglich. Nach\nnahezu einhelliger Rechtsansicht bereits zur Rechtslage nach dem\nAuslandergesetz, nun aber auch zum Aufenthaltsgesetz ist vorlaufiger\nRechtsschutz allein nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewahren, soweit Auslandern - wie\nvorliegend den Antragstellern - durch die nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 84\nAbs. 1 Nr. 1 AufenthG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ablehnung eines\nAntrags auf Erteilung oder Verlangerung des Aufenthaltstitels ein durch die\nAntragstellung begrundetes Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG\noder die Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG genommen wird (vgl.\nFunke-Kaiser, GK-AufenthG, § 81 RdNr. 56, 72; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 81\nAufenthG RdNr. 33; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 RdNr. 120; Funke-Kaiser\nin Bader, VwGO, 3. Aufl., § 80 RdNr. 3; s. auch Hess. VGH, Beschluss vom\n16.3.2005 - 12 TG 298.05 -, AuAS 2005, 134; zur fruheren Rechtslage s. z.B.\nVGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 10.3.2000 -13 S 1026/00 -, InfAuslR 2000,\n379 m.w.N.; OVG Munster, Beschluss vom 15.4.2004 - 18 B 471/04 -, NWVBl 2004,\n391). Rechtsschutz nach § 123 VwGO kommt nach § 123 Abs. 5 VwGO nur dann in\nBetracht, wenn die Erlaubnisfiktion nicht gegeben war und daher die\nAblehnungsverfugung auch keinen im Weg des § 80 Abs. 5 VwGO korrigierbaren\n„Eingriff" darstellt; in diesen Fallen ist der Antrag aber - der\nSicherungsfunktion des § 123 VwGO entsprechend - auch nur auf Duldung d.h.\neinstweilige Unterlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gerichtet (s.\nVGH Baden-Wurttemberg, a.a.O.). Im hier vorliegenden Fall der Erlaubnisfiktion\nreicht einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO auch aus: Wenn wie\nhier „fremdes" Recht (Kindergeld- oder Erziehungsgeldrecht) den „Besitz" einer\nAufenthaltserlaubnis verlangt, so haben die mit diesem Rechtsgebiet befassten\nBehorden und Gerichte zu entscheiden, ob und welche nur vorlaufige\nauslanderrechtliche Rechtsposition - z.B. eine positive Entscheidung nach § 80\nAbs. 5 VwGO nach Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis oder aber - bei\nfehlender Fiktionswirkung - eine auf Duldung gerichtete einstweilige Anordnung\n-dazu ausreicht, einen entsprechenden Anspruch zu begrunden oder wenigstens\neinen vorlaufigen Leistungsbezug zu rechtfertigen. Die dem System des\nauslanderrechtlichen vorlaufigen Rechtsschutzes fremde einstweilige Anordnung\nauf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde diese Prufung unterlaufen. Es\nliegt auch bereits fachgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des\nLeistungsbezugs bei einer nur vorlaufigen Aufenthaltsposition vor: Bereits ein\nals erlaubt geltender Aufenthalt im Inland nach § 69 Abs. 3 AuslG kann zum\nBezug von Kindergeld bzw. von Bundeserziehungsgeld berechtigen (vgl.\nNiedersachsisches Finanzgericht, Urteil vom 8.9.2004 - 2 K 55/03 -, EKG 2005,\n307 und Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.2.2005 - L 5 EG\n1/04 -, Breithaupt 2005, 597). Es ist Sache der Antragsteller, in Verfahren\ngegenuber den Leistungstragern fur das Kindergeld bzw. das\nBundeserziehungsgeld abzuklaren, ob diese Rechtsprechung auf Inhaber von\nFiktionsbescheinigungen nach § 81 Abs. 5 AufenthG ubertragen wird. Dass\nLeistungsgesetze wie das Bundeserziehungsgeldgesetz den „Besitz" eines\nAufenthaltstitels zur Voraussetzung der Bewilligung von Geldleistungen machen,\nrechtfertigt es daher - mit anderen Worten - nicht, den Antragstellern im Wege\nder einstweiligen Anordnung eine Rechtsposition zu verschaffen, die ihnen nach\nder auslanderrechtlichen Konzeption des Gesetzgebers (noch) nicht zustehen\nsoll. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und\n2 GKG. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
108,093
olgrost-2007-06-27-2-w-1207
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
2 W 12/07
2007-06-27
2018-11-25 20:30:16
2019-02-11 06:08:48
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde der Verfugungsbeklagten gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer\ndes Landgerichts Rostock vom 09.03.2007 - Az.: 3 O 62/07 - wird auf seine\nKosten zuruckgewiesen.\n\n \n\nDer Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 3.900,- festgesetzt.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nDie gemaß §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulassige sofortige\nBeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.\n\n2\n\n \n\nDie Verfugungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) hat gemaß § 91 a ZPO die\nKosten des einstweiligen Verfugungsverfahrens in erster Instanz zu tragen,\nnachdem sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch den von den Parteien\ngeschlossenen Vergleich erledigt hat. Der Antrag des Verfugungsklagers (im\nFolgenden: Klager) auf Erlass einer einstweiligen Verfugung war ursprunglich\nzulassig und begrundet.\n\n3\n\n \n\nDem Klager stand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenuber der\nBeklagten zu. Danach war es der Beklagten untersagt, die unstreitig vom Klager\nerstellten Webseiten ohne Hinweis auf dessen Urhebereigenschaft fur die\nHerstellung der Seiten zu nutzen, §§ 13, 97 Abs. 1 UrhG.\n\n4\n\n \n\n1\\. Es kann dahin stehen, ob die Gestaltung von Webseiten Urheberrechtsschutz\nals Computerprogramm gemaß §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a UrhG genießt.\n\n5\n\n \n\nComputerprogramme im Sinne des Urhebergesetzes sind Programme in jeder Gestalt\n(§ 69a Abs. 1 UrhG). Der Schutz erstreckt sich auf alle Ausdrucksformen eines\nComputerprogramms, wenn dieses als hinreichend individuelles Werk das Ergebnis\nder eigenen geistigen Schopfung ihres Urhebers ist (§ 69a Abs. 2 und 3 UrhG).\nAbzugrenzen ist der Begriff des Computerprogramms jedoch von sonstiger\nSoftware, insbesondere von reinen Daten, die nicht gemaß § 69a ff. UrhG\ngeschutzt ist. Computerprogramme liegen nur vor, wenn sie eine Folge von\nBefehlen enthalten, die zur Kontrolle bzw. Steuerung des Programmablaufs\nbenutzt werden (OLG Hamburg MMR 1999, 230; Wandtke/Bullinger/Grutzmacher,\nUrhG, 2. Aufl., § 69a, Rn. 3, 17).\n\n6\n\n \n\nWebseiten, die lediglich auf einer HTML-Datei (Hyper-Text Markup Language)\nbasieren, sind deshalb regelmaßig keine Computerprogramme. Denn der HTML-Code\nallein enthalt keine ablauffahige Folge von Einzelanweisungen, die dazu dient,\nden Computer zur Ausfuhrung einer bestimmten Funktion zu veranlassen. Vielmehr\nwerden mit Hilfe der im Internet gebrauchlichen HTML-Codierung die\nFormatierung der Seite niedergelegt und Texte sowie Grafiken sichtbar gemacht.\nDie HTML-Befehle im Quelltext einer Webseite bewirken daher nur, dass die\nvorgegebene Bildschirmgestaltung im Internet kommuniziert werden kann (OLG\nFrankfurt MMR 2005, 705; Wandtke/Bullinger/Grutzmacher, a.a.O., Rn. 18;\nMestmacker/Schulze/Haberstumpf, Urheberrecht, § 69a UrhG, Rn .10;\nDreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 69a, Rn. 12; Mohring/Nicolini/Hoeren, UrhG,\n2. Aufl., § 69a, Rn. 7).\n\n7\n\n \n\nSo liegt der Fall hier. Ausweislich der ersten Zeile des vom Klager\nvorgelegten Quelltextes sind die Webseiten als HTML-Datei erstellt worden.\nDass auf den hier vorliegenden Webseiten zusatzlich ablauffahige\nProgrammbestandteile vorhanden sind, hat der Klager weder vorgetragen noch ist\ndies angesichts des eingereichten Ausdrucks der Bildschirmoberflachen und des\nQuelltextes ersichtlich.\n\n8\n\n \n\nIm Übrigen spricht gegen die Annahme einer eigenen Schopfung der HTML-\nCodierung, dass der Klager die Webseiten erkennbar mittels des Designprogramms\n"M.. D.." hergestellt hat. Das ergibt sich aus der Zeile 16 des vorgelegten\nQuelltextes. Ein solches Designprogramm generiert den Quellcode selbsttatig,\nnachdem der Anwender die gewunschten Elemente auf dem Bildschirm, z.B. mit der\nComputermaus, erzeugt und spezielle Funktionen mit Hilfe entsprechender\nSchaltflachen eingefugt hat.\n\n9\n\n \n\n2\\. Die Gesamtheit der vom Klager hergestellten Webseiten ist jedoch gemaß § 2\nAbs. 1 Nr. 1 UrhG geschutzt.\n\n10\n\n \n\nEs ist allgemein anerkannt, dass der Gestaltung von Webseiten unabhangig von\nder Digitalisierung ihres Inhalts ein Urheberrechtsschutz zukommen kann,\nsofern die Gestaltung die gemaß § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Schopfungshohe\nerreicht (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Hamm, MMR 2005, 106; OLG Dusseldorf MMR\n1999, 729; LG Munchen I MMR 2005, 267).\n\n11\n\n \n\na) Ein Werk der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) oder ein\nMultimediawerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 2. Alt. UrhG, vgl. LG Munchen I a.a.O.)\nliegt allerdings nicht vor. Insoweit geht die Gestaltung der Webseiten nicht\nuber das hinaus, was bei ordnungsgemaßer Erstellung eines Werbeauftritts im\nInternet handwerklich zu leisten ist.\n\n12\n\n \n\nb) Der urheberrechtliche Schutz ergibt sich im vorliegenden Fall aus der\nVerwendung der Sprache, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG.\n\n13\n\n \n\nZwar bietet die vom Klager auf den Webseiten verwendete Alltagssprache an sich\nkeine Besonderheiten. Die sprachliche Gestaltung durch den Klager fuhrt jedoch\ndazu, dass die Webseiten der Beklagten bei Eingabe der plakativen Suchworter\n"M.., B.., S.." in die in Deutschland weit verbreitete Suchmaschine "Google"\nunter den ersten Suchergebnissen erscheint. Nach dem vom Klager vorgelegten\nAusdruck vom 22.02.2007 zeigte die Suchmaschine die Webseite der Beklagten als\nerstes von etwa 10.100 Ergebnissen an. Dass dies kein Zufallsprodukt, sondern\nvon gewisser Dauer ist, ergibt sich daraus, dass die Webseite auch Ende Juni\n2007 noch als drittes Suchergebnis von nunmehr 12.100 Eintragen auftritt.\n\n14\n\n \n\nWeil die Suchmaschinen im Internet ihre Ergebnisse auf der Grundlage der in\nden Quelltexten enthaltenen sogenannten Meta-Tags sowie dem Auftreten der\nSuchbegriffe im Dokumententitel oder in Überschriften sortieren, kommt der\nzielfuhrenden Verwendung der Sprache bei der Suchmaschinen-Optimierung\nerhebliche Bedeutung zu. Zur Vermeidung von Manipulationen halten die\nBetreiber von Suchmaschinen die genauen Parameter der Suchfunktionen\nallerdings geheim und veranderten sie im Verlauf der Zeit. Um gleichwohl fur\neine gewisse Dauer die Auflistung der Webseiten an der Spitze der\nSuchergebnisse zu erreichen, bedarf es daher besonderer Kenntnisse und\nFahigkeiten bei der Gestaltung des Internetauftritts. Dass die - vertraglich\nvereinbarte - Suchmaschinen-Optimierung hier gelungen ist, belegen die oben\ngenannten Ergebnisse.\n\n15\n\n \n\nDarin liegt die personliche geistige Schopfung des Klagers im Sinne des § 2\nAbs. 2 UrhG. Die Auswahl, die Einteilung und die Anordnung der Suchbegriffe\naus der Alltagssprache auf den Webseiten und im Quelltext bilden hier die\nindividuelle schopferische Eigenheit des vom Klager gestalteten\nInternetauftritts. Die Gestaltung mit Mitteln der Sprache erreicht die fur die\nUrheberrechtsschutzfahigkeit hinreichende Gestaltungshohe, denn sie ubersteigt\ndeutlich das Schaffen eines durchschnittlichen Webdesigners, das auf einer\nroutinemaßigen, handwerksmaßigen und mechanisch-technischen Zusammenfugung des\nMaterials beruht. Die durch geschickte Auswahl und Anordnung der\nSchlusselworter erzielte Spitzenposition in der Suchmaschine beruht auf der\neigenen geistigen Schopfung des Klagers. Die auf diese Weise vorgenommene\nGestaltung verschafft den Webseiten eine individuelle Pragung und hebt sie\ndeutlich aus der Vielzahl durchschnittlicher Internetauftritte anderer\nAnbieter von Hausern heraus.\n\n16\n\n \n\n3\\. Der Klager hat deshalb gemaß § 13 S. 2 UrhG das Recht zu bestimmen, ob das\nWerk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu\nverwenden ist.\n\n17\n\n \n\nDas ist hier der Hinweis auf die technische Realisierung durch die "t.. I..",\nderen Inhaber der Klager ist. Diese Bezeichnung seiner Urhebereigenschaft an\nder webbezogenen Gestaltung hat der Klager bei Erstellung der Seiten fur die\nursprungliche Domain der Beklagten - "www.h..-m...de" - gewahlt und eingefugt.\n\n18\n\n \n\nIndem die Beklagte ihren Firmennamen geandert hat und die Webseiten nun unter\nder ebenfalls geanderten Domain "www.h..-m...de" anbietet, ist weder das\nUrheberrecht noch das Recht des Klagers auf Anerkennung seiner\nUrhebereigenschaft entfallen. Durch die geringfugigen Änderungen in Bezug auf\nden Firmennamen der Beklagten, denen der Klager wegen des markenrechtlichen\nKonflikts zustimmen musste (§ 39 Abs. 2 UrhG), ist ein neues Werk nicht\nentstanden. Mit Ausnahme der Namensanderung und des Urheberhinweises sind die\nvom Klager gestalteten Webseiten - insbesondere auch die Maßnahmen im Rahmen\nder Suchmaschinen-Optimierung - vollstandig und unverandert in die neue Domain\nubernommen worden.\n\n19\n\n \n\n4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.\n\n20\n\n \n\nDer Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der\nerstinstanzlich entstandenen Kosten, § 3 ZPO.\n\n
129,148
olgsl-2007-09-27-6-uf-3507
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
6 UF 35/07
2007-09-27
2019-01-07 09:38:55
2019-02-12 12:12:48
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das am 4. April 2007 verkundete Urteil\ndes Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg - 9 F 392/05 UE - unter\nZuruckweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeandert und wie folgt\nneu gefasst:\n\nDer Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin monatlichen Trennungsunterhalt,\njeweils bis zum 3. eines jeden Monats im voraus, in Hohe von 1.123 EUR fur die\nZeit von Oktober 2005 bis Marz 2006 und ab Juni 2006 sowie in Hohe von 863 EUR\nfur April und Mai 2006, jeweils nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber\ndem Basiszinssatz ab dem 4. eines jeden Falligkeitsmonats, zu zahlen.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz tragen die Klagerin 1/10,\nder Beklagte 9/10. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klagerin\n1/3, der Beklagte 2/3.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDie Parteien haben in den funfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts\ngeheiratet. Seit Oktober 2004 leben sie voneinander getrennt.\n\nDie am ... August 1930 geborene Klagerin bezieht Altersrente von der Deutschen\nRentenversicherung Bund in Hohe von monatlich 197 EUR.\n\nDer am ... Februar 1927 geborene Beklagte ist pensionierter Beamter. Seine\nPension belauft sich auf monatlich 2.576 EUR. An Krankenkassen- und\nPflegeversicherungsbeitragen zahlt er fur sich und die Klagerin monatlich 483\nEUR. Er wohnt mietfrei im eigenen Haus. Nach dem Bescheid des Landesamtes fur\nSoziales, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 24. April 2006 (Bl. 45 d.A.)\nist er zu 80% behindert; er leidet an Bluthochdruck, Herzinsuffizienz mit\nHerzrhythmusstorungen, chronischer Emphysembronchitis, Diabetes mellitus,\nPolyneuropathie, Verschleiß von Wirbelsaule, Huft- und Kniegelenken, an einer\nBlasenentleerungsstorung und einem Leberschaden; daneben liegt ein\nGallensteinleiden vor und die Hirnleistung ist gemindert. Nach einem Attest\ndes Dr. med. G. O. vom 7. Juni 2006 (Bl. 64 d.A.) ist der Beklagte\npflegebedurftig.\n\nMit ihrer am 8. November 2005 eingereichten Klage hat die Klagerin vom\nBeklagten Auskunft uber seine Einkunfte verlangt und fur die Zeit ab Oktober\n2005 noch unbezifferten Trennungsunterhalt geltend gemacht. Zuletzt hat die\nKlagerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klagerin monatlichen\nTrennungsunterhalt in Hohe von 1.295 EUR ab Oktober 2005 zuzuglich Zinsen zu\nzahlen.\n\nDer Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, wegen\nseines Gesundheitszustands auf Unterstutzung angewiesen zu sein. Im Übrigen\nhabe er, was in der zweiten Instanz unstreitig gestellt worden ist, in den\nMonaten April und Mai 2006 eine Haushaltshilfe beschaftigt und hierfur\nmonatlich 520 EUR gezahlt.\n\nAuf Antrag der Klagerin hat das Familiengericht die einstweilige Anordnung vom\n14. Dezember 2005 erlassen, worin dem Beklagten aufgegeben wird, ab November\n2005 monatlichen „Ehegattenunterhalt" in Hohe von 1.000 EUR zu zahlen. Im\nTermin zur mundlichen Verhandlung vom 28. Juni 2006 einigten sich die Parteien\ndahingehend, dass die Klagerin bis langstens 31. Dezember 2006 aus der\neinstweiligen Anordnung monatlich nur maximal 800 EUR vollstrecken werde.\n\nIn dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das\nFamiliengericht den Beklagten verurteilt, an die Klagerin monatlichen\n„Ehegattenunterhalt" fur\n\n> > --- \n>> Oktober 2005 bis Marz 2006 in Hohe von 1.073 EUR, \n>> April und Mai 2006 in Hohe von 813 EUR, \n>> Juni 2006 bis April 2007 in Hohe von 1.073 EUR und \n>> ab Mai 2007 in Hohe von 743 EUR, \n \njeweils nebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz ab\ndem 4. eines jeden Falligkeitsmonats, abzuglich der fur diesen Zeitraum\nbereits gezahlten bzw. vollstreckten Unterhaltsleistungen, zu zahlen.\n\nHiergegen wendet sich die Klagerin mit ihrer Berufung, mit der sie\nTrennungsunterhalt in Hohe von monatlich 1.221,50 EUR ab Oktober 2005 geltend\nmacht. Die Klagerin tragt vor, dass das erstinstanzliche Urteil an einem\nRechenfehler leide. Das Einkommen des Beklagten konne nicht um monatlich 600\nEUR fur eine Haushaltshilfe gemindert werden, soweit eine solche gar nicht\nbeschaftigt werde.\n\nDer Beklagte beantragt, die Berufung zuruckzuweisen. Er verteidigt das\nangefochtene Urteil.\n\n**II.**\n\nDie Berufung ist zulassig und teilweise begrundet.\n\nDer Anspruch der Klagerin auf Trennungsunterhalt ergibt sich auch aus § 1361\nBGB; dies ist zwischen den Parteien im Grundsatz auch nicht umstritten. Bei\nder Bedarfsbemessung ist, der Handhabung des Familiengerichts folgend, davon\nauszugehen, dass der Beklagte im Monat eine Pension in Hohe von 2.576 EUR\nbezieht und auf die Kranken- und Pflegeversicherung der Parteien 483 EUR\nzahlt; außerdem muss er sich einen Wohnwert in Hohe von monatlich 350 EUR\nzurechnen lassen. Dies entspricht den unbeanstandet gebliebenen und zu keinen\nBedenken Anlass gebenden Feststellungen des Familiengerichts und ist daher fur\ndie weitere Unterhaltsberechnung maßgeblich.\n\nFur die Monate April und Mai 2006 vermindert sich das Einkommen des Beklagten\num jeweils 520 EUR, weil er diese Betrage fur eine Haushaltshilfe aufgebracht\nhat, wozu er auch unterhaltsrechtlich berechtigt war.\n\nEntsprechend der Handhabung des Familiengerichts ist davon auszugehen, dass\nder Beklagte altersbedingt sowie auf Grund sonstiger gesundheitlicher\nEinschrankungen gebrechlich ist und Hilfe benotigt, weil er korperlich\nanstrengende Arbeiten im Haushalt nicht mehr verrichten kann. Dabei gehoren\nunter den gegebenen Umstanden die mit der Beschaftigung einer Haushaltshilfe\nverbundenen Kosten nicht mehr zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten, sondern\nsie sind als einkommensmindernd zu berucksichtigender Mehrbedarf anzusehen\n(vgl. BGH, FamRZ 1984, 151; OLGR Bamberg, 1999, 321; Wendl/Gerhardt, Das\nUnterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1, Rz. 606;\nEschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rz. 6582, jeweils\nm.w.N.). Die diesbezuglichen Feststellungen des Familiengerichts werden von\nder Klagerin im Grundsatz auch nicht in Zweifel gezogen; insbesondere\nbestreitet sie nicht, dass der Beklagte nur noch sehr eingeschrankt\nleistungsfahig ist und fur regelmaßiges Putzen und großere Einkaufe\nHilfspersonen benotigt. Ebenso wenig zieht die Klagerin die Einschatzung des\nFamiliengerichts in Zweifel, dass monatliche Kosten fur eine Haushaltshilfe in\nHohe von 520 EUR - wie etwa fur April und Mai 2006 - nicht unangemessen sind\nund unterhaltsrechtlich auch berucksichtigt werden konnen.\n\nDieser Aufwand ist daher einkommensmindernd zu berucksichtigen, soweit und\nsolange er vom Beklagten tatsachlich betrieben wurde. Dies war, wie in der\nzweiten Instanz unstreitig geworden, in den Monaten April und Mai 2006 der\nFall. Im ubrigen Klagezeitraum hat der Beklagte unstreitig keine\nHaushaltshilfe beschaftigt, so dass insoweit auch keine Kosten angesetzt\nwerden konnen, da sie nicht angefallen sind. Denn krankheitsbedingter\nMehraufwand ist nur zu berucksichtigen, wenn er auch tatsachlich entstanden\nist, ein fiktiver Ansatz, wie ihn das Familiengericht vorgenommen hat, kommt\ngrundsatzlich nicht in Betracht (vgl. Wendl/Gerhardt, a. a. O., § 1, Rz. 608;\nEschenbruch/Mittendorf, a. a. O., Rz. 6582).\n\nAuf Seiten der Beklagten ist von einem monatlichen Renteneinkommen in Hohe von\n197 EUR auszugehen, wie es den nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des\nFamiliengerichts entspricht. Aus alledem ergibt sich folgende Berechnung: \n \n--- \nOktober 2005 bis Marz 2006 und ab Juni 2006 \nPension des Beklagten | 2.576,00 EUR \n./. Kranken- und Pflegeversicherung | \\- 483,00 EUR \nWohnvorteil | 350,00 EUR \nmaßgebliches Einkommen des Beklagten | 2.443,00 EUR \nmaßgebliches Einkommen der Klagerin | 197,00 EUR \nDifferenz der maßgeblichen Einkunfte | 2.246,00 EUR \nBedarf der Klagerin (1/2) | 1.123,00 EUR \n \n--- \nApril und Mai 2006 (Haushaltshilfe) \nPension des Beklagten | 2.576,00 EUR \n./. Kranken- und Pflegeversicherung | \\- 483,00 EUR \nWohnvorteil | 350,00 EUR \n./. Kosten der Haushaltshilfe | \\- 520,00 EUR \nmaßgebliches Einkommen des Beklagten | 1.923,00 EUR \nmaßgebliches Einkommen der Klagerin | 197,00 EUR \nDifferenz der maßgeblichen Einkunfte | 1.726,00 EUR \nBedarf der Klagerin (1/2) | 863,00 EUR \n \nHierauf ist bereits gezahlter bzw. vollstreckter Unterhalt nicht anzurechnen,\nweil es sich dabei nach dem ubereinstimmenden Sachvortrag der Parteien nicht\num zum Zwecke der Erfullung, sondern um nur im Hinblick auf die\nZwangsvollstreckung - aus einem noch nicht endgultigen Titel - erbrachte\nZahlungen handelt (vgl. Palandt-Gruneberg, BGB, 66. Aufl., § 362, Rz. 12,\nm.w.N.).\n\nDer Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsatzliche\nBedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht\nerfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).\n\n
132,686
lsgbw-2007-01-25-l-10-r-73904
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 10 R 739/04
2007-01-25
2019-01-07 10:17:49
2019-01-17 11:52:34
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom\n30.09.2003 wird verworfen.\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren vor dem Landessozialgericht\nBaden-Wurttemberg nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist die Gewahrung hoherer Altersrente. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1936 geborene Klager bezog ab 1.1.2000 von der damaligen\nLandesversicherungsanstalt W., jetzt Deutsche Rentenversicherung B. und\naktuell Beklagte, Altersrente fur langjahrig Versicherte in Hohe von monatlich\n1623,06 DM (Stand Januar 2000, Bescheid vom 22.11.1999). Grundlage waren -\nneben Pflichtbeitragen auf Grund von in Deutschland ab Dezember 1985 erfolgter\nBeschaftigungen - bis Januar 1985 in Rumanien zuruckgelegte\nVersicherungszeiten, die von der Beklagten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) -\njedoch lediglich zu funf Sechsteln - angerechnet wurden. Zur weiteren\nFeststellung der rentenrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf\nzum Rentenbescheid Bezug genommen. Der auf die Gewahrung hoherer Altersrente\nunter voller Berucksichtigung der in Rumanien zuruckgelegten rentenrechtlichen\nZeiten gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom\n16.2.2000). \n--- \n| 3 \n--- \n| Das hiergegen am 17.3.2000 angerufene Sozialgericht Heilbronn hat die Klage\nmit Urteil vom 30.9.2003, dem Klager am 23.1.2004 zugestellt, abgewiesen.\nHiergegen hat der anwaltlich vertretene Klager am 20.2.2004 Berufung\neingelegt. Obwohl zum 1.6.2006 das deutsch-rumanische\nSozialversicherungsabkommen in Kraft getreten und bei in Rumanien\nzuruckgelegten Zeiten fur die Regionaltrager der Deutschen Rentenversicherung\nseit diesem Zeitpunkt ausschließlich die Deutsche Rentenversicherung U.\nzustandig ist und entgegen ausdrucklicher Hinweise des Senats zu damit\nverbundener Funktionsnachfolge und eingetretenem gesetzlichen\nBeteiligtenwechsel (Schreiben vom 31.10.2006 und 21.11.2006) wendet sich der\nKlager prozessual ausschließlich gegen die Deutsche Rentenversicherung B.\n(Schriftsatz seiner Prozessbevollmachtigten vom 12.12.2006). \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 5 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.9.2003 aufzuheben und die\nBeklagte unter Abanderung des Bescheides vom 22.11.1999 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 16.2.2000 zu verurteilen, ihm hohere Altersrente zu\ngewahren. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen bzw. die Klage abzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Sie verweist auf ihre zum 1.6.2006 entfallene Passivlegitimation, willigt\nin einen erneuten Beteiligtenwechsel, jetzt von der Deutschen\nRentenversicherung U. zur Deutschen Rentenversicherung B. , aber ein. \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens\nwird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten\nVerwaltungsakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 10 \n--- \n| Auf Grund der Prozesserklarung des Klagers im Schriftsatz seiner\nProzessbevollmachtigten vom 12.12.2006, die Klage entgegen der Empfehlung des\nSenats gegen die Deutsche Rentenversicherung B. zu richten, ist nach einem zum\n1.6.2006 kraft Gesetzes erfolgten Beteiligtenwechsel (von der Deutschen\nRentenversicherung B. zur Deutschen Rentenversicherung U. ) ein erneuter, nun\naber gewillkurter Beteiligtenwechsel (von der Deutschen Rentenversicherung U.\nzur Deutschen Rentenversicherung B. ) eingetreten. Dadurch hat sich das seit\n1.6.2006 gegen die Deutsche Rentenversicherung U. gerichtete\nBerufungsverfahren - wie nachfolgend dargestellt - durch Rucknahme\nerledigt.Die mit dem Schriftsatz zugleich anhangig gewordene (neue) Klage\ngegen die Deutsche Rentenversicherung B. ist abzuweisen. Zwar ist die im\nBeteiligtenwechsel liegende Klageanderung durch ausdruckliche Einlassung der\nDeutschen Rentenversicherung B. in der mundlichen Verhandlung zulassig, die\nKlage selbst jedoch mangels Passivlegitimation der Deutschen\nRentenversicherung B. unbegrundet. Der vom Klager in der mundlichen\nVerhandlung vor dem Senat aufrecht erhaltene Berufungsantrag gegen die\nDeutsche Rentenversicherung B. ist nach § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz\n(SGG) als unzulassig zu verwerfen. Denn der Klager wird im Verhaltnis zur\nDeutschen Rentenversicherung B. durch das Urteil des Sozialgerichts nicht\n(mehr) beschwert, weil die Deutsche Rentenversicherung U. die Stelle der\nBeklagten in diesem Urteil eingenommen hat. \n--- \n| 11 \n--- \n| Einen Berufungsantrag gegen die zum 1.6.2006 in das Verfahren an Stelle der\nDeutschen Rentenversicherung B. eingetretene Deutsche Rentenversicherung U.\nhat der Klager in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat nicht gestellt,\nweil er - ebenfalls entgegen den Hinweisen des Senats - fur ein Verfahren\ngegen die Deutsche Rentenversicherung U. keine prozessuale Moglichkeit gesehen\nhat. Ein solcher Antrag ware zwischenzeitlich auch unzulassig. Denn die soeben\nerwahnte und nachfolgend noch darzustellende Rucknahme der Berufung im Rahmen\ndes gewillkurten Beteiligtenwechsels hat nach § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG den\nVerlust des Rechtsmittels zu Folge. Eine in der mundlichen Verhandlung erneut\nerhobene Berufung ware daher nicht statthaft gewesen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Gesetz vom 6.3.2006 (BGBl. II, S. 162) hat der Bundestag mit Zustimmung\ndes Bundesrates das Gesetz zu dem Abkommen vom 8.4.2005 zwischen der\nBundesrepublik Deutschland und Rumanien uber soziale Sicherheit beschlossen\nund dem Abkommen (deutsch-rumanisches Sozialversicherungsabkommen, BGBl. II\n2006, S. 164) zugestimmt. Nach Art. 30 Abs. 2 des Abkommens ist es am ersten\nTag des zweiten Monats nach Ablauf des Monats in Kraft getretenen, in dem die\nRatifikationsurkunden ausgetauscht worden sind. Der Austausch der\nRatifikationsurkunden erfolgte am 27.4.2006. Das Abkommen trat somit am\n1.6.2006 in Kraft. \n--- \n| 13 \n--- \n| Gemaß Art. 24 Abs. 2 des deutsch-rumanischen Sozialversicherungsabkommens\nist zur Durchfuhrung des Abkommens fur die Deutsche Rentenversicherung unter\nanderem die Deutsche Rentenversicherung U. als Verbindungsstelle eingerichtet.\nNach Abs. 3 Satz 1 der Regelung ist bei Zuordnung innerhalb der Deutschen\nRentenversicherung zu einem Regionaltrager die Deutsche Rentenversicherung U.\nfur alle Verfahren einschließlich der Feststellung und Erbringung von\nLeistungen u.a. zustandig, wenn (Nr. 1) Versicherungszeiten nach den deutschen\nund rumanischen Rechtsvorschriften zuruckgelegt oder anzurechnen sind oder\n(Nr. 2) sonstige im Hoheitsgebiet Rumanien zuruckgelegte Zeiten nach den\ndeutschen Rechtsvorschriften uber Fremdrenten anzurechnen sind. Vor allem\nLetzteres trifft im vorliegenden Fall zu. \n--- \n| 14 \n--- \n| Damit ist die Deutsche Rentenversicherung U. seit dem 1.6.2006 der fur\nRentenleistungen an den Klager und damit die in Rede stehende Altersrente\nzustandige Versicherungstrager (Funktionsnachfolge). Dies ist weder zwischen\nden derzeit Beteiligten noch im Verhaltnis der Beteiligten zur Deutschen\nRentenversicherung U. umstritten. \n--- \n| 15 \n--- \n| Diese Funktionsnachfolge hat zeitgleich, also zum 1.6.2006 prozessrechtlich\nzu einem Parteiwechsel - im sozialgerichtlichen Verfahren Beteiligtenwechsel\n(vgl. § 69 SGG) - kraft Gesetzes gefuhrt (BSG, Urteil vom 9.12.1987, 10 RKg\n5/85 in SozR 1200 § 48 Nr. 14, auch zum Nachfolgenden). Insoweit sind uber §\n202 SGG die §§ 239 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden,\ndie gerade von einem solchen Parteiwechsel ausgehen. § 265 Abs. 2 ZPO, wonach\n- Satz 1 der Regelung - die Veraußerung oder Abtretung auf den Prozess keinen\nEinfluss hat, findet jedoch keine Anwendung (so ausdrucklich BSG, a.a.O.).\nDenn diese Vorschrift regelt die Einzelrechtsnachfolge, wogegen die hier\neingetretene Funktionsnachfolge der Gesamtrechtsnachfolge naher steht. Der\nFunktionsnachfolger tritt also nicht nur in die materiell-rechtliche, sondern\nauch in die prozessuale Rechtsposition des Funktionsvorgangers ein (BSG,\na.a.O.). Soweit sich die Deutsche Rentenversicherung U. gegenuber den\nHinweisen des Senats im Schreiben vom 31.10.2006 auf die gegenteilige\nKommentierung im Gesamtkommentar Sozialversicherung zu § 69 SGG beruft, ist\ndarauf hinzuweisen, dass die einschlagigen Passagen dieser Kommentierung den\nStand von Oktober 1989 haben und schon damals nicht aktuell waren, weil das\nmaßgebliche Urteil des BSG vom 9.12.1987, dem sich der Senat anschließt, nicht\nberucksichtigt war. \n--- \n| 16 \n--- \n| Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Deutsche Rentenversicherung U. nicht\nnur materiell-rechtlich dem Klager die (zuerkannte) Altersrente schuldet, auch\nwas mogliche Rentennachzahlungen fur einen Zeitraum vor der Funktionsnachfolge\nbetrifft, sondern sie auch in die Rechtsposition der ursprunglich beklagten\nDeutschen Rentenversicherung B., was die ergangenen Bescheide und die Stellung\nim Rechtsstreit betrifft, eingetreten ist. Hierauf hat der Senat im Schreiben\nvom 31.10.2006 ausdrucklich hingewiesen und mit dem weiteren Schreiben vom\n21.11.2006 hierauf nochmals Bezug genommen und dem Klager die Deutsche\nRentenversicherung U. als richtige Beklagte empfohlen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager indessen begehrt (Schriftsatz seiner Prozessbevollmachtigten vom\n12.12.2006, in der mundlichen Verhandlung auf Nachfrage ausdrucklich\nbestatigt) ausschließlich die Verurteilung der Deutschen Rentenversicherung B.\nzur Gewahrung einer hoheren Altersrente. Diesen Antrag hat er auch in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt. Er bestreitet damit zwar nicht\ndie eingetretene Funktionsnachfolge, er ignoriert jedoch die oben dargelegten\nverfahrensrechtlichen Folgen und widerspricht - so ausdrucklich in der\nmundlichen Verhandlung - den Hinweisen des Senats hierzu. \n--- \n| 18 \n--- \n| Zwar ist der Senat nach § 106 Abs. 1 SGG verpflichtet, auf eine\nsachdienliche Antragstellung hinzuwirken. Dies umfasst nach Auffassung des\nSenats in Fallen des gesetzlichen Beteiligtenwechsels auch Hinweise, gegen\nwelche Korperschaft sich die Klage zum Erreichen des prozessualen Begehrens\n(hier: hohere Altersrente) zu richten hat. Folgt der so beratene Klager\nindessen diesen Hinweisen nicht und richtet er sein Begehren gegen den\nfalschen, weil nicht (mehr) passivlegitimierten Rentenversicherungstrager, ist\nder Senat hieran gebunden. Denn allein dem Klager steht die Entscheidung zu,\ngegen welchen Versicherungstrager er das Verfahren fuhrt, im vorliegenden Fall\nalso, von welchem Rentenversicherungstrager er die hohere Altersrente\nerstreiten will. Diese Entscheidung, die der Klager in Kenntnis der\nRechtsauffassung des Senats getroffen hat, hat der Senat zu respektieren. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Weiterfuhrung der Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung B. nach\neingetretenem gesetzlichem Beteiligtenwechsel kann prozessual nur als\nKlageanderung im Sinne des § 99 SGG und in Form eines erneuten, jetzt aber\ngewillkurten Beteiligtenwechsels eingeordnet werden. Denn nur so lasst sich\ndie Deutsche Rentenversicherung B. nach durch die Funktionsnachfolge und\ngesetzlich eingetretenem Beteiligtenwechsel verloren gegangener\nBeteiligtenstellung mittels Prozesserklarung wieder als Beklagte in den\nRechtsstreit einbeziehen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Im Verhaltnis zur bisherigen Beklagten, nach dem Beteiligtenwechsel kraft\nGesetzes ab dem 1.6.2006 die Deutsche Rentenversicherung U., stellt sich\ndieser gewillkurte Beteiligtenwechsel als Berufungsrucknahme dar (BVerwG,\nUrteil vom 11.2.1982, 5 C 119/79 in BVerwGE 65, 45 zur vergleichbaren\nBeurteilung eines gewillkurten Beteiligtenwechsels in erster Instanz als\nKlagerucknahme). Denn die Erklarung vom 12.12.2006, nicht die Deutsche\nRentenversicherung U., sondern ausschließlich die Deutsche Rentenversicherung\nB. verklagen zu wollen ist und der darin liegende Beteiligtenwechsel hat (so\nzutreffend die erwahnte Rechtsprechung des BVerwG) eine Aufgabe der\nRechtsverfolgung gegen die bisherige Beklagte, also die ab dem 1.6.2006\nbeklagte Deutsche Rentenversicherung U., eingeschlossen. Zwar hat der Klager\neine solche Berufungsrucknahme nicht ausdrucklich erklart. Vielmehr hat er die\ndurch das Bestreiten eines Beteiligtenwechsels durch die Deutsche\nRentenversicherung U. veranlasste Anfrage des Senats vom 21.11.2006, gegen\nwelchen Versicherungstrager sich die Klage nun richte, wobei die Deutsche\nRentenversicherung U. die richtige Beklagte sei, mit Schreiben seiner\nProzessbevollmachtigten vom 12.12.2006 dahin beantwortet, richtige Beklagte\nsei seiner Auffassung nach die Deutsche Rentenversicherung B. . Indem er aber\n- in Verkennung der Rechtslage - sein Berufungsverfahren ausdrucklich nicht\ngegen die Deutsche Rentenversicherung U. fuhrt, kann die Erklarung seiner\nProzessbevollmachtigten vom 12.12.2006 im Hinblick auf die Deutsche\nRentenversicherung U. nur so verstanden werden, dass er gegen diesen\nRentenversicherungstrager keinen Rechtsstreit - auch nicht hilfsweise - fuhren\nwill. Diesen Inhalt der Erklarung vom 12.12.2006 hat seine\nProzessbevollmachtigte in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat\nausdrucklich bestatigt und hieran festgehalten. Sie sieht entgegen den\nHinweisen des Senats keine prozessuale Moglichkeit, gegen die Deutsche\nRentenversicherung U. vorzugehen (so ausdrucklich in der mundlichen\nVerhandlung). Will der Klager aber kein Verfahren gegen die Deutsche\nRentenversicherung U. fuhren, nimmt er mit dieser Erklarung die tatsachlich\ndurch den gesetzlichen Beteiligtenwechsel anhangig gewordene Berufung gegen\ndie Deutsche Rentenversicherung U. zuruck. Damit ist das angefochtene Urteil\n(durch die Funktionsnachfolge und den damit verbundenen Beteiligtenwechsel ist\ndie Deutsche Rentenversicherung U. auch dort an die Stelle der Deutschen\nRentenversicherung B. getreten) rechtskraftig und sind die ursprunglich\nangefochtenen Bescheide - die durch die Funktionsnachfolge als jene der\nDeutschen Rentenversicherung U. gelten - bestandskraftig (§ 77 SGG) geworden. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der bloßen Anregung des Klagers im genannten Schriftsatz, die Deutsche\nRentenversicherung U. beizuladen, kann - eben weil nach ausdrucklicher\nErklarung der Prozessbevollmachtigten des Klagers in der mundlichen\nVerhandlung dieser Schriftsatz so nicht gemeint gewesen ist - nicht die\nWirkung einer prozessualen Erklarung im Sinne einer hilfsweisen\nAufrechterhaltung der Berufung beigemessen werden. \n--- \n| 22 \n--- \n| Damit hat sich das Berufungsverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung\nU. durch Rucknahme erledigt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Da die Deutsche Rentenversicherung B. zum 1.6.2006 durch den\nBeteiligtenwechsel als Berufungsbeklagte ausgeschieden ist und das\nangefochtene Urteil durch die Funktionsnachfolge mit Beteiligtenwechsel wie\ndargelegt nur zwischen dem Klager und der Deutschen Rentenversicherung U.\nWirkung entfaltet, kann der Klager - mangels anfechtbarem Urteil - gegen die\nDeutsche Rentenversicherung B. kein zulassiges Berufungsverfahren fuhren. Eine\nBerufung ist daher nicht statthaft. Der gleichwohl gestellte Berufungsantrag\nist deshalb zu verwerfen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Über die geanderte Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung B.\nentscheidet der Senat folglich nicht im Rahmen eines Berufungsverfahrens,\nsondern auf Klage. Nach dem uber § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren\ngeltenden § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulassig, wenn die\nubrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung fur sachdienlich\nhalt. Hier hat sich die Deutsche Rentenversicherung B. auf die Klage in der\nmundlichen Verhandlung eingelassen. Die Klageanderung ist damit zulassig. Die\ngeanderte Klage ist unbegrundet und damit abzuweisen, weil die aktuell\nbeklagte Deutsche Rentenversicherung B. - wie dargelegt und worauf nicht nur\nder Senat, sondern auch die Beklagte hingewiesen hat - fur Rentenleistungen an\nden Klager nicht (mehr) zustandig ist. Der Rentenanspruch des Klagers richtet\nsich nicht (mehr) gegen die Beklagte. Damit kann er von ihr auch keine hohere\nRente beanspruchen. Sie ist daher bezuglich der Leistungsklage nicht (mehr)\npassivlegitimiert. Vergleichbares gilt hinsichtlich der Anfechtungsklage, weil\ndie von der Beklagten erlassenen Bescheide durch die Funktionsnachfolge als\nBescheide der Deutschen Rentenversicherung U. gelten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Deutsche Rentenversicherung U. hat nicht nach § 75 SGG zum Verfahren\nbeigeladen werden mussen. Durch den Beteiligtenwechsel ist sie an die Stelle\nder ursprunglich beklagten Deutschen Rentenversicherung B. getreten und\nbereits als Beklagte am Verfahren beteiligt gewesen, bevor der Klager die\nKlage mit den oben dargelegten Folgen wieder gegen die Deutsche\nRentenversicherung B. gerichtet hat. Darin unterscheidet sich der Fall von\njenen Fallgestaltungen einer Beiladung, in denen ein angegangener\nRentenversicherungstrager zunachst seine Zustandigkeit (zu Unrecht) bejaht hat\nund sich erst im Laufe des Rechtsstreits herausstellt, dass wegen\nauslandischer Versicherungszeiten die Zustandigkeit eines anderen\nRentenversicherungstragers gegeben ist. \n--- \n| 26 \n--- \n| Unabhangig hiervon liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen fur\neine (notwendige) Beiladung nicht vor. Eine Beiladung hat nach § 75 Abs. 2 SGG\nzu erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhaltnis Dritte derart beteiligt\nsind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenuber nur einheitlich ergehen kann\noder sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein\nanderer Versicherungstrager als leistungspflichtig in Betracht kommt. Weder\ndas eine noch das andere ist der Fall. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die zweite Alternative der Regelung scheidet schon deshalb aus, weil - nur\nhierauf bezieht sich die Vorschrift - es nicht um alternative Anspruche wie\nbeispielsweise einen Krankengeldanspruch gegen die Krankenkasse alternativ zu\neinem Verletztengeldanspruch gegen den Unfallversicherungstrager geht, sondern\num einen einzigen Anspruch auf hohere Altersrente. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Deutsche Rentenversicherung B. und die Deutsche Rentenversicherung U.\nsind auch nicht etwa derart an einem Rechtsverhaltnis mit dem Klager\nbeteiligt, dass die Entscheidung nur einheitlich ergehen konnte. Vielmehr ist\nnur noch die Deutsche Rentenversicherung U. an dem hier in Rede stehenden\nmateriellen rentenversicherungsrechtlichen Verhaltnis mit dem Klager\nbeteiligt. Anders als in dem vom BSG mit Urteil vom 9.6.1999 (B 6 KA 70/98 R\nin SozR 3-2500 § 95 Nr. 20) entschiedenen Fall besteht hier auch keine\nUnsicherheit hinsichtlich der Zustandigkeit fur die streitige Angelegenheit\n(hier die Gewahrung von hoherer Altersrente, im Fall des BSG der Widerruf\neiner Ermachtigung). Die Zustandigkeit ist im vorliegenden Fall geklart und\nzwischen den Beteiligten und auch im Verhaltnis zur Deutschen\nRentenversicherung U. vollig unstreitig. Im Übrigen wurde eine Beiladung der\nDeutschen Rentenversicherung U. auch keinen Sinn machen, weil sie nicht gemaß\n§ 75 Abs. 5 SGG verurteilt werden konnte. Dem stehen die - wie dargelegt -\nbestandskraftig gewordenen Bescheide entgegen (s. Meyer-Ladewig, SGG, 8.\nAuflage, § 75 Rdnr. 18a m.w.N.). Aus diesem Grund sieht der Senat auch keinen\nAnlass fur eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 10 \n--- \n| Auf Grund der Prozesserklarung des Klagers im Schriftsatz seiner\nProzessbevollmachtigten vom 12.12.2006, die Klage entgegen der Empfehlung des\nSenats gegen die Deutsche Rentenversicherung B. zu richten, ist nach einem zum\n1.6.2006 kraft Gesetzes erfolgten Beteiligtenwechsel (von der Deutschen\nRentenversicherung B. zur Deutschen Rentenversicherung U. ) ein erneuter, nun\naber gewillkurter Beteiligtenwechsel (von der Deutschen Rentenversicherung U.\nzur Deutschen Rentenversicherung B. ) eingetreten. Dadurch hat sich das seit\n1.6.2006 gegen die Deutsche Rentenversicherung U. gerichtete\nBerufungsverfahren - wie nachfolgend dargestellt - durch Rucknahme\nerledigt.Die mit dem Schriftsatz zugleich anhangig gewordene (neue) Klage\ngegen die Deutsche Rentenversicherung B. ist abzuweisen. Zwar ist die im\nBeteiligtenwechsel liegende Klageanderung durch ausdruckliche Einlassung der\nDeutschen Rentenversicherung B. in der mundlichen Verhandlung zulassig, die\nKlage selbst jedoch mangels Passivlegitimation der Deutschen\nRentenversicherung B. unbegrundet. Der vom Klager in der mundlichen\nVerhandlung vor dem Senat aufrecht erhaltene Berufungsantrag gegen die\nDeutsche Rentenversicherung B. ist nach § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz\n(SGG) als unzulassig zu verwerfen. Denn der Klager wird im Verhaltnis zur\nDeutschen Rentenversicherung B. durch das Urteil des Sozialgerichts nicht\n(mehr) beschwert, weil die Deutsche Rentenversicherung U. die Stelle der\nBeklagten in diesem Urteil eingenommen hat. \n--- \n| 11 \n--- \n| Einen Berufungsantrag gegen die zum 1.6.2006 in das Verfahren an Stelle der\nDeutschen Rentenversicherung B. eingetretene Deutsche Rentenversicherung U.\nhat der Klager in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat nicht gestellt,\nweil er - ebenfalls entgegen den Hinweisen des Senats - fur ein Verfahren\ngegen die Deutsche Rentenversicherung U. keine prozessuale Moglichkeit gesehen\nhat. Ein solcher Antrag ware zwischenzeitlich auch unzulassig. Denn die soeben\nerwahnte und nachfolgend noch darzustellende Rucknahme der Berufung im Rahmen\ndes gewillkurten Beteiligtenwechsels hat nach § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG den\nVerlust des Rechtsmittels zu Folge. Eine in der mundlichen Verhandlung erneut\nerhobene Berufung ware daher nicht statthaft gewesen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Gesetz vom 6.3.2006 (BGBl. II, S. 162) hat der Bundestag mit Zustimmung\ndes Bundesrates das Gesetz zu dem Abkommen vom 8.4.2005 zwischen der\nBundesrepublik Deutschland und Rumanien uber soziale Sicherheit beschlossen\nund dem Abkommen (deutsch-rumanisches Sozialversicherungsabkommen, BGBl. II\n2006, S. 164) zugestimmt. Nach Art. 30 Abs. 2 des Abkommens ist es am ersten\nTag des zweiten Monats nach Ablauf des Monats in Kraft getretenen, in dem die\nRatifikationsurkunden ausgetauscht worden sind. Der Austausch der\nRatifikationsurkunden erfolgte am 27.4.2006. Das Abkommen trat somit am\n1.6.2006 in Kraft. \n--- \n| 13 \n--- \n| Gemaß Art. 24 Abs. 2 des deutsch-rumanischen Sozialversicherungsabkommens\nist zur Durchfuhrung des Abkommens fur die Deutsche Rentenversicherung unter\nanderem die Deutsche Rentenversicherung U. als Verbindungsstelle eingerichtet.\nNach Abs. 3 Satz 1 der Regelung ist bei Zuordnung innerhalb der Deutschen\nRentenversicherung zu einem Regionaltrager die Deutsche Rentenversicherung U.\nfur alle Verfahren einschließlich der Feststellung und Erbringung von\nLeistungen u.a. zustandig, wenn (Nr. 1) Versicherungszeiten nach den deutschen\nund rumanischen Rechtsvorschriften zuruckgelegt oder anzurechnen sind oder\n(Nr. 2) sonstige im Hoheitsgebiet Rumanien zuruckgelegte Zeiten nach den\ndeutschen Rechtsvorschriften uber Fremdrenten anzurechnen sind. Vor allem\nLetzteres trifft im vorliegenden Fall zu. \n--- \n| 14 \n--- \n| Damit ist die Deutsche Rentenversicherung U. seit dem 1.6.2006 der fur\nRentenleistungen an den Klager und damit die in Rede stehende Altersrente\nzustandige Versicherungstrager (Funktionsnachfolge). Dies ist weder zwischen\nden derzeit Beteiligten noch im Verhaltnis der Beteiligten zur Deutschen\nRentenversicherung U. umstritten. \n--- \n| 15 \n--- \n| Diese Funktionsnachfolge hat zeitgleich, also zum 1.6.2006 prozessrechtlich\nzu einem Parteiwechsel - im sozialgerichtlichen Verfahren Beteiligtenwechsel\n(vgl. § 69 SGG) - kraft Gesetzes gefuhrt (BSG, Urteil vom 9.12.1987, 10 RKg\n5/85 in SozR 1200 § 48 Nr. 14, auch zum Nachfolgenden). Insoweit sind uber §\n202 SGG die §§ 239 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden,\ndie gerade von einem solchen Parteiwechsel ausgehen. § 265 Abs. 2 ZPO, wonach\n- Satz 1 der Regelung - die Veraußerung oder Abtretung auf den Prozess keinen\nEinfluss hat, findet jedoch keine Anwendung (so ausdrucklich BSG, a.a.O.).\nDenn diese Vorschrift regelt die Einzelrechtsnachfolge, wogegen die hier\neingetretene Funktionsnachfolge der Gesamtrechtsnachfolge naher steht. Der\nFunktionsnachfolger tritt also nicht nur in die materiell-rechtliche, sondern\nauch in die prozessuale Rechtsposition des Funktionsvorgangers ein (BSG,\na.a.O.). Soweit sich die Deutsche Rentenversicherung U. gegenuber den\nHinweisen des Senats im Schreiben vom 31.10.2006 auf die gegenteilige\nKommentierung im Gesamtkommentar Sozialversicherung zu § 69 SGG beruft, ist\ndarauf hinzuweisen, dass die einschlagigen Passagen dieser Kommentierung den\nStand von Oktober 1989 haben und schon damals nicht aktuell waren, weil das\nmaßgebliche Urteil des BSG vom 9.12.1987, dem sich der Senat anschließt, nicht\nberucksichtigt war. \n--- \n| 16 \n--- \n| Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Deutsche Rentenversicherung U. nicht\nnur materiell-rechtlich dem Klager die (zuerkannte) Altersrente schuldet, auch\nwas mogliche Rentennachzahlungen fur einen Zeitraum vor der Funktionsnachfolge\nbetrifft, sondern sie auch in die Rechtsposition der ursprunglich beklagten\nDeutschen Rentenversicherung B., was die ergangenen Bescheide und die Stellung\nim Rechtsstreit betrifft, eingetreten ist. Hierauf hat der Senat im Schreiben\nvom 31.10.2006 ausdrucklich hingewiesen und mit dem weiteren Schreiben vom\n21.11.2006 hierauf nochmals Bezug genommen und dem Klager die Deutsche\nRentenversicherung U. als richtige Beklagte empfohlen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager indessen begehrt (Schriftsatz seiner Prozessbevollmachtigten vom\n12.12.2006, in der mundlichen Verhandlung auf Nachfrage ausdrucklich\nbestatigt) ausschließlich die Verurteilung der Deutschen Rentenversicherung B.\nzur Gewahrung einer hoheren Altersrente. Diesen Antrag hat er auch in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt. Er bestreitet damit zwar nicht\ndie eingetretene Funktionsnachfolge, er ignoriert jedoch die oben dargelegten\nverfahrensrechtlichen Folgen und widerspricht - so ausdrucklich in der\nmundlichen Verhandlung - den Hinweisen des Senats hierzu. \n--- \n| 18 \n--- \n| Zwar ist der Senat nach § 106 Abs. 1 SGG verpflichtet, auf eine\nsachdienliche Antragstellung hinzuwirken. Dies umfasst nach Auffassung des\nSenats in Fallen des gesetzlichen Beteiligtenwechsels auch Hinweise, gegen\nwelche Korperschaft sich die Klage zum Erreichen des prozessualen Begehrens\n(hier: hohere Altersrente) zu richten hat. Folgt der so beratene Klager\nindessen diesen Hinweisen nicht und richtet er sein Begehren gegen den\nfalschen, weil nicht (mehr) passivlegitimierten Rentenversicherungstrager, ist\nder Senat hieran gebunden. Denn allein dem Klager steht die Entscheidung zu,\ngegen welchen Versicherungstrager er das Verfahren fuhrt, im vorliegenden Fall\nalso, von welchem Rentenversicherungstrager er die hohere Altersrente\nerstreiten will. Diese Entscheidung, die der Klager in Kenntnis der\nRechtsauffassung des Senats getroffen hat, hat der Senat zu respektieren. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Weiterfuhrung der Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung B. nach\neingetretenem gesetzlichem Beteiligtenwechsel kann prozessual nur als\nKlageanderung im Sinne des § 99 SGG und in Form eines erneuten, jetzt aber\ngewillkurten Beteiligtenwechsels eingeordnet werden. Denn nur so lasst sich\ndie Deutsche Rentenversicherung B. nach durch die Funktionsnachfolge und\ngesetzlich eingetretenem Beteiligtenwechsel verloren gegangener\nBeteiligtenstellung mittels Prozesserklarung wieder als Beklagte in den\nRechtsstreit einbeziehen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Im Verhaltnis zur bisherigen Beklagten, nach dem Beteiligtenwechsel kraft\nGesetzes ab dem 1.6.2006 die Deutsche Rentenversicherung U., stellt sich\ndieser gewillkurte Beteiligtenwechsel als Berufungsrucknahme dar (BVerwG,\nUrteil vom 11.2.1982, 5 C 119/79 in BVerwGE 65, 45 zur vergleichbaren\nBeurteilung eines gewillkurten Beteiligtenwechsels in erster Instanz als\nKlagerucknahme). Denn die Erklarung vom 12.12.2006, nicht die Deutsche\nRentenversicherung U., sondern ausschließlich die Deutsche Rentenversicherung\nB. verklagen zu wollen ist und der darin liegende Beteiligtenwechsel hat (so\nzutreffend die erwahnte Rechtsprechung des BVerwG) eine Aufgabe der\nRechtsverfolgung gegen die bisherige Beklagte, also die ab dem 1.6.2006\nbeklagte Deutsche Rentenversicherung U., eingeschlossen. Zwar hat der Klager\neine solche Berufungsrucknahme nicht ausdrucklich erklart. Vielmehr hat er die\ndurch das Bestreiten eines Beteiligtenwechsels durch die Deutsche\nRentenversicherung U. veranlasste Anfrage des Senats vom 21.11.2006, gegen\nwelchen Versicherungstrager sich die Klage nun richte, wobei die Deutsche\nRentenversicherung U. die richtige Beklagte sei, mit Schreiben seiner\nProzessbevollmachtigten vom 12.12.2006 dahin beantwortet, richtige Beklagte\nsei seiner Auffassung nach die Deutsche Rentenversicherung B. . Indem er aber\n- in Verkennung der Rechtslage - sein Berufungsverfahren ausdrucklich nicht\ngegen die Deutsche Rentenversicherung U. fuhrt, kann die Erklarung seiner\nProzessbevollmachtigten vom 12.12.2006 im Hinblick auf die Deutsche\nRentenversicherung U. nur so verstanden werden, dass er gegen diesen\nRentenversicherungstrager keinen Rechtsstreit - auch nicht hilfsweise - fuhren\nwill. Diesen Inhalt der Erklarung vom 12.12.2006 hat seine\nProzessbevollmachtigte in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat\nausdrucklich bestatigt und hieran festgehalten. Sie sieht entgegen den\nHinweisen des Senats keine prozessuale Moglichkeit, gegen die Deutsche\nRentenversicherung U. vorzugehen (so ausdrucklich in der mundlichen\nVerhandlung). Will der Klager aber kein Verfahren gegen die Deutsche\nRentenversicherung U. fuhren, nimmt er mit dieser Erklarung die tatsachlich\ndurch den gesetzlichen Beteiligtenwechsel anhangig gewordene Berufung gegen\ndie Deutsche Rentenversicherung U. zuruck. Damit ist das angefochtene Urteil\n(durch die Funktionsnachfolge und den damit verbundenen Beteiligtenwechsel ist\ndie Deutsche Rentenversicherung U. auch dort an die Stelle der Deutschen\nRentenversicherung B. getreten) rechtskraftig und sind die ursprunglich\nangefochtenen Bescheide - die durch die Funktionsnachfolge als jene der\nDeutschen Rentenversicherung U. gelten - bestandskraftig (§ 77 SGG) geworden. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der bloßen Anregung des Klagers im genannten Schriftsatz, die Deutsche\nRentenversicherung U. beizuladen, kann - eben weil nach ausdrucklicher\nErklarung der Prozessbevollmachtigten des Klagers in der mundlichen\nVerhandlung dieser Schriftsatz so nicht gemeint gewesen ist - nicht die\nWirkung einer prozessualen Erklarung im Sinne einer hilfsweisen\nAufrechterhaltung der Berufung beigemessen werden. \n--- \n| 22 \n--- \n| Damit hat sich das Berufungsverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung\nU. durch Rucknahme erledigt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Da die Deutsche Rentenversicherung B. zum 1.6.2006 durch den\nBeteiligtenwechsel als Berufungsbeklagte ausgeschieden ist und das\nangefochtene Urteil durch die Funktionsnachfolge mit Beteiligtenwechsel wie\ndargelegt nur zwischen dem Klager und der Deutschen Rentenversicherung U.\nWirkung entfaltet, kann der Klager - mangels anfechtbarem Urteil - gegen die\nDeutsche Rentenversicherung B. kein zulassiges Berufungsverfahren fuhren. Eine\nBerufung ist daher nicht statthaft. Der gleichwohl gestellte Berufungsantrag\nist deshalb zu verwerfen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Über die geanderte Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung B.\nentscheidet der Senat folglich nicht im Rahmen eines Berufungsverfahrens,\nsondern auf Klage. Nach dem uber § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren\ngeltenden § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulassig, wenn die\nubrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung fur sachdienlich\nhalt. Hier hat sich die Deutsche Rentenversicherung B. auf die Klage in der\nmundlichen Verhandlung eingelassen. Die Klageanderung ist damit zulassig. Die\ngeanderte Klage ist unbegrundet und damit abzuweisen, weil die aktuell\nbeklagte Deutsche Rentenversicherung B. - wie dargelegt und worauf nicht nur\nder Senat, sondern auch die Beklagte hingewiesen hat - fur Rentenleistungen an\nden Klager nicht (mehr) zustandig ist. Der Rentenanspruch des Klagers richtet\nsich nicht (mehr) gegen die Beklagte. Damit kann er von ihr auch keine hohere\nRente beanspruchen. Sie ist daher bezuglich der Leistungsklage nicht (mehr)\npassivlegitimiert. Vergleichbares gilt hinsichtlich der Anfechtungsklage, weil\ndie von der Beklagten erlassenen Bescheide durch die Funktionsnachfolge als\nBescheide der Deutschen Rentenversicherung U. gelten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Deutsche Rentenversicherung U. hat nicht nach § 75 SGG zum Verfahren\nbeigeladen werden mussen. Durch den Beteiligtenwechsel ist sie an die Stelle\nder ursprunglich beklagten Deutschen Rentenversicherung B. getreten und\nbereits als Beklagte am Verfahren beteiligt gewesen, bevor der Klager die\nKlage mit den oben dargelegten Folgen wieder gegen die Deutsche\nRentenversicherung B. gerichtet hat. Darin unterscheidet sich der Fall von\njenen Fallgestaltungen einer Beiladung, in denen ein angegangener\nRentenversicherungstrager zunachst seine Zustandigkeit (zu Unrecht) bejaht hat\nund sich erst im Laufe des Rechtsstreits herausstellt, dass wegen\nauslandischer Versicherungszeiten die Zustandigkeit eines anderen\nRentenversicherungstragers gegeben ist. \n--- \n| 26 \n--- \n| Unabhangig hiervon liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen fur\neine (notwendige) Beiladung nicht vor. Eine Beiladung hat nach § 75 Abs. 2 SGG\nzu erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhaltnis Dritte derart beteiligt\nsind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenuber nur einheitlich ergehen kann\noder sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein\nanderer Versicherungstrager als leistungspflichtig in Betracht kommt. Weder\ndas eine noch das andere ist der Fall. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die zweite Alternative der Regelung scheidet schon deshalb aus, weil - nur\nhierauf bezieht sich die Vorschrift - es nicht um alternative Anspruche wie\nbeispielsweise einen Krankengeldanspruch gegen die Krankenkasse alternativ zu\neinem Verletztengeldanspruch gegen den Unfallversicherungstrager geht, sondern\num einen einzigen Anspruch auf hohere Altersrente. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Deutsche Rentenversicherung B. und die Deutsche Rentenversicherung U.\nsind auch nicht etwa derart an einem Rechtsverhaltnis mit dem Klager\nbeteiligt, dass die Entscheidung nur einheitlich ergehen konnte. Vielmehr ist\nnur noch die Deutsche Rentenversicherung U. an dem hier in Rede stehenden\nmateriellen rentenversicherungsrechtlichen Verhaltnis mit dem Klager\nbeteiligt. Anders als in dem vom BSG mit Urteil vom 9.6.1999 (B 6 KA 70/98 R\nin SozR 3-2500 § 95 Nr. 20) entschiedenen Fall besteht hier auch keine\nUnsicherheit hinsichtlich der Zustandigkeit fur die streitige Angelegenheit\n(hier die Gewahrung von hoherer Altersrente, im Fall des BSG der Widerruf\neiner Ermachtigung). Die Zustandigkeit ist im vorliegenden Fall geklart und\nzwischen den Beteiligten und auch im Verhaltnis zur Deutschen\nRentenversicherung U. vollig unstreitig. Im Übrigen wurde eine Beiladung der\nDeutschen Rentenversicherung U. auch keinen Sinn machen, weil sie nicht gemaß\n§ 75 Abs. 5 SGG verurteilt werden konnte. Dem stehen die - wie dargelegt -\nbestandskraftig gewordenen Bescheide entgegen (s. Meyer-Ladewig, SGG, 8.\nAuflage, § 75 Rdnr. 18a m.w.N.). Aus diesem Grund sieht der Senat auch keinen\nAnlass fur eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n
136,618
lg-karlsruhe-2003-06-06-4-o-18102
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
4 O 181/02
2003-06-06
2019-01-07 12:00:56
2019-01-17 11:56:47
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klagerin 1.586,64 EUR nebst\nZinsen in Hohe von 4 % aus 175,52 EUR und in Hohe von 5 Prozentpunkten uber\ndem jeweiligen Basiszinssatz aus weiteren 1.411,12 EUR, jeweils seit dem\n30.04.2002, zu zahlen.\n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n3\\. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits haben die Klagerin 8/9 und der\nBeklagte zu 2 1/9 zu tragen.\n\nDie außergerichtlichen Kosten werden wie folgt verteilt:\n\nDer Beklagte zu 2 tragt 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Klagerin.\n\nDie Klagerin tragt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1.\n\nIm Übrigen behalt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten auf sich.\n\n4\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des jeweils\nbeizutreibenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Zweitbeklagte war als Rechtsanwalt in B. tatig; der Erstbeklagte\narbeitete als Rechtsreferendar und auch noch, nach dem er das zweite\nStaatsexamen zum zweiten Mal nicht bestanden hatte, fur ihn. Die Klagerin,\nwelche damals im Anwesen H. Straße 21 in B. eine Vielzahl von Wohnungen besaß\nund vermietete, schloss am 14.10.1997 einen schriftlichen Mietvertrag mit dem\nBeklagten zu 2 (Anl. K 1, AH Kl. S. 1 ff). Die Buroraume wurden zum 01.11.1997\nbezogen. Am 17.11.1997 suchte der Ehemann der Klagerin, der sie in ihren\nMietangelegenheiten vertrat, den Erstbeklagten an seinem Arbeitsplatz in den\nMietraumen auf, um ein Kautionssparbuch abzuholen (vgl. Vermerk auf S. 1 des\nMietvertrages). Bei dieser Gelegenheit unterzeichnete der Erstbeklagte\njedenfalls auch den Mietvertrag als Mieter (vgl. S. 12 des Mietvertrages); ob\ner die Zusatzerklarung vom 12.11.1997 (vgl. Anl. K 2, AH Kl. S. 13), die nach\ndem handschriftlichen Zusatz auf S. 11 des Mietvertrages als\nVertragsbestandteil gilt, erst bei dieser Gelegenheit oder schon zuvor\nunmittelbar nach Eingang des Schreiben unterzeichnete, ist zwischen den\nParteien nach Schluss der mundlichen Verhandlung streitig geworden. Die\nKaltmiete betrug 940,- DM (880,- DM fur die Buroraume und 60,- DM\nGaragenmiete); ferner wurde eine monatliche Nebenkostenvorauszahlung von 160,-\nDM geschuldet. Bereits ab 1998 wurden Zahlungen von Mieterseite nur noch\nsporadisch geleistet. Seit April bzw. Juni 1999 war der Beklagte zu 1 nicht\nmehr in der Anwaltskanzlei des Zweitbeklagten tatig. Er zeigte dies der\nKlagerin spatestens durch ein Schreiben vom 02.06.1999 (Anlage B 2, AH Bekl.\nzu 1 S. 2) an, mit dem er zugleich das Mietverhaltnis "kundigte". \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Wegen der offenen Zahlungsforderungen kundigte die Klagerin das\nMietverhaltnis gegenuber beiden Beklagten am 06.06.1999 fristlos. Nach\nErhebung einer Raumungsklage wurden durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe\nvom 24.08.1999 - 4 O 197/99 - (Anl. K 3, AH Kl. S. 14 f) der Erstbeklagte auf\nsein Anerkenntnis, der Zweitbeklagte durch Versaumnisurteil zur Raumung\nverurteilt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit notarieller Urkunde vom 30.12.1999 (Anl. K 4; AH Kl. S. 16 ff) erkannte\nder Zweitbeklagte an, der Klagerin 6.774,65 DM gemaß anliegender\nForderungsaufstellung, in welche auch Teilzahlungen und die Verrechnung der\nKaution eingegangen sind (vgl. AH Kl. S. 19), zu schulden und unterwarf sich\nder sofortigen Zwangsvollstreckung. In der Folgezeit erbrachte der\nZweitbeklagte unstreitig folgende Teilzahlungen: 1.800,00 DM am 07.05.2000,\n2.800,00 DM am 14.05.2000, 4.600,00 DM am 15.05.2000 und 3.000,00 DM am\n20.11.2000. Zwischen den Parteien ist im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig\ngeworden, nachdem die Beklagten eine entsprechende Zahlungsquittung vorgelegt\nhaben (vgl. AS 249), dass der Zweitbeklagte daruber hinaus am 30.12.1999\nweitere 2.000,00 DM geleistet hat. Ob eine weitere Zahlung in Hohe von\n2.800,00 DM am 14.03.2000 erfolgt ist, ist zwischen den Parteien nach wie vor\nstreitig. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Dezember 2000 raumte der Zweitbeklagte die Kanzleiraume und gab ihm zu\nBeginn des Mietverhaltnisses uberlassenen Schlussel - mit Ausnahme von zwei\nnicht auffindbaren Schlusseln fur die Generalschließanlage - an die Klagerin\nheraus, wie innerprozessual zwischen den Parteien unstreitig geworden ist. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin ist nicht mehr Eigentumerin des Anwesens H. Straße 21 in B.;\nvielmehr wurde am 23.03.2000 eine Gesellschaft burgerlichen Rechts, bestehend\naus der Klagerin und ihrem Ehemann sowie vier weiteren Personen als\nEigentumerin im Grundbuch eingetragen (vgl. AH Bekl. S. 1). Die Mitglieder der\nGesellschaft burgerlichen Rechts haben zuletzt mit Erklarung vom 27.09.2002\n(AS. 169) die hier streitigen Forderungen an die Klagerin zuruck abgetreten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Anwaltsschriftsatz vom 06.12.2002 (AS. 243) erklarte der Erstbeklagte\nden Widerruf des Mietvertrages nach dem Hausturwiderrufsgesetz. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klageanspruche, deren Hohe die Klagerin im Laufe des Rechtsstreits\nberichtigt hat, setzen sich zuletzt noch wie folgt zusammen: \n--- \n| 8 \n--- \n| \\- Zum einen nimmt die Klagerin mit ihrem Klageantrag zu 1 auch den\nErstbeklagten auf Zahlung der Betrage in Anspruch, welche der Zweitbeklagte\nbereits durch notarielles Schuldanerkenntnis anerkannt hat, abzuglich der\nnunmehr unstreitig gewordenen Zahlung des Zweitbeklagten von 2.000,- DM vom\n30.12.1999. Wegen der Zusammensetzung dieser Forderung (Nachzahlung\nNebenkosten 1998, Mietruckstand Marz bis September 1999, Gerichts- und\nAnwaltskosten etc.) wird auf die Anlage zum notariellen Schuldanerkenntnis\nBezug genommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| \\- Mit dem Klageantrag zu 2 nimmt die Klagerin beide Beklagten auf Zahlung\nweiterer ruckstandiger Nebenkosten fur das Jahr 1999 in Hohe von 343,29 DM,\nNebenkostenruckstande fur das Jahr 2000 von 1.462,25 DM (Abrechnungsbetrag von\n2.382,25 DM - Mietzinsuberzahlung von 920,00 DM, AS. 79) sowie auf\nNutzungsentschadigung und Nebenkosten fur den Monat Januar 2001 von 940,00 DM\n+ 357.76 DM, zusammen also von 3.103,30 DM bzw. 1.586,64 EUR in Anspruch. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Begrundung ihrer Anspruche tragt die Klagerin insbesondere folgendes\nvor: \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Nach Erlangung des Raumungstitels habe die Klagerin kein neues\nMietverhaltnis mit dem Zweitbeklagten begrundet. Es sei ihr vielmehr nichts\nanderes ubrig geblieben, als den Verbleib des Zweitbeklagten in den Mietraumen\nhinzunehmen. Da dort die gesamte Buroeinrichtung des Zweitbeklagten\neinschließlich aller Akten verblieben sei, ware eine Entfernung im Wege der\nZwangsvollstreckung nur gegen einen Vorschuss von 20.0000,- DM moglich\ngewesen, den sie nicht habe aufbringen konnen. So habe sie nur auf einen\nfreiwilligen Auszug hoffen konnen. Zahlungen des Zweitbeklagten habe die\nKlagerin nur entgegengenommen, um ihren Mietausfall wenigstens teilweise zu\ndecken. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Miet- und Nebenkostenzahlungen fur den Monat Januar 2001 seien geschuldet,\nobwohl in der Tat die Raumung der Buroraume schon im Dezember 2000 erfolgt\nsei, weil beim Herausraumen eines Kopiergerats der Bodenbelag in einem der\nRaume beschadigt worden sei und weil der Beklagte nicht alle Schlussel\nzuruckgegeben habe. Die Raume hatten erst nach Behebung der Schaden und\nNachbesorgung von Schlusseln fruhestens im Februar 2001 weitervermietet werden\nkonnen. Der Zweitbeklagte habe dem Ehemann der Klagerin gegenuber anerkannt,\nfur die damit verbundenen Nachteile der Klagerin aufzukommen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die behauptete Zahlung vom 14.03.2002 in Hohe von 2.800,- DM habe die\nKlagerin nicht erhalten. Es sei nur auf ein Buroversehen im Buro der\nKlagervertreter zuruckzufuhren, dass in einer vorprozessualen\nZahlungsaufstellung (vgl. Anlage B 6, AH Bekl. S. 8 ff) dieser Betrag als\nZahlungsbetrag gutgeschrieben worden sei. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Erstbeklagte sei nicht berechtigt, das Vertragsverhaltnis nach dem\nHausturwiderrufsgesetz zu widerrufen. Nachdem der Mietvertrag mit dem\nZweitbeklagten am 14.10.1997 zustande gekommen sei und die Beklagten die\nKanzleiraume bezogen hatten, sei die Klagerin von Mieterseite aufgefordert\nworden, auch den Erstbeklagten in das Mietverhaltnis aufzunehmen. Der\nZweitbeklagte habe die Klagerin bzw. deren Ehemann davon informiert, dass der\nErstbeklagte nach erfolgreichem Examensabschluss in die Kanzlei eintreten\nsolle. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Erstbeklagte sei daher der Klagerin gegenuber nicht als "Verbraucher"\naufgetreten. In einem nach Schluss der mundlichen Verhandlung eingegangenem\nSchriftsatz (AS. 349 ff), in dem sie an ihr Vorbringen auf AS. 289 und 335\nanknupft, hat die Klagerin ferner vorgetragen, dass schon, bevor der Ehemann\nder Klagerin die Beklagten am 17.11.1997 in den Mietraumen aufgesucht und die\nUnterschrift des Erstbeklagten unter den Mietvertrag erhalten habe, der\nErstbeklagte das Schreiben der Klagerin vom 12.11.1997 unterzeichnet habe,\nworin es u.a. heißt: "... (der Erstbeklagte) wird in den Mietvertrag als\nMieter mit aufgenommen .... . Die Unterschrift unter den mit ... (dem\nZweitbeklagten) abgeschlossenen Mietvertrag wird nachgeholt ... ." Nach\nGegenzeichnung des Schreibens vom 12.11.1997 durch die Beklagten habe der\nEhemann der Klagerin den Zusatz auf Seite 11 des Mietvertrages angebracht und\ndie Beklagten mit der so erganzten Vertragsurkunde am 17.11.1997 aufgesucht. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klagerin, die zunachst mit ihrem Klagantrag zu 1 die Zahlung von\n3.463,82 EUR und mit ihrem Klagantrag zu 2 von 4.993,53 EUR begehrt hatte, hat\nihre weitergehenden Zahlungsanspruche zuruckgenommen und zuletzt beantragt: \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klagerin 3.463,82 EUR\nabzuglich 1.022,58 EUR, also von 2.441,24 EUR nebst Zinsen von 5\nProzentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshangigkeit zu\nzahlen. \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Die Beklagten zu 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die\nKlagerin 1.586,64 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz\nseit Rechtshangigkeit zu zahlen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte beantragen, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Erstbeklagte tragt im Wesentlichen vor, wobei sich der Zeitbeklagte\nseinem Vortrag angeschlossen hat: \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klagerin konne den Erstbeklagten schon deshalb nicht auf\nMietzinszahlungen fur die Zeit ab Januar 2000 in Anspruch nehmen, weil sie\nsich mit dem Zweitbeklagten nach Ergehen des Raumungsurteils daruber\nverstandigt habe, dass er in den Buroraumen verbleiben konne, wenn er die\nMietzinszahlungen wieder aufnehme. Nur deshalb habe sie es unterlassen, aus\ndem erwirkten Raumungstitel zu vollstrecken. Einen Anspruch auf\nNutzungsentschadigung wegen Vorenthaltung der Mietsachen habe der Vermieter\nnach Beendigung des Mietverhaltnisses nur, solange das Unterlassen der\nRuckgabe seinem Willen widerspreche (vgl. BGH NJW 1983, 112). Der Klagerin\nhabe hier der erforderliche Rucknahmewille gefehlt, weil sie sich mit dem\nZweitbeklagten uber die weitere Nutzung der Mietraume verstandigt und das\nMietverhaltnis mit ihm allein fortgesetzt habe. Die Fortsetzung des\nMietverhaltnisses konne sie nicht auf den Erstbeklagten bezogen haben, weil\ndieser seine Gegenstande aus den Raumen herausgenommen und ihr seinen Willen\nzum Ausscheiden aus dem Vertrag kundgetan habe. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Über die von der Klagerin berucksichtigten Zahlung hinaus sei eine weitere\nZahlung vom 14.03.2000 in Hohe von 2.800,- DM zu berucksichtigen. Es sei nicht\nnachzuvollziehen, wie die Klagerin vortragen konne, dass die vorprozessual\nerteilte Abrechnung uber die Zahlungen auf einem Missverstandnis beruhe. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Nebenkostenabrechnungen der Klagerin hat der Erstbeklagte zunachst in\nZweifel gezogen, an seinem Bestreiten aber nach Zuganglichmachung der\nkompletten Abrechnungsunterlagen aber nicht mehr festgehalten. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Hinsichtlich des Klagantrags zu 1 sei zu bemangeln, dass dieser auch\nbereits titulierte Forderungen (Vollstreckungs- und Anwaltskosten) enthalte. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klagerin habe auch die aufgelaufenen Kautionszinsen (38,03 EUR bzw.\n74,38 DM s. Anl. K 9, AH Kl. S. 31) von ihren offenen Forderungen abzuziehen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Hinsichtlich der Forderungen der Klagerin fur den Monat Januar 2001 sei die\nVerjahrungseinrede zu erheben. Der Sache nach handele es sich hierbei nicht\nmehr um Mietzinszahlungen, sondern um Schadensersatzleistungen, welche die\nKlagerin begehre. Hier greife zugunsten der Beklagten die Verjahrungsregelung\nin § 548 BGB a.F. ein. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der vom Erstbeklagten mit Schriftsatz vom 06.12.2002 erklarte Widerruf des\nMietverhaltnisses sei wirksam erfolgt, weil die Voraussetzungen des\nHausturwiderrufsgesetzes hier gegeben seien. Die Klagerin habe bei Abschluss\ndes Mietvertrages geschaftsmaßig im Sinne der in der Rechtsprechung zu § 6 Nr.\n1 des Hausturwiderrufsgesetzes (vgl. BayObLG NJW 1993, 2121) gehandelt, weil\nsie eine Vielzahl von Wohnungen im Hause H. Straße 21 in B. vermietete. Die\nBeklagten seien nicht von sich aus an die Klagerin herangetreten, mit der\nBitte, auch den Erstbeklagten in den Vertrag aufzunehmen. Der Erstbeklagte\nerfulle auch die personlichen Voraussetzungen fur die Anwendbarkeit des\nHausturwiderrufsgesetzes, weil schon seit Oktober 1997 festgestanden habe,\ndass er das zweite juristische Staatsexamen endgultig nicht bestanden habe. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Zweitbeklagte wurde am 13.11.2002 und der Erstbeklagte am 13.05.2003\nangehort. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die\nSitzungsprotokolle und auf die gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Zeuge D. ist in den Terminen vom 13.11.2002, 10.12.2002 und vom\n13.05.2003 jeweils als Zeuge vernommen worden (AS.179 ff, 225 und 339 ff). Die\nKlagerin wurde als Partei auf Antrag der Beklagten am 10.12.2002 (AS. 223 f)\nvernommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die zulassige Klage der Klagerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen\nden Erstbeklagten richtet. Der Zweitbeklagte ist der Klagerin dagegen in\nvollem Umfang zur Erfullung der gegen ihn gerichteten Klagforderungen\nverpflichtet. \n--- \n| 31 \n--- \n| Lediglich ein Teil des Zinsanspruchs ist nicht gerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 1\\. Die Klagerin ist aktivlegitimiert, um die Klaganspruche geltend zu\nmachen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Zwar mogen restliche Anspruche aus dem Mietverhaltnis gemaß § 571 BGB a.F.\ndurch die Veraußerung des Eigentums an den vermieteten Raumen auf die insofern\nnunmehr berechtigte Gesellschaft burgerlichen Rechts ubergegangen sein. Durch\ninnerprozessual erteilte Erklarung vom 27.09.2002, die auch die Beklagten\ninhaltlich nicht mehr angegriffen haben, haben die Mitglieder der BGB-\nGesellschaft jedoch die umstrittenen Anspruche wirksam an die Klagerin zuruck\nabgetreten. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Der Klagerin stehen keine restlichen Anspruche aus dem Mietverhaltnis\ngegen den Beklagten zu 1 zu. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Hinsichtlich des Klagantrages zu 1, der die vom Zweitbeklagten mit\nnotariellem Anerkenntnis anerkannten Anspruche zum Gegenstand hat, begehrt die\nKlagerin auch vom Erstbeklagten - gegen den Zweitbeklagten liegt schon die\nnotarielle Unterwerfungserklarung vor - die Zahlung von 3.463,82 EUR abzuglich\nder - inzwischen unstreitig - am 30.12.1999 gezahlten 2.000,00 DM bzw.\n1.022,58 EUR. Sie nimmt den Erstbeklagten mithin noch auf Zahlung von 2.441,24\nEUR in Anspruch. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| aa) Da zwischen den Parteien Einigkeit daruber besteht, dass von diesen\nForderungen die Kaution abzuziehen war, waren wohl auch die aus der Kaution\nerwachsenen Zinsanspruche von 38,03 EUR von dieser Position abzuziehen\ngewesen. Nachdem der Erstbeklagte die Klagerin zu Protokoll ermachtigt hat\n(vgl. 187), auch diesen Zinsanspruch bei der Bank geltend zu machen, ist\nzwischen den Parteien unstreitig, dass dieser Betrag der Klagerin zugute\nkommen kann und demnach von der Klageforderung abzuziehen ist. Die Parteien\nstreiten allenfalls daruber, ob die Klagerin sich insofern schon fruher mit\nder Bank hatte auseinandersetzen mussen oder ob dieser Teilbetrag in der Tat\nerst durch die Erklarung des Erstbeklagten frei geworden ist. Die Formulierung\nim Vertragszusatz vom 12.11.1997, wonach die Zinsen der Kaution dem\nErstbeklagten zustunden, spricht an sich fur die Sicht der Klagerin. Da dieser\nPunkt jedoch allenfalls fur die Kosten im Zusammenhang mit einer Heranziehung\nvon § 91 a ZPO hatte Bedeutung erlangen konnen, der Betrag jedoch im\nVerhaltnis zur Klagforderung ohne Belang ist (§ 92 Abs. 2 ZPO), braucht dies\nnicht vertieft zu werden. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| bb) Dem an sich wohl sogar die Zulassigkeit der Klage betreffenden Einwand\ndes Erstbeklagten, wonach in der Klageforderung zu 1 auch bereits titulierte\nForderungen enthalten seien, folgt das Gericht nicht. Es geht vielmehr davon\naus, dass die bereits titulierten Positionen durch die unstreitig erfolgten\nGegenleistungen der Beklagtenseite bereits getilgt sind, wie auch die\nBeklagten unter Heranziehung von § 367 BGB a.F. selbst annehmen (vgl. AS. 49).\nDies gilt jedenfalls nach der Auslegungsregel des § 366 BGB a.F. und zwar\nunter dem Gesichtspunkt, dass die Kostenforderungen fur den Zweitbeklagten\nlastiger waren, weil sie doppelt tituliert waren. Die damit nur noch offen\nstehenden Forderungen, welche noch die Klageforderung ausmachen, sind dagegen\nnicht tituliert. Die Beklagten sind auf diesen Gesichtspunkt auch im spateren\nProzessverlauf nicht mehr zuruckgekommen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Hinsichtlich der zweiten Klageforderung, welche ebenfalls unter anderem\nauch gegen den Erstbeklagten geltend gemacht wird, ist nach der\nTeilklagerucknahme durch die Klagerin die Zusammensetzung der verbleibenden\nPositionen im Wesentlichen nicht mehr streitig. Insbesondere versteht das\nGericht das Prozessverhalten des Erstbeklagten dahin, dass er seine\nEinwendungen gegen die in die Klageforderungen eingegangenen\nNebenkostennachzahlungen fallengelassen hat, nachdem er Gelegenheit zu ihrer\nÜberprufung erhalten hatte. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Soweit noch Streit besteht, gilt hier: \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| aa) Das Gericht geht nicht zugunsten der Beklagten davon aus, dass der\nZweitbeklagte eine weitere Zahlung von 2.800,- DM erbracht hat. Den Nachweis\nhierfur konnten die Beklagten nicht fuhren; insbesondere war sich auch der\nZweitbeklagte in diesem Punkt bei seiner Parteianhorung gemaß § 141 ZPO nicht\nmehr sicher. Ein Irrtum einer Burokraft in einer vorprozessualen\nZahlungsaufstellung kann den Nachweis der erfolgten Zahlung nicht ersetzen.\nAllein der Umstand, dass der Zeuge D. bei seiner ersten Vernehmung am\n13.11.2002 den Zahlungsvorgang vom 30.12.1999 nicht bestatigen konnte, wahrend\nseine diesbezugliche Erinnerung nach Vorlage der Quittung im Termin vom\n10.12.2002 wieder auflebte, besagt nicht zwingend, dass sich die Klagerseite\nauch hinsichtlich des zweiten behaupteten Zahlungsvorgangs vom 14.03.2000\ngeirrt haben muss. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| bb) Nicht gegeben waren allerdings im Verhaltnis zum Erstbeklagten die\nAnspruche der Klagerin auf Mietzinszahlung und Nebenkostenerstattung fur den\nMonat Januar 2001. Der Sache nach handelt es sich hierbei nicht mehr um eine\nMietzinsforderung, sondern um einen Schadensersatzanspruch, welcher gemaß §\n548 BGB a.F. innerhalb von sechs Monaten nach Ruckerhalt der Mietsache\nverjahrte. \n--- \n| 42 \n--- \n| Dass der Beklagte zu 2 diese Forderung anerkannt und damit die Verjahrung\nunterbrochen hat, wie spater noch naher ausgefuhrt werden wird, wirkt nicht zu\nLasten des Erstbeklagten (§ 425 Abs. 1 und 2 BGB). Die Unterbrechung der\nVerjahrung betrifft hier nur den Zweitbeklagten. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| c) Soweit die Klageforderungen gemaß Klageantrag zu 1 und 2 somit mit den\nvorgenannten Einschrankungen an sich gegen den Erstbeklagten gerechtfertigt\ngewesen waren, stehen sie der Klagerin deshalb im Ergebnis gleichwohl nicht\nzu, weil der Erstbeklagte wahrend des Rechtsstreits den Widerruf des\nRechtsstreits nach dem Hausturwiderrufsgesetz erklart hat. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| aa) Die innerprozessual abgegebene Widerrufserklarung, die der\nProzessbevollmachtigte des Erstbeklagten "namens und in Vollmacht seines\nMandanten" in dem - auch zur Übermittlung an die Gegenseite bestimmten -\nSchriftsatz vom 06.12.2002 abgegeben hat, ist wirksam. Es ist grundsatzlich\nmoglich, eine materiell-rechtliche Erklarung mit einer Prozesshandlung zu\nverbinden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Schriftsatzes ist auch aus Sicht\nder Klagerin als Erklarungsempfangern davon auszugehen, dass der\nBeklagtenvertreter beim Verfassen des Schriftsatzes das erforderliche\nrechtsgeschaftliche Erklarungsbewusstsein zur Abgabe der Widerrufserklarung\nhatte. Auch von einer Wahrung der Formerfordernisse ist auszugehen, da dem\nKlagervertreter eine beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes zuging und die\nWiderrufserklarung nicht gemaß § 174 BGB zuruckgewiesen wurde (vgl. zum\nGanzen: z.B. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., V. Rdn. 38 - 40). Die Klagerin ist\nbei jeder Betrachtungsweise auch die richtige Adressatin fur die\nWiderrufserklarung, weil sie bei Abschluss des Vertrages "andere\nVertragspartei" war und in der vorliegend interessierenden Mietangelegenheit\ndurch die Abtretungserklarung vom 27.09.2002 auch als durch die jetzige\nVermieterseite umfassend bevollmachtigt anzusehen ist. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| cc) Vom Vorliegen der rechtlichen und tatsachlichen Voraussetzungen fur\neinen Widerruf nach dem Hausturwiderrufsgesetz ist auszugehen. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| aaa) Das Hausturwiderrufsgesetz ist auf einen Sachverhalt wie den\nvorliegenden anwendbar. Die in der Rechtsprechung ergangenen Entscheidungen,\ninsbesondere der Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Koblenz (NJW 1994,\n1418 ff), betreffen zwar Wohnraummietverhaltnisse; die darin angestellten\nErwagungen gelten aber auch fur die Geschaftsraummiete. Der sachliche\nAnwendungsbereich des Hausturwiderrufsgesetzes ergibt sich aus § 1 Abs. 1 HWiG\na.F. Erfasst werden die auf den Abschluss eines Vertrages uber eine\nentgeltliche Leistung gerichteten Willenserklarungen, die auf einer der in § 1\nAbs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Verhandlungssituationen beruhen, so dass vom\nGesetzeswortlaut grundsatzlich alle Vertragsarten erfasst werden. Der Streit\nuber die Anwendbarkeit des Hausturwiderrufsgesetzes auf Mietverhaltnisse\nresultierte daraus, dass in der den Regelungsgehalt des\nHausturwiderrufsgesetzes betreffenden Richtlinie des Rates 85/577/EWG vom\n20.12.1985 insofern eine abweichende Regelung getroffen wurde, als dort die\nAnwendbarkeit der Richtlinie auf Mietvertrage uber Immobilien ausgeschlossen\nwurde. Dies gilt aber nicht auch fur das nationale Recht, weil die Richtlinie\nes den einzelnen Vertragsstaaten auch freistellte, fur die Verbraucherseite\ngunstigere Regelungen zu schaffen (s. dazu: OLG Koblenz, a.a.O., LG Karlsruhe\nWuM 1992, 363 = NJW-RR 1992, 973; Staudinger/Werner, BGB, Neubearbeitung 2001,\n§ 1 HwiG Rdn. 64; Bub/Treier, Handbuch der Geschafts- und Wohnraummiete, 3.\nAufl., II 334). Diese Überlegung ist auf Mietverhaltnisse und\nGeschaftsraummietverhaltnisse in gleicher Weise anzuwenden. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| bbb) Der Widerruf konnte noch im Dezember 2002 wirksam erklart werden, weil\nder Erstbeklagte bei Abschluss des Mietvertrages nicht uber das Widerrufsrecht\nbelehrt wurde und der Vertrag auch noch nicht beiderseits vollstandig erfullt\nwar (§ 2 HWiG a.F.). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| ccc) Das Gericht geht davon aus, dass der Erstbeklagte, wie er geltend\nmacht, den Mietvertrag in der Haustursituation am Arbeitsplatz unterzeichnet\nhat. Dies haben der Erstbeklagte wie auch der Zeuge D. im Termin vom\n13.05.2003 so geschildert. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Ein Recht zum Widerruf hatte in dieser Ausgangssituation nur dann nicht\nbestanden, wenn die mundlichen Verhandlungen, auf denen der Abschluss des\nVertrages beruhte, auf vorhergehende Bestellung des Kunden gefuhrt worden\nwaren (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HwiG). Bei seiner Zeugenvernehmung am 13.05.2003 hat\nder Zeuge D. nur ausgefuhrt, dass ihn der Zweitbeklagte ersucht habe, einen\nZusatz zum Vertrag zu machen, wonach auch der Erstbeklagte in den Vertrag\neintreten werde; dieser wolle nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung\nals Anwalt in seine Kanzlei eintreten. Er habe daraufhin die\nMietvertragsurkunde wieder mitgenommen und habe den entsprechenden Zusatz\neingefugt. Als er dann das Kautionssparbuch vom Erstbeklagten erhalten habe,\nhabe dieser auch den Mietvertrag unterzeichnet. Das erganzte\nMietvertragsformular habe er schon einige Tage zuvor wieder dem Zweitbeklagten\nausgehandigt. Er konne nicht mit Sicherheit angeben, ob der Erstbeklagte\nmitbekommen habe, was ihm der Zweitbeklagte hinsichtlich des geplanten\nEintritts in die Anwaltspraxis mitgeteilt habe. Der Erstbeklagte hat, als\nPartei angehort, in sich stimmig und spontan, die Vorgange dahin geschildert,\ner habe keine Kenntnis davon gehabt, dass er in den Mietvertrag als Mieter\neintreten solle, bevor der Ehemann der Klagerin das Kautionssparbuch bei ihm\nabgeholt habe. Bei diesem Termin habe er die Unterschriften geleistet. Ein\nEintritt als Sozius sei seinerzeit schon nicht mehr in Betracht gekommen; er\nhabe demgemaß im Vorfeld des Besuchs auch nicht gehort, dass der\nZweitbeklagten den Zeugen gebeten habe, ihn als Vertragspartei mit in den\nVertrag aufzunehmen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Bei dieser Beweislage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Besuch\ndes Vertreters der Klagerin auf einer dem Erstbeklagten zuzurechnenden\nBestellung beruhte: \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Der Zweitbeklagte mag den Besuch des Zeugen D. zwecks Mitunterzeichnung des\nMietvertrages bestellt haben - dies kann zu Gunsten der Klagerin - ohne den\nZweitbeklagten hierzu anzuhoren - einmal unterstellt werden. Diese Bestellung\nware dem Erstbeklagten aber nicht zuzurechnen. Die vorhergehende Bestellung\nhat noch dem eindeutigen Gesetzeswortlaut vom spateren Verbraucher auszugehen.\nDie Bestellung durch einen Dritten ist ihm nur zuzurechnen, wenn er diesen zur\nBestellung ermachtigt hat (vgl. z.B. Staudinger/ Werner, a.a.O., Rdn. 124).\nDass der Zweitbeklagte insoweit vom Erstbeklagten ermachtigt war, wurde von\ndiesem gerade in Abrede gestellt und auch vom Zeugen D. nicht bekundet. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Von einer unmittelbaren eigenen Bestellung des Zeugen D. durch den\nErstbeklagten ware allerdings dann auszugehen, wenn mit hinreichender\nGewissheit davon auszugehen ware, dass die Klagerin tatsachlich das von beiden\nBeklagten gegengezeichnete Schreiben vom 12.11.1997 bereits von diesen\nzuruckerhalten hatte, als ihr Ehemann zwecks Unterzeichnung des Mietvertrages\nin der Kanzlei vorsprach. Dies ist jedoch nach dem bisherigen Beweisergebnis\nnicht der Fall. \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Zeuge D. hat sich bei seiner Vernehmung im letzten Termin hierzu nicht\nmit der Klarheit geaußert, mit der die zeitliche Abfolge jetzt nach dem Termin\nim Schriftsatz vom 23.05.2003 dargestellt wurde. Vielmehr hat er bekundet, er\nhabe das erganzte Mietvertragsformular dem Zweitbeklagten schon einige Tage\n(vor dem 17.11.1997) ausgehandigt, wahrend jetzt in sein Wissen gestellt\nwerden soll, er habe das erganzte Vertragsformular an diesem Tage erst\nmitgebracht. Dass er bzw. die Klagerin den Zusatz vom 12.11.1997 damals schon\nwieder in Handen hatten, hat er nicht ausgesagt. Die glaubhafte Schilderung\ndes Erstbeklagten, am fraglichen Tag erstmals von dem Plan, dass auch er\nMieter werden sollte, erfahren zu haben, spricht eindeutig dagegen. Hinzukommt\nohnehin, dass die fraglichen Daten (12.11. bis 17.11.1997) sehr nah beisammen\nliegen und der Zeuge D. auch schon bei fruheren Vernehmungen einraumen musste,\nwas angesichts des Zeitablaufs auch nahe liegt, keine ganz prazise Erinnerung\nmehr zu haben. Selbst wenn der Zeuge den nunmehr klargestellten Vortrag der\nKlagerin bestatigt hatte, ware dem nicht ohne weiteres zu folgen gewesen;\nspontan hat er sich in diesem Sinne aber auch gar nicht erklart. Fur die\nTatsache einer Bestellung, die die an sich gegebene Haustursituation wieder\naufhebt, ist die Klagerin beweisbelastet. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Zu erortern bleibt, ob die mundliche Verhandlung wiederzueroffnen gewesen\nware, um dem Zeugen den Vortrag der Klagerin hinsichtlich des Zeitpunkts der\nGegenzeichnung des Schreibens vom 12.11.1997 vorzuhalten (§ 156 ZPO). Das\nGericht hielt dies nicht fur geboten. Es ist zu sehen, dass die Schilderung\nder zeitlichen Abfolge, wie sie jetzt nach dem Schluss der mundlichen\nVerhandlung gehalten wurde, schon in den Schriftsatzen der Klagerin vom\n12.03.2003 (As 289) und vom 02.05.2003 (AS. 335) zum Ausdruck gebracht wurde.\nWenn die Klagerin die Befragung des Zeugen D. zu diesem Punkt nicht als\nausreichend ansah, hatte sie im Termin auf eine Klarung dringen mussen.\nNunmehr die Wiederholung der Vernehmung des Zeugen zu beantragen, steht nicht\nin Einklang mit der ihr obliegenden Prozessforderungspflicht, war also\nverspatet. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| ddd) Der Erstbeklagte fallt auch in den personlichen Anwendungsbereich der\nBestimmung. Er war objektiv gesehen nicht selbstandig tatig und auch nicht im\nBegriff, eine selbstandige Erwerbstatigkeit aufzunehmen. Darauf, welche\nVorstellungen sich die Klagerin eventuell anhand moglicherweise unrichtiger\nAussagen des Zweitbeklagten gemacht haben mag, kommt es nicht an. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| eee) Es ist ferner davon auszugehen, dass die Klagerin ihrerseits die\npersonlichen Voraussetzungen des § 6 Nr. 1 , 2. Mod. HWiG a.F. erfullt hat.\nNach dieser Bestimmung finden die Vorschriften des Hausturwiderrufsgesetzes\nkeine Anwendung, wenn "die andere Vertragspartei nicht geschaftsmaßig\nhandelt". Der Erstbeklagte hat unbestritten vorgetragen, dass die Klagerin als\nVermieterin einer "Vielzahl von Wohnungen" die Anforderungen erfullt habe,\nwelche beispielsweise nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten\nLandesgerichts an ein geschaftsmaßiges Handeln zu stellen seien. Nach der\nzitierten Entscheidung handelt derjenige geschaftsmaßig, der unabhangig von\nden Einkunften, die er damit erzielt, beabsichtigt, eine Tatigkeit gleicher\nArt zu wiederholen und dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden\nBestandteil seiner Beschaftigung zu machen. Wer nur zwei Wohnungen in großeren\nzeitlichen Abstanden vermietet, handelt dagegen nicht geschaftsmaßig (BayObLG\na.a.O., S. 2122, re. Sp., Werner/Machunsky, Hausturwiderrufsgesetz, 1990, § 6\nRdn. 25; enger wohl: Bub/Treier, a.a.O., II 335 - keine Anwendbarkeit auf eine\nVermietung ohne ein Überschreiten der Grenzen privater Vermogensverwaltung).\nFur das Nichtvorliegen der personlichen Voraussetzungen des\nHausturwiderrufsgesetzes ware die Klagerin darlegungs- und beweisbelastet\ngewesen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| 2\\. Die Anspruche gemaß Klageantrag zu 2 gegen den Zweitbeklagten sind\ndagegen begrundet und zwar - mit Ausnahme der Zinsforderung - in voller Hohe. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Dies gilt insbesondere auch fur die Zahlungen fur den Januar 2001. In der\nPerson des Zweitbeklagten ist keine Verjahrung eingetreten, da er die\nForderung anerkannt hat. Der Zeuge D. hat dies bei seiner letzten\nZeugenaussage - und zwar hinsichtlich aller durch die Verletzung der\nVerpflichtung zur ordnungsgemaßen Ruckgabe ausgelosten Schaden - uberzeugend\nbekundet. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Widerruf des Mietvertrages durch den Erstbeklagten kommt dem\nZweitbeklagten nicht zugute (§ 139 BGB). Dafur, dass der Mietvertrag mit dem\nZweitbeklagten von den Vertragsparteien als rechtlich selbstandig gewollt war,\nspricht bereits, dass er zunachst mit ihm als alleinigem Vertragspartner\ngeschlossen und der Erstbeklagte erst nachtraglich in das Vertragsverhaltnis\naufgenommen wurde. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Der Zahlungsanspruch der Klagerin von 343,29 DM bzw. 175,52 EUR ist\nallerdings nur mit dem fruher geltenden gesetzlichen Zinssatz von 4 % ab\nRechtshangigkeit zu verzinsen. Nach der gesetzlichen Überleistungsvorschrift\nbleibt es fur den Verzugszins bei den vor dem 01.05.2000 entstandenen\nForderungen bei dem alten Zinssatz (vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, BGB, 61.\nAufl., § 288 Rdn. 1). Dies gilt auch fur die Prozesszinsen, welche solche\nForderungen betreffen. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Der weitergehende Anspruch ist dagegen mit Zinsen von 5 Prozentpunkten uber\ndem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen, da sowohl der Anspruch aus der\nNebenkostenabrechnung fur 2000 wie auch der Anspruch fur den Monat Januar 2001\nnach dem Stichtag fur die Geltung der neuen Zinsregelung entstanden bzw.\nfallig geworden sind. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 100, 269, 709, 108 ZPO. \n--- \n--- \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die zulassige Klage der Klagerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen\nden Erstbeklagten richtet. Der Zweitbeklagte ist der Klagerin dagegen in\nvollem Umfang zur Erfullung der gegen ihn gerichteten Klagforderungen\nverpflichtet. \n--- \n| 31 \n--- \n| Lediglich ein Teil des Zinsanspruchs ist nicht gerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 1\\. Die Klagerin ist aktivlegitimiert, um die Klaganspruche geltend zu\nmachen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Zwar mogen restliche Anspruche aus dem Mietverhaltnis gemaß § 571 BGB a.F.\ndurch die Veraußerung des Eigentums an den vermieteten Raumen auf die insofern\nnunmehr berechtigte Gesellschaft burgerlichen Rechts ubergegangen sein. Durch\ninnerprozessual erteilte Erklarung vom 27.09.2002, die auch die Beklagten\ninhaltlich nicht mehr angegriffen haben, haben die Mitglieder der BGB-\nGesellschaft jedoch die umstrittenen Anspruche wirksam an die Klagerin zuruck\nabgetreten. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Der Klagerin stehen keine restlichen Anspruche aus dem Mietverhaltnis\ngegen den Beklagten zu 1 zu. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Hinsichtlich des Klagantrages zu 1, der die vom Zweitbeklagten mit\nnotariellem Anerkenntnis anerkannten Anspruche zum Gegenstand hat, begehrt die\nKlagerin auch vom Erstbeklagten - gegen den Zweitbeklagten liegt schon die\nnotarielle Unterwerfungserklarung vor - die Zahlung von 3.463,82 EUR abzuglich\nder - inzwischen unstreitig - am 30.12.1999 gezahlten 2.000,00 DM bzw.\n1.022,58 EUR. Sie nimmt den Erstbeklagten mithin noch auf Zahlung von 2.441,24\nEUR in Anspruch. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| aa) Da zwischen den Parteien Einigkeit daruber besteht, dass von diesen\nForderungen die Kaution abzuziehen war, waren wohl auch die aus der Kaution\nerwachsenen Zinsanspruche von 38,03 EUR von dieser Position abzuziehen\ngewesen. Nachdem der Erstbeklagte die Klagerin zu Protokoll ermachtigt hat\n(vgl. 187), auch diesen Zinsanspruch bei der Bank geltend zu machen, ist\nzwischen den Parteien unstreitig, dass dieser Betrag der Klagerin zugute\nkommen kann und demnach von der Klageforderung abzuziehen ist. Die Parteien\nstreiten allenfalls daruber, ob die Klagerin sich insofern schon fruher mit\nder Bank hatte auseinandersetzen mussen oder ob dieser Teilbetrag in der Tat\nerst durch die Erklarung des Erstbeklagten frei geworden ist. Die Formulierung\nim Vertragszusatz vom 12.11.1997, wonach die Zinsen der Kaution dem\nErstbeklagten zustunden, spricht an sich fur die Sicht der Klagerin. Da dieser\nPunkt jedoch allenfalls fur die Kosten im Zusammenhang mit einer Heranziehung\nvon § 91 a ZPO hatte Bedeutung erlangen konnen, der Betrag jedoch im\nVerhaltnis zur Klagforderung ohne Belang ist (§ 92 Abs. 2 ZPO), braucht dies\nnicht vertieft zu werden. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| bb) Dem an sich wohl sogar die Zulassigkeit der Klage betreffenden Einwand\ndes Erstbeklagten, wonach in der Klageforderung zu 1 auch bereits titulierte\nForderungen enthalten seien, folgt das Gericht nicht. Es geht vielmehr davon\naus, dass die bereits titulierten Positionen durch die unstreitig erfolgten\nGegenleistungen der Beklagtenseite bereits getilgt sind, wie auch die\nBeklagten unter Heranziehung von § 367 BGB a.F. selbst annehmen (vgl. AS. 49).\nDies gilt jedenfalls nach der Auslegungsregel des § 366 BGB a.F. und zwar\nunter dem Gesichtspunkt, dass die Kostenforderungen fur den Zweitbeklagten\nlastiger waren, weil sie doppelt tituliert waren. Die damit nur noch offen\nstehenden Forderungen, welche noch die Klageforderung ausmachen, sind dagegen\nnicht tituliert. Die Beklagten sind auf diesen Gesichtspunkt auch im spateren\nProzessverlauf nicht mehr zuruckgekommen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Hinsichtlich der zweiten Klageforderung, welche ebenfalls unter anderem\nauch gegen den Erstbeklagten geltend gemacht wird, ist nach der\nTeilklagerucknahme durch die Klagerin die Zusammensetzung der verbleibenden\nPositionen im Wesentlichen nicht mehr streitig. Insbesondere versteht das\nGericht das Prozessverhalten des Erstbeklagten dahin, dass er seine\nEinwendungen gegen die in die Klageforderungen eingegangenen\nNebenkostennachzahlungen fallengelassen hat, nachdem er Gelegenheit zu ihrer\nÜberprufung erhalten hatte. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Soweit noch Streit besteht, gilt hier: \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| aa) Das Gericht geht nicht zugunsten der Beklagten davon aus, dass der\nZweitbeklagte eine weitere Zahlung von 2.800,- DM erbracht hat. Den Nachweis\nhierfur konnten die Beklagten nicht fuhren; insbesondere war sich auch der\nZweitbeklagte in diesem Punkt bei seiner Parteianhorung gemaß § 141 ZPO nicht\nmehr sicher. Ein Irrtum einer Burokraft in einer vorprozessualen\nZahlungsaufstellung kann den Nachweis der erfolgten Zahlung nicht ersetzen.\nAllein der Umstand, dass der Zeuge D. bei seiner ersten Vernehmung am\n13.11.2002 den Zahlungsvorgang vom 30.12.1999 nicht bestatigen konnte, wahrend\nseine diesbezugliche Erinnerung nach Vorlage der Quittung im Termin vom\n10.12.2002 wieder auflebte, besagt nicht zwingend, dass sich die Klagerseite\nauch hinsichtlich des zweiten behaupteten Zahlungsvorgangs vom 14.03.2000\ngeirrt haben muss. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| bb) Nicht gegeben waren allerdings im Verhaltnis zum Erstbeklagten die\nAnspruche der Klagerin auf Mietzinszahlung und Nebenkostenerstattung fur den\nMonat Januar 2001. Der Sache nach handelt es sich hierbei nicht mehr um eine\nMietzinsforderung, sondern um einen Schadensersatzanspruch, welcher gemaß §\n548 BGB a.F. innerhalb von sechs Monaten nach Ruckerhalt der Mietsache\nverjahrte. \n--- \n| 42 \n--- \n| Dass der Beklagte zu 2 diese Forderung anerkannt und damit die Verjahrung\nunterbrochen hat, wie spater noch naher ausgefuhrt werden wird, wirkt nicht zu\nLasten des Erstbeklagten (§ 425 Abs. 1 und 2 BGB). Die Unterbrechung der\nVerjahrung betrifft hier nur den Zweitbeklagten. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| c) Soweit die Klageforderungen gemaß Klageantrag zu 1 und 2 somit mit den\nvorgenannten Einschrankungen an sich gegen den Erstbeklagten gerechtfertigt\ngewesen waren, stehen sie der Klagerin deshalb im Ergebnis gleichwohl nicht\nzu, weil der Erstbeklagte wahrend des Rechtsstreits den Widerruf des\nRechtsstreits nach dem Hausturwiderrufsgesetz erklart hat. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| aa) Die innerprozessual abgegebene Widerrufserklarung, die der\nProzessbevollmachtigte des Erstbeklagten "namens und in Vollmacht seines\nMandanten" in dem - auch zur Übermittlung an die Gegenseite bestimmten -\nSchriftsatz vom 06.12.2002 abgegeben hat, ist wirksam. Es ist grundsatzlich\nmoglich, eine materiell-rechtliche Erklarung mit einer Prozesshandlung zu\nverbinden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Schriftsatzes ist auch aus Sicht\nder Klagerin als Erklarungsempfangern davon auszugehen, dass der\nBeklagtenvertreter beim Verfassen des Schriftsatzes das erforderliche\nrechtsgeschaftliche Erklarungsbewusstsein zur Abgabe der Widerrufserklarung\nhatte. Auch von einer Wahrung der Formerfordernisse ist auszugehen, da dem\nKlagervertreter eine beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes zuging und die\nWiderrufserklarung nicht gemaß § 174 BGB zuruckgewiesen wurde (vgl. zum\nGanzen: z.B. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., V. Rdn. 38 - 40). Die Klagerin ist\nbei jeder Betrachtungsweise auch die richtige Adressatin fur die\nWiderrufserklarung, weil sie bei Abschluss des Vertrages "andere\nVertragspartei" war und in der vorliegend interessierenden Mietangelegenheit\ndurch die Abtretungserklarung vom 27.09.2002 auch als durch die jetzige\nVermieterseite umfassend bevollmachtigt anzusehen ist. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| cc) Vom Vorliegen der rechtlichen und tatsachlichen Voraussetzungen fur\neinen Widerruf nach dem Hausturwiderrufsgesetz ist auszugehen. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| aaa) Das Hausturwiderrufsgesetz ist auf einen Sachverhalt wie den\nvorliegenden anwendbar. Die in der Rechtsprechung ergangenen Entscheidungen,\ninsbesondere der Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Koblenz (NJW 1994,\n1418 ff), betreffen zwar Wohnraummietverhaltnisse; die darin angestellten\nErwagungen gelten aber auch fur die Geschaftsraummiete. Der sachliche\nAnwendungsbereich des Hausturwiderrufsgesetzes ergibt sich aus § 1 Abs. 1 HWiG\na.F. Erfasst werden die auf den Abschluss eines Vertrages uber eine\nentgeltliche Leistung gerichteten Willenserklarungen, die auf einer der in § 1\nAbs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Verhandlungssituationen beruhen, so dass vom\nGesetzeswortlaut grundsatzlich alle Vertragsarten erfasst werden. Der Streit\nuber die Anwendbarkeit des Hausturwiderrufsgesetzes auf Mietverhaltnisse\nresultierte daraus, dass in der den Regelungsgehalt des\nHausturwiderrufsgesetzes betreffenden Richtlinie des Rates 85/577/EWG vom\n20.12.1985 insofern eine abweichende Regelung getroffen wurde, als dort die\nAnwendbarkeit der Richtlinie auf Mietvertrage uber Immobilien ausgeschlossen\nwurde. Dies gilt aber nicht auch fur das nationale Recht, weil die Richtlinie\nes den einzelnen Vertragsstaaten auch freistellte, fur die Verbraucherseite\ngunstigere Regelungen zu schaffen (s. dazu: OLG Koblenz, a.a.O., LG Karlsruhe\nWuM 1992, 363 = NJW-RR 1992, 973; Staudinger/Werner, BGB, Neubearbeitung 2001,\n§ 1 HwiG Rdn. 64; Bub/Treier, Handbuch der Geschafts- und Wohnraummiete, 3.\nAufl., II 334). Diese Überlegung ist auf Mietverhaltnisse und\nGeschaftsraummietverhaltnisse in gleicher Weise anzuwenden. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| bbb) Der Widerruf konnte noch im Dezember 2002 wirksam erklart werden, weil\nder Erstbeklagte bei Abschluss des Mietvertrages nicht uber das Widerrufsrecht\nbelehrt wurde und der Vertrag auch noch nicht beiderseits vollstandig erfullt\nwar (§ 2 HWiG a.F.). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| ccc) Das Gericht geht davon aus, dass der Erstbeklagte, wie er geltend\nmacht, den Mietvertrag in der Haustursituation am Arbeitsplatz unterzeichnet\nhat. Dies haben der Erstbeklagte wie auch der Zeuge D. im Termin vom\n13.05.2003 so geschildert. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Ein Recht zum Widerruf hatte in dieser Ausgangssituation nur dann nicht\nbestanden, wenn die mundlichen Verhandlungen, auf denen der Abschluss des\nVertrages beruhte, auf vorhergehende Bestellung des Kunden gefuhrt worden\nwaren (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HwiG). Bei seiner Zeugenvernehmung am 13.05.2003 hat\nder Zeuge D. nur ausgefuhrt, dass ihn der Zweitbeklagte ersucht habe, einen\nZusatz zum Vertrag zu machen, wonach auch der Erstbeklagte in den Vertrag\neintreten werde; dieser wolle nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung\nals Anwalt in seine Kanzlei eintreten. Er habe daraufhin die\nMietvertragsurkunde wieder mitgenommen und habe den entsprechenden Zusatz\neingefugt. Als er dann das Kautionssparbuch vom Erstbeklagten erhalten habe,\nhabe dieser auch den Mietvertrag unterzeichnet. Das erganzte\nMietvertragsformular habe er schon einige Tage zuvor wieder dem Zweitbeklagten\nausgehandigt. Er konne nicht mit Sicherheit angeben, ob der Erstbeklagte\nmitbekommen habe, was ihm der Zweitbeklagte hinsichtlich des geplanten\nEintritts in die Anwaltspraxis mitgeteilt habe. Der Erstbeklagte hat, als\nPartei angehort, in sich stimmig und spontan, die Vorgange dahin geschildert,\ner habe keine Kenntnis davon gehabt, dass er in den Mietvertrag als Mieter\neintreten solle, bevor der Ehemann der Klagerin das Kautionssparbuch bei ihm\nabgeholt habe. Bei diesem Termin habe er die Unterschriften geleistet. Ein\nEintritt als Sozius sei seinerzeit schon nicht mehr in Betracht gekommen; er\nhabe demgemaß im Vorfeld des Besuchs auch nicht gehort, dass der\nZweitbeklagten den Zeugen gebeten habe, ihn als Vertragspartei mit in den\nVertrag aufzunehmen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Bei dieser Beweislage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Besuch\ndes Vertreters der Klagerin auf einer dem Erstbeklagten zuzurechnenden\nBestellung beruhte: \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Der Zweitbeklagte mag den Besuch des Zeugen D. zwecks Mitunterzeichnung des\nMietvertrages bestellt haben - dies kann zu Gunsten der Klagerin - ohne den\nZweitbeklagten hierzu anzuhoren - einmal unterstellt werden. Diese Bestellung\nware dem Erstbeklagten aber nicht zuzurechnen. Die vorhergehende Bestellung\nhat noch dem eindeutigen Gesetzeswortlaut vom spateren Verbraucher auszugehen.\nDie Bestellung durch einen Dritten ist ihm nur zuzurechnen, wenn er diesen zur\nBestellung ermachtigt hat (vgl. z.B. Staudinger/ Werner, a.a.O., Rdn. 124).\nDass der Zweitbeklagte insoweit vom Erstbeklagten ermachtigt war, wurde von\ndiesem gerade in Abrede gestellt und auch vom Zeugen D. nicht bekundet. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Von einer unmittelbaren eigenen Bestellung des Zeugen D. durch den\nErstbeklagten ware allerdings dann auszugehen, wenn mit hinreichender\nGewissheit davon auszugehen ware, dass die Klagerin tatsachlich das von beiden\nBeklagten gegengezeichnete Schreiben vom 12.11.1997 bereits von diesen\nzuruckerhalten hatte, als ihr Ehemann zwecks Unterzeichnung des Mietvertrages\nin der Kanzlei vorsprach. Dies ist jedoch nach dem bisherigen Beweisergebnis\nnicht der Fall. \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Zeuge D. hat sich bei seiner Vernehmung im letzten Termin hierzu nicht\nmit der Klarheit geaußert, mit der die zeitliche Abfolge jetzt nach dem Termin\nim Schriftsatz vom 23.05.2003 dargestellt wurde. Vielmehr hat er bekundet, er\nhabe das erganzte Mietvertragsformular dem Zweitbeklagten schon einige Tage\n(vor dem 17.11.1997) ausgehandigt, wahrend jetzt in sein Wissen gestellt\nwerden soll, er habe das erganzte Vertragsformular an diesem Tage erst\nmitgebracht. Dass er bzw. die Klagerin den Zusatz vom 12.11.1997 damals schon\nwieder in Handen hatten, hat er nicht ausgesagt. Die glaubhafte Schilderung\ndes Erstbeklagten, am fraglichen Tag erstmals von dem Plan, dass auch er\nMieter werden sollte, erfahren zu haben, spricht eindeutig dagegen. Hinzukommt\nohnehin, dass die fraglichen Daten (12.11. bis 17.11.1997) sehr nah beisammen\nliegen und der Zeuge D. auch schon bei fruheren Vernehmungen einraumen musste,\nwas angesichts des Zeitablaufs auch nahe liegt, keine ganz prazise Erinnerung\nmehr zu haben. Selbst wenn der Zeuge den nunmehr klargestellten Vortrag der\nKlagerin bestatigt hatte, ware dem nicht ohne weiteres zu folgen gewesen;\nspontan hat er sich in diesem Sinne aber auch gar nicht erklart. Fur die\nTatsache einer Bestellung, die die an sich gegebene Haustursituation wieder\naufhebt, ist die Klagerin beweisbelastet. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Zu erortern bleibt, ob die mundliche Verhandlung wiederzueroffnen gewesen\nware, um dem Zeugen den Vortrag der Klagerin hinsichtlich des Zeitpunkts der\nGegenzeichnung des Schreibens vom 12.11.1997 vorzuhalten (§ 156 ZPO). Das\nGericht hielt dies nicht fur geboten. Es ist zu sehen, dass die Schilderung\nder zeitlichen Abfolge, wie sie jetzt nach dem Schluss der mundlichen\nVerhandlung gehalten wurde, schon in den Schriftsatzen der Klagerin vom\n12.03.2003 (As 289) und vom 02.05.2003 (AS. 335) zum Ausdruck gebracht wurde.\nWenn die Klagerin die Befragung des Zeugen D. zu diesem Punkt nicht als\nausreichend ansah, hatte sie im Termin auf eine Klarung dringen mussen.\nNunmehr die Wiederholung der Vernehmung des Zeugen zu beantragen, steht nicht\nin Einklang mit der ihr obliegenden Prozessforderungspflicht, war also\nverspatet. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| ddd) Der Erstbeklagte fallt auch in den personlichen Anwendungsbereich der\nBestimmung. Er war objektiv gesehen nicht selbstandig tatig und auch nicht im\nBegriff, eine selbstandige Erwerbstatigkeit aufzunehmen. Darauf, welche\nVorstellungen sich die Klagerin eventuell anhand moglicherweise unrichtiger\nAussagen des Zweitbeklagten gemacht haben mag, kommt es nicht an. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| eee) Es ist ferner davon auszugehen, dass die Klagerin ihrerseits die\npersonlichen Voraussetzungen des § 6 Nr. 1 , 2. Mod. HWiG a.F. erfullt hat.\nNach dieser Bestimmung finden die Vorschriften des Hausturwiderrufsgesetzes\nkeine Anwendung, wenn "die andere Vertragspartei nicht geschaftsmaßig\nhandelt". Der Erstbeklagte hat unbestritten vorgetragen, dass die Klagerin als\nVermieterin einer "Vielzahl von Wohnungen" die Anforderungen erfullt habe,\nwelche beispielsweise nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten\nLandesgerichts an ein geschaftsmaßiges Handeln zu stellen seien. Nach der\nzitierten Entscheidung handelt derjenige geschaftsmaßig, der unabhangig von\nden Einkunften, die er damit erzielt, beabsichtigt, eine Tatigkeit gleicher\nArt zu wiederholen und dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden\nBestandteil seiner Beschaftigung zu machen. Wer nur zwei Wohnungen in großeren\nzeitlichen Abstanden vermietet, handelt dagegen nicht geschaftsmaßig (BayObLG\na.a.O., S. 2122, re. Sp., Werner/Machunsky, Hausturwiderrufsgesetz, 1990, § 6\nRdn. 25; enger wohl: Bub/Treier, a.a.O., II 335 - keine Anwendbarkeit auf eine\nVermietung ohne ein Überschreiten der Grenzen privater Vermogensverwaltung).\nFur das Nichtvorliegen der personlichen Voraussetzungen des\nHausturwiderrufsgesetzes ware die Klagerin darlegungs- und beweisbelastet\ngewesen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| 2\\. Die Anspruche gemaß Klageantrag zu 2 gegen den Zweitbeklagten sind\ndagegen begrundet und zwar - mit Ausnahme der Zinsforderung - in voller Hohe. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Dies gilt insbesondere auch fur die Zahlungen fur den Januar 2001. In der\nPerson des Zweitbeklagten ist keine Verjahrung eingetreten, da er die\nForderung anerkannt hat. Der Zeuge D. hat dies bei seiner letzten\nZeugenaussage - und zwar hinsichtlich aller durch die Verletzung der\nVerpflichtung zur ordnungsgemaßen Ruckgabe ausgelosten Schaden - uberzeugend\nbekundet. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Widerruf des Mietvertrages durch den Erstbeklagten kommt dem\nZweitbeklagten nicht zugute (§ 139 BGB). Dafur, dass der Mietvertrag mit dem\nZweitbeklagten von den Vertragsparteien als rechtlich selbstandig gewollt war,\nspricht bereits, dass er zunachst mit ihm als alleinigem Vertragspartner\ngeschlossen und der Erstbeklagte erst nachtraglich in das Vertragsverhaltnis\naufgenommen wurde. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Der Zahlungsanspruch der Klagerin von 343,29 DM bzw. 175,52 EUR ist\nallerdings nur mit dem fruher geltenden gesetzlichen Zinssatz von 4 % ab\nRechtshangigkeit zu verzinsen. Nach der gesetzlichen Überleistungsvorschrift\nbleibt es fur den Verzugszins bei den vor dem 01.05.2000 entstandenen\nForderungen bei dem alten Zinssatz (vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, BGB, 61.\nAufl., § 288 Rdn. 1). Dies gilt auch fur die Prozesszinsen, welche solche\nForderungen betreffen. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Der weitergehende Anspruch ist dagegen mit Zinsen von 5 Prozentpunkten uber\ndem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen, da sowohl der Anspruch aus der\nNebenkostenabrechnung fur 2000 wie auch der Anspruch fur den Monat Januar 2001\nnach dem Stichtag fur die Geltung der neuen Zinsregelung entstanden bzw.\nfallig geworden sind. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 100, 269, 709, 108 ZPO. \n--- \n--- \n--- \n--- \n---\n\n
140,384
olgkarl-2004-10-21-12-u-19504
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
12 U 195/04
2004-10-21
2019-01-07 15:12:14
2019-02-12 12:20:00
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom\n26. Marz 2004 - 6 O 968/03 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren\nBetrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung\nSicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der ...1954 geborene, im offentlichen Dienst beschaftigte Klager ist\nLebenspartner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Er begehrt die\nFeststellungen, dass die beklagte Anstalt fur ihn bei Rentenberechnungen die\nfur Verheiratete geltende Lohnsteuerklasse III/0 zugrunde zu legen habe sowie\nverpflichtet sei, bei Fortbestehen der Lebenspartnerschaft seinem\nLebenspartner bei Ableben des Klagers eine satzungsgemaße Hinterbliebenenrente\nwie eine Witwen-/Witwerrente zu gewahren. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte hat gemaß Mitteilung vom 19.03.2003 der Berechnung der\nRentenanwartschaften des Klagers zum 31.12.2001 - dem Stichtag fur die\nUmstellung des Zusatzversorgungssystems von einer an der Beamtenversorgung\norientierten Gesamtversorgung auf ein beitragsorientiertes\nBetriebsrentensystem (Punktesystem) - die Lohnsteuerklasse I/0 zugrunde\ngelegt. Bei Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 ware die Startgutschrift\nfur den Klager um EUR 74,48 hoher. In einer weiteren Mitteilung vom 14.04.2003\nhat die Beklagte klargestellt, dass sie im Falle des Vorversterbens des\nKlagers seinem Lebenspartner keine Hinterbliebenenrente zahlen werde. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren tatsachlichen\nFeststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen und eine\nGleichstellung des Klagers und seines Lebenspartners mit verheirateten\nVersicherten sowohl nach dem Wortlaut der einschlagigen Satzungsbestimmungen\nals auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG verneint. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit der Berufung verfolgt der Klager seine erstinstanzlich gestellten\nFeststellungsantrage weiter. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils, die\nBerufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Berufung hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Es kann dahingestellt werden, ob die Feststellungsantrage zulassig sind,\ninsbesondere ein hinreichendes Feststellungsinteresse des Klagers besteht. Die\nAntrage sind jedenfalls unbegrundet. Das Feststellungsinteresse gemaß § 256\nAbs. 1 ZPO ist nur fur ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung\n(BAG NJW 2003, 1755 unter II 1; Zoller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 256 Rn. 7, je\nm.w.N.). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei Rentenberechnungen fur den\nKlager sowohl nach altem als auch nach neuem Satzungsrecht die\nLohnsteuerklasse III/0 zugrunde zu legen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| a) Auf die einschlagigen Satzungsbestimmungen kann der Klager sein Begehren\nnicht stutzen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Nach § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a VBLS der alten, bis 31.12.2000 geltenden\nSatzungsfassung (VBLS a.F.) ist als Rechnungsgrundlage fur das die\nGesamtversorgung begrenzende fiktive Nettoarbeitsentgelt bei einem am Tag des\nBeginns der Versorgungsrente nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten\nVersorgungsrentenberechtigten sowie bei einem Versorgungsrentenberechtigten,\nder an diesem Tag Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung fur\nmindestens ein Kind hat, der Betrag abzuziehen, der an diesem Tag als\nLohnsteuer nach Steuerklasse III/0 zu zahlen ware. Bei allen ubrigen\nVersorgungsrentenberechtigten erfolgt der Abzug gemaß § 41 Abs. 2c Satz 1\nBuchst. b VBLS a.F. nach dem Betrag, der am Tag des Beginns der\nVersorgungsrente als Lohnsteuer nach Steuerklasse I/0 zu zahlen ware. Die\ngenannten Rechengroßen sind auch fur die Ermittlung der im Wege der so\ngenannten Startgutschrift in das neue Betriebsrentensystem zum Stichtag\n01.01.2002 zu uberfuhrenden Anwartschaften maßgeblich (vgl. §§ 78 Abs. 1 und\n2, 79 Abs. 1 der mit Wirkung ab 01.01.2001 in Kraft getretenen Neufassung -\nVBLS n.F. - in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 b BetrAVG). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Satzungsvorschriften sind eindeutig. Der Klager gehort - ebenso wie\nsein Lebenspartner - nicht zu den verheirateten Versorgungsrentenberechtigten.\nEbenso wenig hat er Anspruch auf Leistungen fur Kinder. Er ist daher den\n„ubrigen Versorgungsrentenberechtigten" zuzurechnen, fur die die\nLohnsteuerklasse I/0 zugrunde zu legen ist. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Entgegen der von dem Klager im zweiten Rechtszug unter Bezugnahme auf das\nUrteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29. April 2004 (6 AZR 101/03) vertretenen\nAnsicht ist der Satzung die Anwendbarkeit der Lohnsteuerklasse III/0 auf\nVersicherte in einer Lebenspartnerschaft auch nicht im Wege der erganzenden\nAuslegung zu entnehmen. Zwar kommt in Ausnahmefallen eine erganzende Auslegung\nauch Allgemeiner Geschaftsbedingungen bzw. Allgemeiner\nVersicherungsbedingungen, um die es sich bei den Satzungsbestimmungen der\nBeklagten handelt (BGHZ 142, 103, 105 ff: BVerfG NJW 2000, 3341 unter II 2 a,\nc), in Betracht (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 305 c Rn. 17\nm.w.N.). Voraussetzung ist jedoch das Vorliegen einer unbewussten\nRegelungslucke. Eine solche Regelungslucke kann hier aber nicht festgestellt\nwerden. Das Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 (BGBl. I, S. 266 -\nLPartG), welches die Begrundung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft fur\ngleichgeschlechtliche Paare als Institut ermoglicht und daran bestimmte\npersonen- und vermogensbezogene Rechtsfolgen geknupft hat, ist zum 01. August\n2001 in Kraft getreten und war damals Gegenstand eingehender Berichterstattung\nin den offentlichen Medien. Folglich war es den Tarifvertragsparteien des\noffentlichen Dienstes bekannt, als diese am 13.11.2001 im Altersvorsorgeplan\n2001 beschlossen, das bisherige Gesamtversorgungssystem durch ein Punktemodell\nabzulosen. Gleiches gilt fur den Zeitpunkt des Zustandekommens des\nTarifvertrags uber die betriebliche Altersversorgung der Beschaftigten des\noffentlichen Dienstes (Tarifvertrag-Altersversorgung - ATV) am 01.03.2002.\nTrotz Kenntnis des neuen Gesetzes haben weder die Tarifpartner eine\nBesserstellung von Versicherten in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft\nvereinbart (vgl. §§ 32 ff ATV), noch der Verwaltungsrat der Beklagten, der am\n19.09.2002 die Neufassung der Satzung der Beklagten mit dem Übergang vom\nGesamtversorgungssystem auf das Punktemodell beschlossen und dabei vielfach\nFormulierungen des ATV vom 01.03.2002 wortgleich ubernommen hat. Die\nNeufassung der Satzung wurde vom Bundesminister der Finanzen am 22.11.2002\ngenehmigt und im Bundesanzeiger vom 03.01.2003 veroffentlicht. Bei dieser\nSachlage verbietet sich - anders, als dies in dem vom BAG entschiedenen\nSachverhalt der Fall gewesen sein mag - die Annahme einer planwidrigen\nRegelungslucke. Tatsachlich bestand fur eine Anwendung der Lohnsteuerklasse\nIII/0 als Berechnungsgrundlage gemaß § 41 Abs. 2c Satz 1 VBLS a.F. fur die von\nLebenspartnerinnen und Lebenspartnern erworbenen Anwartschaften wohl schon\ndeshalb keine außerliche Veranlassung, weil diese Anwartschaften nach dem\nalten, durch ein beitragsorientiertes System abzulosenden Satzungsrecht\nerworben waren und im Übrigen der Gesetzgeber selbst bei Inkraftsetzung des\nLPartG von einer Anwendung der Lohnsteuerklasse III/0 auf Lebenspartner\nbewusst abgesehen hat (vgl. dazu das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes\nNJW 2004, 1268 m.w.N.). Auch im Beamtenbesoldungsrecht ist eine Gleichstellung\nvon Ehe und Lebenspartnerschaft durch den Gesetzgeber bisher nicht erfolgt. Da\nsomit anzunehmen ist, dass sowohl die Tarifvertragsparteien als auch der\nVerwaltungsrat der Beklagten als Satzungsgeber von einer Besserstellung von\nLebenspartnerinnen und Lebenspartnern bewusst abgesehen haben, ist eine\nerganzende Bedingungsauslegung in dem von dem Klager gewunschten Sinne\nausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| b) Der Klager kann auch aus Gleichbehandlungsgrunden (Artikel 3 des\nGrundgesetzes - GG; vgl. auch Art. 141 des EG-Vertrages sowie die im\nZusammenhang ergangenen Gleichbehandlungsrichtlinien des Rates, insbesondere\ndie Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen\nRahmens fur die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschaftigung und\nBeruf) nicht verlangen, dass die Beklagte seine Anwartschaften unter\nZugrundelegung der ihm gunstigeren Lohnsteuerklasse III/0 errechnet. Ob und\ninwieweit Art. 3 Abs. 1 GG die Tarifvertragsparteien uberhaupt bindet und als\nMaßstab einer Inhaltskontrolle der einschlagigen Satzungsbestimmungen der\nBeklagten herangezogen werden kann, soweit sie eine tarifvertragliche\nVereinbarung umsetzen (vgl. §§ 310 Abs. 4 Satz 3, 307 Abs. 3 BGB), kann dahin\nstehen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 20.07.2004 - 12 U 83/03 - unter II 2\nb, c m.w.N.). Denn der Klager hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit den\nin § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a VBLS genannten Personen, insbesondere nicht\ngetrennt lebenden verheirateten Versicherten. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet Art. 3 Abs.\n1 GG, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten\nanders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von\nsolcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung\nrechtfertigen konnten (BVerfG NJW 2002, 2543, 2549 unter 2 b m.w.N.). Der\nVerfassungsgeber selbst anerkennt jedoch durch Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe als\nbesonders schutzenswerte Lebensform und unterstellt sie einer besonderen\nForderpflicht des Staates (vgl. BVerfG aaO 2547 ff). Andere Lebensformen\neinschließlich gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften haben eine solche\nPrivilegierung - bisher jedenfalls - nicht erfahren. Daran hat sich naturgemaß\nauch durch das Inkrafttreten des LPartG nichts geandert. Damit ist es dem\nGesetzgeber wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe nach\nArt. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt, diese gegenuber anderen Lebensformen zu\nbegunstigen (so ausdrucklich BVerfG aaO 2548 unter 1 c cc). Nichts anderes\nkann fur den Satzungsgeber der Beklagten sowie die mit dem Recht der\nZusatzversorgung befassten Tarifpartner gelten. Schon deshalb konnen\ngleichgeschlechtliche Lebenspartner grundsatzlich nicht unter Berufung auf\nArt. 3 Abs. 1 GG eine Gleichstellung fordern, soweit Ehegatten begunstigende\nSatzungsbestimmungen nach Inkrafttreten des LPartG nicht auch auf\nLebenspartner ubertragen worden sind. Dementsprechend ist etwa die Versagung\ndes Splittingtarifs fur die gleichgeschlechtlichen Partner einer eingetragenen\nLebenspartnerschaft verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Finanzgericht\ndes Saarlandes NJW 2004, 1268). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nicht allein die genannte verfassungsrechtliche Grundentscheidung\nrechtfertigt die Ungleichbehandlung des Klagers gegenuber verheirateten\nVersicherten. Zutreffend hat das Landgericht darauf verwiesen, dass die Ehe -\nauch heute noch - regelmaßig die Vorstufe zur Familie ist oder sich jedenfalls\nzur Familie fortentwickeln kann. Die eingetragene gleichgeschlechtliche\nLebenspartnerschaft kann jedoch nicht auf ein eigenes Kind angelegt sein,\nfuhrt deshalb regelmaßig nicht zur Elternverantwortlichkeit und leistet daher\ntypischerweise auch keinen Beitrag fur die demographische Zukunftsfahigkeit\nvon Staat und Gesellschaft (vgl. Finanzgericht des Saarlandes aaO unter I 4 c\ncc). Dass der Satzungsgeber bei der Frage, welche Steuerklasse fur die\nBemessung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts zugrunde gelegt werden soll, in §\n41 Abs. 2c Satz 1 VBLS a.F. dem Umstand kinderbedingter Belastungen besonders\nRechnung getragen hat, zeigt die Regelung in Buchstabe a, zweiter Halbsatz,\nwonach von der Lohnsteuerklasse III/0 - abweichend vom Steuerrecht - auch bei\neinem unverheirateten Versorgungsrentenberechtigten, der an diesem Tag\nAnspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung fur mindestens ein\nKind hat, auszugehen ist. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Soweit der Klager einwendet, die Beklagte hatte, anstatt lediglich an das\nVerheiratetsein anzuknupfen, fur die Renten- und Anwartschaftenbemessung die\nPrivilegierung ohne weiteres davon abhangig machen konnen, ob aus einer Ehe\ntatsachlich Kinder hervorgegangen sind, verhilft das der Klage nicht zum\nErfolg. Diese Überlegung kann schwerlich dazu fuhren, einen Anspruch zugunsten\neingetragener Lebenspartner auf die Privilegierung nach der Lohnsteuerklasse\nIII/0 zu begrunden. Vielmehr ware mit diesem Argument die Gleichbehandlung\ndadurch herzustellen, auch verheirateten, aber kinderlos gebliebenen\nVersicherten die Privilegierung zu entziehen. Allerdings mag es unter\nGleichbehandlungsgesichtspunkten, auch mit Rucksicht auf den gemaß Artikel 6\nAbs. 1 GG ebenfalls gebotenen Schutz der Familie sowie das\nSozialstaatsprinzip, fraglich erscheinen, ob die satzungsgemaße Privilegierung\nvon nicht getrennt lebenden, aber bis zum Versorgungsfall kinderlos\ngebliebenen Ehegatten gegenuber getrennt lebenden oder geschiedenen\nVersicherten, die unterhaltspflichtig sind oder jedenfalls in fruheren Jahren\nunterhaltsberechtigte Kinder hatten, zukunftig noch gerechtfertigt werden\nkann. Das bedarf jedoch keiner Vertiefung. Selbst wenn aus diesem Grunde eine\nentsprechende Besserstellung auch der letztgenannten Personengruppe geboten\nware, konnte der Klager sich hierauf nicht berufen, da er offensichtlich\nkinderlos ist und daher zu dieser Gruppe nicht gehort. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| c) Ein Gleichstellungsanspruch aus § 75 des Betriebsverfassungsgesetzes\n(BetrVG), auf den der Klager sich ebenfalls beruft, ist bereits aus den\nvorgenannten Grunden nicht gegeben. Im Übrigen wird insoweit zur Vermeidung\nvon Wiederholungen auf die zutreffenden Ausfuhrungen unter Ziffer III. 3. des\nlandgerichtlichen Urteils Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, dem Lebenspartner des\nKlagers, sollte die Lebenspartnerschaft bei seinem Ableben noch Bestand haben,\neine satzungsgemaße Hinterbliebenenrente wie eine Witwen- oder Witwerrente zu\ngewahren (zum - ggf. „bedingten" \\- Anspruch in der Person des Klagers vgl.\nBVerwGE 38, 346). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| a) Auch insoweit ist der Wortlaut der einschlagigen Satzungsbestimmung des\n§ 38 VBLS n.F. - in Übereinstimmung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 ATV - eindeutig.\nAnspruchsinhaber kann nur „die hinterbliebene Ehegattin/der hinterbliebene\nEhegatte" sein, nicht aber ein hinterbliebener Lebenspartner. Eine erganzende\nAuslegung zugunsten des Klagers und seines Lebenspartners scheidet aus den\nunter 1 a genannten Grunden, die hier entsprechend gelten, aus. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| b) Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung steht den Lebenspartnern\nein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente gemaß § 38 Abs. 1 VBLS n.F.\nebenfalls nicht zu. Allerdings erschiene es ohne weiteres nachvollziehbar,\nwenn die Tarifpartner und der Satzungsgeber der Beklagten nach Inkrafttreten\ndes LPartG eine solche Regelung vorsehen wurden. Denn die Verhaltnisse sind\ninsoweit, insbesondere mit Rucksicht auf die gegenseitige Unterhaltspflicht\nder Lebenspartner (§ 5 LPartG) und den ohne weiteres wahlbaren Vermogensstand\nder Ausgleichsgemeinschaft (§ 6 Abs. 1, 2 LPartG), der ublicherweise bei\nEheleuten (im Regelguterstand der Zugewinngemeinschaft) geltenden Rechtslage\nweitgehend angenahert. Ein Anspruch hierauf steht dem Klager jedoch mit\nRucksicht auf die verfassungsrechtliche Privilegierung der Ehe sowie aus den\nweiteren oben unter 1 b genannten Grunden nicht zu. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch uber\ndie Vollstreckbarkeit stutzt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 4\\. Der Rechtsstreit betrifft entscheidungserhebliche und klarungsfahige\nRechtsfragen, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fallen stellen\nkonnen und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der\neinheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts beruhren. Die Rechtsfrage\nist auch - fur das Zusatzversorgungssystem der Beklagten - hochstrichterlich\nnoch nicht geklart. Die Revision wird daher gemaß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1\nZPO wegen grundsatzlicher Bedeutung zugelassen. \n--- \n---\n\n
141,243
olgstut-2005-08-23-19-u-8005
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 U 80/05
2005-08-23
2019-01-08 17:33:44
2019-02-12 12:20:46
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 21.\nZivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20. April 2005 - 21 O 407/04 - wird\n\nz u r u c k g e w i e s e n.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nStreitwert der Berufung: 30.500,-- Euro.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Insoweit wird auf den\nBeschluss des Senats vom 19. Juli 2005 Bezug genommen. Die weiteren\nAusfuhrungen des Klagervertreters vermogen eine andere Beurteilung nicht zu\nrechtfertigen. \n--- \n--- \n1. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Vortrag, dass der Lkw bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert sei,\nfuhrt auch insoweit zu keiner anderen Entscheidung. Zutreffend stutzt der\nKlagervertreter den Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens nicht auf die\nBestimmung des § 7 StVG. Der Anspruch ware nach § 8 Nr. 2 StVG ausgeschlossen. \n--- \n--- \n2. \n--- \n| 3 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Berufung folgt der Senat der standigen\nobergerichtlichen Rechtsprechung, nach welcher die Haftungsfreistellung des §\n106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII uber die Falle der Arbeitsgemeinschaft hinaus\nsamtliche betrieblichen Aktivitaten von Versicherten mehrerer Unternehmen\nerfasst, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen,\nmiteinander verknupft sind, sich erganzen oder unterstutzen, wobei es\nausreicht, dass die gegenseitige Verstandigung stillschweigend durch bloßes\nTun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das\nsich zumindest tatsachlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches\nZusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt (zuletzt: BGH, Urteil v. 14.\nJuni 2005 - VI ZR 25/04, dokumentiert unter www.bundesgerichtshof.de). \n--- \n--- \n3. \n--- \n| 4 \n--- \n| Wenn der Senat diese Voraussetzungen im Streitfall als erfullt ansieht,\nweil es sich um einen einheitlichen Entladevorgang handelt, was bereits im\nBeschluss vom 19. Juli 2005 dargelegt wurde, dann versucht die Berufung, mit\nder von ihr vorgenommenen Aufspaltung der Einheit in voneinander losgeloste\nTeilakte, nur, ihre Wurdigung an die Stelle jener des Senats zu setzen. Die\nTatigkeiten waren vielmehr aufeinander bezogen und jedenfalls dergestalt\nmiteinander verknupft, dass sie sich "ablaufbedingt in die Quere kommen"\nkonnten (vgl. BGHZ 157, 213, 217). \n--- \n--- \n--- \n4. \n--- \n| 5 \n--- \n| Entgegen der im Schriftsatz vom 19. August 2005 unter Heranziehung der\nBestimmung des Art. 103 GG geaußerten Auffassung, hat der Senat den Vortrag\ndes Klagers zur Gefahrengemeinschaft nicht ubergangen. Gerichte sind nach Art.\n103 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen\nund in Erwagung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle\nEinzelpunkte des Parteivortrags in den Grunden auch ausdrucklich zu bescheiden\n(BVerfGE 96, 205, 216 f.). Dass der Senat das angeblich ubergangene Vorbringen\nin seine Betrachtung eingestellt hat, wird vom Berufungsklagervertreter jedoch\nkonzediert. Die Gefahr, dass der Klager wegen des Miteinanders im\nArbeitsablauf dem Fahrer des Lkw Schaden zufugen konnte, ist nicht nur rein\ntheoretischer Natur (vgl. BGHZ 157, 213, 219). \n--- \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht. Dass die Sache\ngrundsatzliche Bedeutung habe, macht der Berufungsklagervertreter zu Recht\nnicht geltend. Gleichfalls wendet sich die Berufung nicht gegen die\nAusfuhrungen des Senats, aus welchen Grunden die Zulassung der Revision zur\nRechtsfortbildung nicht in Betracht komme. Entgegen der vom Rechtsmittel\ngeaußerten Auffassung liegt auch kein Fall der Divergenz vor. Der Senat\nentscheidet einen Einzelfall. Er folgt der hochstrichterlichen Rechtsprechung\nund stellt insbesondere keinen die Entscheidung tragenden abstrakten\nRechtssatz auf, der von einem tragenden abstrakten Rechtssatz in der\nEntscheidung eines hoherrangigen oder gleichrangigen anderen Gerichts oder\neines anderen Spruchkorpers desselben Gerichts abweicht. Der Senat hat auch\ndas gesamte Vorbringen des Klagers berucksichtigt. \n--- \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO. \n--- \n--- \n--- \n--- \n---\n\n
149,224
vghbw-2007-08-29-8-s-189207
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 S 1892/07
2007-08-29
2019-01-09 18:35:14
2019-01-17 12:04:25
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Klager gegen den Verweisungsbeschluss des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2007 - 13 K 2993/07 - wird als\nunzulassig verworfen.\n\nDie Beiordnung eines Notanwalts wird abgelehnt.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens gesamtschuldnerisch.\n\nDer Streitwert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die am 27.6.2007 eingelegte Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.6.2007, zugestellt am 14.6.2007, ist\nunzulassig. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klager haben sich trotz zutreffender Belehrung im Beschluss des\nVerwaltungsgerichts bei der Beschwerdeeinlegung nicht durch einen Rechtsanwalt\noder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule i. S. des\nHochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als Bevollmachtigten\nvertreten lassen (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO; zum\nVertretungszwang bereits bei der Einlegung der Beschwerde beim\nVerwaltungsgericht vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 8.1.2003 - 12 S\n2562/02-, VBlBW 2003, 241 = NVwZ 2003, 885). Die von ihnen selbst eingelegte\nBeschwerde entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14.\nAufl., § 67 Rn. 31). Zwischenzeitlich ist auch die Frist fur die Einlegung der\nBeschwerde durch einen i. S. von § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO postulationsfahigen\nBevollmachtigten abgelaufen (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Den Klagern kann auch nicht - wie von ihnen beantragt - ein Notanwalt i. S.\nvon § 173 VwGO i. V. m. § 78b ZPO beigeordnet werden. § 78b Abs. 1 Satz 1 ZPO\nschreibt vor, dass soweit - wie vorliegend - eine Vertretung durch Anwalte\ngeboten ist, das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag fur den\nRechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen hat,\nwenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die\nRechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos\nerscheint (vgl. § 78b Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es kann offen bleiben, ob die\nRechtsverfolgung der Klager nicht mutwillig oder aussichtslos in diesem Sinne\nerscheint, weil die Klager jedenfalls nicht den ihnen obliegenden (vgl. BGH,\nBeschluss vom 27.4.1995 - II ZB 4/95 -, NJW-RR 1995, 1016 m.w.N.) Nachweis\ngefuhrt haben, dass sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht\ngefunden haben. Hierbei durfen zwar die Anforderungen an diesen Nachweis nicht\nuberspannt werden. So kann nicht verlangt werden, dass die Klager im\nverwaltungsgerichtlichen Verfahren, bei dem es keine Zulassung der\nRechtsanwalte zu einem bestimmten Gericht gibt, alle an ihrem Wohnort oder am\nSitz des Verwaltungsgerichtshofs tatigen Anwalte ersucht haben, sie in ihrer\nAngelegenheit zu vertreten. Erforderlich ist jedoch, dass sie zumindest eine\ngewisse Anzahl von Anwalten nachweisbar vergeblich um die Übernahme ihrer\nVertretung gebeten haben (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65.\nAufl., § 78b Rn. 4). Da Vertretungszwang im verwaltungsgerichtlichen Verfahren\nnur vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht, nicht\naber vor den Verwaltungsgerichten besteht, ist es ausreichend, aber auch\nerforderlich, dass die Klager darlegen und auch nachweisen, dass gerade fur\ndas Verfahren, fur das sie die Beiordnung begehren, sich kein\nvertretungsbereiter Rechtsanwalt hat finden lassen (vgl. zu allem VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 9.11.1998 - 1 S 2376/98 -, NVwZ-RR 1999, 280). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klager haben weder substantiiert dargelegt, noch nachgewiesen, dass sie\nnach Ergehen des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts mehrere\nRechtsanwalte um Vertretung in einem Beschwerdeverfahren ersucht haben. Ihren\nbereits beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Beiordnung eines\nNotanwalts haben sie damit begrundet, dass sie keine Kanzlei hatten finden\nkonnen, die „die Vertretung der Rechtssache ubernehmen wurde". Als Nachweis\nihrer Bemuhungen haben sie lediglich die Namen von sechs Anwalten aus\nStuttgart und Esslingen benannt. Bereits mit Schreiben vom 20.8.2007 wurden\ndie Klager darauf hingewiesen, dass damit der erforderliche Nachweis i. S. des\nGesetzes nicht gefuhrt ist. Ohne dass an dieser Stelle abschließend\numschrieben werden musste, welche Anforderungen die Klager als Naturpartei fur\nden Nachweis der Vergeblichkeit ihrer Bemuhungen vernunftigerweise erfullen\nmussen, hatte jedenfalls zumindest erwartet werden konnen, dass sie ihre\nBemuhungen belegen durch beispielsweise die Vorlage der an die genannten\nKanzleien gerichteten Schreiben in Mehrfertigung und dass sie auch Angaben zu\nden Ablehnungsgrunden machen bzw. gegebenenfalls die Ablehnungsschreiben der\nKanzleien beifugen (vgl. Musielak, ZPO, § 78b Rn. 4). Die Klager leben in\neinem großstadtischen Ballungsraum mit einer Vielzahl von Anwaltskanzleien,\nsie verfugen uber Telefon und Telefax und besitzen auch, wie die bisherige\nVerfahrensfuhrung belegt, eine gewisse Geschaftsgewandtheit. Unter diesen\nUmstanden stellt es keine Überforderung der Klager dar, wenn ihnen im\nInteresse einer zugigen Forderung ihres Rechtsschutzbegehrens zugemutet wird,\ndie behaupteten Kontakte zu Anwaltskanzleien substantiiert zu belegen. Die\nKlager haben jedoch weder dazu, noch zu den Ablehnungsgrunden vorgetragen,\nvielmehr haben sie sich nach dem Hinweis des Senats uberhaupt nicht mehr\ngeaußert. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Grunde fur eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 Abs. 1 VwGO\nsind nicht ersichtlich. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auch\nnicht im Hinblick darauf in Frage, dass die Klager nach ihrem Vortrag einen\nvertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht haben finden konnen. Wenngleich\nangesichts des gesetzlichen Vertretungszwangs im verwaltungsgerichtlichen\nRechtsmittelverfahren ein Hinderungsgrund fur die Einhaltung der\nRechtsmittelfrist auch darin liegen kann, dass innerhalb der Frist kein\nProzessbevollmachtigter ausfindig gemacht werden konnte, kann ein derartiger\nHinderungsgrund nur dann als unverschuldet i. S. v. § 60 Abs. 1 VwGO gewertet\nwerden, wenn der Rechtssuchende das ihm Mogliche und Zumutbare getan hat, um\nselbst rechtzeitig einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu finden (vgl.\nBVerwG, Beschlusse vom 23.3.1987 - 3 B 72.86 -, Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 2,\nund vom 28.7.1999 - 9 B 333.99 -, DVBl 1999, 1662). Auch dies darzulegen und\nnachzuweisen obliegt den Klagern, was sie aber - wie ausgefuhrt - nicht getan\nhaben. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.Die Kosten\ndes Beschwerdeverfahrens werden nicht Teil der Kosten, die bei dem Gericht\nerwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG\ngilt im Fall der Verweisung nur fur die Kosten im "Verfahren vor dem\nangegangenen Gericht" (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.10.1993 - 1 DB 34/92 -\nNVwZ 1995, 84; a. A. Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl. § 42 Rn. 45). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs.\n1, 52 Abs. 2 GKG und bemisst sich nach einem Bruchteil des Streitwerts im\nHauptsacheverfahren, hier ein Funftel (vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.1996 -\nIII ZB105/96 -, NJW 1998, 909). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
105,665
lsgsh-2007-11-23-l-10-as-505
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 10 AS 5/05
2007-11-23
2018-11-24 13:30:17
2019-02-26 18:37:32
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2007:1123.L10AS5.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 18.\nOktober 2005 wird zurückgewiesen.\n\n \n\nAußergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu\nerstatten.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nStreitig ist, ob der Freibetrag auf Nebeneinkommen aus dem Monat Dezember\n2004, das bereits auf den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi)\nangerechnet wurde, auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB\nII) für den Monat Januar 2005 anzurechnen ist.\n\n2\n\n \n\nDer ... 1959 geborene ledige Kläger bezog im Dezember 2004 Alhi von der\nBundesagentur für Arbeit (BA). Für denselben Monat erzielte er Nebeneinkommen\nin Höhe von 386,02 EUR, das im Januar 2005 ausgezahlt wurde. Hiervon rechnete\ndie BA nach Abzug eines Freibetrages in Höhe von 165,00 EUR sowie eines\nBetrages von 18,90 EUR für Steuern, Sozialversicherung und Werbungskosten\nnachträglich 202,12 EUR auf die Alhi an (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid\nder BA vom 15. März 2005).\n\n3\n\n \n\nMit Bescheid vom 12. November 2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger\nLeistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom\n1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 475,57 EUR. Der Betrag setzte\nsich zusammen aus dem Regelsatz (345,00 EUR) sowie Unterkunftskosten von\n359,03 EUR, Gesamtbedarfssumme somit 704,04 EUR, abzüglich Erwerbseinkommens\nin Höhe von monatlich 228,46 EUR. Die Unterkunftskosten wurden später auf\n383,87 EUR erhöht, so dass sich eine Gesamtbedarfssumme von 728,47 EUR\nerrechnete. Mit Bescheid vom 8. März 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit,\ndass von dem im Januar 2005 zugeflossenen Nebeneinkommen für Dezember 2004\nbeim Arbeitslosengeld (Alg) II nur der Pauschalbetrag von 165,00 EUR, der bei\nder Alhi als Freibetrag gegolten habe, anzurechnen sei, weil das\nErwerbseinkommen aus Dezember 2004 bereits bei der Alhi angerechnet worden\nsei. Für Januar 2005 ergebe sich insoweit eine Nachzahlung von 113,71 EUR.\nHiergegen legte der Kläger am 14. März 2005 Widerspruch ein und machte\ngeltend, dass von den 165,00 EUR - wenn die Anrechnung dieses Betrages zu\nRecht erfolgt sei - zumindest Werbungskosten in Höhe von 15,33 EUR abgesetzt\nwerden müssten. Im Übrigen sei die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung\nnicht nachvollziehbar. Mit Änderungsbescheid vom 20. April 2005, der\nGegenstand des Widerspruchsverfahrens wurde, setzte der Beklagte - soweit hier\nvon Interesse - die Leistungen für Januar 2005 auf 635,47 EUR fest und führte\naus, dass von dem im Januar 2005 zugeflossenen Erwerbseinkommen (165,00 EUR)\ndie Werbungskostenpauschale (15,33 EUR), eine Fahrkostenpauschale (10,26 EUR),\neine Versicherungspauschale (30,00 EUR) sowie der Freibetrag nach § 30 SGB II\nin Höhe von 16,41 EUR abgesetzt worden sei. Das anzurechnende monatliche\nGesamteinkommen für Januar 2005 betrage 93,00 EUR. Hieraus errechnete der\nBeklagte - ausgehend von dem Gesamtbedarf von 728,47 EUR - den\nAuszahlungsbetrag von 635,47 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2005\nwies der Beklagte den auch nach Erlass des Änderungsbescheides aufrecht\nerhaltenen Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe der\nvorausgegangenen Bescheide als unbegründet zurück.\n\n4\n\n \n\nDer Kläger hat am 8. Juni 2005 bei dem Sozialgericht (SG) Schleswig Klage\nerhoben und zur Begründung ausgeführt: Dadurch, dass die BA für Dezember 2004\nsein Nebeneinkommen mit Ausnahme des Freibetrages von 165,00 EUR auf die Alhi\nangerechnet habe und nunmehr beim Alg II auch der Freibetrag angerechnet\nwerde, erfolge faktisch eine doppelte Verwertung dieses Nebeneinkommens. Dies\nsei rechtswidrig, weil ihm ein angemessener Teil des Nebeneinkommens als\n„Reinerlös“ verbleiben müsse. Der Freibetrag habe den Sinn, einen finanziellen\nAnreiz zur Beibehaltung bzw. Aufnahme auch einer nicht bedarfsdeckenden\nErwerbstätigkeit zu schaffen. Derjenige, der arbeite, solle auch am Monatsende\nmehr haben als der, der trotz Erwerbsfähigkeit untätig bleibe (BT-Drucks.\n15/1516 S. 59). In Bezug auf Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch\n(SGB III) habe die Gesetzesstruktur eine Doppelanrechnung von Erwerbseinkommen\nverhindert (§§ 141 und 194 SGB III a.F.). Insoweit müsse er Bestands- und\nVertrauensschutz geltend machen. Dass der Gesetzgeber bei der Einführung des\nAlg II eine entsprechende Übergangsregelung versäumt habe, könne ihm nicht\nangelastet werden.\n\n5\n\n \n\nDer Kläger hat beantragt,\n\n6\n\n \n\ndie Beklagte zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 8. März 2005\nsowie des Änderungsbescheides vom 20. April 2005 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhalts für den Monat Januar 2005 ohne Anrechnung des Freibetrages\naus Dezember 2004 in Höhe von 165,00 EUR als Einkommen zu gewähren.\n\n7\n\n \n\nDer Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide\nbeantragt,\n\n8\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n9\n\n \n\nNach mündlicher Verhandlung am 18. Oktober 2005 hat das SG die Klage mit\nUrteil vom selben Tage unter Zulassung der Berufung abgewiesen und zur\nBegründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber nicht\nbegründet. Die angefochtenen Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides\nseien rechtmäßig. Der Beklagte habe zu Recht den Freibetrag des Klägers aus\ndem Nebeneinkommen im Dezember 2004 in Höhe von 165,00 EUR (93,00 EUR nach\nAbzug der abzusetzenden Beträge) als Einkommen bei der Bewilligung von\nLeistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angerechnet. Dies entspreche §§\n9, 11 und 13 SGB II i.V.m. den Bestimmungen der nach § 13 SGB II erlassenen\nVerordnung. Die Kammer halte die genannten Vorschriften für\nverfassungskonform. Eine Doppelanrechnung liege nicht vor, weil der Freibetrag\nvon 165,00 EUR auf die Alhi gerade nicht angerechnet worden sei. Dass dieser\nFreibetrag nunmehr im Rahmen der Leistungsberechnung nach dem SGB II\nBerücksichtigung finde, sei nicht zu beanstanden. Dem Gesetzgeber stehe es\nfrei, neue Gesetze mit neuen Regelungssystemen zu schaffen. Vor dem\nHintergrund, dass es sich beim Alg II um eine steuerfinanzierte, subsidiäre\nSozialleistung handele, könne er auch die hilferechtlichen\nLeistungsvoraussetzungen festlegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der\nGesetzgeber zur Abwendung besonderer Härten bei der Zusammenlegung von Sozial-\nund Arbeitslosenhilfe durchaus Übergangsregelungen getroffen habe. Auch sei im\nGesetzgebungsverfahren intensiv diskutiert worden, ob allgemein die Ende\nDezember 2004 gezahlte Alhi im Januar 2005 als Einkommen auf das Alg II\nangerechnet werden solle. Ein entsprechender Regelungsentwurf sei letztlich\nfallen gelassen worden. Vor diesem Hintergrund bestünden an der\nVerfassungsmäßigkeit der hier maßgeblichen Regelungen keine Bedenken. In den\nnach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts garantierten\nMindesterhalt des wirtschaftlichen Erfolges werde nicht eingegriffen.\n\n10\n\n \n\nGegen diese seinem Prozessbevollmächtigten am 27. Oktober 2005 zugestellte\nEntscheidung richtet sich die am 7. November 2005 bei dem Schleswig-\nHolsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers.\n\n11\n\n \n\nZur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen\nund nimmt Bezug auf eine Entscheidung des SG Magdeburg vom 7. Juni 2005, S 27\nAS 36/05, veröffentlicht in juris, und führt aus, dass das SG Magdeburg einen\nähnlich gelagerten Fall zugunsten des Leistungsempfängers entschieden habe.\n\n12\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n13\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Oktober 2005 aufzuheben, den\nBescheid vom 8. März 2005 sowie den Änderungsbescheid vom 20. April 2005 in\nder Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 zu ändern und den\nBeklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts\nfür den Monat Januar 2005 ohne Anrechnung des Freibetrages aus Dezember 2004\nin Höhe von 165,00 EUR als Einkommen zu gewähren.\n\n14\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n15\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n16\n\n \n\nEr stützt das angefochtene Urteil.\n\n17\n\n \n\nDem Senat haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten\nund die Gerichtsakten vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-\nund Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug\ngenommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n18\n\n \n\nDie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist trotz Nichterreichung des\nBeschwerdewertes (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wegen\nder vom SG ausgesprochenen Zulassung statthaft und auch sonst zulässig.\n\n19\n\n \n\nIn der Sache hat die Berufung allerdings keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht\nund aus zutreffenden Gründen entschieden, dass die angefochtenen Bescheide\nrechtmäßig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung\ndes Lebensunterhalts für den Monat Januar 2005 ohne Anrechnung des\nFreibetrages aus Dezember 2004 in Höhe von 165,00 EUR als Einkommen. Der Senat\nfolgt nach eigenständiger Überprüfung im Berufungsverfahren vollinhaltlich der\nvom SG zur Begründung seiner Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung, stellt\ndies hiermit ausdrücklich fest und weist die Berufung in Anwendung von § 153\nAbs. 2 SGG aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als\nunbegründet zurück. Ergänzend macht der Senat sich zur Vermeidung von\nWiederholungen die nicht zu beanstandenden Gründe des Widerspruchsbescheides\nvom 12. Mai 2005 zu Eigen (vgl. § 136 Abs. 3 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG).\nEntscheidend ist zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger im Dezember 2004\neinerseits und im Januar 2005 andererseits zwei ihrer Art nach\nunterschiedliche Sozialleistungen bezogen hat, die im Hinblick auf die\nAnrechnung von (Neben-)Einkommen jeweils eigenen Regeln folgen. Im Übrigen ist\ndarauf hinzuweisen, dass der Freibetrag von 165,00 EUR auf die Alhi gerade\nnicht angerechnet worden ist, so dass eine unzulässige Doppelanrechnung\ninsoweit nicht vorliegt. Aufgrund des dem Gesetzgeber eingeräumten weiten\nGestaltungsspielraums begegnet es - auch unter verfassungsrechtlichen\nGesichtspunkten - keinen Bedenken, dass die für die Anrechnung von\nNebeneinkommen auf die Alhi geltenden Bestimmungen nicht inhaltsgleich in die\nfür das Alg II geltenden Vorschriften übernommen worden sind. Ebenso wenig ist\nes zu beanstanden, dass für die Alhi auf den Zeitpunkt der Erarbeitung des\nNebenseinkommens abgestellt wurde (vgl. § 141 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 198 Satz\n2 Nr. 6 SGB III a.F.), während für das Alg II der Zeitpunkt des Zuflusses\nentscheidend ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von\nEinkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Alg\nII/Sozialgeld).\n\n20\n\n \n\nSoweit der Beklagte von den 165,00 EUR den im Tatbestand beschriebenen Abzug\nder Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II einschließlich des Betrages nach §\n30 SGB II vorgenommen hat, ist dies nach Grund und Höhe rechtmäßig. Fehler\nsind insoweit nach Erlass des Änderungsbescheides vom 20. April 2005 und des\nWiderspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 auch von dem Kläger nicht mehr geltend\ngemacht worden. Dass die im Ausgangsbescheid vom 8. März 2005 beschriebene\nNachzahlung rechnerisch nicht nachvollziehbar war, bedarf nach den Korrekturen\nim Widerspruchsverfahren keiner Vertiefung.\n\n21\n\n \n\nDie in der Berufungsbegründung erwähnte Entscheidung des SG Magdeburg\nveranlasst den Senat zu keiner anderen Beurteilung, zumal diese Entscheidung\nzu der maßgeblichen Frage, ob Nebenverdienst in Höhe des für Dezember 2004 bei\nder Alhi-Gewährung berücksichtigte Freibetrags als Einkommen auf die Gewährung\nvon Leistungen nach dem SGB II im Januar 2005 anzurechnen ist, nach Auffassung\ndes Senats keine überzeugende Begründung enthält.\n\n22\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.\n\n23\n\n \n\nDer Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG\nzuzulassen.\n\n \n\n
128,387
olgsl-2005-06-20-4-u-10505-94
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 U 105/05 - 94
2005-06-20
2019-01-07 09:32:06
2019-02-12 12:10:48
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen hat das Urteil des Landgerichts Saarbrucken\nvom 2.2.2005 - 12 O 83/04 - wird als unzulassig verworfen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nIm vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Klager das beklagte Autohaus aus einem\nNeuwagenkauf auf Gewahrleistung in Anspruch.\n\nDer Klager erwarb im Jahr 2003 bei der Beklagten einen neuen Audi A4 zum Preis\nvon 43.028,38 EUR. Nach der Übergabe des Fahrzeugs bemangelte der Klager im\nAugust 2003 Vibrationen und Flattergerausche des Motors. Nachdem der Klager\nder Beklagten insgesamt sechsmal Gelegenheit geboten hatte, die Mangel zu\nbeseitigen, erklarte der Klager mit Schreiben vom 29.1.2004 den Rucktritt vom\nKaufvertrag und forderte die Beklagte zur Ruckzahlung des Kaufpreises Zug um\nZug gegen Ruckgewahr des Pkws auf. Bis zum Schluss der erstinstanzlichen\nVerhandlung legte der Klager mit dem PKW eine Fahrstrecke von 68.000\nKilometern zuruck.\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n> > 1\\. die Beklagte zu verurteilen, an den Klager 43.028,38 EUR nebst Zinsen\n> Zug um Zug gegen Übergabe des Pkws zu zahlen.\n\n> > 2\\. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Fahrzeugs in\n> Verzug befinde.\n\nIm angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage hinsichtlich des\nFeststellungsantrags und hinsichtlich des Zahlungsantrags in Hohe eines\nBetrages von 23.424,65 EUR stattgegeben. Es hat hierzu ausgefuhrt: Nach\nDurchfuhrung der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass\nam Fahrzeug Vibrationen und Gerausche aufgetreten seien, die nicht dem Stand\nder Technik entsprachen. Das Fahrzeug sei daher aus technischer Sicht als\nmangelhaft zu betrachten. Dem Klager stehe mithin ein Anspruch auf\nRuckerstattung des Kaufpreises zu, der jedoch um einen Betrag von 19.603,73\nEUR zu kurzen sei, nachdem die Beklagte die Aufrechnung mit Anspruchen auf\nErstattung von Gebrauchsvorteilen erklart habe.\n\nMit der hiergegen gerichteten Berufung begehrt der Klager die Minderung des\nKaufpreises. Der Klager behauptet, das Fahrzeug hatte ohne die Mangel einen\ndem Kaufpreis entsprechenden Wert besessen. In Anbetracht der im\nSachverstandigengutachten festgestellten Mangel, insbesondere der\nGerauschbildung, Vibrationen und Flattergerausche, liege der Wert des\nFahrzeugs demgegenuber mindestens 10.000 EUR unter dem tatsachlichen\nKaufpreis.\n\nDer Klager beantragt,\n\n> > unter Abanderung des Urteils des Landgerichts Saarbrucken vom 2.2.2005 -\n> 12 O 83/04 - die Beklagte zu verurteilen, an den Klager 10.000 EUR zuzuglich\n> 5 % Zinsen uber den Basiszinssatz seit dem 20.3.2003 zu zahlen.\n\nDem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte widerspricht der\nKlageanderung und bestreitet, dass der Wert des Fahrzeugs in Anbetracht der\nMangel um 10.000 EUR gemindert sei. Insoweit sei es bedeutsam, dass ein\nnormaler Benutzer die streitigen Mangel gar nicht erst bemerke.\n\nII.\n\nA. Die Berufung ist nicht zulassig.\n\n1\\. Fur die Zulassigkeit der Berufung genugt es gem. § 511 ZPO noch nicht,\ndass die angefochtene Entscheidung eine Beschwer enthalt. Erforderlich ist\ndaruber hinaus, dass der Rechtsmittelfuhrer mit dem Rechtsmittel die\nBeseitigung dieser Beschwer erstrebt (BGHZ 85, 140, 141; Zoller/Gummer/Herget,\nZPO, 25. Aufl., vor § 511 Rdnr. 10). Demnach darf die Berufung nicht\nausschließlich das Ziel verfolgen, einen in der ersten Instanz noch nicht\ngeltend gemachten Anspruch zur Entscheidung zu stellen. Vielmehr muss der\nRechtsmittelfuhrer das erstinstanzliche Begehren zumindest teil- bzw.\nhilfsweise weiterverfolgen. Diese Grundsatze beanspruchen selbst dann Geltung,\nwenn es prozessokonomisch erschiene, die Rechtsbeziehungen der Parteien im\nRahmen des laufenden Rechtsstreits einer endgultigen Klarung zuzufuhren (st.\nRspr. BGHZ 155, 21, 26; Beschl. v. 11.10.2000 - VIII ZR 321/99, ZIP 2000, 2222\nf. m. w. Nachw.; Beschl. v. 21. September 1994 - VIII ZB 22/94, NJW 1994,\n3358, 3359; Beschl. v. 17.9.1992 - IX ZB 45/92, ZIP 1993, 64; Urt. v.\n13.6.1996 - III ZR 40/96, NJW-RR 1996, 1276; Zoller/Gummer/Herget, aaO., vor §\n511 Rdnr. 10a; MunchKomm(ZPO)/Rimmelspacher, 2. Aufl., vor § 511 Rdnr. 38;\nBaumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., Grundz. Vor § 511 Rdnr.\n24; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., vor § 511 Rdnr. 21; Musielak/Ball,\nZPO, 4. Aufl., vor § 511 Rdnr. 26; a.A. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl.,\nEinleitung vor § 511 Rdnr. 72; Altmeppen ZIP 1992, 449).\n\n2\\. Diesen Anforderungen wird die Berufung des Klagers nicht gerecht: Wahrend\nder Klager im erstinstanzlichen Verfahren den Rucktritt vom Kaufvertrag\nerstrebt hat und seinen Klageantrag auf Ruckzahlung des Kaufpreises gerichtet\nhat, verfolgt der Klager im Berufungsverfahren nunmehr allein den\nMinderungsanspruch des § 434 Ziff. 2 2. Alternative BGB weiter. Hierbei\nhandelt es sich um einen selbststandigen Streitgegenstand, da sich der im\nBerufungsverfahren geltend gemachte Anspruch sowohl in der Antragstellung als\nauch in der Darstellung des zur Ausfullung der anspruchsbegrundenden Norm\nmaßgeblichen Tatsachenvortrags - dem sog. Lebenssachverhalt - vom\nerstinstanzlichen Streitgegenstand unterscheidet (zum Streitgegenstand: vgl.\nnur Zoller/Vollkommer, aaO., Einleitung Rdnr. 60 ff.).\n\nAuch verfolgt der Berufungsklager den erstinstanzlichen Antrag nicht zumindest\nhilfsweise weiter: Zwar finden sich in der Berufungsbegrundung Ausfuhrungen\ndazu, dass das Landgericht bei der Bemessung der anrechenbaren\nGebrauchsvorteile von falschen tatsachlichen Voraussetzungen ausgegangen sei.\nJedoch tragen diese Ausfuhrungen den mit der Berufung verfolgten\nMinderungsanspruch nicht, da der Berufungsklager sein Klagebegehren\nausschließlich auf den neuen Sachvortrag stutzt, dass der Wert des gekauften\nFahrzeugs in Anbetracht der Mangel um 10.000 EUR zu mindern sei.\n\nNach alledem war die Berufung gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulassig zu\nverwerfen.\n\nB. Die Kostenfolge beruht auf § 97 ZPO.\n\n
135,599
olgstut-2007-03-14-16-uf-1307
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 UF 13/07
2007-03-14
2019-01-07 11:12:49
2019-02-12 12:18:21
Beschluss
## Tenor\n\n**1.** Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht -\nRavensburg vom 29. Dezember 2006 - 7 F 355/06 - wird\n\n**zur uckgewiesen.**\n\n**2.** Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die\naußergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu tragen.\n\n**Gegenstandswerte:**\n\na) Sorgerecht: 3.000,- EUR\n\nb) Umgangssache: 3.000,- EUR\n\nc) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung: 500,- EUR.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien, getrenntlebende Eheleute, streiten um das\nAufenthaltsbestimmungsrecht fur ihre ehelichen Kinder Ti..., geboren am ...\nSeptember 2001, und To..., geboren am ... September 2003. Mit Beschluss vom\n29. Dezember 2006 wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter\nubertragen und (von Amts wegen) zugunsten des Vaters ein zweiwochentlich\nstattfindender Umgang angeordnet. Bereits durch einstweilige Anordnung vom 24.\nMai 2006 war der Umgang mit den Kindern dahin geregelt worden, dass sich diese\nabwechselnd bei der Mutter und dem Vater aufhalten. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach der Trennung hatten die Eltern ein so genanntes Wechselmodell\ngehandhabt. Nach Auszug der Mutter aus dem als Ehewohnung dienenden, im\nAlleineigentum des Vaters stehenden, Haus hielten sich die Kinder an drei bis\nvier Tagen abwechselnd bei Vater und Mutter auf. Wahrend die Mutter nicht\nberufstatig ist, ist der Vater als Inhaber mehrerer Fitness-Studios\nselbstandig erwerbstatig. Zur Vorgeschichte ist weiter festzustellen, dass die\nMutter aus fruherer Beziehung drei Kinder (21, 19 und 17 Jahre) und der Vater\nzwei Sohne (32 und 17 Jahre) hat. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei dem Familiengericht beantragte der Vater die Zuteilung des\nAufenthaltsbestimmungsrechts. Er begrundete das damit, die Mutter sei\ninzwischen mit dem Wechselmodell nicht mehr einverstanden, was vermutlich\nunterhaltsrechtlich motiviert sei. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Mutter bestritt letzteres und beantragte ihrerseits die Übertragung des\nAufenthaltsbestimmungsrechts fur die Kinder, im wesentlichen mit der\nBegrundung, bis zur Trennung sei sie die Hauptbezugsperson der Kinder gewesen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Familiengericht hat die Kinder angehort, ihnen eine Verfahrenspflegerin\nbestellt und schließlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht fur Ti... und To...\nauf die Mutter ubertragen, ferner zugunsten des Vaters die bereits erwahnte\nUmgangsregelung getroffen. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt, das Wechselmodell\nhabe zwischen den Eltern zu immer großeren Streitigkeiten gefuhrt. Beide\nEltern seien ohne Einschrankung erziehungsgeeignet. Die Mutter sei nicht\nberufstatig und konne sich deshalb umfanglich den Kindern und ihrer Betreuung\nwidmen. Anders sei das beim Vater. Nach dessen Schilderung sei sein\nUnternehmen notleidend. Er werde deshalb seine ganze Kraft benotigen, um\ndessen wirtschaftliche Entwicklung zu fordern, was zugleich Existenzgrundlage\nfur die Familie und ihren Unterhalt sei. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dagegen richtet sich die Beschwerde des Vaters. Er tragt vor, die Kinder\nhatten sich bislang, im Zuge des Wechselmodells, mit einer zeitlichen Quote\nvon 60 : 40, jedenfalls von weit mehr als 50 %, bei ihm aufgehalten. Zudem\nkonne er von zuhause aus arbeiten. Das Familiengericht habe im ubrigen das\n„Cochemer Modell" angeordnet. So die Mutter ihrerseits Streitigkeiten\nausgelost habe, durfe sich das fur die zu treffende Sorgerechtsregelung nicht\nzu Lasten des Vaters auswirken. Nach wie vor erscheine ihr Verhalten allein\naus Unterhaltsgesichtspunkten heraus verstandlich. Dass sie weitergehend als\nder Vater fur Belange der Kindesbetreuung zur Verfugung stehe, werde\nbestritten. \n--- \n| 7 \n--- \n| Sie sei insbesondere sportlich aktiv, was ihr einen erheblichen zeitlichen\nAufwand abverlange. Habe sie sich zusammen mit den Kindern eigenmachtig aus\nder vormaligen Ehewohnung entfernt und verweigere sie haufig, so auch jungst,\nden Umgang von Vater und Kindern, so belege das ihre mangelnde\nBindungstoleranz. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der antragstellende Vater beantragt: \n--- \n| 9 \n--- \n| _den Beschluss des Familiengerichts aufzuheben, dessen Vollziehung\nauszusetzen,_ ferner, _im Wege der einstweiligen Anordnung folgende vorl\naufige Regelung zu treffen: \n\\- Die Kinder der Parteien, Ti..., geb. 0. September 2001, und To..., geb. 0.\nSeptember 2003, verbringen die Wochen im Zeitraum von Freitag 12 Uhr bis\nFreitag 12 Uhr der kommenden Woche abwechslungsweise zunachst beim Vater und\nin der zweiten Woche bei der Mutter. \n\\- Das Aufenthaltsbestimmungsrecht fur die beiden vorbezeichnet genannten\nKinder wird vorlaufig auf den Antragsteller ubertragen._ \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Mutter beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| _das Rechtsmittel sowie die weiter gestellten Antr age zuruckzuweisen._ \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie bestreitet den Vortrag des Vaters. Das Wechselmodell beeintrachtige das\nKindeswohl. \n--- \n| 13 \n--- \n| Fruher habe die Mutter die hauptsachliche Erziehungsarbeit geleistet,\nwahrend sich der Vater um sein Unternehmen gekummert habe. Sie sei deshalb als\nHauptbezugsperson der Kinder anzusehen. Die Erziehungsstile wurden sich\nunterscheiden. Sie meine, man musse den Kindern auch Freiheiten lassen; der\nVater sei strenger. Im September werde der altere Sohn, Ti..., eingeschult.\nZur Betreuung, auch der Erledigung von Schulaufgaben, sei sie eher in der Lage\nals der erwerbstatige Vater. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die den Kindern bestellte Verfahrenspflegerin hat mit Schreiben vom 19.\nFebruar 2007 in der Sache erganzend Stellung genommen. Dort berichtet sie von\neinem Hausbesuch bei der Mutter, wahrend dessen auch die Kinder Ti... und\nTo... zugegen gewesen seien. Seit ihrem letzten Bericht sei eine Entwicklung\ndahin eingetreten, dass die Eltern auf ihren jeweils eingenommenen Positionen\nbeharrten und zudem ihre finanzielle Auseinandersetzung eskaliert sei. Deshalb\nsei die fur die Kinder am wenigsten schadliche Losung, das\nAufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter zu ubertragen. Das Wechselmodell\nhingegen konne nur fortbestehen, falls die Eltern nicht miteinander streiten\nund in der Lage seien, Vereinbarungen bezuglich der Kinder zu treffen. Eine\nErweiterung des Umgangs mit dem Vater sei fur die Kinder nur dann von Vorteil,\nwenn beide Elternteile dieser Regelung auch zustimmen konnten. \n--- \n**II.** \n--- \n| 15 \n--- \n| Die befristete Beschwerde ist zulassig und statthaft, § 621 e ZPO. Sie\nbleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. \n--- \n| 16 \n--- \n| Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur\nvorubergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das\nFamiliengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge\nallein ubertragt (§ 1671 Abs. 1 BGB). \n--- \n| 17 \n--- \n| Inhalt der Entscheidung kann nach dem Gesetzeswortlaut nur die Übertragung\nder elterlichen Sorge oder eines Teils davon auf den Antragsteller allein sein\n(vgl. _Schwab_ , FamRZ 1998, 457). Die gerichtliche Anordnung eines\nWechselmodells kommt deshalb nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. \n--- \n| 18 \n--- \n| Konnen sich getrenntlebende Eltern uber das Sorgerecht oder Teile hiervon\nnicht einigen, so ist diejenige Regelung zu treffen, die dem Kindeswohl am\nbesten dient (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Nach der Überzeugung des Senats dient\nes dem Kindeswohl am besten, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die\nMutter ubertragen wird. \n--- \n| 19 \n--- \n| Beide Eltern werden durchgangig als erziehungsbefahigt und sehr liebevoll\nbeschrieben. Jugendamt und Verfahrenspflegerin sprachen sich zunachst gegen\neine formliche Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts aus, damit sich nicht\nein Elternteil „als Verlierer" fuhle. \n--- \n| 20 \n--- \n| Ungeachtet dessen konnte sich die Verfahrenspflegerin bereits seinerzeit\nmehrere Optionen vorstellen, die auch den Lebensmittelpunkt beim einen oder\nanderen Elternteil vorsehen. Aufgrund der zwischenzeitlich auf der Elternebene\nentstandenen Streitigkeiten spricht sie sich allerdings nunmehr dafur aus, das\nAufenthaltsbestimmungsrecht fur Ti... und To... auf die Mutter zu ubertragen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Das Wechselmodell kann bislang reibungslos durchgefuhrt sein worden.\nInsbesondere bei den noch jungen Kindern kommt eine solche Handhabung in\nBetracht. Dass sich die Kinder zunachst selbst hierfur ausgesprochen haben,\nist aufgrund ihres gewiss vorhandenen Harmoniebedurfnisses verstandlich. Es\nlassen sich folgende Vorteile eines Wechselmodells ausmachen: \n--- \n| 22 \n--- \n| \\- Aufrechterhaltung enger Eltern-Kind-Beziehung zwischen den Kindern und\nbeiden Elternteilen, das Kind erlebt den Alltag mit beiden Eltern. \n--- \n| 23 \n--- \n| \\- Beide Elternteile bleiben in der Verantwortung fur ihre Kinder. \n--- \n| 24 \n--- \n| \\- Beide Eltern werden durch das Wechselmodell von der Mehrfachbelastung,\ndie bei einem allein erziehenden Elternteil besteht, teilweise entlastet. \n--- \n| 25 \n--- \n| Gegen das Wechselmodell spricht dagegen vor allen Dingen das Risiko, dass\nder dauernde Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen zu einer dauernden\nEinbeziehung des Kindes in den elterlichen Konflikt fuhrt (OLG Dresden, FamRZ\n2005, 125). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Bereitschaft aller Beteiligten (Eltern und Kinder), ein Wechselmodell zu\npraktizieren, und die Bereitschaft der Eltern, miteinander zu kooperieren und\nzu kommunizieren, muss bis zur Einrichtung dieses Modus ausreichend entwickelt\nsein (16. Deutscher Familiengerichtstag - Empfehlungen des Vorstandes, FamRZ\n2005, 1962). Hieran fehlt es den Parteien inzwischen. Denn im Laufe des\nVerfahrens traten gegenseitige Vorwurfe und Vorbehalte zutage. Der Vater\nselbst bekundet Auseinandersetzungen und Beschimpfungen. Die Frage nach deren\nAusloser oder Urheber ist nicht zu Lasten der Kinder zu beantworten. Zwingt\nman die Eltern zu einer Einigung und verordnet ihnen Kooperation (zum Cochemer\nModell s. _F uchsle-Voigt_, FPR 2004, 600 ff.), so muss das nicht stets im\nInteresse des Kindeswohls liegen (vgl. _Fichtner/Salzgeber_ , FPR 2006, 278,\n283). \n--- \n| 27 \n--- \n| Ist die Kindesmutter inzwischen mit dem Wechselmodell nicht mehr\neinverstanden, so konnte die durch sie selbst vorgelegte eidesstattliche\nVersicherung die durch den Vater angenommene Unterhaltsrelevanz nahe legen.\nDort ist mehrfach von finanziellen Belangen die Rede. Das Wechselmodell bringt\nallerdings mit sich, dass der fur die Kinder vorauszusetzende\nLebensmittelpunkt fehlt. Das so genannte Eingliederungs- bzw. Domizil- oder\nResidenzmodell fuhrt dem gegenuber zu einer Strukturierung und Regulierung der\nBeziehungen zwischen Kindern und Eltern. So hat auch der Gesetzgeber implizit\nder Eingliederung des Kindes in einen elterlichen Haushalt den Vorzug vor dem\nWechselmodell gegeben, indem er in § 1687 BGB das Entscheidungsrecht bei\ngemeinsamer elterlicher Sorge getrennt lebender Eltern geregelt und dabei\nzwischen Angelegenheiten, deren Regelung fur das Kind von erheblicher\nBedeutung ist, und Angelegenheiten des taglichen Lebens unterschieden hat\n(vgl. OLG Brandenburg, NJOZ 2003, 3041, 3043 m.w.N. = FamRZ 2003, 1949 - LS\n-). \n--- \n| 28 \n--- \n| Als Kompromisslosung ist das Wechselmodell nicht zu verstehen und nicht\ngeeignet (vgl. _Fichtner/Salzgeber_ , FPR 2006, 278, 284; _Eschweiler_ , FPR\n2006, 305, 307). Anders als in einem durch das Kammergericht Berlin\nentschiedenen Fall wird es vorliegend auch nicht einvernehmlich praktiziert\n(vgl. dazu KG, FamRZ 2006, 798). Im Regelfall reduziert das\nEingliederungsmodell das Konfliktniveau und ermoglicht klare Losungen\n(_Schwab/Motzer_ , Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Auflage, Kapitel III, Rz.\n48). \n--- \n| 29 \n--- \n| Im Ergebnis ist deshalb das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter oder dem\nVater zuzuteilen. Ungeachtet der offenbar großzugigeren Wohnverhaltnisse beim\nVater steht die Mutter eher fur die Betreuung der Kinder zur Verfugung als\njener. In ihrer eidesstattlichen Versicherung weist die Mutter zu Recht auf\nkunftig auch schulische Belange hin, die eine weitergehende Forderung der\nKinder voraussetzen. Der Vater ist, bei allen beruflichen Freiheiten, hierzu\nnicht vergleichbar in der Lage wie die Mutter. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Einschulung des Kindes Ti... steht offenbar im September 2007 an. Bis\ndahin konnte das Wechselmodell grundsatzlich noch praktiziert werden. Danach\naber sollte sich der Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil, Mutter oder\nVater, befinden. Zur Vermeidung eines sogenannten „Geschwistersplittings"\nbetrifft das dann nicht allein das Kind Ti... sondern auch den Bruder To.... \n--- \n| 31 \n--- \n| Aus den bereits genannten Grunden gebietet das Wohl der Kinder, dass sie\nihren Lebensmittelpunkt zukunftig bei der Mutter haben. Ihre\nForderungsmoglichkeiten uberwiegen diejenigen auf Seiten des Vaters. \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach der Überzeugung des Senats ist weder sinnvoll noch im Interesse des\nKindeswohls, das Wechselmodell noch bis zur Einschulung Ti...s fur wenige\nMonate fortzufuhren und die Entscheidung uber den Kindesaufenthalt hierdurch\nlediglich aufzuschieben. Durch die nunmehr getroffene Entscheidung wird ein\nfur alle Beteiligten unzutraglicher Schwebezustand mit hieraus resultierenden,\nerneuten Auseinandersetzungen vermieden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Antragsteller hat mit seinem umfassend eingelegten Rechtsmittel zugleich\ndie (amtswegige) Umgangsregelung angefochten. Antrage hierzu hat er in der\nHauptsache nicht gestellt, was aus seinem hauptsachlich verfolgten Anliegen\nheraus nachvollziehbar ist. Eine Antragstellung oder ein konkreter Vorschlag\nerfolgten jedoch auch nicht auf die durch den Senat am 7. Februar 2007\ngegebenen Hinweise, wonach die Bestatigung der familiengerichtlichen\nEntscheidung sowie eine durch die Eltern einvernehmlich zu regelnde\nUmgangserweiterung in Betracht komme. Mit Schriftsatz vom 12. Marz 2007\nerstrebt der Antragsteller eine einstweilige Regelung, die als solche bereits\nbeantragt ist (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung). \n--- \n| 34 \n--- \n| Eine ledigliche Aufhebung der Umgangsregelung und Fortgeltung der\neinstweiligen Anordnung vom 24. Mai 2006 bewirkte wegen abwechselnder\nUmgangszeiten de facto, dass das vormals gehandhabte Wechselmodell weiter\npraktiziert wird. Dem steht die Festlegung eines Lebensmittelpunkts fur die\nKinder entgegen, der sich kunftig bei der Mutter befinden soll. Die Haufigkeit\ndes nach der familiengerichtlichen Entscheidung zweiwochentlich stattfindenden\nUmgangs ist fur sich genommen nicht zu beanstanden. \n--- \n| 35 \n--- \n| Ein Besuchskontakt alle zwei Wochen jeweils am Wochenende hat sich\ninzwischen bei Kindern spatestens ab dem Schulalter zum ublichen Standard\nentwickelt (vgl. _Schwab/Motzer_ , Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Auflage,\nKapitel III, Rz. 250 m.w.N.). Von diesen Grundsatzen kann auch im Falle der\nKinder Ti... und To... ausgegangen werden, wobei eine zu Gunsten des Vaters\nerhohte Umgangsfrequenz vorstellbar erscheint. Der Senat hegt die Erwartung,\ndass die nunmehr zur Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts getroffene\nEntscheidung zugleich die familiare Situation beruhigt und die Eltern fortan\nin die Lage versetzt, gedeihliche, dem Kindeswohl am besten entsprechende\nUmgangsregelungen zu vereinbaren. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die durch den Vater eingelegte Beschwerde blieb nach alledem ohne Erfolg.\nDurch die in der Hauptsache getroffene Entscheidung hat sich entsprechend §\n620 f Abs. 1 Satz 1 ZPO der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung\ngerichtete Antrag erledigt. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 2, 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, 13 a Abs. 1\nSatz 2 FGG. Die Gegenstandswerte waren nach § 30 Abs. 1 und 2 KostO i.V.m. §\n24 Abs. 1 Satz 1 RVG festzusetzen. Anlass fur die Zulassung der\nRechtsbeschwerde (§§ 621 e Abs. 2 Satz 1, 543 Abs. 2 ZPO) bestand nicht. \n---\n\n
138,223
sg-freiburg-2004-04-28-s-5-p-317903
148
Sozialgericht Freiburg
sg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 5 P 3179/03
2004-04-28
2019-01-07 13:59:21
2019-01-17 11:58:24
Urteil
## Tenor\n\nDie Beklagte wird verurteilt, mit dem Klager zur Pflege ihrer Versicherten,\nFrau, einen Einzelvertrag nach § 77 SGB XI ublichen Inhalts abzuschließen und\nhierin unter anderem Inhalt, Umfang und Vergutung der von dem Klager zu\nerbringenden Leistungen zu regeln.\n\nDie Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager betreut als Vertrauensperson mit Vorsorgevollmacht die geborene,\nan fortschreitendem Morbus Parkinson leidende bei der Beklagten versicherte\nX., die aufgrund MDK-Gutachtens vom Mai 2003 inzwischen in Pflegestufe III\neingestuft ist. Als Mitarbeiter der Katholischen Sozialstation X. war der\nKlager bei ihr auch als Pflegekraft eingesetzt. Anfang Juli 2003 bestand er\ndie Abschlussprufung als staatlich anerkannter Altenpfleger (Urkunde vom\n05.07.2003) und schied bei der Sozialstation aus. Am 24.07.2003 stellte er bei\nder Beklagten den streitbefangenen Antrag auf Abschluss eines privaten\nEinzelpflegevertrags nach § 77 SGB XI zur Pflege der Versicherten A.S. Dazu\ntrug er vor, angesichts der Grunderkrankung in einem fortgeschrittenem Stadium\nsei eine Pflege im ublichen Rahmen bei A.S. nicht ausreichend. Um die\nPatientin adaquat unter anderem in den Bereichen der Grund- und\nBehandlungspflege zu versorgen, sei ein enormer Aufwand an Geduld,\nvertrauensbildenden Maßnahmen und Zeit erforderlich; auch sei die erhebliche\nPersonlichkeitsveranderung durch die Grunderkrankung zu berucksichtigen, mit\nder ein Mehraufwand verbunden sei, der in den ublichen Zeitmodulen der\nambulanten Dienste nicht berucksichtigt sei. Seine Absicht sei es lediglich,\ndiese eine Patientin pflegerisch zu versorgen. Nur durch seine bisher schon\nerbrachten privaten zusatzlichen Versorgungsleistungen habe ein weiteres\nVerbleiben der Patientin in ihrer Wohnung erreicht werden konnen, was dem\nunbedingten Wunsch der Patientin entspreche. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Katholische Sozialstation außerte in einem Schreiben vom 15.08.2003\ngewisse Bedenken gegen die Bestellung des Klagers zum Einzelpfleger; die\nBeklagte lehnte einen Einzelvertragsabschluss mit Schreiben vom 25.08.2003 ab,\nweil dieser gesetzlich nur moglich sei, soweit und solange eine Versorgung\nnicht durch einen zugelassenen Pflegedienst gewahrleistet werden konne. Bei\nA.S. sei aber die Katholische Sozialstation durchaus zur Versorgung in der\nLage. \n--- \n| 3 \n--- \n| An dieser Entscheidung hielt die Beklagte auch mit Schreiben vom 24.09.2003\nfest und verwies den Klager auf den Klageweg. \n--- \n| 4 \n--- \n| Er hat am 13.10.2003 Klage auf Abschluss eines Einzelpflegevertrages\nerhoben und unter anderem darauf verwiesen, dass in einem fruheren MDK-\nGutachten vom 22.11.2002 die hausliche Pflege als nicht sichergestellt\nbezeichnet worden sei, weil damals eine Pflegeperson fur A.S. nicht standig\nabrufbar war. In der mundlichen Verhandlung hat er dazu weiter vorgetragen,\ndass dann ab 01.06.2003 die standige Anwesenheit einer Aufsichtsperson\ngewahrleistet gewesen sei, weil er sich durch seinen privaten Einsatz darum\nbemuht habe. Jedenfalls zeige das MDK-Gutachten vom 22.11.2002, dass die\nhausliche Pflege allein durch einen Sozialdienst bei der schwer\nparkinsonkranken Patientin nicht gesichert sei. Er hat eine Darstellung des\nbesonderen individuellen Pflege- und Betreuungsbedarfs bei A.S. vorgelegt,\nferner sein Arbeitszeugnis, das ihm die katholische Sozialstation aus Anlass\nseines von ihm selbst gewunschten Ausscheidens aus der dortigen Tatigkeit\nausgestellt hatte. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte wird verurteilt, mit dem Klager zur Pflege ihrer Versicherten,\nFrau X., wohnhaft X., einen Einzelvertrag nach § 77 SGB XI ublichen Inhalts\nabzuschließen und hierin u.a. Inhalt, Umfang und Vergutung der von dem Klager\nzu erbringenden Leistungen zu regeln. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte hat die dem Klager entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu\nerstatten. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie hat in der mundlichen Verhandlung vortragen lassen, dass sie die\nQualifikation des Klagers als Pflegeperson in keiner Weise bezweifle. Auch sei\nes durchaus so, dass mit der Pflege der Patientin durch den Klager selbst\nmoglicherweise das Optimale fur die Patientin erreicht werden konne. Daraus\nfolge aber kein Anspruch des Klagers auf Abschluss eines\nEinzelversorgungsvertrages; bundesweit gebe es nur in wenigen Fallen derartige\nEinzelvertrage, weil im allgemeinen eine flachendeckende Versorgung der\npflegebedurftigen Patienten durch die anerkannten Sozialdienste gegeben sei. \n--- \n| 11 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der\nBeklagten und die Schriftsatze der Beteiligten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist zulassig; insbesondere ist auch der Rechtsweg zu den\nSozialgerichten hier gegeben (§ 51 Abs.1 Nr.2 SGG). Der Klager hat auch zu\nRecht lediglich einen allgemeinen Leistungsantrag als Klageantrag formuliert,\ndenn im vorliegenden Fall stehen sich der Klager und die beklagte Pflegekasse\nin einem Verhaltnis der Gleichordnung gegenuber, so dass nach Auffassung der\nKammer ein Verwaltungsakt der Beklagten uber die Frage, ob ein\nEinzelversorgungsvertrag abgeschlossen werden solle oder nicht, nicht zu\nergehen hatte und von der Beklagten auch nicht erlassen worden ist. Ein\nAnfechtungsantrag erubrigt sich daher. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet, denn bei der Auslegung des § 77 Abs. 1 S. 1\nSGB XI ergibt sich, dass die entscheidende Frage, ob eine Versorgung der\nPatientin durch einen zugelassenen Pflegedienst gewahrleistet werden kann,\nnicht abstrakt, sondern individuell zu beurteilen ist. Nach der genannten\nVorschrift kann die zustandige Pflegekasse zur Sicherstellung der hauslichen\nPflege und hauswirtschaftlichen Versorgung einen Vertrag mit einzelnen\ngeeigneten Pflegekraften schließen (die Eignung des Klagers wird von der\nBeklagten nicht bestritten und ist fur die Kammer offensichtlich), soweit und\nsolange eine Versorgung nicht durch einen zugelassenen Pflegedienst\ngewahrleistet werden kann. Wurde man bei der Auslegung des entscheidenden\nTatbestandsmerkmals nur darauf abstellen, ob zugelassene Pflegedienste im\nVersorgungsbereich, in dem die zu pflegende Person wohnt, flachendeckend\nvorhanden sind und fur mehrfache Pflegeeinsatze pro Tag zur Verfugung stehen\n(abstrakte Auslegung), so musste man hier zu dem Ergebnis gelangen, dass die\nVersorgung grundsatzlich gewahrleistet ist und der Abschluss eines\nEinzelpflegevertrags nicht in Betracht kommt. Eine derartige Auslegung wurde\njedoch zunachst verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Grundrecht des Klagers\nnach Art. 12 I GG begegnen, denn es wurde sich dann bei § 77 Abs. 1 SGB XI um\neine Vorschrift handeln, die eine Zulassung von ausgebildeten Pflegepersonen\nnur nach Bedarfsgesichtspunkten regeln wurde; dies wurde, wenn nicht gar einen\nEingriff in die Freiheit der Berufswahl, so doch jedenfalls einen solchen in\ndie Freiheit der Berufsausubung ausgebildeter Pflegekrafte, die selbstandig\ntatig sein wollen, darstellen (vergleiche zu dieser Problematik Neumann in NZS\n1995, 397 ff.). Schon dies spricht dafur, die fragliche\nTatbestandsvoraussetzung so auszulegen, dass es auf den individuellen\nVersorgungsbedarf des Pflegepatienten im Einzelfall ankommen muss. Diese\nAuslegung verdient nach Überzeugung der Kammer auch unter Berucksichtigung der\n§§ 2 und 3 SGB XI den Vorzug. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 sollen die Leistungen der\nPflegeversicherung namlich den Pflegebedurftigen helfen, trotz ihres\nHilfebedarfs ein moglichst selbstandiges und selbst bestimmtes Leben zu\nfuhren, das der Wurde des Menschen entspricht. § 3 Abs. 1 S. 1 besagt, dass\ndie Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die hausliche Pflege und\ndie Pflegebereitschaft der Angehorigen und Nachbarn unterstutzen soll, damit\ndie Pflegebedurftigen moglichst lange in ihrer hauslichen Umgebung bleiben\nkonnen. Beide Vorschriften sprechen dafur, das Tatbestandsmerkmal in § 77 Abs.\n1 SGB XI bezogen auf den individuellen Bedarf des Pfleglings zu verstehen. Im\nvorliegenden Fall heißt das, dass berucksichtigt werden muss, dass der\nselbstbestimmte Wunsch der Klagerin, moglichst lange in hauslicher Umgebung\ngepflegt zu werden, sich in Zukunft nicht verwirklichen ließe, wenn kein\nEinzelversorgungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Klager abgeschlossen\nwird. Die Pflegebedurftige ware namlich dann darauf angewiesen, mehrfach am\nTag die Pflegeeinsatze einer Sozialstation in Anspruch zu nehmen, die auf die\nindividuellen Bedurfnisse eines schwer parkinsonkranken Patienten aber nicht\ngenugend Rucksicht nehmen konnen. Dies klingt schon in der MDK-Beurteilung vom\n22.11.2002 an, wo festgestellt wurde, dass die hausliche Pflege trotz der\nPflegeeinsatze der Sozialstation als nicht sichergestellt bezeichnet werden\nmusse. Dies ergibt sich auch aus dem konkreten Krankheitsbild der A.S., dessen\nAuswirkungen auf den Pflegebedarf der Klager in der Anlage zum Schriftsatz vom\n26.04.2004 anschaulich geschildert hat. Es reicht bei einem schwer\nparkinsonkranken Patienten eben nicht aus, dass mehrfach am Tag Pflegemodule\ndurch eine Sozialstation eingesetzt werden, wenn in den Zwischenzeiten der\nPatient ohne Betreuung bleiben wurde. Unter anderem kommt es dann zu einer\nFulle von begrundeten und unbegrundeten Ängsten, die latent in das\nAlltagsgeschehen eingeflochten sind und die nur durch eine andauernde\nBeziehungspflege und einen großen Aufwand an Zeit, Geduld und\nEinfuhlungsvermogen relativiert werden konnen. Das Erscheinen einer\nPflegeperson des Sozialdienstes, auch wenn dies 3 oder 4 Mal am Tag geschieht,\nreicht nicht aus, um dem Parkinsonpatienten hier genugende seelische\nUnterstutzung zukommen zu lassen. Nur durch den personlichen Einsatz des\nKlagers wurde insoweit ein großeres Netz von nachbarschaftlichen Hilfen\ngeschaffen, und nur durch seinen weiteren Einsatz wird dieses auch aufrecht\nerhalten. Ohne seinen personlichen Pflegeeinsatz wurde die Klagerin, davon ist\ndie Kammer uberzeugt, uber kurz oder lang in stationare Pflege uberwiesen\nwerden mussen. Hier schafft § 77 Abs. 1 SGB XI in der auf den individuellen\nBedarf abstellenden Auslegung, welche die Kammer der Vorschrift gibt,\nsinnvolle Abhilfe. Angesichts der Umstande des Einzelfalles, insbesondere auch\nder guten Qualifikation des Klagers fur die Tatigkeit als Einzelpflegeperson,\nsieht die Kammer hier auch - bei der Beklagten grundsatzlich eingeraumtem\nErmessen - eine Ermessensreduzierung auf Null, was bedeutet, dass keine\nGesichtspunkte erkennbar sind, die zu einer anderen Ermessensentscheidung der\nBeklagten fuhren konnen, als dem Abschluss des vom Klager begehrten\nEinzelpflegevertrages . Deshalb konnte die Beklagte hier durchverurteilt\nwerden und war kein bloßes Bescheidungsurteil zu erlassen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach alledem war der Klage in vollem Umfang statt zu geben. \n--- \n| 15 \n--- \n| Da weder Antragsteller noch Antragsgegnerin zu den kostenrechtlich\nprivilegierten Personen i.S.d. § 183 SGG zahlen, folgt die Kostenentscheidung\naus § 197a Abs.1 SGG i.V.m. § 154 I VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist zulassig; insbesondere ist auch der Rechtsweg zu den\nSozialgerichten hier gegeben (§ 51 Abs.1 Nr.2 SGG). Der Klager hat auch zu\nRecht lediglich einen allgemeinen Leistungsantrag als Klageantrag formuliert,\ndenn im vorliegenden Fall stehen sich der Klager und die beklagte Pflegekasse\nin einem Verhaltnis der Gleichordnung gegenuber, so dass nach Auffassung der\nKammer ein Verwaltungsakt der Beklagten uber die Frage, ob ein\nEinzelversorgungsvertrag abgeschlossen werden solle oder nicht, nicht zu\nergehen hatte und von der Beklagten auch nicht erlassen worden ist. Ein\nAnfechtungsantrag erubrigt sich daher. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet, denn bei der Auslegung des § 77 Abs. 1 S. 1\nSGB XI ergibt sich, dass die entscheidende Frage, ob eine Versorgung der\nPatientin durch einen zugelassenen Pflegedienst gewahrleistet werden kann,\nnicht abstrakt, sondern individuell zu beurteilen ist. Nach der genannten\nVorschrift kann die zustandige Pflegekasse zur Sicherstellung der hauslichen\nPflege und hauswirtschaftlichen Versorgung einen Vertrag mit einzelnen\ngeeigneten Pflegekraften schließen (die Eignung des Klagers wird von der\nBeklagten nicht bestritten und ist fur die Kammer offensichtlich), soweit und\nsolange eine Versorgung nicht durch einen zugelassenen Pflegedienst\ngewahrleistet werden kann. Wurde man bei der Auslegung des entscheidenden\nTatbestandsmerkmals nur darauf abstellen, ob zugelassene Pflegedienste im\nVersorgungsbereich, in dem die zu pflegende Person wohnt, flachendeckend\nvorhanden sind und fur mehrfache Pflegeeinsatze pro Tag zur Verfugung stehen\n(abstrakte Auslegung), so musste man hier zu dem Ergebnis gelangen, dass die\nVersorgung grundsatzlich gewahrleistet ist und der Abschluss eines\nEinzelpflegevertrags nicht in Betracht kommt. Eine derartige Auslegung wurde\njedoch zunachst verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Grundrecht des Klagers\nnach Art. 12 I GG begegnen, denn es wurde sich dann bei § 77 Abs. 1 SGB XI um\neine Vorschrift handeln, die eine Zulassung von ausgebildeten Pflegepersonen\nnur nach Bedarfsgesichtspunkten regeln wurde; dies wurde, wenn nicht gar einen\nEingriff in die Freiheit der Berufswahl, so doch jedenfalls einen solchen in\ndie Freiheit der Berufsausubung ausgebildeter Pflegekrafte, die selbstandig\ntatig sein wollen, darstellen (vergleiche zu dieser Problematik Neumann in NZS\n1995, 397 ff.). Schon dies spricht dafur, die fragliche\nTatbestandsvoraussetzung so auszulegen, dass es auf den individuellen\nVersorgungsbedarf des Pflegepatienten im Einzelfall ankommen muss. Diese\nAuslegung verdient nach Überzeugung der Kammer auch unter Berucksichtigung der\n§§ 2 und 3 SGB XI den Vorzug. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 sollen die Leistungen der\nPflegeversicherung namlich den Pflegebedurftigen helfen, trotz ihres\nHilfebedarfs ein moglichst selbstandiges und selbst bestimmtes Leben zu\nfuhren, das der Wurde des Menschen entspricht. § 3 Abs. 1 S. 1 besagt, dass\ndie Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die hausliche Pflege und\ndie Pflegebereitschaft der Angehorigen und Nachbarn unterstutzen soll, damit\ndie Pflegebedurftigen moglichst lange in ihrer hauslichen Umgebung bleiben\nkonnen. Beide Vorschriften sprechen dafur, das Tatbestandsmerkmal in § 77 Abs.\n1 SGB XI bezogen auf den individuellen Bedarf des Pfleglings zu verstehen. Im\nvorliegenden Fall heißt das, dass berucksichtigt werden muss, dass der\nselbstbestimmte Wunsch der Klagerin, moglichst lange in hauslicher Umgebung\ngepflegt zu werden, sich in Zukunft nicht verwirklichen ließe, wenn kein\nEinzelversorgungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Klager abgeschlossen\nwird. Die Pflegebedurftige ware namlich dann darauf angewiesen, mehrfach am\nTag die Pflegeeinsatze einer Sozialstation in Anspruch zu nehmen, die auf die\nindividuellen Bedurfnisse eines schwer parkinsonkranken Patienten aber nicht\ngenugend Rucksicht nehmen konnen. Dies klingt schon in der MDK-Beurteilung vom\n22.11.2002 an, wo festgestellt wurde, dass die hausliche Pflege trotz der\nPflegeeinsatze der Sozialstation als nicht sichergestellt bezeichnet werden\nmusse. Dies ergibt sich auch aus dem konkreten Krankheitsbild der A.S., dessen\nAuswirkungen auf den Pflegebedarf der Klager in der Anlage zum Schriftsatz vom\n26.04.2004 anschaulich geschildert hat. Es reicht bei einem schwer\nparkinsonkranken Patienten eben nicht aus, dass mehrfach am Tag Pflegemodule\ndurch eine Sozialstation eingesetzt werden, wenn in den Zwischenzeiten der\nPatient ohne Betreuung bleiben wurde. Unter anderem kommt es dann zu einer\nFulle von begrundeten und unbegrundeten Ängsten, die latent in das\nAlltagsgeschehen eingeflochten sind und die nur durch eine andauernde\nBeziehungspflege und einen großen Aufwand an Zeit, Geduld und\nEinfuhlungsvermogen relativiert werden konnen. Das Erscheinen einer\nPflegeperson des Sozialdienstes, auch wenn dies 3 oder 4 Mal am Tag geschieht,\nreicht nicht aus, um dem Parkinsonpatienten hier genugende seelische\nUnterstutzung zukommen zu lassen. Nur durch den personlichen Einsatz des\nKlagers wurde insoweit ein großeres Netz von nachbarschaftlichen Hilfen\ngeschaffen, und nur durch seinen weiteren Einsatz wird dieses auch aufrecht\nerhalten. Ohne seinen personlichen Pflegeeinsatz wurde die Klagerin, davon ist\ndie Kammer uberzeugt, uber kurz oder lang in stationare Pflege uberwiesen\nwerden mussen. Hier schafft § 77 Abs. 1 SGB XI in der auf den individuellen\nBedarf abstellenden Auslegung, welche die Kammer der Vorschrift gibt,\nsinnvolle Abhilfe. Angesichts der Umstande des Einzelfalles, insbesondere auch\nder guten Qualifikation des Klagers fur die Tatigkeit als Einzelpflegeperson,\nsieht die Kammer hier auch - bei der Beklagten grundsatzlich eingeraumtem\nErmessen - eine Ermessensreduzierung auf Null, was bedeutet, dass keine\nGesichtspunkte erkennbar sind, die zu einer anderen Ermessensentscheidung der\nBeklagten fuhren konnen, als dem Abschluss des vom Klager begehrten\nEinzelpflegevertrages . Deshalb konnte die Beklagte hier durchverurteilt\nwerden und war kein bloßes Bescheidungsurteil zu erlassen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach alledem war der Klage in vollem Umfang statt zu geben. \n--- \n| 15 \n--- \n| Da weder Antragsteller noch Antragsgegnerin zu den kostenrechtlich\nprivilegierten Personen i.S.d. § 183 SGG zahlen, folgt die Kostenentscheidung\naus § 197a Abs.1 SGG i.V.m. § 154 I VwGO. \n---\n\n
139,965
vg-stuttgart-2004-07-09-18-k-147404
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
18 K 1474/04
2004-07-09
2019-01-07 14:47:02
2019-01-17 12:00:09
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager (Kurzform: ...) ist eine islamische Gemeinschaft in der\nRechtsform des eingetragenen Vereins. Eigenen Angaben zufolge ist er die\ngroßte islamische Gemeinschaft Europas, unterhalt in Deutschland uber 500\nMoscheen und betreut uber 200.000 Mitglieder. Weiter wird in der Klagschrift\nausgefuhrt, er befurworte die Integration der Muslime in die europaischen\nGesellschaften. Da er glaube, dass es keine Ruckkehr in die Heimatlander geben\nwerde, veranstalte er seit einem Jahr eine breit angelegte Kampagne zur\nAnnahme der deutschen Staatsburgerschaft durch seine Mitglieder. Er befurworte\ndemokratisches Handeln und fordere die Gleichstellung von Mann und Frau;\nGewalt werde als Mittel der Auseinandersetzung strikt abgelehnt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Innenministerium Baden-Wurttemberg hat im Juli 2002 den\nVerfassungsschutzbericht fur das Jahr 2001 veroffentlicht. Der Klager wird\ndarin im Kapitel E („Sicherheitsgefahrdende Bestrebungen von Auslandern")\nunter 3.1.1 genannt und als turkische islamistische Vereinigung bezeichnet;\nden Klager betreffende Ausfuhrungen finden sich in der Druckversion des\nVerfassungsschutzberichts 2001 auf den Seiten 146 bis 157. Dieser ist auch ins\nInternet eingestellt und uber die Adresse „www.verfassungsschutz-bw.de"\nabrufbar. Die Internet-Version des Verfassungsschutzberichts 2001\nunterscheidet sich von der Druckversion dadurch, dass zahlreiche dort in den\nText eingearbeitete Abbildungen fehlen, weshalb trotz Identitat des Textes die\nSeitenzahlen unterschiedlich sind. \n--- \n| 3 \n--- \n| Unter anderem sind im Verfassungsschutzbericht 2001 hinsichtlich des\nKlagers folgende Ausfuhrungen enthalten: \n--- \n| 4 \n--- \n| \\- Auf Seite 147 der Druckversion (Seite 115 der Internetversion) wird\nneben dem Randhinweis „Verflechtungen in die Turkei" unter anderem ausgefuhrt,\nder Klager sei in enger Verbindung mit verschiedenen islamistischen Parteien\ndes ehemaligen Ministerprasidenten ... zu sehen, die in der Turkei seit Jahren\npolitisch eine bedeutende Rolle spielten. Das Ziel der Parteien sei die\nAbschaffung der auf die sakularen Reformen Kemal Ataturks zuruckgehenden\nStaatsform in der Turkei. Allerdings hatten diese Bestrebungen mit dem vom\nturkischen Verfassungsgericht am 22. Juni 2001 beschlossenen Verbot der\n„Fazilet-Partisi" (FP, „Tugendpartei") einen neuerlichen Ruckschlag erlitten.\nWie flexibel jedoch der Klager hier in Deutschland sei, um im Vorfeld eines\ndrohenden Verbots seiner Mutterorganisation in der Turkei auf einschneidende\nVeranderungen zu reagieren, sei bereits wahrend einer Veranstaltung des\nKlagers anlasslich des Opferfestes" Anfang Marz 2001 in Ulm deutlich geworden.\nDort sei ein ehemaliger Minister der Turkei auch auf die schwierige Situation\nder FP eingegangen. Da die Partei in der Turkei von einem Verbot bedroht sei,\nsolle man - so seine Argumentation - vorerst kein Geld mehr in die Turkei\nschicken. Bei einem Verbot wurde namlich das Vermogen der FP vom turkischen\nStaat beschlagnahmt. Die Gelder, die bisher aus Sicherheitsgrunden durch\nmehrere Personen uberbracht worden seien, wurden derzeit bei Privatpersonen\nsicher verwahrt. \n--- \n| 5 \n--- \n| \\- Auf Seite 148 der Druckversion (Seite 117 der Internetversion) wird\nneben dem Randhinweis „ambivalente Haltung zu den Terroranschlagen in den USA"\nunter anderem ausgefuhrt, dass der Klager auf die Terroranschlage in den USA\nvom 11. September 2001 offiziell mit Bedauern und Distanzierung vom\nTerrorismus reagiert habe. Weiter wird ausgefuhrt: „Gleichzeitig war\nfestzustellen, dass die Internetangebote der Organisation von belastenden\nSeiten und Links „bereinigt" wurden, um unverfanglichen Themen Platz zu\nmachen. Im Gegensatz zu den offiziellen Erklarungen der Organisationsspitze\nzeichneten die Reaktionen zu den Terroranschlagen in dem Sprachrohr der\nOrganisation „Milli Gazete" und in der ebenfalls in ...-Kreisen verbreiteten\n„Akit" freilich ein anderes Bild." \n--- \n| 6 \n--- \n| \\- Auf Seite 155 der Druckversion (Seiten 121/122 der Internetversion) wird\nneben dem Randhinweis „statt Integration Änderung des Systems in Deutschland\nangestrebt" unter anderem ausgefuhrt, wie konkret die Vorstellungen im\nZusammenhang mit einer Einflussnahme seien, hatten ...-Funktionare bei einer\nVeranstaltung am 04. Juni 2001 in Neu-Ulm mit uber tausend Teilnehmern,\ndarunter viele aus Baden-Wurttemberg, bewiesen. Weiter wird ausgefuhrt: „Im\nMittelpunkt der Erorterung stand die Frage der deutschen Staatsburgerschaft.\nIn funf Jahren, so ein ...-Funktionar, gebe es 11 Millionen Muslime in\nDeutschland und in weiteren funf Jahren habe man bereits die Einwohnerzahl der\nehemaligen DDR erreicht. Wenn man drei Millionen Erwachsene fur die ...\ngewinnen konne, sei es kein Problem, eine Partei zu grunden und ins Parlament\nin Berlin einzuziehen. Voraussetzung hierfur sei aber die deutsche\nStaatsburgerschaft. Die hier geltenden Gesetze boten mehr Freiraum als die\nturkischen. Das musse man ausnutzen. Man werde bereits „von vielen\nLinksparteien" und deutschen Politikern unterstutzt. Es werde noch funf bis\nzehn Jahre dauern, aber dann wurde man auch das erreichen, was man „wirklich\nwolle". In Europa fuhre man die Auseinandersetzung mit anderen Mitteln. Hier\nsei Wissen und Bildung Macht, aber man konne auch anders kampfen, sollte man\nnichts erreichen. Daran denke man aber im Moment nicht. Die Bedenken, dass man\nmit Annahme der deutschen Staatsburgerschaft die turkische verliere,\nzerstreute der Redner mit dem Hinweis, man konne sich derzeit nach Annahme der\ndeutschen Staatsburgerschaft auch die turkische wieder ausstellen lassen, es\nmusse aber schnell gehandelt werden." \n--- \n| 7 \n--- \n| \\- Auf Seiten 155/156 der Druckversion (Seite 122 der Internetversion) wird\nneben dem Randhinweis „Staatsburgerschaftskampagne" unter anderem ausgefuhrt:\n„Auch der Vorsitzende der ..., ..., stellte auf der Veranstaltung die Vorteile\nder deutschen Staatsburgerschaft zum Erreichen des „gemeinsamen Ziels" vor. Er\nrugte seine Zuhorer, die Zeit untatig verschlafen zu haben. Als deutsche\nStaatsburger sollten sie Turken aus der Turkei heiraten. Dies sei mit geringem\nAufwand moglich. Dadurch wurden die Ehepartner und Kinder ebenfalls Deutsche;\nman starke damit die Gemeinschaft und bringe diese ihrem Ziel in funf Jahren\nnaher. Die Zuhorer wurden wahrend der Veranstaltung von „Einpeitschern"\nanimiert. Einblendungen von ... wurden frenetisch gefeiert. Man bejubelte ihn\nmit Sprechchoren wie „Hoca, wenn du sagst, wir sollen kampfen, dann kampfen\nwir. Wenn du sagst, wir sollen toten, dann toten wir!" \n--- \n| 8 \n--- \n| \\- Schließlich wird auf Seite 156 der Druckversion (Seite 122 der\nInternetversion) unter anderem noch ausgefuhrt, auf der Veranstaltung sei\ndeutlich worden, dass die von der ... gestartete Staatsangehorigkeitskampagne\nnicht wie behauptet auf Integration abziele, sondern auf die moglichst\neffiziente Verfolgung ihrer Ziele, wobei es darum gehe, zunachst den\nturkischstammigen Bevolkerungsteil in Deutschland auszuweiten. Weiter heißt\nes: „Diese Ziele sind keineswegs nur unter religiosen Aspekten zu betrachten,\nstehen aber in engem Zusammenhang mit der Bekampfung der sakularen\nGesellschaftsform, welche die ... fur die Turkei und die eigene Gemeinschaft\nturkisch-islamistischer Migranten in Europa ablehnt". \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Schreiben vom 25.07.2002 wandte sich der Klager in dieser Angelegenheit\nan das Innenministerium Baden-Wurttemberg und wies darauf hin, dass der\nVerfassungsschutzbericht 2001, soweit er darin Erwahnung finde, neben einer\nVielzahl unangreifbarer Meinungsaußerungen auch Unwahrheiten enthalte, die so\nnicht hingenommen werden konnten. So habe es eine Rede mit dem auf Seite 115\n[(Internetversion) bzw. 147 (Druckversion)] des Verfassungsschutzberichts 2001\nwiedergegebenen Inhalt weder auf einer von ihm abgehaltenen Veranstaltung in\nUlm Anfang Marz 2001 noch sonst wo gegeben. Ebenso habe es keine belastenden\nSeiten oder Links seines Internetangebotes gegeben; daher habe auch nichts\nbereinigt werden mussen. Weder bei der Veranstaltung in Neu-Ulm am 04.06.2001\nnoch sonst wo habe einer seiner Funktionare eine Rede mit dem auf Seite 121\n[(Internetversion) bzw. 155 (Druckversion)] des Verfassungsschutzberichts 2001\nwiedergegebenen Inhalt gehalten. Schließlich habe es die auf Seite 122\n[(Internetversion) bzw. Seiten 155/156 (Druckversion)] des\nVerfassungsschutzberichts 2001 wiedergegebenen Äußerungen des Herrn ... weder\nauf der Veranstaltung in Neu-Ulm noch sonst wo gegeben. Zuletzt seien weder in\nNeu-Ulm noch auf einer anderen von ihm abgehaltenen Veranstaltung Sprechchore\nmit dem auf Seite 122 [(Internetversion) bzw. Seite 156 (Druckversion)] des\nVerfassungsschutzberichts 2001 wiedergegebenen Inhalt gerufen worden.\nAbschließend wies der Klager darauf hin, soweit im Verfassungsschutzbericht\n2001 unter der Rubrik „..." uber verschiedene Inhalte der „Milli Gazete"\nberichtet werde, seien jene nicht Äußerungen seiner Funktionare; sie wurden\nauch nicht von ihm geteilt. Die „Milli Gazete" sei eine in der Turkei\nredigierte Tageszeitung, mit der weder personelle Verflechtungen bestunden\nnoch habe er redaktionellen Einfluss auf diese Zeitung. Die dort getatigten\nAussagen stammten auch nicht von einem seiner Mitglieder. Deshalb habe er\nAnspruch darauf, dass uber ihn die vorzitierten Unwahrheiten nicht verbreitet\nwurden bzw. im Verfassungsschutzbericht 2001 unter der ihn betreffenden Rubrik\nnicht Äußerungen Dritter, die ihm nicht zuzurechnen seien, angefuhrt wurden.\nGleichzeitig wurde gebeten, eine beigefugte strafbewehrte\nUnterlassungserklarung bis zum 05.08.2002 rechtsgultig unterzeichnet\nzuruckzuleiten, andernfalls gerichtliche Schritte eingeleitet wurden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Hierauf teilte das Innenministerium Baden-Wurttemberg dem Klager unter dem\n16.09.2002 mit, dass die von ihm vorgebrachten Vorwurfe uberpruft worden\nseien, eine sachliche Unrichtigkeit der Aussagen allerdings nicht habe\nfestgestellt werden konnen. Daher werde keine Veranlassung gesehen, die\nkritisierten Passagen im Verfassungsschutzbericht des Landes nicht zu\nveroffentlichen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit seit dem 26.06.2003 rechtskraftigem Beschluss vom 16.05.2003 - 18 K\n4179/02 - hat die Kammer den Antrag des Klagers, dem Beklagten im Wege der\neinstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Verfassungsschutzbericht Baden-\nWurttemberg 2001 auf den Seiten 146 bis 157 (Druckversion) bzw. Seiten 115 bis\n122 (Internetversion) enthaltenen, im Einzelnen bezeichneten\nTatsachenfeststellungen weiterhin zu behaupten oder zu verbreiten,\nzuruckgewiesen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Bereits zuvor hatte der Klager am 05.12.2002 in dieser Sache Klage erhoben\nund zur Begrundung zunachst sein bisheriges Vorbringen wiederholt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Nachdem sich der Beklagte bereits im Verfahren des vorlaufigen\nRechtsschutzes darauf berufen hatte, dass die vom Klager gerugten Passagen im\nVerfassungsschutzbericht 2001 im Wesentlichen auf entsprechenden Erkenntnissen\ndes Bayerischen Landesamtes fur Verfassungsschutz beruhten, und in jenem\nVerfahren ein entsprechendes Behordenzeugnis vorgelegt worden war, teilte das\nBayerische Staatsministerium des Innern unter dem 24.04.2003 mit, dass nach\nDurchsicht der vom Bayerischen Landesamt fur Verfassungsschutz vorgelegten\nOriginalakten die inhaltliche Authentizitat der in dessen Behordenzeugnis\nenthaltenen Informationen bestatigt und die am Ende jenes Behordenzeugnisses\nerfolgte Bewertung der Zuverlassigkeit und Zulassigkeit der Datenerhebung\ngeteilt werde. Daruber hinaus sehe sich das Bayerische Staatsministerium des\nInnern nicht in der Lage, dem Wunsch nach Vorlage der Akten des Bayrischen\nLandesamtes fur Verfassungsschutz, die Daten des Klagers enthielten, zu\nentsprechen, denn das Bekanntwerden des Inhalts jener Akten wurde dem Wohl des\nBundes und der Lander Nachteile bereiten; ferner seien sie gemaß § 99 Abs. 1\nS. 2 VwGO auch ihrem Wesen nach geheim zu halten. \n--- \n| 14 \n--- \n| Hierauf beantragte der Klager gemaß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine\nEntscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg zur Frage der\nRechtmaßigkeit der Verweigerung der Vorlage der Akten durch das Bayerische\nStaatsministerium des Innern. Das vorliegende Verfahren wurde deshalb durch\nBeschluss der Kammer vom 25.08.2003 gemaß § 94 VwGO ausgesetzt. Zur Begrundung\nseines Antrags trug der Klager unter dem 27.08.2003 u.a. vor, der Beklagte\nhabe die streitgegenstandlichen Vorwurfe in seinem Verfassungsschutzbericht\nfur das Jahr 2002 nicht wiederholt, weil er offensichtlich eingesehen habe,\ndass er einer Fehlinformation des Bayerischen Landesamtes fur\nVerfassungsschutz gefolgt sei. Gleichwohl verbreite der Beklagte die\nstreitgegenstandlichen unwahren Behauptungen nach wie vor im Internet, so dass\nauf Jahre hinaus dessen Nutzer sich auf die Richtigkeit der Äußerungen des\nBeklagten verlassen wurden. Im Übrigen bestehe Grund zu der Annahme, dass die\nErkenntnisse in der Behordenakte nicht auf Auskunften und Urkunden beruhten,\nderen Bekanntgabe dem Wohle des Bundes Nachteile bereiten konnte, sondern auf\ndas „Zusammenschnipseln" von Zeitungsartikeln und anderen Geruchtequellen\ngestutzt wurden. Hinzu komme, dass das Bayerische Landesamt fur\nVerfassungsschutz personell uberhaupt nicht in der Lage sei, fremdsprachliche\nislamische Organisationen zu uberwachen, da entsprechende sprachkundige\nMitarbeiter nicht zur Verfugung stunden. Soweit die Erkenntnisse des\nBayerischen Landesamtes fur Verfassungsschutz auf „offenen Quellen" wie\nbeispielsweise Zeitschriften oder Flugblatter beruhten, handele es sich\ninsoweit nicht um Urkunden oder Akten, deren Bekanntwerden dem Wohl des Bundes\noder eines deutschen Landes Nachteile bereiten wurde. Im Übrigen konne keine\nPerson, die zu den von ihm durchgefuhrten Vortragen oder Veranstaltungen\n„eingeschleust" worden sei, das bestatigen, was in dem Behordenzeugnis zu\nfinden sei. Dagegen konne das Gegenteil dessen von Hunderten von\nVersammlungsteilnehmern bestatigt werden. Durch die Vorlage des\nunuberprufbaren Behordenzeugnisses und der Verweigerung weiterer Akteneinsicht\nwerde ihm, dem Klager, jede Moglichkeit eines Gegenbeweises abgeschnitten. \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Beschluss vom 24.03.2004 - 14 S 93/04 -, rechtskraftig seit 14.05.2004,\nerklarte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg die Verweigerung der\nVorlage der den Klager betreffenden Akten des Bayerischen Landesamtes fur\nVerfassungsschutz durch das Bayrische Staatsministerium des Innern fur\nrechtmaßig. \n--- \n| 16 \n--- \n| Unter dem 24.06.2004 hat der Klager erganzend ausgefuhrt, die prozessuale\nHandhabung, eine Entscheidung gemaß § 99 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Wurttemberg einzuholen, sei nicht sachgemaß gewesen sei, denn nach der\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei Voraussetzung fur die\nDurchfuhrung des Zwischenverfahrens nach § 99 VwGO grundsatzlich ein\nBeweisbeschluss des Gerichts der Hauptsache. Außerdem enthalt dieser\nSchriftsatz zahlreiche Beweisangebote sowie den Hinweis, dass bereits langere\nZeit vor dem Terroranschlag am 11. September 2001 an einer neuen Homepage\ngearbeitet worden sei. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 18 \n--- \n| dem Beklagten zu untersagen, zu behaupten oder zu verbreiten: \n--- \n| 19 \n--- \n| a) Ein ehemaliger Minister habe auf einer Veranstaltung der ... anlasslich\ndes Opferfestes Anfang Marz 2001 in Ulm gesagt, man solle vorerst kein Geld\nmehr in die Turkei schicken. "Bei einem Verbot wurde namlich das Vermogen der\nFP vom turkischen Staat beschlagnahmt. Die Gelder, die bisher aus\nSicherheitsgrunden durch mehrere Personen uberbracht worden seien, wurden\nderzeit bei Privatpersonen sicher verwahrt." \n--- \n| 20 \n--- \n| b) Nach den Terroranschlagen in den USA vom 11. September 2001 seien die\nInternetangebote der Organisation von belastenden Seiten und Links „bereinigt"\nworden. \n--- \n| 21 \n--- \n| c) Ein ...-Funktionar habe bei einer Veranstaltung in Neu-Ulm am 04.06.2001\ngesagt, wenn man drei Millionen Erwachsene fur die ... gewinnen konne, sei es\nkein Problem, eine Partei zu grunden und ins Parlament in Berlin einzuziehen.\n... Man werde bereits „von vielen Linksparteien" und deutschen Politikern\nunterstutzt. Es werde noch funf bis zehn Jahre dauern, aber dann wurde man\nauch das erreichen, was man „wirklich wolle". In Europa fuhre man die\nAuseinandersetzung mit anderen Mitteln. Hier sei Wissen und Bildung Macht,\naber man konne auch anders kampfen, sollte man nichts erreichen. Daran denke\nman aber im Moment nicht. Die Bedenken, dass man mit Annahme der deutschen\nStaatsburgerschaft die turkische verliere, zerstreute der Redner mit dem\nHinweis, man konne sich jederzeit nach Annahme der deutschen\nStaatsburgerschaft auch die turkische wieder ausstellen lassen, es musse aber\nschnell gehandelt werden. \n--- \n| 22 \n--- \n| d) Der ...-Vorsitzende ... habe gesagt, „als deutsche Staatsburger sollte\nman Turken aus der Turkei heiraten. Dies sei mit geringem Aufwand moglich.\nDadurch wurden die Ehepartner und Kinder ebenfalls Deutsche; man starke damit\ndie Gemeinschaft und bringe diese ihrem Ziel in funf Jahren naher." \n--- \n| 23 \n--- \n| e) Bei einer ...-Veranstaltung habe die Menge Sprechchore wie „Hoca, wenn\ndu sagst, wir sollen kampfen, dann kampfen wir. Wenn du sagst, wir sollen\ntoten, dann toten wir!", gerufen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 25 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Zur Begrundung weist er darauf hin, dass die Kammer bereits in ihrem im\nRahmen des Verfahrens des vorlaufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss vom\n16.05.2003 zutreffend davon ausgegangen sei, dass alle streitbefangenen\nTextpassagen im Verfassungsschutzbericht 2001 ausschließlich\nTatsachenbehauptungen enthielten. Die Aussage im Verfassungsschutzbericht 2001\nuber die „Bereinigung" von Internetangeboten beziehe sich beispielsweise auf\ndie Links der Homepage der Zentrale des Klagers in ... auf die Homepage der\nPresseorgane „Akit" und „Milli Gazete". Die Links zu diesen Presseorganen\nseien nach dem 11.09.2001 geloscht worden. Die Bewertung der Verlinkung zu den\ngenannten Presseorganen als in Bezug auf die Haltung zu den Terroranschlagen\nin den USA vom 01.09.2001 „belastend" unterliege indessen nur einem\neingeschrankten Prufungsmaßstab. Angesichts der antiamerikanischen Haltung der\n„Milli Gazete" sei die Nennung des geloschten Links auf dieses Presseorgan im\nVerfassungsschutzbericht 2001 sachgerecht. Denn die „Milli Gazete" bzw. fur\nsie tatige Journalisten wurden ein islamistisches Weltbild vertreten, in dem\ndie Amerikaner als gegen die islamische Welt gerichtete Krafte auftraten. Auf\ndie Frage, ob die genannten Presseorgane im Sinne eines Sprachrohrs dem Klager\nzurechenbar seien, komme es dabei nicht an. \n--- \n| 27 \n--- \n| Entsprechendes gelte fur den auf der Homepage der ... Mannheim gesetzten\nLink zur Adresse „www....". Diese Seite habe am 25.08.2000 unter anderem einen\nBeitrag „Wie kann ich fur den Jihad trainieren" beinhaltet. Der Beitrag habe\nsich mit der terroristischen Ausbildung bis hin zum Umgang mit Handfeuerwaffen\nund scharfer Munition befasst. Die Web-Site sei nach den Anschlagen vom\n11.09.2001 geandert und der Link zu „www...." geloscht worden. Über das\nBeseitigen dieser Links sei auch in der „taz" in deren Ausgabe vom 25.09.2001\nauf Seite 10 berichtet worden. Auf die Frage, ob die Homepage bzw. die\nÄußerungen des ...-Ortsverbands Mannheim dem Klager zuzurechnen seien, komme\nes nicht an; es reiche aus, dass der Link auf die Homepage des Ortsverbandes\nauf Grund des dort vorhandenen Verweises auf die Adresse „www...." als\nbelastend im Hinblick auf die Haltung des Klagers zu den Terroranschlagen in\nden USA zu werten sei. Im Übrigen musse sich der Klager das Verhalten eines\nseiner Ortsverbande auch zurechnen lassen, zumal er die Verwendung des\noffiziellen ...-Symbols auf der besagten Homepage seit Jahren offenbar nicht\nbeanstande. Hinzu komme, dass sowohl die Vorsitzenden des Mannheimer Vereins\nals auch dessen Sekretar vom damaligen Generalsekretar des Klagers und dessen\nstellvertretendem Bundesvorsitzenden ernannt worden seien. Deshalb sei davon\nauszugehen, dass ein Abhangigkeitsverhaltnis zwischen Ortsvorstand und\nVereinsvorstand bestehe. Die ubrigen vom Klager gerugten Textpassagen im\nVerfassungsschutzbericht 2001 wurden Äußerungen von Rednern auf\nVeranstaltungen des Klagers zutreffend wiedergeben. Die darin enthaltenen\nDarstellungen beruhten auf entsprechenden Erkenntnissen des Bayerischen\nLandesamtes fur Verfassungsschutz. Dass diese im Verfassungsschutzbericht 2001\nzitierten Äußerungen auf den genannten Veranstaltungen gefallen seien, werde\nim Behordenzeugnis vom 30.10.2002 bestatigt. Daruber hinaus seien in jenem\nBehordenzeugnis im Hinblick auf die jeweiligen Veranstaltungen weitere\ndetaillierte Angaben enthalten. Ebenso wurden die im Verfassungsschutzbericht\n2001 auf Seite 155 erwahnten Äußerungen auf der Veranstaltung vom 04.06.2001\nin Neu-Ulm erheblich prazisiert. Entsprechendes gelte fur die weiteren in\ndiesem Zusammenhang im Verfassungsschutzbericht enthaltenen Äußerungen.\nSchließlich wurden auch die auf Seite 156 des Verfassungsschutzberichts 2001\nerwahnten Einblendungen von ... konkretisiert. Über eine bloße Bestatigung der\nstreitbefangenen Textpassagen im Verfassungsschutzbericht 2001 hinaus habe das\nBayerische Landesamt fur Verfassungsschutz zahlreiche Details zu dem Rahmen\ngenannt, in dem diese Äußerungen gefallen seien. Dies belege, dass das\nBayerische Landesamt fur Verfassungsschutz uber detaillierte\nnachrichtendienstliche Quellen uber die genannten Veranstaltungen verfuge. Im\nÜbrigen habe das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Schreiben vom\n24.04.2003 die inhaltliche Authentizitat der in jenem Behordenzeugnis\nenthaltenen Informationen nach Durchsicht der zugrundeliegenden Akten ebenso\nbestatigt wie die Bewertung der Zuverlassigkeit und Zulassigkeit der\nDatenerhebung. Aus dem Umstand, dass das Bayerische Landesamt fur\nVerfassungsschutz uber umfassende Detailkenntnisse aus den im\nVerfassungsschutzbericht 2001 in Bezug genommenen Veranstaltungen des Klagers\nverfuge und der gemaß § 99 Abs. 2 VwGO zustandige Fachsenat des\nVerwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg den zugehorigen Akten die\nentsprechenden Quellen bzw. Informanten habe entnehmen konnen, folge, dass an\nder Richtigkeit der Darstellung im Behordenzeugnis vom 30.10.2002 und in der\ndiese bestatigenden Sperrerklarung vom 24.04.2003 keine Zweifel bestunden.\nZwar habe das Gericht bei der Entscheidung in der Sache selbst im Rahmen der\nSachverhaltswurdigung zu beurteilen, welches Gewicht dem Behordenzeugnis sowie\nder zugehorigen Sperrerklarung zukomme. Dabei sei allerdings zu\nberucksichtigen, dass das Bayerische Landesamt fur Verfassungsschutz nach dem\nrechtskraftigen Beschluss des VGH Baden-Wurttemberg berechtigt gewesen sei,\ndie Vorlage der ihm zur Verfugung stehenden Unterlagen zu verweigern. Unter\ndiesen Umstanden sei die Behordenbestatigung vom 30.10.2002 als mittelbares\nBeweismittel verwertbar. Die vom Klager vorgelegten eidesstattliche\nVersicherungen seines Vorsitzenden ... sowie des fruheren Vorsitzenden ...\nkonnten, wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 16.05.2003 zutreffend\nfestgestellt habe, den erbrachten Beweis nicht erschuttern. Wegen weiterer\nEinzelheiten der Klageerwiderung wird auf die Schriftsatze der\nProzessbevollmachtigten des Beklagten vom 23.06., 01.07. und 05.07.2004\nverwiesen. \n--- \n| 28 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat der Klager-Vertreter erganzend darauf\nhingewiesen, dass sich der soziale Geltungsanspruch aus der Satzung des\nKlagers ergebe, der danach eine religiose Gemeinschaft sei. Im Übrigen hat er\nbekraftigt, dass Gegenstand des Verfahrens ausschließlich\nTatsachenbehauptungen, nicht aber auch Wertungen seien. \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Gericht hat in der mundlichen Verhandlung Beweis erhoben durch\nVernehmung eines Beamten des Bayerischen Landesamts fur Verfassungsschutz und\ndes ehemaligen Vorsitzenden des Klagers als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der\nBeweisaufnahme wird auf die hieruber angefertigte Niederschrift, die dem\nSitzungsprotokoll beigefugt ist, verwiesen. Weitere vom Klager in der\nmundlichen Verhandlung gestellte Beweisantrage hat die Kammer abgelehnt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nGerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 18 K 4179/02\nund die in diesen Verfahren von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen\nverwiesen; Druck- und Internetversion des Verfassungsschutzberichts 2001\nliegen dem Gericht ebenfalls vor. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 31 \n--- \n| Die auf Untersagung einer schlicht-hoheitlichen Tatigkeit, namlich der\nVerbreitung bestimmter, im Landesverfassungsschutzbericht 2001 enthaltener\nTatsachenbehauptungen gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage in\nder Form der Unterlassungsklage zulassig. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Es ist allgemein anerkannt, dass gegenuber offentlichen, in amtlicher\nEigenschaft von Hoheitstragern getatigten Äußerungen den Betroffenen ein\noffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zustehen kann, wobei offen\nbleiben kann, ob dieser sich dogmatisch unmittelbar aus einzelnen\nFreiheitsgrundrechten (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 GG; vgl. hierzu\nBVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2/87 -, NJW 1989, 2272, und Beschluss vom\n13.03.1991 - 7 B 99/90 -, NJW 1991, 1770) oder aus einfachem Recht in Form\neiner analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB (vgl. Laubinger, VerwArch. 1989,\n261, 291 ff.) ergibt. Der jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannte Anspruch\n(vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999 - 21 A 490/97 -, NVwZ-RR\n2000, 599 ff.) setzt einen rechtswidrigen Eingriff oder eine sonstige\nrechtswidrige Beeintrachtigung einer grundrechtlich oder einfach gesetzlich\ngeschutzten Rechtsposition voraus, ohne dass der Betroffene verpflichtet ware,\nden Eingriff oder die Beeintrachtigung zu dulden. Insoweit steht vorliegend\ndas allgemeine Personlichkeitsrecht mit dem auch juristischen Personen\nzustehenden gesetzlichen Recht auf Schutz der Ehre in analoger Anwendung des §\n823 Abs. 1 BGB in Rede. Dieses Recht steht auch Personenvereinigungen mit\nideeller Zielsetzung zu, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in\nihrem Aufgabenbereich betroffen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1989,\na.a.O.). Der Klager kann deshalb Abwehranspruche gegen unwahre\nTatsachenbehauptungen geltend machen. Tatsachliche Verfalschungen,\ninsbesondere das Unterschieben nicht getaner Äußerungen, sind dabei auch dann\nunzulassig, wenn sie nicht rufschadigend wirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n19.01.2000 - 3 B 100/99 -, NVwZ-RR 2000, 598; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil\nvom 23.04.1999, a.a.O.; Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, Anhang zu § 823\nRdNr. 44 f), so dass die vom Beklagten aufgeworfene Frage einer durch die\nbeanstandeten Tatsachenbehauptungen entstandenen Rufschadigung keiner\nEntscheidung bedarf. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Zulassigkeit der Klage kann auch nicht entgegengehalten werden, dass\nder Landesverfassungsschutzbericht 2001 bereits im Juli 2002 veroffentlicht\nworden und dieser Vorgang daher abgeschlossen ist. Denn der\nVerfassungsschutzbericht Baden-Wurttemberg 2001 ist nach wie vor ins Internet\neingestellt und unter der Adresse „www.verfassungsschutz-bw.de" jederzeit\nabrufbar. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Dem Klager steht hinsichtlich der von\nihm beanstandeten Tatsachenbehauptungen im Landesverfassungsschutzbericht 2001\nund deren Verbreitung kein Unterlassungsanspruch zu. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Einer Regierung steht grundsatzlich das Recht zur politischen\nMeinungsaußerung als ureigenes verfassungsmaßiges Recht gegenuber jedem zu,\nder sich an der politischen Auseinandersetzung beteiligt, ohne dass hierfur\neine ausdruckliche gesetzliche Ermachtigung erforderlich ware (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 13.04.1984 - 7 B 20/83 -, NJW 1984, 2591; VGH Baden-Wurtt.,\nUrteil vom 29.08.1988 - 1 S 1233/86 -). Dies schließt auch die Ermittlung und\nZusammenstellung gesellschaftlich relevanter Tatsachen sowie die\nVeroffentlichung von Informationen, Empfehlungen und gegebenenfalls Warnungen\nhieruber mit ein (vgl. VGH Baden-Wurtt., a.a.O., m.w.N.). Nach den §§ 12, 3\nLVSG obliegt dem Landesamt fur Verfassungsschutz in Erfullung der ihm\nobliegenden Aufgaben die Sammlung und Auswertung von Informationen,\nAuskunften, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen unter\nanderem uber Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische\nGrundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes\ngerichtet sind bzw. durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete\nVorbereitungshandlungen auswartige Belange der Bundesrepublik Deutschland\ngefahrden. Hieruber kann die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenen\nAnlass informiert werden. § 12 LVSG stellt indessen eine - abschließende -\nErmachtigungsgrundlage nur insofern dar, als in Satz 2 die Bekanntgabe\npersonenbezogener Daten im Hinblick auf den Datenschutz geregelt ist; im\nÜbrigen umschreibt diese Vorschrift lediglich einen - neben der\nAufgabenzuweisung in § 3 LVSG - weiteren Teilaspekt der Tatigkeit, namlich die\nUnterrichtung der Öffentlichkeit. Der vom Innenministerium Baden-Wurttemberg\nund dem Landesamt fur Verfassungsschutz Baden-Wurttemberg jahrlich\nherausgegebene Verfassungsschutzbericht ist eine Publikation im Rahmen der\nÖffentlichkeitsarbeit und stellt als solcher einen Tatigkeitsbericht uber die\nim Laufe des Berichtszeitraums durchgefuhrten Maßnahmen sowie die dabei\ngewonnenen Erkenntnisse dar (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 30.06.1993 - 18\nK 1685/93 -). Daruber hinaus nimmt er eine wertende Beurteilung der gewonnenen\nErkenntnisse vor, die aber vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens ist. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die vorliegend streitbefangenen Äußerungen des Beklagten enthalten\nausschließlich Tatsachenbehauptungen, denn sie sind in ihrem Gehalt als etwas\nGeschehenes einer objektiven Klarung und damit dem Beweis zuganglich (vgl.\nBGH, Urteil vom 30.05.1974 - VI ZR 174/72 -, LM § 824 BGB Nr. 18 Bl. 1 m.w.N.,\nUrteil vom 13.10.1964 - VI ZR 167/63 -, NJW 1965, 35 f, Urteil vom 20.05.1986\n- VI ZR 242/85 -, NJW 1987, 1398 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom\n23.04.1999, a.a.O.). \n--- \n| 37 \n--- \n| Vorliegend hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass sowohl die\nzitierten Aussagen - Äußerungen einzelner Personen bzw. auf Veranstaltungen\nskandierte Parolen - so gemacht worden sind als auch die behauptete Internet-\nBereinigung stattgefunden hat und die vom Klager gerugten\nTatsachenbehauptungen damit der Wahrheit entsprechen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die im Verfassungsschutzbericht Baden-Wurttemberg 2001 auf Seite 148, 3.\nAbsatz (Druckversion) aufgestellte Behauptung, nach dem 11. September 2001\nseien Internet-Angebote der Organisation (des Klagers) von belastenden Seiten\nund Links bereinigt worden, hat der Beklagte durch Vorlage entsprechender\nAusdrucke aus dem Internet belegt. Danach enthielt die Homepage der Zentrale\ndes Klagers in ... beispielsweise noch am 20.08.2001 unter anderem Verweise\nauf die Homepages der Presseorgane „Akit" und „Milli Gazete", die nach dem\n11.09.2001 fehlten. Ebenfalls geloscht wurde nach den Terroranschlagen in den\nUSA des Weiteren eine auf der Homepage des „... Mannheim/..." noch am\n25.08.2000 enthaltener Link zu „www....", wo sich unter anderem der\nmilitarische Ausbildung jeglicher Art als islamische Verpflichtung mit\nTrainings-Anleitungen, unter anderem zum Umgang mit Handfeuerwaffen,\npropagierende Beitrag fand, „Wie kann ich fur den Jihad trainieren?". Nach dem\n11.09.2001 war die Homepage der „... Mannheim/..." geandert und enthielt einen\nBeitrag mit der Überschrift „Wer steckt hinter den Anschlagen". Die Äußerungen\nder ... Mannheim sind dem Klager nach Überzeugung des Gerichts auch\nzuzurechnen. Dies ergibt sich schon aus seiner Organisationsstruktur, bei der\nseine Mitglieder ausweislich des Verfassungsschutzberichts Baden-Wurttemberg\n2001 - unwidersprochen - in 60 Vereinen organisiert sind, die ihrerseits in\nvier regionale Verbande eingegliedert sind. \n--- \n| 39 \n--- \n| Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Klager bereits langere Zeit\nvor dem Terroranschlag am 11.09.2001 an einer neuen Homepage gearbeitet hat,\ndenn der zeitliche Zusammenhang zwischen diesem Terroranschlag und der\nÄnderung der Homepages des Klagers wird hierdurch nicht beruhrt, weshalb es\nauf die Grunde dieser Änderung nicht ankommt. Soweit im Übrigen die genannten\nLinks auf den Homepages des Klagers im Verfassungsschutzbericht 2001 als\n„belastend" bezeichnet werden, handelt es sich nicht um eine\nTatsachenbehauptung, sondern um eine Wertung, die nach der ausdrucklichen\nErklarung des Klager-Vertreters in der mundlichen Verhandlung nicht Gegenstand\ndes Verfahrens ist. \n--- \n| 40 \n--- \n| Auch hinsichtlich der ubrigen streitgegenstandlichen Tatsachenbehauptungen\nhat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass diese wahr sind. \n--- \n| 41 \n--- \n| Zwar hat der Beklagte insoweit weder die Behordenakten vorgelegt noch\nunmittelbare Zeugen hierfur benannt. Doch hat der Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Wurttemberg durch Beschluss vom 24.03.2004 - 14 S 93/04 - rechtskraftig\nentschieden, dass die Verweigerung der Vorlage der den Klager betreffenden\nAkten des Bayerischen Landesamts fur Verfassungsschutz durch das Bayerische\nStaatsministerium des Innern rechtmaßig ist. Schon aus diesem Grund kann der\nKlager nicht mehr damit gehort werden, das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2\nVwGO ( sog. „in-camera"-Verfahren) sei nicht ordnungsgemaß durchgefuhrt\nworden, weil nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2003 - 20\nF 13.03 - (DVBl. 2000, 254) vor Durchfuhrung dieses Zwischenverfahrens\nregelmaßig durch Beweisbeschluss klargestellt werden musse, welche\nBehordenakten entscheidungserheblich seien, was vorliegend indessen nicht\ngeschehen sei. Hinzu kommt, dass nach der genannten Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts der Erlass eines solchen Beweisbeschlusses dann\nentbehrlich ist, wenn - wie hier - die zuruckgehaltenen Unterlagen\nzweifelsfrei entscheidungserheblich sind. Dass diese nach Auffassung der\nKammer entscheidungserheblich sind, folgt schon aus der Verfugung des\nVorsitzenden vom 24.02.2003, mit der das Bayerische Landesamt fur\nVerfassungsschutz aufgefordert worden war, unter Bezugnahme auf sein im\nVerfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes vorgelegtes Schreiben vom 30.10.2002\nan das Landesamt fur Verfassungsschutz Baden-Wurttemberg die dort genannten\n„nachrichtendienstlichen Quellen" und die entsprechenden Unterlagen offen zu\nlegen. \n--- \n| 42 \n--- \n| Allerdings fuhrt die Rechtmaßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage nicht\ndazu, dass das Gericht schon deshalb von der Richtigkeit der streitbefangenen\nTatsachenbehauptungen, fur die der Beklagte beweispflichtig ist, auszugehen\nhat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.07.2002 - 2 AV 1/02 -, NVwZ 2002,1249).\nVielmehr unterliegt dies der Beweiswurdigung des Gerichts (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 01.02.1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133). \n--- \n| 43 \n--- \n| Zunachst ist in diesem Zusammenhang zu berucksichtigen, dass sich der\nBeklagte dadurch, dass es ihm aus Grunden der Staatssicherheit nicht moglich\nist, seine Erkenntnisquellen außerhalb des „in-camera"-Verfahrens offen zu\nlegen, in einer Art Beweisnot befindet. Daruber hinaus hat der als Zeuge\ngehorte Bedienstete des Bayerischen Landesamts fur Verfassungsschutz in\nallgemeiner Weise uberzeugend dargelegt, auf welche Art und Weise\nverfassungsschutzrelevante Erkenntnisse gewonnen und uberpruft werden und dass\nvor einer Veroffentlichung interne Kontrollmechanismen vorgeschaltet sind.\nInsbesondere werden danach nur von verschiedenen Quellen bestatigte\nInformationen verwertet. Im Hinblick darauf, dass nach dessen Angaben die\neingesetzten unmittelbaren V-Leute auch die erforderlichen\nFremdsprachenkenntnisse besitzen und ihre Erkenntnisse zeitnah berichten, ist\nnach Überzeugung des Gerichts gewahrleistet, dass zusammen mit dem Einsatz\nqualifizierter Dolmetscher Verstandnis- und Übertragungsfehler weitestgehend\nausgeschlossen sind. Hinzu kommt, dass dieser mittelbare Zeuge erklart hat, er\nsei nach eigener Überprufung aller Quellen und sonstigen Unterlagen zur\nÜberzeugung gelangt, dass die streitbefangenen Tatsachenbehauptungen uber den\nInhalt bestimmter Redebeitrage und der Skandierung der vorgenannten Parolen\nallesamt der Wahrheit entsprechen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafur, dass\ndiese Angaben des mittelbaren Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen, sind nach\nÜberzeugung der Kammer nicht erkennbar. \n--- \n| 44 \n--- \n| Demgegenuber hat der als Zeuge vernommene - im Jahresbericht 2001 zitierte\n- ehemalige Vorsitzende des Klagers zwar bekundet, die ihm zugeschriebenen\nÄußerungen bei einer Veranstaltung des Klagers am 04.06.2001 in Neu-Ulm so\nnicht gemacht zu haben. Das Gericht halt es indessen fur wenig wahrscheinlich,\ndass sich ein Zeuge nach uber drei Jahren noch an den genauen Wortlaut\nbestimmter Äußerungen erinnert, zumal der Zeuge zu diesem Thema bei\nzahlreichen Veranstaltungen im Jahre 2001 gesprochen hat. Hinzu kommt, dass\nder Zeuge als ehemaliger Vorsitzender der Klagerin nach Überzeugung der Kammer\nnach wie vor daran interessiert ist, die fur den Klager negativen\nFeststellungen des Beklagten zu widerlegen, so dass seine Aussage auch unter\ndiesem Gesichtspunkt nicht geeignet ist, die streitigen Tatsachenbehauptungen\nin Zweifel zu ziehen. \n--- \n| 45 \n--- \n| Soweit der Klager-Vertreter beantragt hat, zum Beweis dafur, dass die in\nseinem Schriftsatz vom 04.12.2002 unter I c) und e) genannten\nTatsachenbehauptungen nicht zutreffen, ebenfalls den ehemaligen Vorsitzenden\nals Zeugen zu horen, hat die Kammer den Beweisantrag als nicht\nentscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog) abgelehnt. Maßgebend\nhierfur ist, dass als wahr unterstellt werden kann, dass der Zeuge die unter\nBeweis gestellten Äußerungen und Sprechchore selbst nicht gehort hat. Diese\nbloße Hilfstatsache (vgl. hierzu Herdegen in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5.\nAufl. 2003, § 244 RdNr. 74) ist jedoch an sich nicht geeignet darzutun, dass\ndie streitbefangenen Äußerungen nicht doch gefallen sind und die genannten\nSprechchore nicht doch skandiert worden sind. \n--- \n| 46 \n--- \n| Soweit der Klager-Vertreter daruber hinaus die weiteren in seinem\nSchriftsatz vom 24.06.2004 angekundigten Beweisantrage gestellt hat, hat die\nKammer auch diese abgelehnt. Soweit die dort genannten Zeugen hatten bekunden\nsollen, bestimmte Äußerungen nicht gehort zu haben, gelten die vorstehenden\nAusfuhrungen entsprechend. Auch insoweit kann zwar unterstellt werden, dass\ndie als Zeugen benannten Personen diese Äußerungen tatsachlich nicht gehort\nhaben. Damit ist aber weder der Beweis gefuhrt, dass diese Äußerungen gar\nnicht gefallen sind, noch waren entsprechende Aussagen geeignet, die sich auf\ndie glaubhaften Angaben des als Zeugen vom Horensagen (sekundares\nBeweismittel; vgl. BGH, Urteil vom 31.03.1989 - 2 StR 706/88 -, NJW 1989,\n3291) vernommenen Beamten des Bayerischen Landesamts fur Verfassungsschutz\ngestutzte Überzeugung der Kammer in relevanter Weise zu beeinflussen. Es sind\neine Vielzahl von Grunden denkbar, aus denen Besucher einer Veranstaltung\neinzelne Äußerungen von Rednern bzw. Reaktionen des Publikums nicht\nwahrnehmen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Soweit der Klager beantragt hat, den im Jahresbericht 2001 zitierten, in\nder Turkei lebenden ehemaligen turkischen Justizminister zum Beweis der\nTatsache zu vernehmen, dass er die ihm zugeschriebenen Äußerungen auf einer\nVeranstaltung in Ulm nicht getan habe, hat das Gericht von seiner Befugnis\nnach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO Gebrauch gemacht. Die Anwendbarkeit dieser\nVorschrift auch im Verwaltungsprozess entspricht standiger Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschluss vom 27.03.2000 - 9 B 518.99 -,\nInfAuslR 2000, 412). Sie befreit das Gericht vom Verbot der Beweisantizipation\n(vgl. BGH, Urteil vom 18.01.1994 - 1 StR 745/93 - BGHSt 40, 60 = NJW 1994,\n1484). Die Kammer ist vorliegend der Überzeugung, dass diese beantragte\nBeweiserhebung keinen Einfluss auf den Gang des Verfahrens gehabt hatte, denn\nein Einfluss auf die auf Grund der mundlichen Verhandlung getroffene\nBeweiswurdigung kann auch fur den Fall ausgeschlossen werden, dass der\nbenannte Auslandszeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestatigen\nwurde. Der Wert der den Klager entlastenden Aussage ware von vornherein\nerheblich durch die engen Beziehungen des vom Klager als Redner eingeladenen\nZeugen - bei dem ein starkes Interesse daran, weder dem Klager noch seinen\neigenen politischen Zielen zu schaden, unterstellt werden kann - zum Klager\ngemindert. Zudem bestunden auch insoweit erhebliche Zweifel, ob die Erinnerung\neines Zeugen nach uber drei Jahren noch eine verlassliche Erkenntnis bietet.\nSchließlich ist auch zu berucksichtigen, dass der insoweit streitigen\nTatsachenbehauptung (Hinweis des ehemaligen Ministers auf die „schwierige\nSituation der FP" verbunden mit der Bitte an die Zuhorer, der FP vorerst kein\nGeld mehr in die Turkei zu schicken) nur eine geringe Bedeutung fur den\nsozialen Geltungsanspruch des Klagers zukommt und auf der anderen Seite die\nLadung des Zeugen nur unter Einschaltung turkischer Behorden moglich ware\n(vgl. die auch im Verwaltungsprozess anwendbare <BVerwG, Beschluss vom\n09.05.1983 - 9 B 10466.81 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 5>\nRechtshilfeordnung fur Zivilsachen <ZRHO>, Stichwort „Turkei", sowie das\nDeutsch-turkische Abkommen uber den Rechtsverkehr in Zivilsachen vom\n28.05.1929, RGBl. 1930 II S. 6, dort insbesondere Art. 9), so dass fur Ladung\nund Vernehmung des Zeugen ein erheblicher zeitlicher und organisatorischer\nAufwand und eine deutliche Verzogerung des Verfahrens entstunden. Dieser\nAufwand und der Nachteil einer zeitlich nicht absehbaren Verfahrensverzogerung\nerscheint im Hinblick auf die insoweit geringe Beeintrachtigung des sozialen\nGeltungsanspruchs des Klagers und die erhebliche Minderung des Beweiswerts der\nzu erwartenden Aussage unverhaltnismaßig (vgl. zu den Abwagungskriterien im\nRahmen von § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO BGH, Urteil vom 18.01.1994, a.a.O., und\nUrteil vom 25.04.2002 - 3 StR 506/01 -, NJW 2002, 2403; das BVerfG <Beschluss\nvom 21.08.1996 - 2 BvR 1304/96 -, NJW 1997, 999> hat die BGH-Rspr. bestatigt). \n--- \n| 48 \n--- \n| Da das Gericht somit auf Grund der mundlichen Verhandlung und der\nBeweisaufnahme zur Überzeugung gelangt ist, dass die streitbefangenen\nTatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen, war die Klage abzuweisen. \n--- \n| 49 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Berufung (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3\nund 4 VwGO) liegen nicht vor. \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 31 \n--- \n| Die auf Untersagung einer schlicht-hoheitlichen Tatigkeit, namlich der\nVerbreitung bestimmter, im Landesverfassungsschutzbericht 2001 enthaltener\nTatsachenbehauptungen gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage in\nder Form der Unterlassungsklage zulassig. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Es ist allgemein anerkannt, dass gegenuber offentlichen, in amtlicher\nEigenschaft von Hoheitstragern getatigten Äußerungen den Betroffenen ein\noffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zustehen kann, wobei offen\nbleiben kann, ob dieser sich dogmatisch unmittelbar aus einzelnen\nFreiheitsgrundrechten (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 GG; vgl. hierzu\nBVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2/87 -, NJW 1989, 2272, und Beschluss vom\n13.03.1991 - 7 B 99/90 -, NJW 1991, 1770) oder aus einfachem Recht in Form\neiner analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB (vgl. Laubinger, VerwArch. 1989,\n261, 291 ff.) ergibt. Der jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannte Anspruch\n(vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999 - 21 A 490/97 -, NVwZ-RR\n2000, 599 ff.) setzt einen rechtswidrigen Eingriff oder eine sonstige\nrechtswidrige Beeintrachtigung einer grundrechtlich oder einfach gesetzlich\ngeschutzten Rechtsposition voraus, ohne dass der Betroffene verpflichtet ware,\nden Eingriff oder die Beeintrachtigung zu dulden. Insoweit steht vorliegend\ndas allgemeine Personlichkeitsrecht mit dem auch juristischen Personen\nzustehenden gesetzlichen Recht auf Schutz der Ehre in analoger Anwendung des §\n823 Abs. 1 BGB in Rede. Dieses Recht steht auch Personenvereinigungen mit\nideeller Zielsetzung zu, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in\nihrem Aufgabenbereich betroffen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1989,\na.a.O.). Der Klager kann deshalb Abwehranspruche gegen unwahre\nTatsachenbehauptungen geltend machen. Tatsachliche Verfalschungen,\ninsbesondere das Unterschieben nicht getaner Äußerungen, sind dabei auch dann\nunzulassig, wenn sie nicht rufschadigend wirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n19.01.2000 - 3 B 100/99 -, NVwZ-RR 2000, 598; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil\nvom 23.04.1999, a.a.O.; Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, Anhang zu § 823\nRdNr. 44 f), so dass die vom Beklagten aufgeworfene Frage einer durch die\nbeanstandeten Tatsachenbehauptungen entstandenen Rufschadigung keiner\nEntscheidung bedarf. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Zulassigkeit der Klage kann auch nicht entgegengehalten werden, dass\nder Landesverfassungsschutzbericht 2001 bereits im Juli 2002 veroffentlicht\nworden und dieser Vorgang daher abgeschlossen ist. Denn der\nVerfassungsschutzbericht Baden-Wurttemberg 2001 ist nach wie vor ins Internet\neingestellt und unter der Adresse „www.verfassungsschutz-bw.de" jederzeit\nabrufbar. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Dem Klager steht hinsichtlich der von\nihm beanstandeten Tatsachenbehauptungen im Landesverfassungsschutzbericht 2001\nund deren Verbreitung kein Unterlassungsanspruch zu. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Einer Regierung steht grundsatzlich das Recht zur politischen\nMeinungsaußerung als ureigenes verfassungsmaßiges Recht gegenuber jedem zu,\nder sich an der politischen Auseinandersetzung beteiligt, ohne dass hierfur\neine ausdruckliche gesetzliche Ermachtigung erforderlich ware (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 13.04.1984 - 7 B 20/83 -, NJW 1984, 2591; VGH Baden-Wurtt.,\nUrteil vom 29.08.1988 - 1 S 1233/86 -). Dies schließt auch die Ermittlung und\nZusammenstellung gesellschaftlich relevanter Tatsachen sowie die\nVeroffentlichung von Informationen, Empfehlungen und gegebenenfalls Warnungen\nhieruber mit ein (vgl. VGH Baden-Wurtt., a.a.O., m.w.N.). Nach den §§ 12, 3\nLVSG obliegt dem Landesamt fur Verfassungsschutz in Erfullung der ihm\nobliegenden Aufgaben die Sammlung und Auswertung von Informationen,\nAuskunften, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen unter\nanderem uber Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische\nGrundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes\ngerichtet sind bzw. durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete\nVorbereitungshandlungen auswartige Belange der Bundesrepublik Deutschland\ngefahrden. Hieruber kann die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenen\nAnlass informiert werden. § 12 LVSG stellt indessen eine - abschließende -\nErmachtigungsgrundlage nur insofern dar, als in Satz 2 die Bekanntgabe\npersonenbezogener Daten im Hinblick auf den Datenschutz geregelt ist; im\nÜbrigen umschreibt diese Vorschrift lediglich einen - neben der\nAufgabenzuweisung in § 3 LVSG - weiteren Teilaspekt der Tatigkeit, namlich die\nUnterrichtung der Öffentlichkeit. Der vom Innenministerium Baden-Wurttemberg\nund dem Landesamt fur Verfassungsschutz Baden-Wurttemberg jahrlich\nherausgegebene Verfassungsschutzbericht ist eine Publikation im Rahmen der\nÖffentlichkeitsarbeit und stellt als solcher einen Tatigkeitsbericht uber die\nim Laufe des Berichtszeitraums durchgefuhrten Maßnahmen sowie die dabei\ngewonnenen Erkenntnisse dar (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 30.06.1993 - 18\nK 1685/93 -). Daruber hinaus nimmt er eine wertende Beurteilung der gewonnenen\nErkenntnisse vor, die aber vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens ist. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die vorliegend streitbefangenen Äußerungen des Beklagten enthalten\nausschließlich Tatsachenbehauptungen, denn sie sind in ihrem Gehalt als etwas\nGeschehenes einer objektiven Klarung und damit dem Beweis zuganglich (vgl.\nBGH, Urteil vom 30.05.1974 - VI ZR 174/72 -, LM § 824 BGB Nr. 18 Bl. 1 m.w.N.,\nUrteil vom 13.10.1964 - VI ZR 167/63 -, NJW 1965, 35 f, Urteil vom 20.05.1986\n- VI ZR 242/85 -, NJW 1987, 1398 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom\n23.04.1999, a.a.O.). \n--- \n| 37 \n--- \n| Vorliegend hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass sowohl die\nzitierten Aussagen - Äußerungen einzelner Personen bzw. auf Veranstaltungen\nskandierte Parolen - so gemacht worden sind als auch die behauptete Internet-\nBereinigung stattgefunden hat und die vom Klager gerugten\nTatsachenbehauptungen damit der Wahrheit entsprechen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die im Verfassungsschutzbericht Baden-Wurttemberg 2001 auf Seite 148, 3.\nAbsatz (Druckversion) aufgestellte Behauptung, nach dem 11. September 2001\nseien Internet-Angebote der Organisation (des Klagers) von belastenden Seiten\nund Links bereinigt worden, hat der Beklagte durch Vorlage entsprechender\nAusdrucke aus dem Internet belegt. Danach enthielt die Homepage der Zentrale\ndes Klagers in ... beispielsweise noch am 20.08.2001 unter anderem Verweise\nauf die Homepages der Presseorgane „Akit" und „Milli Gazete", die nach dem\n11.09.2001 fehlten. Ebenfalls geloscht wurde nach den Terroranschlagen in den\nUSA des Weiteren eine auf der Homepage des „... Mannheim/..." noch am\n25.08.2000 enthaltener Link zu „www....", wo sich unter anderem der\nmilitarische Ausbildung jeglicher Art als islamische Verpflichtung mit\nTrainings-Anleitungen, unter anderem zum Umgang mit Handfeuerwaffen,\npropagierende Beitrag fand, „Wie kann ich fur den Jihad trainieren?". Nach dem\n11.09.2001 war die Homepage der „... Mannheim/..." geandert und enthielt einen\nBeitrag mit der Überschrift „Wer steckt hinter den Anschlagen". Die Äußerungen\nder ... Mannheim sind dem Klager nach Überzeugung des Gerichts auch\nzuzurechnen. Dies ergibt sich schon aus seiner Organisationsstruktur, bei der\nseine Mitglieder ausweislich des Verfassungsschutzberichts Baden-Wurttemberg\n2001 - unwidersprochen - in 60 Vereinen organisiert sind, die ihrerseits in\nvier regionale Verbande eingegliedert sind. \n--- \n| 39 \n--- \n| Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Klager bereits langere Zeit\nvor dem Terroranschlag am 11.09.2001 an einer neuen Homepage gearbeitet hat,\ndenn der zeitliche Zusammenhang zwischen diesem Terroranschlag und der\nÄnderung der Homepages des Klagers wird hierdurch nicht beruhrt, weshalb es\nauf die Grunde dieser Änderung nicht ankommt. Soweit im Übrigen die genannten\nLinks auf den Homepages des Klagers im Verfassungsschutzbericht 2001 als\n„belastend" bezeichnet werden, handelt es sich nicht um eine\nTatsachenbehauptung, sondern um eine Wertung, die nach der ausdrucklichen\nErklarung des Klager-Vertreters in der mundlichen Verhandlung nicht Gegenstand\ndes Verfahrens ist. \n--- \n| 40 \n--- \n| Auch hinsichtlich der ubrigen streitgegenstandlichen Tatsachenbehauptungen\nhat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass diese wahr sind. \n--- \n| 41 \n--- \n| Zwar hat der Beklagte insoweit weder die Behordenakten vorgelegt noch\nunmittelbare Zeugen hierfur benannt. Doch hat der Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Wurttemberg durch Beschluss vom 24.03.2004 - 14 S 93/04 - rechtskraftig\nentschieden, dass die Verweigerung der Vorlage der den Klager betreffenden\nAkten des Bayerischen Landesamts fur Verfassungsschutz durch das Bayerische\nStaatsministerium des Innern rechtmaßig ist. Schon aus diesem Grund kann der\nKlager nicht mehr damit gehort werden, das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2\nVwGO ( sog. „in-camera"-Verfahren) sei nicht ordnungsgemaß durchgefuhrt\nworden, weil nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2003 - 20\nF 13.03 - (DVBl. 2000, 254) vor Durchfuhrung dieses Zwischenverfahrens\nregelmaßig durch Beweisbeschluss klargestellt werden musse, welche\nBehordenakten entscheidungserheblich seien, was vorliegend indessen nicht\ngeschehen sei. Hinzu kommt, dass nach der genannten Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts der Erlass eines solchen Beweisbeschlusses dann\nentbehrlich ist, wenn - wie hier - die zuruckgehaltenen Unterlagen\nzweifelsfrei entscheidungserheblich sind. Dass diese nach Auffassung der\nKammer entscheidungserheblich sind, folgt schon aus der Verfugung des\nVorsitzenden vom 24.02.2003, mit der das Bayerische Landesamt fur\nVerfassungsschutz aufgefordert worden war, unter Bezugnahme auf sein im\nVerfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes vorgelegtes Schreiben vom 30.10.2002\nan das Landesamt fur Verfassungsschutz Baden-Wurttemberg die dort genannten\n„nachrichtendienstlichen Quellen" und die entsprechenden Unterlagen offen zu\nlegen. \n--- \n| 42 \n--- \n| Allerdings fuhrt die Rechtmaßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage nicht\ndazu, dass das Gericht schon deshalb von der Richtigkeit der streitbefangenen\nTatsachenbehauptungen, fur die der Beklagte beweispflichtig ist, auszugehen\nhat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.07.2002 - 2 AV 1/02 -, NVwZ 2002,1249).\nVielmehr unterliegt dies der Beweiswurdigung des Gerichts (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 01.02.1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133). \n--- \n| 43 \n--- \n| Zunachst ist in diesem Zusammenhang zu berucksichtigen, dass sich der\nBeklagte dadurch, dass es ihm aus Grunden der Staatssicherheit nicht moglich\nist, seine Erkenntnisquellen außerhalb des „in-camera"-Verfahrens offen zu\nlegen, in einer Art Beweisnot befindet. Daruber hinaus hat der als Zeuge\ngehorte Bedienstete des Bayerischen Landesamts fur Verfassungsschutz in\nallgemeiner Weise uberzeugend dargelegt, auf welche Art und Weise\nverfassungsschutzrelevante Erkenntnisse gewonnen und uberpruft werden und dass\nvor einer Veroffentlichung interne Kontrollmechanismen vorgeschaltet sind.\nInsbesondere werden danach nur von verschiedenen Quellen bestatigte\nInformationen verwertet. Im Hinblick darauf, dass nach dessen Angaben die\neingesetzten unmittelbaren V-Leute auch die erforderlichen\nFremdsprachenkenntnisse besitzen und ihre Erkenntnisse zeitnah berichten, ist\nnach Überzeugung des Gerichts gewahrleistet, dass zusammen mit dem Einsatz\nqualifizierter Dolmetscher Verstandnis- und Übertragungsfehler weitestgehend\nausgeschlossen sind. Hinzu kommt, dass dieser mittelbare Zeuge erklart hat, er\nsei nach eigener Überprufung aller Quellen und sonstigen Unterlagen zur\nÜberzeugung gelangt, dass die streitbefangenen Tatsachenbehauptungen uber den\nInhalt bestimmter Redebeitrage und der Skandierung der vorgenannten Parolen\nallesamt der Wahrheit entsprechen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafur, dass\ndiese Angaben des mittelbaren Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen, sind nach\nÜberzeugung der Kammer nicht erkennbar. \n--- \n| 44 \n--- \n| Demgegenuber hat der als Zeuge vernommene - im Jahresbericht 2001 zitierte\n- ehemalige Vorsitzende des Klagers zwar bekundet, die ihm zugeschriebenen\nÄußerungen bei einer Veranstaltung des Klagers am 04.06.2001 in Neu-Ulm so\nnicht gemacht zu haben. Das Gericht halt es indessen fur wenig wahrscheinlich,\ndass sich ein Zeuge nach uber drei Jahren noch an den genauen Wortlaut\nbestimmter Äußerungen erinnert, zumal der Zeuge zu diesem Thema bei\nzahlreichen Veranstaltungen im Jahre 2001 gesprochen hat. Hinzu kommt, dass\nder Zeuge als ehemaliger Vorsitzender der Klagerin nach Überzeugung der Kammer\nnach wie vor daran interessiert ist, die fur den Klager negativen\nFeststellungen des Beklagten zu widerlegen, so dass seine Aussage auch unter\ndiesem Gesichtspunkt nicht geeignet ist, die streitigen Tatsachenbehauptungen\nin Zweifel zu ziehen. \n--- \n| 45 \n--- \n| Soweit der Klager-Vertreter beantragt hat, zum Beweis dafur, dass die in\nseinem Schriftsatz vom 04.12.2002 unter I c) und e) genannten\nTatsachenbehauptungen nicht zutreffen, ebenfalls den ehemaligen Vorsitzenden\nals Zeugen zu horen, hat die Kammer den Beweisantrag als nicht\nentscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog) abgelehnt. Maßgebend\nhierfur ist, dass als wahr unterstellt werden kann, dass der Zeuge die unter\nBeweis gestellten Äußerungen und Sprechchore selbst nicht gehort hat. Diese\nbloße Hilfstatsache (vgl. hierzu Herdegen in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5.\nAufl. 2003, § 244 RdNr. 74) ist jedoch an sich nicht geeignet darzutun, dass\ndie streitbefangenen Äußerungen nicht doch gefallen sind und die genannten\nSprechchore nicht doch skandiert worden sind. \n--- \n| 46 \n--- \n| Soweit der Klager-Vertreter daruber hinaus die weiteren in seinem\nSchriftsatz vom 24.06.2004 angekundigten Beweisantrage gestellt hat, hat die\nKammer auch diese abgelehnt. Soweit die dort genannten Zeugen hatten bekunden\nsollen, bestimmte Äußerungen nicht gehort zu haben, gelten die vorstehenden\nAusfuhrungen entsprechend. Auch insoweit kann zwar unterstellt werden, dass\ndie als Zeugen benannten Personen diese Äußerungen tatsachlich nicht gehort\nhaben. Damit ist aber weder der Beweis gefuhrt, dass diese Äußerungen gar\nnicht gefallen sind, noch waren entsprechende Aussagen geeignet, die sich auf\ndie glaubhaften Angaben des als Zeugen vom Horensagen (sekundares\nBeweismittel; vgl. BGH, Urteil vom 31.03.1989 - 2 StR 706/88 -, NJW 1989,\n3291) vernommenen Beamten des Bayerischen Landesamts fur Verfassungsschutz\ngestutzte Überzeugung der Kammer in relevanter Weise zu beeinflussen. Es sind\neine Vielzahl von Grunden denkbar, aus denen Besucher einer Veranstaltung\neinzelne Äußerungen von Rednern bzw. Reaktionen des Publikums nicht\nwahrnehmen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Soweit der Klager beantragt hat, den im Jahresbericht 2001 zitierten, in\nder Turkei lebenden ehemaligen turkischen Justizminister zum Beweis der\nTatsache zu vernehmen, dass er die ihm zugeschriebenen Äußerungen auf einer\nVeranstaltung in Ulm nicht getan habe, hat das Gericht von seiner Befugnis\nnach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO Gebrauch gemacht. Die Anwendbarkeit dieser\nVorschrift auch im Verwaltungsprozess entspricht standiger Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschluss vom 27.03.2000 - 9 B 518.99 -,\nInfAuslR 2000, 412). Sie befreit das Gericht vom Verbot der Beweisantizipation\n(vgl. BGH, Urteil vom 18.01.1994 - 1 StR 745/93 - BGHSt 40, 60 = NJW 1994,\n1484). Die Kammer ist vorliegend der Überzeugung, dass diese beantragte\nBeweiserhebung keinen Einfluss auf den Gang des Verfahrens gehabt hatte, denn\nein Einfluss auf die auf Grund der mundlichen Verhandlung getroffene\nBeweiswurdigung kann auch fur den Fall ausgeschlossen werden, dass der\nbenannte Auslandszeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestatigen\nwurde. Der Wert der den Klager entlastenden Aussage ware von vornherein\nerheblich durch die engen Beziehungen des vom Klager als Redner eingeladenen\nZeugen - bei dem ein starkes Interesse daran, weder dem Klager noch seinen\neigenen politischen Zielen zu schaden, unterstellt werden kann - zum Klager\ngemindert. Zudem bestunden auch insoweit erhebliche Zweifel, ob die Erinnerung\neines Zeugen nach uber drei Jahren noch eine verlassliche Erkenntnis bietet.\nSchließlich ist auch zu berucksichtigen, dass der insoweit streitigen\nTatsachenbehauptung (Hinweis des ehemaligen Ministers auf die „schwierige\nSituation der FP" verbunden mit der Bitte an die Zuhorer, der FP vorerst kein\nGeld mehr in die Turkei zu schicken) nur eine geringe Bedeutung fur den\nsozialen Geltungsanspruch des Klagers zukommt und auf der anderen Seite die\nLadung des Zeugen nur unter Einschaltung turkischer Behorden moglich ware\n(vgl. die auch im Verwaltungsprozess anwendbare <BVerwG, Beschluss vom\n09.05.1983 - 9 B 10466.81 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 5>\nRechtshilfeordnung fur Zivilsachen <ZRHO>, Stichwort „Turkei", sowie das\nDeutsch-turkische Abkommen uber den Rechtsverkehr in Zivilsachen vom\n28.05.1929, RGBl. 1930 II S. 6, dort insbesondere Art. 9), so dass fur Ladung\nund Vernehmung des Zeugen ein erheblicher zeitlicher und organisatorischer\nAufwand und eine deutliche Verzogerung des Verfahrens entstunden. Dieser\nAufwand und der Nachteil einer zeitlich nicht absehbaren Verfahrensverzogerung\nerscheint im Hinblick auf die insoweit geringe Beeintrachtigung des sozialen\nGeltungsanspruchs des Klagers und die erhebliche Minderung des Beweiswerts der\nzu erwartenden Aussage unverhaltnismaßig (vgl. zu den Abwagungskriterien im\nRahmen von § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO BGH, Urteil vom 18.01.1994, a.a.O., und\nUrteil vom 25.04.2002 - 3 StR 506/01 -, NJW 2002, 2403; das BVerfG <Beschluss\nvom 21.08.1996 - 2 BvR 1304/96 -, NJW 1997, 999> hat die BGH-Rspr. bestatigt). \n--- \n| 48 \n--- \n| Da das Gericht somit auf Grund der mundlichen Verhandlung und der\nBeweisaufnahme zur Überzeugung gelangt ist, dass die streitbefangenen\nTatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen, war die Klage abzuweisen. \n--- \n| 49 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Berufung (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3\nund 4 VwGO) liegen nicht vor. \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
139,986
ag-mannheim-2004-07-14-12-c-13704
63
Amtsgericht Mannheim
ag-mannheim
Mannheim
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
12 C 137/04
2004-07-14
2019-01-07 14:47:09
2019-01-17 12:00:10
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager 1.500,-- EUR nebst 5 % Zinsen\nhieraus uber dem Basiszins seit 03.02.2004 Zug um Zug gegen Übertragung der\nRechte an der Internetdomain „xyz.de" auf den Beklagten zu zahlen.\n\n2\\. Der Beklagte wird daruber hinaus verurteilt, den Klager durch Zahlung von\n114,55 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus uber dem Basiszins seit 03.02.2004 an die\nProzessbevollmachtigten des Klagers von den nichtanrechenbaren Kosten der\naußergerichtlichen Forderungsgeltendmachung freizustellen.\n\n3\\. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.\n\n4\\. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n5\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des\nbeizutreibenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager macht den Kaufpreis fur eine Internetdomain sowie die\nFreistellung von Anwaltskosten und Feststellung des Annahmeverzuges des\nBeklagten geltend. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im November 2003 hatte der Klager die Internetdomain „xyz.de" auf dem\nDomainhandelsportal www.XY.de zum Festpreis von 1.500,-- EUR zum Kauf\nangeboten. Der Vorgang verlief in drei Schritten. Zunachst erfolgte nach dem\nLog-in die Suche nach dem gewunschten Domainnamen. Durch Anklicken der\nvirtuellen Schaltflache („Button") „weitere Info" gelangte der Beklagte zu\neinem weiteren Fenster, in dem Details zu dem gewahlten Angebot gezeigt wurden\nund die Moglichkeit zur Abgabe eines Gebots durch Anklicken der Schaltflache\n„Domain zu diesem Preis kaufen" (daruber war der vorgesehene Verkaufspreis von\n1.500.- EUR eingesetzt) eingeraumt wird. Alternativ konnte der Beklagte auch\ndas „XY-Transaktions-Team" mit Verhandlungen fur eine Übernahme der Domain\nbeauftragen. Nach Anklicken der genannten Schaltflache gelangte der Beklagte\nzu einem weiteren sich offnenden Fenster, in dem die gewahlte Domain nochmals\naufgefuhrt wurde, sowie der Kauf von 1.500.- EUR. Jedenfalls befand sich noch\nauf diesem Fenster vor der virtuellen Schaltflache „Domain verbindlich kaufen"\nfolgender Text: „Transaktions- und Treuhandservice: \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Anbieter der Domain wunscht die Abwicklung der Domaintransaktion uber\nden Transaktions- und Treuhandservice von XY. Dies garantiert beiden Seiten\neinen sicheren Ablauf des Domainverkaufs. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit dem Kauf der Domain stimmen Sie der Abwicklung des Domainverkauf und\nder Transaktion uber die XY zu. Die im Zusammenhang mit diesem Service\nanfallenden Kosten tragt ganzlich der Anbieter der Domain!" \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte betatigte auch die letztgenannte Schaltflache (Anlage K 3 = AS\n30 ff). Der Beklagte gab beim Log-in seinen Namen und die Anschrift seines\nArbeitgebers, der Firma P GmbH, ein, namlich Vorname.Nachname@pGmbH.de \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 20.11.2003 rief der Beklagte bei der Firma XY an und erklarte, dass er\nmit dem Anklicken des Buttons keinen Kaufvertrag habe schließen wollen. Er\nhabe angenommen, noch weitere Informationen zu erhalten. Die Firma XY erhielt\nam 20.11.2003 von dem Klager den Auftrag zur Transaktion der besagten\nInternetdomain. Die Firma XY unterrichtete wiederum den Beklagten hiervon. Der\nBeklagte bezahlte den Kaufpreis nicht und ubernahm auch nicht die Domain. Der\nProzessbevollmachtigte des Klagers fuhrte mit der Firma XY und mit dem\nBeklagten in dieser Angelegenheit telefonische Gesprache durch. Der Klager hat\nseinem Prozessbevollmachtigten die hierfur angefallene Besprechungsgebuhr\nnicht bezahlt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager vertritt die Auffassung, zwischen den Parteien sei ein\nKaufvertrag uber die Domain „xyz.de" zustande gekommen und begehrt vom\nBeklagten dessen Erfullung. \n--- \n| 8 \n--- \n| Er beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| wie erkannt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| Klagabweisung. \n--- \n| 12 \n--- \n| Er tragt vor, er habe nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der PGmbH,\nseiner Arbeitgeberin, gehandelt. Der Geschaftsfuhrer dieser Firma habe ihn\nbeauftragt, im Internet nachzuschauen, ob die Domain „xyz.de" zu ersteigern\nsei. Der Beklagte habe dabei die Vorgabe gehabt, maximal ein Gebot in Hohe von\n500,-- EUR abzugeben. Bereits auf Grund der Verwendung der E-Mail - Adresse\nder Firma sei erkennbar gewesen, dass der Beklagte fur seinen Arbeitgeber\ngehandelt habe und nicht in eigenem Namen. Des Weiteren vertritt der Beklagte\ndie Auffassung, es sei kein Vertrag mit zwei sich deckenden Willenserklarungen\nzu Stande gekommen, es handele sich vielmehr um eine letztlich gescheiterte\nVertragsanbahnung. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beklagte habe bei Anklicken des Buttons „Domain verbindlich kaufen "\nkeinen Rechtsbindungswillen gehabt. Er habe geglaubt, es werde sich eine\nweitere Oberflache offnen, auf der er dann noch nahere Angaben zu einem\nmoglichen Verkauf bekommen wurde. Die Firma XY habe durch die Gestaltung der\nentscheidenden Oberflache gegen die Vorschriften des § 312 e Abs. 1 BGB zum\nÜbereilungsschutz verstoßen. Die dritte Oberflache sei bis zum 08.12.2003 noch\nanders gestaltet gewesen als jetzt. Zum fraglichen Zeitpunkt sei weder der\nVertrag online verfugbar gewesen, noch sei der Text „Bitte uberprufen..." bis\nzu der Schaltflache „Domain verbindlich kaufen" erschienen. Dies sei erst seit\ndem 08.12.2003 der Fall. \n--- \n| 14 \n--- \n| Erwidernd hierauf tragt der Klager vor, auch das dritte Fenster sei am\n20.11.2003 genauso gestaltet gewesen wie heute. Aufgrund des Bestellablaufes\nsei ein Irrtum des Beklagten auszuschließen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Hinsichtlich des weitergehenden Parteivortrages wird auf die bei den Akten\nbefindlichen Schriftsatze nebst vorgelegten Anlagen Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung des\nKaufpreises fur die Zug um Zug zu ubertragende Domain „xyz.de" gemaß § 433\nAbs. 2 BGB in Hohe von 1.500,-- EUR nebst den weiteren ausgeurteilten\nNebenanspruchen. \n--- \nI. \n--- \n| 18 \n--- \n| Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag hieruber zustande\ngekommen, der auch nicht durch eine Widerrufs- bzw. Anfechtungserklarung des\nBeklagten vernichtet worden ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| 1) Durch das Anklicken der virtuellen Schaltflache „Domain verbindlich\nkaufen " hat der Beklagte einen verbindlichen Antrag auf Abschluss eines\nKaufvertrages uber die besagte Domain abgegeben. Der Klager bzw. die Firma XY\nals dessen Empfangsvertreter durfte das Verhalten des Beklagten entsprechend\nverstehen (vgl. z.B. Landgericht Bonn, CR 2002, 293 - 295 m.w.N.; BGHZ 149,\n129 - 139 Punkt II, Unterpunkt 3 m.w.N.). Zutreffend geht der Beklagte davon\naus, dass die Gestaltung der Internetseite der XY das „Angebot" der Domain\nnoch nicht als verbindlichen Kaufvertragsantrag erscheinen lasst, sondern als\n„invitatio ad offerendum". Ansonsten bestunde in der Tat fur mehrere\nTeilnehmer die Moglichkeit, den verbindlichen Antrag auf Abschluss eines\nKaufvertrages gleichzeitig oder nacheinander anzunehmen, obwohl der Klager den\nKaufvertrag nur einmal erfullen konnte. Dass die Firma XY Vorkehrungen\ngetroffen hatte, dass nach Anklicken der Schaltflache „Domain verbindlich\nkaufen " diese Schaltflache fur andere Internetteilnehmer sofort „gesperrt"\nwurde (was technisch wohl durchfuhrbar ware), hat der Klager nicht dargelegt. \n--- \n| 20 \n--- \n| 2) Unstreitig hat die Firma XY dem Klager den Antrag des Beklagten am\ngleichen Tage ubermittelt und von diesem den Transaktionsauftrag erhalten.\nDiese - als Annahme des Antrags zu verstehende - Erklarung des Klagers hat die\nFirma XY unstreitig am gleichen Tage auch an den Beklagten ubermittelt. Der\nBeklagte war an seinen Antrag zu diesem Zeitpunkt auch noch gemaß §§ 145, 147\nAbs. 2 BGB gebunden. Die diesbezugliche Willenserklarung des Beklagten war\nauch im Hinblick auf den Vertragspartner hinreichend bestimmt. Zwar war dem\nBeklagten zum Zeitpunkt der Antragsabgabe der Name des Klagers unbekannt. Er\nwollte jedoch den Antrag gegenuber dem Inhaber der Domain „xyz.de" abgeben.\nDamit war der Erklarungsgegner hinreichend bestimmt. Unerheblich ist im\nÜbrigen, ob ein Eigengeschaft des Beklagten vorliegt oder nicht. Zutreffend\nhat der Klager darauf verwiesen, dass bei Unterstellung des Vortrages des\nBeklagten zum Zustandekommen des Geschafts der Beklagte gemaß § 179 Abs. 1,1.\nAlternative, BGB zur Erfullung des Rechtsgeschafts in eigener Person\nverpflichtet ware. \n--- \n| 21 \n--- \n| 3) Der Antrag des Beklagten ist auch nicht durch dessen telefonische\nWiderrufs- bzw. Anfechtungserklarung gegenuber der Firma XY beseitigt worden. \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Der Widerruf ist nicht gemaß § 130 Abs. I Satz 2 BGB vor oder\ngleichzeitig mit Zugang der Kaufantragserklarung zugegangen. Die elektronisch\nubermittelte Antragserklarung des Beklagten, die eine Willenserklarung unter\nAbwesenden darstellt (vgl. Bamberger - Roth, BGB, Bearbeiter Eckert, R.6 zu §\n147; Munchner Kommentar - Einsele, BGB, 4. Auflage, R.18 zu § 130) wurde in\neinem Datenspeicher des Providers zwischengespeichert und sodann in\nSchriftzeichen angezeigt (dies ist jedenfalls ublich). Es ist davon\nauszugehen, dass diese graphitierte Erklarung in sehr kurzer Zeit, jedenfalls\nvor dem Telefonat des Beklagten derart in den Machtbereich der als\nEmpfangsvertreterin fungierenden XY (hierauf kommt es an, vgl. MuKo a.a.O.\nR.27 m.w.N.) gelangt war, dass sie unter normalen Umstanden von der XY\nabgerufen werden konnte. Eine andere Abfolge legt der Parteivortrag nicht\nnahe. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Ein Widerrufsrecht gemaß § 312 d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 355 BGB stand dem\nBeklagten nicht zu. Denn er war nicht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB\nanzusehen. Er hat - insoweit zwischen den Parteien unstreitig - zu\ngewerblichen Zwecken gehandelt. Dies liegt im Übrigen auch in der Natur des\nKaufgegenstandes. \n--- \n| 24 \n--- \n| c) Der Antrag des Beklagten ist auch nicht durch Anfechtung gemaß §§ 119,\n142 BGB vernichtet worden. Unschadlich ist zwar, dass die als\nAnfechtungserklarung auszulegende Erklarung des Beklagten telefonisch\ngegenuber der Firma XY ausgesprochen wurde und nicht gegenuber dem Klager.\nDenn dieser bediente sich der Firma XY als Empfangsvertreter, so dass § 143\nAbs. 1 BGB Genuge getan war (vgl. MuKo a.a.O., R.27). Es ist auch von der\nherrschenden Meinung anerkannt, dass ein fehlender Rechtsbindungswille trotz\nobjektiv gegenteiligen Erklarungsgehaltes zur Anfechtung berechtigen kann\n(vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rdnr. 22 zu § 119 m.w.N.). Das\nGericht erachtet es jedoch nicht als nachgewiesen, dass der Beklagte sich bei\nAnklicken des Buttons „Domain verbindlich kaufen" tatsachlich nicht bewusst\nwar, nunmehr eine rechtsverbindliche, auf Ankauf der Domain gerichtete,\nWillenserklarung abzugeben. Es mag sein, dass ihn sein Verhalten hernach\ngereut hat. Auf Grund der Gestaltung der Fenster der Firma XY und des\nErfahrungshintergrundes des Beklagten halt das Gericht aber das Fehlen eines\nErklarungsbewusstseins seitens des Beklagten nicht fur hinreichend im Sinne\ndes § 286 ZPO nachgewiesen. Selbst wenn man unterstellte, dass Schritt 3 der\nvon der Firma XY gestalteten Ankaufsprozedur zum Einkaufszeitpunkt so\nausgestaltet gewesen sein sollte, wie vom Beklagten zuletzt vorgetragen, ist\ndavon auszugehen, dass der Beklagte als Geschaftsmann hinreichend „gewarnt"\nwar, dass er nunmehr eine rechtsverbindliche Erklarung abzugeben im Begriff\nwar. Dies ware unter Umstanden schon der Fall gewesen, wenn der Beklagte, wie\ner zunachst vortragen ließ, lediglich die Schaltflache auf Stufe 2 „Domain zu\ndiesem Preis kaufen" angeklickt hatte. Jedenfalls der Text betreffend den\nTransaktions- und Treuhandservice in Verbindung mit dem Text der Schaltflache\n„Domain verbindlich kaufen" musste dem Beklagten, der ersichtlich (das ergab\nauch das Gesprach in der mundlichen Verhandlung, wonach der Beklagte ohne\nweiteres in der Lage gewesen ware, den Inhaber der Domain im Internet zu\nermitteln) kein „Anfanger-User", der unbedacht „herumklickt", war, sondern ein\ninterneterfahrener Geschaftsmann, hinlanglich die Tatsache ins Bewusstsein\nrufen, dass er eine verbindliche Erklarung abgeben wurde, wenn er den\nfraglichen Button betatigte. Es liegen jedenfalls erhebliche, die Überzeugung\ndes § 286 ZPO ausschließende, Zweifel des Gerichts daran vor, dass ein Irrtum\ndes Beklagten uber die Rechtsverbindlichkeit seines Handelns vorlag. \n--- \nII. \n--- \n| 25 \n--- \n| Da sich der Beklagte in Verzug befand, schuldet er auch die geltend gemachte\nFreistellung des Klagers von dessen nicht anrechenbaren Anwaltskosten. Ferner\nhatte der Klager auch Anspruch auf die Feststellung, dass sich der Beklagte in\nAnnahmeverzug befindet. \n--- \nIII. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Nebenforderung folgt aus § 286 ff. BGB. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung des\nKaufpreises fur die Zug um Zug zu ubertragende Domain „xyz.de" gemaß § 433\nAbs. 2 BGB in Hohe von 1.500,-- EUR nebst den weiteren ausgeurteilten\nNebenanspruchen. \n--- \nI. \n--- \n| 18 \n--- \n| Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag hieruber zustande\ngekommen, der auch nicht durch eine Widerrufs- bzw. Anfechtungserklarung des\nBeklagten vernichtet worden ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| 1) Durch das Anklicken der virtuellen Schaltflache „Domain verbindlich\nkaufen " hat der Beklagte einen verbindlichen Antrag auf Abschluss eines\nKaufvertrages uber die besagte Domain abgegeben. Der Klager bzw. die Firma XY\nals dessen Empfangsvertreter durfte das Verhalten des Beklagten entsprechend\nverstehen (vgl. z.B. Landgericht Bonn, CR 2002, 293 - 295 m.w.N.; BGHZ 149,\n129 - 139 Punkt II, Unterpunkt 3 m.w.N.). Zutreffend geht der Beklagte davon\naus, dass die Gestaltung der Internetseite der XY das „Angebot" der Domain\nnoch nicht als verbindlichen Kaufvertragsantrag erscheinen lasst, sondern als\n„invitatio ad offerendum". Ansonsten bestunde in der Tat fur mehrere\nTeilnehmer die Moglichkeit, den verbindlichen Antrag auf Abschluss eines\nKaufvertrages gleichzeitig oder nacheinander anzunehmen, obwohl der Klager den\nKaufvertrag nur einmal erfullen konnte. Dass die Firma XY Vorkehrungen\ngetroffen hatte, dass nach Anklicken der Schaltflache „Domain verbindlich\nkaufen " diese Schaltflache fur andere Internetteilnehmer sofort „gesperrt"\nwurde (was technisch wohl durchfuhrbar ware), hat der Klager nicht dargelegt. \n--- \n| 20 \n--- \n| 2) Unstreitig hat die Firma XY dem Klager den Antrag des Beklagten am\ngleichen Tage ubermittelt und von diesem den Transaktionsauftrag erhalten.\nDiese - als Annahme des Antrags zu verstehende - Erklarung des Klagers hat die\nFirma XY unstreitig am gleichen Tage auch an den Beklagten ubermittelt. Der\nBeklagte war an seinen Antrag zu diesem Zeitpunkt auch noch gemaß §§ 145, 147\nAbs. 2 BGB gebunden. Die diesbezugliche Willenserklarung des Beklagten war\nauch im Hinblick auf den Vertragspartner hinreichend bestimmt. Zwar war dem\nBeklagten zum Zeitpunkt der Antragsabgabe der Name des Klagers unbekannt. Er\nwollte jedoch den Antrag gegenuber dem Inhaber der Domain „xyz.de" abgeben.\nDamit war der Erklarungsgegner hinreichend bestimmt. Unerheblich ist im\nÜbrigen, ob ein Eigengeschaft des Beklagten vorliegt oder nicht. Zutreffend\nhat der Klager darauf verwiesen, dass bei Unterstellung des Vortrages des\nBeklagten zum Zustandekommen des Geschafts der Beklagte gemaß § 179 Abs. 1,1.\nAlternative, BGB zur Erfullung des Rechtsgeschafts in eigener Person\nverpflichtet ware. \n--- \n| 21 \n--- \n| 3) Der Antrag des Beklagten ist auch nicht durch dessen telefonische\nWiderrufs- bzw. Anfechtungserklarung gegenuber der Firma XY beseitigt worden. \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Der Widerruf ist nicht gemaß § 130 Abs. I Satz 2 BGB vor oder\ngleichzeitig mit Zugang der Kaufantragserklarung zugegangen. Die elektronisch\nubermittelte Antragserklarung des Beklagten, die eine Willenserklarung unter\nAbwesenden darstellt (vgl. Bamberger - Roth, BGB, Bearbeiter Eckert, R.6 zu §\n147; Munchner Kommentar - Einsele, BGB, 4. Auflage, R.18 zu § 130) wurde in\neinem Datenspeicher des Providers zwischengespeichert und sodann in\nSchriftzeichen angezeigt (dies ist jedenfalls ublich). Es ist davon\nauszugehen, dass diese graphitierte Erklarung in sehr kurzer Zeit, jedenfalls\nvor dem Telefonat des Beklagten derart in den Machtbereich der als\nEmpfangsvertreterin fungierenden XY (hierauf kommt es an, vgl. MuKo a.a.O.\nR.27 m.w.N.) gelangt war, dass sie unter normalen Umstanden von der XY\nabgerufen werden konnte. Eine andere Abfolge legt der Parteivortrag nicht\nnahe. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Ein Widerrufsrecht gemaß § 312 d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 355 BGB stand dem\nBeklagten nicht zu. Denn er war nicht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB\nanzusehen. Er hat - insoweit zwischen den Parteien unstreitig - zu\ngewerblichen Zwecken gehandelt. Dies liegt im Übrigen auch in der Natur des\nKaufgegenstandes. \n--- \n| 24 \n--- \n| c) Der Antrag des Beklagten ist auch nicht durch Anfechtung gemaß §§ 119,\n142 BGB vernichtet worden. Unschadlich ist zwar, dass die als\nAnfechtungserklarung auszulegende Erklarung des Beklagten telefonisch\ngegenuber der Firma XY ausgesprochen wurde und nicht gegenuber dem Klager.\nDenn dieser bediente sich der Firma XY als Empfangsvertreter, so dass § 143\nAbs. 1 BGB Genuge getan war (vgl. MuKo a.a.O., R.27). Es ist auch von der\nherrschenden Meinung anerkannt, dass ein fehlender Rechtsbindungswille trotz\nobjektiv gegenteiligen Erklarungsgehaltes zur Anfechtung berechtigen kann\n(vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rdnr. 22 zu § 119 m.w.N.). Das\nGericht erachtet es jedoch nicht als nachgewiesen, dass der Beklagte sich bei\nAnklicken des Buttons „Domain verbindlich kaufen" tatsachlich nicht bewusst\nwar, nunmehr eine rechtsverbindliche, auf Ankauf der Domain gerichtete,\nWillenserklarung abzugeben. Es mag sein, dass ihn sein Verhalten hernach\ngereut hat. Auf Grund der Gestaltung der Fenster der Firma XY und des\nErfahrungshintergrundes des Beklagten halt das Gericht aber das Fehlen eines\nErklarungsbewusstseins seitens des Beklagten nicht fur hinreichend im Sinne\ndes § 286 ZPO nachgewiesen. Selbst wenn man unterstellte, dass Schritt 3 der\nvon der Firma XY gestalteten Ankaufsprozedur zum Einkaufszeitpunkt so\nausgestaltet gewesen sein sollte, wie vom Beklagten zuletzt vorgetragen, ist\ndavon auszugehen, dass der Beklagte als Geschaftsmann hinreichend „gewarnt"\nwar, dass er nunmehr eine rechtsverbindliche Erklarung abzugeben im Begriff\nwar. Dies ware unter Umstanden schon der Fall gewesen, wenn der Beklagte, wie\ner zunachst vortragen ließ, lediglich die Schaltflache auf Stufe 2 „Domain zu\ndiesem Preis kaufen" angeklickt hatte. Jedenfalls der Text betreffend den\nTransaktions- und Treuhandservice in Verbindung mit dem Text der Schaltflache\n„Domain verbindlich kaufen" musste dem Beklagten, der ersichtlich (das ergab\nauch das Gesprach in der mundlichen Verhandlung, wonach der Beklagte ohne\nweiteres in der Lage gewesen ware, den Inhaber der Domain im Internet zu\nermitteln) kein „Anfanger-User", der unbedacht „herumklickt", war, sondern ein\ninterneterfahrener Geschaftsmann, hinlanglich die Tatsache ins Bewusstsein\nrufen, dass er eine verbindliche Erklarung abgeben wurde, wenn er den\nfraglichen Button betatigte. Es liegen jedenfalls erhebliche, die Überzeugung\ndes § 286 ZPO ausschließende, Zweifel des Gerichts daran vor, dass ein Irrtum\ndes Beklagten uber die Rechtsverbindlichkeit seines Handelns vorlag. \n--- \nII. \n--- \n| 25 \n--- \n| Da sich der Beklagte in Verzug befand, schuldet er auch die geltend gemachte\nFreistellung des Klagers von dessen nicht anrechenbaren Anwaltskosten. Ferner\nhatte der Klager auch Anspruch auf die Feststellung, dass sich der Beklagte in\nAnnahmeverzug befindet. \n--- \nIII. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Nebenforderung folgt aus § 286 ff. BGB. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. \n---\n\n
142,206
vg-sigmaringen-2006-08-09-5-k-29305
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 K 293/05
2006-08-09
2019-01-08 23:42:29
2019-01-17 12:02:24
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung\neiner Aufenthaltserlaubnis. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ....1986 in R. geborene Klager ist turkischer Staatsangehoriger.\nNach dem Besuch des Kindergartens wurde er altersentsprechend eingeschult. Ab\nder dritten Klasse besuchte er die Forderschule. Wegen\nErziehungsschwierigkeiten wurde im Jahr 1997 eine Erziehungsbeistandschaft\neingerichtet, doch fuhrten die mangelnde Kooperation des Klagers und seiner\nEltern dazu, dass diese Jugendhilfemaßnahme im April 1999 beendet wurde. Nach\nder Schulentlassung im Sommer 2001 ohne Abschluss besuchte der Klager zunachst\ndas Berufsvorbereitungsjahr in der ...-...-Schule in S., von der er nach\nunentschuldigtem Fehlen, der Nichtableistung eines Praktikums und einer\nAbmahnung im Oktober 2001 ausgeschlossen wurde. Eine Aufstellung der Deutschen\nRentenversicherung Baden-Wurttemberg vom 22.12.2005 enthalt bezuglich der\nBeschaftigung des Klagers und seiner Eltern nach dessen Geburt folgende\nAngaben: \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Klager \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \n02.11.2000 - 01.12.2000 \n28.10.2002 - 20.12.2002 \n| 5 \n--- \n| 2\\. Mutter des Klagers \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n28.01.1987 - 18.03.1987 \n20.02.1989 - 08.10.1989 \n09.10.1989 - 31.12.1990 \n| 7 \n--- \n| 3\\. Vater des Klagers \n--- \n| 8 \n--- \n| \n--- \n01.11.1985 - 13.09.1986 \n06.06.1988 - 09.09.1988 \n26.09.1988 - 27.09.1988 \n09.01.1989 - 16.08.1989 \n17.03.1998 - 31.05.1998 \n05.12.2000 - 16.02.2001 \n| 9 \n--- \n| In einer Mitteilung der Polizeidirektion S. vom 17.3.1999 (Blatt 36 der\nAuslanderakte) werden 21 Ermittlungsverfahren gegen den Klager vor allem wegen\nDiebstahls genannt, die wegen dessen Strafunmundigkeit nach § 170 Abs. 2 stopp\neingestellt wurden. Nach Erreichen der Strafmundigkeit ist der Klager wie\nfolgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: \n--- \n| 10 \n--- \n| **1\\. Urteil des Amtsgerichts S. vom 16.11.2000 - 4 Ds 16 Js 5937/00 -:\nVerwarnung wegen Diebstahls von Fruchtsaftgetr anken und Anweisung, zu Gunsten\neiner gemeinnutzigen Einrichtung 20 Stunden unentgeltlich Arbeit zu leisten.** \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager entwendete zusammen mit einem Mittater vom Getrankelagerplatz\neines Lebensmittelmarktes mindestens drei Flaschen eines Fruchtsaftgetrankes. \n--- \n| 12 \n--- \n| **2\\. Urteil des Amtsgerichts H. vom 20.1.2001 - 1 Ls 133/00 - 16 Js\n6263/2000 -: Jugendstrafe von einem Jahr unter Einbeziehung des vorgenannten\nUrteils des Amtsgerichts S. wegen Diebstahls in acht F allen und versuchten\nDiebstahls in einem Fall, deren Vollstreckung zur Bewahrung ausgesetzt\nwurde.** \n--- \n| 13 \n--- \n| Zusammen mit mehreren Mittatern wuchtete der Klager am 24.4.2000 mit einem\neigens mitgefuhrten Geisfuß die Zugangsturen eines Sportheims in N. gewaltsam\nauf und entwendete Geld und Gegenstande in Hohe von ca. 40 DM. Der Sachschaden\nbetrug ca. 300 DM. \n--- \n| 14 \n--- \n| In der Nacht vom 23. auf den 24.4.2000 wuchteten der Klager und Mittater\ndie Zugangstur zum Sportheim in G.-B. mit dem mitgefuhrten Geissfuß auf und\nnahmen Getranke und Sußigkeiten in Wert von ca. 40 DM mit. Der Sachschaden\nbetrug ca. 300 DM. \n--- \n| 15 \n--- \n| In der selben Nacht wuchteten der Klager und Mittater die Eingangstur des\nSportgelandes G.-K. mittels des Geisfußes auf. Als Diebesgut fanden sie\nlediglich einen Torwarthandschuh im Wert von ca. 20 DM. Aus Verargerung uber\ndie geringe Tatbeute wurden aus den Hangeschranken Geschirr und Glaser\nherausgenommen und zertrummert. Der Sachschaden betrug ca. 1000 DM. \n--- \n| 16 \n--- \n| In der selben Nacht wuchteten der Klager und weitere Mittater im\nFreibadgelande Z. die Eingangstur zu einem Kiosk auf und entwendeten Sonnenol,\nSußigkeiten und Zigaretten im Wert von ca. 200 DM. Der Sachschaden betrug 2000\nDM, da sie im Innern des Kiosk noch einen Zigarettenautomaten aufwuchteten und\nausraumten. Zudem wurde der Kiosk verwustet. \n--- \n| 17 \n--- \n| In der selben Nacht uberstiegen der Klager und weitere Mittater die\nUmzaunung zum Kreissportgelande S. und wuchteten mit dem mitgefuhrten Geisfuß\ndie Eingangstur zum Kiosk auf. Diesen durchsuchten sie, fanden jedoch nichts\nStehlenswertes. Der Sachschaden betrug ca. 500 DM. \n--- \n| 18 \n--- \n| In der selben Nacht wuchteten der Klager und weitere Mittater mit dem\nGeisfuß die Eingangstur der Gaststatte eines Sportvereins in S. auf und\nentwendeten zwei Kartons Kummerling und eine nicht mehr feststellbare Menge\nZigaretten im Wert von ca. 100 DM. Aus Verargerung uber die geringe Tatbeute\nwurde der Schriftverkehr des Vereins auf dem Boden verstreut und mit Likor\nubergossen. Zudem wurden die Zapfhahne an der Theke geoffnet, so dass\nBierfasser leer liefen. Der Sachschaden betrug ca. 1000,- DM \n--- \n| 19 \n--- \n| Am 10.7.2000 entwendeten der Klager und weitere Mittater an einer Baustelle\nin N. Eisenstangen im Wert von ca. 30 DM. \n--- \n| 20 \n--- \n| Am fruhen Morgen des 11.7.2000 wuchteten der Klager und weitere Mittater\nmit den zuvor entwendeten Eisenstangen und einem Radschlussel einen\nKondomautomaten von der Wand. Beim Versuch, den Automaten aufzubrechen, um an\nBargeld zu gelangen, wurden die Tater von der Polizei gestellt. \n**3\\. Urteil des Amtsgerichts H. vom 23.10.2001 - 1 Ls 93/01 - 16 Js 5855/2001\n-: Jugendstrafe von einem Jahr und einem Monat unter Einbeziehung des\nvorgenannten Urteils des Amtsgerichts H. wegen vors atzlichen Fahrens ohne\nFahrerlaubnis in Tateinheit mit Fahren ohne Haftpflichtversicherung in zwei\nFallen** \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Klager fuhr am 29.3.2001 mit einem VW Golf von T. nach G., obwohl er\nwusste, dass er nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis und das\nFahrzeug nicht haftpflichtversichert war. \n--- \n| 22 \n--- \n| Am 1.4.2001 fuhr der Klager mit einem Fiat Uno von G. in Richtung N.,\nobwohl er nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war und fur das\nFahrzeug kein Versicherungsschutz bestand. \n--- \n| 23 \n--- \n| **4\\. Urteil des Amtsgerichts H. vom 15.7.2003 - 1 Ls 34/03 - 22 Js\n3518/2003 - : Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Einbeziehung\ndes vorgenannten Urteils des Amtsgerichts H. wegen des verbotenen Fuhrens von\nWaffen bei offentlichen Veranstaltungen in Tateinheit mit Bedrohung und\nversuchter schwerer Korperverletzung** \n--- \n| 24 \n--- \n| In der Nacht vom 1.2.2003 auf den 2.2.2003 hielt sich der Klager auf dem\n...-...-F., einer offentlichen Veranstaltung, zu der jedermann Zutritt hatte,\nauf. Er fuhrte eine Schreckschusspistole mit sich. Diese Pistole, die nicht\nohne weiteres von einer scharfen Waffe unterschieden werden konnte, richtete\nder Klager ohne jeden rechtfertigenden Grund auf einen Festbesucher, der\ngerade dabei war, einen Streit zu schlichten. Der Klager hielt die Waffe etwa\n50 cm vom Kopf des Festbesuchers an dessen Schlafe, wobei er ihn mit den\nWorten „ich knall dich ab" oder „ich bring dich um" bedrohte. \n--- \n| 25 \n--- \n| **5\\. Urteil des Amtsgerichts H. vom 15.6.2004 - 1 Ls 19/04 - 13 Js\n805/2004 -: Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten unter Einbeziehung\ndes vorgenannten Urteils des Amtsgerichts H. wegen gef ahrlicher\nKorperverletzung** \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Klager schlug am 11.10.2003 seinem Opfer eine Wodkaflasche uber den\nKopf, wobei das Opfer eine blutende Kopfplatzwunde erlitt, die im Krankenhaus\ndurch vier Stiche genaht werden musste. \n--- \n| 27 \n--- \n| **6\\. Urteil des Amtsgericht H. vom 28.6.2005 - 1 Ls 26/05 - 13 Js\n3129/2005 -: Jugendstrafe von zwei Jahren unter Einbeziehung des vorgenannten\nUrteils des Amtsgerichts H. vom 28.6.2005 wegen Sachbesch adigung in zwei\nFallen:** \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Klager trat am 30.1.2005 an einem Pkw mit Wucht und absichtlich gegen\nden hinteren linken Kotflugel und gegen den Außenspiegel. Es entstand ein\nSachschaden in Hohe von 2.135 EUR. Kurz darauf trat er an einem anderen PKW\ngegen den Seitenspiegel, der ersetzt werden musste. \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klager war vom 19.11.2001 bis zum 31.7.2002 und vom 9.3.2004 bis zum\n15.11.2004 in Strafhaft. Am 15.11.2004 wurde er gemaß § 88 JGG aus der\nStrafhaft zur Bewahrung entlassen. Vom 15.9.2005 bis zum 11.4.2006 verbußte\nder Klager die Restjugendstrafe. Hinsichtlich des Klagers ist in dem Urteil\ndes Amtsgerichts H. vom 15.6.2004 weiter ausgefuhrt: \n--- \n| 30 \n--- \n| „Der Bewahrungshelfer des Angeklagten und das Jugendamt versuchten, den\nAngeklagten Hilfestellung zu geben, um ihn zu stabilisieren und nach\nEntwicklungsmoglichkeiten fur den Angeklagten zu suchen. Zu diesem Zweck wurde\nder Angeklagte auf den 5. Juli 2001 zu einem Gesprachstermin mit Vertretern\ndes Jugendamtes, des Auslanderamtes, der Kriminalpolizei und des\nBewahrungshelfers zusammen mit seinen Eltern eingeladen. Der Angeklagte hielt\nes jedoch nicht fur notig, zu diesem Termin, der von den Vertretern der oben\ngenannten Stellen wahrgenommen wurde, zu erscheinen und ließ lediglich\nausrichten, er halte den Termin fur zu kurzfristig anberaumt." \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager wird von Polizei und Jugendamt seit dem Jahr 2000 als\njugendlicher Intensivtater gefuhrt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Klager war im Besitz von jeweils befristeten Aufenthaltserlaubnissen.\nZuletzt wurde ihm am 15.7.1999 eine bis zum 14.7.2000 befristete\nAufenthaltserlaubnis erteilt. Am 13.7.2000 beantragte er die Verlangerung\nseiner Aufenthaltserlaubnis; am 19.11.2004 beantragte er die Erteilung einer\nunbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Der Klager wurde mit Schreiben vom\n27.7.1999 auslanderrechtlich verwarnt und mit Schreiben vom 25.2.2002 streng\nauslanderrechtlich verwarnt. Im Schreiben vom 25.2.2002 wird ausgefuhrt, dass\nim Hinblick auf die abgeurteilten Straftaten letztmalig von der Ausweisung des\nKlagers abgesehen werde. Dies solle dem Klager eine letzte Chance bieten,\nseinen kunftigen Aufenthalt im Bundesgebiet ordnungsgemaß und straffrei zu\nfuhren. \n--- \n| 33 \n--- \n| Auf die Anhorung zur Ausweisung machte der Klager mit Schreiben vom\n2.6.2004 geltend: Als er aus seiner ersten Haft entlassen worden sei, habe er\nbegonnen zu arbeiten, doch habe die Arbeit nach einem Jahr geendet. Das\nrestliche halbe Jahr habe er sich um eine Arbeitsstelle bemuht, doch sei er\nerfolglos geblieben. Kurz vor seiner Inhaftierung habe er an seiner alten\nArbeitsstelle arbeiten konnen. Es sei alles wieder gut gelaufen, bis er der\nBedrohung beschuldigt worden sei. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Es\ngebe keine konkreten Beweise oder Hinweise, dass er der Tater sei. Er habe aus\nden Monaten in der Haft sehr viel gelernt und sei sich sicher, dass es nicht\nmehr zu einer Haft kommen werde. Er sei inzwischen resozialisiert. Er sei in\nR. geboren. Seine Familie lebe seit langer Zeit in Deutschland. In seinem\nHeimatstaat habe er keine Verwandten oder Bekannten mehr und sein\nLebensmittelpunkt sei in Deutschland. Er habe auch eine schriftliche\nBestatigung fur eine Arbeitsstelle. \n--- \n| 34 \n--- \n| Mit Verfugung vom 5.1.2005, zugestellt am 11.1.2005, wies das\nRegierungsprasidium T. den Klager aus der Bundesrepublik Deutschland aus\n(Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab\n(Ziffer 2). Zugleich wurde der Klager aufgefordert, die Bundesrepublik\nDeutschland innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung zu\nverlassen; fur den Fall, dass der Klager dieser Aufforderung nicht nachkommt,\nwurde ihm die Abschiebung in die Turkei angedroht (Ziffer 3). Zur Begrundung\nwurde ausgefuhrt: Der Klager habe durch die der Verurteilung vom 15.6.2004 zu\nGrunde liegenden Straftaten den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2\nAufenthG erfullt. Er konne sich aber auf den besonderen Ausweisungsschutz des\n§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG berufen. Gemaß § 81 Abs. 4 AufenthG gelte\nder bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur\nEntscheidung der Auslanderbehorde als fortbestehend. Der Klager durfe nur aus\nschwerwiegenden Grunden der offentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen\nwerden. Diese lagen vor. Bei ihm sei es in den letzten Jahren trotz zweier\nauslanderrechtlicher Verwarnungen regelmaßig zu unterschiedlichsten Straftaten\ngekommen. Die Summe der von dem Klager begangenen Straftaten sowie die zuletzt\nbegangene Korperverletzung belegten anschaulich, dass bei dem Klager\nschwerwiegende Grunde der offentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben seien.\nInsoweit seien auch die Voraussetzungen des besonderen Ausweisungsschutzes\nnach Art. 14 ARB 1/80, der dem Klager Ausweisungsschutz wie einem\nfreizugigkeitsberechtigten Auslander gewahre, erfullt. Im Rahmen der dann zu\ntreffenden Ermessensentscheidung sei zu Gunsten des Klagers zu\nberucksichtigen, dass er in der Bundesrepublik geboren und hier aufgewachsen\nsei. Jedoch sei ihm eine vollstandige Integration in die hiesigen\nLebensverhaltnisse nicht gelungen. Gleiches gelte fur seine Eltern. Der Klager\nspreche neben der deutschen Sprache auch die turkische Sprache sehr gut. Zudem\nsei er innerhalb eines turkischen Familienverbandes aufgewachsen und daher mit\nturkischen Gebrauchen und Lebensgewohnheiten vertraut. Auch habe sich der\nKlager in den vergangenen Jahren gelegentlich zum Urlaub in der Turkei\naufgehalten. Der Klager sei zudem in einem Alter, in dem er sich durchaus\nflexibel auf veranderte Lebensbedingungen einstellen konne. Ihm sei damit eine\nRuckkehr in die Turkei auch im Lichte des Art. 8 EMRK zumutbar. Die Ausweisung\nverstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Der Klager sei in Deutschland weder\nverheiratet noch habe er Kinder. Er sei inzwischen volljahrig und daher nicht\nauf die Beistandsgemeinschaft mit den Eltern angewiesen. Der Antrag auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei gemaß § 11 Abs. 1 AufenthG\nabzulehnen. Die Abschiebungsandrohung folge aus §§ 58, 59 AufenthG. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Klager hat am 9.2.2005 Klage erhoben. Zur Begrundung fuhrt er im\nWesentlichen aus: Er sei bei Begehung seiner Straftaten noch Jugendlicher bzw.\nHeranwachsender gewesen. Das Jugendstrafrecht sei in besonderem Maße auf die\nErziehung und Wiedereingliederung in die Gemeinschaft angelegt. Die Haftzeit\nhabe er zur Berufsausbildung genutzt, auch wenn er die Ausbildung nicht mit\ndem Bestehen der Abschlussprufung habe beenden konnen. Die Auslanderbehorde\nbeim Landratsamt S. habe ihm jede Arbeitsaufnahme untersagt. Nach der\nErlasslage bleibe auch bei Verurteilungen mit Bewahrung eine Ausweisung\nausgeschlossen, wenn der Auslander seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland\nhabe und die Justizvollzugsanstalt eine positive Prognose uber das zukunftige\nVerhalten des Betroffenen abgebe. Er sei im Bundesgebiet geboren und lebe hier\nseit seiner Geburt. Seine Eltern und Geschwister, die teilweise schon eigene\nFamilien hatten, lebten ebenfalls in der Bundesrepublik. Er habe an sein\nHerkunftsland abgesehen davon, dass er mit seinen Eltern zu gelegentlichen\nUrlaubsaufenthalten in der Turkei gewesen sei, keinerlei Bindungen. Aus dem\nUmstand, dass er doppelsprachig aufgewachsen sei und auch die turkische\nSprache gut spreche, lasse sich eine Bindung an sein Herkunftsland nicht\nherleiten. Dass seinen Eltern, wie er Beklagte meine, eine Integration in die\nLebensverhaltnisse nicht gelungen sei, konne ihm nicht zum Nachteil gereichen.\nObwohl er durch das Urteil des AG H. vom 28.5.2005 zu einer weiteren Strafe\nverurteilt worden sei, konne nicht angenommen werden, dass er sich weder durch\ndie Vorverurteilungen noch durch die drohende Ausweisung von weiteren\nStraftaten habe abhalten lassen. Tatsachlich sei er durch die Vorgange, die\nder strafrechtlichen Verurteilung zu Grunde gelegen hatten, einsichtig\ngeworden und habe auch sein Verhalten grundlegend geandert. Der Vertreter der\nJugendgerichtshilfe habe sich in der Hauptverhandlung trotz gewisser Bedenken\nfur eine Strafaussetzung zur Bewahrung ausgesprochen. Er, der Klager, halte\nsich seit Februar 2005 vom Alkohol fern. Er habe in der Zeit vom 8.6. bis zum\n20.7.2005 an einem Anti-Gewalt-Training mit sechs Einheiten teilgenommen,\nwobei er wahrend des Trainings immer anwesend gewesen sei. Am 6.7.2005 habe er\nnoch parallel am laufenden sozialen Trainingskurs bei der Jugendgerichtshilfe\nS. freiwillig und ohne Zwang teilgenommen. Das Ziel des Anti-Gewalt-Trainings\nsei erreicht worden. Er habe eine feste Beziehung zu einer jungen Deutschen,\ndie er heiraten wolle, sobald er die restliche Freiheitsstrafe verbußt habe.\nDiese Frau erwarte ein Kind von ihm. \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 37 \n--- \n| die Verfugung des Regierungsprasidiums T. vom 5.1.2005 aufzuheben und den\nBeklagten zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 39 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Er fuhrt aus: Da der Klager in Deutschland keine Berufsausbildung\nabgeschlossen habe, greife fur ihn auch nicht der Schutz des Art. 7 Satz 2 ARB\n1/80 ein. Auf Artikel 7 Satz 1 ARB 1/80 konne sich der Klager ebenfalls nicht\nberufen, wie sich aus der Übermittlung der Sozialdaten der Deutschen\nRentenversicherung Baden-Wurttemberg ergebe. Der Klager habe zwar bei seinen\nEltern in hauslicher Gemeinschaft gelebt. Allerdings seien seine Eltern in dem\nmaßgebenden Zeitraum nicht drei Jahre durchgangig erwerbstatig gewesen. Die\nvom Klager zitierte Erlassregelung sei inzwischen auf Grund mehrfach\ngeanderter Gesetzeslage sowie auf Grund der fortschreitenden aktuellen\nRechtsprechung uberholt. Der Klager sei schon 2 ½ Monate nach der bedingten\nEntlassung aus dem Jugendstrafvollzug erneut straffallig geworden. Er sei\nBewahrungsbrecher. Der Klager habe zum Zeitpunkt der\nverfahrensgegenstandlichen Straftat bereits Klage gegen die\nAusweisungsverfugung erhoben. Weder die Vorverurteilungen noch die akut\ndrohende Ausweisung hatten ihn von weiteren Straftaten abgehalten. \n--- \n| 41 \n--- \n| Der Beklagte hat weiterhin eine Stellungnahme des Sozialdienstes der\nJustizvollzugsanstalt A. vom 18.1.2006 vorgelegt. In dieser heißt es\nhinsichtlich der Fuhrung wahrend der Strafhaft unter anderem: \n--- \n| 42 \n--- \n| „Nach erfolgter Einweisung wurde der Insasse im Rahmen der Zugangskonferenz\nam 28.9.2005 zur Arbeit in die Lagerhalle als Staplerfahrer eingeteilt und\nwiederholt direkt dem innen gelockerten Haus G 2 des geschlossenen Bereiches\nzugewiesen. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Wiedereingewohnung in die Hausgemeinschaft verlief ohne jegliche\nProbleme. Der Insasse ist nach wie vor ein freundlicher, ruhiger und\nzuvorkommend wirkender junger Mann, der in seinem Auftreten auch heute alter\nwirkt, wie manch gleichaltriger Mitgefangener. Er wirkt selbstbewusst,\nauseinandersetzungsfahig und kann sich verstandlich ausdrucken. \n--- \n| 44 \n--- \n| Mit den Mitinsassen kommt Ü. Ö. gut zurecht. Den Beobachtungen nach kummert\nsich der Insasse auch aktuell wieder in sozialer Verantwortung um seine\nMitbewohner, um deren Belange, Interessen und Probleme. Nicht zuletzt deshalb\nist er wieder zum Stockwerkssprecher gewahlt worden. \n--- \n| 45 \n--- \n| Im Disziplinarbereich blieb Ü. Ö. bislang unauffallig. \n--- \n| 46 \n--- \n| Seiner Arbeit als Staplerfahrer geht der Insasse zur Zufriedenheit der\nLagerhalle nach. Er ist einer der wenigen, der den notwendigen Überblick fur\ndie Logistik besitze. Er verrichte alle ihm ubertragenen Arbeiten ohne ihn\naufs Neue anweisen zu mussen. Er sei punktlich und zuverlassig. \n--- \n| 47 \n--- \n| Ü. Ö. erweist sich zusammenfassend als junger Mensch, der friedfertig wirkt\nund grundsatzlich zu einer kooperativen Zusammenarbeit bestrebt ist, sofern er\nauf Alkohol verzichtet. Alkoholkonsum in erheblicheren Mengen lasst ihn außer\nKontrolle geraten und rucken seine guten Vorsatze in den Hintergrund.\nWenngleich er, wie er angibt, seit der letzten Tat keinen Alkohol mehr\nkonsumiere, werden wir ihm bei seiner Endstrafenentlassung eine ambulante\nBetreuung bei einer Suchtberatung anraten." \n--- \n| 48 \n--- \n| Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 16.5.2006 dem Berichterstatter als\nEinzelrichter zur Entscheidung ubertragen worden. \n--- \n| 49 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten zu Protokoll\nerklart, die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 der Verfugung vom 5.1.2005\nwerde dahingehend modifiziert, dass die Abschiebung fur den Fall angedroht\nwird, dass der Klager die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb von einem\nMonat nach Bestandskraft der Verfugung verlasst. \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Klager hat auf Befragen in der mundlichen Verhandlung unter anderem\nangegeben: Seinen letzten Urlaub habe er mit seiner Familie im Sommer 2002 in\nder Turkei bei der Tante (Schwester seiner Mutter) in A. verbracht. In den\nJahren zuvor sei er zusammen mit seiner Familie ebenfalls jeweils fur knapp\neinen Monat in der Turkei gewesen. In seiner Familie spreche er mit den Eltern\nturkisch, mit seinen Geschwistern meistens deutsch. Er habe eine deutsche\nVerlobte gehabt. Die Beziehung sei auseinander gegangen, als er in der JVA\ngewesen sei. Das Kind, das seine Verlobte erwartet habe, habe diese in der 11.\nSchwangerschaftswoche verloren. Er habe jetzt wieder eine deutsche Freundin,\ndie ein Kind von ihm erwarte. \n--- \n| 51 \n--- \n| Dem Gericht liegen die Auslanderakten und die Akten des\nAusweisungsverfahrens vor. Hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsatze\nwird wegen weiterer Einzelheiten hingewiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 52 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Die angefochtene\nAusweisungsverfugung ist rechtmaßig und verletzte den Klager nicht in seinen\nRechten. Der Klager hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). \n--- \n| 53 \n--- \n| Die in dem Bescheid des Regierungsprasidiums T. vom 5.1.2005 verfugte\nAusweisung ist rechtlich nicht zu beanstanden. \n--- \n| 54 \n--- \n| Sie verstoßt zunachst nicht gegen die zum Zeitpunkt der\nAusweisungsentscheidung geltenden gemeinschaftsrechtlichen\nVerfahrensvorschriften des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in der Auslegung, die\nsie durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 -,\nInfAuslR 2006, 110; Urteil vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114;\nvgl. ebenso: VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -) erfahren\nhat. Zwar ist die vom Regierungsprasidium T. am 5.1.2005 verfugte Ausweisung\nim Hinblick auf § 6a AGVwGO ohne vorherige Durchfuhrung eines\nWiderspruchsverfahrens und damit ohne die nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG\nregelmaßig erforderliche Einschaltung einer zweiten unabhangigen Stelle vor\nAbschluss des behordlichen Verfahrens ergangen. Ob hieran die nach Abschluss\ndes Verwaltungsverfahrens erfolgte Aufhebung der RL 64/221/EWG durch Art. 38\nAbs. 2 RL 2004/38/EG (mit Wirkung vom 30.4.2006) etwas zu andern vermag (vgl.\ndazu einerseits: VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 29.6.2006, a.a.O.; andererseits:\nNiedersachs. OVG, Urteil vom 16.5.2006 - 11 LC 324/05 -; VG Dusseldorf,\nBeschluss vom 10.2.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263), bedarf hier\nkeiner weiteren Erorterung. Denn die gemeinschaftsrechtlichen\nVerfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar fur\nUnionsburger bei behordlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, sind nur\nauf solche turkischen Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach\ndem ARB 1/80 haben (EuGH, Urteil vom 2.6.2005 <Dorr und Ünal>, BVerwG, Urteile\nvom 13.9.2005 und vom 6.10.2005, a.a.O.; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n29.6.2005, a.a.O.). Dabei setzt die praktische Wirksamkeit der den freien\nZugang zum Arbeitsmarkt regelnden Rechte der Art. 6 und 7 ARB 1/80\nzwangslaufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das\nebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht (EuGH, Urteil vom 16.3.2000\n<Ergat>, NVwZ 2000, 1277, Urteil vom 11.11.2004 <Cetinkaya>, NVwZ 2005, 198;\nUrteil vom 7.7.2005 <Aydinli>, InfAuslR 2005, 352; BVerwG, Urteil vom\n6.10.2005, a.a.O.). Zu dem Personenkreis, der Rechte aus Art. 6 oder 7 ARB\n1/80 fur sich in Anspruch nehmen kann, zahlt der Klager indes nicht. \n--- \n| 55 \n--- \n| Auf Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann sich der Klager nicht berufen. Nach dem\nersten Spiegelschrift dieser Vorschrift hat ein turkischer Arbeitnehmer, der\ndem regularen Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehort, in diesem\nMitgliedsstaat nach einem Jahr ordnungsgemaßer Beschaftigung Anspruch auf\nErneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er uber\neinen Arbeitsplatz verfugt. Das Erfordernis einer einjahrigen Beschaftigung\nbei dem gleichen Arbeitgeber erfullt der Klager nicht, wie sich ohne weiteres\naus den im Tatbestand des Urteils aufgelisteten Beschaftigungszeiten des\nKlagers ergibt. Auch die in der mundlichen Verhandlung vorgelegte\nBescheinigung der E. D. GmbH andert hieran nichts, da - wie der Klager in der\nmundlichen Verhandlung bestatigte - das Beschaftigungsverhaltnis nur kurze\nZeit Bestand hatte, weil er einen Monat nach Arbeitsbeginn am 9.3.2004 wieder\nin Strafhaft kam. Die in der Justizvollzugsanstalt ausgeubten Tatigkeiten und\ndie in der Justizvollzugsanstalt nicht zu einem Abschluss gekommene\nBerufsausbildung sind nicht dem regularen Arbeitsmarkt zuzurechnen und\nbegunstigen den Klager nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.5.1996 - 1 B 136.95\n-, NVwZ 1999, 1095; Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz [GK-\nAufenthG], Art. 6 ARB, RdNr. 121). \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Schutz des Art. 7 ARB 1/80 kommt dem Klager ebenfalls nicht zu. Auf\nArt. 7 Satz 2 ARB 1/80 kann sich der Klager schon deshalb nicht berufen, weil\ner in der Bundesrepublik Deutschland keine Berufsausbildung abgeschlossen hat.\nAber auch die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 sind nicht erfullt.\nDanach haben die Familienangehorigen eines dem regularen Arbeitsmarkt\nangehorenden turkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu\nihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedsstaaten\neinzuraumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben,\nwenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemaßen Wohnsitz\nhaben. Dabei konnen nicht nur nachziehende Familienangehorige, sondern auch in\nDeutschland geborene Kinder den Rechtsstatus nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80\nerwerben, wenn sie stets in der Bundesrepublik gelebt haben (EuGH, Urteil vom\n11.11.2004, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 6.10.2005, a.a.O.). \n--- \n| 57 \n--- \n| Allerdings ist neben dem dreijahrigen bzw. funfjahrigen Zusammenleben mit\nder Bezugsperson des Familienangehorigen in hauslicher Gemeinschaft die\nArbeitsmarktzugehorigkeit der Bezugsperson fur die gesamte unter den zwei\nSpiegelstrichen des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 geforderte Wohnsitzdauer\nVoraussetzung fur die Anwendbarkeit des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 (OVG Rheinland-\nPfalz, Urteil vom 14.1.2005 - 10 A 111017/04 -, InfAuslR 2005, 238; HTK-AuslR,\nArt. 7 Satz 1 ARB 1/80, Anm. 2.4). Nicht notwendig ist es jedoch, dass der\nturkische Arbeitnehmer bereits eine Verfestigungsstufe des Art. 6 Abs. 1 ARB\n1/80 erreicht hat oder wahrend der geforderten Wohnsitzdauer erreicht. Auch\nsetzt der Erwerb der Rechtsstellung des Familienangehorigen nach Art. 7 Satz 1\nARB 1/80 nicht voraus, dass die Bezugsperson, von der der Familienangehorige\nseinen Anspruch ableitet, zu dem Zeitpunkt, in dem der Familienangehorige den\nAnspruch nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 geltend macht, noch dem regularen\nArbeitsmarkt angehort (zum Ganzen ebenfalls: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom\n14.1.2005, a.a.O.; HTK-AuslR, a.a.O.). Nach den vorgelegten Sozialdaten der\nDeutschen Rentenversicherung, die im Tatbestand des Urteil wiedergegeben sind,\nerreichen weder der Vater noch die Mutter des Klagers nach dessen Geburt eine\ndurchgehende ununterbrochene Beschaftigungszeit von drei Jahren. Auch wenn man\nvon dem Erfordernis einer durchgehenden Beschaftigungszeit absieht und die\nmitgeteilten Beschaftigungszeiten zusammenzahlt, sind weder der Vater noch die\nMutter des Klagers seit dessen Geburt (insgesamt) drei Jahre im Bundesgebiet\nbeschaftigt gewesen. Zwar ist bislang in der Rechtsprechung noch nicht\nabschließend geklart, ob eine durchgehende ordnungsgemaße Beschaftigung des\nturkischen Arbeitnehmers, von dem der Familienangehorige sein Recht aus Art. 7\nSatz 1 ARB 1/80 ableiten will, erforderlich ist (vgl. zu den moglichen\nArgumentationsebenen ausfuhrlich: VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 16.12.2004 -\n13 S 2510/04 -, EZAR 19 Nr. 4). Hierfur spricht neben systematischen Grunden\n(vgl. dazu im Einzelnen: VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 16.12.2004, a.a.O.)\nauch der Umstand, dass der Europaische Gerichtshof (Urteil vom 26.11.1998\n<Birden>, InfAuslR 1999, 6) entschieden hat, dass der in Art. 6 ARB 1/80\nenthaltene und mit Art. 7 ARB 1/80 gleichlautende Begriff des „dem regularen\nArbeitsmarkt angehorenden turkischen Arbeitnehmers" mit dem daneben\nverwendeten Begriff der „ordnungsgemaßen Beschaftigung" identisch ist, so dass\nbei Übertragung dieser Grundsatze auf die hier zu behandelnde Beschaftigung\nder Eltern des Klagers jedenfalls in dem fur die Entstehung des abgeleiteten\nRechts des Klagers maßgebenden Drei-Jahres-Zeitraums eine - hier nicht\ngegebene - entsprechende konkrete ordnungsgemaße Beschaftigung mindestens\neines Elternteils verlangt werden konnte; zudem bestimmt Art. 6 Abs. 2 Satz 2\nARB 1/80 ausdrucklich, dass (auch unverschuldete) Arbeitslosigkeit fur den\nErwerb von Rechten aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht positiv berucksichtigt\nwird. Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass Art. 6 ARB 1/80 den Begriff\nder ordnungsgemaßen Beschaftigung sowie den Begriff der Zugehorigkeit eines\nArbeitnehmers zum regularen Arbeitsmarkt enthalt, wahrend Art. 7 Satz 1 ARB\n1/80 eine „ordnungsgemaße Beschaftigung" des Stammberechtigten nicht verlangt.\nDer Begriff „regularer Arbeitsmarkt" bezeichnet die Gesamtheit der\nArbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betroffenen\nStaates nachkommen und somit das Recht haben, eine Berufstatigkeit in seinem\nHoheitsgebiet auszuuben" (EuGH, Urteil vom 26.11.1998, a.a.O.). Aber selbst\nwenn man diesen fur den Klager gunstigeren Ansatzpunkt zu Grunde liegen wurde,\nhat er kein Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben. Zwar fuhren Zeiten der\nArbeitslosigkeit dann nicht schon fur sich gesehen zum Ausscheiden aus dem\nregularen Arbeitsmarkt. Es mangelt insoweit nur dann an einer weiteren\nZugehorigkeit zum Arbeitsmarkt, wenn der turkische Arbeitnehmer nicht (mehr)\nvermittelbar bzw. als Dauerarbeitsloser zu betrachten ist oder wenn ihm an\neiner erneuten ordnungsgemaßen Beschaftigung nicht (mehr) gelegen ist und er\nes deshalb unterlasst, sich ernsthaft um eine Arbeitsstelle zu bemuhen (vgl.\nEuGH Urteil vom 23.1.1997 <Tetik>, InfAuslR 1997, 146; OVG Rheinland-Pfalz,\nUrteil vom 14.1.2005, a.a.O. m.w.N.). Zwar lasst sich nicht pauschal\nbestimmen, ab welchem Zeitraum von einer Dauerarbeitslosigkeit gesprochen\nwerden kann, jedoch ist hiervon bei einem Zeitraum von uber einem halben Jahr,\njedenfalls nach Ansicht der Kammer von einem Jahr, regelmaßig auszugehen (vgl.\nEuGH, Urteil vom 26.2.1991 <Antonissen>, InfAuslR 1991, 151; GK-AufenthG, Art.\n6 ARB 1/80 RdNr. 247; Gutmann, InfAuslR 1997, 149, 150). Bei Betrachtung der\nvon der Deutschen Rentenversicherung mit Schreiben vom 22.12.2005\nubermittelten Sozialdaten ubersteigen die beschaftigungslosen Zeiten der\nMutter und des Vaters des Klagers diese Grenze von sechs Monaten und auch von\neinem Jahr bis auf wenige Ausnahmen deutlich. So ist fur die Mutter des\nKlagers fur den Zeitraum vom 19.3.1987 bis zum 19.2.1989 (also 1 Jahr 11\nMonate) und fur die Zeit ab dem 1.1.1991 keine Beschaftigung aufgefuhrt. Fur\nden Vater des Klagers sind keine Beschaftigungen zwischen dem 14.9.1986 und\ndem 5.6.1988 (etwa 1 ¾ Jahr) und den Zeitraumen von dem 10.9.1988 bis zum\n25.9.1988 (15 Tage), dem 28.9.1988 bis zum 8.1.1989 (etwa 3 ½ Monate), dem\n17.8.1989 bis zum 16.3.1998 (etwa 8 ½ Jahre), dem 1.6.1998 bis zum 4.12.2000\n(etwa 2 ½ Jahre) und seit dem 17.2.2001 aufgefuhrt. Selbst wenn man die\nkurzfristigen Unterbrechungen der Beschaftigung im Jahr 1988/89 bei der\nBemessung der Dauer der Zugehorigkeit des Vaters des Klagers zum regularen\nArbeitsmarkt berucksichtigen wurde, ware die erforderliche Zeitspanne von drei\nJahren nicht erreicht, so dass festzuhalten bleibt, dass sich der Klager nicht\nauf Art. 7 ARB 1/80 und damit auch nicht auf den durch den ARB 1/80\nvermittelten verfahrensrechtlichen wie auch materiellen Schutz berufen kann. \n--- \n| 58 \n--- \n| Fur die Beurteilung, ob die angefochtene Ausweisungsverfugung mit\nnationalem Recht in Einklang steht, ist auf die Sach- und Rechtslage im\nZeitpunkt der letzten Behordenentscheidung - hier mangels Erforderlichkeit und\nDurchfuhrung eines Widerspruchsverfahrens auf den Erlass der\nAusweisungsverfugung im Januar 2005 - abzustellen (BVerwG, Urteil vom\n7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n15.5.2003 - 13 S 1113/02 -; Urteil vom 16.3.2005 - 11 S 2885/04 - m.w.N.);\ndies gilt unabhangig davon, dass die Gerichte Erkenntnismittel auswerten\ndurfen, die nach Erlass der letzten Behordenentscheidung entstanden sind, wenn\nihnen Anhaltspunkte fur die Richtigkeit oder auch fur die Unrichtigkeit der im\nZeitpunkt dieser Entscheidung getroffenen Einschatzung entnommen werden konnen\n(vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152;\nBeschlusse vom 5.5.1997 - 1 B 129.96 -, AuAS 1997, 218 und vom 23.5.2001 - 1 B\n125.00 -, NVwZ 2001, 1288; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 21.7.2004 - 11 S 535/04\n-). Der Klager verfugt - wie oben dargestellt - zudem nicht uber ein\nAufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80, so dass auch insoweit nicht der\nmaßgebliche Zeitpunkt fur die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den\nZeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht zu\nverlagern ist (vgl. dazu: BVerwG, Urteile vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ\n2005, 220 und - 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224). \n--- \n| 59 \n--- \n| Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Behordenentscheidung\nim Januar 2005 ist die Ausweisungsverfugung des Regierungsprasidiums nicht zu\nbeanstanden. Ermachtigungsgrundlage fur die Ausweisung bildet § 55 Abs. 2 Satz\n2 Nr. 2 AufenthG. Auf Grund der von dem Klager begangenen und abgeurteilten\nStraftaten hat dieser einen nicht nur vereinzelten oder geringfugigen Verstoß\ngegen Rechtsvorschriften begangen und somit die Tatbestandsvoraussetzungen\ndieser Vorschrift erfullt. \n--- \n| 60 \n--- \n| Allerdings genießt der Klager besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 AufenthG, denn er ist im Bundesgebiet geboren, hat sich\nmindestens funf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten und ist im Besitz einer\nAufenthaltserlaubnis. Zwar war die dem Klager zuletzt erteilte\nAufenthaltserlaubnis bis zum 14.7.2000 befristet. Doch hat der Klager deren\nVerlangerung (rechtzeitig am 13.7.2000) beantragt, so dass gemaß § 84 Abs. 4\nAufenthG der bisherige Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung der\nAuslanderbehorde als fortbestehend gilt. Genießt der Klager besonderen\nAusweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedeutet dies fur ihn, dass\ner nur aus schwerwiegenden Grunden der offentlichen Sicherheit und Ordnung\nausgewiesen werden kann (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Schwerwiegende Grunde\nim Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegen vor, wenn das offentliche\nInteresse an der Einhaltung der offentlichen Sicherheit und Ordnung im\nVergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Auslanders vor Ausweisung\nein deutliches Übergewicht hat. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, hat\nsich an den spezial- und generalpraventiven Ausweisungszwecken auszurichten\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296; VGH\nBad.-Wurtt., Urteile vom 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EZAR 037 Nr. 8 und vom\n9.7.2003 - 11 S 420/03 -, EZAR 033 Nr. 18). \n--- \n| 61 \n--- \n| Fur die im Fall des Klagers spezialpraventiv begrundete Ausweisung bedeutet\ndies, dass zunachst dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommen\nmuss, das sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und\nHaufigkeit ergeben kann. Dabei ist als Ausweisungsanlass in diesem Sinn nicht\nlediglich die letzte Straftat ins Auge zu fassen, die im Fall des Klagers\nisoliert betrachtet unter Umstanden eine Ausweisung nicht gerechtfertigt\nhatte; vielmehr ist der gesamte ausweisungsrelevante Sachverhalt zu gewichten.\nInsoweit ist zunachst von Bedeutung, dass der Klager in einem Zeitraum von\nknapp funf Jahren sechsmal verurteilt werden musste und zuvor 21\nErmittlungsverfahren vor allem wegen Diebstahls auf Grund der\nStrafunmundigkeit des Klagers nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden\nmussten. Diese Haufigkeit von Straftaten ist ein hinreichend gewichtiger\nAusweisungsanlass, besonders wenn man bedenkt, dass der Klager vor der die\nAusweisung auslosenden und mit Strafurteil des Amtsgerichts H. vom 15.6.2004\ngeahndeten Straftat, zweimal in Haft war und auch zweimal auslanderrechtlich\nverwarnt wurde, ohne dass sich dies erkennbar in seinem Verhalten\nniedergeschlagen hatte. Hinzu kommt die beim Klager insbesondere in den den\nVerurteilungen wegen Bedrohung und versuchter Korperverletzung vom 15.7.2003\nund wegen gefahrlicher Korperverletzung vom 15.6.2004 zu Grunde liegenden\nStraftaten zum Ausdruck kommende Gewaltbereitschaft. Nach Deliktscharakter und\nArt der Begehung ebenfalls in den Bereich der zumindest mittleren Kriminalitat\nfallt die weitere Serie mittaterschaftlich begangener Einbruchsdiebstahle, die\nmit Urteil des Amtsgerichts H. vom 20.1.2001 geahndet wurden. \n--- \n| 62 \n--- \n| Neben dem besonders gewichtigen Ausweisungsanlass mussen außerdem\nAnhaltspunkte dafur bestehen, dass eine schwere Gefahrdung der offentlichen\nSicherheit und Ordnung durch neue (einschlagige oder im Gewicht vergleichbare)\nVerfehlungen des Auslanders ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame\nGefahr fur ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.6.1996\n- 1 C 24.94 -, Buchholz 402.240 § 48 AuslG Nr. 9; BVerfG, Beschluss vom\n1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67). Dies bedeutet, dass fur den durch\nbesonderen Ausweisungsschutz privilegierten Auslander ein hinreichender Grad\nan Wiederholungsgefahr bestehen muss, bei dessen Ermittlung auch dem\nnormativen Bewertungskriterium (Gewicht, Gefahrlichkeit und Schaden der\nStraftat) eine gewisse Bedeutung zukommen kann (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteile\nvom 9.7.2003 und vom 21.7.2004 , a.a.O.). Fur den Klager bestand zu dem\nmaßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung die hinreichende\nWahrscheinlichkeit einer wiederholten Delinquenz. Die Verurteilung auf\nBewahrung (Urteil des Amtsgerichts H. vom 20.1.2001), die mehrmonatige\nInhaftierung und die mit der Androhung der Ausweisung verbundenen\nauslanderrechtlichen Verwarnungen blieben ohne jeden erkennbaren Einfluss auf\ndas strafrechtlich relevante Verhalten des Klagers. Im Gegenteil: Nach dem\nErlass der Ausweisungsverfugung vom 5.1.2005 und kurz vor Erhebung der\nverwaltungsgerichtlichen Klage am 9.2.2005 sowie nach bedingter Haftentlassung\nunter Bewahrung stehend wurde der Klager erneut (am 30.1.2005) straffallig,\nwobei auch hier der abgeurteilten Straftat ein nicht unerhebliches\nGewaltpotenzial - dieses Mal gegen Sachen - zu Grunde lag. Dies zeigt, dass\nder Klager selbst unter dem Druck einer erlassenen und mit einer\nverwaltungsgerichtlichen Klage angefochtenen Ausweisung nicht zu einem\nstraffreien Leben in der Bundesrepublik in der Lage war, sondern sich als\nwiederholter Bewahrungsbrecher erwiesen hat. Auch wenn einzelne Straftaten\nihren Grund in Alkoholproblemen des Klagers haben sollten (vgl. dazu das\nSchreiben des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt A. vom 18.1.2006),\nandert dies nichts an der zutreffenden Einschatzung der Wiederholungsgefahr\ndurch die Auslanderbehorde im Zeitpunkt der Ausweisungsverfugung, die durch\ndie nach Erlass der Ausweisungsverfugung begangenen und mit Urteil des\nAmtsgerichts H. vom 28.6.2005 geahndeten erneuten Straftaten anschaulich\nbestatigt wird. \n--- \n| 63 \n--- \n| Die somit nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu treffende\nErmessensentscheidung lasst keine Rechtsfehler (§ 40 LVwVfG) erkennen. Das\nRegierungsprasidium hat insbesondere die fur einen weiteren Aufenthalt des\nKlagers im Bundesgebiet sprechenden Gesichtspunkte (vgl. § 50 Abs. 3\nAufenthG), wie etwa die Geburt und den standigen rechtmaßigen Aufenthalt im\nBundesgebiet, fehlende enge Beziehungen zur Turkei, zu erwartende\nSchwierigkeiten nach einer zwangsweisen Ruckkehr in die Turkei und das\nZusammenleben mit den Eltern, in die Ermessensentscheidung eingestellt, aber\nauch zu Recht eine bislang kaum gelungene Integration in die\nLebensverhaltnisse der Bundesrepublik festgestellt. Den fur den Verbleib des\nKlagers in der Bundesrepublik sprechenden Gesichtspunkten hat es das\noffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten des Klagers in\nder Bundesrepublik (Spezialpravention) gegenubergestellt. Dass das\nRegierungsprasidium zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Verfugung\nvon einem Überwiegen der fur eine Ausweisung des Klagers sprechenden\noffentlichen Interessen ausgegangen ist, kann auch im Hinblick auf den\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit nicht beanstandet werden. \n--- \n| 64 \n--- \n| Die Ausweisung des Klagers verstoßt schließlich nicht gegen die Europaische\nMenschenrechtskonvention (EMRK). Ein insoweit dem Art. 8 EMRK zu entnehmender\n(weitergehender) Ausweisungsschutz ist bei der Anwendung des\nAufenthaltsgesetzes zu beachten und gesondert zu prufen, wobei hier\nhinsichtlich der Frage, ob ein (schutzenswertes) Privat- und Familienleben im\nSinne des Art. 8 EMRK vorliegt, auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung des\nnationalen Gerichts abzustellen ist (EuGH, Urteile vom 30.11.1999 <Baghli>,\nInfAuslR 2000, 53, vom 30.10.2002 <Yildiz>, InfAuslR 2003, 126, vom 15.7.2003\n<Mokrani>, InfAuslR 2004, 183; VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 16.7.2003 - 13 S\n705/03 -; Urteil vom 27.1.2004 - 10 S 1610/03 -, InfAuslR 2004, 189; Urteil\nvom 16.3.2005, a.a.O.; OVG Bremen, Urteil vom 25.5.2004 - 1 A 303/03 -,\nInfAuslR 2004, 328). \n--- \n| 65 \n--- \n| Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung (unter anderem)\nseines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff einer offentlichen Behorde in\ndie Ausubung dieses Rechts ist gemaß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit\nder Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft\nnotwendig ist fur die nationale oder offentliche Sicherheit, fur das\nwirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur\nVerhutung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum\nSchutz der Rechte und Freiheiten anderer. Unter Berucksichtigung der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs fur Menschenrechte (EGMR) ist die\nAusweisung des Klagers im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden. Dem\nin Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit kann es\nnach der Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf die Folgen fur den Auslander\nselbst widersprechen, wenn durch behordliche Maßnahmen die Voraussetzungen fur\nsein weiteres Zusammenleben mit seiner im Vertragsstaat ansassigen Familie\nbeseitigt werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 26.3.1992 <Beldjoudi>, InfAuslR\n1994, 86; Urteil vom 26.9.1997 <Mehemi>, NVwZ 1998, 164; Urteil vom 31.10.2002\n<Yildiz>, InfAuslR 2003, 126). Eine Verletzung des\nVerhaltnismaßigkeitsgrundsatzes kommt danach etwa bei Auslandern in Betracht,\ndie aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inlandern geworden sind\nund denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer\nStaatsangehorigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl.\nauch BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8.96 -, NVwZ 1999, 303; VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 13.5.2004 - 11 S 1080/04 -; Beschluss vom 28.5.2001\n- 11 S 2940/99 -; Beschluss vom 16.3.2005, a.a.O.). \n--- \n| 66 \n--- \n| Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klager faktischer Inlander\nin diesem Sinne geworden ist. Zwar ist er in Deutschland geboren und\naufgewachsen und beherrscht die deutsche Sprache. Indes fehlen ihm nicht alle\nuber die bloße turkische Staatsangehorigkeit hinaus gehenden sozialen und\nsoziokulturellen Beziehungen zum Staat seiner Staatsangehorigkeit (vgl. dazu:\nVGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 10.9.2003, a.a.O.; Beschluss vom 13.5.2004,\na.a.O.). Er spricht nach seinen eigenen Angaben gut turkisch. Mit seinen\nEltern wird der kommunikative Kontakt sogar nur in turkisch gepflegt. Daruber\nhinaus hat der Klager bis zum Jahr 2002 regelmaßig einmal im Jahr die Turkei\nfur knapp einen Monat besucht, um dort zusammen mit weiteren\nFamilienangehorigen seinen Urlaub zu verbringen. Er hat sich dann bei der\nSchwester seiner Mutter in A. aufgehalten. Seine Eltern haben zudem trotz\neines jahrelangen Aufenthalts in Deutschland an der turkischen\nStaatsangehorigkeit festgehalten; Bemuhungen um eine Einburgerung sind nicht\nbekannt. Auch hat der Klager in Deutschland weder einen Schul- noch einen\nBerufsabschluss erreicht. \n--- \n| 67 \n--- \n| Selbst wenn der Klager als faktischer Inlander zu betrachten ware, weist\nsein Fall dennoch nicht die erforderlichen Besonderheiten auf, die ein Leben\nin der Turkei fur ihn trotz der gegebenen Ausweisungsvoraussetzungen\nunzumutbar machen. Korrekturen einer nach nationalen Vorschriften rechtmaßigen\nAusweisung wegen Unverhaltnismaßigkeit sind nach dem Maßstab des Art. 8 Abs. 2\nEMRK nur in außergewohnlichen Einzelfallen denkbar, die entweder hinsichtlich\ndes (gesteigerten) Gewichts der Schutzguter (Privat- und Familienleben) oder\nhinsichtlich der (geminderten) Bedeutung der offentlichen Ausweisungsziele\n(insbesondere offentliche Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhutung\nvon Straftaten, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) signifikante\nBesonderheiten aufweisen (VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 28.11.2002 - 11 S\n1270/02 -, VBlBW 2003, 289; Beschluss vom 13.5.2004, a.a.O.). Die in dem Fall\ndes Klagers zu berucksichtigenden besonderen Umstande, zu denen etwa zahlen\ndie Schwere und Art der Straftaten, das Alter des Betroffenen bei Begehung der\nStraftat, die familiare Situation, insbesondere, ob der Auslander - mit einer\ndeutschen Staatsangehorigen - verheiratet ist oder ob er Kinder - mit\ndeutscher Staatsangehorigkeit - hat bzw. ob er auf die Unterstutzung und Hilfe\nvon im Inland lebenden Eltern und Geschwistern angewiesen ist, der Bezug des\nAuslanders zu dem Staat seiner Staatsangehorigkeit und schließlich ob der\nAuslander die Staatsangehorigkeit seines Heimatlandes behalten und nicht die\nStaatsangehorigkeit des Aufenthaltslandes erwerben wollte (vgl. zum Ganzen\nausfuhrlich mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EGMR: VGH Bad.-Wurtt.,\nBeschluss vom 13.5.2004, a.a.O.) machen seine Ausweisung nicht\nunverhaltnismaßig. Der Klager ist unverheiratet und kinderlos. Soweit er\nschriftsatzlich vorgetragen hat, er habe eine feste Beziehung zu einer\ndeutschen Staatsangehorigen, die er heiraten wolle und die ein Kind von ihm\nerwarte, hat er in der mundlichen Verhandlung angegeben, dass die Beziehung\nwahrend seiner Haftzeit auseinander gegangen sei und die Frau das Kind in der\n11. Schwangerschaftswoche verloren habe. Sein Vorbringen in der mundlichen\nVerhandlung, er habe nun eine andere deutsche Freundin, die ein Kind von ihm\nerwarte, hat er nicht naher belegt. Auch ist er diese Beziehung in Kenntnis\nder Ausweisungsverfugung eingegangen; seine deutsche Freundin soll nach den\nAngaben des Klagers in der mundlichen Verhandlung ebenfalls von der\nbestehenden Ausweisungsverfugung gewusst haben. Der Klager hat auch keine\nAnhaltspunkte dafur geltend gemacht, dass er auf die familiare Unterstutzung\ndurch seine Eltern oder Geschwister im Bundesgebiet angewiesen ist. Zwar\nbeging er zahlreiche Straftaten noch wahrend er minderjahrig war, doch steht\ndem - wie bereits ausgefuhrt - die Schwere und Zahl der Taten und eine von ihm\nimmer noch ausgehende gravierende Wiederholungsgefahr gegenuber. Die\ndemgegenuber geltend gemachten Schwierigkeiten bei Ruckkehr in die Turkei\nmachen die verfugte Ausweisung nicht rechtswidrig. Der Klager ist der\nturkischen Sprache machtig und auf Grund zahlreich verbrachter Urlaube mit dem\nLeben in der Turkei vertraut und verfugt mit seiner in A. lebenden Tante, bei\nder er auch Urlaube verbrachte, uber eine erste Anlaufstelle, die ihm bei\nmoglichen ersten Schwierigkeiten behilflich sein kann. \n--- \n| 68 \n--- \n| Der Klager hat auch keinen - mit der Klage verfolgten - Anspruch auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein\nAuslander, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen\nund sich darin aufhalten (Satz 1). Ebenso wird ihm auch bei Vorliegen der\nVoraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel\nerteilt (Satz 2). Diese „Sperrwirkung" der Ausweisung greift bereits dann,\nwenn die Ausweisung noch nicht bestandskraftig oder vollziehbar ist (§ 84 Abs.\n2 AufenthG); sie steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis daher auch hier\nentgegen. \n--- \n| 69 \n--- \n| Die Abschiebungsandrohung in der von dem Vertreter des Beklagten in der\nmundlichen Verhandlung zu Protokoll erklarten Modifizierung ist ebenfalls\nrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 58, 59 AufenthG). \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es besteht kein Anlass,\ndas Urteil wegen der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren (vgl. §\n167 Abs. 2 VwGO) oder die Berufung gemaß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 52 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Die angefochtene\nAusweisungsverfugung ist rechtmaßig und verletzte den Klager nicht in seinen\nRechten. Der Klager hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). \n--- \n| 53 \n--- \n| Die in dem Bescheid des Regierungsprasidiums T. vom 5.1.2005 verfugte\nAusweisung ist rechtlich nicht zu beanstanden. \n--- \n| 54 \n--- \n| Sie verstoßt zunachst nicht gegen die zum Zeitpunkt der\nAusweisungsentscheidung geltenden gemeinschaftsrechtlichen\nVerfahrensvorschriften des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in der Auslegung, die\nsie durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 -,\nInfAuslR 2006, 110; Urteil vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114;\nvgl. ebenso: VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -) erfahren\nhat. Zwar ist die vom Regierungsprasidium T. am 5.1.2005 verfugte Ausweisung\nim Hinblick auf § 6a AGVwGO ohne vorherige Durchfuhrung eines\nWiderspruchsverfahrens und damit ohne die nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG\nregelmaßig erforderliche Einschaltung einer zweiten unabhangigen Stelle vor\nAbschluss des behordlichen Verfahrens ergangen. Ob hieran die nach Abschluss\ndes Verwaltungsverfahrens erfolgte Aufhebung der RL 64/221/EWG durch Art. 38\nAbs. 2 RL 2004/38/EG (mit Wirkung vom 30.4.2006) etwas zu andern vermag (vgl.\ndazu einerseits: VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 29.6.2006, a.a.O.; andererseits:\nNiedersachs. OVG, Urteil vom 16.5.2006 - 11 LC 324/05 -; VG Dusseldorf,\nBeschluss vom 10.2.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263), bedarf hier\nkeiner weiteren Erorterung. Denn die gemeinschaftsrechtlichen\nVerfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar fur\nUnionsburger bei behordlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, sind nur\nauf solche turkischen Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach\ndem ARB 1/80 haben (EuGH, Urteil vom 2.6.2005 <Dorr und Ünal>, BVerwG, Urteile\nvom 13.9.2005 und vom 6.10.2005, a.a.O.; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n29.6.2005, a.a.O.). Dabei setzt die praktische Wirksamkeit der den freien\nZugang zum Arbeitsmarkt regelnden Rechte der Art. 6 und 7 ARB 1/80\nzwangslaufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das\nebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht (EuGH, Urteil vom 16.3.2000\n<Ergat>, NVwZ 2000, 1277, Urteil vom 11.11.2004 <Cetinkaya>, NVwZ 2005, 198;\nUrteil vom 7.7.2005 <Aydinli>, InfAuslR 2005, 352; BVerwG, Urteil vom\n6.10.2005, a.a.O.). Zu dem Personenkreis, der Rechte aus Art. 6 oder 7 ARB\n1/80 fur sich in Anspruch nehmen kann, zahlt der Klager indes nicht. \n--- \n| 55 \n--- \n| Auf Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann sich der Klager nicht berufen. Nach dem\nersten Spiegelschrift dieser Vorschrift hat ein turkischer Arbeitnehmer, der\ndem regularen Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehort, in diesem\nMitgliedsstaat nach einem Jahr ordnungsgemaßer Beschaftigung Anspruch auf\nErneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er uber\neinen Arbeitsplatz verfugt. Das Erfordernis einer einjahrigen Beschaftigung\nbei dem gleichen Arbeitgeber erfullt der Klager nicht, wie sich ohne weiteres\naus den im Tatbestand des Urteils aufgelisteten Beschaftigungszeiten des\nKlagers ergibt. Auch die in der mundlichen Verhandlung vorgelegte\nBescheinigung der E. D. GmbH andert hieran nichts, da - wie der Klager in der\nmundlichen Verhandlung bestatigte - das Beschaftigungsverhaltnis nur kurze\nZeit Bestand hatte, weil er einen Monat nach Arbeitsbeginn am 9.3.2004 wieder\nin Strafhaft kam. Die in der Justizvollzugsanstalt ausgeubten Tatigkeiten und\ndie in der Justizvollzugsanstalt nicht zu einem Abschluss gekommene\nBerufsausbildung sind nicht dem regularen Arbeitsmarkt zuzurechnen und\nbegunstigen den Klager nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.5.1996 - 1 B 136.95\n-, NVwZ 1999, 1095; Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz [GK-\nAufenthG], Art. 6 ARB, RdNr. 121). \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Schutz des Art. 7 ARB 1/80 kommt dem Klager ebenfalls nicht zu. Auf\nArt. 7 Satz 2 ARB 1/80 kann sich der Klager schon deshalb nicht berufen, weil\ner in der Bundesrepublik Deutschland keine Berufsausbildung abgeschlossen hat.\nAber auch die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 sind nicht erfullt.\nDanach haben die Familienangehorigen eines dem regularen Arbeitsmarkt\nangehorenden turkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu\nihm zu ziehen, vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedsstaaten\neinzuraumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben,\nwenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemaßen Wohnsitz\nhaben. Dabei konnen nicht nur nachziehende Familienangehorige, sondern auch in\nDeutschland geborene Kinder den Rechtsstatus nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80\nerwerben, wenn sie stets in der Bundesrepublik gelebt haben (EuGH, Urteil vom\n11.11.2004, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 6.10.2005, a.a.O.). \n--- \n| 57 \n--- \n| Allerdings ist neben dem dreijahrigen bzw. funfjahrigen Zusammenleben mit\nder Bezugsperson des Familienangehorigen in hauslicher Gemeinschaft die\nArbeitsmarktzugehorigkeit der Bezugsperson fur die gesamte unter den zwei\nSpiegelstrichen des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 geforderte Wohnsitzdauer\nVoraussetzung fur die Anwendbarkeit des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 (OVG Rheinland-\nPfalz, Urteil vom 14.1.2005 - 10 A 111017/04 -, InfAuslR 2005, 238; HTK-AuslR,\nArt. 7 Satz 1 ARB 1/80, Anm. 2.4). Nicht notwendig ist es jedoch, dass der\nturkische Arbeitnehmer bereits eine Verfestigungsstufe des Art. 6 Abs. 1 ARB\n1/80 erreicht hat oder wahrend der geforderten Wohnsitzdauer erreicht. Auch\nsetzt der Erwerb der Rechtsstellung des Familienangehorigen nach Art. 7 Satz 1\nARB 1/80 nicht voraus, dass die Bezugsperson, von der der Familienangehorige\nseinen Anspruch ableitet, zu dem Zeitpunkt, in dem der Familienangehorige den\nAnspruch nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 geltend macht, noch dem regularen\nArbeitsmarkt angehort (zum Ganzen ebenfalls: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom\n14.1.2005, a.a.O.; HTK-AuslR, a.a.O.). Nach den vorgelegten Sozialdaten der\nDeutschen Rentenversicherung, die im Tatbestand des Urteil wiedergegeben sind,\nerreichen weder der Vater noch die Mutter des Klagers nach dessen Geburt eine\ndurchgehende ununterbrochene Beschaftigungszeit von drei Jahren. Auch wenn man\nvon dem Erfordernis einer durchgehenden Beschaftigungszeit absieht und die\nmitgeteilten Beschaftigungszeiten zusammenzahlt, sind weder der Vater noch die\nMutter des Klagers seit dessen Geburt (insgesamt) drei Jahre im Bundesgebiet\nbeschaftigt gewesen. Zwar ist bislang in der Rechtsprechung noch nicht\nabschließend geklart, ob eine durchgehende ordnungsgemaße Beschaftigung des\nturkischen Arbeitnehmers, von dem der Familienangehorige sein Recht aus Art. 7\nSatz 1 ARB 1/80 ableiten will, erforderlich ist (vgl. zu den moglichen\nArgumentationsebenen ausfuhrlich: VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 16.12.2004 -\n13 S 2510/04 -, EZAR 19 Nr. 4). Hierfur spricht neben systematischen Grunden\n(vgl. dazu im Einzelnen: VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 16.12.2004, a.a.O.)\nauch der Umstand, dass der Europaische Gerichtshof (Urteil vom 26.11.1998\n<Birden>, InfAuslR 1999, 6) entschieden hat, dass der in Art. 6 ARB 1/80\nenthaltene und mit Art. 7 ARB 1/80 gleichlautende Begriff des „dem regularen\nArbeitsmarkt angehorenden turkischen Arbeitnehmers" mit dem daneben\nverwendeten Begriff der „ordnungsgemaßen Beschaftigung" identisch ist, so dass\nbei Übertragung dieser Grundsatze auf die hier zu behandelnde Beschaftigung\nder Eltern des Klagers jedenfalls in dem fur die Entstehung des abgeleiteten\nRechts des Klagers maßgebenden Drei-Jahres-Zeitraums eine - hier nicht\ngegebene - entsprechende konkrete ordnungsgemaße Beschaftigung mindestens\neines Elternteils verlangt werden konnte; zudem bestimmt Art. 6 Abs. 2 Satz 2\nARB 1/80 ausdrucklich, dass (auch unverschuldete) Arbeitslosigkeit fur den\nErwerb von Rechten aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht positiv berucksichtigt\nwird. Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass Art. 6 ARB 1/80 den Begriff\nder ordnungsgemaßen Beschaftigung sowie den Begriff der Zugehorigkeit eines\nArbeitnehmers zum regularen Arbeitsmarkt enthalt, wahrend Art. 7 Satz 1 ARB\n1/80 eine „ordnungsgemaße Beschaftigung" des Stammberechtigten nicht verlangt.\nDer Begriff „regularer Arbeitsmarkt" bezeichnet die Gesamtheit der\nArbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betroffenen\nStaates nachkommen und somit das Recht haben, eine Berufstatigkeit in seinem\nHoheitsgebiet auszuuben" (EuGH, Urteil vom 26.11.1998, a.a.O.). Aber selbst\nwenn man diesen fur den Klager gunstigeren Ansatzpunkt zu Grunde liegen wurde,\nhat er kein Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben. Zwar fuhren Zeiten der\nArbeitslosigkeit dann nicht schon fur sich gesehen zum Ausscheiden aus dem\nregularen Arbeitsmarkt. Es mangelt insoweit nur dann an einer weiteren\nZugehorigkeit zum Arbeitsmarkt, wenn der turkische Arbeitnehmer nicht (mehr)\nvermittelbar bzw. als Dauerarbeitsloser zu betrachten ist oder wenn ihm an\neiner erneuten ordnungsgemaßen Beschaftigung nicht (mehr) gelegen ist und er\nes deshalb unterlasst, sich ernsthaft um eine Arbeitsstelle zu bemuhen (vgl.\nEuGH Urteil vom 23.1.1997 <Tetik>, InfAuslR 1997, 146; OVG Rheinland-Pfalz,\nUrteil vom 14.1.2005, a.a.O. m.w.N.). Zwar lasst sich nicht pauschal\nbestimmen, ab welchem Zeitraum von einer Dauerarbeitslosigkeit gesprochen\nwerden kann, jedoch ist hiervon bei einem Zeitraum von uber einem halben Jahr,\njedenfalls nach Ansicht der Kammer von einem Jahr, regelmaßig auszugehen (vgl.\nEuGH, Urteil vom 26.2.1991 <Antonissen>, InfAuslR 1991, 151; GK-AufenthG, Art.\n6 ARB 1/80 RdNr. 247; Gutmann, InfAuslR 1997, 149, 150). Bei Betrachtung der\nvon der Deutschen Rentenversicherung mit Schreiben vom 22.12.2005\nubermittelten Sozialdaten ubersteigen die beschaftigungslosen Zeiten der\nMutter und des Vaters des Klagers diese Grenze von sechs Monaten und auch von\neinem Jahr bis auf wenige Ausnahmen deutlich. So ist fur die Mutter des\nKlagers fur den Zeitraum vom 19.3.1987 bis zum 19.2.1989 (also 1 Jahr 11\nMonate) und fur die Zeit ab dem 1.1.1991 keine Beschaftigung aufgefuhrt. Fur\nden Vater des Klagers sind keine Beschaftigungen zwischen dem 14.9.1986 und\ndem 5.6.1988 (etwa 1 ¾ Jahr) und den Zeitraumen von dem 10.9.1988 bis zum\n25.9.1988 (15 Tage), dem 28.9.1988 bis zum 8.1.1989 (etwa 3 ½ Monate), dem\n17.8.1989 bis zum 16.3.1998 (etwa 8 ½ Jahre), dem 1.6.1998 bis zum 4.12.2000\n(etwa 2 ½ Jahre) und seit dem 17.2.2001 aufgefuhrt. Selbst wenn man die\nkurzfristigen Unterbrechungen der Beschaftigung im Jahr 1988/89 bei der\nBemessung der Dauer der Zugehorigkeit des Vaters des Klagers zum regularen\nArbeitsmarkt berucksichtigen wurde, ware die erforderliche Zeitspanne von drei\nJahren nicht erreicht, so dass festzuhalten bleibt, dass sich der Klager nicht\nauf Art. 7 ARB 1/80 und damit auch nicht auf den durch den ARB 1/80\nvermittelten verfahrensrechtlichen wie auch materiellen Schutz berufen kann. \n--- \n| 58 \n--- \n| Fur die Beurteilung, ob die angefochtene Ausweisungsverfugung mit\nnationalem Recht in Einklang steht, ist auf die Sach- und Rechtslage im\nZeitpunkt der letzten Behordenentscheidung - hier mangels Erforderlichkeit und\nDurchfuhrung eines Widerspruchsverfahrens auf den Erlass der\nAusweisungsverfugung im Januar 2005 - abzustellen (BVerwG, Urteil vom\n7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n15.5.2003 - 13 S 1113/02 -; Urteil vom 16.3.2005 - 11 S 2885/04 - m.w.N.);\ndies gilt unabhangig davon, dass die Gerichte Erkenntnismittel auswerten\ndurfen, die nach Erlass der letzten Behordenentscheidung entstanden sind, wenn\nihnen Anhaltspunkte fur die Richtigkeit oder auch fur die Unrichtigkeit der im\nZeitpunkt dieser Entscheidung getroffenen Einschatzung entnommen werden konnen\n(vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152;\nBeschlusse vom 5.5.1997 - 1 B 129.96 -, AuAS 1997, 218 und vom 23.5.2001 - 1 B\n125.00 -, NVwZ 2001, 1288; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 21.7.2004 - 11 S 535/04\n-). Der Klager verfugt - wie oben dargestellt - zudem nicht uber ein\nAufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80, so dass auch insoweit nicht der\nmaßgebliche Zeitpunkt fur die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den\nZeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht zu\nverlagern ist (vgl. dazu: BVerwG, Urteile vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ\n2005, 220 und - 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224). \n--- \n| 59 \n--- \n| Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Behordenentscheidung\nim Januar 2005 ist die Ausweisungsverfugung des Regierungsprasidiums nicht zu\nbeanstanden. Ermachtigungsgrundlage fur die Ausweisung bildet § 55 Abs. 2 Satz\n2 Nr. 2 AufenthG. Auf Grund der von dem Klager begangenen und abgeurteilten\nStraftaten hat dieser einen nicht nur vereinzelten oder geringfugigen Verstoß\ngegen Rechtsvorschriften begangen und somit die Tatbestandsvoraussetzungen\ndieser Vorschrift erfullt. \n--- \n| 60 \n--- \n| Allerdings genießt der Klager besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 AufenthG, denn er ist im Bundesgebiet geboren, hat sich\nmindestens funf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten und ist im Besitz einer\nAufenthaltserlaubnis. Zwar war die dem Klager zuletzt erteilte\nAufenthaltserlaubnis bis zum 14.7.2000 befristet. Doch hat der Klager deren\nVerlangerung (rechtzeitig am 13.7.2000) beantragt, so dass gemaß § 84 Abs. 4\nAufenthG der bisherige Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung der\nAuslanderbehorde als fortbestehend gilt. Genießt der Klager besonderen\nAusweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedeutet dies fur ihn, dass\ner nur aus schwerwiegenden Grunden der offentlichen Sicherheit und Ordnung\nausgewiesen werden kann (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Schwerwiegende Grunde\nim Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegen vor, wenn das offentliche\nInteresse an der Einhaltung der offentlichen Sicherheit und Ordnung im\nVergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Auslanders vor Ausweisung\nein deutliches Übergewicht hat. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, hat\nsich an den spezial- und generalpraventiven Ausweisungszwecken auszurichten\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296; VGH\nBad.-Wurtt., Urteile vom 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EZAR 037 Nr. 8 und vom\n9.7.2003 - 11 S 420/03 -, EZAR 033 Nr. 18). \n--- \n| 61 \n--- \n| Fur die im Fall des Klagers spezialpraventiv begrundete Ausweisung bedeutet\ndies, dass zunachst dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommen\nmuss, das sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und\nHaufigkeit ergeben kann. Dabei ist als Ausweisungsanlass in diesem Sinn nicht\nlediglich die letzte Straftat ins Auge zu fassen, die im Fall des Klagers\nisoliert betrachtet unter Umstanden eine Ausweisung nicht gerechtfertigt\nhatte; vielmehr ist der gesamte ausweisungsrelevante Sachverhalt zu gewichten.\nInsoweit ist zunachst von Bedeutung, dass der Klager in einem Zeitraum von\nknapp funf Jahren sechsmal verurteilt werden musste und zuvor 21\nErmittlungsverfahren vor allem wegen Diebstahls auf Grund der\nStrafunmundigkeit des Klagers nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden\nmussten. Diese Haufigkeit von Straftaten ist ein hinreichend gewichtiger\nAusweisungsanlass, besonders wenn man bedenkt, dass der Klager vor der die\nAusweisung auslosenden und mit Strafurteil des Amtsgerichts H. vom 15.6.2004\ngeahndeten Straftat, zweimal in Haft war und auch zweimal auslanderrechtlich\nverwarnt wurde, ohne dass sich dies erkennbar in seinem Verhalten\nniedergeschlagen hatte. Hinzu kommt die beim Klager insbesondere in den den\nVerurteilungen wegen Bedrohung und versuchter Korperverletzung vom 15.7.2003\nund wegen gefahrlicher Korperverletzung vom 15.6.2004 zu Grunde liegenden\nStraftaten zum Ausdruck kommende Gewaltbereitschaft. Nach Deliktscharakter und\nArt der Begehung ebenfalls in den Bereich der zumindest mittleren Kriminalitat\nfallt die weitere Serie mittaterschaftlich begangener Einbruchsdiebstahle, die\nmit Urteil des Amtsgerichts H. vom 20.1.2001 geahndet wurden. \n--- \n| 62 \n--- \n| Neben dem besonders gewichtigen Ausweisungsanlass mussen außerdem\nAnhaltspunkte dafur bestehen, dass eine schwere Gefahrdung der offentlichen\nSicherheit und Ordnung durch neue (einschlagige oder im Gewicht vergleichbare)\nVerfehlungen des Auslanders ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame\nGefahr fur ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.6.1996\n- 1 C 24.94 -, Buchholz 402.240 § 48 AuslG Nr. 9; BVerfG, Beschluss vom\n1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67). Dies bedeutet, dass fur den durch\nbesonderen Ausweisungsschutz privilegierten Auslander ein hinreichender Grad\nan Wiederholungsgefahr bestehen muss, bei dessen Ermittlung auch dem\nnormativen Bewertungskriterium (Gewicht, Gefahrlichkeit und Schaden der\nStraftat) eine gewisse Bedeutung zukommen kann (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteile\nvom 9.7.2003 und vom 21.7.2004 , a.a.O.). Fur den Klager bestand zu dem\nmaßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung die hinreichende\nWahrscheinlichkeit einer wiederholten Delinquenz. Die Verurteilung auf\nBewahrung (Urteil des Amtsgerichts H. vom 20.1.2001), die mehrmonatige\nInhaftierung und die mit der Androhung der Ausweisung verbundenen\nauslanderrechtlichen Verwarnungen blieben ohne jeden erkennbaren Einfluss auf\ndas strafrechtlich relevante Verhalten des Klagers. Im Gegenteil: Nach dem\nErlass der Ausweisungsverfugung vom 5.1.2005 und kurz vor Erhebung der\nverwaltungsgerichtlichen Klage am 9.2.2005 sowie nach bedingter Haftentlassung\nunter Bewahrung stehend wurde der Klager erneut (am 30.1.2005) straffallig,\nwobei auch hier der abgeurteilten Straftat ein nicht unerhebliches\nGewaltpotenzial - dieses Mal gegen Sachen - zu Grunde lag. Dies zeigt, dass\nder Klager selbst unter dem Druck einer erlassenen und mit einer\nverwaltungsgerichtlichen Klage angefochtenen Ausweisung nicht zu einem\nstraffreien Leben in der Bundesrepublik in der Lage war, sondern sich als\nwiederholter Bewahrungsbrecher erwiesen hat. Auch wenn einzelne Straftaten\nihren Grund in Alkoholproblemen des Klagers haben sollten (vgl. dazu das\nSchreiben des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt A. vom 18.1.2006),\nandert dies nichts an der zutreffenden Einschatzung der Wiederholungsgefahr\ndurch die Auslanderbehorde im Zeitpunkt der Ausweisungsverfugung, die durch\ndie nach Erlass der Ausweisungsverfugung begangenen und mit Urteil des\nAmtsgerichts H. vom 28.6.2005 geahndeten erneuten Straftaten anschaulich\nbestatigt wird. \n--- \n| 63 \n--- \n| Die somit nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu treffende\nErmessensentscheidung lasst keine Rechtsfehler (§ 40 LVwVfG) erkennen. Das\nRegierungsprasidium hat insbesondere die fur einen weiteren Aufenthalt des\nKlagers im Bundesgebiet sprechenden Gesichtspunkte (vgl. § 50 Abs. 3\nAufenthG), wie etwa die Geburt und den standigen rechtmaßigen Aufenthalt im\nBundesgebiet, fehlende enge Beziehungen zur Turkei, zu erwartende\nSchwierigkeiten nach einer zwangsweisen Ruckkehr in die Turkei und das\nZusammenleben mit den Eltern, in die Ermessensentscheidung eingestellt, aber\nauch zu Recht eine bislang kaum gelungene Integration in die\nLebensverhaltnisse der Bundesrepublik festgestellt. Den fur den Verbleib des\nKlagers in der Bundesrepublik sprechenden Gesichtspunkten hat es das\noffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten des Klagers in\nder Bundesrepublik (Spezialpravention) gegenubergestellt. Dass das\nRegierungsprasidium zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Verfugung\nvon einem Überwiegen der fur eine Ausweisung des Klagers sprechenden\noffentlichen Interessen ausgegangen ist, kann auch im Hinblick auf den\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit nicht beanstandet werden. \n--- \n| 64 \n--- \n| Die Ausweisung des Klagers verstoßt schließlich nicht gegen die Europaische\nMenschenrechtskonvention (EMRK). Ein insoweit dem Art. 8 EMRK zu entnehmender\n(weitergehender) Ausweisungsschutz ist bei der Anwendung des\nAufenthaltsgesetzes zu beachten und gesondert zu prufen, wobei hier\nhinsichtlich der Frage, ob ein (schutzenswertes) Privat- und Familienleben im\nSinne des Art. 8 EMRK vorliegt, auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung des\nnationalen Gerichts abzustellen ist (EuGH, Urteile vom 30.11.1999 <Baghli>,\nInfAuslR 2000, 53, vom 30.10.2002 <Yildiz>, InfAuslR 2003, 126, vom 15.7.2003\n<Mokrani>, InfAuslR 2004, 183; VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 16.7.2003 - 13 S\n705/03 -; Urteil vom 27.1.2004 - 10 S 1610/03 -, InfAuslR 2004, 189; Urteil\nvom 16.3.2005, a.a.O.; OVG Bremen, Urteil vom 25.5.2004 - 1 A 303/03 -,\nInfAuslR 2004, 328). \n--- \n| 65 \n--- \n| Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung (unter anderem)\nseines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff einer offentlichen Behorde in\ndie Ausubung dieses Rechts ist gemaß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit\nder Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft\nnotwendig ist fur die nationale oder offentliche Sicherheit, fur das\nwirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur\nVerhutung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum\nSchutz der Rechte und Freiheiten anderer. Unter Berucksichtigung der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs fur Menschenrechte (EGMR) ist die\nAusweisung des Klagers im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden. Dem\nin Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit kann es\nnach der Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf die Folgen fur den Auslander\nselbst widersprechen, wenn durch behordliche Maßnahmen die Voraussetzungen fur\nsein weiteres Zusammenleben mit seiner im Vertragsstaat ansassigen Familie\nbeseitigt werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 26.3.1992 <Beldjoudi>, InfAuslR\n1994, 86; Urteil vom 26.9.1997 <Mehemi>, NVwZ 1998, 164; Urteil vom 31.10.2002\n<Yildiz>, InfAuslR 2003, 126). Eine Verletzung des\nVerhaltnismaßigkeitsgrundsatzes kommt danach etwa bei Auslandern in Betracht,\ndie aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inlandern geworden sind\nund denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer\nStaatsangehorigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl.\nauch BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8.96 -, NVwZ 1999, 303; VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 13.5.2004 - 11 S 1080/04 -; Beschluss vom 28.5.2001\n- 11 S 2940/99 -; Beschluss vom 16.3.2005, a.a.O.). \n--- \n| 66 \n--- \n| Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klager faktischer Inlander\nin diesem Sinne geworden ist. Zwar ist er in Deutschland geboren und\naufgewachsen und beherrscht die deutsche Sprache. Indes fehlen ihm nicht alle\nuber die bloße turkische Staatsangehorigkeit hinaus gehenden sozialen und\nsoziokulturellen Beziehungen zum Staat seiner Staatsangehorigkeit (vgl. dazu:\nVGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 10.9.2003, a.a.O.; Beschluss vom 13.5.2004,\na.a.O.). Er spricht nach seinen eigenen Angaben gut turkisch. Mit seinen\nEltern wird der kommunikative Kontakt sogar nur in turkisch gepflegt. Daruber\nhinaus hat der Klager bis zum Jahr 2002 regelmaßig einmal im Jahr die Turkei\nfur knapp einen Monat besucht, um dort zusammen mit weiteren\nFamilienangehorigen seinen Urlaub zu verbringen. Er hat sich dann bei der\nSchwester seiner Mutter in A. aufgehalten. Seine Eltern haben zudem trotz\neines jahrelangen Aufenthalts in Deutschland an der turkischen\nStaatsangehorigkeit festgehalten; Bemuhungen um eine Einburgerung sind nicht\nbekannt. Auch hat der Klager in Deutschland weder einen Schul- noch einen\nBerufsabschluss erreicht. \n--- \n| 67 \n--- \n| Selbst wenn der Klager als faktischer Inlander zu betrachten ware, weist\nsein Fall dennoch nicht die erforderlichen Besonderheiten auf, die ein Leben\nin der Turkei fur ihn trotz der gegebenen Ausweisungsvoraussetzungen\nunzumutbar machen. Korrekturen einer nach nationalen Vorschriften rechtmaßigen\nAusweisung wegen Unverhaltnismaßigkeit sind nach dem Maßstab des Art. 8 Abs. 2\nEMRK nur in außergewohnlichen Einzelfallen denkbar, die entweder hinsichtlich\ndes (gesteigerten) Gewichts der Schutzguter (Privat- und Familienleben) oder\nhinsichtlich der (geminderten) Bedeutung der offentlichen Ausweisungsziele\n(insbesondere offentliche Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhutung\nvon Straftaten, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) signifikante\nBesonderheiten aufweisen (VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 28.11.2002 - 11 S\n1270/02 -, VBlBW 2003, 289; Beschluss vom 13.5.2004, a.a.O.). Die in dem Fall\ndes Klagers zu berucksichtigenden besonderen Umstande, zu denen etwa zahlen\ndie Schwere und Art der Straftaten, das Alter des Betroffenen bei Begehung der\nStraftat, die familiare Situation, insbesondere, ob der Auslander - mit einer\ndeutschen Staatsangehorigen - verheiratet ist oder ob er Kinder - mit\ndeutscher Staatsangehorigkeit - hat bzw. ob er auf die Unterstutzung und Hilfe\nvon im Inland lebenden Eltern und Geschwistern angewiesen ist, der Bezug des\nAuslanders zu dem Staat seiner Staatsangehorigkeit und schließlich ob der\nAuslander die Staatsangehorigkeit seines Heimatlandes behalten und nicht die\nStaatsangehorigkeit des Aufenthaltslandes erwerben wollte (vgl. zum Ganzen\nausfuhrlich mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EGMR: VGH Bad.-Wurtt.,\nBeschluss vom 13.5.2004, a.a.O.) machen seine Ausweisung nicht\nunverhaltnismaßig. Der Klager ist unverheiratet und kinderlos. Soweit er\nschriftsatzlich vorgetragen hat, er habe eine feste Beziehung zu einer\ndeutschen Staatsangehorigen, die er heiraten wolle und die ein Kind von ihm\nerwarte, hat er in der mundlichen Verhandlung angegeben, dass die Beziehung\nwahrend seiner Haftzeit auseinander gegangen sei und die Frau das Kind in der\n11. Schwangerschaftswoche verloren habe. Sein Vorbringen in der mundlichen\nVerhandlung, er habe nun eine andere deutsche Freundin, die ein Kind von ihm\nerwarte, hat er nicht naher belegt. Auch ist er diese Beziehung in Kenntnis\nder Ausweisungsverfugung eingegangen; seine deutsche Freundin soll nach den\nAngaben des Klagers in der mundlichen Verhandlung ebenfalls von der\nbestehenden Ausweisungsverfugung gewusst haben. Der Klager hat auch keine\nAnhaltspunkte dafur geltend gemacht, dass er auf die familiare Unterstutzung\ndurch seine Eltern oder Geschwister im Bundesgebiet angewiesen ist. Zwar\nbeging er zahlreiche Straftaten noch wahrend er minderjahrig war, doch steht\ndem - wie bereits ausgefuhrt - die Schwere und Zahl der Taten und eine von ihm\nimmer noch ausgehende gravierende Wiederholungsgefahr gegenuber. Die\ndemgegenuber geltend gemachten Schwierigkeiten bei Ruckkehr in die Turkei\nmachen die verfugte Ausweisung nicht rechtswidrig. Der Klager ist der\nturkischen Sprache machtig und auf Grund zahlreich verbrachter Urlaube mit dem\nLeben in der Turkei vertraut und verfugt mit seiner in A. lebenden Tante, bei\nder er auch Urlaube verbrachte, uber eine erste Anlaufstelle, die ihm bei\nmoglichen ersten Schwierigkeiten behilflich sein kann. \n--- \n| 68 \n--- \n| Der Klager hat auch keinen - mit der Klage verfolgten - Anspruch auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein\nAuslander, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen\nund sich darin aufhalten (Satz 1). Ebenso wird ihm auch bei Vorliegen der\nVoraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel\nerteilt (Satz 2). Diese „Sperrwirkung" der Ausweisung greift bereits dann,\nwenn die Ausweisung noch nicht bestandskraftig oder vollziehbar ist (§ 84 Abs.\n2 AufenthG); sie steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis daher auch hier\nentgegen. \n--- \n| 69 \n--- \n| Die Abschiebungsandrohung in der von dem Vertreter des Beklagten in der\nmundlichen Verhandlung zu Protokoll erklarten Modifizierung ist ebenfalls\nrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 58, 59 AufenthG). \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es besteht kein Anlass,\ndas Urteil wegen der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren (vgl. §\n167 Abs. 2 VwGO) oder die Berufung gemaß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen. \n---\n\n
73,533
bverfg-2011-09-15-1-bvr-51910
3
Bundesverfassungsgericht
bverfg
Bundesrepublik Deutschland
Verfassungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
1 BvR 519/10
2011-09-15
2018-11-07 18:30:35
2019-01-15 19:04:28
Stattgebender Kammerbeschluss
ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110915.1bvr051910
## Tenor\n\n \n\n1\\. Das Urteil des Amtsgerichts Ehingen vom 9. Oktober 2008 - 2 Ds 42 Js\n7583/07, AK 632/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem\ngrundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes, soweit\ndas Verfahren nicht durch Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.\nDezember 2009 - 2 Ss 89/09 - eingestellt worden ist.\n\n \n\nDas Urteil wird insoweit aufgehoben und die Sache wird an das Amtsgericht\nEhingen zurückverwiesen.\n\n \n\nDamit wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Dezember\n2009 - 2 Ss 89/09 - gegenstandslos, soweit er die Verurteilung des\nBeschwerdeführers durch das Amtsgericht Ehingen bestätigt hat.\n\n \n\n2\\. ...\n\n \n\n3\\. Der Gegenstandswert wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro)\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\n1\\. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen\neine Verurteilung zu einem Bußgeld von 10.000 € wegen eines ihm zur Last\ngelegten Verstoßes gegen eine immissionsschutzrechtliche Auflage gemäß § 62\nAbs. 1 Nr. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).\n\n2\n\n \n\nDer Beschwerdeführer war Geschäftsführer einer als GmbH & Co. KG verfassten\nFirma, die in einer Halle auf ihrem Betriebsgelände eine\nWertstoffsortieranlage für Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle\nbetreibt.\n\n3\n\n \n\nDie abfall- und baurechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der\nAnlage einschließlich Hallenum- und -neubau erteilte das zuständige\nLandratsamt mit Bescheid vom 5. August 1991. Darin heißt es unter anderem:\n\n4\n\n \n\n"II. Nebenbestimmungen\n\n5\n\n \n\n1\\. Errichtung der Wertstoffsortieranlage\n\n6\n\n \n\n(…)\n\n7\n\n \n\n1.6 Folgende Flächen sind wasserdicht und chemikalienbeständig zu beschichten\n(z.B. mit sog. Industriefußboden oder Gußasphalt):\n\n8\n\n \n\n\\- Anlieferungsfläche\n\n9\n\n \n\n\\- Vorsortierfläche inclusive der daran anschließenden\n\n10\n\n \n\n\\- Fläche, die vom Bunker- und Steigband bis zu dessen Abwurf in die\nSiebtrommel überdeckt wird (ringsum mindestens ein Meter überstehend. Per\nAufkantung oder per Gefälle ist sicherzustellen, dass evtl. austretende\nFlüssigkeiten auf der so befestigten Fläche verbleibt [sic!] und mindestens\nca. 1 m³ zurückgehalten werden kann. Abläufe sind nicht zulässig.\n\n11\n\n \n\nDie übrigen Flächen sind wasserdicht (z.B. Beton oder Gußasphalt) und ohne\nAbläufe zu befestigen.\n\n12\n\n \n\n(…)\n\n13\n\n \n\n2\\. Betrieb der Anlage\n\n14\n\n \n\n(…)\n\n15\n\n \n\n2.9 Gepresste Ballen sind bis zum Abtransport unter Dach oder wasserdicht\nabgedeckt zwischenzulagern.\n\n16\n\n \n\n2.10 Andere Wertstoffe wie Holz, Metalle und Styropor sind nach Verfüllung der\njeweiligen Container direkt zur Wiederverwertung bzw. zum Abnehmer zu\ntransportieren.\n\n17\n\n \n\n(…)"\n\n18\n\n \n\nMit weiterem Bescheid vom 8. September 1997 erteilte das Landratsamt der Firma\ndie immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Lagern und Brechen von\nBauschutt und Hölzern ohne schädliche Verunreinigungen und Erstellung eines\nLärmschutzwalles sowie die Erhöhung der Durchsatzleistung der\nWertstoffsortieranlage. In dem Bescheid heißt es, dass die abfallrechtliche\nGenehmigung vom 5. August 1991 mit Ausnahme der Durchsatzleistung in vollem\nUmfang weiterhin Gültigkeit behalte.\n\n19\n\n \n\n2\\. Mit angegriffenem Urteil vom 9. Oktober 2008 verurteilte das Amtsgericht\nden Beschwerdeführer wegen eines Verstoßes gegen eine Auflage beim Betrieb\neiner genehmigungspflichtigen Anlage tateinheitlich mit der Lagerung von\nAbfall außerhalb einer dafür zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage und\ntateinheitlich mit dem Verstellen einer Feuerwehrdurchfahrt zu einer Geldbuße\nvon 20.000 €.\n\n20\n\n \n\nDas Gericht traf unter anderem die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am\n16. März 2006 auf bestimmten - im Urteil näher bezeichneten - Flächen\naußerhalb der Halle mindestens 100 Tonnen Müll gelagert habe. Etwa 20 %\nhiervon hätten sich auf einer näher bezeichneten unbefestigten Fläche\nbefunden. Bis zum 24. April 2006 habe er den größten Teil des Mülls von\nunbefestigten Flächen entfernt. Am 24. April 2006 hätten sich aber immer noch\neinige Müllballen auf unbefestigter Fläche befunden.\n\n21\n\n \n\nDer Beschwerdeführer habe den Bußgeldtatbestand des § 62 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG\nverwirklicht. Er habe als verantwortlicher Geschäftsführer der Firma Müll auf\nnicht befestigtem Untergrund gelagert.\n\n22\n\n \n\nNach Nr. 1.6 der Nebenbestimmungen der Genehmigung vom 5. August 1991 seien\n"die übrigen Flächen" wasserdicht zu befestigen. Bei der im Urteil näher\nbezeichneten Fläche handele es sich um eine solche "übrige Fläche". Kernpunkt\nder Genehmigung sei zwar der Betrieb einer Wertstoffsortieranlage innerhalb\neiner Halle. Der Verteidiger habe argumentiert, der Begriff der "übrigen\nFlächen" beziehe sich daher nur auf Flächen innerhalb der Halle, in der die\nWertstoffsortieranlage betrieben werde. Nach Auffassung des Gerichts sei mit\ndem Begriff "übrige Flächen" aber jede Fläche auf dem Betriebsgelände gemeint,\nauf der im Zusammenhang mit dem Betrieb der Wertstoffsortieranlage Müll und\nWertstoffe abgestellt würden. Dass innerhalb der Halle die Flächen befestigt\nseien und nicht etwa aus blankem Ackerboden bestünden, verstehe sich von\nselbst. Wenn mit dem Begriff "übrige Flächen" nur Bereiche innerhalb der Halle\ngemeint gewesen wären, wäre diese Klausel überflüssig gewesen.\n\n23\n\n \n\nDer Beschwerdeführer habe die Ordnungswidrigkeiten mindestens mit bedingtem\nVorsatz begangen. Er sei der verantwortliche Geschäftsführer der Firma und als\nsolcher mit dem täglichen Ablauf im Betrieb befasst. Er halte die Fäden in der\nHand. Ohne seine Zustimmung sei auf dem Betriebsgelände nichts möglich.\n\n24\n\n \n\nDesweiteren verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer wegen Verstoß\ngegen Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und solche der\nLandesbauordnung sowie entsprechender Ausführungsverordnungen.\n\n25\n\n \n\n3\\. Auf die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers, mit der die Verletzung\nformellen und sachlichen Rechts gerügt wurde, beschränkte das\nOberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 23. Dezember 2009 den\nVorwurf auf den Verstoß gegen § 62 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und reduzierte die\nGeldbuße auf 10.000 €. Im Hinblick auf die Verurteilung wegen des Verstoßes\ngegen eine immissionsschutzrechtliche Auflage verwarf es die Rechtsbeschwerde\nals unbegründet.\n\n \n\nII.\n\n26\n\n \n\nMit seiner form- und fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der\nBeschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3\nAbs. 1 (Willkürverbot), Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG\nsowie des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 2 GG.\n\n27\n\n \n\nDie verfassungsrechtliche Gesetzesbestimmtheit sei verletzt, weil der Begriff\nder "übrigen Flächen" im zweiten Teil der Genehmigungsauflage Nr. II. 1.6 des\nBescheides vom 5. August 1991 in hohem Maße unbestimmt sei. Ob nicht nur\nFlächen im Inneren der Halle "übrige Flächen" seien, sondern auch Außenflächen\ndes Betriebshofs dann, wenn dort "im Zusammenhang mit dem Betrieb der\nWertstoffsortieranlage Müll und Wertstoffe abgestellt werden", lasse sich der\nAuflage nicht mit der verwaltungsrechtlich und rechtsstaatlich notwendigen\nBestimmtheit entnehmen.\n\n28\n\n \n\nEs gebe in deren Wortlaut keine Anhaltspunkte dafür, sie auf alle Flächen des\nBetriebsgeländes zu beziehen, auf denen Müll und Wertstoffe abgestellt würden.\nDas Amtsgericht blende aus, dass die Auflage eine bestimmte Art und Weise der\nBefestigung - nämlich wasserdicht und ohne Abläufe - der "übrigen Flächen"\nvorschreibe und im Abschnitt über die Errichtung - und nicht dem folgenden\nAbschnitt über den Betrieb - der Anlage stehe.\n\n \n\nIII.\n\n29\n\n \n\nDie Akten des Ausgangsverfahrens sowie ein Teil der den Betrieb der Firma B.\nbetreffenden Verwaltungsvorgänge - insbesondere zur abfall- und baurechtlichen\nGenehmigung vom 5. August 1991 - lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.\n\n30\n\n \n\nDas Justizministerium des Landes Baden-Württemberg hat von einer Stellungnahme\nzur Verfassungsbeschwerde abgesehen.\n\n \n\nIV.\n\n31\n\n \n\nDie Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b)\nBVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1\nBVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1\nBVerfGG statt.\n\n32\n\n \n\n1\\. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.\n\n33\n\n \n\nDas Urteil des Amtsgerichts Ehingen vom 9. Oktober 2008, verletzt - soweit das\nVerfahren nicht durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.\nDezember 2009 gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden ist - das\ngrundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 2 GG. Mit\nseiner Auslegung der Nebenbestimmung Nr. II. 1.6 des Bescheides vom 5. August\n1991 überschreitet das Amtsgericht die ihm durch Art. 103 Abs. 2 GG gezogenen\nGrenzen. Das vom Amtsgericht als Ordnungswidrigkeit sanktionierte Verhalten\ndes Beschwerdeführers lässt sich der maßgeblichen Nebenbestimmung nicht mit\nder gebotenen Bestimmtheit als bußgeldbewehrt entnehmen.\n\n34\n\n \n\na) aa) Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des\nTatbestands, die Auslegung des sogenannten einfachen Rechts und seine\nAnwendung auf den einzelnen Fall sind grundsätzlich allein Sache der dafür\nzuständigen Fachgerichte. Soweit sich die Beschwerde gegen Gerichtsurteile\nwendet, kann das Bundesverfassungsgericht nicht untersuchen, ob diese vom\neinfachen Recht her "richtig" sind. Es kann vielmehr lediglich überprüfen, ob\ndurch die Rechtsanwendung im konkreten Fall Grundrechte oder\ngrundrechtsgleiche Rechte verletzt worden sind. Der außerordentliche\nRechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde ist erst dann eröffnet, wenn den\nGerichten ein "spezifischer" Verfassungsverstoß unterlaufen ist. Die\nKontrollkompetenz des Bundesverfassungsgerichts umfasst nur Auslegungsfehler,\ndie eine grundsätzlich unrichtige Auffassung von der Bedeutung eines\nGrundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, erkennen lassen\nund auch in ihrer materiellen Tragweite von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE\n18, 85 <93>; 42, 143 <149>; 62, 189 <192>; 85, 248 <257 f.>; BVerfGK 4, 243\n<253>).\n\n35\n\n \n\nbb) Art. 103 Abs. 2 GG erfasst insbesondere Straf- und Bußgeldtatbestände\n(vgl. BVerfGE 81, 132 <135>; 87, 399 <411>). Die Norm enthält - neben dem hier\nunerheblichen Rückwirkungsverbot - ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der\nGesetzgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder\nBußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und\nTragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände aus dem Wortlaut der\nNorm zu erkennen sind oder sich zumindest durch Auslegung ermitteln lassen.\nDiese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits\nsicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten\nverboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass\nder Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen\nentscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen\nGesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt\nverwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer\nVerhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfGE 78, 374 <382>; 126, 170\n<194>; BVerfGK 11, 337 <349>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten\nSenats vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, S. 754 <755>).\n\n36\n\n \n\nDas schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die der\nDeutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und\nOrdnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der\nVielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der\nAllgemeinheit und Abstraktheit von Straf- und Bußgeldnormen unvermeidlich,\ndass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den\ngesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Jedenfalls im Regelfall muss der\nNormadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob\nein Verhalten strafbar oder bußgeldbewehrt ist. In Grenzfällen ist auf diese\nWeise wenigstens das Risiko einer Ahndung erkennbar (vgl. BVerfGE 71, 108 <114\nf.>; 78, 374 <381 f.>; 92, 1 <12>; 126, 170 <195>; BVerfG, Beschluss der 3.\nKammer des Ersten Senats vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, S.\n754 <755> - stRspr).\n\n37\n\n \n\nDer Gesetzgeber darf auch verwaltungsrechtliche Pflichten und\nverwaltungsbehördliche Anordnungen mit Strafen oder Geldbußen bewehren, um auf\ndiese Weise der Gehorsamspflicht Nachdruck zu verleihen. Selbst\nBlanketttatbestände, die erst durch verwaltungsrechtliche Vorschriften\nausgefüllt werden, können mit dem Grundgesetz vereinbar sein (vgl. BVerfGE 87,\n399 <407>). Es ist jedoch erforderlich, dass sich die Voraussetzungen der\nStrafbarkeit sowie Art und Maß der Sanktion bereits aus dem Blankettgesetz\nselbst mit hinreichender Deutlichkeit ablesen lassen (vgl. BVerfGE 14, 245\n<252>; 75, 329 <342>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom\n15. Oktober 1990 - 2 BvR 385/87 -, NJW 1992, S. 35 <35>). Knüpft ein Straf-\noder Ordnungswidrigkeitentatbestand an den Erlass eines Verwaltungsakts an, so\nhat das Gesetz Typus und Regelungsumfang der betreffenden Verwaltungsakte\njedenfalls so weit festzulegen, wie der Verstoß gegen die entsprechende\nVerhaltenspflicht strafbewehrt sein soll. Darüber hinaus muss auch der die\ngesetzliche Regelung ausfüllende Verwaltungsakt in seinem konkreten\nRegelungsgehalt hinreichend bestimmt sein (vgl. BVerfGK 12, 308 <337 f.>;\nBVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2000 - 1 BvR\n1627/95 -, GRUR 2001, S. 266 <270>).\n\n38\n\n \n\ncc) Für die Rechtsprechung folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit\nein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung oder\nBußgeldbewehrung. Dabei ist "Analogie" nicht nur im engeren technischen Sinn\nzu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die über den\nInhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Maßgebend für die\nAuslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Norm zum Ausdruck gekommene\nobjektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der\nVorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht. Dabei kommt im\nStraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht der grammatikalischen Auslegung eine\nherausgehobene Bedeutung zu; hier zieht der - aus Sicht des Normadressaten zu\nbestimmende - Wortsinn einer Vorschrift die unübersteigbare Grenze (vgl.\nBVerfGE 71, 108 <114 ff.>; 73, 206 <234 ff.>; 92, 1 <11 ff.>; 105, 135 <157>;\n126, 170 <197>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17.\nNovember 2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, S. 754 <755>).\n\n39\n\n \n\nDiese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Sanktionsnorm sich - wie hier -\naus einem gesetzlichen Blanketttatbestand und einer diesen ausfüllenden\nBehördenentscheidung zusammensetzt. Der Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG\ndarf nicht dadurch unterlaufen oder ausgehöhlt werden, dass das eigentliche\nVerbot sich für den Adressaten nicht schon aus der Gesetzesnorm sondern erst\naus der behördlichen Festlegung erschließt. Auch dann muss der Bereich\nsanktionierten Verhaltens im Vorhinein in Gesetzesnorm und\nVerwaltungsentscheidung für den Adressaten hinreichend klar erkennbar\nfestgelegt sein, was der Auslegung auch der verwaltungsbehördlichen\nKonkretisierung durch die Strafgerichte entsprechende Grenzen setzt.\n\n40\n\n \n\nb) Gemessen an diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Amtsgerichts den\nsich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen im Hinblick auf die\nAuslegung der Genehmigung aus dem Jahr 1991 nicht mehr gerecht und lässt eine\ngrundsätzlich unrichtige Auffassung von der Bedeutung des genannten\ngrundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers erkennen.\n\n41\n\n \n\nDie Auslegung der Nebenbestimmung Nr. II. 1.6 im Bescheid vom 5. August 1991\ndurch das Amtsgericht verletzt das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte\nBestimmtheitsgebot. Mit der Annahme, die Nebenbestimmung verpflichte den\nBeschwerdeführer, sämtliche - auch außerhalb der Halle mit der\nWertstoffsortieranlage befindliche - Flächen, auf denen im Zusammenhang mit\ndem Betrieb der Wertstoffsortieranlage Müll und Wertstoffe abgestellt würden,\nwasserundurchlässig zu befestigen, hat das Amtsgericht dieser Verfügung eine\nBedeutung beigemessen, die sich ihr mit den anerkannten Auslegungsmethoden\nvertretbar nicht entnehmen lässt und die deshalb bei Anlegung der aus Art. 103\nAbs. 2 GG folgenden Maßstäbe so für den Beschwerdeführer nicht als\nbußgeldbewehrt vorhersehbar war.\n\n42\n\n \n\naa) Der vom Amtsgericht hergestellte Bezug zwischen der Beschaffenheit des\nFußbodens und der Lagerung von Abfall lässt sich bei einer adressatenbezogenen\nAuslegung schon dem Wortlaut der Nebenbestimmung nicht entnehmen. Der Satz,\n"Die übrigen Flächen sind wasserdicht (z.B. Beton oder Gußasphalt) und ohne\nAbläufe zu befestigen", mag vom reinen Wortlaut her noch so zu verstehen\ngewesen sein, dass die gesamte (übrige) Fläche des Betriebsgeländes - also\nauch Bereiche außerhalb der Halle - in der beschriebenen Art und Weise zu\nbefestigen ist. Eine so umfassende Versiegelungspflicht ist allerdings\nerkennbar nicht Sinn und Zweck der Regelung. In dieser Weite wurde sie denn\nauch vom Amtsgericht nicht verstanden; vielmehr verstand dieses hierunter all\ndie Flächen, auf denen im Zusammenhang mit der Anlage Müll und Wertstoffe\nabgestellt werden. Die Nebenbestimmung enthält indes kein Wort, das den vom\nAmtsgericht hergestellten Bezug zwischen angeordneter Flächenversiegelung und\ndem Lagern von Abfällen tragen könnte. Zur Abfalllagerung schweigt die\nRegelung vielmehr.\n\n43\n\n \n\nbb) Neben den fehlenden Anhaltspunkten im Wortlaut der Nebenbestimmung war die\nihr vom Amtsgericht entnommene Pflicht auch aufgrund der systematischen\nStellung der Nebenbestimmung für den Beschwerdeführer nicht erkennbar.\n\n44\n\n \n\nDie Nebenbestimmung Nr. II. 1.6 steht im Gesamtkontext des Bescheides vom 5.\nAugust 1991 unter der Rubrik "Errichtung der Wertstoffsortieranlage".\nDemgegenüber befasst sich der nächste Abschnitt Nr. II. 2. des Bescheides mit\ndem "Betrieb der Anlage". In diesem Zusammenhang finden sich dann unter Nr.\nII. 2.9 und Nr. II. 2.10 auch Vorgaben für die Lagerung von Wertstoffen.\nDanach sind die gepressten Ballen bis zum Abtransport unter Dach oder\nwasserdicht abgedeckt zwischenzulagern. Andere Wertstoffe wie Holz, Metalle\nund Styropor sind nach Verfüllung der jeweiligen Container direkt zur\nWiederverwertung beziehungsweise zum Abnehmer zu transportieren.\n\n45\n\n \n\nAus dieser Gliederung des Bescheides konnte der Adressat nur den Schluss\nziehen, dass es in dessen Teil II. 1. um die Anforderungen an die im\nZusammenhang mit der Errichtung der Wertstoffsortieranlage herzustellenden\nBauwerke und sonstigen Anlagenteile geht. Der Abschnitt II. 2. betrifft\ndagegen aus seiner Sicht die Regelung der betrieblichen Abläufe, insbesondere\nder Lagerung von Müll und Wertstoffen. Angesichts dieser Aufteilung konnte der\nBeschwerdeführer keine auf das Lagern von Müll und Wertstoffen bezogenen\nRegelungen in den Nebenbestimmungen unter Nr. II. 1. des Bescheides vom 5.\nAugust 1991 erwarten.\n\n46\n\n \n\ncc) Schließlich ist die vom Amtsgericht vorgenommene Auslegung der\nNebenbestimmung Nr. II 1.6 des Bescheides vom 5. August 1991 für den\nBeschwerdeführer als Adressaten der Regelung auch deshalb nicht erkenn- und\ndamit auch nicht vorhersehbar, weil - was das Amtsgericht vollkommen\nausblendet - die Art und Weise und nicht das "Ob" der Befestigung des\nUntergrundes im Vordergrund stehen. Das lässt sich daraus ableiten, dass in\nder Vorschrift genaue - und zudem im Hinblick auf die Durchlässigkeit des\nUntergrundes abgestufte - Angaben zur Art der Befestigung gemacht und anhand\neiner exemplarischen Aufzählung der in Betracht kommenden Ausführung erläutert\nwerden. Damit entfällt jedoch ein wesentliches Begründungselement der\namtsgerichtlichen Entscheidung, nämlich, dass nur die von ihm vorgenommene\nAuslegung des Begriffs der "übrigen Flächen" einen Sinn ergebe. Da sich die in\nder Nebenbestimmung davor aufgezählten Flächen, einschließlich der\nAnlieferungs- und Vorsortierflächen, ganz offensichtlich im Bereich der\nWertstoffsortieranlage - und damit in der Halle - befinden, liegt für den\nAdressaten der Regelung der Schluss wesentlich näher, dass sich der letzte\nSatz der Nebenbestimmung Nr. II. 1.6 ebenfalls auf den Bereich in der Halle\nbezieht.\n\n47\n\n \n\ndd) Dass das Amtsgericht der maßgeblichen Nebenbestimmung eine für den\nBeschwerdeführer nicht vorhersehbare Bedeutung beimisst, gilt auch dann, wenn\nman, ungeachtet der insoweit missverständlichen Formulierung im angegriffenen\nUrteil, das Amtsgericht im Hinblick auf die nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in\nVerbindung mit der Nebenbestimmung Nr. II. 1.6 hier allein in Frage kommende\nSanktionierung interessengerecht dahin versteht, dass es dem Beschwerdeführer\nnicht einen Verstoß gegen Anforderungen an die Art und Weise der Lagerung von\nim Betrieb anfallenden Stoffen, sondern gegen eine Vorgabe für die Herstellung\ndes Untergrunds zum Vorwurf macht. In jedem Fall war für ihn der Umfang der zu\nbefestigenden "übrigen Flächen" in dem Bescheid vom 5. August 1991 weder\nzeichnerisch, noch verbal, noch funktional durch einen Bezug zur\nAbfalllagerung verlässlich bestimmt. Damit fehlt es an der von Art. 103 Abs. 2\nGG geforderten Vorhersehbarkeit seiner konkreten Handlungsverpflichtungen in\ndiesem Bereich, um deren Nichtbefolgung als Ordnungswidrigkeit sanktionieren\nzu können.\n\n48\n\n \n\n2\\. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist aufzuheben und die Sache gemäß § 95\nAbs. 2 BVerfGG an das Amtsgericht zurückzuverweisen.\n\n49\n\n \n\nDa die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung auf dem Verstoß gegen Art. 103\nAbs. 2 GG beruht, kommt es auf die im Übrigen gegen das amtsgerichtliche\nUrteil geltend gemachten Verfassungsverstöße nicht mehr an. Das gilt auch für\nden Beschluss des Oberlandesgerichts vom 23. Dezember 2009, denn die\nEntscheidung wird aufgrund der Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils gegen-\nstandslos, soweit sie dieses bestätigt. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung,\ninwieweit die gegenüber dem Oberlandesgericht erhobenen Rügen angesichts\nseiner im Rahmen einer Rechtsbeschwerde beschränkten Prüfungsbefugnisse\nberechtigt sind.\n\n \n\nV.\n\n50\n\n \n\nDie Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.\n\n \n\nVI.\n\n51\n\n \n\nDer Gegenstandswert für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird nach § 37 Abs.\n2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>)\nauf 10.000 € festgesetzt.\n\n
73,971
bverfg-2011-06-06-2-bvr-207608
3
Bundesverfassungsgericht
bverfg
Bundesrepublik Deutschland
Verfassungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 BvR 2076/08
2011-06-06
2018-11-07 21:30:20
2019-01-15 19:09:14
Nichtannahmebeschluss
ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110606.2bvr207608
## Gründe\n\n1\n\n \n\n1\\. Die Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt,\nwird nicht zur Entscheidung angenommen, weil dem Beschwerdeführer durch die\nNichtannahme jedenfalls kein schwerer Nachteil entsteht (vgl. BVerfGE 90, 22\n<25 f.>).\n\n2\n\n \n\n2\\. Nachdem die Stellungnahme des Justizministeriums, die das\nOberlandesgericht dem Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren nicht\nzur Kenntnis gegeben hat, ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren zur Kenntnis\ngebracht worden ist und er sich hierzu geäußert hat, kann ausgeschlossen\nwerden, dass der Beschwerdeführer bei rechtzeitiger Kenntnisgabe eine ihm\ngünstigere Entscheidung im fachgerichtlichen Verfahren hätte erreichen können.\n\n3\n\n \n\n3\\. Indem das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des\nJustizministeriums im Rechtsbeschwerderechtszug nicht zugänglich gemacht hat,\nhat es allerdings sein Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)\nverletzt. Die Verfahrensbeteiligten müssen grundsätzlich Gelegenheit haben,\nsich zu Stellungnahmen der Gegenseite in tatsächlicher _und rechtlicher_\nHinsicht zu äußern (vgl. BVerfGE 19, 32 <36>; 49, 325 <328>; BVerfGK 7, 438\n<441>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. August 1992 -\n2 BvR 628/92 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24.\nFebruar 2009 - 1 BvR 188/09 -, NVwZ 2009, S. 580; Beschluss der 3. Kammer des\nZweiten Senats vom 30. Juli 2009 - 2 BvR 1575/09 -, juris). Der Anspruch auf\nrechtliches Gehör ist daher regelmäßig verletzt, wenn das Gericht einem\nVerfahrensbeteiligten, bevor es eine für ihn ungünstige Entscheidung trifft,\nkeine Gelegenheit gibt, zu der im Verfahren abgegebenen Stellungnahme der\nGegenseite Stellung zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des\nZweiten Senats vom 15. November 2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris). Dies gilt -\nauch wenn der Gehörsverstoß nach der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts zur Aufhebung der ergangenen Entscheidung nur unter\nder Voraussetzung führt, dass sie auf dem Verstoß beruht (vgl. BVerfGE 7, 239\n<241>; 13, 132 <145>; 52, 131 <152 f.>; 89, 381 <392 f.>) - grundsätzlich\nunabhängig davon, ob unter den gegebenen Umständen von der Möglichkeit\nauszugehen ist, dass eine mögliche Gegenstellungnahme Einfluss auf das\nEntscheidungsergebnis gewinnt, oder nicht. Denn der grundrechtliche Anspruch\nauf rechtliches Gehör dient nicht nur der Gewährleistung sachrichtiger\nEntscheidungen, sondern auch der Wahrung der Subjektstellung der Beteiligten\nim gerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 107, 395<409>; stRspr). Hierauf und\nauf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - die\nfür die Feststellung einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren\n(Art. 6 Abs. 1 EMRK), das den Anspruch auf rechtliches Gehör einschließt,\nausdrücklich der Beruhensfrage keine entscheidende Bedeutung zumisst, sofern\nder Anspruch auf rechtliches Gehör in seiner Funktion als Grundlage für das\nVertrauen der Verfahrensbeteiligten in die Arbeit der Justiz berührt ist (vgl.\nEGMR, Urteil vom 21. Februar 2002, Ziegler v. Switzerland - 33499/96 -, Rn.\n38; Urteil vom 19. Mai 2005, Steck-Risch et al. v. Liechtenstein - 63151/00 -,\nRn. 57; vgl. auch EGMR, Urteil vom 3. Juli 2008, Vokoun c. République Tchèque\n- 20728/05 -, Rn. 25 ff., und EGMR, Urteil vom 18. Oktober 2007, Asnar c.\nFrance - 12316/04 -, Rn. 24 ff.) - hat das Bundesverfassungsgericht angesichts\neiner verbreiteten Praxis der Gerichte, Strafgefangenen die Stellungnahme der\nGegenseite wegen deren rein rechtsbezogenen Inhalts oder wegen aus sonstigen\nGründen unterstellter mangelnder Entscheidungserheblichkeit möglicher\nErwiderungen regelmäßig nicht zur Kenntnis zu geben, mehrfach hingewiesen\n(vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. November\n2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris; vom 2. März 2011 - 2 BvR 43/10 u.a. -, juris;\nvom 21. März 2011 - 2 BvR 301/11 -, juris). Die betreffenden Beschlüsse sind\njedoch erst nach den angegriffenen Beschlüssen des Oberlandesgerichts\nergangen. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass Verfahrensrechte des\nBeschwerdeführers sehenden Auges nicht beachtet worden wären.\n\n4\n\n \n\n4\\. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG\nabgesehen.\n\n5\n\n \n\nDiese Entscheidung ist unanfechtbar.\n\n
75,717
bsg-2011-09-15-b-2-u-2210-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 2 U 22/10 R
2011-09-15
2018-11-08 10:30:05
2019-01-15 20:11:40
Urteil
## Tenor\n\n \n\nDie Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts\nvom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nKosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nZwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Infektion der Klägerin mit\ndem Hepatitis C-Virus (HCV) als Berufskrankheit (BK) nach Nr 3101 der Anlage\n(seit 1.7.2009 Anlage 1) der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; im Folgenden:\nBK 3101) streitig.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie 1940 geborene Klägerin war seit Oktober 1995 als Altenpflegehelferin im\nAltenzentrum B. beschäftigt. Sie wurde im Wesentlichen im Bereich "Betreutes\nWohnen" eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörte das Waschen, Baden und Rasieren\nder Pflegebedürftigen. Sie hatte Katheterbeutel zu wechseln sowie\nWundbehandlungen und Bluttests durchzuführen. Außerdem gab sie einer\nHeimbewohnerin in den Monaten April und Mai 1999 87 Insulinspritzen, ohne zum\nSpritzen berechtigt zu sein. Eine überdurchschnittliche Durchseuchung der\nHeimbewohner mit dem HCV ließ sich nicht feststellen.\n\n \n\n3\n\n \n\nIm August 1999 wurde bei der Klägerin eine HCV-Infektion diagnostiziert. Auf\neine ärztliche Anzeige wegen des Verdachts des Vorliegens einer BK 3101 lehnte\ndie Beklagte es ab, diese BK anzuerkennen und Leistungen zu erbringen. Bei der\nKlägerin habe kein besonders erhöhtes Verletzungsrisiko bestanden _(Bescheid\nvom 4.12.2000; Widerspruchsbescheid vom 27.6.2001)_.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas SG Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen _(Urteil vom 29.10.2002)_.\nDas Hessische LSG hat die Berufung zurückgewiesen _(Urteil vom 13.7.2010)_.\nDie Klägerin sei einem gesteigerten, nicht aber einem besonders erhöhten\nInfektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Entgegen den gutachtlichen Ausführungen\nvon Prof. Dr. C. könne nicht von einer im Vergleich zur\nDurchschnittsbevölkerung erhöhten Durchseuchung des Altenzentrums ausgegangen\nwerden. HCV-Infektionen von Bewohnern des Altenheims seien nicht bekannt.\nWegen sich widersprechender Studien existiere auch kein allgemeiner\nErfahrungssatz, dass in Pflegestationen von Altenheimen eine besondere\nInfektionsgefahr bestehe. Aktuelle Zahlen zum Durchseuchungsrisiko in\nPflegeheimen gebe es nach der vom Gericht eingeholten Auskunft des Instituts\nder F. vom 3.8.2009 ebenfalls nicht. Eine besondere Ansteckungsgefahr sei auch\nnicht mit den von der Klägerin konkret ausgeübten Tätigkeiten verbunden\ngewesen. Zwar habe wegen des nahezu täglichen Umgangs mit Insulinspritzen\nzweifellos ein Infektionsrisiko bestanden. Risikomindernd wirke sich aber aus,\ndass die Einwegspritzen durch die Klägerin ordnungsgemäß entsorgt worden\nseien, ohne die Schutzkappe wieder aufzustecken. Insulinspritzen würden auch\nnur subkutan und nicht intravenös verabreicht. Wegen der von Prof. Dr. C.\nbestätigten geringeren Kanülendicke der Insulinspritzen im Vergleich zu\n"normalen" Hohlnadeln komme es schließlich zu einer geringeren\nBlutübertragung.\n\n \n\n5\n\n \n\nMit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen\ndie Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG und die Grenzen des Rechts auf\nfreie Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Das LSG hätte in Erfahrung\nbringen müssen, wie viele der von ihr betreuten Personen mit dem HCV infiziert\ngewesen seien. Auch hätte es wegen der von Prof. Dr. C. bestätigten deutlich\nerhöhten Infektionsgefahr des Ärzte- und Pflegepersonals aktuelle\nInformationen über die Seroprävalenz in Alten- und Pflegeheimen einholen\nmüssen. Der vom Berufungsgericht berücksichtigte Durchseuchungsgrad der\nGesamtbevölkerung beruhe auf einer Stichprobenerhebung unter Ausschluss von\nbesonders gefährdeten Personen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und\nJustizvollzugsanstalten. Abgesehen davon hätte das Fehlen einer virologischen\nUntersuchung der Heimbewohner zu einer Beweiserleichterung führen müssen. Bei\nder Würdigung der Übertragungsgefahr sei nicht berücksichtigt worden, dass\nGummihandschuhe nur "in der Regel" benutzt worden seien und auch von\nkontaminierten Gegenständen ein Infektionsrisiko ausgehe. Die Gefahr von\nMikroläsionen sowie die Umstände des Verabreichens und der Entsorgung der\nEinwegspritzen seien nicht ermittelt worden. Weshalb bei 87\nInokulationsereignissen nicht von einer "häufig" aufgetretenen Gefahr\ngesprochen werden könne und eine Vergleichbarkeit mit Tätowierungen\nausscheide, sei nicht dargelegt worden.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie Klägerin beantragt, \ndie Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2010 und des\nSozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2002 sowie den Bescheid der\nBeklagten vom 4. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom\n27. Juni 2001 aufzuheben und festzustellen, dass die bei ihr vorliegende\nHepatitis C-Erkrankung eine Berufskrankheit nach Nr 3101 der Anlage zur\nBerufskrankheiten-Verordnung ist.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, \ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n8\n\n \n\nSie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n9\n\n \n\nDie zulässige Revision, mit der nur noch die Feststellung der BK 3101 begehrt\nwird, ist nicht begründet.\n\n \n\n10\n\n \n\nGegenstand des Revisionsverfahrens ist insoweit eine kombinierte Anfechtungs-\nund Feststellungsklage _(§ 54 Abs 1 Satz 1 und § 55 Abs 1 Nr 1 SGG)_ , mit der\nunter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche\nFeststellung begehrt wird, dass die Hepatitis C-Infektion der Klägerin eine BK\n3101 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen\nUnfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf\nFeststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als\nGrundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer\nKombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage\nklären lassen _(vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR\n4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 11 mwN; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U\n17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen)_. Zwar hat die\nKlägerin vor dem SG und LSG die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung\nder BK 3101 beantragt. Dieser Übergang von der Verpflichtungs- zur\nFeststellungsklage beruht aber auf einer nach § 99 Abs 3 SGG uneingeschränkt\nzulässigen Antragsänderung _(BSG vom 25.2.1997 - 12 RK 4/96 - BSGE 80, 102,\n103 = SozR 3-2500 § 5 Nr 33 S 129 mwN)_.\n\n \n\n11\n\n \n\nDie kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist nicht begründet. Die\nKlägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ihrer Hepatitis C-Infektion als\nBK 3101. Insoweit ist die Verwaltungsentscheidung der Beklagten im Bescheid\nvom 4.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2001\nrechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.\n\n \n\n12\n\n \n\nDer Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des SGB VII sowie\ndes auf seiner Grundlage erlassenen Rechts, weil ihre HCV-Infektion im August\n1999 festgestellt worden ist und der geltend gemachte Versicherungsfall damit\nnach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten sein soll _(Art 36\nUnfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII)_.\n\n \n\n13\n\n \n\nNach § 9 Abs 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch\nRechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-\nBK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3\noder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung\nist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu\nbezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch\nbesondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch\nihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige\nBevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche\nbeschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten\nversehen (Satz 2).\n\n \n\n14\n\n \n\nFür die Feststellung einer Listen-BK ist danach im Regelfall erforderlich,\ndass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit\n(sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder\nÄhnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die\nEinwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).\nDass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen\nnach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung\neiner Listen-BK. Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts\nhinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der\n"Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der\nan Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom\nVorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu\nbewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der\nBeweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße\nMöglichkeit _(BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671\nAnl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 16 mwN und - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59\n= SozR 4-2700 § 9 Nr 14 BKV, jeweils RdNr 9 mwN; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U\n17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen)_.\n\n \n\n15\n\n \n\nDie BKV umschreibt den Tatbestand der BK 3101 wie folgt:\n"Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der\nWohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere\nTätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war".\nDie Voraussetzungen dieses Tatbestandes iVm § 9 Abs 1 SGB VII sind nach den\nfür den Senat bindenden _(§ 163 SGG)_ tatsächlichen Feststellungen des LSG\nnicht erfüllt. Die Klägerin war zwar seit Oktober 1995 als Altenpflegehelferin\neines Altenzentrums beschäftigt und damit im Gesundheitsdienst tätig sowie\nnach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert. Hepatitis C ist auch eine\nInfektionskrankheit. Die Klägerin war aber keinen "Einwirkungen" iS einer\nbesonders erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Diese beurteilt sich nach dem\nGrad der Durchseuchung des versicherten Tätigkeitsbereichs und dem\nÜbertragungsrisiko der im Gefahrenbereich vorgenommenen Verrichtungen (dazu\n1.). Anhand beider Kriterien hat das LSG das Vorliegen einer besonders\nerhöhten Infektionsgefahr verneint (dazu 2.). Die Rüge der Klägerin, dabei\nhabe das Berufungsgericht gegen die Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen und\ndie Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, greift nicht\ndurch (dazu 3.).\n\n \n\n16\n\n \n\n1\\. Eine besondere Ansteckungsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der\nDurchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der\nausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist sowohl\nhinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen,\nmit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung\nnicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im\nArbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der\nGesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der versicherten\nTätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem\nÜbertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der\nHäufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden\nHandlungen.\n\n \n\n17\n\n \n\nEine schlichte Infektionsgefahr genügt nicht. Vielmehr wird eine (zT\ntypisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr\nvorausgesetzt _(§ 9 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII)_. Deshalb kommt es darauf\nan, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg\nbesonders gefährdend sind. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen\nund die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen\nSeite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander _(dazu kritisch Kunze, VSSR\n4/2010, S 283, 298 ff)_. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere\nAnforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen\nArbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem\nRisiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der\nDurchseuchung an Bedeutung. Erscheint eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist\nim Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr\nfestzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht\nnur geringfügig gegenüber der Allgemeingefahr erhöht ist _(BSG vom 2.4.2009 -\nB 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils\nRdNr 22 f)_. Damit bedarf es der tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen\neiner konkret erhöhten Infektionsgefahr. Dies beinhaltet Feststellungen zu der\nFrage, ob die Verrichtungen der Klägerin sie mit einer infizierten Person oder\neinem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht haben oder ob die\nVerrichtungen im Hinblick auf den Übertragungsmodus der Hepatitis C-Infektion\nsowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend\nwaren _(BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr\n3101 Nr 5 BKV, jeweils RdNr 19)_.\n\n \n\n18\n\n \n\n2\\. Einem solchen besonders erhöhten Infektionsrisiko war die Klägerin nicht\nausgesetzt. Das Berufungsgericht hat zwar nicht die Möglichkeit der Infektion\nmit dem HCV, aber eine erhöhte Durchseuchung im Altenzentrum ausgeschlossen.\nDamit ist der Grad der Durchseuchung bezüglich HCV-Antikörper in der\nGesamtbevölkerung maßgebend, der mindestens ca 0,4 bis 0,7 vH beträgt _(vgl\nPotthoff/Schüler/Wedemeyer/Manns, Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C,\nin Selmair/Manns, Virushepatitis als Berufskrankheit, 2. Aufl, S 18;\nSchönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl\n2010, S 717; Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin 29/2011 S 267)_.\nAuf der Grundlage einer Arbeitgeberauskunft hat das LSG festgestellt, dass\nHCV-Infektionen von Heimbewohnern nicht bekannt geworden sind. Die\nStellungnahme der F. vom 3.8.2009 hat ergeben, dass aktuelle Zahlen zum\nDurchseuchungsrisiko in Pflegeheimen nicht existieren. Daher ist nach den\nbindenden Feststellungen des LSG _(§ 163 SGG)_ für die Annahme eines deutlich\nüberdurchschnittlichen Durchseuchungsgrades im Altenzentrum B. kein Raum.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie erforderliche besondere Infektionsgefahr lässt sich auch nicht auf die\nÜbertragungsgefahr der ausgeübten Tätigkeiten zurückführen, wie das LSG\naufgrund der von ihm festgestellten Arbeitsvorgänge der Klägerin sowie des\nGutachtens von Prof. Dr. C. und der Zeugenvernehmung angenommen hat. Die\nKlägerin war im Wesentlichen im Bereich "Betreutes Wohnen" eingesetzt und trug\nbei den Verrichtungen der Grundpflege, der Wundbehandlung und den Bluttests\nregelmäßig Gummihandschuhe. Eine Nadelstichverletzung ist nicht festgestellt.\nBei maximal 87 Inokulationsvorgängen wurden Insulinspritzen mit einer im\nVergleich zu anderen Hohlnadelspritzen dünneren Injektionskanüle verwendet,\ndie mit einem geringeren Blutaustausch einhergehen. Sie sind ordnungsgemäß\nentsorgt worden, ohne die Schutzkappe wieder aufzustecken. Die Klägerin ist\ndanach weder aufgrund einer erhöhten Durchseuchung noch infolge ihrer\nArbeitsverrichtungen besonders infektionsgefährdet tätig gewesen.\n\n \n\n20\n\n \n\n3\\. Diese Feststellungen des LSG binden den Senat _(§ 163 SGG)_ , weil sie\nnicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Eine\nordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die\nden behaupteten Mangel ergeben _(§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG)_ und aus denen die\nMöglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte\nVerfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in\ndie Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein\nUrteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem\nVerfahrensmangel beruhen kann _(BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR\n4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31)_. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung\nnicht gerecht.\n\n \n\n21\n\n \n\na) Die Rüge der Klägerin, das LSG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz _(§\n103 SGG)_ verstoßen, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Sie hätte insoweit\naufzeigen müssen, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt\naus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Dabei ist\ndarzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum\ntatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht\nerkennbar offen geblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des\nSachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden\nTatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind.\nAußerdem ist anzugeben, wann und in welcher Form die zu ermittelnden Tatsachen\nin der Berufungsinstanz vorgebracht wurden _(BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08\nR - Juris RdNr 69 f)_.\n\n \n\n22\n\n \n\nDas Vorbringen der Klägerin, das LSG hätte die Anzahl der von ihr betreuten,\nmit dem HCV infizierten Personen in Erfahrung bringen und die Gefahr von\nMikroläsionen sowie die Umstände des Verabreichens und der Entsorgung der\nEinwegspritzen ermitteln müssen, genügt diesen Anforderungen nicht. Es hätte\nnicht nur der Bezeichnung der zu ermittelnden Tatsachen bedurft, sondern vor\nallem auch der weiteren Darlegung, inwieweit diese Tatsachen bereits in der\nBerufungsinstanz so vorgebracht wurden, dass sich das LSG auf Grund des\nBerufungsvorbringens trotz der eingeholten Auskünfte zur Durchseuchung und den\nArbeitsbedingungen im Altenzentrum zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte\ngedrängt fühlen müssen.\n\n \n\n23\n\n \n\nb) Auch die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe die Grenzen der\nfreien Beweiswürdigung überschritten, ist unzulässig. Die Beweiswürdigung des\nLSG ist nur eingeschränkt überprüfbar. Da das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs\n1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens\ngewonnenen Überzeugung entscheidet, ist diese Vorschrift nur dann verletzt,\nwenn das Gericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen\noder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend\nberücksichtigt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen\ndargelegt werden _(BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr\n2108 Nr 2 RdNr 9)_. Daran fehlt es hier.\n\n \n\n24\n\n \n\nDie Klägerin hat kein Denkgesetz benannt, gegen das das LSG verstoßen haben\nsoll. Es hätte aufgezeigt werden müssen, dass das Berufungsgericht zu einer\nbestimmten, aus seiner Sicht erheblichen Frage aus den gesamten rechtlichen\nund tatsächlichen Gegebenheiten nur eine Folgerung hätte ziehen können, jede\nandere nicht folgerichtig "denkbar" ist und das Gericht die allein in Betracht\nkommende nicht gesehen hat _(vgl BSG vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris\nRdNr 13 mwN)_. Dass und weshalb die Feststellung der BK 3101 die einzig\ndenkbare Folgerung gewesen sein soll, legt die Revision indes nicht dar.\n\n \n\n25\n\n \n\nMit ihrem Vorbringen, das LSG habe Pflegestationen in Altenheimen als nicht\nbesonders hepatitisgefährdend angesehen und daher einen Durchseuchungsgrad der\nGesamtbevölkerung von 0,5 bis 0,7 vH angenommen, ist auch ein fehlerhaft\nangewendeter Erfahrungssatz nicht aufgezeigt worden. Es trifft zwar zu, dass\nder vom Robert Koch Institut 1998 durchgeführte "BundesGesundheitssurvey"\nPersonen aus Heil- und Pflegeanstalten, Krankenhäusern sowie\nJustizvollzugsanstalten nicht umfasst _(vgl Schreier/Höhne, Hepatitis C -\nEpidemiologie und Prävention, Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch -\nGesundheitsschutz 6/2001 S 554, 555)_. Aus einer durch diese Personengruppen\nbedingten höheren Durchseuchungsrate in der Gesamtbevölkerung folgt aber noch\nnicht zwingend eine deutlich höhere Durchseuchung gerade in den genannten\nEinrichtungen. Anhaltspunkte dafür, dass der vom LSG herangezogene\nErfahrungssatz, dass Pflegeeinrichtungen in Altenheimen nicht als besonders\nhepatitisgefährdend angesehen werden können, nach Verfahren oder Inhalt falsch\nfestgestellt worden wäre, sind nicht ersichtlich _(vgl Schreier/Höhne_ _aaO S\n558, wonach in mehreren internationalen Studien eine signifikant höhere\nDurchseuchung bei Ärzten, Zahnärzten und sonstigen Beschäftigten im\nGesundheitswesen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht festzustellen\nwar)_. In einem solchen Fall besteht für das Revisionsgericht keine rechtliche\nVeranlassung, das Bestehen und den Inhalt des vom LSG festgestellten\nErfahrungssatzes ohne eine zulässig erhobene Verfahrens- oder Inhaltsrüge\nselbst von Amts wegen zu prüfen _(vgl BSG vom 5.7.2011- B 2 U 17/10 R - Juris\nRdNr 31 mwN)_. Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte "ins Blaue hinein"\nbesteht auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung\n_(vgl_ _BVerfG vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03_ _, Juris RdNr 19)_.\n\n \n\n26\n\n \n\nAus dem Vortrag der Klägerin, bei der Würdigung der Übertragungsgefahr habe\nBeachtung finden müssen, dass Gummihandschuhe nur "in der Regel" benutzt\nworden seien und von kontaminierten Gegenständen ein Infektionsrisiko ausgehe,\nwird nicht deutlich, dass hierdurch das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht\nhinreichend berücksichtigt worden wäre. Die weitere zitierte Begründung des\nLSG, dass Umstände teils risikosteigernd teils risikomindernd gewertet worden\nseien, macht gerade die durchgeführte Gesamtwürdigung deutlich. Inwieweit\nGegenstände kontaminiert gewesen seien und dass das Tatsachengericht dem\nSachverständigengutachten nicht gefolgt wäre, ohne die Abweichung ausreichend\nbegründet zu haben, ist nicht dargetan. Im Kern zieht die Klägerin für sich\ntrotz der vom LSG festgestellten Tatsachen den Schluss, dass sich ein erhöhtes\nInfektionsrisiko begründen lasse. Eine formgerechte Rüge der Verletzung der\nGrenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung liegt indes nicht vor, wenn die\nRevision ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt _(BSG vom\n23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 33)_.\n\n \n\n27\n\n \n\nUnabhängig davon ist beiläufig anzumerken, dass unter Berücksichtigung der\naktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Übertragungsformen des HCV\nauch kein Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch das LSG\nfestzustellen ist. Das HCV wird parenteral durch direkten Blut- oder\nSchleimhautkontakt übertragen _(vgl Böhm/Jilg, Die Stabilität und Dauer der\nInfektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren\naußerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die\nBeurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos, in Selmair/Manns aaO, S\n120)_. Im Gesundheitswesen ist die Nadelstichverletzung insbesondere mit einer\nHohlnadel daher ein geeigneter Übertragungsweg, der ein besonders hohes\nÜbertragungsrisiko beinhaltet, weil hier regelmäßig der Transfer relativ\ngroßer Mengen frischen Blutes möglich ist _(vgl Trautwein/Manns, Vorgehen nach\nNadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in\nSelmair/Manns aaO, S 145; Remé, Arbeitsmedizinische Grundlagen für die\nKonkretisierung von Beweiserleichterungen im\nBerufskrankheitenfeststellungsverfahren - Fallgruppen und\nEinzelfallermittlungen, in Selmair/Manns aaO, S 190;\nSchönberger/Mehrtens/Valentin aaO, S 718; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 3101\nRdNr 13.2)_. Die Injektionskanülen von Insulinspritzen sind aber dünner als\nandere Hohlnadeln. Das Beweisergebnis des LSG, dass gerade unter\nBerücksichtigung der geringeren Kanülendicke keine besondere Infektionsgefahr\nbestehe, ist daher in sich schlüssig und widerspruchsfrei.\n\n \n\n28\n\n \n\nDabei hat das LSG zutreffend den von der Klägerin zu führenden Vollbeweis der\n"Einwirkungen" iS einer besonders erhöhten Infektionsgefahr gefordert. Die\ngeltend gemachten Beweisschwierigkeiten rechtfertigen weder eine\nBeweislastumkehr noch die Annahme eines Beweisnotstandes und eine daraus\nabzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen. Typische\nBeweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles\nergeben, sind im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu\nberücksichtigen. Eine allgemeingültige Beweiserleichterung für den Fall des\nBeweisnotstandes würde dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung _(§ 128 Abs 1\nSatz 1 SGG)_ widersprechen _(BSG Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 25/03 R - Juris\nRdNr 17 mwN)_.\n\n \n\n29\n\n \n\nDer Einwand der Klägerin, dass nach dem Urteil des Senats vom 2.4.2009 _(B 2 U\n30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV)_ selbst bei zehn\nNadelstichverletzungen und einem Infektionsrisiko von 0,13 vH eine erhöhte\nInfektionsgefahr in Betracht komme, sofern die Wahrscheinlichkeit einer\nInfektion in der Allgemeinbevölkerung noch geringer sei, das LSG aber\nmindestens 87 Inokulationsereignisse festgestellt habe, führt zu keinem\nanderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass dort nicht der Senat, sondern der\nbeteiligte Unfallversicherungsträger ein Infektionsrisiko von 0,13 vH\nerrechnet hatte, wird dabei übersehen, dass sich die erhöhte Infektionsgefahr\nauf die konkreten Arbeitsverrichtungen zurückführen lassen muss. Als Spritzen\nhat die Klägerin aber keine dickeren Hohlnadeln, sondern dünne Insulinnadeln\nverwendet.\n\n \n\n30\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.\n\n
76,629
bsg-2011-05-26-b-10-eg-1110-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 10 EG 11/10 R
2011-05-26
2018-11-08 17:30:03
2019-01-17 15:00:13
Urteil
## Tenor\n\n \n\nDie Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen\nLandessozialgerichts vom 22. Juni 2010 wird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDer Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das\nRevisionsverfahren zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nStreitig ist die Bezugsdauer des dem Kläger nach dem Bundeselterngeld- und\nElternzeitgesetz (BEEG) zustehenden Elterngeldes.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger und seine Ehefrau sind die Eltern der am 2007 geborenen A Sie\nbeantragten am 26.2.2007 Elterngeld; dabei bestimmten sie den Kläger zum\nBezugsberechtigten für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes.\nAußerdem legten sie eine Bescheinigung der AOK Hessen vom 15.2.2007 vor,\nwonach die Ehefrau des Klägers vom 31.12.2006 bis 8.4.2007 Mutterschaftsgeld\nbeziehen werde.\n\n \n\n3\n\n \n\nDas beklagte Land bewilligte dem Kläger daraufhin Elterngeld für den ersten\nbis elften Lebensmonat des Kindes (8.2.2007 bis 7.1.2008) in Höhe von 580,16\nEuro monatlich. Die Versagung des Elterngeldes für den zwölften Lebensmonat\nwurde damit begründet, dass die Ehefrau auch im dritten Lebensmonat des Kindes\n(nämlich am 8.4.2007) Mutterschaftsgeld beziehe. Dies führe nach § 4 Abs 3\nSatz 2 BEEG dazu, dass drei der vierzehn Lebensmonate, für die die Eltern\ninsgesamt Anspruch auf Elterngeld hätten, als von der Mutter verbraucht gelten\nwürden. Dem Vater könne deshalb nur für die Dauer von elf Lebensmonaten\nElterngeld gewährt werden _(Bescheid vom 6.3.2007 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 27.3.2007)._\n\n \n\n4\n\n \n\nNachdem der Kläger mit dem Begehren, ihm Elterngeld für einen weiteren\nLebensmonat des Kindes zu gewähren, vor dem Sozialgericht Marburg erfolglos\nwar _(Urteil vom 21.1.2008),_ hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) auf\ndie Berufung des Klägers die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und den\nBeklagten unter Abänderung der Verwaltungsentscheidung verurteilt, "dem Kläger\nElterngeld für weitere 30 Tage in gesetzlicher Höhe zu zahlen" _(Urteil vom\n22.6.2010)._ Diese Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt: \nEs sei zwar zutreffend, dass die Ehefrau des Klägers während der ersten zwei\nLebensmonate des Kindes sowie am ersten Tag des dritten Lebensmonats\nMutterschaftsgeld bezogen habe, das auf das Elterngeld anzurechnen sei. Dies\nhabe jedoch nicht zur Folge, dass auch der dritte Lebensmonat insgesamt als\nvon der Mutter verbraucht gelten würde. Eine diesbezügliche Auslegung lasse\nsich nicht aus dem Wortlaut des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG ableiten. Diese\nVorschrift enthalte keine Regelung, wie zu verfahren sei, wenn die\nanzurechnende Leistung lediglich für einen Teil des Lebensmonats des Kindes\nbezogen worden sei. Es sei mit Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, wegen des\nBezuges von Mutterschaftsgeld an einem einzigen Tag den Vater von dem Bezug\ndes Elterngeldes für einen ganzen Monat auszuschließen. Die Vorschrift des § 4\nAbs 3 Satz 2 BEEG sei daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass\nLebensmonate des Kindes, in denen anzurechnende Leistungen wie\nMutterschaftsgeld nur anteilig zustünden, auch nur anteilig als fiktive\nElterngeldbezugszeit gälten. Es stelle keinen Systembruch dar, die taggenaue\nBerechnung des § 3 Abs 1 Satz 4 BEEG auch auf die Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2\nBEEG anzuwenden. Dem Kläger stehe deshalb noch ein Anspruch auf Elterngeld für\nweitere 30 Tage zu, weil lediglich der erste Tag des dritten Lebensmonats des\nKindes durch den Bezug von Mutterschaftsgeld verbraucht sei.\n\n \n\n5\n\n \n\nDer Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt, mit der er eine\nVerletzung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG rügt. Die Gesetzesbegründung zu dieser\nVorschrift sei eindeutig. Danach würden diejenigen Lebensmonate, für die\nMutterschaftsleistungen bezogen würden, als verbraucht gelten. Zudem würde\nElterngeld nach § 4 Abs 2 BEEG nur in vollen Monatsbeträgen für Lebensmonate\ndes Kindes gezahlt. Der Wortlaut lasse eine weite Auslegung, wonach bei\nanteiligem Bezug nur ein anteiliger Verbrauch in Betracht komme, nicht zu. Es\nsei auch keine verfassungskonforme Auslegung vorzunehmen, denn Art 3 Abs 1 GG\nsei nicht verletzt. Es sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu\nentscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als\nmaßgebend ansehe, insbesondere im Bereich der gewährenden Verwaltung bei\nsteuerfinanzierten Leistungen.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, \ndas Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Juni 2010 aufzuheben\nund die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom\n21. Januar 2008 zurückzuweisen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Kläger beantragt, \ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n8\n\n \n\nEr hält das Urteil des LSG für zutreffend.\n\n \n\n9\n\n \n\nIm Revisionsverfahren hat der Kläger auf Anfrage des Senats ua eine\nBescheinigung des Arbeitgebers seiner Ehefrau vom 10.5.2011 vorgelegt, wonach\ndiese am 8.4.2007 ihre berufliche Tätigkeit als Krankenschwester mit einer\nwöchentlichen Stundenzahl von 40 Stunden wieder aufgenommen habe. In der\nmündlichen Verhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass sie\ndiese Angaben für zutreffend halten.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n10\n\n \n\nDie Revision des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.\n\n \n\n11\n\n \n\n1\\. Einer Sachentscheidung des erkennenden Senats stehen keine prozessualen\nHindernisse entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Die Berufung war nach\ndem im Zeitpunkt ihrer Einlegung (3.3.2008) geltenden Recht ohne Zulassung\nstatthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes überstieg mit 561,45 Euro\n(Elterngeldanspruch des Klägers für einen Lebensmonat des Kindes in Höhe von\n580,16 Euro : 31 x 30) die in § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG _(idF von Art 22 Nr\n1 Buchst a 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000) _festgelegte Grenze von\n500 Euro _(zur Erhöhung des Grenzwertes auf 750 Euro ab 1.4.2008 vgl Art 1 Nr\n24 Buchst a Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des\nArbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008)_.\n\n \n\n12\n\n \n\n2\\. Die Revision des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist nach §\n170 Abs 1 Satz 2 SGG zurückzuweisen, weil die angefochtene Entscheidung des\nLSG revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist. Der erkennende Senat vermag\nzwar dem berufungsgerichtlichen Verständnis des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nicht zu\nfolgen. Das mit der Revision angegriffene Urteil des LSG hat jedoch deshalb\nBestand, weil dem Kläger aus anderen Gründen ein Anspruch auf Elterngeld für\neinen weiteren Lebensmonat des Kindes und damit auch für die ihm vom LSG\nzugesprochenen 30 Tage zusteht.\n\n \n\n13\n\n \n\na) Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld richtet sich nach den am 1.1.2007\nin Kraft getretenen Vorschriften des BEEG vom 5.12.2006 _(BGBl I 2748)._ § 1\nAbs 1 BEEG sieht vor, dass Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz\noder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind\nin einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3)\nund keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Das LSG hat in\nseinem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger diese\nAnspruchsvoraussetzungen tatsächlich erfüllt _(vgl Seite 6 oben)._ Davon gehen\nauch die Beteiligten übereinstimmend aus.\n\n \n\n14\n\n \n\nb) Regelungen zum Bezugszeitraum von Elterngeld enthält § 4 BEEG. Nach dessen\nAbs 1 Satz 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung\ndes vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Nach § 4 Abs 2 Satz 1\nBEEG wird Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate gezahlt _(sog_\n_Lebensmonatsprinzip - hierzu BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R,\nRdNr 38, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen)._ Nach § 4 Abs 2\nSatz 2 BEEG haben Eltern (also beide Elternteile zusammen) insgesamt Anspruch\nauf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge,\nwenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit\nerfolgt _(§ 4 Abs 2 Satz 3 BEEG; dazu BT-Drucks 16/1889 S 23 zu § 4 Abs 2)._\nWaren beide Elternteile - wie hier - vor der Geburt erwerbstätig und\nunterbricht mindestens ein Elternteil nach der Geburt seine Erwerbstätigkeit\n(oder schränkt sie in relevantem Umfang ein), haben die Eltern demnach\ninsgesamt für die Dauer von vierzehn Lebensmonaten des Kindes Anspruch auf\nElterngeld. Diesen Gesamtanspruch können die Eltern im Rahmen der gesetzlichen\nRegelung untereinander aufteilen. Nach § 4 Abs 2 Satz 4 BEEG können die Eltern\ndabei die (zwölf oder vierzehn) Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig\nbeziehen. Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen\nsie nach § 5 Abs 1 BEEG grundsätzlich, wer von ihnen welche Monatsbeträge in\nAnspruch nimmt. Diese Bestimmung ist im Antrag vorzunehmen _(§ 7 Abs 1 Satz 1,\nAbs 2 BEEG)._\n\n \n\n15\n\n \n\nNach § 4 Abs 3 Satz 1 BEEG kann ein Elternteil höchstens für zwölf Monate\nElterngeld beziehen. Dabei gelten gemäß § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG die Lebensmonate\ndes Kindes, in denen ua nach § 3 Abs 1 BEEG anzurechnende Leistungen - wie\nMutterschaftsgeld - zustehen, als Monate, für die die berechtigte Person\nElterngeld bezieht. Durch diese gesetzliche Fiktion von\nElterngeldbezugsmonaten werden die Lebensmonate des Kindes mit zeitlich\nkongruenten anzurechnenden Leistungen, wie das nach § 3 Abs 1 Satz 1 BEEG\nanzurechnende Mutterschaftsgeld, kraft Gesetzes zwingend der Person\nzugeordnet, die Anspruch auf die anzurechnende Leistung hat. Dies ist beim\nMutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 RVO die Mutter. Im Hinblick auf das im\nElterngeldrecht geltende Lebensmonatsprinzip _(§ 4 Abs 2 Satz 1 BEEG)_ erfasst\ndie Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat\ndes Kindes, wenn - wie hier - nur für den ersten Tag Mutterschaftsgeld zusteht\n_(so auch Senatsurteil vom heutigen Tage - B 10 EG 12/10 R - zur\nVeröffentlichung in SozR vorgesehen)_.\n\n \n\n16\n\n \n\nc) Der Senat vermag der Auffassung des LSG nicht zu folgen, dass zur\nVermeidung des vorgenannten Ergebnisses § 3 Abs 1 Satz 4 BEEG auf die in § 4\nAbs 3 Satz 2 BEEG geregelte Fiktion von Bezugsmonaten entsprechend anzuwenden\nsei. Anders als das LSG sieht er keine Möglichkeit oder Veranlassung zu einer\nderartigen Rechtsfortbildung. Denn es fehlt hier an einer planwidrigen\nRegelungslücke (im Sinne einer Unvollständigkeit des Gesetzes), die nach\nMaßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen\ndurch eine analoge Anwendung einer anderen Rechtsnorm zu schließen wäre\n_(hierzu etwa BSG SozR 4-5870 § 1 Nr 2 RdNr 21 ua unter Hinweis auf BVerfGE\n82, 6, 11 ff; 82, 286, 304 f)._\n\n \n\n17\n\n \n\nWie der Senat schon entschieden hat _(Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09\nR_ , _RdNr 38, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen),_ ist § 4 Abs\n2 Satz 1 BEEG dahin zu verstehen, dass er im Grundsatz das Lebensmonatsprinzip\nbei der Gewährung von Elterngeld festlegt; dieses ist, wie sich aus § 4 Abs 2\nSatz 2 und 3, Abs 3 Satz 1 und 2 BEEG ergibt, insbesondere für die\nAnspruchsdauer maßgebend (zwölf bzw vierzehn Lebensmonatsbeträge). Eine\nDurchbrechung dieses Prinzips sieht § 3 Abs 1 Satz 4 BEEG vor, der für die\nAnrechnung von Mutterschaftsgeld auf das Elterngeld eine taggenaue\nQuotelungsregelung enthält, wenn die anzurechnende Leistung nur für einen Teil\ndes Lebensmonats zu erbringen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten\ndie (vorrangigen) anzurechnenden Leistungen nur in diesem (zeitlichen) Umfang\ndas Elterngeld verdrängen _(vgl BT-Drucks 16/1889 S 22 zu § 3 Abs 1)._ Die\ntaggenaue Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf das der Mutter zustehende\nElterngeld schließt jedoch die Fiktion von Bezugsmonaten nach dem\nLebensmonatsprinzip gemäß § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nicht aus _(so auch Becker in\nBuchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 3 BEEG RdNr 8)._\n\n \n\n18\n\n \n\nDass von der zwingenden Zuordnungsregelung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nur\n(ganze) Bezugsmonate erfasst werden, hat der Gesetzgeber ausdrücklich gewollt;\nin den Gesetzesmaterialien wird unter Hinweis auf die Anrechnungsregelungen in\n§ 3 Abs 1 und 3 BEEG ausgeführt: "… die betreffenden Monate gelten als von der\nfür die betreffende Leistung anspruchsberechtigten Person verbraucht" _(vgl\nBT-Drucks 16/1889 S 23 zu § 4 Abs 3)._ Gerade die Regelung über die taggenaue\nAnrechnung des Mutterschaftsgeldes auf das Elterngeld zeigt, dass der\nGesetzgeber damit gerechnet hat, dass der Mutterschaftsgeldbezug\ntypischerweise nicht genau mit einem Lebensmonat des Kindes endet.\nDementsprechend hätte er im Rahmen des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG eine taggenaue\nFiktion vorsehen können, wenn er eine solche Regelung gewollt hätte. Aus der\nEntstehungsgeschichte und dem Regelungszusammenhang des BEEG lässt sich\ndemnach keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes entnehmen _(vgl zur\nFeststellung von Gesetzeslücken: Larenz/Canaris, Methodenlehre der\nRechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 191 ff; Canaris, Die Feststellung von\nLücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 31 ff; Canaris in Koziol/Rummel, Im Dienste\nder Gerechtigkeit - Festschrift für Franz Bydlinski, 2002, S 82 ff; Engisch,\nEinführung in das juristische Denken, 10. Aufl 2005, S 177 ff)._\n\n \n\n19\n\n \n\nd) Zutreffend hat das LSG allerdings erkannt, dass § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG der\nAuslegung bedarf. Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut nicht eindeutig,\nwie der Begriff der "anzurechnenden Leistungen" zu verstehen ist. Insoweit\nbestehen drei Auslegungsmöglichkeiten: Diese Vorschrift kann - wie vom\nBeklagten - weit verstanden werden. Danach soll es für den Eintritt der\nFiktion von Bezugsmonaten genügen, dass der berechtigten Person (hier der\nMutter) in dem betreffenden Monat ihrer Art nach "anzurechnende Leistungen"\n(hier das Mutterschaftsgeld) zustehen, unabhängig davon, ob im konkreten Fall\nüberhaupt ein Elterngeldanspruch bestehen kann, auf den diese Leistungen\nanrechenbar wären. Die Vorschrift kann aber auch eng dahin ausgelegt werden,\ndass "anzurechnende Leistungen" nur dann vorliegen, wenn diese im konkreten\nFall im betreffenden Lebensmonat auch tatsächlich angerechnet werden. Weiter\nist es möglich, den Begriff "anzurechnende Leistung" so aufzufassen, dass in\ndem betreffenden Lebensmonat jedenfalls eine Anrechnung der Leistung auf das\nElterngeld rechtlich konkret möglich sein muss, also die Person, der die\nanzurechnende Leistung zusteht, aufgrund objektiver Gegebenheiten auch zum\nelterngeldberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört. Wortlaut,\nEntstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 4 Abs 3 Satz 2\nBEEG sprechen nach Auffassung des erkennenden Senats für das letztgenannte\nBegriffsverständnis _(so auch Senatsurteil vom heutigen Tage - B 10 EG 12/10\nR)_.\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Wortlaut des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG enthält eine Fiktion von\nElterngeldbezugsmonaten ("Lebensmonate des Kindes … gelten als Monate, für die\ndie berechtigte Person Elterngeld bezieht"). Die "berechtigte Person", der\neine "anzurechnende Leistung" (wie Mutterschaftsgeld) zusteht, wird durch\ndiese Fiktion so behandelt, als ob sie tatsächlich in den betreffenden Monaten\nElterngeld bezogen hätte. Rechtsfolge der Fiktion ist es, dass die davon\nerfassten Lebensmonate auch dann kraft Gesetzes zwingend der Person, der\nzeitlich kongruent anzurechnende Leistungen zustehen, zugeordnet werden, wenn\ndiese in den Monaten kein Elterngeld beansprucht hat. Dabei kann der Begriff\nder "berechtigten Person" in doppelter Richtung verstanden werden. Zum einen\nmuss die Person in den betreffenden Monaten eine Berechtigung zum Bezug der\n"anzurechnenden Leistung" (wie des Mutterschaftsgeldes) haben. Zum anderen\nmuss es dieser Person zumindest rechtlich möglich sein, in dieser Zeit\nElterngeld zu beziehen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sie in diesen\nbetreffenden Lebensmonaten aufgrund objektiver Gegebenheiten überhaupt nicht\nzum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört. Eine\nsolche fehlende Anspruchsvoraussetzung wird nach dem Wortlaut des § 4 Abs 3\nSatz 2 BEEG nicht fingiert.\n\n \n\n21\n\n \n\nAuch die Gesetzesmaterialien sprechen dafür, dass von der Fiktion des § 4 Abs\n3 Satz 2 BEEG nur Bezugsmonate erfasst werden, in denen ein Bezug von\nElterngeld rechtlich möglich ist. Die Begründung zu § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG geht\nlediglich von einer Anrechnung dieser Zeiten auf den Bezugszeitraum des\nElterngeldes aus, mit der Folge, dass die betreffenden Monate "als verbraucht\ngelten". Wörtlich heißt es dort _(vgl BT-Drucks 16/1889 S 23)_ : \n_"Satz 2 stellt klar, dass Lebensmonate des Kindes, für die\nMutterschaftsleistungen nach § 3 Abs. 1 oder dem Elterngeld vergleichbare\nLeistungen nach § 3 Abs. 3 bezogen werden, auch auf den Bezugszeitraum des\nElterngeldes anzurechnen sind; die betreffenden Monate gelten als von der für\ndie betreffende Leistung anspruchsberechtigten Person verbraucht."_\n\n \n\n22\n\n \n\nSystematische Stellung und Sinn und Zweck der in § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG\ngeregelten Fiktion von Bezugsmonaten bestätigen ebenfalls die vom Senat\nvorgenommene Auslegung: \n§ 4 Abs 3 Satz 2 BEEG ergänzt die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 und 3\nBEEG. Durch eine zwingende gesetzliche Zuordnung von Bezugsmonaten, in denen\nnach diesen Vorschriften anzurechnende Leistungen zustehen, werden die sich\naus § 5 Abs 1 und 2 BEEG ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern\n(Bestimmung des anspruchsberechtigten Elternteils) eingeschränkt _(dazu\nFuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, RdNr 273 ff; Becker in\nBuchner/Becker, MuSchG - BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 22, § 5 BEEG RdNr\n4)_. Diese Vorschrift stellt damit sicher, dass die Anrechnungsregelungen des\n§ 3 Abs 1 und 3 BEEG nicht durch eine entsprechende Gestaltung der\nBezugsberechtigung von den Eltern umgangen werden. Sie dient - wie die\nAnrechnungsregelungen - dazu, zweckidentische Doppelleistungen für zeitlich\nkongruente Bezugszeiträume zu vermeiden _(zum Zweck der Anrechnung des\nErziehungsgeldes auf das Mutterschaftsgeld: BSGE 69, 95, 98 ff = SozR 3-7833 §\n7 Nr 1 S 4 ff; zur Anrechnung nach § 3 BEEG: Becker in Buchner/Becker, MuSchG\n- BEEG, 8. Aufl 2008, § 3 BEEG RdNr 3, 20 ff; Hambüchen in Hambüchen, BEEG -\nEStG - BKGG, Stand Dezember 2009, § 3 BEEG RdNr 4, 13)_. Mit der Anrechnung\nverdrängt das vorrangige Mutterschaftsgeld das Elterngeld, soweit es für\ndenselben Bezugszeitraum zu erbringen wäre.\n\n \n\n23\n\n \n\nIn der Gesetzesbegründung zu § 3 Abs 1 BEEG heißt es dazu _(vgl BT-Drucks\n16/1889 S 22):_ \n_"Absatz 1 betrifft das Verhältnis von Elterngeld und Mutterschaftsleistungen\n… Diese Leistungen und das Elterngeld dienen insoweit dem gleichen Zweck, als\nsie für den gleichen Leistungszeitraum aus demselben Anlass, nämlich der\nGeburt des Kindes, dieselben Einkommenseinbußen ganz oder teilweise ersetzen\noder ausgleichen. Sie können deshalb nicht nebeneinander gewährt werden. Der\nZweck des Elterngeldes, Eltern individuell bei der Sicherung ihrer\nLebensgrundlage zu unterstützen, wenn sie nach einer Geburt die Betreuung\nihres Kindes übernehmen, ist im Falle gezahlter Mutterschaftsleistungen\nbereits erfüllt. Die in den Sätzen 1 und 2 genannten Leistungen sind für den\nbeschränkten Zeitraum und den eingeschränkten Berechtigtenkreis auch wegen des\ngrundsätzlich weitergehenden Umfangs als vorrangige Leistung gegenüber dem\nElterngeld anzusehen und deshalb auf das Elterngeld anzurechnen."_\n\n \n\n24\n\n \n\nEine durch die Anrechnung zu vermeidende Gewährung von Doppelleistungen (zB\nMutterschaftsgeld und Elterngeld) kann nur insoweit eintreten, als derselben\nPerson für einen zeitlich kongruenten Zeitraum dem Grunde nach sowohl ein\nAnspruch auf Mutterschaftsleistungen als auch ein Anspruch auf Elterngeld\nzusteht. Letzterer ist dann nicht gegeben, wenn diese Person in den\nbetreffenden Lebensmonaten aufgrund objektiver Gegebenheiten nicht zum\nanspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört.\n\n \n\n25\n\n \n\ne) Grundvoraussetzung für den Eintritt der Fiktion von Bezugsmonaten nach § 4\nAbs 3 Satz 2 BEEG ist demnach, dass in den betreffenden Lebensmonaten\ndiejenige Person, der die anzurechnende Leistung zusteht, nach objektiven\nGegebenheiten die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG erfüllt, also zum\nanspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne dieser Vorschrift gehört. Dies\nist vorliegend im dritten Lebensmonat des Kindes nicht der Fall. Aus der im\nRevisionsverfahren vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung von den\nBeteiligten unstreitig gestellten Arbeitgeberbescheinigung vom 10.5.2011\nergibt sich, dass die Ehefrau des Klägers am 8.4.2007 ihre berufliche\nTätigkeit als Krankenschwester mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 40\nStunden wieder aufgenommen hat. Dieser vom LSG nicht festgestellte Umstand\n_(vgl dazu § 163 SGG)_ wird vom Senat ausnahmsweise aus Gründen der\nProzessökonomie - zur Vermeidung einer Zurückverweisung nach § 170 Abs 2 Satz\n2 SGG - berücksichtigt _(vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,\nSGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 5d mwN)._ Da die Ehefrau des Klägers damit im\ndritten Lebensmonat des Kindes eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, die nicht\nim Sinne des § 1 Abs 1 Nr 4 iVm Abs 6 1. Alt BEEG ("wöchentliche Arbeitszeit\n30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats") für das Elterngeld unschädlich\nwar, hatte sie für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Elterngeld, auf den\nnach § 3 Abs 1 Satz 1 BEEG das Mutterschaftsgeld anzurechnen gewesen wäre. Die\nAnwendung der Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG ist demnach für diesen\nLebensmonat ausgeschlossen. Der dritte Lebensmonat gilt mithin nicht als von\nder Mutter "verbraucht". Dies hat zur Folge, dass der Kläger - wie von ihm\nbegehrt - noch für einen weiteren (zwölften) Lebensmonat des Kindes Anspruch\nauf Elterngeld hat. Die vom Beklagten mit der Revision angegriffene\nVerurteilung, "dem Kläger Elterngeld für weitere 30 Tage in gesetzlicher Höhe\nzu zahlen", bleibt dahinter zurück.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\n
76,650
bsg-2011-06-09-b-8-ay-110-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 8 AY 1/10 R
2011-06-09
2018-11-08 17:30:04
2019-01-17 15:00:57
Urteil
## Tenor\n\n \n\nAuf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts\nNordrhein-Westfalen vom 17. Mai 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten\nVerhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nIm Streit sind höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz\n(AsylbLG) im Rahmen eines Zugunstenverfahrens, vorrangig statt der erbrachten\nGrundleistungen nach § 3 AsylbLG nachträglich zu erbringende höhere sog\nAnalogleistungen nach § 2 AsylbLG iVm dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -\nSozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit von März bis Juni 2007.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist 1992 im Kosovo geboren. Er reiste am 17.2.2004 in die\nBundesrepublik Deutschland ein und bezog seitdem (nach den Feststellungen des\nLandessozialgerichts ) neben mehreren Einzelbeihilfen ununterbrochen\nGrundleistungen nach § 3 AsylbLG, im streitbefangenen Zeitraum monatlich\n199,40 Euro. Im Februar 2009 beantragte er rückwirkend ab 1.1.2005 höhere\nLeistungen nach § 2 AsylbLG (sog Analogleistungen). Die Beklagte bewilligte\ndem Kläger für den Zeitraum vom 17.2.2007 bis 31.8.2009 weitere Leistungen\nunter Anwendung des § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 748,45 Euro _(Bescheid\nvom 31.7.2009; Widerspruchsbescheid vom 23.9.2009)_ ; insoweit könnten höhere\nals früher bewilligte Leistungen erst ab 17.2.2007 erbracht werden, weil er\nerst ab diesem Zeitraum die 36-Monatsfrist des § 2 AsylbLG für den Bezug von\nAnalogleistungen erfülle. Bei der Höhe der Leistungen sei zudem der\nAktualitätsgrundsatz zu beachten; nicht mehr bestehende Bedarfe seien nicht zu\ndecken. In diesem Zusammenhang prüfte die Beklagte für jede Abteilung der\nRegelsatzverordnung des SGB XII, welcher Bedarfsanteil einem aktuellen Bedarf\nzuzuordnen ist, der nicht mehr gedeckt werden könne, und welche Bedarfsanteile\nauf Ansparbeträge und einmalige Bedarfe entfallen, die einen Nachholbedarf\nrechtfertigten.\n\n \n\n3\n\n \n\nDas Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat "den Bescheid der Beklagten vom\n31.7.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 23.9.2009 abgeändert" und die\nBeklagte verurteilt, "die dem Kläger bewilligte Nachzahlung entsprechend dem\nfür ihn geltenden Regelsatzbetrag ungekürzt zu zahlen abzüglich der bereits\nerhaltenen Leistungen nach AsylbLG" _(Urteil vom 18.1.2010)_. Nach\nBeschränkung des streitigen Zeitraums durch Teilvergleich vom 17.5.2010 auf\ndie Monate März bis Juni 2007 hat das LSG Nordrhein-Westfalen (NRW) die\nBerufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen _(Urteil vom\n17.5.2010)_ und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass bei\npauschal gedeckten Bedarfen im Falle rechtswidrig zu niedrig gewährter\nLeistungen regelmäßig ohne nähere Prüfung von noch fortdauernden ungedeckten\nBedarfen auszugehen sei.\n\n \n\n4\n\n \n\nMit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 44 Zehntes Buch\nSozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).\nNachzahlungen aufgrund dieser Vorschrift könnten nur insoweit erbracht werden,\nals noch aktuell ein tatsächlicher Bedarf bestehe. Einen solchen Bedarf bis\nzur Höhe der begehrten vollen Differenz zum Regelsatz des SGB XII habe der\nKläger nicht dargelegt. Die Rechtsauffassung des LSG hätte zur Folge, dass der\nDifferenzbetrag zwischen den Grundleistungen und den Analogleistungen in\nvoller Höhe als Ansparbedarf zuerkannt würde, was auf eine nach dem\nGesetzeszweck gerade nicht beabsichtigte Entschädigung hinauslaufe; zudem sei\nder Differenzbetrag höher als der im Rahmen der Pauschalierung kalkulierte\nAnsparbedarf. Im Ergebnis führe die Entscheidung des LSG zu einer\nUngleichbehandlung der Leistungsberechtigten, die eine Nachzahlung für die\nVergangenheit erhielten gegenüber denen, die durchgängig Leistungen nach § 2\nAsylbLG bezogen hätten, weil letztere ihre Regelleistung für ihren laufenden\nund einmaligen Bedarf aufgebraucht hätten und Leistungsberechtigte nach §§ 3\nff AsylbLG aufgrund der vom SGB XII abweichenden Systematik Leistungen\nerhielten, die Leistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG unter Verweis auf die\nRegelsatzleistungen verweigert werden müssten. Im Übrigen biete sich eine\nentsprechende Anwendung des § 330 Abs 1 2. Alt Sozialgesetzbuch Drittes Buch -\nArbeitsförderung - (SGB III) mit dessen Leistungsbeschränkungen an.\nSchließlich sei der ab 1.4.2011 geltende § 116a SGB XII zu beachten, der\nrückwirkende Leistungen nur für den Zeitraum von einem Jahr vorsehe; dies\nmüsse auch für Leistungen nach dem AsylbLG gelten.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, \ndas Urteil des LSG aufzuheben, das Urteil des SG abzuändern und die Klage\nabzuweisen, soweit die Zeit vom März bis Juni 2007 betroffen ist.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Kläger beantragt, \ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n7\n\n \n\nEr hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das\nLSG begründet _(§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz)_. Ob der Kläger für\nden streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen im Rahmen eines\nVerfahrens nach § 44 SGB X hat, kann der Senat mangels ausreichender\ntatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entscheiden. Abgesehen davon,\ndass das LSG die (Leistungs-)Bescheide, deren Bestandskraft nach § 44 SGB X\ndurchbrochen werden soll, überhaupt nicht aufgeführt hat, trifft es\ninsbesondere keine Feststellungen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen,\nob bei deren Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt\nausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.\n\n \n\n9\n\n \n\nGegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31.7.2009 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 23.9.2009 _(§ 95 SGG)_ , soweit die Beklagte im\nRahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X rückwirkend (noch) höhere\nLeistungen abgelehnt hat. Richtige Klageart ist damit die kombinierte\nAnfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage _(BSG SozR 4-4200 § 122 Nr 8\nRdNr 9; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 29 mwN; Eicher in\nEicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr 12a, Stand August 2007)_. Mit welchen\nbestandskräftigen, von der Beklagten aufzuhebenden Bescheiden - deren\nAbänderung der Kläger mit der Verpflichtungsklage verfolgt - Leistungen für\nden hier noch streitbefangenen Zeitraum bewilligt wurden, lässt sich den\nFeststellungen des LSG allerdings nicht entnehmen. Diese wird das LSG\nnachzuholen haben und den insoweit falschen Tenor des SG-Urteils (fehlende\nVerurteilung der Beklagten zur Abänderung der bestandskräftigen Bescheide) ggf\nentsprechend korrigieren müssen. Einer Korrektur bedarf der Tenor der\nEntscheidung des SG auch ggf deshalb, weil es sich in der Sache um einen\nHöhenstreit handelt und die Beklagte bei einer erfolgreichen Klage zur Zahlung\n"höherer Leistungen" zu verurteilen ist _(§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG)_. Der Tenor\ndes SG-Urteils enthält diesen Passus nicht.\n\n \n\n10\n\n \n\nGemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, der nach § 9 Abs 3 AsylbLG im\nAsylbewerberleistungsrecht Anwendung findet _(BSG SozR 4-3520 § 9 Nr 1)_ , ist\nein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für\ndie Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei\nseinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt\nausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb ua\nSozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Über die Rücknahme\nentscheidet (nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts) die zuständige Behörde\n_(§ 44 Abs 3 SGB X)_ ; es gelten dabei die allgemeinen Regelungen _(vgl nur\nSchütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 44 RdNr 37)_. Sachlich\nzuständig für die Durchführung des AsylbLG und damit auch für die Entscheidung\nnach § 44 Abs 1 SGB X sind nach § 10 AsylbLG iVm § 1 Abs 1 Satz 1 des\nnordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des AsylbLG _(vom 29.11.1994 -\nGesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1087 -, zuletzt\ngeändert durch Art 20 des Gesetzes vom 8.12.2009 - GVBl 765)_ die Gemeinden.\nDie örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 10a AsylbLG. Zuständig ist\ndanach die Gemeinde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte aufgrund der\nEntscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen\nVerteilungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen\nworden ist _(§ 10a Abs 1 Satz 1)_. Im Übrigen, also wenn weder eine Verteilung\nnoch eine Zuweisung erfolgt ist _(vgl dazu Groth in juris PraxisKommentar SGB\nXII , § 10a AsylbLG RdNr 21 f)_, ist die Behörde zuständig, in deren Bereich\nsich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Ob die Beklagte danach\nzuständig ist, kann mangels Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des\n§ 10a Abs 1 AsylbLG nicht beurteilt werden. Auch diese wird das LSG ggf\nnachzuholen haben.\n\n \n\n11\n\n \n\nOb die bestandskräftigen Leistungsbewilligungen nach § 3 AsylbLG rechtswidrig\nwaren und deshalb einer rückwirkenden Korrektur unterliegen, vermag der Senat\nmangels ausreichender Feststellungen des LSG ebenfalls nicht zu entscheiden.\nDen Feststellungen des LSG lässt sich schon nicht entnehmen, ob der Kläger\nüberhaupt einen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG hatte, also zu den\nLeistungsberechtigten iS des § 1 AsylbLG gehörte und - unterstellt, er\nunterfällt dem Personenkreis des § 1 AsylbLG - ob ab 17.2.2007 in seiner\nPerson die Voraussetzungen für Leistungen nach § 2 AsylbLG erfüllt sind.\n\n \n\n12\n\n \n\nNach § 2 Abs 1 AsylbLG _(in der Fassung, die die Norm durch das\nZuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 - BGBl I 1950 - erhalten hat)_ ist das SGB\nXII abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten\nanzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3\nAsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht\nrechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben _(dazu eingehend BSGE 101, 49 ff\n= SozR 4-3520 § 2 Nr 2)_. Den nach § 163 SGG bindenden (aber möglicherweise\nfalschen) Feststellungen des LSG lässt sich lediglich entnehmen, dass der\nKläger ab 17.2.2004 durchgehend Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben\nsoll, sodass ab 17.2.2007 die sog Vorbezugszeit von 36 Monaten mit Leistungen\nnach § 3 AsylbLG iS von § 2 Abs 1 AsylbLG erfüllt gewesen wäre; Feststellungen\ndes LSG zu einer möglichen rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der\nAufenthaltsdauer fehlen hingegen. Zwar gibt das LSG an, dass der Kläger\n"mangels rechtsmissbräuchlicher Selbstbeeinflussung der Dauer seines\nAufenthalts in Deutschland" sämtliche Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG\nin der bis zum 27.8.2007 geltenden Fassung erfülle; die Wiederholung des\nGesetzeswortlauts ersetzt aber nicht die hierfür erforderlichen\nFeststellungen. Nach Aktenlage war der Kläger in der Zeit vom 1.6.2005 bis\n15.12.2005 untergetaucht und erhielt (erst) ab dem 15.12.2006 wieder\nLeistungen nach dem AsylbLG. Ob er unter diesen Voraussetzungen tatsächlich\ndie Vorbezugszeit erfüllt hat _(vgl BSGE 101, 49 ff RdNr 18 = SozR 4-3520 § 2\nNr 2)_ oder ob ein Anspruch auf Analogleistungen unabhängig von der\nVorbezugszeit wegen rechtsmissbräuchlicher Beeinflussung der Aufenthaltsdauer\nsogar ganz ausscheidet _(dazu BSG, aaO, RdNr 32 ff),_ wird das LSG zu prüfen\nhaben. Da der Kläger im streitbefangenen Zeitraum minderjährig war, stellt\nsich zudem die Frage, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs 3 AsylbLG vorliegen\n_(vgl dazu BSGE 101, 49 ff RdNr 25 f = SozR 4-3520 § 2 Nr 2)_. Sollte das LSG\nnach der Zurückverweisung zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Anspruch auf\nAnalogleistungen nicht bestand, wird es weiter zu prüfen haben, ob der Kläger\n(unter Anwendung unten aufgeführter Grundsätze) einen Anspruch auf höhere,\nnachträglich zu erbringende Grundleistungen hat.\n\n \n\n13\n\n \n\nZu Recht ist das LSG allerdings davon ausgegangen, dass - unterstellt, der\nKläger hatte im streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Analogleistungen\n- ihm nach § 44 Abs 4 SGB X grundsätzlich die Differenz zwischen den\nerbrachten Grundleistungen und dem Regelsatz nachzuzahlen ist. Die\nVoraussetzungen des § 44 Abs 4 SGB X sind jedenfalls erfüllt; danach werden\nSozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der\nRücknahme bzw der Antragstellung erbracht.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Senat hat in seiner Entscheidung vom 29.9.2009 _(BSGE 104, 213 ff = SozR\n4-1300 § 44 Nr 20)_ unter Fortführung seiner Rechtsprechung vom 16.10.2007\n_(BSGE 99, 137 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 11)_ und vom 26.8.2008 _(SozR 4-1300 §\n44 Nr 15)_ zwar die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur\nbestandskräftiger rechtswidriger Leistungsablehnungen für das Recht der\nSozialhilfe und das Asylbewerberleistungsrecht _(dazu bereits BSG SozR 4-3520\n§ 9 Nr 1; vgl hierzu auch ausführlich Wahrendorf, ZFSH/SGB 2011, 260 ff)_\nbejaht, für einen Anspruch auf rückwirkende Erbringung von\nSozialhilfeleistungen es aber nicht genügen lassen, dass bei Erlass der\nbestandskräftigen Verwaltungsakte Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten\nworden sind. Vielmehr hat er unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 44 Abs\n4 SGB X ("nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches")\nausgeführt, den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts sei Rechnung zu\ntragen und im Bereich der Sozialhilfe müsse insbesondere berücksichtigt\nwerden, dass die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage\ndiene. Sozialhilfeleistungen seien deshalb für einen zurückliegenden Zeitraum\nnur dann zu erbringen, wenn die Leistung ihren Zweck noch erfüllen könne.\nSeien Leistungen rechtswidrig abgelehnt worden und habe der Hilfebedürftige\nden (nicht entfallenen) Bedarf in der Folgezeit im Wege der Selbsthilfe (etwa\nunter Rückgriff auf Schonvermögen oder durch Aufnahme von Schulden) oder Hilfe\nDritter gedeckt, die die fehlende Unterstützung durch den Sozialhilfeträger\nsubstituiert habe, könne, soweit Hilfebedürftigkeit noch aktuell bestehe _(s\ndazu unten),_ die Leistung ihren Zweck noch erfüllen, weil an die Stelle des\nursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten sei\n_(BSGE 104, 213 ff RdNr 19 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20)_.\n\n \n\n15\n\n \n\nNichts anderes kann für Leistungen nach dem AsylbLG gelten, weil sie wie die\nSozialhilfe der Existenzsicherung dienen und deshalb für ihre nachträgliche\nErbringung dieselben Grundsätze gelten. Soweit es Analogleistungen betrifft,\nkommt hinzu, dass § 2 AsylbLG sogar eine entsprechende Anwendung des SGB XII\nvorsieht, wobei dahinstehen kann, ob bzw inwieweit darin eine\nRechtsfolgenverweisung oder eine Rechtsgrundverweisung zu sehen ist _(vgl dazu\nBSGE 101, 49 ff RdNr 14 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2)_ oder ob überhaupt eine solche\nSystematisierung möglich und erforderlich ist.\n\n \n\n16\n\n \n\nFür pauschalierte Leistungen, die - wie hier der Regelsatz des SGB XII, der\nnach § 23 SGB XII auch Ausländern zu zahlen ist - typisierend von einem Bedarf\nausgehen und nicht nur die Höhe des nachzuweisenden Bedarfs typisierend\npauschalieren, hat der Senat ausdrücklich ausgeführt, dass auf den Nachweis\nanderweitiger Bedarfsdeckung verzichtet werden müsse, weil die Pauschale nicht\nan der von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommenen\n"Existenzschwäche" des Sozialhilfeanspruchs teilnehme _(BSGE 104, 213 ff RdNr\n20 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20)_. Dies bedeutet: Auch der nach dem AsylbLG\nLeistungsberechtigte muss nicht nachweisen, dass er konkrete Bedarfsanteile\nder jeweiligen Abteilung der Regelsatzverordnung tatsächlich hatte und durch\nSelbsthilfe oder Hilfe Dritter gedeckt hat; es ist vielmehr von einem\nfortbestehenden Bedarf auszugehen. Dies rechtfertigt es, die Differenz\nzwischen der nach dem AsylbLG und der nach dem SGB XII pauschalierten Leistung\nin voller Höhe nachzuzahlen und nicht auf eine konkrete Bedarfsdeckung im\nEinzelfall abzustellen und im Übrigen nur einen Spitzbetrag für im Regelsatz\nenthaltene Ansparbeträge nachzuzahlen. Eine andere Auffassung liefe, wovon das\nLSG zu Recht ausgeht, der gesetzlichen Pauschalierung zuwider. Da die\nBedarfslagen gesetzlich normativ über Regelsätze bestimmt werden, ist auch der\nRechtsprechung des Sächsischen LSG nicht zu folgen, wonach bei der\nnachträglichen Leistungsgewährung zu berücksichtigen sein soll, dass der\nAufenthalt im Bundesgebiet, den diese Leistungen ermöglichen sollen, jederzeit\nenden kann und deshalb keine Ansparbeträge nachträglich zu gewähren sein\nsollen _(Urteil vom 14.1.2011 - L 7 AY 8/09)_. Diese Rechtsprechung verkennt\nzudem, dass Analogleistungen gerade wegen einer gewissen Verfestigung des\nAufenthalts erbracht werden.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie von der Beklagten behauptete Ungleichbehandlung gegenüber den\nAnalogleistungsempfängern, die die Leistung regelgerecht erhalten haben, liegt\nnicht vor. Derjenige, dem höhere Leistungen vorenthalten wurden und der einen\nAntrag nach § 44 SGB X stellt, soll in der Gesamtschau keine höheren\nLeistungen als derjenige erhalten, der nach Ablauf der Vorbezugszeit\nAnalogleistungen sofort, also nicht nach Korrektur bestandskräftiger\nBescheide, bezogen hat. Die in Anwendung des § 44 SGB X damit verbundenen\nSchwierigkeiten sind Ausfluss der Zugunstenregelung und in Kauf zu nehmen;\nPraktikabilitätsgesichtspunkte rechtfertigen es - entgegen der Auffassung der\nBeklagten - jedenfalls nicht, von der Anwendung des § 44 SGB X gänzlich\nabzusehen. Kann etwa ein konkreter Betrag für erbrachte Einmal- oder\nSachleistungen nicht (mehr) ermittelt werden, ist der geldwerte Betrag für die\nerbrachte Leistung deshalb ggf entsprechend § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) zu\nschätzen.\n\n \n\n18\n\n \n\nDer Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 17.6.2008 _(SozR 4-3520 § 9\nNr 1)_ klargestellt, dass höhere Leistungen nur dann gerechtfertigt sind, wenn\ndie nach §§ 3 ff AsylbLG gewährten Leistungen in der Summe niedriger sind als\ndie Leistungen, die ihm in entsprechender Anwendung des SGB XII zugestanden\nhätten. Etwaige Einmalleistungen, die nach §§ 3 ff AsylbLG erbracht wurden,\nnach dem SGB XII jedoch von der Regelsatzleistung erfasst werden, bleiben\ndeshalb nicht unberücksichtigt, sondern sind naturgemäß bei dem\nGesamtvergleich in Ansatz zu bringen. Dabei auftretende Schwierigkeiten wegen\nder unterschiedlichen Systematik der beiden Leistungssysteme sind hinzunehmen\nund im Einzelfall durch eine realitätsnahe und praktikable Lösung zu\nbewältigen. Dementsprechend hat das LSG zu Recht unter Ziff 3 Satz 2 des\nTeilvergleichs die in dem gesamten ursprünglich streitigen Zeitraum\ngeleisteten Beihilfen für einmalige Bedarfe aufgeführt und bestimmt, dass\ndiese in Abzug zu bringen sind. Werden also nur für Teilzeiträume höhere\nLeistungen geltend gemacht, ist mit Rücksicht auf den Zukunfts- und\nVergangenheitsbezugs des Regelsatzes bei der Hilfe zum Lebensunterhalt aus\nGründen der Verwaltungsvereinfachung der Geldwert der im Gesamtzeitraum (mit\nrechtswidrig zu geringer Leistung, begrenzt auf den Zeitraum des § 44 Abs 4\nSGB X) erbrachten einmaligen Leistungen durch die Anzahl seiner Monate zu\ndividieren und der auf den Monat entfallende Teil für jeden Monat, für den\neine Nachzahlung geltend gemacht wird, von der Differenz der nach § 3 AsylbLG\nerbrachten Leistung und der nach § 2 AsylbLG iVm dem SGB XII zu erbringenden\npauschalierten Regelleistung in Abzug zu bringen. Es ist also kein\nGebrauchszeitraum im Einzelfall zu bestimmen.\n\n \n\n19\n\n \n\nFür die Krankenbehandlung nach § 4 Abs 1 AsylbLG gelten allerdings andere\nKriterien. Im Falle eines Anspruchs auf Analogleistungen nach § 2 AsylbLG iVm\nden Regelungen des SGB XII wäre dem Kläger Krankenbehandlung nach § 264 Abs 2\nSozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V)\ndurch die zuständige Krankenkasse zu gewähren gewesen, die keine Leistung nach\ndem SGB XII ist _(SozR 4-3520 § 9 Nr 1 RdNr 16)_. Die Leistungen nach dem SGB\nV können mithin nicht per se in die Vergleichsberechnung einbezogen werden.\nLeistungen nach § 4 AsylbLG werden allerdings anders als die nach § 264 Abs 2\nSGB V, weil dort Zuzahlungen aus dem Regelsatz zu erbringen sind _(BSG, Urteil\nvom 16.12.2010 - B 8 SO 7/09 R - RdNr 13)_ , ohne finanzielle Eigenbeteiligung\nerbracht _(vgl nur Frerichs in juris PK-SGB XII, § 4 AsylbLG RdNr 38)_.\nDeshalb sind etwaige Zuzahlungen, die der Kläger als Bezieher von\nAnalogleistungen zu erbringen gehabt hätte, im Wege der Gesamtschau als\nersparte Aufwendungen und damit im Ergebnis als Leistungen nach dem AsylbLG\nbei der Vergleichsberechnung zu berücksichtigen.\n\n \n\n20\n\n \n\nDie nachträgliche Erbringung von Leistungen setzt allerdings voraus, dass beim\nKläger Bedürftigkeit iS des AsylbLG oder des SGB XII bzw des SGB II\nununterbrochen fortbesteht; ist die Bedürftigkeit nur temporär oder auf Dauer\nentfallen, scheidet eine Nachzahlung in der Regel aus _(BSGE 104, 213 ff =\nSozR 4-1300 § 44 Nr 20 RdNr 21)_. Wie im Sozialhilferecht allgemein ist im\nHinblick auf § 44 Abs 4 SGB X also nicht nur darauf abzustellen, ob die\nAblehnung einer Leistung zum Zeitpunkt der Entscheidung nach früherer Sach-\nund Rechtslage rechtswidrig war, sondern auch darauf, ob zwischenzeitlich der\nursprüngliche Bedarf, der zu Unrecht nicht durch Hilfeleistungen gedeckt\nwurde, oder die Bedürftigkeit entfallen sind. Maßgebender Zeitpunkt für die zu\ntreffende Entscheidung ist dabei die letzte Tatsacheninstanz _(BSG aaO)_. Dies\nwird das LSG nach der Zurückverweisung prüfen müssen. Sollten danach\nLeistungen ggf überhaupt nicht mehr zu erbringen sein, steht dies auch einem\nAnspruch auf die Rücknahme rechtswidrig zu geringer bestandskräftiger\nLeistungsbewilligungen nach § 44 Abs 1 SGB X entgegen _(BSG, aaO, RdNr 22)._\n\n \n\n21\n\n \n\nEin Rückgriff auf § 330 Abs 1 2. Alt SGB III (Rücknahme eines unanfechtbaren\nVerwaltungsakts lediglich ab Bestehen einer stRspr) ist entgegen der Ansicht\nder Beklagten nicht zulässig. Anders als § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1\nSozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II),\nder eine entsprechende Anwendung des § 330 Abs 1 SGB III vorsieht, enthält\nweder das SGB XII noch das AsylbLG eine vergleichbare Regelung. Im Gegenteil,\ndie entsprechende Anwendung von § 44 SGB X resultiert allein aus dem\nAnwendungsbefehl in § 9 Abs 3 AsylbLG. Das AsylbLG gilt nämlich nicht als\nbesonderer Teil des SGB _(vgl § 68 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner\nTeil - SGB I)_ , mit der Folge, dass ohne § 9 Abs 3 AsylbLG nicht einmal die\nverwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB X _(vgl § 1 Abs 1 Satz 1\nSGB X)_ \\- geschweige denn die des SGB III -, sondern die\nVerwaltungsverfahrensgesetze der Länder auf das Verwaltungsverfahren nach dem\nAsylbLG Anwendung finden würden _(Groth in jurisPK-SGB XII, § 9 AsylbLG RdNr\n32)_. Im Übrigen dürfte eine Anwendung von § 330 Abs 1 SGB III ohnehin an der\ndafür erforderlichen "einheitlichen Praxis" scheitern. Diese setzt nämlich\neine bundeseinheitliche Handhabung der Leistungsträger des AsylbLG voraus, an\nder erhebliche Zweifel bestehen, die zu Lasten des Leistungsträgers gehen\nwürden _(vgl: BSG, Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 61/09 R - RdNr 14 ff mwN;\nEicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 57; kritisch zur\nRspr des BSG im Rahmen des SGB II Groth, juris PraxisReport Sozialrecht\n15/2011 Anm 2; vgl auch BSG, Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 118/10 R)_.\n\n \n\n22\n\n \n\nFür eine analoge Anwendung des § 330 Abs 1 2. Alt SGB III besteht ebenfalls\nkein Raum, nachdem der Gesetzgeber seine Anwendung nicht einmal im SGB XII\nvorgesehen hat. Die Vorschrift des § 330 Abs 1 SGB III trägt ausschließlich\ndem Umstand Rechnung, dass wegen der Fehlerträchtigkeit des Behördenhandelns\nim von der Norm erfassten Rechtsbereich massenhafte Wiederaufnahmen\nbestandskräftig abgeschlossener Verwaltungsverfahren vermieden werden sollen\n_(vgl BSG, aaO, mwN; BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 10 S 36; Eicher in\nEicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr 2, Stand August 2007 und RdNr 19, Stand\nMai 2007)_. Außer im Arbeitsförderungsrecht (SGB III) und dem Recht der\nGrundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sowie in dem 2007 eingefügten § 100\nAbs 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB\nVI) mit dessen § 330 Abs 1 Alt 1 SGB III (Rücknahme für die Zeit nach\nEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts; _vgl dazu BT-Drucks 16/3794, S 37\nzu Art 1 Nr 30)_ vergleichbaren Regelung hat der Gesetzgeber offenbar keine\nNotwendigkeit einer § 330 Abs 1 SGB III entsprechenden Beschränkung gesehen.\nVon einer ungewollten Gesetzeslücke und einer vergleichbaren Interessenlage\nals Voraussetzung für eine Analogie kann damit nicht ausgegangen werden.\n\n \n\n23\n\n \n\nOb andererseits eine analoge Anwendung des ab 1.4.2011 geltenden § 116a SGB\nXII für Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG möglich ist, wonach für die\nRücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts § 44 Abs 4\nSatz 1 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren\nein Zeitraum von einem Jahr tritt, bedarf keiner Entscheidung. Zwar besteht im\nöffentlichen Recht kein allgemeines Analogieverbot zum Nachteil von Bürgern\n_(BSG SozR 3-4100 § 59e Nr 1 S 6)_ , sodass eine entsprechende Anwendung von §\n116a SGB XII nicht von vorneherein ausscheidet, wenn aufgrund eines Versehens\noder Übersehens eines Tatbestands das Gesetz lückenhaft ist _(vgl dazu aber\nGroth, aaO, RdNr 34.1, der eine Regelungslücke verneint),_ und die Lücke im\nWege der Rechtsfortbildung geschlossen werden kann. Jedoch findet § 116a SGB\nXII aus Gründen des Vertrauensschutzes nach der Übergangsregelung des § 136\nSGB XII ohnehin nicht auf Anträge Anwendung, die - wie hier - vor dem 1.4.2011\ngestellt worden sind. Würde man eine analoge Anwendung bejahen, müsste auch\ndiese Regelung analog gelten.\n\n \n\n24\n\n \n\nDer Senat musste nicht entscheiden, ob die Vorschriften über Grundleistungen\nnach dem AsylbLG gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines\nmenschenwürdigen Existenzminimums verstoßen _(vgl dazu Vorlagebeschlüsse des\nLSG NRW vom 26.7.2010 - L 20 AY 13/09 - und vom 22.11.2010 - L 20 AY 1/09)_.\nAngesichts der Zurückverweisung erübrigen sich gegenwärtig entsprechende\nAusführungen; erhält der Kläger rückwirkend die von ihm begehrten\nAnalogleistungen, stellt sich die Frage der Verfassungswidrigkeit der\nangesprochenen Regelung nicht.\n\n \n\n25\n\n \n\nDas LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden\nhaben.\n\n
78,970
bverfg-2010-05-11-2-bvr-51110
3
Bundesverfassungsgericht
bverfg
Bundesrepublik Deutschland
Verfassungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 BvR 511/10
2010-05-11
2018-11-09 10:30:12
2019-01-17 15:26:02
Nichtannahmebeschluss
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100511.2bvr051110
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.\n\n2\n\n \n\nDer Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines passiven Wahlrechts auf\nkommunaler Ebene. Insoweit steht ihm ein mit der Verfassungsbeschwerde\nrügefähiges Recht nicht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1\nBVerfGG).\n\n3\n\n \n\nWährend bei Bundestagswahlen die Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Art.\n38 Abs. 1 Satz 1 GG im Wege einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann,\nfehlt eine vergleichbare Gewährleistung, wenn es um die Durchsetzung dieser\nGrundsätze bei allgemeinen politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von\nArt. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf der Ebene der Länder geht (vgl. BVerfGE 99, 1\n<7>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005 - 2\nBvR 315/05 -, NVwZ-RR 2005, S. 494 f.;vom 9\\. März 2009 - 2 BvR 120/09 -, NVwZ\n2009, S. 776 f., und vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris).\n\n4\n\n \n\nArt. 38 GG erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine\nanaloge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die\nselbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28\nAbs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien,\ngleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten.\nDie Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu\nihren Länderparlamenten und auf kommunaler Ebene zu genügen. Dem Einzelnen\nvermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde\nrügefähige subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot\ndes Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch nicht über die in Art. 2 Abs. 1 GG\nverbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert\nwerden. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1\nGG scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3\nAbs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 99, 1 <7 ff.>).\n\n5\n\n \n\nDie Länder genießen im Rahmen ihrer Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG\nim staatsorganisatorischen Bereich Autonomie. In diesem Bereich dürfen sie das\nWahlsystem und Wahlrecht zu ihren Parlamenten und den kommunalen Vertretungen\ndes Volkes selbst regeln (vgl. BVerfGE 99, 1 <11>). Die Länder gewährleisten\nauch den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in\nihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. BVerfGE 99, 1 <12, 17>;\nBVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005, a.a.O.;\nvom 9. März 2009, a.a.O., S. 777, und vom 3. Juli 2009, a.a.O.).\n\n6\n\n \n\nZwar kann der Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte\nVerletzung seines passiven Wahlrechts über den auf Länderebene gewährleisteten\nverwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz hinaus keinen\nlandesverfassungsgerichtlichen Rechtsschutz erlangen. Nach Art. 75 Nr. 6 der\nVerfassung des Landes Sachsen-Anhalt in Verbindung mit § 2 Nr. 7, §§ 47 ff.\ndes Gesetzes über das Landesverfassungsgericht ist eine Verfassungsbeschwerde\nnur gegen Landesgesetze statthaft, nicht gegen Maßnahmen und Entscheidungen\nvon Trägern der Verwaltung oder Organen einer Gemeinde; ebenso wenig können\nGerichtsentscheidungen statthafter Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde zum\nLandesverfassungsgericht sein (vgl. auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom\n23. Juli 2001 - LVG 2/01 -, juris). Dies ist von Verfassungs wegen jedoch auch\nnicht geboten; Art. 19 Abs. 4 GG verbürgt keinen subjektiven\nverfassungsgerichtlichen Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 99, 1 <19>; BVerfG,\nBeschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. März 2009, a.a.O., S. 777).\n\n7\n\n \n\nVon einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.\n\n8\n\n \n\nDiese Entscheidung ist unanfechtbar.\n\n
78,983
bverfg-2010-05-21-2-bvr-103610
3
Bundesverfassungsgericht
bverfg
Bundesrepublik Deutschland
Verfassungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 BvR 1036/10
2010-05-21
2018-11-09 10:30:13
2019-01-17 15:26:10
Einstweilige Anordnung
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100521.2bvr103610
## Tenor\n\n \n\nDem Regierungspräsidium Kassel wird im Wege der einstweiligen Anordnung die\nVollziehung der Abschiebung der Antragsteller nach Griechenland vorläufig\nuntersagt.\n\n \n\n...\n\n## Gründe\n\n1\n\n \n\nDer Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG\nin einem Verfahren betreffend die Überstellung zweier syrischer\nAsylantragsteller nach Griechenland in Anwendung der Verordnung (EG) Nr.\n343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl Nr. L 50 S. 1) zur Festlegung der\nKriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung\neines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten\nAsylantrags zuständig ist, hat Erfolg.\n\n2\n\n \n\n1\\. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall\neinen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur\nAbwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen\nWohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die\nVerfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden,\ngrundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die\nVerfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als unzulässig oder\noffensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des\nVerfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen,\ndie eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die\nVerfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abwägen, die\nentstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der\nVerfassungsbeschwerde der Erfolg aber zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 25\n<35>; 89, 109 <110 f.>; stRspr).\n\n3\n\n \n\n2\\. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass die\nVerfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder offensichtlich\nunbegründet wäre.\n\n4\n\n \n\nDie Verfassungsbeschwerde kann Anlass zur Untersuchung geben, ob und\ngegebenenfalls welche Vorgaben das Grundgesetz in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und\nArt. 16a Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG für die fachgerichtliche Prüfung der Grenzen\ndes Konzepts der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfGE 94, 49 <99 f.>) bei\nder Anwendung von § 34a Abs. 2 AsylVfG trifft, wenn Gegenstand des\nEilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der\nVerordnung (EG) Nr. 343/2003 zuständigen anderen Mitgliedstaat der\nEuropäischen Union ist. Es könnte dabei auch zu klären sein, ob und welche\nVorgaben das Grundgesetz zur Gewährung vorläufigen Schutzes für den Zeitraum\ntrifft, den die Organe der Europäischen Union benötigen, Erkenntnisse über für\nAsylsuchende bedrohliche tatsächliche oder rechtliche Defizite des Asylsystems\neines Mitgliedstaats auszuwerten und erforderliche Maßnahmen durchzusetzen.\nBei der Würdigung von Art. 16a Abs. 2 und Abs. 5 GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG\nkönnten in diesem Zusammenhang auch die Anforderungen des Rechts der\nEuropäischen Union zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Union als Raum der\nFreiheit, der Sicherheit und des Rechts (vgl. Art. 2 4. Spiegelstrich EUV;\nvgl. zur Rechtslage seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon : Art. 67\nAEUV und Art. 77 - 80 AEUV) eine Rolle spielen, da der verfassungsändernde\nGesetzgeber mit der Einführung von Art. 16a GG die Grundlage für eine\neuropäische Gesamtregelung der Schutzgewährung für Flüchtlinge mit dem Ziel\neiner Lastenverteilung zwischen den an einem solchen System beteiligten\nStaaten geschaffen hat (vgl. BVerfGE 94, 49 <85>).\n\n5\n\n \n\nAngesichts dieser offenen Fragen ist nicht zu erkennen, dass die\nVerfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet wäre. Auch unter\nBerücksichtigung der zwischenzeitlich gerichtsbekannten, umfangreichen\nStellungnahmen verschiedener Organisationen zur Situation von\nAsylantragstellern in Griechenland können die Erfolgsaussichten der\nVerfassungsbeschwerde nicht von vornherein offensichtlich verneint werden.\nAllerdings sind sie angesichts des Umstands, dass die Mitgliedstaaten der\nEuropäischen Union durch den verfassungsändernden Gesetzgeber selbst zu\nsicheren Drittstaaten bestimmt worden sind (vgl. BVerfGE 94, 49 <88 f.>), die\nVergewisserung hinsichtlich der Schutzgewährung damit durch den\nverfassungsändernden Gesetzgeber selbst erfolgt ist (vgl. BVerfGE 94, 49\n<101>) und die Entscheidung nicht durch eine Rechtsverordnung nach § 26a Abs.\n3 AsylVfG rückgängig gemacht werden kann, auch nicht offensichtlich zu\nbejahen.\n\n6\n\n \n\n3\\. Bliebe den Antragstellern der begehrte Erlass der einstweiligen Anordnung\nversagt, obsiegten sie aber in der Hauptsache, könnten möglicherweise bereits\nmit der Abschiebung oder in ihrer Folge eingetretene Rechtsbeeinträchtigungen\nnicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss\nder 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. September 2009 - 2 BvQ 56/09 -, NVwZ\n2009, S. 1281). Die Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung\nerginge, den Antragstellern der Erfolg in der Hauptsache aber versagt bliebe,\nwiegen dagegen hier weniger schwer. Insbesondere widerspricht die Gewährung\nvon einstweiligem Rechtsschutz im Überstellungsverfahren nicht\nunionsrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Eine\nunionsrechtliche Pflicht zum Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes bei\nÜberstellungen nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 besteht nicht. Vielmehr\nsieht das Unionsrecht die Möglichkeit der Gewährung vorläufigen\nfachgerichtlichen Rechtsschutzes gegen Überstellungen an den zuständigen\nMitgliedstaat nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 und Art. 20 Abs. 1 Buchstabe e Satz 4\nder Verordnung (EG) Nr. 343/2003 selbst vor.\n\n7\n\n \n\n4\\. Die Entscheidung über die Erstattung von Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2\nund 3 BVerfGG. Damit erledigt sich der Antrag der Antragsteller auf\nBewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das\nVerfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.\n\n
79,057
bsg-2010-11-30-b-5-r-17610-b
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 5 R 176/10 B
2010-11-30
2018-11-09 11:30:04
2019-01-17 15:26:31
Beschluss
## Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des\nBayerischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 2010 wird als unzulässig\nverworfen.\n\n \n\n \n\nDie Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu\nerstatten.\n\n## Gründe\n\n1\n\n \n\nDas Begehren des Klägers, für die Zeit ab Juli 1994 seine Versichertenrente\nnicht auf die ab 1.9.1992 gewährte Witwerrente anzurechnen und von einer\nErstattung der Überzahlung abzusehen, hatte keinen Erfolg _(Urteil des SG\nAugsburg vom 4.6.2008; Urteil des Bayerischen LSG vom 10.2.2010)._\n\n \n\n2\n\n \n\nGegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger\nBeschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung\nder Rechtssache, eine Rechtsprechungsabweichung sowie auf Verfahrensfehler.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, da sie nicht\nformgerecht begründet ist.\n\n \n\n4\n\n \n--- \nDie Revision ist nur zuzulassen, wenn \n| \\- | die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat _(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),_ \n| \\- | das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht _(aaO Nr 2)_ oder \n| \\- | ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann _(aaO Nr 3)_. \n \n \n\n5\n\n \n\nDerartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der\nErfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher\ngemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.\n\n \n\n6\n\n \n\nEine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine\nRechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der\nRechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das\nRevisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher\nanhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der\nhöchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass\ndiese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus\nGründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und\ndass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein\nBeschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine\nRechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete)\nKlärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall\nhinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte\nBreitenwirkung) darlegen _(zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70\nmwN)_. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht\ngerecht.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Kläger misst folgender Frage eine grundsätzliche Bedeutung zu: \n"Ist es verfassungsgemäß, dass Leistungen der Kindererziehung als\nfamilienorientierte Leistung des Sozialstaates so strukturiert worden sind,\ndass eine reguläre Einfügung in die Rentenberechnung nach dem SGB VI\nstattfindet und eine Einkommensanrechnung auf diese Leistungen sui generis\n???"\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Kläger hat es jedoch versäumt, die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage\nausreichend darzutun. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn\ndie Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz\nergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich\ngeklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht\nbzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch\nschon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die\nausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als\ngrundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben _(vgl BSG SozR 3-1500 § 160\nNr 8 S 17)_. Wer einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht nur\nauf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken,\nsondern muss unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu dem\nProblemkreis substantiiert vortragen, dass zu diesem Fragenbereich noch keine\nEntscheidung gefällt oder durch die schon vorliegende Rechtsprechung die hier\nmaßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden\nist _(vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5.\nAufl 2008, Kap IX RdNr 183 mwN; BVerwG, Beschluss vom 7.2.2005 - 4 BN 1/05 -\nNVwZ 2005, 584, 585)._ Zudem muss der Beschwerdeführer darlegen, woraus sich\ndie Verfassungswidrigkeit im konkreten Fall ergeben soll _(BSGE 40, 158 = SozR\n1500 § 160a Nr 11)._ Hieran fehlt es.\n\n \n\n9\n\n \n\nInsbesondere setzt sich der Kläger in nicht ausreichender Weise mit der - im\nangefochtenen Urteil zitierten - Rechtsprechung des BVerfG _(Urteil vom\n7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1)_ zu der\naufgeworfenen Problematik auseinander. Die Auseinandersetzung mit\nhöchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert es, anhand dieser Rechtsprechung\nzu begründen, dass Bedarf nach einer - weiteren - Entscheidung des\nRevisionsgerichts bestehe _(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23 S 42; BSG,\nBeschluss vom 27.6.2001 - B 6 KA 6/01 B)._ Hierfür hätte der Kläger auf die\nvorhandene Rechtsprechung näher eingehen und anhand dieser begründen müssen,\nweshalb eine - weitere - höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint\n_(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 71)._ Allein der Hinweis, dass sich Art 6\nAbs 1 GG zu einem Teilhaberecht verdichtet, wenn eine Witwerrente, die allein\nauf Kindererziehungszeiten beruht, bei gleichzeitigem Bezug einer\nVersichertenrente entfällt, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung\nder Rechtssache im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht aus.\n\n \n\n10\n\n \n\nDes Weiteren hat der Kläger eine Divergenz nicht in der erforderlichen Weise\nbezeichnet. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die\ntragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt\nworden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das\nLSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen\nabstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat.\nEine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des\nLSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst,\nwenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe\nentwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall,\nsondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung\nder Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der\nDivergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf\ndie Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die\nBeschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der\nhöchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG\nenthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt\nwerden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung\nin einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen\nhaben wird _(zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN und SozR\n1500 § 160a Nr 54 S 71 f)_. Diesen Darlegungserfordernissen wird die\nBeschwerdebegründung nicht gerecht.\n\n \n\n11\n\n \n\nZwar behauptet der Kläger, das LSG weiche von der Entscheidung des BSG vom\n27.8.2008 - B 11 AL 9/07 R - ab. Der Kläger hat jedoch mit dem Satz, "Der\nBescheid vom 31.03.2004 über die Neuberechnung der Rente beinhaltet\ngleichzeitig die Aufhebung des alten Bewilligungsbescheides über die\nHinterbliebenenrente" keinen eigenen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG\nbenannt, mit dem dieses dem BSG widersprochen haben könnte.\n\n \n\n12\n\n \n\nSchließlich sind auch die Voraussetzungen für das Vorliegen eines\nVerfahrensfehlers nicht hinreichend dargelegt. Wird eine\nNichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege,\nauf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne _(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1\nSGG)_ , so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels _(§ 160a Abs 2\nSatz 3 SGG)_ zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden\nTatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung\nerforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen\nmaterieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit\neiner Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG\nkann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§\n109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur\ngestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne\nhinreichende Begründung nicht gefolgt ist.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Kläger macht bereits keine Verstöße des LSG gegen gerichtliches\nVerfahrensrecht geltend, die diesem auf dem Weg zu seiner Entscheidung\nunterlaufen sind (error in procedendo). Mit seinem Vortrag, das Gericht habe\nVerstöße der Beklagten gegen das für diese maßgebliche\nVerwaltungsverfahrensrecht verkannt, weil es insbesondere die Jahresfrist des\n§ 48 Abs 4 iVm § 45 Abs 4 SGB X falsch berechnet, § 45 SGB X falsch ausgelegt\nund grobe Fahrlässigkeit angenommen habe, rügt er der Sache nach jeweils einen\nim Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen\nRechtsanwendungsfehler (error in iudicando). Soweit er sich auf einen hierin\nliegenden "Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG" beruft, lässt der Kläger unbeachtet,\ndass diese Verfassungsnorm von vorneherein nicht vor einer unzutreffenden\nAuslegung des materiellen Rechts schützt _(vgl BVerfG, Beschluss vom\n22.10.2004 - 1 BvR 550/04 ua - SozR 4-2500 § 87 Nr 6)_. Zudem kommt eine\nsachliche Überprüfung des Berufungsurteils grundsätzlich erst nach zulässiger\nEinlegung der zugelassenen Revision und nicht bereits durch das BSG als\nBeschwerdegericht in Betracht.\n\n \n\n14\n\n \n\nVon einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet\nwäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen _(§\n160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG)_.\n\n \n\n15\n\n \n\nDie Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen\nBeschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3\nSGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.\n\n \n\n16\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs\n1 SGG. \n\n
79,062
bsg-2010-11-24-b-11-al-1210-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 11 AL 12/10 R
2010-11-24
2018-11-09 11:30:04
2019-01-17 15:26:37
Urteil
## Tenor\n\n \n\nAuf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-\nWürttemberg vom 16. Juli 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das\nUrteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Februar 2008 wird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und des\nRevisionsverfahrens zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nStreitig ist die Höhe eines dem Kläger bewilligten Gründungszuschusses.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger bezog in der Zeit vom 1.4. bis 31.5.2007 Arbeitslosengeld (Alg).\nDer tägliche Leistungssatz belief sich auf 43,86 Euro. Wegen Anrechnung eines\nvom 12.2. bis 31.5.2007 aus einer kurzzeitigen Beschäftigung als Gärtner\nerzielten Nebeneinkommens von 320 Euro monatlich wurden dem Kläger jedoch nur\n38,69 Euro täglich ausgezahlt.\n\n \n\n3\n\n \n\nZum 1.6.2007 nahm der Kläger eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit als\nVersicherungsvermittler auf und übte diese bis Ende Februar 2008 aus. Auf\nseinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 13.8.2007 einen\nGründungszuschuss für die Zeit vom 1.6.2007 bis 29.2.2008 in Höhe von\nmonatlich 1460,70 Euro (30 x 38,69 = 1160,70 Euro, zuzüglich 300 Euro). Mit\nseinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe Anspruch auf monatlich\n1615,70 Euro (eigentlich 1615,80 = 30 x 43,86 = 1315,80 + 300). Der\nWiderspruch blieb erfolglos _(Widerspruchsbescheid vom 25.9.2007)_.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen\nBescheide antragsgemäß verpflichtet, dem Kläger Gründungszuschuss in Höhe von\n1615,70 Euro monatlich für die Zeit vom 1.6.2007 bis 29.2.2008 zu gewähren\n_(Urteil vom 26.2.2008)_. Auf die Berufung der Beklagten hat das\nLandessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage\nabgewiesen _(Urteil vom 16.7.2009)_. Das LSG hat unter Hinweis auf den\nWortlaut des § 58 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ausgeführt,\nmaßgebend sei der Betrag, den der Arbeitnehmer zuletzt als Alg bezogen habe,\nalso der ausgezahlte Betrag. Dem Gesetzgeber sei der Unterschied zwischen dem\nStammrecht und dem tatsächlichen Bezug bekannt gewesen. Ein fiktiver Anspruch\nauf Alg könne deshalb nicht zum Maßstab genommen werden. Eine teleologische\nReduktion sei nur möglich, wenn die immanente Teleologie des Gesetzes einer\nEinschränkung bedürfe; dies lasse sich nicht feststellen. Soweit im Schrifttum\nangenommen werde, Arbeitslose würden von der Möglichkeit des vorherigen\nAusprobierens der selbständigen Tätigkeit im Rahmen einer Nebenbeschäftigung\nAbstand nehmen, oder soweit versucht werde, das Einkommen aus Nebenerwerb und\nSozialleistung konstant zu halten, rechtfertige dies keine Abweichung vom\nGesetz. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen\nHerstellungsanspruch berufen.\n\n \n\n5\n\n \n\nMit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt der Kläger\neine Verletzung des § 58 Abs 1 SGB III und erhebt ferner Verfahrensrügen. Der\nHinweis in § 58 Abs 1 SGB III auf den Betrag, den der Arbeitslose als Alg\nzuletzt bezogen habe, entspreche nicht der in § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III\ngenannten Fördervoraussetzung, wonach ein Anspruch (Stammrecht) auf\nEntgeltersatzleistungen genüge und es somit nicht zum tatsächlichen Bezug von\nAlg gekommen sein müsse. Außerdem könne bei Teilnehmern an einer\nArbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht auf bezogenes, sondern nur auf ein fiktives\nAlg abgestellt werden. § 58 Abs 1 SGB III sei unpräzise formuliert und es sei\nimmer der Kontext zu § 57 SGB III zu sehen. Zu beachten sei auch die dem\nWortlaut nach vergleichbare Regelung in § 24 Abs 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch\nZweites Buch (SGB II) und die dazu ergangene Rechtsprechung des BSG, wonach\nder befristete Zuschlag aus dem ungekürzten Alg zu errechnen sei. Mit § 24 Abs\n2 Nr 1 SGB II solle der Übergang in das bedarfsabhängige Leistungssystem\nfinanziell erleichtert werden und ein Anreiz zur Aufnahme einer\nErwerbstätigkeit geschaffen werden; insoweit seien zwei Haushaltslagen\nmiteinander zu vergleichen. Auch seine (des Klägers) Haushaltslage sei durch\ndas zuvor erzielte Nebeneinkommen mitgeprägt und ein Abstellen auf gemindertes\nAlg genüge dem Zweck, die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zu fördern und\ndamit die Arbeitslosigkeit zu beenden, nicht.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Kläger beantragt, \ndas Urteil des Landessozialgerichts vom 16. Juli 2009 aufzuheben und die\nBerufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 26. Februar\n2008 zurückzuweisen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, \ndie Revision des Klägers zurückzuweisen.\n\n \n\n8\n\n \n\nSie hält das Urteil des LSG für zutreffend.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Revision des Klägers ist begründet _(§ 170 Abs 2 Satz 1\nSozialgerichtsgesetz)_. Sie führt zur Wiederherstellung des der Klage\nstattgebenden erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung\neines Gründungszuschusses in der geltend gemachten Höhe.\n\n \n\n10\n\n \n\n1\\. Der streitgegenständliche Anspruch auf höhere Leistungen scheitert nicht\nam Fehlen eines Leistungsanspruchs dem Grunde nach _(vgl zur Überprüfung auch\ndes Grundes im Höhenstreit etwa BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, jeweils\nRdNr 8, oder BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, jeweils RdNr 11)_. Dem\nGesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zu entnehmen,\ndass die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 57 SGB III idF des Gesetzes zur\nFortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 _(BGBl I\n1706)_ erfüllt sind. Der Kläger hatte bis zur Aufnahme der selbständigen\nTätigkeit einen Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III _(vgl\nhierzu Urteile des Senats vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R und B 11 AL 28/09 R,\njeweils zur Veröffentlichung vorgesehen)_. Er verfügte auch bei der Aufnahme\nnoch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen und hatte der\nBeklagten die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch Vorlage einer\nfachkundigen Stellungnahme nachgewiesen sowie Kenntnisse und Fähigkeiten zur\nAusübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt _(vgl § 57 Abs 1 und Abs 2 Satz\n1 Nr 1 bis 4, Satz 2 SGB III)_.\n\n \n\n11\n\n \n\n2\\. Für den streitgegenständlichen Zeitraum von neun Monaten (1.6.2007 bis\n29.2.2009) hat der Kläger Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses in\nder geltend gemachten und vom SG zugesprochenen Höhe von 1615,70 Euro\nmonatlich.\n\n \n\n12\n\n \n\nNach § 58 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der\nGrundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 _(BGBl I 1706)_ wird der\nGründungszuschuss für die Dauer von neun Monaten in Höhe des Betrages\ngeleistet, den der Arbeitnehmer als Alg zuletzt bezogen hat, zuzüglich von\nmonatlich 300 Euro. Zur Höhe des zuletzt bezogenen Alg hat das LSG\nfestgestellt, dass die Beklagte dem Kläger einen täglichen Leistungssatz von\n43,86 Euro bewilligt, jedoch wegen Anrechnung von Nebeneinkommen nur einen\nBetrag von täglich 38,69 Euro ausgezahlt hat. Entgegen der Auffassung des LSG\nist der Berechnung des dem Kläger zustehenden Gründungszuschusses als zuletzt\niS des § 58 Abs 1 SGB III bezogenes Alg nicht der ausgezahlte Betrag von 38,69\nEuro, sondern der bewilligte Leistungssatz von 43,86 Euro ohne Minderung durch\nNebeneinkommen zugrunde zu legen. Dies ergibt einen monatlichen Betrag von\n1615,80 Euro _(30 x 43,86 = 1315,80 Euro, vgl § 339 Satz 1 SGB III, zuzüglich\n300 Euro)_ ; folglich ist dem Kläger der begehrte und nicht zur Korrektur\ngestellte Betrag von 1615,70 Euro zu gewähren.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Berücksichtigung des Leistungssatzes ohne Minderung durch Nebeneinkommen\nsteht nicht, wie das LSG angenommen hat, der "eindeutige" Wortlaut des § 58\nAbs 1 SGB III entgegen. Vielmehr lässt § 58 Abs 1 SGB III, der auf die Höhe\ndes Betrages abstellt, den der Arbeitnehmer als Alg zuletzt bezogen hat,\noffen, ob der ungeminderte Leistungssatz oder der ausgezahlte geminderte\nBetrag anzusetzen ist _(vgl BSG SozR 4-4200 § 24 Nr 2 RdNr 18 zur\ngleichartigen Formulierung in § 24 Abs 2 Nr 1 SGB II; ferner LSG Nordrhein-\nWestfalen, Urteil vom 18.5.2009, L 19 AL 71/08, juris RdNr 17; SG Berlin,\nUrteil vom 13.2.2009, S 58 AL 6208/08, juris RdNr 15)_. Dass unter dem Betrag,\nden der Arbeitnehmer "als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen" hat,\nausschließlich der geminderte Betrag zu verstehen sein soll, lässt sich dem\nGesetz nicht zwingend entnehmen. Auf den ungeminderten Betrag stellt selbst\ndie Beklagte in Fällen ab, in denen kurzzeitige Beschäftigungen nur\ngelegentlich ausgeübt werden _(vgl Geschäftsanweisungen 58.11 zu § 58 SGB III,\nStand August 2009)_.\n\n \n\n14\n\n \n\nDa dem Kläger ein bestimmter Leistungssatz bewilligt worden ist und er\ninsoweit Leistungen auch tatsächlich bezogen hat, stellt sich bei der\nAnwendung des § 58 Abs 1 SGB III auf die vorliegende Fallgestaltung nicht\nvorrangig die Frage, was unter einem "Bezug" im Sinne der Vorschrift zu\nverstehen ist _(vgl zur Auslegung dieses Begriffs etwa BSG SozR 3-4100 § 55a\nNr 2 S 13; SozR 3-4100 § 55a Nr 4 S 23; SozR 4-4300 § 57 Nr 2 RdNr 12; SozR\n4-4300 § 158 Nr 4 RdNr 15 ff)_. Insofern geht die Argumentation des LSG, es\ndürfe nicht auf ein "fiktives" Alg abgestellt werden _(vgl hierzu Bayerisches\nLSG, Urteil vom 30.4.2008, L 10 AL 360/07, juris RdNr 15)_ , an der\neigentlichen Problematik vorbei. Die entscheidende Frage ist, welcher Betrag\n"als Arbeitslosengeld" iS des § 58 Abs 1 SGB III bezogen worden und damit zu\nberücksichtigen ist.\n\n \n\n15\n\n \n\nDass für die Höhe des Gründungszuschusses im Regelfall der bewilligte\nLeistungssatz ohne Minderung durch Nebeneinkommen maßgebend sein muss, folgt\ninsbesondere aus Sinn und Zweck der §§ 57 und 58 SGB III. Mit der Förderung\nder Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch Gründungszuschuss verfolgt\nder Gesetzgeber den Zweck, den Lebensunterhalt des Existenzgründers zu sichern\nund insoweit das infolge der Existenzgründung "wegfallende" Alg zu\nkompensieren _(vgl BT-Drucks 16/1696 S 30 zu § 57 Abs 1; vgl Urteil des Senats\nvom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 16; vgl\nauch zum Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III: BSGE 99, 240 = SozR\n4-4200 § 11 Nr 8, jeweils RdNr 17 ff)_. Der darüber hinaus nach § 58 Abs 1 SGB\nIII zusätzlich zu leistende Betrag von 300 Euro dient der sozialen Absicherung\ndes Existenzgründers _(BT-Drucks 16/1696 S 31 zu § 58)_. Soweit die Höhe des\nGründungszuschusses an der Höhe des letzten Alg-Bezugs auszurichten ist,\nbedarf es somit, worauf die Revision zu Recht hinweist, eines Vergleichs\nzwischen zwei Haushalts- bzw Einkommenslagen, nämlich derjenigen zur Zeit des\nletzten Alg-Bezugs und derjenigen nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit\n_(ähnlich zu § 24 Abs 2 Nr 1 SGB II: BSG SozR 4-4200 § 24 Nr 2 RdNr 19)_. Da\ndie Einkommenssituation des Klägers zur Zeit des letzten Alg-Bezugs maßgeblich\ndurch die Kombination von Alg und Nebeneinkommen geprägt war und das frühere\nNebeneinkommen nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mit Bezug eines\nGründungszuschusses nicht mehr zur Verfügung steht, würde allein ein Abstellen\nauf das wegen Anrechnung von Nebeneinkommen geminderte und wegfallende Alg das\nZiel der Kompensation verfehlen _(vgl zu § 24 Abs 2 Nr 1 SGB II: BSG SozR\n4-4200 § 24 Nr 2 RdNr 20; vgl auch Stratmann in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl\n2010, § 58 RdNr 4)_.\n\n \n\n16\n\n \n\nGegen eine Berücksichtigung nur des geminderten Alg spricht auch die\nÜberlegung, dass Existenzgründer, die eine selbständige Tätigkeit zunächst im\nRahmen einer Nebenbeschäftigung "ausprobieren" und danach zur Beendigung der\nArbeitslosigkeit "ausweiten" wollen _(vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11)_\n, von dieser Option Abstand nehmen könnten, wenn sie einen verminderten\nGründungszuschuss befürchten müssten (_so zutreffend Link in Eicher/ Schlegel,\nSGB III, § 58 RdNr 26, Stand 2010)_. Insofern ist die Auslegung des LSG nicht\nmit dem Ziel des Gründungszuschusses, Arbeitnehmern einen Anreiz zur\nBeendigung der Arbeitslosigkeit zu bieten _(vgl BT-Drucks 16/1696 S 30 zu §\n57; Link, aaO, RdNr 10)_ , zu vereinbaren.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie Berechnung der Höhe des Gründungszuschusses unter Heranziehung des\nungeminderten Alg ist ferner aus gesetzessystematischen Gründen geboten und\nvermeidet Wertungswidersprüche bzw mögliche Ungleichbehandlungen im Vergleich\nzu Existenzgründern, deren Anspruch nach § 57 SGB III nicht an den Bezug von\nAlg anknüpft _(vgl hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.5.2009, L 19\nAL 71/08, juris RdNr 20; Link, aaO, RdNr 26; Petzold in Hauck/Noftz, SGB III,\n§ 58 RdNr 4, Stand 2009)_.\n\n \n\n18\n\n \n\nBei dieser Gesetzesauslegung besteht schließlich auch kein Anlass, einem\nAntragsteller zu raten, kurz vor Auslaufen des Alg-Bezugs die\nNebenbeschäftigung einzustellen, um damit "zuletzt" ein ungemindertes Alg\nbeziehen zu können _(vgl_ _Winkler info also 2008, 267, 268)_. Dies zeigt\ngerade die vorliegende Fallgestaltung, in der sich der Kläger auch darauf\nberuft, er hätte bei richtiger Beratung durch die Beklagte im Monat Mai 2007\ndie Nebenbeschäftigung aufgegeben, womit ein anzurechnendes Nebeneinkommen\nentfallen wäre.\n\n \n\n19\n\n \n\nDa der Kläger die Nebenbeschäftigung mit der Aufnahme der selbständigen\nTätigkeit eingestellt hat, kann unentschieden bleiben, wie zu verfahren ist,\nwenn ein Existenzgründer die während des Alg-Bezugs ausgeübte\nNebenbeschäftigung nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit fortsetzt _(vgl\ndazu Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 58 RdNr 26, Stand 2010)_. Eine\nAnrechnung von Nebeneinkommen auf den Gründungszuschuss ist jedenfalls\ngesetzlich nicht vorgesehen _(vgl § 57 Abs 3 SGB III)_.\n\n \n\n20\n\n \n\nNachdem der Klage bereits aus materiellrechtlichen Gründen stattzugeben ist,\nbedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrügen.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\n
79,112
bsg-2010-10-19-b-14-as-5010-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 14 AS 50/10 R
2010-10-19
2018-11-09 11:30:08
2019-01-17 15:28:15
Urteil
## Tenor\n\n \n\nAuf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-\nBrandenburg vom 9. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten\nVerhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für\nUnterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer 1957 geborene Kläger (ursprünglich Kläger zu 1) und der 1977 geborene\nchinesische Staatsangehörige Y, der das vorliegende Verfahren im Klage- und\nBerufungsverfahren als Kläger zu 2 betrieben hatte, waren im streitigen\nZeitraum eingetragene Lebenspartner nach dem Gesetz über die Eingetragene\nLebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz ). Sie bezogen seit dem\n1.1.2005 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach\ndem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für die von ihnen bewohnte 61,44\nqm große 2,5 Zimmerwohnung in Berlin-Schöneberg zahlten sie nach den\nFeststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg im streitigen\nZeitraum eine Miete einschließlich Heizkosten von insgesamt 532,49 Euro\nmonatlich. Der Beklagte teilte ihnen mit Schreiben vom 29.1.2007 mit, dass\nihre KdU nicht angemessen seien. Für einen Zwei-Personen-Haushalt gelte\ninsoweit ein Richtwert in Höhe von 444 Euro. Sie seien daher verpflichtet,\nihre KdU zu senken. Er, der Beklagte, sei bereit, die tatsächlichen KdU noch\nfür sechs Monate nach Zugang seines Schreibens zu übernehmen.\n\n \n\n3\n\n \n\nMit Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seinem Partner\nfür die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 Leistungen in Höhe von 916,49 Euro\nmonatlich. Als Bedarf legte er dabei jeweils den Regelsatz für Partner einer\nBedarfsgemeinschaft in Höhe von 312 Euro und berücksichtigungsfähige KdU in\nHöhe von 532,49 Euro zugrunde. Hierauf rechnete er zunächst Einkommen an. Nach\nWiderspruch wegen der Berücksichtigung von Einkommen und nachdem Y mitgeteilt\nhatte, er werde vom 2.8.2007 an für voraussichtlich vier Monate wegen\nfamiliärer Verpflichtungen nach Peking reisen, bewilligte der Beklagte dem\nKläger für August 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 578,24 Euro (312 Euro\nRegelleistung und 266,24 Euro KdU). Der Bescheid berücksichtige als Änderungen\ndie unerlaubte Ortsabwesenheit des Y Dadurch sei dessen Leistungsanspruch\nweggefallen _(Änderungsbescheid vom 7.8.2007)_. Mit Bescheid vom 23.8.2007 in\nder Fassung des Bescheides vom 25.9.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger für\ndie Zeit vom 1.9.2007 bis zum 29.2.2008 Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (312 Euro Regelleistung und\n222 Euro KdU). Die hiergegen gerichteten Widersprüche blieben ohne Erfolg\n_(Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007)._\n\n \n\n4\n\n \n\nWährend des hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten\nKlageverfahrens kehrte Y am 6.12.2007 nach Deutschland zurück. Für die Zeit\nvom 6.12.2007 bis zum 29.2.2008 bewilligte ihm der Beklagte daraufhin\nLeistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich\n_(für Dezember 2007 anteilig in Höhe von 437,60 Euro; Bescheid vom\n28.12.2007)._\n\n \n\n5\n\n \n\nDas SG hat den Beklagten mit Urteil vom 18.1.2008 verurteilt, dem Kläger für\ndie Zeit der Ortsabwesenheit des Y Leistungen in Höhe des Regelsatzes für\nAlleinstehende von 347 Euro zu gewähren. Während der Ortsabwesenheit des Y sei\nzwar nicht die Bedarfsgemeinschaft aufgelöst worden, weil keine dauerhafte\nTrennungsabsicht vorgelegen habe. Jedoch seien mit der Abreise das gemeinsame\nWirtschaften aus einem Topf und damit die Grundlage der Bildung des\nMischregelsatzes entfallen. Zu Recht habe der Beklagte dagegen nur die Hälfte\nder Kaltmiete und der Nebenkosten berücksichtigt. Dies entspreche der\nKopfteilmethode, die solange anzuwenden sei, wie die Kläger eine\nBedarfsgemeinschaft bildeten. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zwei-\nPersonen-Haushalt betrage ausgehend von den obersten Spannenwerten im Berliner\nMietspiegel 407,40 Euro (Kaltmiete von 293,40 Euro zuzüglich angemessener\nkalter Betriebskosten in Höhe von 114 Euro). Zusätzlich gehöre die\ntatsächliche Heizkostenvorauszahlung abzüglich der Warmwasser- und\nKochgaspauschale zu den angemessenen Kosten für Heizung.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie hiergegen vom Kläger und Y zum LSG eingelegten Berufungen sind ohne Erfolg\ngeblieben _(Urteil vom 9.6.2009)_. Streitgegenstand seien im\nBerufungsverfahren nach zulässiger Beschränkung des Streitgegenstandes noch\nder Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für\ndie Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008 und des Y für die Zeit nach seiner\nRückkehr aus Peking, also vom 7.12.2007 bis zum 29.2.2008. Gegenstand des\nVerfahrens seien damit die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, 23.8.2007\nund vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. und\n26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Die Änderungsbescheide des\nBeklagten vom 7.8.2007 und vom 6.9.2007 seien dagegen nicht Gegenstand dieses\nVerfahrens geworden, denn die Verfügungssätze dieser Bescheide erschöpften\nsich in der Aufhebung der Leistungsbewilligung für Y ab dem 8.7.2007 bzw ab\nAugust 2007 wegen Ortsabwesenheit. Nachdem der Beklagte seine Berufung\nzurückgenommen habe, sei das erstinstanzliche Urteil im Übrigen insoweit\nrechtskräftig und damit für die Beteiligten bindend, als das SG den Beklagten\nverpflichtet habe, dem Kläger für die Dauer der Ortsabwesenheit des Y die\nhöhere Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II zu gewähren.\n\n \n\n7\n\n \n\nBeide Berufungskläger seien Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II _(in der für\nden streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen\nTrägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom\n30.7.2004, BGBl I 2014),_ insbesondere hätten sie während des streitigen\nZeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland _(§\n7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II)_ gehabt und seien auch hilfebedürftig gemäß § 7\nAbs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II gewesen. Neben der\nRegelleistung nach § 20 SGB II, deren Höhe nicht mehr streitig sei, hätten sie\nAnspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen,\nsoweit diese angemessen seien. Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem\nBeklagten bewilligt ergäben sich nach Bestimmung der abstrakt angemessenen\nKosten nach der sog Produkttheorie nicht.\n\n \n\n8\n\n \n\nHinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für\nWohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu\nlegen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes\nüber die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - zum\neinen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur\nBelegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen _(insoweit an die\nMitteilung Nr 8/2004 vom 15.12.2004 der Senatsverwaltung für\nStadtentwicklung)_ und zum anderen - wegen fehlender Bestimmungen über den\nMietwohnungsbau - an die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes\nWohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25.5.1999\n_(Eigentumsförderungssätze 1999, ABl 1999, 2918 ff)_ anzuknüpfen sei. Nach\nMaßgabe dieser Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die\nKläger angemessen.\n\n \n\n9\n\n \n\nFür die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach\nder Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat\nanschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und\nBausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen\ngehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der\nBerliner Mietspiegeltabelle 2007 _(Amtsblatt für Berlin 2007, 1797)_\nergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und\nAusstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche\nvon vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine\nNettokaltmiete von gerundet 4,54 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen\nMittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe\nvon insgesamt 272,40 Euro (4,54 Euro x 60 qm). Hierzu seien als angemessene\nkalte Betriebskosten die durchschnittlichen kalten Betriebskosten, die\nregelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom\nDeutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007"\nveröffentlichten Angaben _(www.mieterbund.de)_ zu bestimmen, die sich auf 1,79\nEuro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben), mithin für eine Wohnung von\n60 qm auf 107,40 Euro monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen\nBruttokaltmiete von insgesamt 379,80 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85\nEuro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als\nangemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine\nangemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 430,80 Euro\n(379,80 Euro + 51 Euro) ergebe. Zur Überzeugung des Senats stehe in Berlin\neine ausreichende Zahl gerade auch von Zwei-Zimmer-Wohnungen in diesem\nMietsegment mit dem vorgenannten Mietniveau zur Verfügung. Ein\n"Bestandsschutz" nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bestehe nicht mehr. Der Kläger\nhabe auch während der Dauer der Ortsabwesenheit des Y keinen Anspruch auf\nLeistungen für die KdU in Höhe der gesamten Kosten der Mietwohnung, sondern\nnur in Höhe der Hälfte dieser Kosten. Besonderheiten, die ein Abweichen vom\nPrinzip der Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl der\nWohnungsnutzer rechtfertigen könnten, bestünden im vorliegenden Fall nicht.\nUnerheblich sei, dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wegen einer länger\nals sechs Wochen währenden Ortsabwesenheit vorübergehend vom Leistungsbezug\nausgeschlossen _(vgl § 7 Abs 4a SGB II in Verbindung mit § 3 Abs 4 der\nAnordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des\nArbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit-\nund ortsnah Folge leisten zu können vom 23.10.1997 , geändert durch Art 1 1.\nÄndAnO vom 16.11.2001 ) _und infolgedessen außer Stande gewesen sei, den auf\nihn entfallenden Anteil der Unterkunftskosten aufzubringen. Denn insoweit\nhandele es sich um eine von dem Lebenspartner des Klägers selbst zu\nverantwortende Entscheidung, sich länger als sechs Wochen von seinem Wohnsitz\nzeit- und ortsfern aufzuhalten. Diese Entscheidung könne den Beklagten nicht\nverpflichten, dem anderen Hilfebedürftigen nunmehr nicht nur Leistungen für\ndie KdU in Höhe seines Kopfteils, sondern in Höhe der gesamten tatsächlichen\nKdU zu erbringen.\n\n \n\n10\n\n \n\nHiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. An dem\nRevisionsverfahren hat sich Y, der mittlerweile vom Kläger dauernd getrennt\nlebt, nicht beteiligt. Der Kläger rügt die fehlerhafte Anwendung des § 22 Abs\n1 SGB II durch das LSG. Während der Ortsabwesenheit des Y liege ein\nSachverhalt vor, der ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der\nUnterkunftskosten nach Kopfzahl rechtfertige. Y habe aufgrund der\nOrtsabwesenheit keinen Beitrag zu den KdU beisteuern können, sodass die bei\nder Bedarfsgemeinschaft vermuteten Synergieeffekte ausfielen. Es seien für\ndiesen Zeitraum die angemessenen KdU entsprechend einem Ein-Personen-Haushalt\nin Höhe von 422,50 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale in Ansatz zu\nbringen. Die abstrakte Angemessenheit der Wohnungskosten sei unter Rückgriff\nauf den günstigsten Spannenhöchstwert innerhalb der verschiedenen Bauklassen\nfür Wohnungen mit Bad und WC in einfacher Wohnlage zu bestimmen, solange der\nTräger der Grundsicherung dem Hilfebedürftigen nicht die konkrete Möglichkeit\nder Anmietung von günstigeren Wohnungen nachweise. Nur bei Zugrundelegung des\nSpannenoberwerts könne ausreichend sicher geschlussfolgert werden, dass eine\nangemessene Wohnung tatsächlich gefunden werden könne. Dies gelte auch für die\nkalten Betriebskosten. Zwar ergebe sich nach dem Betriebskostenspiegel des DMB\nein deutlich niedrigerer Mittelwert. Dieser bundesdeutsche Wert könne aber\nnicht maßgeblich sein, sondern es sei auf die mutmaßlichen Betriebskosten aus\ndem Berliner Mietspiegel für eine konkret in Berlin anzumietende Wohnung\nzurückzugreifen. Ausgehend von einer Nettokaltmiete in Höhe von 4,71 Euro pro\nqm (einfache Wohnlage Baujahre 1965-1972), kalten Betriebskosten in Höhe von\n2,59 Euro pro qm und Heizkosten in Höhe von 1,15 Euro ergebe sich (bei einer\nWohnungsgröße für eine Person in Höhe von 50 qm) eine angemessene Gesamtmiete\nin Höhe von 422,50 Euro, die um 6,53 Euro für Warmwasser zu bereinigen sei\n_(Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 4.4.2008 - L 32 AS 458/08\nAS ER und vom 5.9.2007 - L 32 AS 1312/07 AS ER)._ Entsprechend seien die\nKosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zu berechnen.\n\n \n\n \n\n11\n\n \n--- \nDer Kläger beantragt, \n| das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009\naufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2008 sowie\ndie Bescheide des Beklagten vom 27. Juni 2007, vom 7. August 2007, vom 23.\nAugust 2007 und vom 25. September 2007 in der Gestalt der\nWiderspruchsbescheide vom 25. September 2007 und 26. September 2007 sowie den\nBescheid vom 28. Dezember 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem\nKläger weitere Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich bereits gezahlter\nKosten für den Bewilligungszeitraum \n| vom 5. August 2007 bis 31. August 2007 in Höhe von 370,01 Euro, \n| vom 1. September 2007 bis 30. November 2007 in Höhe von monatlich 411,12\nEuro, \n| vom 1. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2007 in Höhe von 82,22 Euro, \n| vom 7. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 221,87 Euro, \n| vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2008 in Höhe von 266,07 Euro und \n| vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 270,07 Euro \n| zu gewähren. \n \n \n\n12\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, \ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n13\n\n \n\nEr hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n14\n\n \n\nDie Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und\nder Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet _(§ 170 Abs 2 Satz 2\nSozialgerichtsgesetz)_. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des\nLSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für\nUnterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als\nsie das SG zugesprochen hat.\n\n \n\n15\n\n \n\n1\\. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen\nfür Unterkunft und Heizung für die Zeit von August 2007 bis Februar 2008. Der\nKläger ist durch das Urteil des SG im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung\nnicht beschwert und hat dementsprechend den Streitstoff in der Sache auf die\nKdU beschränkt _(zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97,\n217, 222 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 f, jeweils RdNr 18)._ Er hat bereits im\nWiderspruchs- und Klageverfahren für den Fall, dass Y höhere KdU nicht\nzuständen, die gesamten Unterkunftskosten geltend gemacht, sodass er insoweit\ndurch das SG-Urteil beschwert und seine Berufung statthaft ist. Nachdem der\nBeklagte die von ihm geführte Berufung zurückgenommen hat, ist das SG-Urteil\nbindend geworden, auch soweit es höhere KdU (nämlich hinsichtlich der Kosten\nder Heizung) zugesprochen hat als ursprünglich bewilligt. Das LSG wird nach\nZurückverweisung des Rechtsstreits die weitergehende, im Revisionsverfahren\nvorgenommene betragsmäßige Beschränkung des Streitstoffs zu beachten haben.\n\n \n\n16\n\n \n\nBei diesem auf die KdU beschränkten Streitgegenstand sind Gegenstand des\nVerfahrens die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, vom 7.8.2007, vom\n23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom\n25.9.2007 und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Unzutreffend ist\ndas LSG davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 7.8.2007 nicht Gegenstand des\nVerfahrens geworden ist. Mit diesem als Änderungsbescheid bezeichneten\nBescheid sollte ausdrücklich den Änderungen Rechnung getragen werden, die sich\naus der Ortsabwesenheit des Y ergeben haben. Der Bescheid beinhaltet damit\nsinngemäß auch die Regelung, dass aus der Ortsabwesenheit des Y für den Kläger\nweder ein Anspruch auf höhere Regelleistung noch auf höhere KdU folgt. Diese\nRegelung hat der Kläger schon mit seinem Widerspruch angegriffen und damit zum\nGegenstand des Verfahrens gemacht. Lediglich der ergänzend am 6.9.2007\nergangene, ausschließlich an Y gerichtete Aufhebungsbescheid ist nicht (mehr)\nGegenstand des Verfahrens, denn er betrifft nur die Aufhebung von\nBewilligungen an Y\n\n \n\n17\n\n \n\n2\\. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG _(§ 163 SGG)_\ndem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil\ner das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet\nhat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in\nder Bundesrepublik Deutschland hat _(§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II)._ Auch die\nrechtliche Würdigung des LSG, er habe im streitigen Zeitraum mit Y in\nBedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB II gelebt, ist nicht zu\nbeanstanden. Nach dem Vortrag des Klägers und seines damaligen Partners, den\ndas LSG bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestand ein\nTrennungswille im zweiten Halbjahr 2007 nicht, auf den es insoweit nach § 15\nAbs 5 LPartG wie nach § 1567 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgeblich\nankommt _(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE\n105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16)_.\n\n \n\n18\n\n \n\n3\\. a) Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen\nerbracht, soweit sie angemessen sind _(vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II)._ Welche\nAufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt\nsich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen. Das LSG hat die\nGesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt\nausgewiesen. Lediglich aus dem Tatbestand des SG-Urteils lässt sich ersehen,\ndass sich die tatsächlichen Kosten aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 393,27\nEuro und 70,68 Euro Betriebskosten sowie einem nicht an den Vermieter zu\nentrichtenden Abschlag für die Gasversorgung (wohl bei einer Gasetagenheizung)\nin Höhe von 89 Euro zusammengesetzt haben, von denen der Beklagte nur einen\nTeil anerkannt hat. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits\nim Einzelnen nachzuvollziehen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt\nvon den Kosten der Heizung durchzuführen haben _(vgl nur BSGE 104, 41 = SozR\n4-4200 § 22 Nr 23)_.\n\n \n\n19\n\n \n\nb) Die tatsächlich aufgewandten KdU bis zur Höhe ihrer Angemessenheit stehen\ndem Kläger in der Zeit vom 5.8.2007 bis zum 6.12.2007 allein zu. Für die\nAnwendung des Kopfteilprinzips ist in dieser Zeit entgegen der Auffassung des\nLSG kein Raum, weil der Kläger die Wohnung nach den Feststellungen des LSG\nwährend dieser Zeit nicht mit weiteren Personen gemeinsam, sondern allein\ngenutzt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG setzt die Aufteilung\nder KdU nach Köpfen voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen\ngenutzt wird _(vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28; BSG\nSozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR\n4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19)_. Entscheidend ist\nmithin, dass neben dem Hilfebedürftigen die Wohnung den aktuell bestehenden\nUnterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt. Daran fehlt es, soweit ein\nMitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt,\nder zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt.\nEntgegen der Auffassung des LSG steht der Sinn und Zweck des\nLeistungsausschlusses nach § 7 Abs 4a SGB II dem nicht entgegen. Der\nLeistungsausschluss wegen Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II findet -\nbezogen auf die KdU - seine Begründung gerade darin, dass die Notwendigkeit\nder Übernahme der Wohnungskosten dann nicht erkennbar ist, wenn die Wohnung\nnicht genutzt wird. Diesem Ausschluss von KdU entspricht es durchaus, wenn bei\nder Verteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen ein nur "fiktiver" Anteil\ndes ortsabwesenden Partners nicht eingestellt wird. Es ist dem verbliebenen\nPartner einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II,\ndie trotz der Abwesenheit des Partners ausnahmsweise nicht aufgelöst wird,\njedenfalls bei einer im Vorhinein auf bis zu sechs Monate beschränkten\nAbwesenheit des Partners nicht zumutbar, die KdU vorübergehend zu senken\n_(dazu im Einzelnen unter 4.a)_. Es geht damit in solchen Konstellationen\nnicht darum, den verbliebenen Partner in die Lage zu versetzen, etwaigen\nUnterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinem ortsabwesenden\nPartner nachzukommen, sondern es ihm selbst zu ermöglichen, den eigenen\nWohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken.\n\n \n\n20\n\n \n\n4\\. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie\nin einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die\nangemessene Wohnungsgröße zu ermitteln _(dazu unter a)._ Alsdann ist\nfestzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener\nWohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete\nniederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am\nWohnort des Hilfebedürftigen _(dazu unter b)_ , wobei die örtlichen\nGegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind\n_(dazu unter c)._ Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter\nRechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist\ndas der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den\nGerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch\neigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch\nSG und LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.\n\n \n\n21\n\n \n\na) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für\neinen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde gelegt. Die im Vorhinein auf vier Monate\nbegrenzte Ortsabwesenheit des Y führt nicht dazu, dass wegen der Prüfung der\nAngemessenheit auf die Wohnungsgröße für eine Person abzustellen wäre.\n\n \n\n22\n\n \n\nBei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte\nWohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen\n_(stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19)._\nHinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1\nbis 5 WoFG vom 13.9.2001 _(BGBI I 2376)_ iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz\n(WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der\nBekanntmachung vom 13.9.2001 _(BGBl I 2404)._ Wegen der maßgeblichen\nWohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG _(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2\nWoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung)_ auf die nach § 10 WoFG\nvon den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu\n§ 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27\nWoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für\nStadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße\nan die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen _(vgl Hinweis 8)._ Danach\ndarf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und\nWohnungswesen vom 20.10.1995 _(Amtsblatt für Berlin 1995, 4462)_ an\nEinzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum\nvon bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5\nAbs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF\nGrundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die\nBestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen _(vgl\nBSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14)_. Die weitergehenden Differenzierungen\nnach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich.\nDies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere\nBundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl\nentscheidend ist _(vgl für Bayern BSGE 97, 231_ _= SozR 4-4200 § 22 Nr 2,\njeweils RdNr 24;_ _BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff;\nBSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15;_ _für Rheinland-\nPfalz BSG_ _SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für\nNordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16)._ Es sind keine Gründe\nersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auf die\n(unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft\ngetretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für\ndie Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau\n_(Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der\nÄnderungsvorschriften vom 13.12.1992)_ und den Richtlinien über die Förderung\nvon eigengenutztem Wohneigentum _(Eigentumsförderungssätze 1999 vom\n25.5.1999)_ , die das LSG ergänzend herangezogen hat, kommt es nicht an. Diese\nmögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau\nnach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu\nnehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf\nGrundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.\n\n \n\n23\n\n \n\nSoweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem\nHaushalt anknüpfen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass\nAusgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der\nBedarfsgemeinschaft ist _(vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 21)_. Dies\ngilt im Ausgangspunkt auch, wenn Partner der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7\nAbs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II dauerhaft in getrennten Wohnungen leben,\nohne dass ein Trennungswille vorliegt, und eine Haushaltsgemeinschaft deshalb\nnicht besteht. Insgesamt können KdU nur in einer Höhe beansprucht werden, wie\nsie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen _(BSG Urteil vom 18.2.2010\n- BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, jeweils RdNr 17)._ Besonderheiten\nhinsichtlich der Feststellung der maßgeblichen Wohnungsgröße sind allerdings\nfür Fälle denkbar, in denen zwar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3\nBuchst a oder b SGB II trotz Auflösung der Haushaltsgemeinschaft wegen eines\nfehlenden Trennungswillens iS des § 1567 Abs 1 BGB bzw des § 15 Abs 5 LPartG\nfortbesteht, ein Partner der Bedarfsgemeinschaft aber wegen eines dauerhaften\nauswärtigen Aufenthalts die Wohnung nicht nutzt und Leistungen nach dem SGB II\nnicht erhalten kann. Namentlich die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft bei\nlängerem Aufenthalt eines Partners außerhalb des in § 7 Abs 4a SGB II\ngenannten Bereichs (wie etwa einem langfristigen Auslandsaufenthalt) oder bei\neinem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung mit der Folge des\nLeistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 SGB II (etwa der Verbüßung einer\nFreiheitsstrafe) kann es für den verbliebenen Partner zumutbar werden lassen,\ndie entstehenden Gesamtkosten zu mindern und seine Wohnverhältnisse an die\ndauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung anzupassen. Der Erhalt einer\ngrößeren, für zwei Personen zugeschnittenen Wohnung mit Hilfe von Leistungen\nnach dem SGB II ist zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig. Anlass zu\nweitergehender Festlegung, von welchem Zeitpunkt an Maßnahmen zur\nKostensenkung vom Träger nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II verlangt werden können,\nbietet der vorliegende Fall nicht. Jedenfalls wenn der auswärtige Aufenthalt\nim Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, ergibt sich eine solche\nObliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft nicht.\n\n \n\n24\n\n \n\nb) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als\nmaßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen.\nAusgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort\ndes Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem\nVergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung\nhandeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und\ninsbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt\nbetrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine\nGesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich\nbei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die\nStadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen _(Stand 2006;\nQuelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg)_ und einer Fläche von rund 891\nqkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München _(rund 1,36 Millionen\nEinwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt\nMünchen),_ für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und\nWohnbereich angenommen hat _(_ _vgl_ _BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr\n19)_. Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser\nGröße - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche\nNahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her\nausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen\nBezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern\nzugemutet werden _(vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch)._\nEine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders\nverdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das\nRisiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu\ndem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen\nBezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten\norientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung\neines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu\nbefürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug\nregelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher\nUmzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl\nnotwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller\nHilfebedürftigen hinzunehmen _(vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr\n18)_.\n\n \n\n25\n\n \n\nc) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen\nVergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde\nangemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im\nstreitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen\nrevisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein\neinfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard _(BSGE 97, 231 = SozR\n4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24);_ die Wohnung muss hinsichtlich ihrer\nAusstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen\ngenügen _(BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20)._ Die\nfestgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so\ngewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten\nVergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist\nnach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden\nschlüssigen Konzepts zu ermitteln _(_ _vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b\nAS 44/06 R_ _)_.\n\n \n\n26\n\n \n\naa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die\nAngemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften\nzur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der\nSenatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes\nBerlin vom 7.6.2005 _(Amtsblatt für Berlin 2005, 3743),_ für den streitigen\nZeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 _(Amtsblatt für\nBerlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen)._ Es handelt sich dabei um bloße\nVerwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die\nBetroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des\nBeklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444 Euro für\neinen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten\nRechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die\nProdukttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen\nangewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und\nausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht\nvorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon\ndeshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine\nBruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der\nBeurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat _(ausdrücklich bereits\nBSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19)._\n\n \n\n27\n\n \n\nbb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die\nangemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007\n_(Amtsblatt für Berlin 2007, 1797)_ bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des\n§ 558d BGB (wie der Berliner Mietspiegel) können - wie auch einfache\nMietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB\nII sein _(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris\nRdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt\nBSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25 )_. Es ergeben sich aus der Funktion von\neinfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des\nMieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die\nErmittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem\nMaße Bedeutung haben _(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65)._ Vor\nallem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558\nAbs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen\nberücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu\nvereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB\nabgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen\nauf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung\neines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden _(vgl Hinweise zur\nErstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr,\nBau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17)_. Zudem darf bei der Erstellung\neines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe\ndurch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden\nist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung.\nAus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter\nMietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden,\nsie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen\nMarktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog\nNeuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien\nWohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der\nPrüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten\nVergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass\ndie Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem\nMietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen\n- jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem\nWegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei\ndenen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet _(dazu BVerwGE 126,\n33),_ und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der\nAnteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des\nGesamtwohnungsbestandes _(vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin\n2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für\nStadtentwicklung)._ Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die\nWohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.\n\n \n\n28\n\n \n\nSollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante\nSchlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter\nBauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt\nzutreffend ausgegangen ist _(vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25)._\nÜber das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise\nund den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad\nvon Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer\nBauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind,\nhaben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel\nallein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer\nbestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den\nRückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene"\nWohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte\nBauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch\nvalides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen\nin welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht\nlediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer\nStadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in\nBezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard\nvon Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen\nAusstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22\nSGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei\nschlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt\nsich aber nicht treffen _(vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25)._ Erst\nwenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen\nden Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine\nAußerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.\n\n \n\n29\n\n \n\nAllerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der\nBauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem\nAusstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert\naus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich\nder Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der\nAsche befassen muss _(vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris\nRdNr 13),_ und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-\nWC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei\nes in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines\ngrundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen,\ndenn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können\nHilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden.\nDem lässt sich nicht entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine\nmöglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den\nunteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein\nnicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer\nVergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des\nqualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht\neinfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine\nnennenswerte Zahl an Wohnungen findet.\n\n \n\n30\n\n \n\ncc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden)\nMittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer\ngrundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG\nvorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch\nnachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet\ngerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem\nBerliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als\nsolcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment\nabbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt\nist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen\n(hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen.\nZwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine\nBeziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den\ndrei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also\nje nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine\nunterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht\n(im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise)\naufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad\nan Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der\nWert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten\nabweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die\nGewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.\n\n \n\n31\n\n \n\nDas LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen\nhaben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder\nanderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen\nlassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch\nder Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte)\ngetroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft auf die\nGrundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel zu. Für einen qualifizierten\nMietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung\nvon Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben\nwurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die\ngezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben _(vgl\nim Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d\nRdNr 7)_. Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in\neiner öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein _(aaO RdNr 10)._\nEs erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung\neines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht\nerkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem\nerhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den\nGerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster\nLinie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im\nRahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen _(grundlegend dazu BSG SozR\n4-4200 § 22 Nr 26)_. Dies gilt erst recht dann, wenn die vom\nGrundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als\nEntscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen\nder Fall ist.\n\n \n\n32\n\n \n\nEs könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der\nGrundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte\nBaualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig\nvorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet,\ndass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen\nist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial\nnicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert\nnach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den\njeweiligen Bauklassen zu bilden _(dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann,\nArchiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin\nUrteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46)._ Ein solcher\nMittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine\nbestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem\nMarkt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint\nes - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage\nder jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach\nden weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den\nRasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude,\nWohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die\nschlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als\nauch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer\nDurchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden\nschließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter\nWohnlage erfasst.\n\n \n\n33\n\n \n\nd) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die\nangemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten -\nabstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind.\nSchon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU\nfür einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt\nerfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen\nMietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten"\nerforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau,\nan denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine\nvertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter\nerfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine\nsolche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter\nnicht auf den Mieter umgelegt werden _(vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus,\naaO § 556 RdNr 1)._ Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann\nBetriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen\n_(vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für\npreisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl\nI 2003, 2346)._\n\n \n\n34\n\n \n\nEine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1\nund 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung\nvon Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen _(BetrKV; vom_\n_25.11.2003, BGBl I 2346_ _)_ normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt\nangemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten\nBetriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung\neines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten\nzurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und\ninsoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei\nVer- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche\nUnterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende\nGewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche\nzuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten.\nNeben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten\nder örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des\nMietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell\nsind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen\nbei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an\ndie allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret\nAnhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte\nBundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser\nabbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die\nWerte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen\nPreisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.\n\n \n\n35\n\n \n\n5\\. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den\nUnterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22\nNr 23). Auszugehen ist dabei zunächst von den tatsächlichen Kosten. Diese\nKosten, die nach den Feststellungen des SG in einer Gasabschlagszahlung von 89\nEuro monatlich an ein Berliner Gasversorgungsunternehmen bestehen, sind sodann\num die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn feststeht, dass die\nErwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung (Gastherme)\nerfolgt ist (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Ferner lässt sich dem\nUrteil des SG entnehmen, dass durch den Beklagten von den\nGasabschlagszahlungen zusätzlich eine Pauschale für Kochenergie abgezogen\nworden ist. Soweit die notwendigen Feststellungen des LSG hierzu ergeben, dass\nvorliegend mit einem Gasherd gekocht wird und die Kosten hierfür ebenfalls in\nden Gasabschlagszahlungen enthalten sind, ist nicht von der Hand zu weisen,\ndass diese Kosten wie die Kosten für das Warmwasser insoweit bereits in der\nRegelleistung unter der Position Haushaltsenergie enthalten sind. Allerdings\nerschließt sich dem Senat nicht, woraus sich die Höhe der vom Beklagten und\ndem SG zugrunde gelegten Pauschale ergeben soll. Maßgeblich kann auch insoweit\nallein der Anteil sein, der bereits in der Regelleistung für das Kochen (im\nRegelfall das Kochen mit einem Elektroherd) enthalten ist (vgl BSG aaO RdNr 23\nff). Offenbar vertritt der Beklagte (und ihm folgend das SG Berlin) wie die\nSenatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin die\nAuffassung, dieser Anteil sei mit 22,3 Prozent des in der Regelleistung\nenthalten Anteils für Haushaltsenergie zu bestimmen. Erläuternd heißt es dazu\netwa in dem Rundschreiben I Nr 5/2009 der Senatsverwaltung: abrufbar über die\nInternetpräsenz der Senatsverwaltung:\nhttp://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-\nsozialrecht/archiv/rdschr/2009_05_anlage.html) ua über die Pauschalen für\nHaushaltsenergie (sog Energiepauschalen): "Der Anteil der Pauschale für\nHaushaltsenergie am Regelsatz insgesamt ist durch die Regelsatzbemessung auf\nGrundlage der EVS 2003 vorgegeben, die Verteilung der Bestandteile jedoch\nnicht. Die prozentualen Anteile wurden anhand der in Berlin zugrunde gelegten\nWerte für das Bezugsjahr 2003 ermittelt." Das LSG wird zu ermitteln haben, ob\nentsprechende Unterlagen bei der Senatsverwaltung vorliegen, die eine\nrealistische Abbildung des Verbrauchsanteils für die Kochenergie (sei es mit\nStrom, sei es mit Gas) zulassen. Dies erscheint nach bisherigem Stand\nzumindest zweifelhaft. Lässt sich ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe\nSchätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung\nenthalten sein soll, nicht finden, hat ein entsprechender Abzug von den\nHeizkosten im Falle der Versorgung mit Gas für Haushaltsenergie zu\nunterbleiben.\n\n \n\n36\n\n \n\nDie tatsächlichen (bereinigten) Kosten für Heizung sind solange als angemessen\nvon dem Beklagten zu übernehmen, wie der nach der Rechtsprechung des Senats\nmaßgebliche Grenzwert nicht überschritten wird _(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr\n25)._\n\n \n\n37\n\n \n\nDas LSG wird abschließend auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden\nhaben.\n\n
79,503
bverfg-2010-02-18-2-bvq-810
3
Bundesverfassungsgericht
bverfg
Bundesrepublik Deutschland
Verfassungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 BvQ 8/10
2010-02-18
2018-11-09 14:30:20
2019-01-17 15:32:16
Ablehnung einstweilige Anordnung
ECLI:DE:BVerfG:2010:qk20100218.2bvq000810
## Gründe\n\n1\n\n \n\n1\\. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall\neinen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur\nAbwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen\nWohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf nach der ständigen\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings dann nicht ergehen,\nwenn sich das in der Hauptsache verfolgte Begehren von vornherein als\nunzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist (vgl. BVerfGE 103, 41 <42>;\n111, 147 <152 f.>; stRspr).\n\n2\n\n \n\n2\\. Danach kann eine einstweilige Anordnung nicht ergehen.\n\n3\n\n \n\na) Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde gegen den\nDurchsuchungsbeschluss vom 18. Januar 2010 wäre unzulässig, weil der\nAntragsteller den Rechtsweg nicht erschöpft hat (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).\nEr hat noch keine Beschwerdeentscheidung gemäß § 304 Abs. 1 StPO\nherbeigeführt. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, weshalb ein\nEinschreiten des Bundesverfassungsgerichts vor Erlass einer\nBeschwerdeentscheidung im Hinblick auf die bereits vollzogene Anordnung der\nDurchsuchung dringend geboten sein soll.\n\n4\n\n \n\nb) Soweit der Antragsteller beantragt, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die\nsichergestellten Gegenstände herauszugeben, wäre eine Verfassungsbeschwerde\nebenfalls mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig. Der Antragsteller hätte\ninsoweit zunächst eine amtsgerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2\nSatz 2 StPO herbeizuführen. Eine vorab mit dem Durchsuchungsbeschluss\nverbundene Anordnung der "Beschlagnahme" ist, soweit - wie hier - noch keine\ngenaue Konkretisierung der erfassten Gegenstände, sondern nur eine\ngattungsmäßige Umschreibung erfolgt, keine Anordnung einer Beschlagnahme,\nsondern nur eine Richtlinie für die Durchsuchung (vgl. BVerfGK 1, 126 <133>).\nEine eigenständige Beschwer, die mit der Sicherstellung von Gegenständen zum\nZweck der Durchsicht (§ 110 StPO) verbunden sein kann, kann unter\nentsprechender Anwendung von § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO mit einem Antrag auf\nrichterliche Entscheidung geltend gemacht werden. Die richterliche\nEntscheidung ist gemäß § 304 StPO mit der Beschwerde anfechtbar (vgl. BVerfGK\n1, 126 <133 f.>). Bislang liegt weder eine Entscheidung des Amtsgerichts noch\neine Beschwerdeentscheidung vor.\n\n5\n\n \n\nIn Anbetracht der vom Antragsteller nicht in Abrede gestellten Mitteilung der\nStaatsanwaltschaft, dass es ihm gestattet sei, die Daten der Festplatte zu\nkopieren, um seiner beruflichen Tätigkeit weiter nachgehen zu können, ist es\nihm auch zuzumuten, vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts den\nfachgerichtlichen Rechtsweg zu erschöpfen, zumal gemäß § 307 Abs. 2 StPO\nEilrechtsschutz in erster und zweiter Instanz gewährt werden kann.\nInsbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die\nStaatsanwaltschaft entgegen ihrer Mitteilung eine konkrete Anfrage des\nAntragstellers auf Kopie der Daten abgelehnt hat.\n\n6\n\n \n\nc) Daher hat auch der Antrag, im Wege einer einstweiligen Anordnung den\nBeschluss des Landgerichts vom 1. Februar 2010 aufzuheben und die\naufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss\nherzustellen, keinen Erfolg. Eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss\ndes Landgerichts vom 1. Februar 2010 wäre jedenfalls von vornherein\nunbegründet. Insbesondere ist es nicht willkürlich, eine berufliche\nHandlungsunfähigkeit mit der Begründung abzulehnen, dass die\nStaatsanwaltschaft mitgeteilt habe, dem Antragsteller sei es gestattet, die\nDaten der Festplatte zu kopieren.\n\n7\n\n \n\nd) Soweit der Antragsteller beantragt, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, ihm\nKopien oder Abschriften der Akten zu übermitteln, hat er eine mögliche\nGrundrechtsverletzung durch die bislang nicht gewährte Akteneinsicht nicht\nhinreichend dargelegt. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG kommt nicht in\nBetracht, weil auch einem verteidigten Beschuldigten Einsicht in die\nErmittlungsakten versagt werden kann, wenn - wie hier - der Abschluss der\nErmittlungen noch nicht in den Akten vermerkt ist und die Akteneinsicht nach\nEinschätzung der Staatsanwaltschaft den Untersuchungszweck gefährden würde (§\n147 Abs. 2 StPO). Auch eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kommt zum\njetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht, denn Art. 103 Abs. 1 GG gilt nur für das\ngerichtliche Verfahren, das hier aber nicht zur Beurteilung steht (vgl.\nBVerfGE 101, 397 <404 f.>).\n\n8\n\n \n\ne) Schließlich bleibt auch der Antrag, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, für\nden Antragsteller die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zu beantragen, ohne\nErfolg. Ungeachtet sonstiger Bedenken gegen die Zulässigkeit einer\nentsprechenden Verfassungsbeschwerde hat der Antragsteller keine Gründe\naufgezeigt, weshalb in seinem Fall eine Pflichtverteidigerbestellung bereits\nim Ermittlungsverfahren von Verfassungs wegen zwingend erforderlich und\ndringend geboten sein soll. Insbesondere kann aus den genannten Gründen auch\neinem verteidigten Beschuldigten Einsicht in die Ermittlungsakten versagt\nwerden. Das vom Antragsteller zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs\nfür Menschenrechte vom 27. November 2008 (Salduz/Türkei - 36391/92 -, NJW\n2009, S. 3707) betrifft das Recht des Beschuldigten auf einen Verteidiger bei\nder ersten polizeilichen Vernehmung, das hier nicht in Frage steht.\n\n9\n\n \n\nDiese Entscheidung ist unanfechtbar.\n\n
79,745
bag-2011-11-08-1-abr-1411
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
1 ABR 14/11
2011-11-08
2018-11-09 16:30:06
2019-01-17 15:34:55
Beschluss
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\nDie Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Hessischen\nLandesarbeitsgerichts vom 28. Oktober 2010 - 5 TaBV 71/10 - wird\nzurückgewiesen.\n\n \n\n## Gründe\n\n \n\n1\n\n \n\nA. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs\nzum Arbeitsschutz.\n\n2\n\n \n\nDie Arbeitgeberin ist ein Unternehmen mit bundesweit 39 Niederlassungen, das\nAufzüge, Fahrtreppen und andere Transportsysteme herstellt, vertreibt, einbaut\nund wartet. Der überwiegende Teil ihrer Beschäftigten arbeitet im Außendienst\nim Bereich Service und Neubaumontage. Für den Betrieb der Niederlassung W ist\nder zu 2) beteiligte Betriebsrat gewählt.\n\n3\n\n \n\nDie beim Gesamtbetriebsrat errichtete Einigungsstelle fasste am 17. Dezember\n2008 einen Teilspruch zum Thema „Unterweisung und erforderliche\norganisatorische Vorkehrungen“. Dem war eine Beauftragung des\nGesamtbetriebsrats durch örtliche Betriebsräte, darunter der Betriebsrat der\nNiederlassung W, vorangegangen, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten\nallerdings umstritten ist.\n\n4\n\n \n\nZuvor hatte die Arbeitgeberin unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats und\nsämtlicher örtlicher Betriebsräte ein Beschlussverfahren eingeleitet, in\nwelchem sie die Feststellung begehrte, dass der Gesamtbetriebsrat nach § 50\nAbs. 1 BetrVG für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7\nBetrVG bei Regelungen zur Unterweisung nach § 12 ArbSchG zuständig sei. Diesen\nAntrag hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 29.\nApril 2008 _(- 12 TaBV 134/08 -)_ rechtskräftig abgewiesen.\n\n5\n\n \n\nDie Arbeitgeberin hat geltend gemacht, der Teilspruch der Einigungsstelle sei\nunwirksam, weil diese ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung keine Regelungen\nzur Unterweisung der Beschäftigten über den Arbeitsschutz habe beschließen\ndürfen.\n\n6\n\n \n\n \n\nDie Arbeitgeberin hat beantragt\n\n | festzustellen, dass der Teilspruch der beim Gesamtbetriebsrat gebildeten Einigungsstelle vom 17. Dezember 2008 unwirksam ist. \n---|--- \n \n \n\n7\n\n \n\nDer Betriebsrat hat die Zurückweisung des Antrags begehrt.\n\n8\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Das\nLandesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit\nseiner Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.\n\n9\n\n \n\nB. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.\n\n10\n\n \n\nI. Das Landesarbeitsgericht hat den Gesamtbetriebsrat zu Recht nicht\nbeteiligt. Dieser war nicht nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu hören, weil er durch\neine Entscheidung in diesem Verfahren in seiner betriebsverfassungsrechtlichen\nRechtsstellung nicht unmittelbar betroffen wird. Eine derartige Betroffenheit\nkommt nicht in Betracht, weil aufgrund des Beschlusses des\nLandesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. April 2008 _(- 12 TaBV 134/08\n-)_ rechtskräftig feststeht, dass das Mitbestimmungsrecht in der hier\nstreitigen Angelegenheit nicht dem Gesamtbetriebsrat zusteht.\n\n11\n\n \n\nII. Der auf Feststellung der Unwirksamkeit des Teilspruchs der Einigungsstelle\ngerichtete Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Eine gerichtliche\nEntscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat\nfeststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die\nFeststellung der Unwirksamkeit des Spruchs und nicht seine Aufhebung zu\nbeantragen _(BAG 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 11, AP BetrVG 1972 § 87\nLohngestaltung Nr. 135 = EzA BetrVG 2001 § 50 Nr. 7)_.\n\n12\n\n \n\nIII. Der Antrag der Arbeitgeberin ist begründet. Der Teilspruch der\nEinigungsstelle vom 17. Dezember 2008 ist insgesamt unwirksam, weil die\nEinigungsstelle darin ihrem Regelungsauftrag nicht vollständig nachgekommen\nist.\n\n13\n\n \n\n1\\. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen\nRegelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die\ndurch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten\nüber Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen _(BAG 8.\nJuni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b cc der Gründe mwN, BAGE 111, 36)_.\nEinigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung,\nhat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer\nGefährdungsbeurteilung _(§ 5 ArbSchG)_ zu berücksichtigen und die konkrete\narbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann\nsich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung\nzu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen. Dies hat der Senat in einem\nParallelverfahren mit denselben Verfahrensbevollmächtigten im Beschluss vom\n11. Januar 2011 _(- 1 ABR 104/09 - Rn. 17 ff., EzA BetrVG 2001 § 87\nGesundheitsschutz Nr. 5)_ im Einzelnen begründet. Hieran hält der Senat auch\nunter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Rechtsbeschwerde fest.\n\n14\n\n \n\na) Das Erfordernis der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung als Grundlage\nder Regelung einer Unterweisung iSd. § 12 ArbSchG folgt schon aus dem Wortlaut\ndieser Bestimmung. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG umfasst die Unterweisung\nAnweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den\nAufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Damit wird klargestellt,\ndass die Unterweisung sich nicht in allgemeinen Fragestellungen des\nArbeitsschutzes erschöpfen darf, sondern gerade die konkreten Gefährdungen zum\nGegenstand haben muss, welchen die Arbeitnehmer an den jeweiligen\nArbeitsplätzen im Einzelnen ausgesetzt sind. Wer diese Gefahren nicht kennt,\nkann über diese auch nicht im Rahmen der Unterweisung aufklären. Die\nEinigungsstelle kann deshalb ihren Regelungsauftrag nur vollständig erfüllen,\nwenn sie die konkreten Gefahren am Arbeitsplatz in den Blick nimmt und hiervon\nausgehend konkrete, arbeitsplatzbezogene Bestimmungen beschließt _(vgl. BAG 8.\nJuni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 4 b bb der Gründe, BAGE 111, 48)_.\n\n15\n\n \n\nb) Dieses Normverständnis wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. So\nwird in der Gesetzesbegründung zu § 5 ArbSchG _(BT-Drucks. 13/3540 S. 16 f.)_\nausdrücklich ausgeführt, dass sich erst aufgrund einer Beurteilung der\nArbeitsbedingungen erkennen lasse, welche Schutzmaßnahmen erforderlich seien.\nDazu gehöre, dass eine Gefährdung als solche erkannt und hinsichtlich ihrer\nSchwere, dh. nach Art und Umfang des möglichen Schadens bewertet werde. Damit\ngeht auch der Gesetzgeber davon aus, dass die Gefährdungsbeurteilung Grundlage\nder Unterweisung der Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG ist und denknotwendig vor\neiner solchen zu erfolgen hat.\n\n16\n\n \n\nc) Erst eine solche Reihenfolge stellt die effektive Verwirklichung des\nRegelungszwecks des Arbeitsschutzgesetzes sicher. Dieses dient nach § 1 Abs. 1\nArbSchG dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der\nArbeit zu sichern und zu verbessern. Die Gefährdungsbeurteilung ist ihr\nzentrales Element und notwendige Voraussetzung für die betriebliche Umsetzung\nder Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers _(Pieper_ _ArbSchR 4. Aufl. § 5\nArbSchG Rn. 1)._ Je genauer und wirklichkeitsnäher im Betrieb die Gefährdungen\nermittelt und beurteilt werden, umso zielsicherer können konkrete Maßnahmen\nzur Vermeidung von Gefahren getroffen werden _(_ _BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR\n13/03_ -_zu B I 2 b bb (1) der Gründe,_ _BAGE 111, 36_ ; _12\\. August 2008 -_\n_9 AZR 1117/06_ -_Rn. 23,_ _BAGE 127, 205_ _)_. Dazu gehört auch die\nUnterweisung nach § 12 ArbSchG, die dazu dient, die Beschäftigten in die Lage\nzu versetzen, Gefährdungen und Gefahren rechtzeitig zu erkennen,\nArbeitsschutzmaßnahmen nachzuvollziehen und sich an ihrer Durchführung aktiv\nzu beteiligen sowie sich sicherheits- und gesundheitsgerecht zu verhalten\n_(Pieper § 12 ArbSchG Rn. 1; MüArbR/Kohte 3. Aufl. § 292 Rn. 30)_.\n\n17\n\n \n\nd) Dem steht nicht entgegen, dass sich nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 ArbSchG eine\nGefährdung auch aus einer unzureichenden Unterweisung der Beschäftigten\nergeben kann. Damit wird lediglich verdeutlicht, dass Gefährdungen auch\ninfolge unzureichender Unterweisungen entstehen können. Es wird jedoch nicht\nder Grundsatz in Frage gestellt, dass eine Einigungsstelle ihren Auftrag nur\ndann vollständig erfüllt, wenn sie die konkreten Gefahren an den\nArbeitsplätzen in den Blick nimmt und hierauf aufbauend\narbeitsaufgabenbezogene Unterweisungen beschließt. Erst hiermit wird\nGefährdungen infolge unvollständiger Unterweisungen wirkungsvoll begegnet.\n\n18\n\n \n\n2\\. Das ergänzende Vorbringen der Rechtsbeschwerde begründet keine andere\nBeurteilung der Rechtslage.\n\n19\n\n \n\na) Der Betriebsrat beachtet insoweit nicht genügend, dass die Einigungsstelle\nihren Regelungsauftrag nur dann vollständig erfüllt, wenn sie bei ihrer\nEntscheidung die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt und\ndie konkrete arbeits- und aufgabenbezogene Unterweisung daran ausrichtet.\nLediglich allgemein gehaltene Regelungen zu Gefahren am Arbeitsplatz ohne\nBerücksichtigung der konkreten Gefährdungen werden dem nicht gerecht. Dem\nsteht auch § 5 Abs. 3 Nr. 5 ArbSchG nicht entgegen, wie der Senat bereits in\nRn. 20 im Beschluss vom 11. Januar 2011 _(- 1 ABR 104/09 - EzA BetrVG 2001 §\n87 Gesundheitsschutz Nr. 5)_ dargelegt hat. Der Betriebsrat verkennt, dass\nnach dieser Bestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung auch zu berücksichtigen\nist, dass im Einzelfall noch keine Unterweisung erfolgt ist und sich gerade\nhieraus spezifische Gefahren für den Beschäftigten ergeben können. Auch aus\nden in §§ 15 bis 17 ArbSchG geregelten Rechten und Pflichten der Beschäftigten\nlässt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht herleiten, wann\ndie Einigungsstelle ihren Auftrag zur Regelung zur Unterweisung nach § 12\nArbSchG vollständig erfüllt. Insoweit geht auch die Rechtsbeschwerde davon\naus, dass die vermittelten Kenntnisse arbeitsplatzbezogen und konkret im\nRahmen der Unterweisung vermittelt werden müssen. Damit räumt sie letztlich\nein, dass eine Unterweisung nur dann den Anforderungen des\nArbeitsplatzschutzgesetzes entspricht, wenn ihr eine konkrete\nGefährdungsbeurteilung zugrunde liegt.\n\n20\n\n \n\nb) Aus den vom Betriebsrat angeführten Verordnungen, die ausdrücklich\nbestimmen, dass der Unterweisung eine Gefährdungsbeurteilung voranzugehen hat,\nergibt sich nicht, dass dies bei der im Arbeitsplatzschutzgesetz geregelten\nUnterweisung nicht der Fall ist. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und\nRegelungszweck des Arbeitsplatzschutzgesetzes machen vielmehr deutlich, dass\ndies das allgemeine Prinzip ist, welches der Verordnungsgeber in den\nangeführten Verordnungen nur klargestellt und ausgeführt hat.\n\n21\n\n \n\nc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt die Senatsrechtsprechung\nauch nicht zu einer mitbestimmungsrechtlichen Schutzlücke. Da die\nEinigungsstelle ihren Regelungsauftrag bei Fragen der Unterweisung zum\nArbeitsschutz nur vollständig erfüllen kann, wenn der Arbeitgeber eine\nGefährdungsbeurteilung vornimmt, hat der Betriebsrat im\nEinigungsstellenverfahren darauf hinzuwirken, dass der Arbeitgeber dem\nnachkommt. Insoweit steht ihm nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch ein\nMitbestimmungsrecht zu _(BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 2 b der\nGründe, BAGE 111, 48)_.\n\n22\n\n \n\nd) Die Senatsrechtsprechung ist auch mit Unionsrecht vereinbar. Sie führt\nnicht - wie die Rechtsbeschwerde meint - dazu, dass sich die Unterweisung auf\nInhalte beschränkt, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt\nwerden, sondern fordert vielmehr, dass eine Einigungsstelle bei Regelungen der\nUnterweisung nach § 12 ArbSchG auch die Ergebnisse einer\nGefährdungsbeurteilung einzubeziehen hat. Hierdurch wird der Arbeitsschutz der\nBeschäftigten verstärkt, weil sichergestellt wird, dass nicht nur eine\nallgemeine, sondern eine konkrete Überprüfung der Gefahren und eine daran\nausgerichtete Unterweisung erfolgt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen,\ndass die Richtlinie 89/391/EWG vom 12. Juni 1989 das Mitbestimmungsverfahren\nbeim Arbeitsschutz nicht näher ausgestaltet, sondern in ihrem Art. 11 Abs. 1\nbestimmt, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertreter anhört und deren\nBeteiligung bei allen Fragen betreffend die Sicherheit und die Gesundheit am\nArbeitsplatz ermöglicht. Das beinhaltet nach der Richtlinie die ausgewogene\nBeteiligung nach den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken. Wegen der\nAusgestaltung der Beteiligung der Arbeitnehmervertreter verweist die\nRichtlinie damit eindeutig auf die nationalen Rechtsvorschriften, ohne\nkonkrete Vorgaben für die Beteiligung im Einzelfall zu machen. Einer Vorlage\nan den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf es daher\nnicht.\n\n23\n\n \n\n3\\. Daran gemessen ist der Teilspruch vom 17. Dezember 2008 unwirksam, weil\ndie Einigungsstelle ihrem Regelungsauftrag nicht ausreichend nachgekommen ist\nund mangels vorheriger Durchführung der Gefährdungsbeurteilung auch nicht\nnachkommen konnte.\n\n24\n\n \n\na) Ausweislich der Spruchbegründung geht die Einigungsstelle selbst von der\nUnvollständigkeit ihrer Regelungen aus und war sich darüber im Klaren, dass\ndie Inhalte der Unterweisung den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung\nangepasst werden müssen.\n\n25\n\n \n\nb) Ungeachtet dessen müssen nach Nr. 3.8 des Teilspruchs die Personen, welche\ndie Unterweisung durchführen, ua. Kenntnisse von Gefährdungsbeurteilungen\nhaben, die es jedoch noch gar nicht gibt. Die unter Nr. 3.6 vorgesehene\nEvaluierung der Unterweisung, die durch eine regelmäßige Überprüfung der\nLernziele und der Durchführung der Unterweisungen erfolgen soll, setzt\ngleichfalls eine an den konkreten Gefahren ausgerichtete aufgabenbezogene\nUnterweisung voraus. Ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung kann nicht\nbeurteilt werden, ob die erfolgte Unterweisung Sicherheit und\nGesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit verbessert hat. Darüber\nhinaus regelt Nr. 3.4 eine pauschale Unterweisungsdauer von drei Stunden je\nArbeitnehmer. Die Erkenntnisse einer späteren Gefährdungsanalyse wirken sich\nnach dem Teilspruch nicht auf die Länge des Unterweisungszeitraums aus, dieser\nbleibt vielmehr mit drei Stunden konstant. Eine Regelung zum Umfang des\nVerhältnisses von Grundunterweisung und gefährdungsbezogener Unterweisung oder\neine Ausweitung des Unterweisungszeitraums entsprechend den Erkenntnissen\neiner arbeitsplatz- oder tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung fehlt.\nAuch dies verdeutlicht, dass es sich bei dem durch Teilspruch geregelten\nKomplex Unterweisung faktisch nicht um einen abgrenzbaren Teil der gesamten\nstreitigen Regelungsmaterie handelt, sondern um eine Regelung „ins Blaue\nhinein“, die den darauf bezogenen Konflikt der Betriebsparteien keiner\nvollständigen Lösung zuführt und auch nicht zuführen kann.\n\n26\n\n \n\n \n\nc) Die Teilunwirksamkeit der von der Einigungsstelle beschlossenen Regelungen\nzur aufgabenbezogenen Unterweisung führt nach dem der Vorschrift des § 139 BGB\nzugrunde liegenden Rechtsgedanken zur Unwirksamkeit des gesamten\nEinigungsstellenspruchs, da der verbleibende Teil ohne die unwirksamen\nBestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält _(vgl.\ndazu BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 4 b cc (1) der Gründe, BAGE 111,\n48)_. Auch wenn man davon ausgeht, dass Bestimmungen zur Grundunterweisung\nohne vorangehende Gefährdungsbeurteilung beschlossen werden konnten, bleibt zu\nberücksichtigen, dass eine Grundunterweisung ohne eine zeitnahe\naufgabenbezogene Unterweisung keinen Sinn macht. Beide Formen der Unterweisung\nstehen nicht beziehungslos nebeneinander, sie bauen vielmehr aufeinander auf\nund stehen damit in einem inneren Zusammenhang.\n\n \n\n \n\n | Schmidt | | Koch | | Linck | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Hayen | | Federlin | | \n \n \n\n \n\n
79,758
bag-2011-11-03-2-azr-74810
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 AZR 748/10
2011-11-03
2018-11-09 16:30:07
2019-01-17 15:35:05
Urteil
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\n1\\. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts\nDüsseldorf vom 10. November 2010 - 7 Sa 1052/09 - aufgehoben.\n\n \n\n2\\. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die\nKosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.\n\n \n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen,\nverhaltensbedingten Kündigung.\n\n2\n\n \n\nDer 1969 geborene, ledige Kläger war seit dem 1. August 1985 bei der Beklagten\nund deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem 1. August 2008 war er in dem\nRessort „OnSiteService“ _(OSS)_ W, Team R, als Kundendiensttechniker im\nAußendienst im Einsatz. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von\n3.000,00 Euro.\n\n3\n\n \n\nDem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu\ndienstlichen Zwecken zur Verfügung. Er war angewiesen, vor Urlaubsantritt oder\nbei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb\nabzugeben. Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs\nin der Zeit vom 19. November 2002 bis zum 25. Februar 2003 nicht nachgekommen\nwar, mahnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn ab und sprach im Februar\n2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die hiergegen\ngerichtete Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Die Beklagte vermochte nicht zu\nbeweisen, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung\nzugegangen war.\n\n4\n\n \n\nVor dem Antritt eines Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel\ndes Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch erneut nicht im Betrieb hinterlegt. In\neinem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass\ndurch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in\nder Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei.\nDie Beklagte wies den Kläger an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte\nund Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie\nsich bei seinem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende\nabzumelden.\n\n5\n\n \n\nMit Schreiben vom 29. Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals,\ndie Anweisungen einzuhalten. Gleichzeitig kündigte sie an, weitere\narbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn bis zum 15. Februar 2009 keine\nBesserung erkennbar sei und er die Anweisungen weiterhin missachte. Der Kläger\nerhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben\nAbend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause. Der\nVorgesetzte war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb anwesend. Zwischen\nden Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem\ner die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.\n\n6\n\n \n\nVom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig.\nAusweislich einer Aufstellung der Krankenkasse war er im Zeitraum vom 9.\nFebruar 2009 bis zum 7. März 2009 aufgrund einer Gastritis sowie vom 9. bis\n17. März 2009 an einer „sonstigen depressiven Episode“ erkrankt. Ab dem 17.\nMärz 2009 behandelte ihn der Psychiater Dr. L, der ihm ebenfalls eine\n„sonstige depressive Episode“ bescheinigte. In einem Attest seiner Hausärztin\nvom 1. Oktober 2010 heißt es, beim Kläger bestünden seit Jahren „massive\nBeschwerden vom Magen sowie von der Psyche her“. Insbesondere in der Zeit vom\n9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 habe er unter Magenschmerzen, Tendenz zu\nsozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten.\n\n7\n\n \n\nDer Kläger zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht nahtlos an. Am 20.\nFebruar 2009 versandte er per Einschreiben einen Brief mit ärztlichen Attesten\nfür die Zeit vom 9. bis 21. Februar 2009. Dieser ging am Montag, dem 23.\nFebruar 2009, bei der Beklagten ein. Am diesem Tag hatte der Kläger\ndienstfrei. Am 24. Februar 2009 rief er gegen 8:30 Uhr den Sachbearbeiter\nEinsatzsteuerung an und teilte ihm mit, nochmals einen Arzt aufsuchen zu\nwollen. Am späten Abend des Tages informierte er seinen Vorgesetzten per\nE-Mail darüber, dass seine Krankmeldung bis zum 28. Februar 2009 verlängert\nworden sei und er sie zu Händen einer Mitarbeiterin nach H geschickt habe.\n\n8\n\n \n\nDer Kläger gab während seiner Erkrankung die Fahrzeugutensilien weder heraus,\nnoch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe\nsichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen\nRückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.\n\n9\n\n \n\nMit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte\nden Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner\nArbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das\nDienstfahrzeug ab. Die Abmahnungen wurden am 17. Februar 2009 um 12:55 Uhr\nbzw. am 18. Februar 2009 um 16:45 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers\neingeworfen. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den\nKläger ua. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18.\nFebruar 2009 abzugeben. Sollte er wegen Arbeitsunfähigkeit an der Abgabe der\nGegenstände gehindert sein, habe er spätestens am 18. Februar 2009\nmitzuteilen, wo sich die Gegenstände befänden, und eine Herausgabe\nsicherzustellen. Die Abmahnung vom 18. Februar 2009 enthielt eine\nentsprechende „letztmalige“ Aufforderung, dem spätestens bis zum Morgen des\n20. Februar 2009 nachzukommen.\n\n10\n\n \n\nMit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer\nAbsicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der\nBetriebsrat widersprach dem.\n\n11\n\n \n\nMit Schreiben vom 9. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der\nParteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.\n\n12\n\n \n\nDer Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben.\nEr hat behauptet, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 an\neiner Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen\ngelitten. Er habe sich in einer akuten depressiven Episode befunden, die durch\nvöllige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen sei. Aufgrund der\ngesundheitlichen Beeinträchtigung sei er nicht in der Lage gewesen, wie von\nihm verlangt zu handeln. Er sei der einzige Mitarbeiter, der jeden Abend die\nKfz-Utensilien abgeben müsse. Alle anderen Kollegen dürften die Fahrzeuge mit\nnach Hause nehmen und für den Weg zur Dienststelle kostenfrei nutzen. Da das\nFahrzeug ausschließlich von ihm genutzt werde, sei der Beklagten kein Nachteil\nentstanden. Die Beklagte habe auch längst einen Ersatzschlüssel anfertigen\nlassen können. Die Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 habe er erst am\n21. Februar 2009 aus seinem Hausbriefkasten entnommen. Zudem lägen keine\nschwerwiegenden Pflichtverstöße vor, so dass die Kündigung unter\nBerücksichtigung seiner 24-jährigen Betriebszugehörigkeit sozial nicht\ngerechtfertigt sei. Wahrer Hintergrund für die Kündigung sei seine schwere\nErkrankung, die zu häufigen Ausfallzeiten führe.\n\n13\n\n \n\n \n\nDer Kläger hat beantragt\n\n | | festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2009 nicht mit Ablauf des 31. Oktober 2009 aufgelöst worden ist. \n---|---|--- \n \n \n\n14\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung\nvertreten, der Kläger habe bewusst und beharrlich gegen ihm erteilte Weisungen\nverstoßen. Er sei offensichtlich nicht bereit, berechtigten Forderungen\nnachzukommen. Eine Beschäftigung im Innendienst sei nicht möglich, weil der\nKläger vor einiger Zeit unter Vorlage eines betriebsärztlichen Attests die\nBeschäftigung im Außendienst verlangt habe. Zudem bestehe im Innendienst kein\ngeeigneter freier Arbeitsplatz. Da sich der Kläger trotz Ermahnung und\nAbmahnungen weiterhin pflichtwidrig verhalten habe, sei für die Zukunft mit\nerneuten gleichartigen Pflichtverstößen zu rechnen. Die Fortsetzung des\nArbeitsverhältnisses sei ihr nicht mehr zumutbar. Für eine Erkrankung, die ein\nschuldhaftes Verhalten des Klägers ausschließe, lägen keine ausreichenden\nAnhaltspunkte vor.\n\n15\n\n \n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat\nsie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrt der\nKläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n16\n\n \n\nDie Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils _(§\n562 Abs. 1 ZPO)_ und zur Zurückverweisung der Sache an das\nLandesarbeitsgericht _(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)_. Mit der von ihm gegebenen\nBegründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen _(I.)_.\nDie Sache ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif _(§§ 561, 563\nAbs. 3 ZPO)_. Ob die Kündigung vom 9. März 2009 gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG\nsozial gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest _(II.)_. Die Kündigung ist\nnach den bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht gem. § 102 Abs. 1 Satz 3\nBetrVG rechtsunwirksam _(II.)_.\n\n17\n\n \n\nI. Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seiner bisherigen Feststellungen\nnicht annehmen, die Kündigung vom 9. März 2009 sei iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1\nKSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.\n\n18\n\n \n\n1\\. Das Landesarbeitsgericht unterstellt die Anwendbarkeit von § 1 KSchG, ohne\nFeststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG\ngetroffen zu haben. Dies wird es im Fall des Fehlens einer sozialen\nRechtfertigung nachzuholen haben.\n\n19\n\n \n\n2\\. Die Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen\nÜberprüfung nicht stand.\n\n20\n\n \n\na) Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs.\n2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine\nvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft\nverletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht\nmehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der\nInteressen beider Vertragsteile angemessen erscheint _(BAG 9. Juni 2011 - 2\nAZR 284/10 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR\n293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA\nKSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78)_. Ein nachhaltiger Verstoß des\nArbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine\nVertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag\n_(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 233 = EzA BGB\n2002 § 626 Nr. 34; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 230\n= EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459 mwN)_.\nEbenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2\nBGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers\neine Kündigung rechtfertigen _(vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB: BAG 24. März 2011 - 2\nAZR 282/10 - aaO; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO)_.\n\n21\n\n \n\nb) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte\nKündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein kann, wenn das\nVerhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist _(vgl. bejahend_ _APS/Dörner\n3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 276; Liebscher in Thüsing/Laux/Lembke 2. Aufl. KSchG §\n1 KSchG Rn. 371; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn.\n475; differenzierend: MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 193;\nablehnend: HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 224; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1\nKSchG Rn. 395; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 96; ErfK/Oetker 12.\nAufl. § 1 KSchG Rn. 191)_. Die Beklagte hat derartige besondere Umstände nicht\nbehauptet. Sie wirft dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne\nbesondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setzt eine\nKündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der\nvertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar ist.\n\n22\n\n \n\nc) Eine Pfichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr\nzugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte _(ErfK/Oetker aaO Rn. 188)_.\nEin Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst\nwerden kann _(Linck aaO Rn. 461)_. Dies ist nicht der Fall, wenn dem\nArbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen\nsubjektiv nicht möglich ist _(vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b\nbb der Gründe, BAGE 70, 262)_. Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er\nfür diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit _(vgl. Palandt/Heinrichs BGB\n71. Aufl. § 275 Rn. 10)_.\n\n23\n\n \n\nd) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und\nBeweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das\nVerhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen\n_(vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2 AZR\n204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30)_. Der Umfang der ihm\nobliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der\nArbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt _(BAG 18. Oktober 1990 - 2\nAZR 204/90 - zu II 3 b der Gründe, aaO)._ Nach den Grundsätzen der abgestuften\nDarlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf\nbeschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung\ndarzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder\nEntschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen _(BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92\n- aaO)_. Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu\nvertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu\nerfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Beruft er sich auf\nkrankheitsbedingte Gründe kann es erforderlich sein, dass er substantiiert\ndarlegt, woran er erkrankt war und weshalb er deshalb seine Pflichten nicht\nordnungsgemäß erfüllen konnte _(vgl. BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 -\naaO)_.\n\n24\n\n \n\ne) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund\nseiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen, der Kläger habe\ndadurch, dass er sich beharrlich rechtmäßigen Weisungen seines Arbeitgebers\nwidersetzte, in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen\nbegangen.\n\n25\n\n \n\naa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne eine Verletzung\nder vertraglichen Pflicht des Klägers zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB\ndarstellen, dem Verlangen der Beklagten nicht nachzukommen, während\nAbwesenheitszeiten aufgrund Urlaubs oder Arbeitsunfähigkeit die Schlüssel und\ndas Fahrtenbuch für das Dienstfahrzeug herauszugeben. Die Möglichkeit, einen\nZweitschlüssel für das Fahrzeug fertigen zu lassen, stand der Berechtigung des\nVerlangens nicht entgegen. Dem Kläger war das Dienstfahrzeug samt Utensilien\nnur zu dienstlichen Zwecken überlassen.\n\n26\n\n \n\nbb) Revisionsrechtlich ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu\nbeanstanden, es sei unerheblich, dass dem Kläger als einzigem Mitarbeiter der\nDienstwagen nicht auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Der Kläger\nhat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass es sich um eine unzulässige\nMaßregelung oder einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen\nGleichbehandlungsgrundsatz handeln könnte.\n\n27\n\n \n\ncc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die\nAnweisungen der Beklagten, die Utensilien für das Dienstfahrzeug für die Dauer\nseiner Arbeitsunfähigkeit herauszugeben bzw. mitzuteilen, wie eine Übergabe\nerfolgen könne, nicht befolgt und habe damit diese sich aus dem\nArbeitsverhältnis ergebende Pflicht objektiv nicht erfüllt.\n\n28\n\n \n\ndd) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger\nsei auch den Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner\nArbeitsunfähigkeit nicht korrekt nachgekommen.\n\n29\n\n \n\n(1) Die Beklagte hatte den Kläger mit den Abmahnungen vom 16. und 18. Februar\n2009 darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seinem\nVorgesetzten oder dessen Stellvertreterin vorzulegen seien. Obgleich er\njedenfalls am 21. Februar 2009 vom Inhalt der Abmahnungen Kenntnis genommen\nhatte, sandte der Kläger die Bescheinigung für den Zeitraum vom 21. bis zum\n28. Februar 2009 nicht an den Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin,\nsondern zu Händen einer Mitarbeiterin nach H.\n\n30\n\n \n\n(2) Auch hatte der Kläger die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorweg nicht\nunverzüglich angezeigt. Die Verpflichtung zur Anzeige nach § 5 Abs. 1 Satz 1\nEFZG gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung für den Fall einer Fortdauer\nder Erkrankung entsprechend _(ErfK/Dörner 12. Aufl. § 5 EFZG Rn. 19; HaKo-\nEFZR/Feichtinger 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 16; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. § 5 EFZG\nRn. 61; Lepke Krankheit als Kündigungsgrund 13. Aufl. Rn. 514; Schmitt EFZG 6.\nAufl. § 5 Rn. 128 f. mwN)_. Nach der ausdrücklich Anweisung der Beklagten war\nauch die Anzeige gegenüber dem Vorgesetzten oder dessen Vertreterin\nvorzunehmen. Statt dessen zeigte der Kläger die voraussichtliche Fortdauer\nseiner Erkrankung am 24. Februar 2009 zunächst nur dem Sachbearbeiter\n„Einsatzsteuerung“ an. Seinen Vorgesetzten setzte er erst um 21:33 Uhr per\nE-Mail in Kenntnis.\n\n31\n\n \n\nee) Hingegen hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe in\nvorwerfbarer Weise gegen seine Vertragspflichten verstoßen, einer\nrevisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat hinreichend\nsubstantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009\naufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten\nnicht in der Lage gewesen zu sein. Auf der Grundlage seines Vorbringens war\nihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen\nsubjektiv unmöglich, deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar. Eine\nbeharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, lag unter den behaupteten\nUmständen nicht vor.\n\n32\n\n \n\n(1) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 vorgetragen, er habe\nsich im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 in einer akuten\ndepressiven Episode befunden. Diese sei durch völlige Antriebsschwäche\ngekennzeichnet gewesen. Er habe unter Schlafstörungen und\nErschöpfungszuständen gelitten, die ihn zeitweise tagelang ans Bett gefesselt\nhätten. Neben Antriebsstörungen habe er eine massive Tendenz zum sozialen\nRückzug sowie eine Vermeidungshaltung aufgewiesen. Er sei in seiner\nKonzentrations- und Denkfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen. Aufgrund\ndessen sei er nicht in der Lage gewesen, zu handeln wie von ihm verlangt. Er\nhabe weder die Rückgabe des Schlüssels organisieren noch mit entsprechenden\nPersonen Rücksprache halten können. Aufgrund seines Zustands habe er sogar\nvergessen, dass sich die Gegenstände überhaupt in seinem Besitz befunden\nhätten.\n\n33\n\n \n\n(2) Trifft dies zu, war es dem Kläger aufgrund gesundheitlicher\nBeeinträchtigungen - und damit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen -\nsubjektiv nicht möglich, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Kläger\nhat im einzelnen dargelegt, worunter er gelitten habe, so dass er seinen\nPflichten nicht habe nachkommen können. Auch wenn sich eine solche\nEinschränkung der Handlungsfähigkeit nicht bereits aus den vorgelegten\nAttesten ergibt, ist das Vorbringen des Klägers erheblich. Der Kläger hat sich\nzum Beweis nicht nur auf die ärztlichen Bescheinigungen und das Zeugnis des\nihn erst später behandelnden Dr. L berufen. Er hat außerdem Beweis angetreten\ndurch das Zeugnis der Hausärztin, die ihn im fraglichen Zeitraum behandelt\nhabe, und hat diese von der Schweigepflicht entbunden.\n\n34\n\n \n\n(3) Die Behauptung des Klägers, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7.\nMärz 2009 krankheitsbedingt nicht wie von ihm verlangt handeln können, ist\ndurch seinen Anruf bei dem Sachbearbeiter am Morgen des 24. Februar 2009 und\nseine E-Mail an den Vorgesetzten am Abend desselben Tages nicht widerlegt. Zum\neinen hat er auch damit seine Anzeigepflichten nicht weisungsgerecht erfüllt.\nZum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass ihm gerade im Verhältnis zu seinem\nVorgesetzten ein pflichtgemäßes Verhalten nicht möglich war.\n\n35\n\n \n\nII. Die Rechtsverletzung, die die Begründung des Berufungsurteils ergibt,\nführt zu dessen Aufhebung. Das Urteil stellt sich nicht etwa aus anderen\nGründen als richtig dar _(§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO)_. Dies wiederum führt zur\nZurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Sache ist nicht\nzur Endentscheidung reif _(§ 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO)_.\n\n36\n\n \n\n1\\. Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht selbst\nentscheiden. Es steht noch nicht fest, ob dem Kläger die Nichterfüllung seiner\nPflichten vorwerfbar ist. Das Landesarbeitsgericht wird der Beklagten\nGelegenheit geben müssen, das Vorbringen des Klägers, eine ordnungsgemäße\nPflichterfüllung sei ihm im fraglichen Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen\nnicht möglich gewesen, zu entkräften.\n\n37\n\n \n\n2\\. Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung\nreif. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen des\nLandesarbeitsgerichts nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach\n§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.\n\n38\n\n \n\na) Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam,\nwenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu\nbeteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er\ninsbesondere seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht\nausreichend nachgekommen ist _(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, EzA\nBGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972\n§ 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26)_. An die Mitteilungspflicht sind\nnicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung des\nArbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven\nDeterminierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der\nArbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat _(BAG 9.\nJuni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - aaO)_. Dagegen\nführt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende\nDarstellung zu einer fehlerhaften Anhörung _(BAG_ _9\\. Juni 2011 - 2 AZR\n323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1\nBetriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20_\n_)_. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats\ngehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine\nStellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den\nArbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung\nsprechen können _(BAG 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - Rn. 19, AP BetrVG 1972\n§ 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96)_.\n\n39\n\n \n\nb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Betriebsratsanhörung nach den\nbisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.\n\n40\n\n \n\naa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe den\nBetriebsrat mit Schreiben vom 2. März 2009 zu der beabsichtigten Kündigung\nangehört, und hat den Inhalt des Anhörungsschreibens in Bezug genommen. Danach\nhat die Beklagte den Betriebsrat über alle Umstände unterrichtet, die aus\nihrer Sicht für den Kündigungsentschluss relevant waren und den Sachverhalt\nhätten beeinflussen können. Dies galt auch für die Vorgänge aus dem Jahr 2003.\n\n41\n\n \n\nbb) Die Beklagte musste sich im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nicht\nnäher mit der „tatsächlichen Erkrankung“ des Klägers auseinandersetzen. Sie\nhatte den Betriebsrat im Anhörungsschreiben darüber informiert, dass der\nKläger seit dem 9. Februar 2009 arbeitsunfähig krank war. Der Kläger hat nicht\nbehauptet, die Beklagte habe schon vor Ausspruch der Kündigung davon gewusst,\ndass auch seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.\n\n42\n\n \n\ncc) Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb fehlerhaft, weil das\nAnhörungsschreiben „keinerlei entlastende Momente“ darlegt und über eine\nAnhörung des Klägers selbst nichts berichtet. Welche weiteren, der Beklagten\nbekannten und den Kläger entlastenden Tatsachen dem Betriebsrat nicht\nmitgeteilt worden sein sollen, ist nicht ersichtlich. Die vorherige Anhörung\ndes Arbeitnehmers ist - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer\nVerdachtskündigung - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Schon\ndeshalb ist ihre Nichterwähnung unschädlich.\n\n43\n\n \n\n \n\nc) Die Beklagte hat den Betriebsrat auch mit dem Hinweis auf ein\n„unentschuldigtes Fehlen“ des Klägers am 22. November 2008 subjektiv nicht\nfalsch unterrichtet. Nach Auffassung der Beklagten war der Kläger an diesem\nTag zur Arbeitsleistung verpflichtet.\n\n \n\n \n\n | Kreft | | Schmitz-Scholemann | | Rachor | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Söller | | Baerbaum | | \n \n \n\n \n\n
81,546
bsg-2010-08-19-b-14-as-4709-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 14 AS 47/09 R
2010-08-19
2018-11-10 08:30:30
2019-01-17 15:48:30
Urteil
## Tenor\n\n \n\nAuf die Revision des Beigeladenen werden das Urteil des Landessozialgerichts\nRheinland-Pfalz vom 25. November 2008 aufgehoben und die Berufungen des\nKlägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Speyer vom 11. Januar 2007\nzurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nAußergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für Schulbücher für das Schuljahr\n2005/2006.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer im Jahre 1990 geborene Kläger bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)\nvon der Beklagten. Seine Mutter ist alleinerziehende Studentin, die Leistungen\nnach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie einen Mehrbedarf bei\nAlleinerziehung nach § 21 Abs 3 SGB II von der Beklagten erhält.\n\n \n\n3\n\n \n\nDer Kläger besuchte im Schuljahr 2005/2006 die 9. Klasse des T-Gymnasiums in L\nZu Beginn des Schuljahres wurde den Schülern seiner Klassenstufe eine Liste\nmit den für die 9. Klasse erforderlichen Schulbüchern ausgehändigt. Die Kosten\nfür die im Einzelnen genannten Schulbücher betrugen 148,70 Euro. Der Kläger\nerhielt auf Grund der landesrechtlichen Vorschriften _(Landesverordnung über\ndie Lernmittelfreiheit - Lernmittelfreiheitsverordnung vom 14.3.1994, GVBl\nRheinland-Pfalz 1994, 225)_ einen Zuschuss pro Schuljahr zu Schulbüchern in\nHöhe von 59 Euro. Deshalb machte er bei der Beklagten die Kostenübernahme für\nSchulbücher in Höhe von 89,70 Euro geltend, was diese ablehnte _(Bescheid vom\n8.9.2005, Widerspruchsbescheid vom 23.9.2005)_. Hiergegen hat der Kläger am\n26.10.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben, die unter dem Az S 10\nAS 439/05 geführt wurde. Während des Klageverfahrens hat der Kläger am\n28.3.2006 die Kostenübernahme für weitere Schulbücher für das Schuljahr\n2005/2006 in Höhe von insgesamt 49,50 Euro gefordert. Auch dieses Begehren\nblieb ohne Erfolg _(Bescheid der Beklagten vom 4.4.2006, Widerspruchsbescheid\nvom 9.6.2006)._ Hiergegen hat der Kläger eine weitere Klage zum SG Speyer\nerhoben, die unter dem Az S 10 AS 704/06 geführt wurde. Das SG hat durch\nUrteile vom 11.1.2007 beide Klagen abgewiesen.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat auf die Berufungen des\nKlägers beide Verfahren verbunden und durch Urteil vom 25.11.2008 unter\nÄnderung der Urteile des SG den beigeladenen Sozialhilfeträger verurteilt, dem\nKläger für das Schuljahr 2005/2006 die Kosten der Schulbücher in Höhe von\ninsgesamt 139,20 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt,\ninnerhalb des SGB II sei keine Rechtsnorm ersichtlich, nach der der Kläger\neinen Anspruch auf die Schulbücher geltend machen könne. Es ergebe sich jedoch\nein Anspruch des Klägers aus § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII)\ngegen den Beigeladenen als Sozialhilfeträger. Nach der Rechtsprechung des\nBundessozialgerichts (BSG) sei eine Anwendung des § 73 SGB XII in Fällen einer\natypischen Bedarfslage gerechtfertigt. Allerdings dürfte die Norm nicht zu\neiner allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II werden. Es\nsei vielmehr erforderlich, dass die besondere Bedarfslage eine gewisse Nähe zu\nden speziellen in §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweise. Die\natypische Bedarfslage bestehe hier darin, dass es sich bei den Schulbüchern\neinerseits um einen Bedarf handele, der bei Erwachsenen in der Regel nicht\nentstehe und daher auch in die Berechnung der Regelleistungen nicht habe\neinfließen können, andererseits aber die Kosten für Lernmittel zwingend\nanfielen. Nach § 70 Abs 1 und 4 des Rheinland-Pfälzischen Schulgesetzes iVm\nder Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit stünden dem Kläger im\nSchuljahr 2005/2006 lediglich 59 Euro aus Landesmitteln für Schulbücher zu.\nDer Lernmittelgutschein habe also zum damaligen Zeitpunkt nur einen Bruchteil\n(weniger als ein Drittel) der notwendigen Aufwendungen für die Anschaffung von\nSchulbüchern abgedeckt. Der Kläger wäre hier im Umfang des Restbetrags in Höhe\nvon insgesamt 139,20 Euro gezwungen gewesen, monatlich in Höhe von 11,60 Euro\nauf andere Ausgaben, insbesondere im Bereich der Teilnahme am kulturellen\nLeben, zu verzichten. Dies sei angesichts der Höhe der Regelleistungen im SGB\nII nicht hinnehmbar. Dass die besondere atypische Situation des Klägers eine\nHilfe in besonderen Lebenslagen nach dem 9. Kapitel des SGB XII rechtfertigen\nkönne, zeige im Übrigen ein Blick auf die Altenhilfe nach § 71 SGB XII. Ältere\nMenschen könnten wegen ihrer besonderen Situation Leistungen erhalten, um\nihnen den Besuch von kulturellen oder der Bildung dienenden Veranstaltungen zu\nermöglichen _(vgl § 71 Abs 2 Nr 5 SGB XII)._\n\n \n\n5\n\n \n\nHiergegen wendet sich der Beigeladene mit seiner - vom Senat zugelassenen -\nRevision. Er rügt sinngemäß eine Verletzung des § 73 SGB XII. Der Beigeladene\ngeht davon aus, dass keine atypische Bedarfslage vorliege. Schulische Bedarfe\nwie zB für Schulmaterialien oder Schülermonatskarten seien nicht über § 73 SGB\nXII von der Sozialhilfe zu decken. Vielmehr sei eine Lösung im Rahmen des SGB\nII zu finden. Dort seien die Leistungen allerdings pauschaliert und der Bedarf\naus den pauschalierten Regelleistungen abzudecken.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Beigeladene beantragt, \ndas Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 2008\naufzuheben und die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts\nSpeyer vom 11. Januar 2007 zurückzuweisen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Kläger beantragt, \ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n8\n\n \n\nInsbesondere aus der späteren gesetzlichen Regelung des § 24a SGB II folge,\ndass der besondere Bedarf für Schulbücher etc nicht innerhalb der\nRegelleistung gedeckt gewesen sei. Dem LSG sei deshalb zuzustimmen, weil ein\nergänzender Anspruch aus § 73 SGB XII immer dann in Frage komme, soweit Kosten\nanfielen, die gerade nicht aus der Regelleistung gedeckt werden könnten.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Beklagte hat keinen Antrag gestellt.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n10\n\n \n\nDie Revision des Beigeladenen ist begründet. Für das hier streitige Schuljahr\n2005/2006 fehlte es in der Sozialrechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland\nan einer Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch. Gegen\nden beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeit nach dem SGB II wurden die\nKlagen zu Recht zurückgewiesen, denn das SGB II selbst sah im Jahre 2005 keine\nAnspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers vor _(vgl hierzu unter 1.)._\nEbenso wenig kommt eine Verurteilung des beigeladenen Sozialhilfeträgers gemäß\n§ 73 SGB XII in Betracht _(vgl hierzu 2.),_ weil es sich, wie vom\nBundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 _(1 BvL\n1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - SGb 2010, 227)_ klargestellt _,_ bei dem\nBedarf für die Schule um einen typischen Bedarf handelt, der bei jedem Schüler\nregelmäßig anfällt und der deshalb auch im SGB II hätte gedeckt werden müssen.\nAus der Verfassungswidrigkeit der Bedarfsunterdeckung folgt dennoch kein\nAnspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für Schulbücher für vergangene\nZeiträume. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (_aaO)_ auch\nklargestellt, dass die Rechtsverstöße durch eine verfassungswidrige\nBedarfsunterdeckung für den Zeitraum ab Inkrafttreten des SGB II ab 1.1.2005\nvom Gesetzgeber nicht mit Wirkung für die Vergangenheit zu korrigieren sind\n_(hierzu im Einzelnen unter 3.)_. Schließlich ist auch der vom BVerfG in\nseiner Entscheidung vom 9.2.2010 _(1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09)_\ngeschaffene verfassungsrechtliche Anspruch für die Deckung unabweisbarer,\nlaufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarfe nicht einschlägig, weil es\nsich bei dem Bedarf für die Schule nicht um einen besonderen, atypischen\nBedarf handelt. Ebenso wenig ist es möglich, den Rechtsgedanken des § 24a SGB\nII, mit dem mit Wirkung zum 1.8.2009 eine zusätzliche Leistung für die Schule\nin das SGB II eingefügt wurde, rückwirkend auf den streitigen Zeitraum\nanzuwenden _(hierzu unter 4.)_.\n\n \n\n11\n\n \n\n1\\. Zu Recht haben die Vorinstanzen zunächst die Klage auf Erstattung der\nKosten für Schulbücher gegen den Grundsicherungsträger nach dem SGB II\nabgewiesen. Dem Kläger stand im streitigen Zeitraum (Schuljahr 2005/2006) kein\ngesetzlicher Anspruch im SGB II zur Seite. Der 7b. Senat des BSG _(Urteil vom\n7.11.2006 - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1)_ und der erkennende _Senat\n(Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15)_ haben\nklargestellt, dass eine abweichende Festsetzung der pauschalierten\nRegelleistung nach § 20 SGB II durch die Gerichte - etwa in entsprechender\nAnwendung des Rechtsgedankens des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII - grundsätzlich\nnicht möglich ist. Für die vom Kläger begehrten Kosten der Schulbücher fehlte\nes im System der Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB II auch sonst\nan einer Anspruchsgrundlage. Schulbücher waren weder als Mehrbedarfe in § 21\nSGB II gesondert normiert, noch als Sonderbedarfe nach § 23 Abs 3 SGB II\nvorgesehen. § 23 Abs 3 Nr 3 enthält lediglich eine ausdrückliche Regelung für\neine Kostenpflicht bei mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der\nschulrechtlichen Bestimmungen. Diese Abgeschlossenheit des Systems des SGB II\nhat der Gesetzgeber des sog Fortentwicklungsgesetzes vom 20.7.2006 _(BGBl I\n1706)_ nochmals betont. In das Gesetz wurde § 3 Abs 3 Satz 1 Halbs 2 und Satz\n2 SGB II eingefügt. Hiernach decken die nach dem SGB II vorgesehenen\nLeistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in\neiner Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung\nder Bedarfe ist ausgeschlossen _(vgl hierzu auch BSG Urteil vom 28.10.2009 -\nSozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 17)_. Schließlich kam auch eine darlehensweise\nÜbernahme der Kosten für Schulbücher gemäß § 23 Abs 1 SGB II bereits deshalb\nnicht in Betracht, weil der Kläger eine solche darlehensweise Übernahme der\nKosten nicht beantragt hat.\n\n \n\n12\n\n \n\n2\\. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG war aber auch eine Verurteilung des\nSozialhilfeträgers gemäß § 73 SGB XII rechtsfehlerhaft, weil es sich bei den\nSchulbüchern um keinen atypischen Bedarf des Klägers handelte. Der erkennende\nSenat hat mit Urteil vom heutigen Tag _(B 14 AS 13/10 R)_ nochmals in\nFortsetzung der Rechtsprechung des früheren 7b. Senats des BSG _(BSGE 97, 242\n= SozR 4-4200 § 20 Nr 1)_ klargestellt, wann eine ergänzende Heranziehung des\n§ 73 SGB XII für an sich von den Leistungen des SGB XII ausgeschlossene\nEmpfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in Betracht\nkam. Erforderlich ist hierfür insbesondere eine sogenannte atypische,\nbesondere Bedarfslage, die einen Bezug zu Grundrechten aufweist _(vgl BSG\nUrteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R -; BSGE 97, 242, 249 = SozR 4-4200 § 20\nNr 1 RdNr 22)._ Im Gegensatz zu dem von den Folgen einer HIV-Erkrankung\nbetroffenen Empfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dessen Grundrecht\nauf Leben und körperliche Unversehrtheit iS des Art 2 Abs 2 Grundgesetz (GG)\nberührt ist, hat der erkennende Senat bereits klargestellt, dass weder der\nSchulbesuch noch die dadurch entstehenden Fahrkosten eine atypische\nLebenssituation begründen _(Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - aaO RdNr\n21- Schülermonatskarte)._\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Senat sieht sich in dieser Einschätzung bestätigt durch das Urteil des\nBVerfG vom 9.2.2010 _(aaO)._ Dort hat das BVerfG die Berechnung der\nRegelleistung für Kinder und Jugendliche gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II\nfür verfassungswidrig erachtet und dabei darauf abgestellt, dass der kinder-\nund altersspezifische Bedarf vom Gesetzgeber nicht richtig ermittelt wurde,\nder Kinder lediglich als "kleine Erwachsene" behandelt habe _(aaO, RdNr 191)._\nWeiter hat das BVerfG ausgeführt: "Ein zusätzlicher Bedarf ist vor allem bei\nschulpflichtigen Kindern zu erwarten. Notwendige Aufwendungen zur Erfüllung\nschulischer Pflichten gehören zu ihrem existentiellen Bedarf _._ Ohne Deckung\ndieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen,\nweil sie ohne den Erwerb der notwendigen Schulmaterialien, wie Schulbücher,\nSchulhefte oder Taschenrechner, die Schule nicht erfolgreich besuchen können.\nBei schulpflichtigen Kindern, deren Eltern Leistungen nach dem\nSozialgesetzbuch Zweites Buch beziehen, besteht die Gefahr, dass ohne\nhinreichende staatliche Leistungen ihre Möglichkeiten eingeschränkt werden,\nspäter ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können. Dies\nist mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20\nAbs 1 GG nicht vereinbar." _(aaO, RdNr 192)._\n\n \n\n14\n\n \n\nMithin waren die Schulbücher Teil des existentiellen Bedarfs des Klägers, der\nbereits im Jahre 2005 durch das SGB II und ggf die Regelleistung in § 28 Abs 1\nSatz 3 Nr 1 SGB II hätte gedeckt werden müssen. Der 7b. Senat des BSG hatte\nbereits in seiner grundlegenden Entscheidung vom 7.11.2006 hierzu\nklargestellt, dass § 73 SGB XII nicht zu einer allgemeinen Auffangregelung für\nLeistungsempfänger des SGB II mutieren dürfe _(vgl BSG Urteil vom 19.8.2010 -\nB 14 AS 13/10 R -; BSGE 97, 242, 249 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22)_. Dies\nwäre der Fall, wenn das vom BVerfG gerügte Versäumnis des SGB II, die\nschulischen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen, über § 73\nSGB XII auf den jeweiligen Sozialhilfeträger abgewälzt würde. Der typische\nSchulbedarf des Klägers war mithin innerhalb des SGB II zu decken, das aber in\nverfassungswidriger Weise keine ausreichende Leistung bzw keinen gesetzlichen\nAnspruch für den Schulbedarf normierte.\n\n \n\n15\n\n \n\n3\\. Ein Anspruch gegen den Beklagten auf eine Kostenübernahme für Schulbücher\nim Schuljahr 2005/2006 ist aber - trotz der Verfassungswidrigkeit des SGB II -\ninsoweit auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gegeben. Das BVerfG hat\nin seinem Urteil vom 9.2.2010 _(aaO),_ in dem es das Regelleistungssystem des\nSGB II insgesamt für den Zeitraum ab 1.1.2005 als Verstoß gegen die\nMenschenwürde des Art 1 GG iVm dem Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG\nbetrachtet hat, zugleich klargestellt, dass eine rückwirkende\nLeistungsgewährung nicht notwendig ist _(vgl insbesondere RdNr 217)_. Das\nBVerfG hat vielmehr klargestellt, dass Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 den\nGesetzgeber nicht dazu verpflichten, die Leistungen rückwirkend für die Zeit\nab Inkrafttreten des SGB II am 1.1.2005 neu festzusetzen. Nach der ständigen\nRechtsprechung des BVerfG muss der Gesetzgeber einen mit dem GG unvereinbaren\nRechtszustand nicht rückwirkend beseitigen, wenn dies einer geordneten Finanz-\nund Haushaltsplanung zuwider läuft oder die Verfassungsrechtslage bisher nicht\nhinreichend geklärt war und dem Gesetzgeber aus diesem Grund eine angemessene\nFrist zur Schaffung einer Neuregelung zu gewähren ist. Diese Grundsätze des\nBVerfG über die nicht notwendige rückwirkende Korrektur der\nVerfassungswidrigkeit durch den Gesetzgeber _(aaO)_ gelten auch für die hier\nim Streit stehende Leistung zur Sicherung des Bedarfs an Schulbüchern,\nunabhängig davon, ob der Bedarf durch eine Erhöhung der Regelleistung oder\ndurch einen gesonderten Anspruch auf Leistungen für die Schule zu decken wäre.\nAus diesem Grund hat der Senat auch von einer Vorlage an das BVerfG nach Art\n100 GG abgesehen. Aus der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 folgt zwar,\ndass die Rechtslage im SGB II im Jahr 2005 - gerade auch was den Anspruch des\nKlägers auf Erstattung von Schulbüchern angeht - einen Verstoß gegen Art 1 iVm\nArt 20 GG darstellt. Insofern ist diese Rechtsfrage also verfassungsrechtlich\nbereits geklärt. Zugleich ist vom BVerfG _(aaO)_ aber auch entschieden worden,\ndass aus einem Verfassungsverstoß insoweit keine Rechtsfolgen für die\nVergangenheit folgen. Der Kläger hat daher den Rechtszustand im SGB II im Jahr\n2005 hinzunehmen, selbst wenn hierin ein Verfassungsverstoß liegt. Schon aus\ndiesem Grund spielt es im Übrigen auch keine Rolle, dass der landesrechtliche\nSchulgesetzgeber - anders als in anderen Bundesländern _(Art 3 Abs 1 GG)_ \\-\nnur eine teilweise Kostenübernahme vorsah. Die Rechtmäßigkeit der\nLandesverordnung über die Lernmittelfreiheit wäre ohnehin vor den\nVerwaltungsgerichten geltend zu machen. Das BVerfG hat zudem klargestellt,\ndass die Bedarfsermittlung für Schüler nicht von den jeweiligen\nlandesrechtlichen Regelungen in den Schulgesetzen abhängig gemacht werden darf\n_(aaO, RdNr 197)._\n\n \n\n16\n\n \n\n4\\. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 _(aaO)_ auch gefordert, dass\nfür unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfe ein\nzusätzlicher verfassungsrechtlicher Anspruch auf Leistungsgewährung besteht.\nDieser verfassungsrechtliche Anspruch greift hier schon deshalb nicht ein,\nweil es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch auf\nSchulbücher nicht um einen solchen besonderen Bedarf handelt. Vielmehr geht es\num einen Anspruch, der vom BVerfG _(aaO, RdNr 192, siehe oben unter 3.)_ dem\ngrundgesetzlich geschützten Existenzminimum zugerechnet wurde. Für solche\n"typischen" Bedarfe ist der neue verfassungsrechtliche Anspruch ersichtlich\nnicht gedacht. Im Übrigen handelt es sich, anders als bei dem vom Senat am\nheutigen Tag _(Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R)_ zugesprochenen\nAnspruch des HIV-kranken SGB II-Empfängers auf Hygienebedarf über § 73 SGB\nXII, bei dem Anspruch auf Schulbücher darüber hinaus nicht um einen\nfortlaufend wiederkehrenden, regelmäßigen Anspruch. Vielmehr erschöpft sich\ndie Gewährung in dem einmaligen Rechtsakt, die Schulbücher für das jeweilige\nSchuljahr anzuschaffen.\n\n \n\n17\n\n \n\nDer Bedarf des Klägers kann schließlich auch nicht über eine aus\nverfassungsrechtlichen Gründen notwendige rückwirkende Anwendung des\nRechtsgedanken des § 24a SGB II gedeckt werden. Der Gesetzgeber hat die vom\nBVerfG für verfassungswidrig erkannte Rechtslage der Jahre nach 2005 im\nBereich der schulischen Leistungen durchaus erkannt und durch das Gesetz zur\nFörderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen vom 22.12.2008\n_(BGBl I 2955)_ mit Wirkung zum 1.8.2009 § 24a SGB II in das SGB II eingefügt.\nHiernach können Schülerinnen und Schüler, die das 25. Lebensjahr noch nicht\nvollendet haben, eine zusätzliche Leistung für die Schule in Höhe von pauschal\n100 Euro pro Schuljahr erhalten. Die Norm ist zunächst ohne Übergangsregelung\nund insbesondere ohne sich selbst Rückwirkung beizulegen zum 1.8.2009 in Kraft\ngetreten. Es ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, dem §\n24a SGB II - entgegen dem Willen des einfachrechtlichen Gesetzgebers -\nrückwirkende Bedeutung beizulegen, weil - worauf soeben ausführlich\neingegangen wurde - das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 _(aaO)_ zugleich\nklargestellt hat, dass eine rückwirkende Leistungsgewährung\nverfassungsrechtlich nicht geboten ist _(vgl insbesondere RdNr 217)_.\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\n
81,684
bag-2011-04-13-10-azr-8910
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
10 AZR 89/10
2011-04-13
2018-11-10 09:30:23
2019-01-17 15:49:55
Urteil
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\n1\\. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen\nLandesarbeitsgerichts vom 24. September 2009 - 5 Sa 658/09 - aufgehoben.\n\n \n\n2\\. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom\n10. Februar 2009 - 7 Ca 412/08 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\n3\\. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel\nvom 10. Februar 2009 - 7 Ca 412/08 - abgeändert und die Klage insgesamt\nabgewiesen.\n\n \n\n4\\. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n \n\n## Sonstige Literatur\n\n \n\n1\n\n \n\n \n\nDie Parteien haben gemäß § 313a Abs. 1 ZPO auf Tatbestand und\nEntscheidungsgründe verzichtet.\n\n \n\n \n\n | Mikosch | | Eylert | | Mestwerdt | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Trümner | | Frese | | \n \n \n\n \n\n
81,981
bsg-2010-07-01-b-13-r-5809-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 13 R 58/09 R
2010-07-01
2018-11-10 12:30:07
2019-01-17 15:52:45
Urteil
## Tenor\n\n \n\nAuf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg\nvom 18. März 2009 aufgehoben.\n\n \n\n \n\nDie Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landes-\nsozialgericht zurückverwiesen.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Kläger begehrt die Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten. Mit der Revision\nwendet er sich gegen die Feststellung der Erledigung des Verfahrens durch eine\nfiktive Berufungsrücknahme.\n\n \n\n2\n\n \n\nMit Bescheid vom 4.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2004\nstellte die Beklagte gemäß § 149 Abs 5 SGB VI die im Versicherungsverlauf des\nKlägers enthaltenen Daten für den Zeitraum bis zum 31.12.1996 verbindlich\nfest.\n\n \n\n3\n\n \n\nDas SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.6.2007 mit der Begründung\nabgewiesen, dass der Kläger weder seinen Widerspruch noch die Klage begründet\nhabe. Mangels Begründung sei nicht ersichtlich, inwieweit die Feststellung der\nDaten im Versicherungskonto rechtswidrig sein solle.\n\n \n\n4\n\n \n\nIm Berufungsverfahren hat das LSG den Kläger mehrmals vergeblich an die\nVorlage der Berufungsbegründung erinnert. Die Geschäftsstelle des LSG-Senats\nhat mit Schreiben vom 19.8.2008, das auf einer durch den Berichterstatter\nunterschriebenen Verfügung vom selben Tage beruhte und mit dem Zusatz "auf\nrichterliche Anordnung" durch eine(n) Justizangestellte(n) unterzeichnet war,\nden Kläger aufgefordert, (unter Hinweis auf § 153 Abs 1, § 106a SGG: bis zum\n19.9.2008) die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder\nNichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühle. Des\nWeiteren hat sie ihn darauf hingewiesen, dass die Berufung nach § 102 Abs 2\nSatz 1, § 153 Abs 1 SGG als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren trotz\nAufforderung länger als drei Monate (gerechnet ab Zugang dieser Verfügung)\nnicht betreibe, dh die Berufung nicht begründe. Auf das ihm am 21.8.2008\nzugestellte Schreiben hat sich der Kläger nicht zur Sache geäußert.\n\n \n\n5\n\n \n\nAm 16.12.2008 hat das LSG den Beteiligten mitgeteilt, dass die Berufung als\nzurückgenommen gelte. Hiergegen hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom\n21.12.2008 gewandt; er habe seine Berufung keinesfalls zurückgenommen, sondern\nwarte auf einen Gerichtstermin. In der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009\nhat er erklärt, der Versicherungsverlauf sei fehlerhaft, da dort (im Einzelnen\nbezeichnete) Zeiten der Arbeitslosigkeit und eines Rentenbezugs nicht\nangegeben seien.\n\n \n\n6\n\n \n\nMit Urteil vom selben Tage hat das LSG festgestellt, dass das Verfahren durch\nFiktion der Berufungsrücknahme erledigt sei. Die Vorschrift des § 102 Abs 2\nSGG gelte gemäß § 153 Abs 1 SGG für das Berufungsverfahren entsprechend. Aus\nden Vorschriften über das Berufungsverfahren ergebe sich insoweit "nichts\nanderes" iS von § 153 Abs 1 SGG. Nicht zu folgen sei der in der Literatur\nvertretenen Auffassung, wonach die Rücknahmefiktion nach § 102 Abs 2 SGG\nausschließlich für das Klageverfahren gelte, weil das SGG keine dem § 126 Abs\n2 VwGO entsprechende Fiktion der Berufungsrücknahme enthalte. Offenbar habe\nder Gesetzgeber übersehen, dass es an einer gesetzlichen Regelung für\nfehlendes Betreiben im Berufungsverfahren mangele, denn auch in den\nGesetzesmaterialien finde das Problem keine Erwähnung. Es liege eine\nunplanmäßige Lücke vor, die mangels erkennbar entgegenstehenden Willens des\nGesetzgebers durch entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG auf das\nBerufungsverfahren zu schließen sei.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Voraussetzungen für eine Fiktion der Berufungsrücknahme seien erfüllt. Der\nKläger habe innerhalb der ihm gesetzten Frist keine das Verfahren fördernde\nÄußerung gemacht. Nur mit entsprechender Mitwirkung des Versicherten durch\nAngaben zu den streitigen Zeiten seien weitere Ermittlungen des\nVersicherungsträgers ohne Beschränkung auf zugängliche Daten möglich.\nEntsprechendes gelte für eine sinnvolle gerichtliche Überprüfung des\nVormerkungsbescheids. Trotz entsprechender Aufforderung habe der Kläger\ninnerhalb der gesetzten Frist das Verfahren nicht durch Begründung der\nBerufung betrieben.\n\n \n\n8\n\n \n\nMit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §\n156, § 153 Abs 1 und § 102 Abs 2 SGG. Die Rücknahmefiktion des § 102 Abs 2 SGG\nsei nicht gemäß § 153 Abs 1 SGG auf das Berufungsverfahren entsprechend\nanwendbar. In das SGG sei keine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende Regelung\nder Fiktion einer Berufungsrücknahme aufgenommen worden. Die\nBerufungsrücknahme sei im sozialgerichtlichem Verfahren in § 156 SGG speziell\nund abschließend geregelt, was die Anwendung des § 102 Abs 2 SGG ausschließe.\nSachlich begründete Anhaltspunkte für den nach § 102 Abs 2 SGG vorausgesetzten\nWegfall des Rechtsschutzinteresses im Zeitpunkt des Erlasses der\nBetreibensaufforderung habe das LSG nicht festgestellt.\n\n \n\n9\n\n \n--- \nDer Kläger beantragt, \n| das Urteil des LSG Hamburg vom 18.3.2009 und den Gerichtsbescheid des SG\nHamburg vom 15.6.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres\nBescheids vom 4.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2004\nzu verpflichten, für die Zeiten vom 12.2.1993 bis 21.6.1994 eine\nAnrechnungszeit wegen Rentenbezugs nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB VI\nvorzumerken; \nhilfsweise, das Urteil des LSG vom 18.3.2009 aufzuheben und die Sache zur\nerneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht\nzurückzuverweisen. \n \n \n\n10\n\n \n--- \nDie Beklagte beantragt, \n| die Revision zurückzuweisen. \n \n \n\n11\n\n \n\nSie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.\n\n \n\n12\n\n \n\nDie Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche\nVerhandlung durch Urteil einverstanden erklärt _(§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, §\n124 Abs 2 SGG)_.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n13\n\n \n\nDie zulässige Revision des Klägers hat iS der Aufhebung des angefochtenen\nUrteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und\nEntscheidung Erfolg _(§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG)_.\n\n \n\n14\n\n \n\nDas LSG hat zu Unrecht festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch Fiktion\nder Rücknahme der Berufung erledigt sei. Denn dafür fehlt es im SGG an einer\ngesetzlichen Grundlage (1.). Auch eine gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechende\nAnwendung des § 102 Abs 2 SGG (Klagerücknahmefiktion) kommt iS einer Fiktion\nder Rücknahme der Berufung bei Nichtbetreiben nicht in Betracht (2.). Überdies\nwären die Voraussetzungen für den Eintritt einer - unterstelltermaßen\nentsprechend § 102 Abs 2 Satz 1 SGG möglichen - Rücknahmefiktion nicht gegeben\n(3.).\n\n \n\n15\n\n \n--- \n1\\. Mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des\nArbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.3.2008 _(BGBl I 444)_ wurde mit\nWirkung vom 1.4.2008 in Abs 2 des § 102 SGG eine Fiktion der Klagerücknahme\nbei Nichtbetreiben eingefügt. Die Norm lautet: \n"Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz\nAufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt\nentsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und\ngegebenenfalls aus § 197a Abs 1 Satz 1 (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs 2\nVwGO ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen." \nBei der fingierten Klagerücknahme handelt es sich um einen gesetzlich\ngeregelten Fall des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses _(Gesetzentwurf der\nBundesregierung zum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>;\nKeller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 51 RdNr\n16)_; sie erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache _(§ 102 Abs 2 Satz 2 iVm\nAbs 1 Satz 2 SGG)_. Eine Regelung zur Fiktion der Berufungsrücknahme hat der\nGesetzgeber im SGG hingegen nicht getroffen. \n \n \n\n16\n\n \n\n2\\. Die Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs 2 SGG ist nicht iS der Fiktion\neiner Berufungsrücknahme entsprechend anzuwenden.\n\n \n\n17\n\n \n\nNach § 153 Abs 1 SGG gelten für das Verfahren vor den Landessozialgerichten\ndie Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§\n91, 105 SGG entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt (= Erster\nUnterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG, der die\nBestimmungen über die Berufung in den §§ 143 bis 159 SGG umfasst) nichts\nanderes ergibt. Bei den in Bezug genommenen "Vorschriften über das Verfahren\nim ersten Rechtszug" handelt es sich um die im Vierten Unterabschnitt des\nErsten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG aufgeführten Vorschriften der §§\n87 bis 122 SGG _(BSG Urteil vom 5.7.1979 - 9 RV 72/77 - SozR 1750 § 543 Nr 2 S\n2)_. Danach ist zwar auch § 102 SGG grundsätzlich nicht von der Anordnung der\nentsprechenden Geltung im Berufungsverfahren ausgenommen. Die Vorschrift über\ndie Fiktion der Klagerücknahme in § 102 Abs 2 SGG ist jedoch nicht gemäß § 153\nAbs 1 SGG im LSG-Verfahren iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme\nentsprechend anwendbar.\n\n \n\n18\n\n \n\nDies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes (a), der\nEntstehungsgeschichte der Norm (b), dem Vergleich mit der Rechtslage nach der\nVwGO (c), einem fehlenden Bedürfnis für ein derartiges Rechtsinstitut (d) und\ndem Ausnahmecharakter der Klagerücknahmefiktion (e).\n\n \n\n19\n\n \n\na) Schon der Wortlaut des § 102 Abs 2 Satz 1 SGG, wonach die "Klage" und nicht\ndie "Berufung" als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz\nAufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt, steht einer\ngemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die\nBerufung entgegen.\n\n \n\n20\n\n \n\nÜber § 153 Abs 1 SGG kann nicht das Wort "Berufung" in § 102 Abs 2 SGG\nhineingelesen werden _(vgl Leopold, SGb 2009, 458, 463)._ Denn auch andere\nVorschriften über "das Verfahren im ersten Rechtszug", deren entsprechende\nGeltung § 153 Abs 1 SGG bestimmt und die Regelungen über die "Klage"\nenthalten, sind im Berufungsverfahren nicht derart erweiternd anzuwenden. Die\nentsprechende Geltung dieser Vorschriften _(zB Klageänderung nach § 99 SGG\noder Widerklage nach § 100 SGG)_ gemäß § 153 Abs 1 SGG umfasst keine Ersetzung\ndes Begriffs "Klage" durch "Berufung". Ein Grund für eine unterschiedliche\nAuslegung je nachdem, welche Norm in Bezug genommen wird, ist nicht\nersichtlich.\n\n \n\n21\n\n \n\nÜberdies findet sich im Ersten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des\nZweiten Teils des SGG, der die Vorschriften für das Verfahren der Berufung\numfasst, für die Berufung in § 156 SGG eine spezielle Regelung über ihre\n"Zurücknahme". Eine § 102 Abs 2 SGG entsprechende Bestimmung für die Berufung\niS einer Fiktion ihrer Rücknahme bei Nichtbetreiben enthält die Norm aber\nnicht. Schon von daher trifft die Ansicht des LSG nicht zu, aus den\nentsprechenden Vorschriften über das Berufungsverfahren ergebe sich "nichts\nanderes" iS des § 153 Abs 1 SGG _(aA auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom\n15.10.2009 - L 33 R 290/09 WA - Juris RdNr 32, ohne eigenständige Begründung\nunter Hinweis auf das hier angefochtene LSG-Urteil)_.\n\n \n\n22\n\n \n\nb) Aus den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren ergeben sich keinerlei\nHinweise dafür, dass der Gesetzgeber die Regelung in § 102 Abs 2 SGG in\nentsprechender Anwendung gemäß § 153 Abs 1 SGG auf die Berufungsrücknahme\nausdehnen wollte.\n\n \n\n23\n\n \n\nZiel des SGGArbGGÄndG war es, eine Vereinfachung und Straffung des\nsozialgerichtlichen Verfahrens herbeizuführen, um dadurch die\nSozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten _(vgl Gesetzentwurf der\nBundesregierung, BT-Drucks 16/7716 S 1 f, 12 ff)_. Dies sollte durch eine\nVielzahl von Maßnahmen geschehen. Die Einführung einer\nBerufungsrücknahmefiktion zur Entlastung der Landessozialgerichte war aber im\nGesetzentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG nicht vorgesehen _(vgl BT-\nDrucks 16/7716 S 13 f)_ ; insoweit sah dieser zur Entlastung der\nSozialgerichte und Straffung des dortigen Verfahrens lediglich die Fiktion\neiner Klagerücknahme vor _(BT-Drucks 16/7716 S 13)_. Eine fiktive\nBerufungsrücknahme wurde auch - soweit ersichtlich - im gesamten\nGesetzgebungsverfahren weder im Bundesrat noch in den Ausschüssen oder im\nPlenum des Bundestags erörtert.\n\n \n\n24\n\n \n--- \nIn der Einleitung der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum\nSGGArbGGÄndG heißt es zum Entwurf des § 102 Abs 2 SGG, der in seinem Satz 1\nmit der späteren Gesetzesfassung übereinstimmt, wie folgt _(BT-Drucks 16/7716\nS 19 zu Nummer 17 <§ 102>):_ \n"Die Fiktion einer Klagerücknahme wird für die Fälle eingeführt, in denen der\nKläger oder die Klägerin ungeachtet einer Aufforderung des Gerichts nicht\nfristgemäß die vom Gericht als geboten angesehene Mitwirkungshandlung erbringt\noder hinreichend substantiiert darlegt, warum er oder sie die geforderte\nHandlung nicht vornehmen kann. Die Klagerücknahmefiktion des Absatzes 2 ist an\n§ 92 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angelehnt, der mit dem 6.\nVwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626 _)_ eingefügt wurde und § 81\ndes Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nachgebildet ist. Die Verkürzung auf die\nZweimonatsfrist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004\n(BGBl. I S. 2198) wurde wegen der Besonderheiten des sozialgerichtlichen\nVerfahrens auf drei Monate erstreckt. Damit soll insbesondere dem Umstand\nRechnung getragen werden, dass die vor den Sozialgerichten vorwiegend\nklagenden bedürftigen oder kranken Menschen zur Entscheidungsfindung über die\nKlagerücknahme mehr Zeit brauchen …" \n \n \n\n25\n\n \n--- \nDie Begründung schließt mit dem Hinweis _(aaO_ , _S 20)_ : \n"… Die Regelungen über die fiktive Klagerücknahme gelten auch im einstweiligen\nRechtsschutz _._ " \n \n \n\n26\n\n \n\nDemnach sollen zwar die Regelungen über die fiktive Klagerücknahme im\nVerfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Anwendung finden. Dabei braucht der\nSenat nicht zu entscheiden, ob im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine\nRücknahmefiktion - unabhängig davon, ob eine solche dort überhaupt praktische\nRelevanz haben kann _(vgl hierzu Bienert, NZS 2009, 554, 559; Leopold, SGb\n2009, 458, 462, ua mit dem Hinweis, dass das gerichtliche Abwarten der in §\n102 Abs 2 Satz 1 SGG genannten Dreimonatsfrist nicht zum Eilcharakter des\nVerfahrens "passt") -_ ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung in\nentsprechender Anwendung des § 102 Abs 2 SGG zulässig ist _(bejahend Bienert,\naaO; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 102 RdNr 8; verneinend\nLeopold, aaO)_. Jedenfalls findet sich kein Hinweis dafür, dass § 102 Abs 2\nSGG iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme über § 153 Abs 1 SGG entsprechend\nanwendbar sein soll. Vielmehr wird dort nur verlautbart, dass in § 102 Abs 2\nSGG die "Fiktion einer Klagerücknahme … eingeführt" wird und diese "angelehnt"\nist an § 92 Abs 2 VwGO; ersichtlich sollte somit der Regelungsgehalt der\nParallelvorschrift des § 92 Abs 2 VwGO in das SGG "übernommen" werden. Die\n"Fiktion einer Berufungsrücknahme" wird nicht erwähnt; ebenso wird an keiner\nStelle ein Bezug zur Regelung der Berufungsrücknahmefiktion in § 126 Abs 2\nVwGO hergestellt. Nichts anderes ergibt sich aus den sonstigen Materialien zum\nSGGArbGGÄndG _(Stellungnahme des Bundesrats ; Gegenäußerung der\nBundesregierung ; zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Gesetzentwurfs\nim Bundestag vom 17.1.2008, Plenarprotokoll 16/136 S 14417 - 14422 (Anlage 6);\nBeschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom\n20.2.2008 )_. Auch sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass nach dem "Willen"\ndes Gesetzgebers eine "fiktive Berufungsrücknahme" in entsprechender Anwendung\ndes § 102 Abs 2 SGG ermöglicht werden sollte.\n\n \n\n27\n\n \n\nc) Der Vergleich mit den in der VwGO normierten Rücknahmefiktionen spricht\nebenfalls gegen die Annahme einer Fiktion der Berufungsrücknahme im SGG ohne\nausdrückliche gesetzliche Regelung.\n\n \n\n28\n\n \n\nDie Klagerücknahmefiktion in § 92 Abs 2 VwGO wurde durch das Sechste Gesetz\nzur Änderung der VwGO und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1.11.1996 _(BGBl I\n1626)_ mit Wirkung vom 1.1.1997 in Anlehnung an den bereits seit 1.7.1992\ngeltenden § 81 AsylVfG in die VwGO eingefügt _(vgl Gesetzentwurf der\nBundesregierung zum 6. VwGOÄndG, BT-Drucks 13/3993 S 12 zu Nummer 10 <§ 92\nVwGO>)_. Nach § 92 Abs 2 Satz 1 VwGO gilt eine Klage als zurückgenommen, wenn\nein Kläger das Verfahren länger als zwei Monate (in Verfahren nach dem AsylVfG\ngemäß § 81 Satz 1 AsylVfG länger als einen Monat) nicht betreibt.\n\n \n\n29\n\n \n\nGleichzeitig wurde durch das 6. VwGOÄndG für die Berufung eine "gesetzliche\nRücknahmefiktion" in § 126 Abs 2 VwGO aufgenommen und die Regelung in § 92 Abs\n2 VwGO insoweit "ergänzt" _(Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. VwGOÄndG,\nBT-Drucks 13/3993 S 13 zu Nummer 17 <§ 126 VwGO>)_. Nach Satz 1 dieser\nBestimmung gilt die Berufung als zurückgenommen, wenn der Berufungskläger das\nVerfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht\nbetreibt.\n\n \n\n30\n\n \n\nDie eigenständige gesetzliche Regelung der Fiktion einer Berufungsrücknahme in\n§ 126 Abs 2 VwGO macht deutlich, dass der Gesetzgeber die allgemeine\nVerweisung in § 125 Abs 1 VwGO auf die Vorschriften des Verfahrens im ersten\nRechtszug der VwGO, zu denen auch § 92 Abs 2 VwGO gehört, als nicht\nausreichend angesehen hat _(vgl in diesem Sinne auch Binder in Lüdtke, SGG, 3.\nAufl 2009, § 156 RdNr 16; Leopold, SGb 2009, 458, 463)._ Vielmehr hat er für\ndie Einführung einer Berufungsrücknahmefiktion einen ausdrücklichen\ngesetzlichen Regelungsbedarf angenommen.\n\n \n\n31\n\n \n\nDer Verzicht des SGGArbGGÄndG auf eine Ergänzung des § 156 SGG um eine\nRücknahmefiktion für die Berufung in Kenntnis des Umstands, dass eine solche\nin der Parallelvorschrift der VwGO zu § 156 SGG, nämlich in § 126 VwGO,\nausdrücklich geregelt worden ist, bestätigt die Annahme, dass diese\n"Unvollständigkeit" beabsichtigt war und der Gesetzgeber im SGG lediglich die\nMöglichkeit einer Fiktion der Klagerücknahme eröffnen wollte, entgegen der\nAnsicht des LSG also gerade keine "planwidrige Regelungslücke" vorliegt. Hätte\ner die Berufungsrücknahmefiktion "gewollt", wäre gerade wegen der weitgehenden\nParallelität zur VwGO eine dem § 126 Abs 2 VwGO entsprechende ausdrückliche\nRegelung zu erwarten gewesen _(vgl in diesem Sinne auch Binder in Lüdtke, aaO,\n§ 156 RdNr 16)._\n\n \n\n32\n\n \n\nSollte der Gesetzgeber gleichwohl - anders als in der VwGO - eine\nausdrückliche Regelung im SGG für entbehrlich gehalten haben, hätte es\nzumindest eines deutlichen Hinweises bedurft. Dieser fehlt jedoch. Keinesfalls\nkann daraus jedoch, wie das LSG offenbar meint, ein "Wille" des Gesetzgebers\nfür eine gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGG für\ndie Berufung iS einer Fiktion ihrer Rücknahme bei Nichtbetreiben hergeleitet\nwerden. Vielmehr dürfte das "Schweigen" sowohl in § 156 SGG als auch in den\nMaterialien zum SGGArbGGÄndG schon eher als "beredtes Schweigen" zu werten\nsein _(vgl Leopold, SGb 2009, 458, 463)_.\n\n \n\n33\n\n \n\nDem Gesetzgeber war im Übrigen der Regelungszusammenhang zwischen erst- und\nzweitinstanzlichem Verfahren durchaus bewusst; dies belegt die mit dem\nSGGArbGGÄndG erfolgte Einfügung des § 157a SGG für das Berufungsverfahren\ngleichzeitig mit der ebenfalls durch dieses Gesetz für das erstinstanzliche\nVerfahren eingeführten Bestimmung des § 106a SGG zur Zurückweisung verspäteten\nVorbringens (_vgl auch Leopold, SGb 2009, 458, 463)_. Ausdrücklich heißt es\nhierzu in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (_BT-Drucks\n16/7716 S 22 zu Nummer 27 <§ 157a>):_ "Folgeänderung wegen der Einführung der\nPräklusionsvorschrift in § 106a im erstinstanzlichen Verfahren. Dies zieht die\nNotwendigkeit einer entsprechenden Vorschrift im Rechtsmittelverfahren nach\nsich …".\n\n \n\n34\n\n \n\nd) Dass der Gesetzgeber auf die Regelung einer Fiktion der Berufungsrücknahme\nverzichtet hat, mag möglicherweise auch darauf zurückzuführen sein, dass nach\ndem SGG eine Klagerücknahme ohne Zustimmung der/des Beklagten bis zum\nrechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erfolgen kann _(so Roller in Lüdtke,\naaO, § 102 RdNr 16)_. Auf dieser Grundlage hält die wohl überwiegende\nAuffassung im Schrifttum auch eine Klagerücknahmefiktion im Berufungsverfahren\nfür zulässig _(vgl Leitherer_ _in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102\nRdNr 8b und § 156 RdNr 1b; Roller, aaO; Eschner in Jansen, SGG, 3. Aufl 2008,\n§ 102 RdNr 4; Hauck in Zeihe, SGG, Stand 2009, § 102 RdNr 12; Bienert, NZS\n2009, 554, 558; kritisch Leopold, SGb 2009, 458, 463; Schafhausen, ASR 2010,\n112, 118)._\n\n \n\n35\n\n \n\nDer Senat kann offen lassen, ob er sich dieser Rechtsansicht anschließt; denn\ndas LSG hat nicht festgestellt, dass das Verfahren durch Fiktion der\nKlagerücknahme erledigt ist. Er neigt jedoch dazu, ihr jedenfalls\ngrundsätzlich zuzustimmen. Denn § 102 Abs 2 Satz 1 SGG wird nicht über seinen\nAnwendungsbereich hinaus angewendet, sofern die Rücknahmefiktion in der\nzweiten Instanz die Klage betrifft. Der Übernahme einer § 126 Abs 2 Satz 1\nVwGO entsprechenden Regelung bedurfte es insoweit nicht _(Hauck in Zeihe, aaO,\n§ 102 RdNr 12)_.\n\n \n\n36\n\n \n\nGemäß § 102 Abs 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des\nUrteils zurücknehmen. Dies hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 102 Abs\n1 Satz 1 SGG durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes\n(6. SGGÄndG) vom 17.8.2001 _(BGBl I 2144)_ klargestellt _(vgl Gesetzentwurf\nder Bundesregierung zum 6. SGGÄndG, BT-Drucks 14/5943 S 26 zu Nummer 38 <§\n102>)_, entsprach aber auch schon der Rechtsprechung des BSG zur früheren\nFassung des § 102 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach der Kläger die Klage "bis zum\nSchluss der mündlichen Verhandlung" zurücknehmen konnte _(s hierzu BSG\nBeschluss vom 27.9.1983 - 8 BK 16/82 - SozR 1500 § 102 Nr 5 S 10_). Der Kläger\nkann daher auch noch im Berufungsverfahren die Klage ganz oder - wenn der\nStreitgegenstand teilbar ist - teilweise _(Leitherer in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 4; Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr\n4)_ zurücknehmen mit der Folge, dass die angefochtene erstinstanzliche\nEntscheidung gemäß § 202 SGG iVm § 269 Abs 3 Satz 1 ZPO ganz oder - bei\nteilweiser Klagerücknahme - teilweise wirkungslos wird.\n\n \n\n37\n\n \n\nIst aber eine Klagerücknahme nach § 102 Abs 1 Satz 1 SGG im Berufungsverfahren\nmöglich und bestimmt § 102 Abs 2 Satz 2 SGG für die Klagerücknahmefiktion,\ndass Abs 1 entsprechend gilt, ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die\nFiktion der Rücknahme der Klage bei ganz oder teilweisem Wegfall des\nRechtsschutzinteresses nicht (grundsätzlich) auch im Berufungsverfahren in\nBetracht kommen kann. Denn auch im Rechtsmittelverfahren muss das\nRechtsschutzinteresse des Klägers an der von ihm in erster Instanz erhobenen\nKlage stets fortbestehen.\n\n \n\n38\n\n \n\nAllerdings dürfte nach Einlegung einer Berufung gegen ein klageabweisendes\nerstinstanzliches Urteil ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers,\nalso ein Desinteresse an der weiteren Verfolgung seines Begehrens, nur in\nseltenen Ausnahmefällen zu unterstellen sein _(vgl Leitherer in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8b; Leopold, SGb 2009, 458, 463;\nHauck in Zeihe, aaO, § 102 RdNr 12, mit dem Hinweis, dass im\nRechtsmittelverfahren "eher noch höhere Anforderungen an die Demonstration\nmangelnden Rechtsschutzinteresses zu stellen" seien; Schafhausen, ASR 2010,\n112, 118)_. Dies gilt vor allem dann, wenn der Kläger im erstinstanzlichen\nVerfahren teilweise Erfolg hatte, entzöge die Klagerücknahmefiktion im\nBerufungsverfahren doch dem zusprechenden Teil des erstinstanzlichen Urteils\ndie Rechtswirkung. Die Annahme, dass ein Kläger, der ein Berufungsverfahren\ntrotz Aufforderung nicht betreibt, durch das Nichtbetreiben auch die für ihn\npositiven Folgen der erstinstanzlichen Entscheidung zum Wegfall bringen und\ndamit so gestellt werden möchte, als ob er die Klage nie erhoben hätte, dürfte\nnur schwerlich zu begründen sein _(vgl Schafhausen, aaO; Leopold, aaO)._ In\nBetracht käme in diesen Fällen freilich eine Fiktion der teilweisen\nKlagerücknahme bezogen auf den klageabweisenden Teil der SG-Entscheidung.\n\n \n\n39\n\n \n\ne) Schließlich berücksichtigt nur die Rechtsauffassung, dass § 102 Abs 2 SGG\nnicht iS einer Fiktion der Berufungsrücknahme über § 153 Abs 1 SGG\nentsprechend anwendbar ist, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG für\ndie Auslegung und Anwendung von gesetzlichen Regelungen über die Beendigung\neines Gerichtsverfahrens wegen unterstellten Wegfalls des\nRechtsschutzinteresses. Vorschriften dieser Art haben nämlich strengen\nAusnahmecharakter. Da sie einschneidende Rechtsfolgen für die betroffenen\nBeteiligten nach sich ziehen, bedürfen sie in besonderem Maße der\nRechtsklarheit.\n\n \n\n40\n\n \n\nDas BVerfG (Kammer) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 _(2 BvR 2662/95 -\nDVBl 1999, 166, 167)_ darauf hingewiesen, dass in Einklang mit Art 19 Abs 4 GG\njede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis\nvoraussetzt und ein Gericht im Einzelfall von einem Wegfall des\nRechtsschutzbedürfnisses ausgehen kann, wenn das Verhalten eines\nVerfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer\nSachentscheidung nicht mehr gelegen ist. Ausdrücklich hat es festgestellt,\ndass eine hierauf gestützte Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels\nSachbescheidungsinteresses verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich\nist.\n\n \n\n41\n\n \n\nEinen gesetzlichen Niederschlag hat dieser Rechtsgedanke in § 81 AsylVfG, § 92\nAbs 2 VwGO, § 126 Abs 2 VwGO und in § 102 Abs 2 SGG gefunden. Denn diese\nBestimmungen, die eine Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung über das\nRechtsschutzbegehren zur Folge haben, unterstellen, dass das\nRechtsschutzinteresse entfallen ist, wenn ein Kläger in dem von ihm\nangestrengten Verfahren über einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht in\nhinreichendem Maße tätig geworden ist.\n\n \n\n42\n\n \n\nDas BVerfG hat bereits mehrfach entschieden, dass hiervon ausgehende\nVorschriften mit der Rechtsfolge einer Verfahrensbeendigung mit Art 19 Abs 4\nGG vereinbar sind; es hat aber zugleich betont, dass Regelungen dieser Art\nAusnahmecharakter haben, der bei ihrer Auslegung und Anwendung besonders zu\nbeachten ist _(BVerfG Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999,\n166, 167 _ _zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs 2 VwGO; vgl bereits BVerfG Beschluss\nvom 7.8.1984 - 2 BvR 187/84 - NVwZ 1985, 33; BVerfG Beschluss vom 15.8.1984 -\n2 BvR 357/84 - DVBl 1984, 1005; BVerfG Beschluss vom 19.5.1993 - 2 BvR\n1972/92 - NVwZ 1994, 62 f, alle zu § 33 AsylVfG 1982). _Auch in der Literatur\nbesteht über den Ausnahmecharakter und ein von Verfassungs wegen gebotenes\nenges Verständnis gesetzlich fixierter Rechtsmittelrücknahmefiktionen\nEinigkeit _(vgl zu § 102 Abs 2 SGG: Roller in Lüdtke, aaO, § 102 RdNr 17;\nBinder in Lüdtke, aaO, § 156 RdNr 16; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse\nin Sozialsachen, 2009, § 5 RdNr 586; Leitherer in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, aaO, § 102 RdNr 8a; Leitherer, NJW 2008, 1258, 1260;\nHauck in Hennig, SGG, Stand: 2010, § 102 RdNr 29; Hauck in Zeihe, aaO, § 102\nRdNr 8b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5.\nAufl 2008, Kap VII RdNr 170a; Schafhausen, ASR 2010, 112, 115; Leopold, SGb\n2009, 458, 459; Bienert, NZS 2009, 554, 555; Becker, SGb 2009, 267, 269;\nTabbara, NZS 2008, 8, 10; Francke, ASR 2008, 127, 128; vgl zu § 92 Abs 2 VwGO:\nKopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009, § 92 RdNr 18; Clausing in Schoch/Schmidt-\nAßmann/Pietzner, VwGO, Stand Juli 2009, § 92 RdNr 39)._\n\n \n\n43\n\n \n\nDass sich auch der Gesetzgeber des SGGArbGGÄndG bei der Einfügung der\nKlagerücknahmefiktion in § 102 Abs 2 SGG der vom BVerfG aufgezeigten engen\nverfassungsrechtlichen Grenzen unter Beachtung ihres Ausnahmecharakters\nbewusst war, kommt in den Materialien deutlich zum Ausdruck. In der Begründung\ndes Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG heißt es zum dortigen\nEntwurf des § 102 Abs 2 SGG unter Bezugnahme auf die vorgenannte\nRechtsprechung des BVerfG und des BVerwG _(Beschluss vom 12.4.2001 - 8 B 2/01\n- NVwZ 2001, 918)_ ausdrücklich, dass "die Auslegung und Anwendung der Norm\nnur vor dem Hintergrund ihres strengen Ausnahmecharakters erfolgen" darf _(BT-\nDrucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>)._\n\n \n\n44\n\n \n\nIst dies aber der Fall, verbietet es sich, § 102 Abs 2 SGG als Sonder- und\nAusnahmeregelung über seinen ausdrücklich geregelten Anwendungsbereich hinaus\nerweiternd auszulegen und anzuwenden. Vielmehr ist es aus\nverfassungsrechtlichen Gründen _(Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG)_ geradezu\ngeboten, wollte man auch im SGG eine Fiktion der Rücknahme der Berufung wegen\nNichtbetreibens ermöglichen, hierfür - wie in der VwGO durch Einfügung des §\n126 Abs 2 VwGO geschehen - eine eigenständige gesetzliche Grundlage zu\nschaffen.\n\n \n\n45\n\n \n\n3\\. Nach dem Vorstehenden braucht der Senat nicht mehr zu prüfen, ob - wie vom\nLSG entschieden - die Voraussetzungen einer Fiktion einer Berufungsrücknahme\nbei unterstellter entsprechender Anwendbarkeit des § 102 SGG vorliegen.\nGleichwohl weist der Senat darauf hin, dass, selbst wenn man der generellen\nRechtsansicht des LSG folgen würde, die Feststellung der Erledigung des\nVerfahrens durch das LSG im Falle des Klägers zu Unrecht erfolgt wäre.\n\n \n\n46\n\n \n\na) Zwar ist im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung das vom BVerfG für eine\nRechtsmittelrücknahmefiktion geforderte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal\nerfüllt gewesen, dass nach dem prozessualen Verhalten des Klägers\nhinreichender Anlass bestand, von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses\nauszugehen _(vgl BVerfG Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999,\n166, 167; vgl ebenso Senatsurteil vom heutigen Tage - B 13 R 74/09 R)._\n\n \n\n47\n\n \n\nDenn bei Erlass der Betreibensaufforderung am 19.8.2008 waren die Gründe,\nwarum der Kläger eine gerichtliche Überprüfung des angefochtenen\nVormerkungsbescheids vom 4.11.2003 begehrte, mangels dessen Mitwirkung für das\nLSG nicht ersichtlich. Trotz mehrfacher Aufforderung war nämlich die Berufung\nauch ein Jahr nach ihrer Einlegung nicht begründet worden, ebenso wenig wie\nder Widerspruch gegen den Vormerkungsbescheid vom 4.11.2003 oder die Klage.\nDas SGG enthält zwar für die Begründung der Klage und der Berufung,\ninsbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren\nNichtberücksichtigung der Kläger sich beschwert fühlt, keine zwingenden\nVorschriften _(§ 92 Abs 1 Satz 4, § 151 Abs 3 SGG: "sollen" bzw "soll")_. Das\nGericht hat die Beteiligten aber insoweit heranzuziehen, wie sich aus § 103\nSatz 1 Halbs 2 SGG ergibt. Bei fehlender Mitwirkung ist das Gericht nicht\nverpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein")\nzu ermitteln und Beweis zu erheben _(vgl Leitherer in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, aaO, § 103 RdNr 16)._\n\n \n\n48\n\n \n\nb) Allerdings setzt eine Rücknahmefiktion den Ablauf einer zuvor vom Gericht\ngesetzten Frist zum Betreiben des Verfahrens voraus _(vgl § 102 Abs 2 Satz 1\nSGG)._ Eine in diesem Sinne wirksame Fristsetzung ist vorliegend aber nicht\nerfolgt. Denn jedenfalls vermag ein - wie hier - lediglich mit dem Zusatz "auf\nrichterliche Anordnung" durch eine(n) Justizangestellte(n) unterzeichnetes\ngerichtliches Schreiben der Geschäftsstelle eine Frist zum Betreiben des\nVerfahrens nicht in Lauf zu setzen _(vgl_ _Krasney/Udsching, aaO, Kap VII RdNr\n170a; Leopold SGb 2009, 458, 460; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, aaO, § 102\nRdNr 11, mit dem Hinweis, die Betreibensaufforderung müsse "wenigstens die\nForm eines Richterbriefs" haben; s auch_ _BGH Urteil vom 13.3.1980 - VII ZR\n147/79 - BGHZ 76, 236, 241 - zur Frist gemäß § 273 Abs 2 Nr 1, § 275 Abs 1, §\n296 ZPO)_.\n\n \n\n49\n\n \n\nZur Form der Betreibensaufforderung gilt im Übrigen Folgendes: Wenn sie\nWirkungen für die Beteiligten erzeugen soll, muss sie vom zuständigen Richter\nverfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes\nHandzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht _(vgl Krasney/Udsching,\naaO, Kap VII RdNr 170a; Leopold, SGb 2009, 458, 460; Bienert, NZS 2009, 554,\n556, jeweils mwN)._ Dies folgt schon aus den einschneidenden Rechtsfolgen\neiner (erfolglosen) Betreibensaufforderung. Erst die Beifügung der vollen\nUnterschrift des Richters macht deutlich, dass es sich bei dem unterzeichneten\nText nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Unterzeichnende\nnicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss aber bei einer\nBetreibensaufforderung auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Deshalb\nmuss sie nicht nur vom zuständigen Richter verfügt und unterschrieben sein,\nsondern auch die gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 SGG zuzustellende\nAusfertigung/beglaubigte Abschrift _(vgl_ _Gesetzentwurf der Bundesregierung\nzum SGGArbGGÄndG, BT-Drucks 16/7716 S 19 zu Nummer 17 <§ 102>; Keller in\nMeyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 63 RdNr 3) _diesen Umstand erkennen\nlassen, dh durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die\nBetreibensaufforderung von ihm stammt.\n\n \n\n50\n\n \n\n4\\. Da der Senat über die vom Kläger geltend gemachten rentenrechtlichen\nZeiten mangels entsprechender Feststellungen _(§ 163 SGG)_ des LSG nicht\nentscheiden konnte, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an\ndas Berufungsgericht zurückzuverweisen _(§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG)_. Das LSG\nwird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben. \n\n
83,650
bag-2011-01-27-8-azr-28009
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Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
8 AZR 280/09
2011-01-27
2018-11-11 05:30:02
2019-01-17 16:06:38
Urteil
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\nAuf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts\nRheinland-Pfalz vom 20. Januar 2009 - 3 Sa 548/08 - aufgehoben.\n\n \n\nAuf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen\nam Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 18. August 2008 - 5 Ca\n341/08 - abgeändert:\n\n \n\nEs wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger so zu\nstellen, als habe dieser zum vorgesehenen Rentenbeginn, dem 1. September 2007,\nvorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 Abs. 5 SGB VI\nbeanspruchen können.\n\n \n\nDie Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.\n\n \n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen\nentgangenen Rentenbezugs.\n\n2\n\n \n\nDer 1947 geborene Kläger war seit 1. Juli 1980 bei der Beklagten, zuletzt als\nVorschriftenverwalter im Luftwaffenmaterialdepot 42 in G, beschäftigt.\nPersonalbearbeitende Dienststelle war die Standortverwaltung Z (nunmehr\nBundeswehr-Dienstleistungszentrum Z).\n\n3\n\n \n\n \n\nAuf das Arbeitsverhältnis fanden ua. der BAT, der Tarifvertrag zur Regelung\nder Altersteilzeitarbeit _(TV ATZ)_ sowie der Tarifvertrag über\nsozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der\nBundeswehr vom 18. Juli 2001 _(TV UmBw)_ Anwendung. Dieser Tarifvertrag\nenthält auszugsweise folgende Regelungen:\n\n \n\n | **„§ 1** \n---|--- \n| **Geltungsbereich** \n| (1) | Abschnitt I dieses Tarifvertrages gilt für die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend Arbeitnehmer), die unter den \n| | \\- Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) \n| | … \n| | fallen und deren Arbeitsplätze in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 31. Dezember 2010 durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich damit verbundener Umgliederung oder Verlegung auf Grund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen. \n| … | \n| **§ 2** \n| **Unterrichtungspflicht** \n| (1) | Die betroffenen Arbeitnehmer sind rechtzeitig über die ihren Arbeitsplatz betreffenden Organisationsentscheidungen und deren Auswirkungen zu unterrichten. Sie müssen rechtzeitig vor sie betreffenden Personalentscheidungen ihre Vorstellungen für eine weitere Verwendung in Personalgesprächen einbringen können. \n| (2) | Der Arbeitgeber hat die zuständige Personalvertretung rechtzeitig und umfassend über die vorgesehenen organisatorischen und personellen Maßnahmen zu unterrichten. Er hat die personellen und sozialen Auswirkungen dieser Maßnahmen mit der Personalvertretung zu beraten. \n| (3) | Die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen bleiben unberührt. \n| **§ 9** \n| **Abfindung** \n| (1) | Der Arbeitnehmer, der nach einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit von mindestens zwei Jahren wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes (§ 1 Abs. 1) im gegenseitigen Einvernehmen vor Vollendung des 58. Lebensjahres aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ausscheidet, erhält eine Abfindung nach Maßgabe folgender Tabelle: \n| | … \n| | Erklärt der Arbeitnehmer innerhalb von sechs Wochen seit dem Angebot eines Auflösungsvertrages schriftlich seine endgültige Zustimmung zu der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, erhöht sich der aus Unterabsatz 1 ergebende Abfindungsbetrag um 25 v.H. … \n| **§ 10** \n| **Altersteilzeitarbeit** \n| Unter Geltung des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV\nATZ) vom 5. Mai 1998 in der jeweils geltenden Fassung kann ein\nAltersteilzeitarbeitsverhältnis nach folgenden Maßgaben vereinbart werden: \n| 1\\. | Mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des TV ATZ erfüllen, kann ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbart werden. Der Arbeitgeber kann in diesen Fällen die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen. \n| | Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über den Antrag auf Altersteilzeitarbeit zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden. \n| 2\\. | Für Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, gilt § 2 Abs. 2 und 3 TV ATZ.“ \n \n \n\n4\n\n \n\n \n\n§ 2 TV ATZ bestimmt auszugsweise:\n\n \n\n | „(1) | Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die \n---|---|--- \n| | a) | das 55. Lebensjahr vollendet haben, \n| | b) | eine Beschäftigungszeit (z.B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren vollendet haben und \n| | c) | innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben, \n| | die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein. \n| (2) | Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. … \n| (3) | Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.“ \n \n \n\n5\n\n \n\nIm Hinblick auf die Vollendung seines 55. Lebensjahres und der deswegen\neröffneten Möglichkeit der Inanspruchnahme von Altersteilzeit ließ sich der\nKläger im Januar 2002 durch Mitarbeiter der Beklagten über Altersteilzeit\nberaten und erhielt bei dieser Gelegenheit verschiedene Merkblätter\nausgehändigt.\n\n6\n\n \n\nAm 7. März 2002 erhielt der Kläger eine Rentenauskunft von der\nBundesversicherungsanstalt für Angestellte _(BfA)_ bezüglich eines\nRentenbeginns am 1. September 2007. Am 11. September 2002 wurde ihm eine\nweitere Rentenauskunft, die ua. die Variante eines Rentenbeginns ab dem 1.\nSeptember 2007 wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab Vollendung\ndes 60. Lebensjahres enthielt, erteilt.\n\n7\n\n \n\nAufgrund eines entsprechenden Organisationsbefehls wurde am 25. November 2003\nbekannt, dass die Beschäftigungsdienststelle des Klägers mit Ablauf des 31.\nDezember 2009 aufgelöst werden solle.\n\n8\n\n \n\nMit Schreiben vom 16. Dezember 2003 beantragte der Kläger bei der zuständigen\nStandortverwaltung Z Altersteilzeit im Blockmodell ab September 2004 bis zu\nseinem Rentenbeginn im September 2007. Der Leiter der\nBeschäftigungsdienststelle des Klägers, K, bestätigte am 19. Dezember 2003,\ndass der beantragten Altersteilzeit dringende dienstliche Belange nicht\nentgegenstehen. Über den klägerischen Antrag wurde bis zum 31. Dezember 2003\nnicht entschieden.\n\n9\n\n \n\n \n\nNachdem der Kläger zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt auf die Beklagte\nzugekommen war und um den Abschluss eines Aufhebungsvertrages nachgesucht\nhatte, teilte ihm die Standortverwaltung Z am 7. Januar 2004 schriftlich ua.\nmit:\n\n \n\n | „Sehr geehrter Herr B, \n---|--- \n| mit Ablauf des 31.12.2009 wird gemäß o.g. Entscheidung des Bundesministers\nder Verteidigung das LwMatDp 42 in G aufgelöst. \n| Damit sind Sie Betroffener im Sinne des Tarifvertrages über\nsozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der\nBundeswehr (TV UmBw). \n| Sollten Sie Interesse haben, aus Ihrem unbefristeten Arbeitsverhältnis\ndurch Auflösungsvertrag auszuscheiden, biete ich Ihnen eine Abfindung gem. § 9\nTV UmBw an. \n| …“ \n \n \n\n10\n\n \n\n \n\nAm 12. Januar 2004 schrieb der Kläger an die Beklagte:\n\n \n\n | „Betreff: Angebot Abfindung gem. § 9 TVUmBw \n---|--- \n| Sehr geehrte Frau S, \n| hiermit möchte ich Ihr Angebot vom 07.01.2004 gem. § 9 TVUmBw (Abfindung)\nannehmen. \n| Mein Arbeitsverhältnis wird dann zum 20.08.2005 enden. \n| Eine Übernahme eines anderen Arbeitgebers, bei dem Versicherungspflicht in\nder VBL besteht, wird es nicht geben. \n| Bitte lassen Sie mir den Auflösungsvertrag schnellstens zukommen, da ich\nwichtige Termine beim Arbeitsamt nicht versäumen darf. \n| …“ \n \n \n\n11\n\n \n\nHintergrund der Bitte um schnellen Abschluss des Auflösungsvertrages war, dass\nder Kläger eine Frist von 18 Monaten zwischen Abschluss des\nAuflösungsvertrages und Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhalten musste,\num den Eintritt einer Sperrzeit zu vermeiden. Der Kläger beabsichtigte, nach\nAblauf des 20. August 2005 für die Dauer von zwei Jahren Arbeitslosengeld zu\nbeziehen und sodann ab September 2007 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu\nbeziehen.\n\n12\n\n \n\nAm 13. Januar 2004 schlossen die Beklagte und der Kläger einen\nAuflösungsvertrag. Nach diesem sollte der Kläger mit Ablauf des 20. August\n2005 wegen Wegfalls des Dienstpostens durch Auflösung der\nBeschäftigungsdienststelle aufgrund der Neuausrichtung der Bundeswehr _(§ 1\nAbs. 1 TV UmBw)_ im gegenseitigen Einvernehmen gegen Abfindung gemäß § 9 TV\nUmBw aus dem Dienst der Bundeswehrverwaltung ausscheiden.\n\n13\n\n \n\nAnlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers im August 2005\nzahlte die Beklagte an diesen die ihm gemäß § 9 TV UmBw zustehende Abfindung\nin Höhe von 20 Monatsbezügen.\n\n14\n\n \n\n \n\nBereits am 3. Dezember 2003 hatte die Bundesregierung den Entwurf eines\nGesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der\ngesetzlichen Rentenversicherung _(RV-Nachhaltigkeitsgesetz)_ beschlossen. Der\nEntwurf sah eine Änderung des § 237 SGB VI bezüglich des Renteneintrittsalters\nfür den Fall der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente wegen\nArbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit vor. Während es nach der bisherigen\nFassung von § 237 SGB VI möglich war, unter bestimmten Voraussetzungen mit der\nVollendung des 60. Lebensjahres Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach\nAltersteilzeit zu erhalten, sollte dies nach dem Gesetzentwurf ab dem 1.\nJanuar 2004 erst ab einem späteren Lebensalter möglich sein. Das am 26. Juli\n2004 verkündete RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 _(BGBl. I S. 1791)_\nentspricht dem Regierungsentwurf. § 237 Abs. 5 SGB VI lautet in der Fassung\ndes RV-Nachhaltigkeitsgesetzes auszugsweise:\n\n \n\n | „(5) | Die Altersgrenze von 60 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme wird für Versicherte, \n---|---|--- \n| … | \n| 2\\. | deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 1. Januar 2004 erfolgt ist, nach dem 31. Dezember 2003 beendet worden ist, \n| … | \n| nicht angehoben.“ \n \n \n\n15\n\n \n\nÜber den Kabinettsbeschluss vom 3. Dezember 2003 wurde in den Medien und im\nInternet berichtet. Der Kläger hatte weder den Kabinettsbeschluss noch den\nGesetzesentwurf zur Kenntnis genommen.\n\n16\n\n \n\nMit Bescheid vom 27. Juli 2007 teilte die Deutsche Rentenversicherung dem\nKläger mit, dass seinem Antrag vom 6. Juli 2007 auf Gewährung von Altersrente\nwegen Arbeitslosigkeit nach § 237 SGB VI ab dem 1. September 2007 nicht\nentsprochen werden könne. Vertrauensschutz bestehe für ihn nicht, da seine\nVereinbarung erst am 13. Januar 2004, also nicht vor dem 1. Januar 2004,\ngetroffen worden sei. Die Rente wegen Arbeitslosigkeit könne daher frühestens\nzum 1. Mai 2009 mit einem Abschlag von 12 vH beginnen. Die gegen diesen\nBescheid gerichtete Klage blieb vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit\nohne Erfolg.\n\n17\n\n \n\nIn der Zeit vom 21. August 2005 bis zum 19. April 2008 erhielt der Kläger\nArbeitslosengeld. Danach war er ohne Einkünfte. Seit dem 1. Mai 2009 bezieht\nder Kläger Altersrente.\n\n18\n\n \n\nDer Kläger meint, er sei im Wege des Schadensersatzes von der Beklagten so zu\nstellen, als hätte er ab dem 1. September 2007 vorgezogene Altersrente wegen\nArbeitslosigkeit bezogen, da ihn die Beklagte vor und bei Abschluss der\nAufhebungsvereinbarung nicht richtig informiert habe und ihn auch nicht darauf\nhingewiesen habe, dass die ihm unbekannte Vertrauensschutzregelung des § 237\nAbs. 5 SGB VI nur für bis zum 31. Dezember 2003 geschlossene\nBeendigungsvereinbarungen gilt. Hätte ihn die Beklagte rechtzeitig und\nzutreffend informiert, hätte er den Aufhebungsvertrag oder eine\nAltersteilzeitvereinbarung vor dem 31. Dezember 2003 geschlossen. Insbesondere\nhätte er im Januar 2004 keinen Aufhebungsvertrag mehr vereinbart. Grundlage\ndes Aufhebungsvertrages sei nämlich gewesen, dass er zum 20. August 2005 aus\ndem Arbeitsverhältnis ausscheide, hiernach für die Dauer von zwei Jahren\nArbeitslosengeld beziehe und sodann mit Vollendung des 60. Lebensjahres ab dem\n1. September 2007 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erhalte. Dies sei bei\neinem Vertragsschluss im Januar 2004 aufgrund der Stichtagsregelung in der\nbeabsichtigten Gesetzesänderung jedoch nicht mehr möglich gewesen. Die\nBeklagte habe sowohl die beabsichtigte Gesetzesänderung gekannt als auch\ngewusst, dass er mit der Vollendung des 60. Lebensjahres in den vorgezogenen\nAltersrentenbezug übertreten wollte. Die Beklagte habe ihn „sehenden Auges ins\noffene Messer rennen lassen“, weil sie mit ihm vor dem 1. Januar 2004 weder\neine Auflösungs- noch eine Altersteilzeitarbeitsvereinbarung geschlossen habe.\n\n19\n\n \n\n \n\nDer Kläger hat beantragt\n\n | festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger so zu stellen, als habe dieser zum vorgesehenen Rentenbeginn, dem 1. September 2007, vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 Abs. 5 SGB VI beanspruchen können. \n---|--- \n \n \n\n20\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n21\n\n \n\nSie vertritt die Auffassung, Aufklärungs- und Hinweispflichten hätten weder\nvor dem 1. Januar 2004 noch vor Abschluss des Aufhebungsvertrages bestanden.\nAuch sei sie nicht verpflichtet gewesen, eine Altersteilzeit- oder\nAufhebungsvereinbarung noch im Dezember 2003 zu schließen.\n\n22\n\n \n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das\nLandesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser\nverfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter, während die Beklagte die\nZurückweisung der Revision beantragt.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n23\n\n \n\nDie Revision des Klägers ist begründet. Ihm steht der geltend gemachte\nSchadensersatzanspruch zu.\n\n24\n\n \n\nI. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz\nverneint, da weder ein vertraglicher Anspruch noch ein Anspruch wegen einer\nStörung der Geschäftsgrundlage des Auflösungsvertrages vom 13. Januar 2004\ngegeben sei. Auch einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 241 Abs. 2, §\n280 Abs. 1 und §§ 249 ff. BGB hat das Landesarbeitsgericht verneint. Es hat\nangenommen, soweit dem Kläger durch ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten\nder Beklagten ein Schaden entstanden sei und gegebenenfalls noch künftig\nentstehen werde, habe hierbei ein Mitverschulden des Klägers mitgewirkt.\nDieses sei derart erheblich, dass es zum Wegfall einer etwaigen Ersatzpflicht\nder Beklagten führe.\n\n25\n\n \n\nZwar bestehe die Verpflichtung des Arbeitgebers, gegenüber Arbeitnehmern im\nHinblick auf die versorgungsrechtlichen Folgen eines vorzeitigen Ausscheidens\nzutreffende Angaben zu machen, fehlerhafte Auskünfte habe die Beklagte dem\nKläger aber im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses\nnicht erteilt.\n\n26\n\n \n\nAllerdings könne eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht ausgeschlossen\nwerden, soweit sie den Kläger nicht rechtzeitig auf die bis zum 31. Dezember\n2003 bestehende Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 5 SGB VI hingewiesen\nhabe. Dabei sei zwar festzustellen, dass die handelnden Vertreter der\nBeklagten bereits im Laufe des Monats Dezember 2003 von der bevorstehenden\nGesetzesänderung Kenntnis hatten, dass jedoch andererseits der\nGeltungszeitraum der Vertrauensschutzregelung recht knapp bemessen war. Eine\nHinweispflicht der Beklagten hätte frühestens ab dem 19. Dezember 2003\nbestehen können. Erst zu diesem Zeitpunkt habe der personalbearbeitenden\nDienststelle der Antrag des Klägers auf Altersteilzeit vorgelegen. Unter\nBerücksichtigung der bis zum 31. Dezember 2003 verbleibenden Arbeitstage\nstelle sich das Verschulden der Beklagten bezüglich des Unterlassens eines\nHinweises auf Änderung der Rechtslage als gering dar, zumal ein schlichter\nHinweis nicht genügt hätte. Vielmehr hätte es einer Mitwirkungshandlung des\nKlägers _(Abschluss einer Vereinbarung vor dem 1. Januar 2004)_ bedurft, damit\ndieser in den Genuss der Vertrauensschutzregelung hätte kommen können. An\neiner solchen Mitwirkungshandlung habe es der Kläger fehlen lassen. Daher sei\ndem Kläger ein Mitverschulden zur Last zu legen, welches zum Untergang eines\nmöglichen Schadensersatzanspruchs führe. Er habe es trotz objektiv gegebener\nInformationsmöglichkeiten unterlassen, sich über die anstehenden Änderungen im\nRentenrecht zu informieren, obgleich diese Gegenstand einer breiten\nöffentlichen Diskussion gewesen seien. Der Kläger habe auch nicht auf die im\nJahr 2002 eingeholten Informationen vertrauen dürfen, da diese im Dezember\n2003 nicht mehr aktuell gewesen seien und er mit Änderungen im Rentenrecht\nhabe rechnen müssen.\n\n27\n\n \n\nDass die Beklagte nicht noch im Dezember 2003 eine Altersteilzeitvereinbarung\nmit dem Kläger getroffen habe, begründe keinen Schuldvorwurf, weil keine\nsolche Verpflichtung zum Vertragsschluss bestanden habe. Den Personen, welche\ndie Beklagte gegenüber dem Kläger vertreten hätten, sei eine angemessene\nÜberlegungsfrist zuzubilligen gewesen, die am 31. Dezember 2003 noch nicht\nabgelaufen gewesen sei. Die Beklagte hätte nur dann über den\nAltersteilzeitantrag vom 16. Dezember 2003 „postwendend“ befinden müssen, wenn\nder Kläger auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit hingewiesen oder aber\nden Altersteilzeitantrag mit Nachdruck weiterverfolgt hätte. Dies sei nicht\nder Fall gewesen. Vielmehr habe er in der Folgezeit um einen Auflösungsvertrag\nnachgesucht. Damit habe er sich widersprüchlich verhalten und eine unklare\nLage geschaffen. Soweit der Beklagten diesbezüglich überhaupt ein\nSchuldvorwurf zu machen sei, sei ihr Verschulden derartig gering, dass es im\nRahmen des § 254 Abs. 1 BGB gegenüber der groben Obliegenheitsverletzung des\nKlägers vollständig zurücktrete.\n\n28\n\n \n\nSollte eine Hinweispflicht für die Beklagte auch nach dem 31. Dezember 2003\nnoch bestanden haben, lasse sich nicht feststellen, dass durch die\nentsprechende Pflichtverletzung der Beklagten der Nachteil des Klägers\nbegründet worden sein könnte, dessen Ausgleich er begehrt. Der Kläger habe\nvorgetragen, dass er im Januar 2004 den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen\nhätte, wenn er von der Beklagten über die Stichtagsregelung informiert worden\nwäre. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers könnte mithin nur auf eine\nFortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den vereinbarten Beendigungstermin\nhinaus gerichtet sein und nicht darauf, ihn so zu stellen, als hätte er ab 1.\nSeptember 2007 vorgezogene Altersrente bezogen.\n\n29\n\n \n\nII. Das landesarbeitsgerichtliche Urteil hält einer revisionsrechtlichen\nÜberprüfung nicht stand.\n\n30\n\n \n\n1\\. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das erforderliche\nFeststellungsinteresse gegeben.\n\n31\n\n \n\nNach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder\nNichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein\nrechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche\nEntscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse\nnach dieser Vorschrift muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des\nVerfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen\nist von Amts wegen zu prüfen _(BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - AP ZPO 1977 §\n256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2)_.\n\n32\n\n \n\nDem Feststellungsantrag steht der Vorrang der Leistungsklage vorliegend nicht\nentgegen. Zwar hat aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit eine\nLeistungsklage grundsätzlich Vorrang vor einer Feststellungsklage, wenn der\nKläger seinen Anspruch beziffern kann _(BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - AP\nZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2_ _)_ , jedoch kann dennoch\nein Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bestehen, wenn durch die\nFeststellungsklage eine sachgemäße, einfache Erledigung der aufgetretenen\nStreitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen den\nZwang zur Leistungsklage sprechen _(BAG 11. März 2008 - 3 AZR 358/06 - BAGE\n126, 120 = AP UmwG § 131 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 4 Nr. 7)_. Diese\nVoraussetzungen sind vorliegend gegeben. Richtet sich die Feststellungsklage\nnämlich gegen einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, kann erwartet\nwerden, dass dieser einem gegen ihn ergangenen Feststellungsurteil nachkommen\nund die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird _(BAG 29.\nSeptember 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112 = AP BGB § 242 Betriebliche\nÜbung Nr. 67 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 3)_.\n\n33\n\n \n\nZwischen den Parteien ist einzig die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem\nGrunde nach streitig, so dass davon auszugehen ist, dass die Beklagte als\nöffentliche Arbeitgeberin ein Feststellungsurteil in gleicher Weise umsetzen\nwird wie ein Leistungsurteil.\n\n34\n\n \n\n2\\. Die Klage ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts begründet.\n\n35\n\n \n\na) Es kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob die Beklagte\ngegen Aufklärungs- und Unterrichtungspflichten verstoßen hat. Die Klage ist\nnämlich bereits deshalb begründet, weil die Beklagte gegen die vertragliche\nNebenpflicht, den Antrag des Klägers auf Altersteilzeit vom 16. Dezember 2003\nvor Ablauf des 31. Dezember 2003 anzunehmen, schuldhaft verstoßen hat.\n\n36\n\n \n\naa) Aus einem Schuldverhältnis erwachsen einer Vertragspartei nicht nur\nLeistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die\nRechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Diese nunmehr\nmit Wirkung ab 1. Januar 2002 in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich normierten\nPflichten waren bereits vor dem Inkrafttreten dieser Norm aus § 242 BGB\nabgeleitet worden.\n\n37\n\n \n\nJedem Arbeitsverhältnis wohnt die Nebenpflicht des Arbeitgebers inne, die im\nZusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers\nso zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange\nbeider Vertragspartner sowie der anderen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben\nverlangt werden kann. Diese Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers auf die\nRechte und Rechtsgüter der Arbeitnehmer gilt für alle schutzwürdigen\nInteressen, so auch für Vermögensinteressen _(vgl. BAG 11. März 2008 - 3 AZR\n358/06 - BAGE 126, 120 = AP UmwG § 131 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 4 Nr. 7)_.\n\n38\n\n \n\nbb) Der Beklagten, handelnd durch den Leiter der Beschäftigungsdienststelle,\nK, lag spätestens am 19. Dezember 2003 der Antrag des Klägers auf\nAltersteilzeit vor. Grundsätzlich hätte keine Verpflichtung für die Beklagte\nbestanden, über diesen Antrag binnen eines bestimmten Zeitraumes zu\nentscheiden. Allerdings hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung - wie das\nLandesarbeitsgericht festgestellt hat - die Beklagte Kenntnis von dem\nGesetzentwurf zu § 237 Abs. 5 SGB VI und der darin vorgesehenen\nStichtagsregelung. Mit dieser sollte nach dem Willen der Bundesregierung\ngewährleistet werden, „dass potenziell berechtigte Versicherte auf der\nGrundlage des Kabinettsbeschlusses über den Gesetzentwurf (3. Dezember 2003)\nihre Möglichkeit zur Vereinbarung von Altersteilzeit überprüfen und\ngegebenenfalls noch einen Vertrag über Altersteilzeitarbeit abschließen\nkönnen“ _(BR-Drucks. 1/04 S. 63 f.)_. Der Beklagten war bekannt, dass nach dem\nGesetzentwurf nur eine Annahme des Altersteilzeitantrages des Klägers vor\nAblauf des 31. Dezember 2003 die im Antrag bezeichnete Absicht des Klägers, ab\nSeptember 2007 Altersrente in Anspruch zu nehmen, ermöglichen konnte. Allein\ndie Möglichkeit, dass bis zur Verkündung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes noch\nÄnderungen am Gesetzentwurf vorgenommen werden konnten, entband die Beklagte\nnicht von der Verpflichtung, im Hinblick auf die von der Bundesregierung\nbeschlossenen Änderungen des § 237 SGB VI unverzüglich über den klägerischen\nAltersteilzeitwunsch zu befinden. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil im\nDezember 2003 keine konkreten Anhaltspunkte vorlagen, welche die Annahme der\nBeklagten hätten rechtfertigen können, es werde im Gesetzgebungsverfahren\nnicht zur geplanten Anhebung des Renteneintrittsalters oder zu einer\ngrundlegenden Änderung der beabsichtigten Vertrauensschutzregelung in § 237\nAbs. 5 Nr. 2 SGB VI kommen.\n\n39\n\n \n\ncc) Die Beklagte wäre zur Annahme des klägerischen Antrages vom 16. Dezember\n2003 verpflichtet gewesen, weil der Kläger Anspruch auf Altersteilzeit hatte.\n\n40\n\n \n\n§ 10 TV UmBw verweist darauf, dass unter der Geltung des TV ATZ der Abschluss\neines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses möglich ist. § 2 Abs. 1 TV ATZ\nbestimmt ebenso wie § 10 Nr. 1 Satz 1 TV UmBw, dass der Arbeitgeber mit\nArbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, unter bestimmten\nVoraussetzungen die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein\nAltersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes\nvereinbaren kann. Der mit diesen „Kann-Vorschriften“ für den öffentlichen\nArbeitgeber eröffnete weite Entscheidungsspielraum ist jedoch durch § 10 Nr. 1\nSatz 2 TV UmBw eingeschränkt worden.\n\n41\n\n \n\nBei der Entscheidung über Altersteilzeitanträge von Arbeitnehmern ist der\nArbeitgeber nicht frei in der Ausübung seines Ermessens. Ersichtlich haben die\nTarifvertragsparteien mit der „Kann-Bestimmung“ nicht allein die\nSelbstverständlichkeit wiederholt, dass der Arbeitgeber Vertragsfreiheit\ngenießt und daher mit den Arbeitnehmern auf der Grundlage des\nAltersteilzeitgesetzes Verträge schließen kann. Ein Arbeitnehmer hat vielmehr\nAnspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag\nbilliges Ermessen gemäß § 315 BGB wahrt. Der Arbeitgeber ist daher\nverpflichtet, bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des\nEinzelfalles zu berücksichtigen und die beiderseitigen Interessen angemessen\nzu wahren _(BAG 12. Dezember 2000 - 9 AZR 706/99 - BAGE 96, 363 = AP ATG § 3\nNr. 1 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 1)_.\n\n42\n\n \n\nFür eine ablehnende Entscheidung braucht der Arbeitgeber sachliche, nicht aber\nzwingend betriebliche oder dienstliche Gründe. Zu den sachlichen Gründen\nzählen auch finanzielle Erwägungen. Der Begriff des sachlichen Grundes umfasst\nzunächst dienstliche oder betriebliche Gründe, geht aber auch darüber hinaus.\nDies bedeutet, dass dienstliche oder betriebliche Gründe stets auch sachliche\nGründe sind, jedoch nicht jeder sachliche Grund gleichzeitig einen\ndienstlichen oder betrieblichen Grund darstellt.\n\n43\n\n \n\n§ 10 Nr. 1 Satz 2 TV UmBw regelt im Zusammenhang mit der „Kann-Vorschrift“,\ndass der Arbeitgeber in den Fällen des Satzes 1 die Vereinbarung eines\nAltersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen kann, soweit dienstliche bzw.\nbetriebliche Gründe entgegenstehen. Da dieser Umstand bereits im Rahmen der\nAusübung billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB berücksichtigungsfähig ist,\nwäre diese tarifliche Regelung überflüssig, wenn ihr keine weitere Bedeutung\nbeigemessen würde. Deshalb ist aus § 10 Nr. 1 Satz 2 TV UmBw zu folgern, dass\nfür die Ablehnung eines Altersteilzeitantrages nach § 10 Nr. 1 Satz 1 TV UmBw\nnicht jedweder sachliche Grund genügt, sondern ausschließlich dienstliche oder\nbetriebliche Gründe den Arbeitgeber zur Ablehnung eines Altersteilzeitwunsches\nberechtigen.\n\n44\n\n \n\nDiese Einschränkung des Entscheidungsspielraums des Arbeitgebers ergibt sich\nauch aus dem Vergleich der Regelungen in § 10 Nr. 1 TV UmBw mit denen des § 2\nTV ATZ. Während sich in § 10 Nr. 1 TV UmBw an Satz 1 _(Altersteilzeit für\nArbeitnehmer unter 60 Jahren)_ unmittelbar der Satz: „Der Arbeitgeber kann in\ndiesen Fällen die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses\nablehnen, soweit dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen“\nanschließt, wird in § 2 Abs. 2 TV ATZ zunächst ein Rechtsanspruch auf\nAltersteilzeit für Arbeitnehmer begründet, die das 60. Lebensjahr vollendet\nhaben und die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. Erst hiernach\nregelt § 2 Abs. 3 TV ATZ, dass der Arbeitgeber die Vereinbarung eines\nAltersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen kann, soweit dringende dienstliche\nbzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.\n\n45\n\n \n\nSowohl aus der systematischen Stellung als auch aus Sinn und Zweck der\nRegelungen in § 2 TV ATZ ist zu folgern, dass sich § 2 Abs. 3 TV ATZ lediglich\nauf Abs. 2 bezieht und in Bezug auf Abs. 1 _(Altersteilzeit für Arbeitnehmer\nunter 60 Jahren)_ nicht anzuwenden ist _(BAG 12. Dezember 2000 - 9 AZR 706/99\n- BAGE 96, 363 = AP ATG § 3 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 1)_. Abs. 1\nerlaubt dem Arbeitgeber die Ablehnung eines Altersteilzeitantrages eines unter\n60-jährigen Arbeitnehmers im Rahmen billigen Ermessens gemäß § 315 BGB. Er\nstellt somit deutlich niedrigere Anforderungen an die Möglichkeit der\nAblehnung _(im Ergebnis ebenso: Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand\nJuni 2006 Teil VI - Altersteilzeit-TV Erl. 13.3)_. Da sich im Gegensatz hierzu\nin § 10 Nr. 1 TV UmBw die Möglichkeit der Einwendung „dienstlicher bzw.\nbetrieblicher Gründe“ unmittelbar an die „Kann-Regelung“ des Satzes 1\n_(Altersteilzeit für Arbeitnehmer unter 60 Jahren)_ anschließt, ist zu\nfolgern, dass eine Ablehnung von Altersteilzeitwünschen der unter 60-jährigen\nArbeitnehmer nur bei Vorliegen dienstlicher oder betrieblicher Gründe möglich\nist.\n\n46\n\n \n\nMit Stellungnahme vom 19. Dezember 2003 hatte der Leiter der\nBeschäftigungsdienststelle bestätigt, dass der „beantragten Altersteilzeit\ndringende dienstliche Belange“ nicht entgegenstehen. Auch hat die Beklagte im\nRechtsstreit keine Gründe vorgetragen, weshalb der Altersteilzeitantrag des\nKlägers abzulehnen gewesen wäre.\n\n47\n\n \n\ndd) Die rechtzeitige Annahme des Altersteilzeitantrages des Klägers war der\nBeklagten nicht unmöglich oder unzumutbar. Selbst wenn zu ihren Gunsten\nunterstellt wird, der Altersteilzeitantrag vom 16. Dezember 2003 habe erst am\nFreitag, dem 19. Dezember 2003, bei der Beschäftigungsdienststelle vorgelegen,\nso ist nicht ersichtlich, weshalb eine abschließende Bearbeitung an den\nverbleibenden vier Arbeitstagen _(Montag 22., Dienstag 23., Montag 29. und\nDienstag 30. Dezember 2003)_ nicht möglich gewesen sein soll. Zwar konnte der\nAltersteilzeitantrag nicht von der Beschäftigungsdienststelle in G\nrechtsverbindlich angenommen werden, aber weshalb eine kurzfristige\nWeiterleitung an die Standortverwaltung Z nicht möglich gewesen war, ist weder\nerkennbar noch von der Beklagten nachvollziehbar dargetan.\n\n48\n\n \n\nHinzu kommt, dass die Beklagte aufgrund ihrer Kenntnis des Gesetzentwurfes mit\nder darin enthaltenen Stichtagsregelung organisatorische Maßnahmen hätte\ntreffen müssen, um kurzfristig auf Wünsche von Arbeitnehmern auf Abschluss von\nAltersteilzeit- oder Aufhebungsvereinbarungen reagieren zu können. Wenn die\nBundesregierung in einem Gesetzesentwurf einen zeitnahen Stichtag bezeichnet\nund zur Begründung angibt, dass mit der Festsetzung des Stichtages\ninsbesondere gewährleistet werde, dass potenziell berechtigte Versicherte die\nMöglichkeit zur Vereinbarung von Altersteilzeit überprüfen und gegebenenfalls\nnoch einen Vertrag über Altersteilzeitarbeit abschließen können, so muss\nzumindest die öffentliche Verwaltung die Gewähr dafür schaffen, dass\nentsprechende Anträge ihrer Arbeitnehmer zeitnah, dh. vor dem Stichtag\nverbeschieden werden.\n\n49\n\n \n\nEin solcher zeitnaher Abschluss der vom Kläger gewünschten\nAltersteilzeitvereinbarung wäre trotz des engen Zeitrahmens auch möglich\ngewesen. Der Altersteilzeitantrag war bereits so konkret, dass es keiner\nweiteren Kommunikation zwischen dem Kläger und der Beklagten vor Annahme des\nAntrages bedurft hätte. Um dem Schriftformerfordernis des § 4 BAT zu genügen,\nwäre es möglich gewesen, auf dem schriftlichen Antrag des Klägers die Annahme\ndes Altersteilzeitantrages zu erklären.\n\n50\n\n \n\nSoweit das Landesarbeitsgericht auf eine der Beklagten zuzubilligende\nÜberlegungsfrist abstellt, die am 31. Dezember 2003 noch nicht abgelaufen\ngewesen sei, findet diese Annahme weder in den Feststellungen des\nLandesarbeitsgerichts noch im Parteivortrag eine Stütze. Dass bei der\nBeklagten vor Ablauf des 31. Dezember 2003 überlegt worden ist, ob der\nAltersteilzeitantrag des Klägers angenommen werden soll, ist nicht\nvorgetragen. Die Beklagte hat lediglich ausgeführt: „Damit reduziert sich die\nBegründung des Anspruchs durch den Kläger darauf, dass er behauptet, die\nBeklagte sei verpflichtet gewesen, a) seinen Antrag vom 16.12.2003 während der\nWeihnachtszeit bis spätestens 31.12.2003 abschließend zu bearbeiten und zu\nbescheiden und b) diesem Antrag stattzugeben. Woraus eine solche doppelte\nRechtspflicht der Beklagten abgeleitet werden können soll ist im gesamten\nbisherigen klägerischen Vorbringen nicht dargelegt und für die Beklagte\nunerfindlich.“\n\n51\n\n \n\nee) Der Verstoß der Beklagten gegen die ihr obliegende Verpflichtung, noch im\nJahr 2003 den Antrag des Klägers auf Abschluss eines\nAltersteilzeitarbeitsverhältnisses anzunehmen, erfolgte schuldhaft im Sinne\ndes § 276 BGB.\n\n52\n\n \n\nNach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Schuldner nicht, wenn er die\nPflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Aus der Formulierung des Gesetzes\nergibt sich, dass der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für das\nNichtvertretenmüssen trägt. Steht daher die Verletzung der Pflichten aus einem\nSchuldverhältnis fest, muss sich der Schuldner entlasten. Dies hat die\nBeklagte nicht getan. Hierbei ist es gleichgültig, ob sie sich ein Verschulden\ndes Leiters der Beschäftigungsdienststelle in G _(wegen einer möglicherweise\nverzögerten Weiterreichung des Antrages)_ oder ein Verschulden der Leiterin\nder Standortverwaltung Z _(wegen verzögerter Bearbeitung)_ nach § 278 BGB\nzurechnen lassen muss oder ob ein eigenes Organisationsverschulden wegen der\nunzureichenden Verfahrensabläufe anzunehmen ist.\n\n53\n\n \n\nb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt kein\nanspruchsminderndes oder anspruchsausschließendes Mitverschulden des Klägers\nvor.\n\n54\n\n \n\nDas Berufungsgericht meint, es hätte dem Kläger oblegen, sich über Änderungen\nim Sozialversicherungsrecht zu informieren. Auch sei die Beklagte nicht\nverpflichtet gewesen, über den Altersteilzeitantrag vom 16. Dezember 2003\n„postwendend“ zu befinden, weil der Kläger nicht ausdrücklich auf die\nEilbedürftigkeit hingewiesen und seinen Altersteilzeitantrag nicht mit\nNachdruck weiterverfolgt habe. Vielmehr sei er in der Folgezeit _(mündlich\nbzw. fernmündlich)_ auf die Beklagte zugekommen und habe um einen\nAuflösungsvertrag nachgesucht. Damit habe er sich widersprüchlich verhalten\nund eine unklare Lage geschaffen. Von diesem Geschehensablauf ist das\nLandesarbeitsgericht aufgrund der Feststellungen in der Niederschrift über die\nVerhandlung vor dem Arbeitsgericht am 18. August 2008 in Verbindung mit den\nFeststellungen im arbeitsgerichtlichen Urteil ausgegangen.\n\n55\n\n \n\n \n\nDie diesbezüglichen Passagen in der Sitzungsniederschrift vom 18. August 2008\nlauten:\n\n \n\n | „Der Terminsvertreter der Beklagten verweist darauf, dass älteren Arbeitnehmern wie dem Kläger grundsätzlich von der Beklagten kein Auflösungsvertrag angeboten werde. Dies auch im Hinblick darauf, dass dann die älteren Arbeitnehmer noch in die Arbeitslosigkeit gehen müssten. Grundsätzlich werde deswegen den älteren Arbeitnehmern nur ein Altersteilzeitvertrag angeboten. \n---|--- \n| Es sei im Nachhinein nicht mehr feststellbar, wann sich der Kläger dann an\ndie Beklagte gewandt habe wegen des Auflösungsvertrages. Dies müsse aber vor\ndem 07.01.2004 gewesen sein, weil sonst dieses Schreiben der Beklagten,\ngerichtet an den Kläger, keinen Sinn mache. \n| Der Kläger habe sich daher wohl zwischen dem Zeitpunkt des Antrages wegen\nder Altersteilzeit am 16.12.2003 und dem Schreiben vom 07.01.2004 an die\nBeklagte gewandt wegen der Auflösungsvereinbarung.“ \n \n \n\n56\n\n \n\n \n\nDie entsprechenden Ausführungen im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils\nlauten:\n\n \n\n | „Am 25.11.2003 wurde aufgrund eines Organisationsbefehls der Beklagten verbindlich bekannt gegeben, dass die Dienststelle Luftwaffenmaterialdepot 42 in G mit Ablauf des 31.12.2009 aufgelöst wird. \n---|--- \n| Daraufhin wurden von der Beklagten gegenüber den dort beschäftigten\nArbeitnehmern verschiedene Möglichkeiten - Altersteilzeitvertrag bzw.\nAufhebungsvertrag - vorgestellt. \n| In der Folge kam dann der Kläger auf die Beklagte zu und hat um den\nAbschluss eines Auflösungsvertrages nachgesucht. \n| …“ \n \n \n\n57\n\n \n\nZutreffend ist, dass sich der Kläger vor dem Stellen seines\nAltersteilzeitantrages über die aktuelle Rechtslage nicht informiert und keine\nErkundigungen über etwaige Gesetzesvorhaben eingezogen hatte. Allerdings war\ndies nicht kausal für den eingetretenen Schaden. Selbst wenn sich der Kläger\nüber die beabsichtigte Gesetzesänderung und den beabsichtigten Stichtag\ninformiert hätte, wäre der Schaden in Form des entgangenen Rentenbezuges\ngleichwohl entstanden, da die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen\nist, über den noch rechtzeitig gestellten Antrag bis zum 31. Dezember 2003 zu\nentscheiden.\n\n58\n\n \n\nKausal wäre die unterlassene Informationseinholung durch den Kläger nur dann,\nwenn er - wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis wohl meint - die Beklagte\nauf die beabsichtigte Gesetzesänderung und die deshalb erforderliche\nbeschleunigte Sachbearbeitung seines Antrages hätte hinweisen müssen.\n\n59\n\n \n\nUnabhängig von der Frage, ob für den Kläger eine solche Rechtspflicht\nüberhaupt bestehen konnte, bedurfte es im Streitfalle eines Hinweises auf die\nEilbedürftigkeit allein deshalb nicht, weil die Beklagte den Gesetzesentwurf\nnebst der vorgesehenen Stichtagsregelung kannte.\n\n60\n\n \n\nDie Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich widersprüchlich\nverhalten, ist aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht begründet. Zwar\nhatte der Kläger seinen Altersteilzeitantrag im Dezember 2003 gestellt und im\nzeitlichen Fortgang den Abschluss eines Aufhebungsvertrages begehrt. Für das\nEntstehen der Schadensersatzpflicht der Beklagten war deren Pflichtverletzung\nbis einschließlich 31. Dezember 2003 Voraussetzung. Ein Mitverschulden des\nKlägers wäre mithin nur berücksichtigungsfähig, wenn dieses bis einschließlich\n31. Dezember 2003 eingetreten wäre. Daher müsste der Kläger sein\nwidersprüchliches Verhalten bis zu diesem Zeitpunkt an den Tag gelegt haben.\nDies könnte nur dann der Fall sein, wenn er den Wunsch auf Abschluss eines\nAuflösungsvertrages gegenüber der Beklagten vor dem 1. Januar 2004 geäußert\nhätte. Dies ist aber weder von der insoweit für das Vorliegen eines\nMitverschuldens des Klägers darlegungspflichtigen Beklagten vorgetragen noch\nsonst ersichtlich. Die Beklagte hat ausweislich des Protokolls über die\nKammerverhandlung vom 18. August 2008 vor dem Arbeitsgericht vielmehr erklärt,\nder Kläger habe sich wohl zwischen dem 16. Dezember 2003 und dem 7. Januar\n2004 wegen der Auflösungsvereinbarung an sie gewandt. Infolgedessen trägt\nsogar die Beklagte selbst vor, es könne durchaus sein, dass der Kläger sein\nAuflösungsbegehren erst im Januar 2004 geäußert habe. In diesem Fall könnte er\nsich aber nicht vor dem schadensrelevanten 1. Januar 2004 widersprüchlich\nverhalten haben.\n\n61\n\n \n\n \n\nIII. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu\ntragen.\n\n \n\n \n\n | Hauck | | Böck | | Breinlinger | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Hermann | | Pauli | | \n \n \n\n \n\n
83,678
bag-2011-01-27-2-azr-82509
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 AZR 825/09
2011-01-27
2018-11-11 05:30:05
2019-01-17 16:07:14
Urteil
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\n1\\. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen\nLandesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.\n\n \n\n2\\. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts\nFrankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:\n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n3\\. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n \n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.\n\n2\n\n \n\nDer im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1.\nSeptember 1989 als Orchestermusiker _(2. Hornist)_ gegen ein\nBruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den\nanzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern\n_(TVK)_ sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als\n15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.\n\n3\n\n \n\nIhren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum\n1. September 2004 auf die S GmbH _(nachfolgend S GmbH)_ über. Der Kläger\nwidersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die\nBeklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer\nÜberleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen\nPersonalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand\neine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam\ngeführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH\neingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der\nNichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom\n19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für\n„ungültig“.\n\n4\n\n \n\nDer Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat\nzwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der\nMädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in\nden Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre\nalt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den\nJahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige.\nGegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des\nsexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war\nauch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre\naltes Mädchen sexuell missbraucht.\n\n5\n\n \n\nAm 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die\ngegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der\nBeklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer\nder Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe\nund ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt\nworden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten,\nmit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.\n\n6\n\n \n\nAm 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser\nbestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die\nBeklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung\naus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit\nUrteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass\ndie Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.\n\n7\n\n \n\nNachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem\nLandesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger\nAnklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In\neinem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie,\ndass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte\nberuhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem\nAnhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember\n2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz\nWahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21.\nDezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus.\nDagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.\n\n8\n\n \n\nDer Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung\nder Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3.\nDezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige\nWiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als\naußerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der\nKläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen\ngekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters\nbeeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im\nOrchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer\nBehandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien\nFolge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den\nGrundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels\nnegativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der\nzuständige Personalrat angehört werden müssen.\n\n9\n\n \n\n \n\nDer Kläger hat beantragt\n\n | festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist. \n---|--- \n \n \n\n10\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung\nvertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im\nStrafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in\nGang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe.\nWegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die\nKündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen\nhinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den\nMitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die\nAnwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben\nund Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im\nOrchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er\nwieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der\nKomparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei\nihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats\nsei nicht erforderlich gewesen.\n\n11\n\n \n\n \n\nDie Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die\nBeklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n12\n\n \n\nDie Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils _(§\n562 Abs. 1 ZPO)_ und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu\nUnrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt\n_(I.)_. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar\n_(§ 561 ZPO)_. Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen\nTatsachen feststehen _(§ 563 Abs. 3 ZPO)_. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs.\n1 BGB liegt vor _(II.)_. Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des\nPersonalrats unwirksam _(III.)_.\n\n13\n\n \n\nI. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB\nunwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung\ngewahrt.\n\n14\n\n \n\n1\\. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur\ninnerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2\nBGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die\nKündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.\n\n15\n\n \n\na) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige\nund möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden\nTatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des\nArbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht _(Senat 25. November 2010 - 2 AZR\n171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18,\nAP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht\nstrafbarer Handlung Nr. 7)_. Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne\nBedeutung _(Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist\nNr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319\nmwN)_. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen\ndie Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der\nAnhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung\nberechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören,\nohne dass die Frist zu laufen beginnt _(Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 -\naaO)_. Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem\nErmessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die\nAusschlussfrist nicht an _(Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der\nGründe, aaO)_. Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig\nhinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist\nerfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände\nvorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen _(Senat 2. März 2006 - 2 AZR\n46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168)_.\n\n16\n\n \n\nb) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber\nden Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in\ndessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen _(Senat\n5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer\nHandlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17.\nMärz 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002\n§ 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626\nBGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321)_. Für den betreffenden\nZeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der\nKündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt\nhat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine\nKündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der\nKündigung nehmen _(Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626\nVerdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer\nHandlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist\nNr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9)_.\n\n17\n\n \n\nc) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine\nVerdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und\nStrafverfahrens orientieren _(Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626\nVerdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer\nHandlung Nr. 7)_. Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der\nStrafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner\nhabe die Pflichtverletzung begangen _(Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO;\nvgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711)_.\nEine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der\nöffentlichen Klage haben _(Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-\nArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis\naaO)_. Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen\ndringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen _(Senat 5. Juni\n2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB §\n626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht\nstrafbarer Handlung Nr. 5)_. Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der\nLage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu\nverstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen\nAnfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der\nStrafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden.\nDer Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die\nErhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen\nEintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren\neinzuleiten _(Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO;\nHaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO)_.\n\n18\n\n \n\nd) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit\nentwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung\nzu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare\nZeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen\nZeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch\neiner Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere\nZeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine\nVerdachtskündigung darauf zu stützen _._ Dabei steht dem\nKündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu _(Senat 5. Juni\n2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung\nNr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7)_.\n\n19\n\n \n\ne) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der\nArbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum\nAnlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann\ndie Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf\nneuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit\nweiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur\nVerfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den\ngegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann\nihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen,\nwenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf\neinem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt\nberuht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung.\nEbenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit\ndem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat\nsich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung\nausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren\nKündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für\ndie Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres -\nKündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht\njeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber\ngerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte,\ndie Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.\n\n20\n\n \n\n2\\. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21.\nDezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8.\nDezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte\ninnerhalb von zwei Wochen.\n\n21\n\n \n\na) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu\ndem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger\nAnklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben\nworden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der\nVerdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom\n23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht\nidentisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die\nStaatsanwaltschaft beruft.\n\n22\n\n \n\nb) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen\nhatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des\nLandesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen\nVerhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger\nAnklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem\nzuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem\nihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe\nzum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger\nbetrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren\nerfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit\ngeben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem\nAnhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des\nSachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der\nRegel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die\nBeklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war\nein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn\nfolgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der\nBesonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte\nund die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht\nunmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den\nTermin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig\nvorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des\nim Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem\nErhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin\nnicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch\neine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.\n\n23\n\n \n\nII. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd.\n§ 626 Abs. 1 BGB.\n\n24\n\n \n\n1\\. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne\nEinhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen,\naufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des\nEinzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die\nFortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder\nbis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet\nwerden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine\nbesonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet\nist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die\nFortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten\nUmstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile -\njedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht _(st.\nRspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32;\n26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220)_.\n\n25\n\n \n\n2\\. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen\nMissbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv.\n§ 626 Abs. 1 BGB geeignet.\n\n26\n\n \n\na) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen\nentsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen\nVerhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund\ndarstellt _(st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB\n2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626\nVerdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer\nHandlung Nr. 8)_ , stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander.\nWird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet,\nsteht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich\nfest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt.\nMaßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach\nParteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt _(Senat_ _10\\. Juni 2010 -\n2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO_ _)_. Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung\ndas tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht\ngehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht\nerforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen\nhat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat _(Senat 10. Juni 2010\n- 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO)_.\nNichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar\nnicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben\nist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die\nPflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.\n\n27\n\n \n\nb) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der\nKläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in\nden Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis\nsechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003\ndie jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen\nim Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat\ndarüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während\neines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches\nErmittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem\nSohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den\nFeststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und\nandere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe\nnicht mehr zusammenarbeiten zu können.\n\n28\n\n \n\nc) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung\nausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht\neiner gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht\nentgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der\nungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter\namtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war.\nAusreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen\n„Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur\nden Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf\nbegründen _(Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 §\n626 Nr. 32)_. Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG\nauch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem\nBetriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers,\neinem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer\npflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren\nAnlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als\nerwiesen behaupteten Tat _(Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc\nder Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972\n§ 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217)_. Danach ist der\nBetriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht\ngetroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom\n15. Dezember 2006.\n\n29\n\n \n\nd) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger\nGrund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die\nVerletzung von vertraglichen Nebenpflichten _(Senat 12. März 2009 - 2 ABR\n24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19.\nApril 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD\n100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8)_.\n\n30\n\n \n\ne) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten\nInteressen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch\nvon Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus §\n5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben,\nkommt es nicht an.\n\n31\n\n \n\naa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur\nRücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres\nVertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der\nFörderung des Vertragszwecks _(Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19,\nNZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1\nVerhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte\nKündigung Nr. 77)_. Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit\nverpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu\nnehmen _(Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2\nAZR 257/08 - aaO)_. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch\naußerdienstliches Verhalten verletzt werden _(vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl.\n§ 626 BGB Rn. 83)_. Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des\nArbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer\nArbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur\ndienstlichen Tätigkeit hat _(Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10.\nSeptember 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO)_. Das ist der Fall, wenn es\nnegative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis\nhat _(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008\n-_ _2 AZR 98/07_ _\\- Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1\nVerdachtskündigung Nr. 4)_. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine\nPflichtverletzung regelmäßig aus _(Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 -\naaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642)_.\n\n32\n\n \n\nbb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen\nsolchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.\n\n33\n\n \n\n(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers\ndie Kinder eines Kollegen waren.\n\n34\n\n \n\n(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten\nhatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben\nmehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November\n2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr\nzusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche\nohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst,\nist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang\nallein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.\n\n35\n\n \n\ncc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das\nArbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines\nKollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem\nGrund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm\nweiter zusammenarbeiten zu können.\n\n36\n\n \n\nDer Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im\nLaufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat,\nrechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet,\ndass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze\neiner personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.\n\n37\n\n \n\n3\\. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden\nFalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der\nBeklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer -\nfiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.\n\n38\n\n \n\na) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent -\neine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch\nden Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats\nzugestandene Beurteilungsspielraum _(vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR\n36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr.\n5)_ schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der\nInteressenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung\nvorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine\neigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des\nBerufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist _(vgl. Senat 10. Juni 2010\n- 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn.\n35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-\nAT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR\n179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA\nKSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68)_. Fehlt es indessen an einer\nInteressenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten\nTatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht\nGelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung\nder Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in\nerster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung,\nnicht um Tatsachenfeststellung _(Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17,\naaO)_.\n\n39\n\n \n\nb) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des\nArbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls\nbis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung\ndas Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des\nArbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen\nFortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung\ndes Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu\nbeurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder\nnicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber\nregelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung -\netwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und\nihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,\neine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und\ndessen störungsfreier Verlauf _(Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34,\nEzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA\nBGB 2002 § 626 Nr. 30)_. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in\nBetracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis\nfortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten\nunzumutbar sind _(st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19.\nApril 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT §\n34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7)_. Als mildere Reaktionen sind\ninsbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann\nalternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der\naußerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos\nkünftiger Störungen - zu erreichen _(Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn.\n34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN)_.\n\n40\n\n \n\nc) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember\n2006 gerechtfertigt.\n\n41\n\n \n\naa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht\nund dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe\nweigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf\nden Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe\ndamit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt\nder Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene\nKollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004\nteilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt.\nUnerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im\nOrchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt\ngewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.\n\n42\n\n \n\nbb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer\nfortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als\nin einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein\npersonenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich\netwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von\nihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen _(vgl.\ndazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte\nKündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39)_. Der\nKläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst\nherbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie\nentgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht.\nDass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle\nZusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv\nnachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der\nOpfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die\nEntwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung _(Fischer StGB 58.\nAufl. § 176 Rn. 2 mwN)_. Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche\nSexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die\nTat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes _(Fischer Rn. 36\nmwN, aaO)_. Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs\nMonaten bis zu zehn Jahren bedroht.\n\n43\n\n \n\ncc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere\nseiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch\ndie Beklagte offensichtlich ausgeschlossen _(vgl. zu diesem Maßstab Senat 10.\nJuni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 -\n2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 =\nEzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17)_.\n\n44\n\n \n\ndd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin\nsexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger\nvorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur\nzu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb\nebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung.\nMaßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von\nMitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine\ngedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu\nerwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle\nOrchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die\nRichtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass\nmehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit\nbereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von\nProben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers\ntatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des\nKlägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit\nüberhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern\nhatte, kommt es ebenfalls nicht an.\n\n45\n\n \n\nee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn\ndie Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende\nAusprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der\nBeklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den\nKollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das\nVerhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch\nnicht geringer.\n\n46\n\n \n\nff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines\nBeamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom\nKläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen,\nsind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den\nMissbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand,\ndass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine\nBereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig.\nSoweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner\nTätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus\nableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige\nKindesmissbrauch.\n\n47\n\n \n\ngg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes\nErgebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des\nBetriebsfriedens ändern sie nichts.\n\n48\n\n \n\nhh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die\nInteressenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie\nhier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf\nder „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung\nweiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des\ntariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt _(Senat 10.\nOktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626\nUnkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -_ _2 AZR 605/00_ _\\- BAGE 99, 331)_.\n\n49\n\n \n\nIII. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger\nzuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen\nPersonalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 _(HPVG)_ unwirksam.\n\n50\n\n \n\n1\\. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung\ndes Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung\nnach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine\nFalschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei\nordentlichen Kündigungen _(außerhalb der Probezeit)_. Eine Anhörung war im\nStreitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser\nBestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in\nPersonalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten\nOrchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen\nwird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst\n_(Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR\nStand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17)_.\n\n51\n\n \n\n2\\. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich,\ndass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt\ngewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.\n\n52\n\n \n\na) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein\ngemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten\nBetriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach\nihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen\nKündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser\nKündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei\nhandelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten\nzuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens\naller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der\nBeklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats\nwahrnehmen _(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der\nGründe)_.\n\n53\n\n \n\nb) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004\ngeendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl\nvom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin\nnur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat\nzu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.\n\n54\n\n \n\naa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf\ndes 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde\ndurch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September\n2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das\nAmt des Personalrats _(Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15)_. Die Änderung der\nRechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen\npersonalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge _(Fitting aaO Rn.\n15)_. Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine\nAuflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar\n_(Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR\nStand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in\nv.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158)_. Hieran\nändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl\nweiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH\nwidersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch\nmag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“\nzusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle\ndes Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet\nund damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer\nOrganisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September\n2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen\nBühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue\nOrganisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet _(vgl. die\nEntscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des\nBetriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR\n4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA\nBetrVG 2001 § 1 Nr. 7)_. Der Kläger behauptet nicht, dass für diese\nOrganisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat\ngewählt worden sei.\n\n55\n\n \n\nbb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb\nnicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt,\nweil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom\n1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die\nzuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei _(vgl.\nHessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe)_. § 103\nHPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester\nDienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor\nallem der Klarstellung _(Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember\n2010 § 103 HPVG Rn. 7)_. Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch\nihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche\nVereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des\nPersonalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.\n\n56\n\n \n\ncc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB\nfür die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt\nist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser\nmöglichen Schutzlücke _(vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15)_ ein\nÜbergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm\n_(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -)_ , dauerte dieses\nallenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate _(vgl.\nFitting aaO Rn. 17)_. Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen\nein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten\naus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz _(vgl.\nFitting aaO Rn. 18 f.)_.\n\n57\n\n \n\n3\\. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein\nbei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen\nMaßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis\ndes Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG\nunzuständig _(Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83\nHPVG Rn. 96)_. Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78\nAbs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des\nGesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.\n\n58\n\n \n\n \n\nIV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des\nRechtsstreits zu tragen.\n\n \n\n \n\n | Kreft | | Schmitz-Scholemann | | Rachor | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Beckerle | | B. Schipp | | \n \n \n\n \n\n
83,974
bag-2010-11-11-8-azr-65209
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
8 AZR 652/09
2010-11-11
2018-11-11 07:30:08
2019-01-17 16:09:28
Urteil
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\nDie Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München\nvom 23. Juli 2009 - 3 Sa 118/09 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.\n\n \n\n## Sonstige Literatur\n\n \n\n1\n\n \n\n \n\nDie Parteien haben auf Tatbestand und Entscheidungsgründe verzichtet _(§ 72\nAbs. 5 ArbGG, § 555 Abs. 1 Satz 1, § 313a Abs. 1 Satz 2 ZPO)_.\n\n \n\n \n\n | Hauck | | Hauck | | Breinlinger | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Döring | | Schuckmann | | \n \n \n\n \n\n
84,533
bag-2010-09-14-1-abr-3209
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
1 ABR 32/09
2010-09-14
2018-11-11 12:30:08
2019-01-17 16:12:39
Beschluss
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\nDie Rechtsbeschwerde der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin gegen den Beschluss\ndes Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Januar 2009 - 5 TaBV 140/08 -\nwird als unzulässig verworfen.\n\n \n\nAuf die Rechtsbeschwerde der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin wird der\nvorgenannte Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts aufgehoben.\n\n \n\nDie Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts\nFrankfurt am Main vom 23. April 2008 - 6 BV 1291/07 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\n## Gründe\n\n \n\n1\n\n \n\nA. Die Beteiligten streiten über die Anwendung von Vertragsklauseln, durch die\netwaige Mehrarbeit mit der Vergütung abgegolten werden soll.\n\n2\n\n \n\nDie zu 2) beteiligte Arbeitgeberin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft\nmit verschiedenen Standorten in Deutschland. Die zu 3) beteiligte\nArbeitgeberin betreibt gleichfalls in mehreren Großstädten im Bundesgebiet\nUnternehmensberatung. Antragsteller ist der für ihren Gemeinschaftsbetrieb am\nStandort Frankfurt am Main gewählte Betriebsrat. Vor dessen erstmaliger Wahl\nim Jahr 2006 war bei der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin für ihren Betrieb in\nFrankfurt am Main bereits ein örtlicher Betriebsrat errichtet. Für die im\nBundesgebiet gelegenen Betriebsstätten der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin war\nhingegen ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt worden.\n\n3\n\n \n\nDie zu 3) beteiligte Arbeitgeberin schloss im Jahr 2004 mit ihrem Betriebsrat\neine Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitfragen ab _,_ in der ua. die\nEinrichtung und Führung eines Gleitzeitkontos geregelt ist. Diese\nBetriebsvereinbarung ist von ihr vor der Zusammenführung der Einheiten am\nStandort Frankfurt am Main gekündigt worden.\n\n4\n\n \n\n \n\nBis zum 16. April 2008 verwandte die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin bei\nNeueinstellungen am Standort Frankfurt am Main zunächst\nArbeitsvertragsformulare mit folgender Klausel:\n\n \n\n | „§ 4 Vergütung \n---|--- \n| 1\\. Der Mitarbeiter erhält für seine vertragliche Tätigkeit ein jährliches\nGehalt von XT EURO. Das Gehalt wird in zwölf gleichen Raten jeweils am Ende\neines Kalendermonats auf ein vom Mitarbeiter angegebenes Konto überwiesen. \n| 2\\. Mit der genannten Vergütung ist eine etwaige Mehrarbeit abgegolten.“ \n \n \n\n5\n\n \n\nDer Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Verwendung der\nVertragsklausel betreffe einen Entlohnungsgrundsatz iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10\nBetrVG und unterliege seiner Zustimmung.\n\n6\n\n \n\n \n\nDer Betriebsrat hat beantragt,\n\n | 1\\. | der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin zu untersagen, in ihren Arbeitsverträgen im Gemeinschaftsbetrieb Frankfurt am Main Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den Arbeitnehmern iSv. § 5 Abs. 1 BetrVG geleisteten Mehrarbeitsstunden mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind, ohne dass hierfür jeweils die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist, \n---|---|--- \n| 2\\. | der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 10.000,00 Euro anzudrohen. \n \n \n\n7\n\n \n\nDie Arbeitgeberinnen haben beantragt, die Anträge abzuweisen.\n\n8\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat\nihnen entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehren die Arbeitgeberinnen die\nWiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.\n\n9\n\n \n\nB. Die Rechtsbeschwerde der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin ist unzulässig,\nwährend die angefochtene Entscheidung auf die Rechtsbeschwerde der zu 3)\nbeteiligten Arbeitgeberin aufzuheben ist. Das Landesarbeitsgericht hat den\nAnträgen des Betriebsrats zu Unrecht entsprochen. Der Antrag zu 1 ist wegen\nfehlender Bestimmtheit unzulässig, während der Antrag zu 2 dem Senat nicht zur\nEntscheidung angefallen ist.\n\n10\n\n \n\nI. Die Rechtsbeschwerde der von den Vorinstanzen zu 2) beteiligten\nArbeitgeberin ist mangels einer sie betreffenden Beschwer unzulässig. Deren\nbetriebsverfassungsrechtliche Arbeitgeberstellung wird durch die vom\nBetriebsrat begehrte Entscheidung nicht berührt.\n\n11\n\n \n\n1\\. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der\nRechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und er\nmit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt. Ein\nBeteiligter ist beschwert, wenn er durch die angegriffene Entscheidung nach\nihrem materiellen Inhalt in seiner Rechtsstellung, die seine\nBeteiligungsbefugnis begründet, unmittelbar betroffen wird _(BAG 8. Dezember\n2009 - 1 ABR 66/08 - Rn. 11 mwN, AP BGB § 613a Nr. 380 = EzA BetrVG 2001 § 87\nBetriebliche Lohngestaltung Nr. 20)._ Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem\nBeschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf\nAnhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Einzelfall am Verfahren\nbeteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes\nist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer\nbetriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist _(BAG 26.\nOktober 2004 - 1 ABR 31/03 (A) - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 227)._\nDies ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen.\n\n12\n\n \n\n2\\. Danach fehlt der von den Vorinstanzen zu 2) beteiligten Arbeitgeberin die\nRechtsbeschwerdebefugnis. Sie ist nicht iSd. § 83 Abs. 3 BetrVG am Verfahren\nbeteiligt, da sie durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht in\nihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung als (Mit-)Inhaberin der\nbetrieblichen Leitungsmacht des Gemeinschaftsbetriebs betroffen sein kann. Die\nUnterlassungsverpflichtung im Antrag zu 1 richtet sich ebenso wie die\nAndrohung des Ordnungsgeldes im Antrag zu 2 nur gegen die zu 3) beteiligte\nArbeitgeberin. Die Handhabung der in der Vergangenheit verwandten\nVertragsklausel über die pauschalierte Abgeltung von Mehrarbeit betrifft nur\ndiese in ihrer Stellung als Vertragsarbeitgeberin der bis zum 16. April 2008\nneu eingestellten Arbeitnehmer. Die vom Betriebsrat angestrebte Entscheidung\nhat weder Auswirkungen auf Entlohnungsgrundsätze, die zwischen der zu 2)\nbeteiligten Arbeitgeberin und ihren Arbeitnehmern gelten, noch ist diese an\nMaßnahmen der Betriebsführung im Gemeinschaftsbetrieb gehindert.\n\n13\n\n \n\nII. Die Rechtsbeschwerde der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin ist begründet.\nAllerdings ist der Antrag zu 1 bereits unzulässig, da er nicht hinreichend\nbestimmt ist iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.\n\n14\n\n \n\n1\\. Nach dem auch im Beschlussverfahren anzuwendenden § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO\nmuss eine Klageschrift ua. einen „bestimmten Antrag“ enthalten. Ein Antrag im\nBeschlussverfahren unterliegt insoweit denselben Anforderungen wie im\nUrteilsverfahren. Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau\nbezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung\nzwischen den Beteiligten entschieden werden kann _(BAG 18. August 2009 - 1 ABR\n43/08 - Rn. 9, AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 16 = EzA BetrVG 2001\n§ 87 Gesundheitsschutz Nr. 4)._ Unterlassungsanträge müssen aus\nrechtsstaatlichen Gründen für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig\nerkennen lassen, welcher Handlungen er sich enthalten soll und in welchen\nFällen gegen ihn als Sanktion ein Ordnungsgeld verhängt werden kann _(BAG 11.\nDezember 2007 - 1 ABR 73/06 - Rn. 12, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 45 =\nEzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 7)._ Nur wenn die danach gebotenen Verhaltensweisen\nhinreichend erkennbar sind, kann eine der materiellen Rechtskraft zugängliche\nSachentscheidung ergehen. Eine Entscheidung, die eine Handlungs- oder\nUnterlassungspflicht ausspricht, muss grundsätzlich zur Zwangsvollstreckung\ngeeignet sein. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen\nsoll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dem\nentsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das\nZwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Genügt ein Antrag - ggf. nach\neiner vom Gericht vorzunehmenden Auslegung - diesen Anforderungen nicht, ist\ner als unzulässig abzuweisen _(BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 75/07 - Rn. 22,\nBAGE 128, 358)._\n\n15\n\n \n\n2\\. Danach ist der Antrag zu 1 nicht hinreichend bestimmt.\n\n16\n\n \n\na) Nach seinem Wortlaut soll es die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin\nunterlassen, Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den\nArbeitnehmern geleisteten Mehrarbeitsstunden mit dem vereinbarten Jahresgehalt\npauschal abgegolten sind. Die Arbeitgeberin hat im erstinstanzlichen Verfahren\nerklärt, sie werde in den ab dem 17. April 2008 abgeschlossenen\nArbeitsverträgen auf eine Klausel über die pauschale Abgeltung der Mehrarbeit\nverzichten. Der Betriebsrat hat zum Antragsverständnis in der Anhörung vor dem\nArbeitsgericht angegeben, dass er mit seinem Antrag der zu 3) beteiligten\nArbeitgeberin auch die „Anwendung“ der in § 4 Nr. 2 des Musterarbeitsvertrags\nenthaltenen Vertragsklausel bei den in Frankfurt am Main bis zum 16. April\n2008 begründeten Arbeitsverhältnissen untersagen lassen möchte. Dieses vom\nArbeitsgericht angenommene Antragsverständnis hat der Betriebsrat in seinem\nSchriftsatz vom 12. Januar 2009 ausdrücklich bestätigt und das\nBeschwerdegericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt.\n\n17\n\n \n\nb) Danach steht der Gegenstand des mit dem Antrag zu 1 verfolgten\nUnterlassungsbegehrens nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit fest. Das im\nAntrag enthaltene Verbot, eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Vertragsklausel\n„anzuwenden“, beschreibt die konkrete betriebliche Maßnahme, der sich die zu\n3) beteiligte Arbeitgeberin ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats oder\neiner diese ersetzenden Entscheidung der Einigungsstelle zukünftig zu\nenthalten hat, nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit. Der Betriebsrat hat\nweder im Verfahren noch in der Anhörung vor dem Senat die Befugnis der zu 3)\nbeteiligten Arbeitgeberin zur Anordnung und zur Entgegennahme von Mehrarbeit\nin Frage gestellt. Es wird aber weder aus dem Antrag noch aus der zu seiner\nAuslegung heranzuziehenden Begründung ersichtlich, wie sich die zu 3)\nbeteiligte Arbeitgeberin verhalten soll, wenn Arbeitnehmer, mit denen sie die\nbeanstandete Abgeltungsklausel vereinbart hat, Arbeitsleistungen erbringen,\ndie entweder über ihre vertragliche oder über die im Gemeinschaftsbetrieb\ngeltende regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. So ist schon fraglich, ob die zu\n3) beteiligte Arbeitgeberin gegen einen Unterlassungsausspruch zuwider handeln\nwürde, wenn sie die geleistete Mehrarbeit lediglich entgegennimmt und im\nÜbrigen untätig bleibt. Der Betriebsrat hat auch im gesamten Verfahrensverlauf\nnicht angegeben, ob ein mitbestimmungsgerechtes Verhalten der Arbeitgeberin\nvoraussetzt, dass diese geleistete Mehrarbeit in einem bestimmten Zeitraum\ndurch Freizeit ausgleicht oder dafür einen Ausgleich in Geld leistet. Das mit\ndem Unterlassungsantrag verfolgte Verfahrensziel hat der Betriebsrat auch in\nder Anhörung vor dem Senat nicht klarstellen können. Nach seinen Angaben soll\ndie zu 3) beteiligte Arbeitgeberin die bis zum 16. April 2008 eingestellten\nArbeitnehmer vertragsgemäß vergüten und ihre über die regelmäßige Arbeitszeit\nhinaus geleistete Arbeitszeit durch Freizeit ausgleichen. Der Betriebsrat hat\naber auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass er für diese Arbeitnehmer keine\nBetriebsvereinbarung über Arbeitszeitfragen abgeschlossen hat, in der die\nbetriebsübliche Arbeitszeit geregelt und ein Ausgleichszeitraum bestimmt ist.\nDamit steht schon nicht eindeutig fest, wie die auszugleichende Arbeitszeit zu\nberechnen und bis zu welchem Zeitpunkt von der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin\ndurch Freizeit auszugleichen ist. Dies gilt gleichermaßen für die Frage, zu\nwelcher konkreten betrieblichen Maßnahme diese ggf. die Zustimmung des\nBetriebsrats einholen muss.\n\n18\n\n \n\n \n\nIII. Der Antrag zu 2 fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist\nersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 gestellt.\n\n \n\n \n\n | Schmidt | | Linck | | Koch | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Wisskirchen | | Platow | | \n \n \n\n \n\n
88,246
bag-2010-06-22-1-abr-4609
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
1 ABR 46/09
2010-06-22
2018-11-12 22:30:03
2019-01-17 17:12:20
Beschluss
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\nDie Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des\nLandesarbeitsgerichts Saarland vom 19. November 2008 - 2 TaBV 13/08 - wird\nhinsichtlich seines Widerantrags zurückgewiesen.\n\n \n\n## Gründe\n\n \n\n1\n\n \n\nA. Die Beteiligten streiten über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei\npersonellen Maßnahmen nach Betriebsstilllegung.\n\n2\n\n \n\nDie Arbeitgeberin erbringt Postdienstleistungen. Im Zuge unternehmensweiter\nUmstrukturierungen löste sie ihre Service Niederlassung Immobilien in S _(SNL\nS)_ zum Jahresende 2001 auf. Die von der Arbeitgeberin zuvor beantragte\nZustimmung zu Versetzungen der Arbeitnehmer in andere Betriebe des\nUnternehmens verweigerte der Betriebsrat unter Hinweis darauf, dass nach den\ngeltenden Tarifverträgen Nr. 444 bzw. 445 zunächst für diese Arbeitnehmer ein\nSozialplan zu erstellen sei.\n\n3\n\n \n\nIm August 2004 vereinbarte die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat einen\nSozialplan. In einer Anlage hierzu war die Zuordnung der Beschäftigten zu den\nPersonalposten und Niederlassungen geregelt. Der Gesamtbetriebsrat stimmte mit\nSchreiben vom 2. Februar 2005 den von der Arbeitgeberin aufgestellten\nFeststellungsvermerken über die Zumutbarkeit der\nWeiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu. Daraufhin ersuchte die Arbeitgeberin den\nBetriebsrat der stillgelegten SNL S mit Schreiben vom 22. März 2005\nvorsorglich erneut um seine Zustimmung zu Versetzungen von insgesamt 150\nBeschäftigten. Der am 30. April 2005 beim Betriebsrat eingegangene Antrag\nenthielt einen Hinweis darauf, dass die Versetzungen aus sachlichen Gründen\ndringend erforderlich seien. Der Betriebsrat bestritt am 10. Mai 2005 die\nDringlichkeit der Versetzungen und verweigerte anschließend im Schreiben vom\n21. Mai 2005, bei der Arbeitgeberin am gleichen Tag eingegangen, für 74\nArbeitnehmer seine Zustimmung zu den beantragten Versetzungen unter Hinweis\nauf einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Tarifverträge Nr. 444/445 und des\nSozialplans.\n\n4\n\n \n\nMit einem am 13. Mai 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat\ndie Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats\nund die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufig vorgenommenen\nVersetzungen beantragt. Das Arbeitsgericht hat die in einem Verfahren\nverhandelten Anträge abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, die Zustimmung\ndes Betriebsrats gelte wegen Versäumung der Äußerungsfrist als erteilt. Gegen\nden Beschluss des Arbeitsgerichts haben sowohl die Arbeitgeberin als auch der\nBetriebsrat Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren\ngetrennt und die Anträge der Arbeitgeberin für jeden von der Versetzung\nbetroffenen Arbeitnehmer gesondert verhandelt. Das vorliegende Verfahren\nbetrifft den Antrag auf Versetzung der Arbeitnehmerin F zu der Niederlassung\nBRIEF D. Nach dem sie betreffenden Feststellungsvermerk sollte Frau F dort auf\neinem „Vertreterposten“ als Vertreter Abteilung 31 in O-O eingesetzt werden.\nTatsächlich beschäftigte die Arbeitgeberin Frau F mit der Bearbeitung von\nWegwerfpost und mit der Maschinenbedienung.\n\n5\n\n \n\n \n\nDie Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,\n\n \n\n | 1\\. | die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Frau F von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF D zu ersetzen, \n---|---|--- \n| | hilfsweise festzustellen, \n| | dass die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Frau F von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF D als erteilt gilt, \n| 2\\. | festzustellen, dass die Versetzung von Frau F von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF D aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist. \n \n \n\n6\n\n \n\n \n\nDer Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung,\nbeantragt, die Anträge zurückzuweisen. Im Wege eines im Beschwerdeverfahren\nerhobenen Widerantrags hat er beantragt,\n\n | der Arbeitgeberin für den Fall, dass diese nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts an der konkreten Versetzungsmaßnahme, für die sie mit dem Schreiben vom 22. März 2005 die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 BetrVG beantragt habe, nicht mehr festhalte, gemäß § 101 BetrVG aufzugeben, die inzwischen erneut erfolgte Versetzung von Frau A F aufzuheben. \n---|--- \n \n \n\n7\n\n \n\nDie Arbeitgeberin hat beantragt, den Widerantrag zurückzuweisen.\n\n8\n\n \n\nDas Landesarbeitsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung die Beschwerde der\nArbeitgeberin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihre Anträge „als\nunzulässig zurückgewiesen“ werden. Den Widerantrag des Betriebsrats hat es als\n„unbegründet zurückgewiesen“. Mit der nur für den Betriebsrat zugelassenen\nRechtsbeschwerde begehrt dieser die Abweisung der Anträge der Arbeitgeberin\nals unbegründet und verfolgt seinen Aufhebungsantrag weiter. Die Beteiligten\nhaben im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens die Sachanträge der\nArbeitgeberin im Hinblick auf die geänderte Tätigkeit von Frau F\nübereinstimmend für erledigt erklärt.\n\n9\n\n \n\nB. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Nachdem die\nBeteiligten das Verfahren hinsichtlich der von der Arbeitgeberin gestellten\nSachanträge übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat nur noch\nüber den Widerantrag des Betriebsrats zu befinden.\n\n10\n\n \n\n \n\nDas Landesarbeitsgericht hat dem Widerantrag zu Recht nicht entsprochen. Der\nBetriebsrat kann die Aufhebung der Beschäftigung der Arbeitnehmerin F in der\nNiederlassung BRIEF D nicht verlangen, weil die Arbeitgeberin das\nMitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz\n1 BetrVG nicht verletzt hat. Die Arbeitgeberin konnte der Arbeitnehmerin F\neine Tätigkeit in der Niederlassung BRIEF D zuweisen, ohne den Betriebsrat der\nstillgelegten SNL S im Rahmen eines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG\nbeteiligen zu müssen. Die SNL S war zum Zeitpunkt der Einleitung des\nZustimmungsverfahrens am 22. März 2005 bereits mehr als drei Jahre\nstillgelegt. Der Betriebsrat eines stillgelegten Betriebs ist nicht im Rahmen\nseines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu\nbeteiligen, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nach der vollständigen\nStilllegung des Betriebs eine Tätigkeit in einem anderen Betrieb des\nUnternehmens zuweist _(dazu ausführlich BAG 8. Dezember 2009 - 1 ABR 41/09 -\nRn. 17 ff.)._ An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Danach hat das\nLandesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Aufhebungsantrag\ndes Betriebsrats unbegründet ist.\n\n \n\n \n\n | Schmidt | | Linck | | Koch | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Manfred Gentz | | Hayen | | \n \n \n\n \n\n
88,247
bag-2010-06-22-1-abr-6709
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
1 ABR 67/09
2010-06-22
2018-11-12 22:30:03
2019-01-17 17:12:21
Beschluss
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\nAuf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des\nLandesarbeitsgerichts Saarland vom 19. November 2008 - 2 TaBV 66/08 -\naufgehoben.\n\n \n\nDie Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats gegen den Beschluss des\nArbeitsgerichts Saarbrücken vom 6. Juli 2005 - 65 BV 9/05 - werden\nzurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht über die Ersetzung der Zustimmung\ndes Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers W entschieden hat. In diesem\nUmfang wird das Verfahren hinsichtlich des Antrags zu 2. eingestellt.\n\n \n\n## Gründe\n\n \n\n1\n\n \n\nA. Die Beteiligten streiten über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei\npersonellen Maßnahmen nach Betriebsstilllegung.\n\n2\n\n \n\nDie Arbeitgeberin erbringt Postdienstleistungen. Im Zuge unternehmensweiter\nUmstrukturierungen löste sie ihre Service Niederlassung Immobilien in S _(SNL\nS)_ zum Jahresende 2001 auf. Die von der Arbeitgeberin zuvor beantragte\nZustimmung zu Versetzungen der Arbeitnehmer in andere Betriebe des\nUnternehmens verweigerte der Betriebsrat unter Hinweis darauf, dass nach den\ngeltenden Tarifverträgen Nr. 444 bzw. 445 zunächst für diese Arbeitnehmer ein\nSozialplan zu erstellen sei.\n\n3\n\n \n\nIm August 2004 vereinbarte die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat einen\nSozialplan. In einer Anlage hierzu war die Zuordnung der Beschäftigten zu den\nPersonalposten und Niederlassungen geregelt. Der Gesamtbetriebsrat stimmte mit\nSchreiben vom 2. Februar 2005 den von der Arbeitgeberin aufgestellten\nFeststellungsvermerken über die Zumutbarkeit der\nWeiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu. Daraufhin ersuchte die Arbeitgeberin den\nBetriebsrat der stillgelegten SNL S mit Schreiben vom 22. März 2005\nvorsorglich erneut um seine Zustimmung zu Versetzungen von insgesamt 150\nBeschäftigten. Der am 30. April 2005 beim Betriebsrat eingegangene Antrag\nenthielt einen Hinweis darauf, dass die Versetzungen aus sachlichen Gründen\ndringend erforderlich seien. Der Betriebsrat bestritt am 10. Mai 2005 die\nDringlichkeit der Versetzungen und verweigerte anschließend im Schreiben vom\n21. Mai 2005, bei der Arbeitgeberin am gleichen Tag eingegangen, für 74\nArbeitnehmer seine Zustimmung zu den beantragten Versetzungen unter Hinweis\nauf einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Tarifverträge Nr. 444/445 und des\nSozialplans.\n\n4\n\n \n\nMit einem am 13. Mai 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat\ndie Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats\nund die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufig vorgenommenen\nVersetzungen beantragt. Das Arbeitsgericht hat die in einem Verfahren\nverhandelten Anträge abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, die Zustimmung\ndes Betriebsrats gelte wegen Versäumung der Äußerungsfrist als erteilt. Gegen\nden Beschluss des Arbeitsgerichts haben sowohl die Arbeitgeberin als auch der\nBetriebsrat Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren\ngetrennt und die Anträge der Arbeitgeberin für jeden von der Versetzung\nbetroffenen Arbeitnehmer gesondert verhandelt.\n\n5\n\n \n\n \n\nDie Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,\n\n \n\n | 1\\. | die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Herrn W von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-S zu ersetzen, \n---|---|--- \n| | hilfsweise festzustellen, \n| | dass die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Versetzung von Herrn W von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-S als erteilt gilt, \n| 2\\. | festzustellen, dass die Versetzung von Herrn W von der ehemaligen Service Niederlassung Immobilien zu der Niederlassung BRIEF B-S aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen ist. \n \n \n\n6\n\n \n\nDer Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung,\nbeantragt, die Anträge abzuweisen.\n\n7\n\n \n\nDas Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.\nAuf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat es festgestellt, dass die Zustimmung\ndes Betriebsrats zu der Versetzung von Herrn W als erteilt gilt und diese aus\nsachlichen Gründen dringend erforderlich war. Mit der Rechtsbeschwerde\nverfolgt der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren seinen Antrag auf Abweisung\nder Anträge weiter.\n\n8\n\n \n\nB. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist teilweise begründet.\n\n9\n\n \n\nI. Das Landesarbeitsgericht durfte den Zustimmungsersetzungsantrag der\nArbeitgeberin nicht mit der Begründung abweisen, die Zustimmung des\nBetriebsrats gelte als erteilt. Der Antrag ist vielmehr schon deswegen\nunbegründet, weil die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer W Tätigkeiten in der\nNiederlassung BRIEF B-S zuweisen konnte, ohne den Betriebsrat der\nstillgelegten SNL S im Rahmen eines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG\nbeteiligen zu müssen. Die SNL S war zum Zeitpunkt der Einleitung des\nZustimmungsverfahrens am 22. März 2005 bereits mehr als drei Jahre\nstillgelegt. Der Betriebsrat eines stillgelegten Betriebs ist nicht im Rahmen\nseines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu\nbeteiligen, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nach der vollständigen\nStilllegung des Betriebs eine Tätigkeit in einem anderen Betrieb des\nUnternehmens zuweist _(dazu ausführlich BAG 8. Dezember 2009 - 1 ABR 41/09 -\nRn. 17 ff.)._ An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Zustimmung des\nBetriebsrats zu der am 22. März 2005 von der Arbeitgeberin beantragten\npersonellen Maßnahme gilt daher nicht als erteilt. Die angefochtene\nEntscheidung war danach hinsichtlich des Antrags zu 1. aufzuheben und die\nerstinstanzliche Entscheidung insoweit wiederherzustellen _(§ 562 Abs. 1, §\n563 Abs. 3 ZPO)._ Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass\nder Zustimmungsersetzungsantrag unbegründet ist.\n\n10\n\n \n\n \n\nII. Der auf die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen\npersonellen Maßnahme gerichtete Antrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur\nEntscheidung an. Seine Rechtshängigkeit ist auflösend bedingt durch die\nrechtskräftige Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag. Das\nVerfahren ist insoweit einzustellen.\n\n \n\n \n\n | Schmidt | | Linck | | Koch | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Manfred Gentz | | Hayen | | \n \n \n\n \n\n
90,641
bag-2010-01-27-4-azr-57008
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
4 AZR 570/08
2010-01-27
2018-11-13 21:30:07
2019-01-17 17:26:14
Urteil
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\n1\\. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts\nMünchen vom 30. April 2008 - 2 Sa 1069/07 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.\n\n \n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten über Restlohnansprüche der Klägerin für die Zeit von\nAugust 2003 bis September 2006.\n\n2\n\n \n\n \n\nDie Klägerin war in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 30. September 2006 bei\nder Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher\nFormulararbeitsvertrag vom 1. Juli 1995 zugrunde, in dem es ua. hieß:\n\n \n\n | **„§ 5 Gehalt** \n---|--- \n| | … \n| | Der/die Arbeitnehmerin wird in die Beschäftigungsgruppe II des z. Zt. geltenden Gehaltstarifvertrages für den bayerischen Einzelhandel eingruppiert. \n| | … \n| **§ 17 Tarifbindung, …** \n| I. | Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, finden die Tarifverträge für den bayerischen Einzelhandel in ihrer jeweils geltenden Fassung … Anwendung. …“ \n \n \n\n3\n\n \n\nBei Vertragsabschluss waren der vom Landesverband des bayerischen\nEinzelhandels _(LBE)_ abgeschlossene Manteltarifvertrag für die\nArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern vom 22./23. Juni\n1993, der Tarifvertrag über Sonderzahlungen vom 22./23. Juni 1993, der\nRahmentarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen vom 22./23. Juni 1993\nsowie der Tarifvertrag über die Höhe der vermögenswirksamen Leistungen vom\n22./23. Juni 1993 für allgemeinverbindlich erklärt. Der ebenfalls für\nallgemeinverbindlich erklärte Gehaltstarifvertrag für die Angestellten im\nbayerischen Einzelhandel vom 22./23. Juni 1993 _(GTV 1993)_ war am 30. April\n1995 außer Kraft getreten. Hinsichtlich der Vergütung für die Auszubildenden\nendete er erst am 31. August 1995 _._ Am 27. Juni 1995 schloss der LBE den\nGehaltstarifvertrag für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern _(GTV\n1995)_ ab, der ab 1. Mai 1995 gültig war. Er wurde am 24. Januar 1996\nrückwirkend zum 1. Mai 1995 für allgemeinverbindlich erklärt. Auch\nnachfolgende Gehaltstarifverträge im bayerischen Einzelhandel wurden für\nallgemeinverbindlich erklärt. Die letzte Allgemeinverbindlicherklärung des\nGTV, hier: vom 22. Juni 1998 endete am 31. August 1999.\n\n4\n\n \n\nDie Beklagte, die zunächst tarifgebundenes Mitglied des LBE war, erklärte mit\nSchreiben vom 15. April 2003 gegenüber dem LBE unter Bezugnahme auf § 4a\nseiner Satzung den dort vorgesehenen Ausschluss aus der Tarifbindung _._ Nach\n§ 4a der Satzung des LBE wirkt die Erklärung „zum Ablauf der jeweils geltenden\nTarifverträge“.\n\n5\n\n \n\nZum 1. Mai 2003 trat der am 25. Juli 2003 abgeschlossene Gehaltstarifvertrag\n_(GTV 2003)_ für die Angestellten des Einzelhandels in Bayern in Kraft. Dieser\nsah für die Beschäftigungsgruppe II im 6. Tätigkeitsjahr ab dem 1. August 2003\nein Tarifgehalt von monatlich 1.950,00 Euro brutto und für die Zeit ab dem 1.\nAugust 2004 von monatlich 1.986,00 Euro brutto vor. Gleichzeitig trat nach § 5\nNr. 9 GTV 2003 zum 1. Mai 2002 der frühere Gehaltstarifvertrag vom 30. Juli\n2002 _(GTV 2002)_ außer Kraft.\n\n6\n\n \n\nIn der Zeit von August 2003 bis September 2006 erhielt die Klägerin von der\nBeklagten ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.915,00 Euro brutto.\n\n7\n\n \n\nMit ihrer nach erfolgloser Geltendmachung erhobenen Klage begehrt die Klägerin\neine Gehaltsdifferenz für die Zeit von August 2003 bis einschließlich Juli\n2004 in Höhe von monatlich 35,00 Euro brutto sowie für die Zeit von August\n2004 bis September 2006 in Höhe von monatlich 71,00 Euro brutto.\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der GTV 2003 über § 17 ihres\nArbeitsvertrages auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden habe. Die\nVerweisungsklausel sei nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen, da wegen\nder bei Abschluss des Arbeitsvertrages bestehenden\nAllgemeinverbindlicherklärungen der Tarifverträge des bayerischen\nEinzelhandels für die Beklagte kein Interesse bestanden habe, eine\nGleichstellungsabrede zu vereinbaren. Das zukünftige Außerkrafttreten der\nAllgemeinverbindlicherklärungen sei bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht\nnaheliegend gewesen. Den Parteien könne auch nicht unterstellt werden, dass\nsie erst für den Fall des Endes der Allgemeinverbindlicherklärungen eine\nvertragliche Regelung hätten treffen wollen.\n\n9\n\n \n\n \n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n | die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.195,00 Euro brutto nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem sich aus jeweils 35,00 Euro brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 2. September 2003, dem 2. Oktober 2003, dem 2. November 2003, dem 2. Dezember 2003, dem 2. Januar 2004, dem 2. Februar 2004, dem 2. März 2004, dem 2. April 2004, dem 2. Mai 2004, dem 2. Juni 2004, dem 2. Juli 2004 und dem 2. August 2004 sowie aus dem sich aus jeweils 71,00 Euro brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 2. September 2004, dem 2. Oktober 2004, dem 2. November 2004, dem 2. Dezember 2004, dem 2. Januar 2005, dem 2. Februar 2005, dem 2. März 2005, dem 2. April 2005, dem 2. Mai 2005, dem 2. Juni 2005, dem 2. Juli 2005, dem 2. August 2005, dem 2. September 2005, dem 2. Oktober 2005, dem 2. November 2005, dem 2. Dezember 2005, dem 2. Januar 2006, dem 2. Februar 2006, dem 2. März 2006, dem 2. April 2006, dem 2. Mai 2006, dem 2. Juni 2006, dem 2. August 2006, dem 2. September 2006 und dem 2. Oktober 2006 zu zahlen. \n---|--- \n \n \n\n10\n\n \n\nDie Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der GTV\n2003 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden sei. Bei § 17 des\nArbeitsvertrages handele es sich um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der\nfrüheren Senatsrechtsprechung. Da die Allgemeinverbindlichkeit schon wegen des\nauf jeden einzelnen Tarifvertrag bezogenen Antragsverfahrens keine dauerhafte\nGewähr für die normative Geltung aller Tarifverträge des bayerischen\nEinzelhandels darstelle, habe auch bei Vertragsabschluss ein Bedürfnis für den\nAbschluss einer Gleichstellungsabrede bestanden.\n\n11\n\n \n\n \n\nArbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der\nvom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr\nKlagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n12\n\n \n\nDie Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht\nabgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung\neiner Entgeltdifferenz. Der GTV 2003 fand auf das Arbeitsverhältnis der\nKlägerin keine Anwendung. Bei der Bezugnahmeklausel in § 17 des\nArbeitsvertrages der Klägerin handelte es sich um eine Gleichstellungsabrede\nim Sinne der früheren Senatsrechtsprechung und nicht um eine von der\nTarifgebundenheit der Beklagten unabhängige zeitdynamische Verweisung auf die\neinschlägigen Tarifverträge des bayerischen Einzelhandels in ihrer jeweiligen\nFassung. Die Klägerin kann daher aus der Verweisung im Arbeitsvertrag nur\nsolche vertraglichen Ansprüche herleiten, die sich aufgrund unmittelbarer\nTarifbindung an die einschlägigen Tarifverträge ergeben würden. Die Beklagte\nist jedoch nicht nach § 3 Abs. 1 TVG an den am 25. Juli 2003 angeschlossenen\nGTV 2003 gebunden, da sie mit Schreiben vom 15. April 2003 bereits mit Wirkung\nzum 30. April 2003 gegenüber dem LBE wirksam den Ausschluss der Tarifbindung\nerklärt hat.\n\n13\n\n \n\nI. Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrages wie des streitgegenständlichen\ndurch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung\nüberprüft werden _(st. Rspr., vgl. nur BAG 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - zu\nI 1 b der Gründe mwN, BAGE 95, 296)._\n\n14\n\n \n\nII. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich\nbei § 17 des Arbeitsvertrages um eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren\nRechtsprechung des Senats handelte.\n\n15\n\n \n\n1\\. Nach der früheren Senatsrechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des\nArbeitgebers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Verweisungsklauseln in aller\nRegel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Mit der Verweisung auf\ndie einschlägigen Tarifverträge sollten die Arbeitnehmer arbeitsvertraglich so\ngestellt werden, wie sie tarifrechtlich stünden, wenn sie tarifgebunden wären.\nZiel der Bezugnahme war danach die einheitliche Anwendung des in Bezug\ngenommenen Tarifrechts unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers.\nDas Arbeitsverhältnis nahm an den dynamischen Entwicklungen des in Bezug\ngenommenen Tarifvertrages deshalb auch nur so lange teil, wie der Arbeitgeber\nselbst tarifgebunden war _(vgl. nur BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn.\n18 f. mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 -\n4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., BAGE 116, 326; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - zu\nI 2 a der Gründe, BAGE 113, 40)._\n\n16\n\n \n\n2\\. Diese Auslegungsregel wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes\nweiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem in Kraft treten der\nSchuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 vereinbart wurden; für\nVerweisungsklauseln, die seit diesem Zeitpunkt vereinbart worden sind,\nverlangt der Senat für den Wegfall der Dynamik bei Entfallen der\nTarifgebundenheit des Arbeitgebers eine hinreichend klare arbeitsvertragliche\nVereinbarung, die über die bloße Verweisungsklausel ohne Zusatz hinausgeht\n_(vgl. BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18.\nApril 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 23. Januar 2008 - 4 AZR\n602/06 - Rn. 20 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG §\n3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn.\n18 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68)._\n\n17\n\n \n\n3\\. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Verweisungsklausel in § 17\ndes Arbeitsvertrages der Klägerin vom 1. Juli 1995 als Gleichstellungsabrede.\nDie Klausel nimmt die fachlich einschlägigen Tarifverträge in Bezug und die\nBeklagte war zum damaligen Zeitpunkt aufgrund ihrer Mitgliedschaft im LBE an\ndie im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifverträge normativ gebunden.\n\n18\n\n \n\n4\\. Gegen diese Auslegung spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht,\ndass die Tarifverträge für den Einzelhandel in Bayern bei Abschluss des\nArbeitsvertrages überwiegend allgemeinverbindlich waren. Trotz dieses\nUmstandes bestand die der früheren Senatsrechtsprechung zur\nGleichstellungsabrede zugrundeliegende Interessenlage der gemäß § 3 Abs. 1, §\n4 Abs. 1 TVG tarifgebundenen Beklagten.\n\n19\n\n \n\na) Die Gleichstellungsabsicht der Beklagten ergibt sich schon daraus, dass\neine Allgemeinverbindlicherklärung höchstens für die Laufzeit des für\nallgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages gilt. Nach der vorhersehbaren\nBeendigung der Laufzeit und damit auch der Wirkung der\nAllgemeinverbindlicherklärung kommt diese Absicht daher sowohl für den\nZeitraum der Nachwirkung als auch für etwa neu abgeschlossene, aber (noch)\nnicht für allgemeinverbindlich erklärte Änderungstarifverträge wieder zum\nTragen _(vgl. schon BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 316/07 - Rn. 22)._ Dass sich\nzwischen der Antragstellung nach § 5 Abs. 1 TVG und dem Ausspruch der\nAllgemeinverbindlicherklärung regelmäßig Zeiträume ergeben, in denen der\njeweils gültige Tarifvertrag für die Außenseiter - zunächst - noch nicht gemäß\n§ 5 Abs. 4 TVG normativ gilt, zeigt beispielhaft der vorliegende Rechtsstreit.\nBei Abschluss des Arbeitsvertrages am 1. Juli 1995 war der GTV 1992 schon seit\ndem 30. April 1995 außer Kraft getreten, so dass seine\nAllgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG zu diesem Zeitpunkt\nbeendet war und der Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG nur noch nachwirkte. Der\nden GTV 1992 zum 1. Mai 1995 ablösende GTV vom 27. Juni 1995 war hingegen am\n1. Juli 1995 noch nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden. Dies erfolgte\nerst am 24. Januar 1996 rückwirkend zum 1. Mai 1995 _(vgl. Bundesanzeiger Nr.\n47 vom 7. März 1996)._\n\n20\n\n \n\nb) Im Übrigen verkennt die Revision, dass sich die\nAllgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 1 TVG immer nur auf einen\nkonkreten Tarifvertrag bezieht. Da das Antragserfordernis für die\nAllgemeinverbindlicherklärung bei den tarifschließenden Gewerkschaften und\nVerbänden liegt _(§ 5 Abs. 1 TVG),_ hat der einzelne Arbeitgeber keinen\nunmittelbaren Einfluss darauf, ob ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich\nerklärt und damit seine Gleichstellungsabsicht bereits durch die\nAllgemeinverbindlicherklärung gewahrt wird. Das gilt um so mehr in den Fällen,\nin denen die Verweisungsklausel - wie vorliegend - nicht nur einzelne\nTarifverträge, sondern das gesamte Tarifwerk einer Branche in Bezug nimmt.\nDeshalb besteht für den Arbeitgeber auch in dieser Konstellation regelmäßig\nein Interesse am Abschluss einer Gleichstellungsabrede.\n\n21\n\n \n\n5\\. Die Revision kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 305c Abs. 2 BGB\nberufen, nach dem Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen\nzu Lasten des Verwenders gehen. Die Anwendung der Unklarheitenregelung setzt\nvoraus, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden\nein nicht behebbarer Zweifel über die Auslegung verbleibt und mindestens zwei\nAuslegungen rechtlich vertretbar bleiben _(BAG 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 -\nRn. 41, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54)._ Ihre Anwendung ist\nhingegen ausgeschlossen, wenn - wie hier - die aus Vertrauensgesichtspunkten\nweiter vorzunehmende Auslegung zu einem eindeutigen Ergebnis führt _(vgl. nur\nBAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA\nBGB 2002 § 305c Nr. 3)._\n\n22\n\n \n\nIII. Die Klägerin kann aus der Verweisung in § 17 ihres Arbeitsvertrages keine\nvertraglichen Ansprüche auf Gewährung der Tarifvergütung nach dem GTV 2003\nableiten.\n\n23\n\n \n\n1\\. Als Gleichstellungsabrede stand die Verweisung auf den GTV in seiner\njeweiligen Fassung unter der auflösenden Bedingung der Tarifgebundenheit der\nBeklagten.\n\n24\n\n \n\n2\\. Die Beklagte war aufgrund ihrer Erklärung vom 15. April 2003, die im hier\ninteressierenden Zusammenhang zum 30. April 2003 wirkte, an den GTV 2003, auf\ndessen Normen die Klägerin ihren Anspruch stützt, nicht normativ gebunden.\nHiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.\n\n25\n\n \n\nNach § 4a der Satzung des LBE können die Mitglieder des LBE den Ausschluss der\nTarifbindung erklären. Der Zweck dieser Regelung besteht erkennbar darin, den\nMitgliedern des LBE einen Wechsel in eine sog. OT-Mitgliedschaft zu\nermöglichen, durch die keine Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG mehr vermittelt\nwerden soll _(vgl. nur BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 62 ff., BAGE 119,\n103 zu der hier maßgebenden Satzungsregelung des LBE; vgl. auch BAG 4. Juni\n2008 - 4 AZR 316/07 - Rn. 50 ff. zu einer entsprechenden Regelung)._ Die\nEinhaltung einer Frist für einen derartigen Statuswechsel sieht § 4a Satz 1\nder Satzung nicht vor. Dass die Erklärung der Mitglieder nach § 4a Satz 3 der\nSatzung erst zum Ablauf der jeweils geltenden Tarifverträge „wirkt“, steht dem\nnicht entgegen. Denn § 4a Satz 3 der Satzung spiegelt lediglich die in § 3\nAbs. 3 TVG enthaltene Regelung wider _(BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - aaO;\n4. Juni 2008 - 4 AZR 316/07 - aaO)._ In rechtlicher Hinsicht ist die\nEinhaltung einer Mindestfrist für einen Statuswechsel nicht erforderlich _(BAG\n20. Mai 2009 - 4 AZR 179/08 - Rn. 30, AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 27\n= EzA TVG § 3 Nr. 31)_. Dass die Satzung des LBE den nach der Rechtsprechung\ndes Senats gebotenen Anforderungen an eine wirksame Trennung von Mitgliedern\nmit Tarifbindung und solchen ohne Tarifbindung nicht gerecht wird _(vgl. dazu\nnur BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 25 ff., AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG\nArt. 9 Nr. 95; 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - AP TVG § 3\nVerbandszugehörigkeit Nr. 26 = EzA TVG § 3 Nr. 30)_ oder dass der\nStatuswechsel der Beklagten wegen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der\nTarifautonomie zumindest tarifrechtlich unwirksam sein könnte _(vgl. hierzu\nBAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 73, aaO),_ ist weder vorgetragen noch\nersichtlich.\n\n26\n\n \n\n \n\nIV. Die Kosten der erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin\nzu tragen.\n\n \n\n \n\n | Bepler | | Treber | | Creutzfeldt | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Schmalz | | Weßelkock | | \n \n \n\n \n\n
92,706
lsgmv-2011-10-18-l-8-b-52610-er
477
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
lsgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 B 526/10 ER
2011-10-18
2018-11-14 19:30:10
2019-02-14 01:27:39
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts\nSchwerin vom 18. November 2010 wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDer Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen\nKosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.\n\n#### Gründe\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDer Antragsteller steht im Leistungsbezug nach dem SGB II. Zwischen den\nBeteiligten ist – seit Jahren – streitig, ob der Antragsteller die von ihm\ngemietete Wohnung in der M.-P.-Straße …, Erdgeschoss, … tatsächlich bewohnt\noder ob es sich hierbei, so der Antragsgegner, nur um eine Scheinwohnung\nhandelt.\n\n \n\n2\n\n \n\nDurch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. Mai 2009 hob der\nAntragsgegner die Leistungsgewährung ab 01. April 2007 ganz auf und forderte\ndie Erstattung eines Betrages von 12.715,72 €. Den Widerspruch des\nAntragstellers wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 10.\nSeptember 2009 zurück. Der Antragsteller erhob am 06. Oktober 2009 Klage.\n\n \n\n3\n\n \n\nAm 13. November 2009 fand in der streitigen Wohnung in der M.-P.-Straße ein\nErörterungstermin statt, bei dem das Gericht die Wohnung in Augenschein nahm.\n\n \n\n4\n\n \n\nDurch Urteil vom 15. März 2010 – S 17 AS 1837/09 – gab das Sozialgericht der\nKlage im Wesentlichen mit der Begründung statt, die Ortsbesichtigung habe\nergeben, dass die Wohnung in der M.-P.-Straße bewohnt sei und sich nicht als\nScheinwohnung darstelle.\n\n \n\n5\n\n \n\nHiergegen legte der Antragsgegner fristgerecht Berufung ein, die beim Senat\nnoch unter dem Aktenzeichen L 8 AS 60/10 anhängig ist. Im Berufungsverfahren\nträgt der Antragsgegner im Wesentlichen vor, der Antragsteller habe sich\nwährend des streitigen Zeitraumes nicht im Zuständigkeitsbereich des\nAntragsgegners aufgehalten.\n\n \n\n6\n\n \n\nDurch Bescheid vom 20. September 2010 gewährte der Antragsgegner dem\nAntragsteller Regelleistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom\n1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011, nicht aber Leistungen für die Kosten\nder Unterkunft und Heizung. Der Antragsgegner hielt an seiner Rechtsauffassung\nfest, die Wohnung in der M.-P.-Straße sei eine Scheinwohnung (geringe\nVerbrauchswerte von Wasser und Strom).\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Antragsteller erhob Widerspruch.\n\n \n\n8\n\n \n\nAm 28. September 2010 hat er um die Gewährung vorläufigen sozialrechtlichen\nRechtsschutzes nachgesucht. Er hat darauf verwiesen, dass er in der\nM.-P.-Straße polizeilich gemeldet sei und einen ordnungsgemäßen Mietvertrag\ngeschlossen habe.\n\n \n\n9\n\n \n\nDurch den im vorliegenden Verfahren angefochtenen Beschluss vom 18. November\n2010 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen\nAnordnung verpflichtet, vorläufig und vorbehaltlich einer bestandskräftigen\nEntscheidung des Landessozialgerichtes über die Berufung des Antragsgegners\ngegen das Urteil des Sozialgerichtes Schwerin vom 15. März 2010 – S 17 AS\n1837/09 – die Kosten des Antragstellers für Unterkunft und Heizung für den\nZeitraum vom 01. Oktober 2010 bis 31. März 2011 für die Wohnung in der\nM.-P.-Straße …, Erdgeschoss, zu übernehmen und direkt an den Vermieter zu\nzahlen.\n\n \n\n10\n\n \n\nHiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der vorgetragen\nwird, der Antragsteller habe im streitigen Zeitraum nicht im\nZuständigkeitsbereich des Antragsgegners gewohnt.\n\n \n\n11\n\n \n\nDer Antragsteller tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n12\n\n \n\nDie Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet. Das\nSozialgericht hat zu Recht eine einstweilige Anordnung auf § 86b Abs. 2 SGG\nerlassen. Auch der Senat sieht das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und\neines Anordnungsgrundes als gegeben an.\n\n \n\n13\n\n \n\nIn dem noch beim Senat anhängigen Hauptsacheverfahren hat das Sozialgericht\ndie streitige Wohnung in Augenschein genommen. Bei dem Ortstermin sind\ninsbesondere Lebensmittel und andere Indizien für das Bewohnen der Wohnung\nfestgestellt worden.\n\n14\n\n \n\nSo war z. B. auch ein Fernsehgerät vorhanden. Damit ist – jedenfalls im\nZeitpunkt des Ortstermins - die Unterkunft „tatsächlich genutzt“ worden, wie\nes von § 22 SGB II gefordert wird.\n\n \n\n15\n\n \n\nAllein die Tatsache, dass der Antragsteller für die Wohnung nur geringe\nBetriebskosten wegen geringer Verbräuche zu leisten hat, stellt nicht in\nFrage, dass der Antragsteller zumindest auch diese Wohnung bewohnt. Die\nTatsache, dass der Antragsteller sich zeitweilig auch woanders aufhalten mag,\nmacht die von ihm angemietete und zumindest teilweise auch bewohnte Wohnung\nnicht zu einer Scheinwohnung.\n\n \n\n16\n\n \n\nEine weitergehende Sachverhaltsermittlung – auch und gerade zur örtlichen\nZuständigkeit (§ 36 SGB II) - scheidet im vorliegenden Eilverfahren nach\nAuffassung des Senates aus, zumal bereits das SG am 13. November 2009 einen\nOrtstermin durchgeführt hat. Zudem erscheint es dem Senat ohnehin nur schwer\nmöglich, für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zu ermitteln, in\nwelchem Umfang sich der Kläger in der von ihm angemieteten Wohnung in S.\naufgehalten hat.\n\n \n\n17\n\n \n\nDa der Antragsgegner im sozialgerichtlichen Verfahren auch nicht substanziiert\ndargelegt hat, an welchem Ort oder an welchen Orten innerhalb oder außerhalb\nseines Zuständigkeitsbereichs sich der Antragsteller im hier streitigen\nZeitraum gewöhnlich oder tatsächlich aufgehalten haben soll im Sinne des § 36\nSGB II, erscheint es dem Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht angezeigt,\nvon Amts wegen weitere Ermittlungen „in Blaue hinein“ vorzunehmen.\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.\n\n \n\n19\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).\n\n
93,253
lsgmv-2011-09-29-l-8-b-50909-er
477
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
lsgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 B 509/09 ER
2011-09-29
2018-11-15 00:30:09
2019-01-17 10:59:27
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDer Beschluss des Sozialgerichts Schwerin vom 30. November 2009 wird\naufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird\nabgelehnt.\n\n \n\nAußergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDer Antragsgegner wendet sich gegen die ihm im Wege der einstweiligen\nAnordnung auferlegte Verpflichtung, den Antragstellern ein Darlehen zur\nBegleichung ihrer Stromschulden gegenuber dem Stromversorger W. AG zu\ngewahren.\n\n2\n\n \n\nDie 1975 bzw. 1977 geborenen Antragsteller bezogen gemeinsam mit ihren drei\n1995, 1999 und 2002 geborenen Kindern von dem Antragsgegner seit Januar 2005\ndurchgehend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.\n\n3\n\n \n\nSie bewohnten von Dezember 2004 bis zum 15. Marz 2009 ein ca. 140 qm großes\nReihenendhaus im E.weg, P. bei einer Bruttokaltmiete in Hohe von monatlich\n711,00 €.\n\n4\n\n \n\nDie Beheizung erfolgte mittels Gas im Rahmen eines gesonderten\nVersorgungsvertrages der Antragsteller mit dem Versorgungsunternehmen E.\nDieses machte mit Mahnschreiben vom 30. November 2005 eine Forderung von\n981,35 € gegen die Antragstellerin geltend und drohte die Sperrung der\nGaszufuhr an, falls kein Zahlungsausgleich bis zum 08. Dezember 2005 erfolge.\nMit Bescheid vom 04. Januar 2006 ubernahm der Antragsgegner auf Antrag der\nAntragsteller die Nachzahlung in Hohe von 748,00 €.\n\n5\n\n \n\nDie Stromversorgung der Mietwohnung erfolgte uber das Versorgungsunternehmen\nW. AG. Diese forderte von dem Antragsteller mit Schreiben vom 16. Februar 2006\ndie Zahlung eines Betrages in Hohe von 1.189,29 € bis zum 02. Marz 2006 und\ndrohte andernfalls die Einstellung der Stromversorgung ab 03. Marz 2006 an.\nDer Landkreis P. - Sozialamt - gewahrte den Antragstellern am 06. Marz 2006\nein Darlehen zur Deckung der Stromschulden in vorgenannter Hohe. Zugleich\nbeauftragten die Antragsteller den Antragsgegner, zukunftig von den ihnen\nbewilligten Grundsicherungsleistungen monatlich eine Rate von 100,00 € an den\nLandkreis P. zur Ruckzahlung des Darlehens zu zahlen. Aufgrund einer\nAbtretungserklarung des Antragstellers vom 02. Marz 2006 zahlte der\nAntragsgegner von den den Antragsstellern bewilligten\nGrundsicherungsleistungen monatlich einen Betrag in Hohe von 105,00 € an die\nW. AG offenkundig zum Ausgleich der monatlichen Abschlagszahlung aus.\n\n6\n\n \n\nAm 19. Februar 2007 erhob der Vermieter gegen die Antragsteller vor dem\nAmtsgericht Schwerin eine Raumungsklage nach Kundigung des Mietverhaltnisses\nwegen Mietruckstanden in Hohe von 6.517,0 €. Auf Veranlassung der\nAntragsteller zahlte der Antragsgegner von den bewilligten\nGrundsicherungsleistungen ab Mai 2007 an den Vermieter die Bruttokaltmiete in\nHohe von 711,00 € direkt aus sowie ab September 2007 eine zusatzliche Rate in\nHohe von monatlich 300,00 €.\n\n7\n\n \n\nMit Schreiben vom 17. August 2007 drohte der Zweckverband S. Umland den\nAntragstellern die Sperrung des Wasseranschlusses am 11. September 2007 an,\nfalls ein Zahlungsruckstand in von Hohe von 2.249,33 € nicht ausgeglichen\nwerde. Den in diesem Zusammenhang von den Antragstellern gestellten Antrag auf\nGewahrung eines Darlehens lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 14.\nSeptember 2007 ab. Auf Veranlassung der Antragsteller zahlte der Antragsgegner\nvon den bewilligten Grundsicherungs-leistungen ab Mai 2008 monatlich einen\nBetrag in Hohe von 170,00 € an den Zweckverband S. Umland aus. Zugleich wurde\nder an den Vermieter neben der Bruttokaltmiete in Hohe von 711,00 € monatlich\nausgezahlte Betrag in Hohe von 300,00 € auf 150,00 € reduziert.\n\n8\n\n \n\nNach vorheriger Kostensenkungsaufforderung mit Schreiben vom 25. Oktober 2007\nbewilligte der Antragsgegner den Antragstellern ab Mai 2008 Kosten der\nUnterkunft und Heizung in Hohe von monatlich nur noch 595,50 € statt bisher\n649,50 €.\n\n9\n\n \n\nMit dem am 30. Oktober 2008 gestellten Weiterbewilligungsantrag baten die\nAntragsteller darum, dass nur noch die Bruttokaltmiete in Hohe von 711,00 € an\nden Vermieter ausgezahlt werde. Die weiteren Zahlungen wurden sie selbst\ntatigen, um wieder selbstandig zu handeln. Die Abtretung zugunsten der W. AG\nund des Zweckverbandes S. Umland widerriefen die Antragsteller. Zugleich\nverzichteten die Antragsteller auf jegliche Unterstutzung durch den\nAntragsgegner bei neu auflaufenden Schulden. Ab November 2008 zahlte der\nAntragsgegner von den der Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller bewilligten\nGrundsicherungsleistungen nur noch an den Vermieter die Bruttokaltmiete in\nHohe von 711,00 € sowie eine monatliche Rate in Hohe von 150,00 € aus.\n\n10\n\n \n\nZuvor hatte die W. AG gegen die Antragsteller mit Rechnung vom 10. Oktober\n2008 fur den Stromverbrauch im Zeitraum von September 2007 bis September 2008\neine Nachforderung in Hohe von 474,94 € geltend gemacht und die monatlichen\nAbschlage ab November 2008 auf 108,00 € neu festgesetzt. Mit Mahnschreiben vom\n13. November 2008 forderte die W. AG sodann die Antragsteller zur Zahlung\neiner Restforderung in Hohe von 270,55 € bis zum 11. Dezember 2008 auf und\ndrohte ansonsten die Einstellung der Stromlieferung an.\n\n11\n\n \n\nDie Antragsteller stellten ab November 2008 die Zahlung an die W. AG,\ninsbesondere die der monatlichen Abschlage in Hohe von 108,00 € vollstandig\nein.\n\n12\n\n \n\nAuf die Weigerung der Antragsteller im Februar 2009, die Sperrung des\nStromanschlusses zu dulden, erwirkte die W. AG ein entsprechendes\nDuldungsurteil des Amtsgerichts Schwerin vom 08. Juli 2009.\n\n13\n\n \n\nZuvor verzogen die Antragsteller in die ab 15. Marz 2009 angemietete Wohnung\nin C., Str. d. F., ohne der W. AG hiervon Mitteilung zu machen und die\nAufnahme des Stromverbrauches in der neuen Mietwohnung anzuzeigen.\n\n14\n\n \n\nNachdem die W. AG von dem Umzug im Juli bzw. August 2009 Kenntnis erlangte,\nerteilte sie den Antragstellern fur ihre bisherige Mietwohnung in P. eine\nSchlussrechnung fur den Zeitraum vom 16. September 2008 bis 26. August 2009 in\nHohe einer Nachforderung von 2.661,67 €. Nach den unbestrittenen Angaben der\nW. AG resultierte die Nachforderung daraus, dass die Antragsteller keinerlei\nVorauszahlungen an sie geleistet und ihr Verbrauchsverhalten dahingehend\ngeandert hatten, dass sie ihre Wohnung mit Strom beheizt haben, nachdem die\nGaslieferung vom betreffenden Versorgungsunternehmen wegen Zahlungsruckstanden\neingestellt worden war. Zugleich sperrte die W. AG am 07. September 2009 den\nStromanschluss fur die neue Wohnung in C. und erteilte den Antragstellern fur\ndie Zeit vom 22. April 2009 bis 25. August 2009 eine Schlussrechnung vom 31.\nAugust 2009 fur den Stromverbrauch in der neuen Wohnung in C. in Hohe von\n172,97 €.\n\n15\n\n \n\nAm 01. September 2009 stellten die Antragsteller bei dem Antragsgegner einen\nAntrag auf Gewahrung eines Darlehens zur Übernahme der Stromschulden gegenuber\nder W. AG aus den vorgenannten Rechnungen in Hohe eines Gesamtbetrages von\n2.834,64 €.\n\n16\n\n \n\nMit Bescheid vom 08. September 2009 ubernahm der Antragsgegner die\nStromrechnung fur die Mietwohnung in C. in Hohe von 172,97 €.\n\n17\n\n \n\nMit Bescheid vom 14. September 2009 lehnte der Antragsgegner hingegen die\nÜbernahme der Stromschulden fur die ehemalige Wohnung in P. in Hohe von\n2.661,67 € mit der Begrundung ab, dass die Antragsteller durch ihr\nunwirtschaftliches Verhalten bewusst und verhaltnismaßig hohe Energieschulden\nin der Hoffnung aufgebaut hatten, dass diese moglicherweise durch eine\nLeistung nach § 23 Abs. 1 bzw. § 22 Abs. 5 SGB II ubernommen werden wurden.\nBemuhungen der Antragsteller, diese abzubauen, seien nicht erkennbar. Eine\nÜbernahme der Energieschulden sei somit nicht gerechtfertigt.\n\n18\n\n \n\nHiergegen legten die Antragsteller am 24. September 2009 Widerspruch ein.\n\n19\n\n \n\nZuvor wurde die W. AG in einem von den Antragstellern anstrengten\neinstweiligen Verfugungsverfahren durch Urteil des Amtsgerichts Parchim vom\n15. September 2009 - verpflichtet, die Antragsteller mit Strom zu versorgen.\nAuf die Berufung der W. AG hat das Landgericht Schwerin mit Urteil vom 20.\nNovember 2009 - - das Urteil des Amtsgerichts Parchim aufgehoben und den\nAntrag auf einstweilige Verfugung zuruckgewiesen.\n\n20\n\n \n\nBereits am 29. Oktober 2009 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht (SG)\nSchwerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und\nzur Begrundung ausgefuhrt, dass das Amtsgericht Parchim zwar mit einstweiliger\nVerfugung vom 15. September 2009 den Antragstellern einstweilen den Zugang zur\nStromversorgung verschafft habe. Jedoch werde die W. AG das Berufungsverfahren\ngewinnen und die Antragsteller wieder vom Stromnetz trennen. Zudem mache die\nW. AG noch Stromschulden aus der vorletzten Wohnung der Antragsteller in B. in\nHohe von weiteren 419,22 € geltend. Die W. AG habe eine Ratenzahlung durch die\nAntragsteller abgelehnt. Die besondere Eilbedurftigkeit ergebe sich daraus,\ndass die Familie der Antragsteller nicht mehr in der Lage sein werde,\nmenschenwurdig zu existieren. Dies sei insbesondere im Hinblick auf ihre drei\nminderjahrigen Kinder nicht hinnehmbar. Die Familie benotige Strom, um\nLebensmittel haltbar aufzubewahren und Wasche waschen zu konnen, also um\ngesund und hygienisch leben und an Kommunikation und Information teilhaben zu\nkonnen.\n\n21\n\n \n\nDie Antragsteller haben beantragt,\n\n22\n\n \n\nden Bescheid vom 14. September 2009 aufzuheben und den Antragsgegner zu\nverpflichten, die Stromschulden der Antragsteller in Hohe von 3.080,89 €\nvorlaufig zu ubernehmen.\n\n23\n\n \n\nDer Antragsgegner hat beantragt,\n\n24\n\n \n\nden Antrag abzulehnen.\n\n25\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 06. November 2009 hat der Antragsgegner den\nWiderspruch der Antragsteller gegen den Bescheid vom 14. September 2009\nzuruckgewiesen. Hinsichtlich der Stromschulden fur die Wohnung in P. gehe aus\nder Schlussrechnung der W. AG hervor, dass fur den Zeitraum vom 16. September\n2008 bis 26. August 2009 durch die Antragsteller uberhaupt keine Abschlage\ngezahlt worden seien. Zuvor habe der Antragsteller aufgrund einer Ankundigung\nder Abschaltung der Energieversorgung vom 16. Februar 2006 am 02. Marz 2006\neine Abtretungserklarung hinsichtlich der monatlichen Abschlage fur Energie\nunterschrieben. Diese Abtretungserklarung sei am 30. Oktober 2008 durch die\nAntragstellerin schriftlich mit dem Zusatz, dass sie auf jegliche\nUnterstutzung durch den Antragsgegner bei eventuell neu auflaufenden Schulden\nverzichte, widerrufen worden. Es seien jedoch ab diesem Zeitpunkt keine\nAbschlage an das Energieunternehmen gezahlt worden. Es sei davon auszugehen,\ndass die Abschlage auch im Vertrauen auf die Moglichkeit der darlehensweisen\nÜbernahme von Stromschulden nicht gezahlt worden seien. Insoweit ist\nfestzustellen, dass wiederholt Stromschulden aufgelaufen seien, welche selbst\nverschuldet worden seien. Zwar waren von einer Sperrung der Energieversorgung\nauch drei Kinder betroffen, jedoch mussten sich die Antragsteller ein\nsozialwidriges, unwirtschaftliches und die Moglichkeit der Selbsthilfe\nignorierendes Verhalten entgegenhalten lassen. Aufgrund des bisherigen\nVerhaltens der Antragsteller konne nicht davon ausgegangen werden, dass die\nHilfe zu einem dauerhaften Erfolg fuhre.\n\n26\n\n \n\nHiergegen haben die Antragsteller am 30. November 2009 Klage bei dem SG - S 17\nAS 2224/09 - erhoben.\n\n27\n\n \n\nMit Beschluss vom gleichen Tage hat das SG den Antragsgegner im Wege der\neinstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern fur die Begleichung\nvon Stromschulden vorlaufig ein Darlehen in Hohe von 3.080,89 € durch\nÜberweisung unmittelbar an die W. AG zu gewahren. Die Antragsteller hatten\neinen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie\nhatten gegenuber dem Antragsgegner einen Anspruch auf darlehensweise Übernahme\nder Stromschulden gemaß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Es sei ohne Belang, dass\ndie Antragssteller nach dem Vorbringen des Antragsgegners die Stromschulden\nverschuldet hatten. Die Eilbedurftigkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass die\nnach der Entscheidung des Landgerichts Schwerin unmittelbar bevorstehende\nStromsperrung eine der Wohnungslosigkeit nahekommende Situation darstelle. Es\nsei den Antragstellern nicht zuzumuten, die Zeit bis zum Abschluss des\nKlagverfahrens in menschenunwurdigen Verhaltnissen zu verbringen. Dies sei\nihnen auch nicht aus dem Gesichtspunkt zuzumuten, dass weitere Probleme bei\nder Bezahlung der Rechnung fur Strom zu erwarten seien. Dies sei nicht nur\ndeshalb der Fall, weil die Antragsteller es in der Vergangenheit mehrfach zu\nStromschulden hatten kommen lassen. Schwierigkeiten konnten auch entstehen, da\neine Zahlung von monatlich 70,00 € an die W. AG uber dem Anteil fur Strom nach\nden Bedarfsatzen liege, in denen fur Strom insgesamt 47,12 € vorgesehen seien.\n\n28\n\n \n\nGegen den ihm am 30. November 2009 zugestellten Beschluss hat der\nAntragsgegner am 15. Dezember 2009 Beschwerde eingelegt. Die Antragsteller\nhatten sich missbrauchlich verhalten und hierdurch die vorliegende Notlage\nherbeigefuhrt. Trotz der vorliegend angedrohten Stromsperre sei das Ermessen\ndes Antragsgegners nicht reduziert, weil sich die Antragsteller\nsozialwidriges, unwirtschaftliches und die Moglichkeit der Selbsthilfe\nignorierendes Verhalten entgegenhalten lassen mussten.\n\n29\n\n \n\nDer Antragsgegner beantragt,\n\n30\n\n \n\nden Beschluss des Sozialgerichts Schwerin vom 30. November 2009 aufzuheben und\nden Antrag auf einstweiligen Rechtschutz abzulehnen.\n\n31\n\n \n\nDie Antragssteller beantragen sinngemaß,\n\n32\n\n \n\ndie Beschwerde zuruckzuweisen.\n\n33\n\n \n\nSie sind der Auffassung, der Anordnungsgrund sei mit Verkundung des\nBerufungsurteils des Landgerichts Schwerins am 20. November 2009 gegeben\ngewesen. Damit seien die Antragsteller von einer Situation bedroht gewesen,\ndie einer Wohnungslosigkeit gleich komme. Die Antragsteller hatten sich aus\ndieser akuten Gefahrensituation auch nicht aus eigener Kraft befreien konnen.\nInsbesondere hatten sie nicht darauf verwiesen werden konnen, einen anderen\nStromanbieter zu suchen.\n\n34\n\n \n\nMit Bescheid vom 08. Dezember 2009 hat der Antragsgegner den Antragstellern\naufgrund der einstweiligen Anordnung des SG vom 30. November 2009 ein\nvorlaufiges Darlehen wegen Stromschulden in Hohe von 3.080,89 € gewahrt und\nden Darlehensbetrag an die W. AG ausgezahlt.\n\n35\n\n \n\nNach der Trennung der Antragsteller im Oktober 2010 ist der Antragsteller in\nder Folgezeit nach R. verzogen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller\nGrundsicherungsleistungen noch bis zum 31. Dezember 2009 und der\nAntragstellerin und ihren Kindern bis zum 30. April 2010 gewahrt. Zum 01. Mai\n2010 ist die Antragstellerin mit ihren Kindern nach B. umgezogen.\n\n36\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug\ngenommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des SG\n- S 17 AS 2224/09 - und der beigezogenen Leistungsakte des Antragsgegners.\n\n \n\n**II.**\n\n37\n\n \n\nDie Beschwerde ist zulassig. Es besteht ein Rechtschutzbedurfnis fur den\nAntragsgegner. Er hat - auf die einstweilige Anordnung hin - nur vorlaufig an\ndie W. AG geleistet.\n\n38\n\n \n\nDie Beschwerde ist auch begrundet. Der Antragsgegner ist zu Unrecht im Wege\nder einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, den Antragstellern ein\nDarlehen zur Begleichung ruckstandiger Energiekosten zu gewahren, da die\nAntragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht haben.\n\n39\n\n \n\nRechtsgrundlage fur den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 5 SGB II in\nder bis zum 31. Dezember 2010 gultigen Fassung bzw. die gleichlautende\nNachfolgeregelung in § 22 Abs. 8 SGB II in der seit dem 01. Januar 2011\ngultigen Fassung. Danach konnen Schulden ubernommen werden, sofern Leistungen\nfur Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldubernahme zur\nSicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage\ngerechtfertigt ist. Sie sollen ubernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und\nnotwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.\n\n40\n\n \n\nDie Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar, da hier Stromschulden im\nStreit stehen, die nicht die Heizung betreffen, sondern die die\nHaushaltsenergie betreffende sonstige Stromkosten. Diese werden nicht von den\nKosten fur Unterkunft und Heizung umfasst, sondern sind nach § 20 Abs. 1 SGB\nII Bestandteil der Regelleistung. In vergleichbaren Notlagen ist allerdings\neine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 5 SGB II geboten. Die Bestimmung\ndes § 23 SGB II, die den von den Regelleistungen grundsatzlich umfassten, im\nEinzelfall aber nicht gedeckten Bedarf betrifft, ist fur Schulden nicht\nanwendbar. Die Leistungen nach dem SGB II sollen den aktuellen Bedarf zur\nSicherung des Lebensunterhaltes decken, nicht aber in der Vergangenheit\nentstandene Verbindlichkeiten ablosen. § 22 Abs. 5 SGB II ermoglicht dagegen\ngerade die Übernahme von Schulden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft\noder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Als\nvergleichbare Notlage ist die drohende Stromsperre anzusehen, da die Nutzung\nvon Haushaltsenergie sich unmittelbar auf die Wohnsituation einer\nBedarfsgemeinschaft auswirkt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.\nDezember 2010 - L 3 AS 557/10 B ER, juris).\n\n41\n\n \n\nNach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II aF verdichtet sich das der Verwaltung\neingeraumte Ermessen mit der Folge, dass die Ruckstande ubernommen werden\nsollen, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und andernfalls\nWohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage einzutreten droht.\nGerechtfertigt und notwendig ist die Schuldenubernahme grundsatzlich dann,\nwenn anderenfalls die Notlage nicht mehr abgewendet werden kann (vgl. wie\nvor).\n\n42\n\n \n\nEine Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Übernahme der\nStromschulden konnte danach nur bestehen, wenn er in der Hauptsache zu einer\npositiven Entscheidung verpflichtet ware. Dies ist aber nicht der Fall.\n\n43\n\n \n\nBei Ermessensentscheidung sind in einer umfassenden Gesamtschau die Umstande\ndes Einzelfalles zu berucksichtigen, namlich die Hohe der Ruckstande, ihre\nUrsachen, das Alter sowie eventuelle Behinderungen der jeweiligen Mitglieder\nder von der Energiesperre bedrohten Bedarfsgemeinschaft, das in der\nVergangenheit vom Hilfesuchenden gezeigte Verhalten (erstmaliger oder\nwiederholter Ruckstand, eigene Bemuhungen, die Notsituation abzuwenden und die\nRuckstande auszugleichen) und ein erkennbarer Wille zur Selbsthilfe. Dabei\nkann es insbesondere darauf ankommen, ob sich der Leistungsberechtigte\nmissbrauchlich verhalten hat. Dies ist im Regelfall zu bejahen, wenn der\nHilfesuchende seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet und\nsein Verhalten darauf schließen lasst, dass er auf eine darlehensweise\nÜbernahme entstehender Schulden durch den Leistungstrager vertraut oder gar\nspekuliert. In einem solchen Fall wird die Notlage gezielt zu Lasten des\nLeistungstragers herbeigefuhrt. Dies kann jedoch nicht hingenommen werden\n(vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09. Juni 2010 - L 13 AS 147/10\nB, juris).\n\n44\n\n \n\nVon einem solchen missbrauchlichen Verhalten des Antragstellers ist vorliegend\nauszugehen. Denn die Antragsteller haben mit ihrem am 30. Oktober 2008\ngestellten Weiterbewilligungsantrag die seit April 2006 von ihnen veranlasste\nAuszahlung der bewilligten SGB II-Leistungen durch den Antragsgegner an die W.\nAG in Hohe des monatlichen Stromabschlags von 105,00 € durch Widerruf ihrer\n„Abtretungserklarung" beendet und zugleich ausdrucklich erklart, die Zahlung\nselbst zu tatigen und insoweit auf jegliche Unterstutzung durch den\nAntragsgegner bei neu auflaufenden Schulden zu verzichten. Zu diesem Zeitpunkt\nbestanden gegenuber der W. AG noch Stromschulden aus ihrer vorherigen Wohnung\nin B. in Hohe von 419,22 €. Der Landkreis P. hatte im Marz 2006 die fur die\ndamalige Wohnung in P. bis zum 16. Februar 2006 entstandenen Stromschulden in\nHohe von 1.189,29 € darlehensweise ubernommen. Zudem drohte die W. AG den\nAntragstellern im November 2008 wegen einer Restforderung fur den Zeitraum vom\nSeptember 2007 bis September 2008 in Hohe von 270,55 € die Einstellung der\nStromlieferung am 11. Dezember 2008 an. Entgegen ihrer Erklarung und trotz der\ndrohenden Sperrung ihres Stromanschlusses stellten die Antragsteller jedoch\nihre Zahlungen an die W. AG ab November 2008 vollstandig ein. Zugleich\nsteigerten sie ihren Stromverbrauch ganz erheblich, indem sie mittels Strom\ndas dreistockige Reihenendhaus beheizten, nachdem der Gasversorger wegen\nZahlungsruckstanden die Gaslieferung eingestellt hatte. Dies fuhrte vom\nSeptember 2008 bis zum Auszug der Antragsteller im Fruhjahr 2009 zu weiteren\nStromschulden in Hohe von 2.661,67 €. Fur ein missbrauchliches Verhalten\nspricht außerdem, dass die Antragsteller ihren Umzug von P. nach C. im\nMarz/April 2009 der W. nicht mitteilten und somit auch die Entnahme von Strom\nin ihrer neuen Mietwohnung nicht anzeigten. Schließlich haben die\nAntragsteller wiederholt auch gegenuber ihrem Vermieter, dem\nGasversorgungsunternehmen und dem Wasserversorger ganz erhebliche\nZahlungsruckstande auflaufen lassen, aber gleichzeitig die von diesen zur\nVerfugung gestellten Leistungen in Anspruch genommen. Diese Gesamtumstande\nsprechen dafur, dass die Antragsteller ab November 2008 bewusst jegliche\nZahlungen an die W. in der Hoffnung eingestellt haben, dass der Antragsgegner\ndie auflaufenden Schulden ubernehmen wird, wie dies zuvor mehrfach geschehen\nwar. Der Antragsgegner hat insoweit auch zu Recht angenommen, dass nicht\nerwartet werden konnte, dass die Antragsteller im Fall der Gewahrung eines\nDarlehens kunftig mit den bewilligten SGB II-Leistungen vernunftig\nwirtschaften und ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nachkommen werden.\nBei den Antragstellern war insgesamt nicht der Wille zu erkennen, die seit\nEnde 2008 drohende Stromsperre abzuwenden und die zu diesem Zeitpunkt noch\nrelativ geringen Ruckstande gegenuber der W. AG in Hohe von 270,55 €\nauszugleichen. Ganz im Gegenteil waren die Antragsteller offenkundig nicht\nimstande, mit den ihnen von dem Antragsgegner gewahrten Leistungen zuzuglich\nKindergeld angemessen zu wirtschaften und zur Beschreitung ihres\nLebensunterhalts einzusetzen. Aufgrund der besonderen Umstande des\nvorliegenden Einzelfalls, der durch ein sozialwidriges Fehlverhalten der\nAntragsteller gekennzeichnet ist, haben dagegen die Interessen der drei\nminderjahrigen Kinder der Antragsteller zuruckzustehen. Denn die Beheizung der\ndamaligen Wohnung in C. war von der Stromsperre nicht betroffen. Den\nAntragstellern und ihren Kindern ware es ubergangsweise zuzumuten gewesen, auf\ndie Nutzung eines Kuhlschranks zur Kuhlung von Lebensmitteln, die Zubereitung\nvon warmen Speisen mittels Elektroherd, die Nutzung einer Waschmaschine sowie\nauf elektrisches Licht zu verzichten. Von daher ist die Ermessensentscheidung\ndes Antragsgegners nicht zu beanstanden, da die Umstande des Einzelfalls,\ninsbesondere die Interessen der drei minderjahrigen Kinder gegeneinander\nabgewogen wurden.\n\n45\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.\n\n46\n\n \n\nDie Entscheidung ist gemaß § 177 SGG unanfechtbar.\n\n
93,302
ovgmv-2011-08-31-3-l-5509
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 L 55/09
2011-08-31
2018-11-15 00:30:16
2019-01-17 10:59:30
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDas Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 29. Januar 2009 wird\ngeandert.\n\n \n\nDer Bescheid des Beklagten vom 28. November 2005 und der Widerspruchsbescheid\nvom 05. Oktober 2006 werden aufgehoben.\n\n \n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist im Kostenpunkt vorlaufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe der vom Gericht festgesetzten\nKosten abwenden, wenn nicht der Klager vorher Sicherheit in gleicher Hohe\nleistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nSachbericht:\n\n2\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um die Rechtmaßigkeit eines Bescheides, mit dem die\nBeklagte von der Gemeinde Peenemunde - im folgenden: Gemeinde - Zahlung eines\nBetrages in Hohe von 678,32 € verlangt.\n\n3\n\n \n\nDas Landesbauforderungsamt M-V bewilligte der Gemeinde mit Bescheid vom\n07.10.1993 eine Zuwendung in Hohe von 1.500.000,00 DM fur stadtebauliche\nEntwicklungsmaßnahmen. Weiter heißt es unter Ziffer I. des Bescheides, die\nMittel dienten der Finanzierung der stadtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Dorf\nund Haupthafen Peenemunde. Auf der Grundlage dieser Bewilligung wurden\nVorauszahlungen gewahrt und uber die Art der Finanzierung - Darlehen oder\nZuschuss - werde nach Abrechnung der Maßnahme entschieden. Unter Ziffer IV des\nBescheides wird geregelt, dass u.a. die „LHO sowie die dazu erlassenen\nVerwaltungsvorschriften, insbesondere die Verwaltungsvorschriften fur\nZuwendungen an kommunale Korperschaften § 44 LHO hier VV-K sowie die\nAllgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest. K 44)" Anwendung finden. Der Bescheid\nwurde nicht mit einem Rechtsbehelf angegriffen.\n\n4\n\n \n\nDie Gemeinde forderte uber ihren Sanierungstrager BIG Stadtebau M-V GmbH - im\nfolgenden BIG - am 06.12.1995 einen Betrag von 68.000 DM an. In dem\nAnforderungsschreiben wird die Verpflichtung, Zuwendungen, die nicht\nfristgerecht innerhalb von drei Monaten verwendet werden konnen, an die\nLandesbezirkskasse zuruck zu uberweisen, anerkannt. Weiter wird mitgeteilt,\ndass es bekannt ist, dass eine nicht fristgerechte Verwendung der Zuwendungen\nzu einer Erhebung von Zinsen nach Nr. 8.6 VV-K der LHO fuhrt. Der Betrag wurde\nim Dezember 1995 ausgezahlt. Eine zweckentsprechende Verwendung der Gelder vor\ndem 03.12.1996 erfolgte nicht. Die BIG sah von einer Ruckuberweisung wegen des\naus ihrer Sicht unverhaltnismaßigen Verwaltungsaufwandes ab.\n\n5\n\n \n\nIm April 2001 entschloss sich die Gemeinde, die stadtebauliche Maßnahme\nabzurechnen. Eine Verwirklichung der Gesamtmaßnahme ist bis zu diesem\nZeitpunkt nicht erfolgt und war auch zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen. Im\nOktober 2003 erklarte eine Vertreterin der BIG, die stadtebauliche\nEntwicklungsmaßnahme solle abgebrochen werden. Ende Oktober 2003 begann die\nPrufung der Zwischenabrechnungen 1994 - 2002\\. Die nicht fristgerechte\nVerwendung der 1995 ausgereichten 68.000 € war aufgrund der von der BIG bei\ndem Beklagten eingereichten Unterlagen und der zwischengeschalteten Prufung\ndurch einen Wirtschaftsprufer unstreitig. In einem internen Vermerk des\nBeklagten heißt es: „Die Zwischenabrechnungsunterlagen 1994 bis 1999 habe ich\nin dem mir vorliegenden Umfang Ende Oktober 2003 von Herrn Schunemann zur\n´Erstprufung` erhalten. Auffallig fur mich war zunachst, dass in diversen\nAbrechnungsunterlagen einzelne, anonyme Hinweise auf bereits begonnene\nBearbeitung zu entnehmen waren. Dieses und die nachdruckliche Forderung des\nSaTr auf sehr kurzfristige Bescheidung der ZWA konnten den Eindruck des\nVersuchs zur Unterdruckung von Sachverhaltsaufklarung erwecken. Insoweit halte\nich eine außerordentlich sorgfaltige Vorgehensweise fur geboten".\n\n6\n\n \n\nIn der Folgezeit entstand zwischen dem zustandigen Ministerium und dem\nBeklagten eine tiefgreifende Meinungsverschiedenheit uber die Behandlung der\nZwischenabrechnungen und die Schlussabrechnung sowie uber inhaltliche Fragen\nder Prufung. In einer Besprechung mit dem Ministerium am 16.11.2005 hat dieses\ngegenuber dem Beklagten festgelegt, dass zur Vermeidung der Anwendbarkeit der\nkurzen Verjahrung aufgrund der Rechtsprechung des OEufach0000000005 (U.v.\n09.02.2005 - 2 L 66/03, NordÖR 2005, 160) die Anforderung von „Zinsen" zu\nunterbleiben hat und zukunftig die Formulierung „Vorteilsausgleich" zu\nverwenden ist. Der Vorteilsausgleich sei dem stadtebaulichen Sondervermogen\nzuzufuhren und im Rahmen der Gesamtmaßnahme zu verwenden.\n\n7\n\n \n\nNach Anhorung der Gemeinde erging mit Bescheid vom 28.11.2005 der\nZwischenverwendungsnachweis von Stadtebauforderungsmitteln. Darin wird u.a.\neine nicht fristgerechte Verwendung von Stadtebauforderungsmitteln in Hohe von\n68.000 DM festgestellt. Nach Maßgabe Nr. 8.6 VV-K zu § 44 LHO wurde ein\nVorteilsausgleich in Hohe von 678,32 € festgesetzt und die Gemeinde zur\nZahlung aufgefordert. Die Gemeinde legte dagegen Widerspruch ein und\nbegrundete diesen mit der Verjahrung der Zinsforderung. Die\nZwischenabrechnungsunterlagen bis einschließlich des Jahres 1996 hatten\nvollstandig bis zum 16.03.1998 vorgelegen, so dass zu diesem Zeitpunkt der\nBeklagte Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 BGB n.F. gehabt hatte. Die dreijahrige\nVerjahrungsfrist fur die offentlich-rechtliche Zinsforderung sei am 31.12.2004\nabgelaufen.\n\n8\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2006 wurde der Widerspruch zuruckgewiesen.\nDie Verjahrung beginne erst mit der Falligkeit des Anspruchs. Diese sei erst\nmit dem Erlass des Bescheides vom 28.11.2005 eingetreten. Die Entscheidung sei\nauch ermessensfehlerfrei ergangen.\n\n9\n\n \n\nDie dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom\n29.01.2009 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid konne sich zwar nicht auf §\n49a Abs. 4 VwVfG M-V stutzen, weil diese Vorschrift einen endgultigen\nVerwaltungsakt voraussetze, der hier nicht vorliege. Aus der Systematik des §\n49a VwVfG M-V ergebe sich, dass die Vorschrift einen widerrufbaren\nVerwaltungsakt voraussetze. Ein vorlaufiger Verwaltungsakt bedurfe einer\nsolchen Aufhebung nicht, weil er durch den endgultigen Bescheid ersetzt werden\nkonne. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sei aber der allgemeine\noffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, weil der Bescheid vom 28.11.2005 in\nden endgultigen Bewilligungsbescheid umzudeuten sei, der die Leistung in Hohe\ndes geltend gemachten Vorteilsausgleichs ablehne. Insoweit sei diese Zahlung\nohne Rechtsgrund erfolgt und zuruckzuerstatten. Die Voraussetzungen der von\nder Gemeinde geltend gemachten Verwirkung lagen nicht vor. Die Berufung wurde\nwegen grundsatzlicher Bedeutung zugelassen.\n\n10\n\n \n\nGegen das am 30.03.2009 zugestellte Urteil hat der Klager am 21.04.2009\nBerufung eingelegt und innerhalb der vom Senatsvorsitzenden auf den 30.06.2009\nverlangerten Berufungsbegrundungsfrist am 29.06.2009 die Berufung begrundet.\nDer Klager tragt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen einer Umdeutung\nlagen nicht vor. Der angefochtene Bescheid finde - wie das Verwaltungsgericht\nzutreffend erkannt habe - auch keine Rechtsgrundlage in § 49a Abs. 4 VwVfG\nM-V. In jedem Fall sei der geltend gemachte Anspruch verwirkt, denn mehr als\nsieben Jahre nach Vorlage der Unterlagen fur die Zwischenabrechnung konne\nwegen der Bedeutung des Vorgangs fur die Klagerin diese darauf vertrauen, dass\neine solche Forderung nicht mehr geltend gemacht werde. Schließlich sei der\nAnspruch verjahrt.\n\n11\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n12\n\n \n\ndas Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 29.01.2009 zu andern und den\nBescheid des Beklagten vom 28.11.2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom\n05.10.2006 aufzuheben.\n\n13\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n14\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n15\n\n \n\nEr begrundet diesen Antrag damit, dass die Überlegungen des\nVerwaltungsgerichts zur Umdeutung „wohl nicht unangreifbar" seien. Allerdings\nergebe sich der geltend gemachte Anspruch jedenfalls aus dem offentlich-\nrechtlichen Erstattungsanspruch. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der\nVerwirkung lagen nicht vor.\n\n16\n\n \n\nFur die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die\nbeigezogenen Verwaltungsvorgange und die Niederschrift uber die mundliche\nVerhandlung verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n17\n\n \n\nDie statthafte und zulassige Berufung ist begrundet. Die Klage ist begrundet,\ndenn der angefochtene Bescheid ist objektiv rechtswidrig und verletzt die\nKlagerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).\n\n18\n\n \n\nAllerdings kann sich entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts der\nangegriffene Bescheid auf die Ermachtigungsgrundlage des § 49a Abs. 4 VwVfG\nM-V stutzen.\n\n19\n\n \n\nFormelle Mangel des angegriffenen Bescheides werden von dem Klager weder\ngeltend gemacht noch sind sie von Amts wegen ersichtlich. Es handelt sich bei\ndem Schreiben vom 28.11.2005 um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG\nM-V. Auch wenn eine ausdruckliche Tenorierung einer Zinszahlungspflicht fehlt,\nlasst sie sich dem Schreiben noch hinreichend entnehmen, weil die Klagerin\naufgefordert wird, den bezifferten Betrag der Zinsforderung dem\n„Treuhandvermogen dieser Maßnahme" zuzufuhren. Auch eine Begrundung\neinschließlich der der Ermessensentscheidung wird gegeben. Die Gemeinde ist\nvor Erlass des Verwaltungsaktes dazu angehort worden.\n\n20\n\n \n\nAuch materiell-rechtlich begegnet der angegriffene Bescheid keinen Bedenken.\nEr erfullt den Tatbestand des § 49 a Abs. 4 VwVfG M-V.\n\n21\n\n \n\nErste Voraussetzung der Zinsforderung ist die nicht alsbaldige\nzweckentsprechende Verwendung einer Leistung desjenigen, der die Zinsforderung\nerhebt. Am Vorliegen einer Leistung in Form einer Geldzahlung in Hohe von\n68.000 DM wie der nicht alsbaldigen, d.h. innerhalb der im grundlegenden\nZuwendungsbescheid geregelten Dreimonatsfrist erfolgten zweckentsprechenden\nVerwendung bestehen nach den in der mundlichen Verhandlung gewonnenen\nErkenntnissen des Senats keine Zweifel; auch die Beteiligten streiten nicht\ndaruber. Das Geld ist der Gemeinde fur eine stadtebauliche Maßnahme im\nDezember 1995 ausgezahlt worden; dass die Mittel nicht innerhalb von drei\nMonaten als einer dem Tatbestandsmerkmal „alsbald" entsprechenden Frist, die\nsich aus dem Bestandteil des Bescheides gemachten Verwaltungsvorschriften\nergibt, zweckentsprechend verwendet wurden, bestreitet der Klager nicht.\n\n22\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat als weitere tatbestandliche Voraussetzung des\nAnspruchs aus § 49a Abs. 4 Satz 1 VwVfG das Vorliegen eines endgultigen\nBewilligungsbescheids angenommen und dies mit der Systematik des § 49a VwVfG\nbegrundet. Damit weicht das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des\nBVerwG ab, aus der sich ergibt, dass das Vorliegen eines Verwaltungsaktes, auf\ndessen Grundlage die Leistung erbracht wird, nicht erforderlich ist (BVerwG B.\nv. 19.06.2008 - 8 B 10/08, Buchh. § 316 § 49a VwVfG Nr. 6). Das BVerwG stutzt\nseine Entscheidung auf den Wortlaut der Vorschrift, der keine Einschrankung\nauf durch Verwaltungsakt erbrachte Leistungen kennt, und den Zweck der\nVorschrift, den Zinsvorteil bei einer nicht alsbald zweckentsprechend\nverwendeten Leistung dem Leistungserbringer zu sichern und beim\nLeistungsempfanger abzuschopfen. Dieser Zweck rechfertige keine Einschrankung\ndes Anwendungsbereiches des § 49a VwVfG auf Falle einer aufgrund eines\nVerwaltungsaktes erbrachten Leistung. Der Senat schließt sich dieser\nRechtsprechung fur die landesrechtliche Bestimmung des § 49a Abs. 4 VwVfG M-V\nan. Dementsprechend genugt ein bloß vorlaufiger Verwaltungsakt als Grundlage\nder Leistung, weil auch fur eine auf einem solchen Verwaltungsakt beruhende\nLeistung entsprechend dem Sinn und Zweck des § 49a Abs. 4 VwVfG M-V der\nZinsvorteil herausgefordert werden kann. Genugt namlich fur die Anwendung des\n§ 49a Abs. 4 VwVfG die Leistung als solche, ist nicht maßgebend rechtlich\nunerheblich, ob sie auf einem endgultigen oder bloß vorlaufigen Verwaltungsakt\nberuht.\n\n23\n\n \n\nDie Entscheidung ist auch nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Der Beklagte hat\nim Erstbescheid sein Ermessen ausgeubt und dabei die Grunde berucksichtigt,\ndie die Gemeinde zur Begrundung der unterbliebenen Ruckzahlung angefuhrt hat.\nNach Auffassung des Beklagten ist der von der Gemeinde allein genannte Grund\nder Verwaltungsvereinfachung ungeeignet, einen Ausnahmefall darzustellen, der\nein Absehen von der Zinsforderung begrunden kann. Das ist rechtlich nicht zu\nbeanstanden, denn der von der Gemeinde geltend gemachte Grund durfte\nregelmaßig vorliegen, weil die Ruckuberweisung an die auszahlende Stelle, die\nVerbuchung dort und die Neubeantragung der Mittel einen gewissen\nVerwaltungsaufwand verlangen, der nicht entsteht, wenn die Mittel nicht\nzuruckgegeben werden. Diesen bei einer Ruckzahlungsverpflichtung in jedem Fall\nentstehenden Verwaltungsaufwand hat der Gesetzgeber dadurch, dass er die\nRuckforderung der nicht alsbald zweckentsprechend verwendeten Leistung\ngrundsatzlich verlangt und sie nur in das Ermessen der Behorde stellt, um\nBesonderheiten des Einzelfalles berucksichtigen zu konnen, nicht als\ngenerellen Einwand gegen die Ruckzahlungspflicht anerkannt. Die die Leistung\nbewilligende Stelle hat zudem im hier zu entscheidenden Einzelfall die\nRuckzahlungspflicht zum Inhalt des Bewilligungsbescheides gemacht und so\nverdeutlicht, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand bei der\nErmessensausubung grundsatzlich außer Betracht zu bleiben hat. Anhaltspunkte\nfur einen ausnahmsweise besonders hohen Verwaltungsaufwand hat das Gericht dem\nVortrag des Klagers nicht entnehmen konnen. Unter diesen Umstanden ist die\nfehlende Berucksichtigung des entstehenden Verwaltungsaufwandes bei der\nErmessensentscheidung uber die Zinszahlungsverpflichtung nicht\nermessenfehlerhaft, weil sie sich am Gesetzeszweck ausrichtet. Ein\nErmessensausfall oder -fehlgebrauch ist nicht zu erkennen. Entsprechendes gilt\nfur den Widerspruchsbescheid, der die fehlende Erklarung uber die\nNichtverwendung und den Grundsatz der Gleichbehandlung bei dem Umgang mit den\nFordermitteln zusatzlich als Ermessensgesichtspunkte anfuhrt. Fur ein\nfehlendes Verschulden an der zu fruhen Anforderung, der nicht alsbaldigen\nVerwendung oder der nicht rechtzeitigen Nichtangabe derselben (vgl. dazu\nBVerwG U.v. 26.06.2002 - 8 C 30/01, BVerwGE 116, 332) hat der Klager nichts\nvorgetragen. Beim Ermessen kann auch der lange Zeitraum zwischen der Vorlage\nder Unterlagen, aus denen sich die nicht zweckentsprechende Verwendung ergibt,\nund dem Entscheidungszeitpunkt berucksichtigt werden. Im vorliegenden Fall war\ndiese Problematik von der Gemeinde mehrfach angesprochen worden, doch hatte\nsie ausdrucklich auf entsprechenden Vorhalt hin ihr Verstandnis fur die Dauer\ndes Prufverfahrens ausgedruckt und dies ausdrucklich nicht beanstandet,\nsondern Verstandnis bekundet. Unter diesen Umstanden ist nicht zu erkennen,\ndass bei der Ermessensausubung die Zeitdauer des Prufverfahrens besonders\neinzustellen war.\n\n24\n\n \n\nZu Recht macht der Klager aber macht die Verjahrung des Anspruchs geltend. Der\nZinsanspruch aus § 49a Abs. 4 VwVfG M-V unterliegt der Verjahrung. Es handelt\nsich um einen Anspruch, der grundsatzlich verjahren kann, wie sich aus § 53\nVwVfG M-V ableiten lasst. Dass die Beklagte nicht von einem Zinsanspruch\nspricht, sondern von einem Vorteilsausgleich, andert an dem rechtlichen\nCharakter als Leistungsanspruch auf Zahlung von Zinsen, der der Verjahrung\nunterliegt, nichts. Denn § 49a Abs. 4 VwVfG M-V spricht ausdrucklich von\nZinsen, die als Ausgleich fur das Behalten einer nicht zweckentsprechend\nverwendeten Leistung erhoben werden. Das Gesetz formt den Anspruch als einen\nsolchen auf Zahlung von Zinsen zum Zweck des Vorteilsausgleichs.\n\n25\n\n \n\nDer Beginn der Verjahrung eines Anspruchs nach § 49a Abs. 4 VwVfG M-V ist\ngesetzlich nicht geregelt. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass, wenn\nspezielle offentlich-rechtliche Regelungen uber die Verjahrung fehlen, die\neinschlagigen Bestimmungen des BGB uber die Verjahrung analog anzuwenden sind.\nDabei ist zu beachten, dass die analoge Anwendung voraussetzt, dass der der\nentsprechend anzuwendenden Regelung zugrunde liegende vom Gesetzgeber gewollte\nInteressenausgleich auch auf die Struktur des gesetzlich ungeregelten\nSachverhaltes ubertragbar und anwendbar ist. Ob eine solche Situation\nvorliegt, ist insbesondere unter Berucksichtigung des vorhandenen\nNormbestandes sowohl der fur die analoge Anwendung in Betracht kommenden\nBestimmungen zu entscheiden wie unter Beachtung der Regelungen, die wegen\nihrer Luckenhaftigkeit durch eine analoge Anwendung erganzt werden sollen.\n\n26\n\n \n\nDer Landesgesetzgeber Mecklenburg-Vorpommern hat die allgemeine Verjahrung\noffentlich-rechtlicher Anspruche ebenso wenig abschließend geregelt wie die\nVerjahrung des hier in Rede stehenden Anspruchs nach § 49a Abs. 4 VwVfG M-V.\nInsbesondere der Beginn der Verjahrung und die Dauer der Verjahrungsfrist sind\nvom Landesgesetzgeber nicht vorgegeben. Diese Lucke ist grundsatzlich durch\ndie analoge Anwendung der allgemeinen Verjahrungsbestimmungen des BGB zu\nschließen, weil auch diese Normen die Verjahrung von Anspruchen regeln, die\nsich in ihrer Struktur nicht von offentlich-rechtlichen Anspruchen\nunterscheiden. Dafur spricht auch § 120 VwVfG M-V, der die\nÜberleitungsvorschrift des Art 229 § 6 Abs. 1- 4 EGBGB fur anwendbar erklart.\nFur eine analoge Anwendung der Vorschriften der AO sieht der Senat bei dieser\nRechtslage keinen Raum (vgl. insoweit auch OVG Weimar, U. v. 07.04.2011 - 3 KG\n505/09, juris).\n\n27\n\n \n\nDer Beginn der Verjahrung kann an unterschiedliche Zeitpunkte anknupfen: zum\neinen an den Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs, zum anderen an den\nZeitpunkt seiner Falligkeit. Als dritter Zeitpunkt kommt der Moment in\nBetracht, in dem der entstandene Anspruch objektiv hatte geltend gemacht\nwerden konnen.\n\n28\n\n \n\nDer Senat schließt sich der im Vordringen befindlichen Rechtsauffassung an,\ndass nicht erst der Zeitpunkt der Falligkeit den Beginn der Verjahrungsfrist\nmarkiert (so bereits wohl OEufach0000000005 U. v. 09.02.2005 - 2 L 66/03,\nNordÖR 2005, 160; dazu Graupeter LKV 2006, 202; OVG Berlin-Brandenburg U.v.\n11.03.2010 - 2 B 1/09, LKV 2011 136 [LS]; dazu Graupeter LKV 2011, 104; OVG\nWeimar U.v. 07.04.2011 - 3 KO 157/09, juris) . Allerdings wird in der\nzivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur (vgl. statt aller\nStaudinger/Dilcher BGB 12. Aufl. 1980, § 198 Rn. 3; Staudinger/Peters BGB\n2004, § 199 Rn. 3 ff.) die Falligkeit des Anspruchs als Voraussetzung der\nVerjahrung angesehen, weil ein noch nicht falliger Anspruch auch nicht im\nKlagewege geltend gemacht werden kann, da ein Leistungsanspruch vor seiner\nFalligkeit vom Schuldner noch nicht erfullt werden muss. In einem solchen Fall\nbedarf es keines Verjahrungsbeginns und ware ein solcher nicht\ninteressengerecht, weil dadurch der Glaubiger benachteiligt wird. Der\nSchuldner ist vor der Durchsetzung des Anspruchs hinreichend geschutzt, kann\naber auch nicht damit rechnen, dass der Anspruch nicht doch noch durchgesetzt\nwerden wird, weil es an der Durchsetzbarkeit aus Rechtsgrunden fehlt.\n\n29\n\n \n\nEine analoge Anwendung diese Rechtsauffassung auf den offentlich-rechtlichen\nAnspruch aus § 49a Abs. 4 VwVfG M-V scheidet aber aus, weil ihr § 53 VwVfG M-V\nentgegensteht. Nach dieser Bestimmung hemmt die Geltendmachung des offentlich-\nrechtlichen Anspruchs die Verjahrung. Nach der Rechtsprechung des BVerwG zu §\n49a Abs. 4 VwVfG wird der Anspruch erst mit der Geltendmachung durch einen\nVerwaltungsakt fallig (U. v. 27.04.2005 - 8 C 5/04, BVerwGE 123, 303). Wurde\ndie Verjahrungsfrist erst mit der Falligkeit beginnen, dann hatte dies im\nGeltungsbereich des § 53 VwVfG zur Folge, dass die Verjahrung zeitgleich mit\nder Falligkeit gehemmt wird. Dies hatte zur Folge, dass, die Verjahrungsfrist\nerst zu einem sehr viel spateren Zeitpunkt, namlich der Bestandskraft des\nVerwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung\nbeginnen wurde (§ 53 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dieses Ergebnis ist nicht\ninteressengerecht, weil es dem Glaubiger die Moglichkeit lasst, den Zeitpunkt\nder Falligkeit selbst zu bestimmen und auf diese Weise die Verjahrung faktisch\nzu unterlaufen ohne dass der Schuldner eine effektive Moglichkeit hat, die\nFalligkeit herbei zu fuhren.\n\n30\n\n \n\nDer Senat kann offenlassen, ob der Rechtsauffassung des fur das\nSubventionsrecht zustandigen 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts\nMecklenburg-Vorpommern (U.v. 09.02.2005 - 2 L 66/03, a.a.O.) zu folgen ist,\ndass der Lauf der Verjahrungsfrist mit der Entstehung des Anspruchs beginnt\noder mit einer vermittelnden Meinung der Lauf der Verjahrungsfrist erst dann\nbeginnt, wenn die Behorde objektiv in der Lage ist, den Anspruch geltend zu\nmachen (vgl. zu diesem Gedanken Guckelberger, Die Verjahrung im offentlichen\nRecht 2004 S. 371). Denn fur jeden der beiden Zeitpunkte gilt, dass im Moment\ndes Erlasses des Ausgangsbescheides der Zinsanspruch bereits verjahrt war.\n\n31\n\n \n\nNach der Rechtsprechung des BVerwG entsteht der Anspruch auf Zinszahlung in\ndem Moment, in dem die Frist zur alsbaldigen zweckentsprechenden Verwendung\nabgelaufen ist (BVerwG U.v. 27.04.2005 - 8 C 5/04, a.a.O.). Das war hier\nspatestens am 31.03.1996 der Fall. Wird mit dem 2. Senat des\nOberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (U.v. 09.02.2005 - 2 L 66/03,\na.a.O.) die Dauer der Verjahrungsfrist analog § 197 BGB a.F. berechnet, trat\ndie Verjahrung des Zinsanspruches am 01.01.2001 ein, weil fur den Beginn der\nFrist § 201 Satz 1 BGB a.F. anzuwenden ist. Wird die allgemeine dreißigjahrige\nVerjahrungsfrist des § 195 BGB a.F. zugrunde gelegt, ist nach Art 229 § 6 Abs.\n1 Satz 1, Abs. 4 S. 1 EGBGB, § 195 BGB n.F. die Verjahrungsfrist am 31.12.2004\nabgelaufen und am 01.01.2005 die Verjahrung eingetreten.\n\n32\n\n \n\nNach dem Vortrag des Klagers, dem der Beklagte auch auf Befragen in der\nmundlichen Verhandlung nicht entgegengetreten ist, lagen im Marz 1998 alle\nUnterlagen vor, aus denen sich ergab, dass die Zuwendung in Hohe von 68.000 DM\nnicht alsbald zweckentsprechend verwendet wurde, sondern erst im Dezember\n1996. Auch aus dem von dem Beklagten dem Gericht vorgelegten\nVerwaltungsvorgang ergibt sich nichts anderes. Die bei der seit 2003\ndurchgefuhrten Prufung durch den Beklagten aufgetretenen zu klarenden\nUnklarheiten im Zusammenhang mit den von der BIG eingereichten Unterlagen\nbetrafen diese Zahlung nicht. Der Beklagte konnte daher bereits im Jahr 1998\nerkennen, dass der Anspruch aus § 49a Abs. 4 VwVfG M-V entstanden war.\nAnhaltspunkte dafur, dass er fur die Ermessensausubung noch Sachverhalt\nermitteln musste, hat der Senat nicht; auch der Beklagte macht nichts\ndergleichen geltend. Objektiv war der Beklagte im Jahr 1998 in der Lage, uber\ndie Geltendmachung des Anspruchs zu entscheiden. Wird dieser Zeitpunkt\nzugrunde gelegt und wird die kurze Verjahrung des § 197 BGB a. F. zugrunde\ngelegt, begann die Verjahrungsfrist im Jahr 1999 und endete nach Art. 229 § 6\nAbs. 4 Satz 2 EGBGB mit Ablauf des 31.12.2003 und die Verjahrung trat am\n01.01.2004 ein. Wird die dreißigjahrige Verjahrungsfrist zugrundegelegt, ist\nnach Art 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 S. 1 EGBGB, § 195 BGB n.F. die\nVerjahrungsfrist am 31.12.2004 abgelaufen und am 01.01.2005 die Verjahrung\neingetreten.\n\n33\n\n \n\nDie Verjahrung des mit dem angefochtenen Bescheides ist spatestens am\n01.01.2005 eingetreten. Der Senat kann offen lassen, ob die offentlich-\nrechtliche Verjahrung als Einrede geltend zu machen oder von Amts wegen zu\nbeachten ist, weil sie bereits im Widerspruch der Gemeinde einredeweise\nerhoben worden ist.\n\n34\n\n \n\nAuf die Frage der Verwirkung des Anspruchs kommt es bei dieser Rechtslage\nnicht an.\n\n35\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n36\n\n \n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO,\n708 ff. ZPO.\n\n37\n\n \n\nDie Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgrunde nach § 132 Abs. 2\nVwGO nicht vorliegen.\n\n
95,427
ovgmv-2010-11-24-3-k-2708
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 K 27/08
2010-11-24
2018-11-15 20:30:11
2019-02-14 01:57:13
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDer Bebauungsplan Nr. 19/05 A „Gewerbegebiet Torgelower Straße West“ wird für\nunwirksam erklärt.\n\n \n\nDie Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann\ndie Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der\nfestgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerin Sicherheit in\ngleicher Höhe leistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Bereich des\nBebauungsplans Nr. 19/05 A der Antragsgegnerin. Gegen diesen Bebauungsplan\nrichtet sich der Antrag im Normenkontrollverfahren.\n\n2\n\n \n\nDie im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke sind mit einem\nEinkaufszentrum bebaut, für das mehrere bestandskräftige Baugenehmigungen\nbestehen. Derzeit werden in dem Einzelhandelszentrum ein Baumarkt der Kette\n"U." und ein Supermarkt der Kette "F." betrieben. Auf einer weiteren Fläche\nvon ca. 3.000 qm im Mittelteil des Objekts können gemäß der Baugenehmigung des\nLandkreises Uecker-Randow vom 04.11.2004 Verkaufseinrichtungen für\nElektrohandel sowie Sportartikel, Verkauf von Textilien, Metallen und\nKunststoffen betrieben werden.\n\n3\n\n \n\nAm 01.08.1991 beschloss die Stadtvertretung der Antragsgegnerin den Vorhaben-\nund Erschließungsplan Nr. 2 "Sondergebiet Verkaufshalle im Gewerbegebiet".\nNach § 3 Ziff. 1.1.2 der Satzung zu dem Plan sind in dem Sondergebiet\n"Verkaufshalle" Betriebe des Einzelhandels mit einem nachfolgend aufgeführten\nSortiment zulässig. Als unzulässiges Warensortiment werden unter anderem\nUhren, Schmuck und Silberwaren, Schuhe, Leder und Galanteriewaren, Bekleidung,\nHaushaltswaren, Drogerie und Parfümeriewaren, Bücher, Geschenkartikel, Keramik\nund pharmazeutische Artikel bezeichnet. In diesem Zusammenhang hatte die SM-\nBaugesellschaft mbH, Dortmund am 27.06.1991 eine Bau-lasterklärung\nunterzeichnet, durch die sie sich zur Einhaltung dieser Beschränkungen\nverpflichtete. Ein Durchführungsvertrag wurde für diesen Vorhaben- und\nErschließungsplan nicht abgeschlossen.\n\n4\n\n \n\nUnter dem 03.09.1991 wurde eine Baugenehmigung für die Errichtung einer\nVerkaufshalle erteilt, in der in der Folgezeit ein Verbrauchermarkt, ein\nMöbelmarkt und ein Baumarkt betrieben wurden. In den Folgejahren wurden\nmehrere weitere Baugenehmigungen ausgegeben, für die zum Teil Befreiungen von\nden Festsetzungen des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 2 ausgesprochen\nwurden.\n\n5\n\n \n\nDie Baulast vom 27.06.1991 wurde am 05.03.2001 im Baulastenverzeichnis des\nLandkreises Uecker-Randow gelöscht. Dem lag ein Beschluss der Stadtvertretung\nder Antragsgegnerin zugrunde.\n\n6\n\n \n\nAm 22.05.2001 machte die Antragsgegnerin im R.er Stadtanzeiger den\nAufstellungsbeschluss zur Änderung des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 2\nim vereinfachten Verfahren bekannt. Die Änderung sollte die Aufhebung der\nEinschränkungen des Warensortiments gemäß Baulasterklärung vom 03.07.1991\numfassen. In diesem Verfahren gab das Ministerium für Arbeit und Bau\nMecklenburg-Vorpommern mit Erlass vom 10.07.2001 eine Stellungnahme ab. Die\nStadt R. beabsichtige eine Änderung des Plans mit dem Ziel, einen\nVerbrauchermarkt mit maximal 2.700 qm Verkaufsfläche und einen Bau-, Garten-\nund Möbelmarkt mit maximal 8.000 qm Verkaufsfläche zu ermöglichen. Die\nFestsetzungen des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 2 aus 1991 hinsichtlich\nzulässiger Sortimente und Größe der Einzelhandelsbetriebe seien nicht mehr\nzeitgemäß und hätten sich als praxisfremd erwiesen. Das Sondergebiet werde\nderzeit wie folgt genutzt: Verbrauchermarkt (F.) mit ca. 2.700 qm\nVerkaufsfläche, Baumarkt (U.) mit ca. 3.750 qm Fläche (geplante Erweiterung um\neinen Gartenmarkt einschließlich Freiflächen auf 8.000 qm), Bauhülle des\nMöbelmarkts mit ca. 4.000 qm, die derzeit als Call-Center genutzt werde. Diese\nBauhülle solle vom Baumarktbetreiber als Gartencenter genutzt werden. Die\nPlanungen seien mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung vereinbar.\nDieses Planungsverfahren wurde nicht zu Ende geführt.\n\n7\n\n \n\nMit Bescheid vom 31.01.2002 wurde der Antragstellerin der Umbau und die\nErweiterung des Baumarkts einschließlich Gartencenter genehmigt; hierbei wurde\neine Befreiung von den Baugrenzen des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 2\nerteilt.\n\n8\n\n \n\nUnter dem 03.11.2004 stellte die Antragstellerin einen Bauantrag für die\nVergrößerung des Gartencenters unter Überschreitung der Baugrenzen des\nVorhaben- und Erschließungsplans Nr. 2 sowie für eine Nutzungsänderung\ninnerhalb der bestehenden Verkaufshalle, wonach der knapp 3.000 qm große\nBereich des früheren Möbelmarkts in einzelne Läden unterteilt werden sollte.\n\n9\n\n \n\nDer Landrat des Landkreises Uecker-Randow forderte die Antragsgegnerin mit\nSchreiben vom 04.11.2004 unter Übersendung der Antragsunterlagen auf, über das\nEinvernehmen nach § 36 BauGB zu entscheiden.\n\n10\n\n \n\nIn einer Stellungnahme gegenüber der Antragstellerin führte die Firma Dr.\nLademann und Partner, Hamburg, im Schreiben vom 22.11.2004 zu dem Projekt der\nAntragstellerin zur Ansiedlung eines Kaufland-Verbrauchermarkts mit 3.000 qm\nVerkaufsfläche und weiteren 2.000 qm Verkaufsfläche für Fachmärkte und\nKonzessionäre aus: Die Einschätzungen der Gutachter Junker und Kruse – in\neiner früheren Expertise - zu den künftigen Ansiedlungspotenzialen des R.er\nEinzelhandels würden geteilt: Aus der bestehenden Verkaufsflächenausstattung\nergebe sich unter Tragfähigkeitsaspekten kein Entwicklungsspielraum. Dennoch\nsollten maßvolle, auf Optimierung der qualitativen und räumlichen Struktur des\nEinzelhandels angebotsausgerichtete Neuansiedlungen und Geschäftserweiterungen\nzugelassen werden. Ansonsten würden die bestehenden strukturellen und\nqualitativen Defizite zementiert. Dabei sollte jedoch - wie auch von Junker\nund Kruse empfohlen - eine Orientierung am Prinzip der räumlich-funktionalen\nArbeitsteilung angestrebt werden, damit Konkurrenzverhältnisse zum\nInnenstadteinzelhandel abgebaut bzw. minimiert würden. Das Vorhaben am X.\nPlatz sei demgegenüber kritischer als von Junker und Kruse zu beurteilen. Eine\nabsatzwirtschaftliche Tragfähigkeit für einen dritten Einzelhandelspool in R.\nsei nicht gegeben. Zudem sei davon auszugehen, dass das Vorhaben am X. Platz\ndeutlich höhere Umverteilungswirkungen in R. induzieren werde als das Vorhaben\nan der V. Straße.\n\n11\n\n \n\nIn einem offenen Brief an die Antragsgegnerin vom 23.11.2004 wies die\nAntragstellerin darauf hin, dass sie ihren Standort an der V. Straße unter\nallen Umständen erhalten und ausbauen werde. Sie verwies auf ein Gutachten von\nJunker und Kruse und die Stellungnahme von Dr. Lademann und Partner.\n\n12\n\n \n\nAm 25.11.2004 beschloss die Stadtvertretung der Antragsgegnerin eine\nKonzeption unter dem Titel „Einzelhandelskonzeption und –fachplan für die\nStadt R.“. Nach Angaben der Antragsgegnerin lag diesem Beschluss eine\nPräsentation der Gutachter Junker und Kruse in der Sitzung zu Grunde. Die\nschriftliche Fassung des Gutachtens ist mit der Angabe „Februar 2005“\nversehen. Die Antragstellerin war an der Erstellung der\nEinzelhandelskonzeption zunächst intensiv beteiligt gewesen, nach ihren\nAngaben „bis zum Umschwenken auf das Projekt "X. Platz"“.\n\n13\n\n \n\nDie Antragsgegnerin versagte das gemeindliche Einvernehmen zu der von der\nAntragstellerin beantragten Baugenehmigung unter dem 06.01.2005 mit der\nBegründung, der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 2 sei unter anderem\ndeswegen unwirksam, weil mit dem Vorhabenträger vor Satzungsbeschluss kein\nDurchführungsvertrag abgeschlossen worden sei. Die Planung enthalte auch keine\ntextlichen Festsetzungen; die Veröffentlichung sei nicht ordnungsgemäß\ndurchgeführt worden. Das Vorhaben sei nach § 34 BauGB zu beurteilen und danach\nunzulässig, weil es schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche\nin der Gemeinde erwarten lasse.\n\n14\n\n \n\nUnter dem 15.02.2005 erteilte der Landrat des Landkreises Uecker-Randow die\nBaugenehmigung unter Ersetzung des Einvernehmens nach § 36 BauGB. Zur\nBegründung der Ersetzung wird ausgeführt: Das Vorhaben liege im\nGeltungsbereich des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 2. Es widerspreche\nnicht den Festsetzungen dieser Satzung. Planungsrechtliche Gründe stünden dem\nVorhaben nicht entgegen. Eine Versagung des Einvernehmens sei daher\nrechtswidrig. Die Baugenehmigung betrifft die Erweiterung des Baumarkts und\ndie Nutzungsänderung der Einzelhandelsflächen. Im einzelnen werden genehmigt:\n\n15\n\n \n\n\\- Verkaufseinrichtung als Baumarkt, Verkauf von baumarkt- und\ngartencentertypischen Erzeugnissen \n\\- Verkaufseinrichtung für Textilien: Verkauf von Textilien, Papier,\nKunststoffe \n\\- Verkaufseinrichtung für Schuhe \n\\- Verkaufseinrichtung für Waren aller Art: Verkauf von Textilien, Papier,\nKunststoffe \n\\- Verkaufseinrichtung für Elektro- und Sportartikel \n\\- Verkaufseinrichtung für Drogerie und Haushaltswaren \n\\- Verkaufseinrichtung für Blumen und Pflanzen \n\\- Filmverleih, Medienprodukte\n\n16\n\n \n\nDem dagegen gestellten Antrag der Antragsgegnerin auf Gewährung vorläufigen\nRechtsschutzes gab das Verwaltungsgericht statt. Es führte aus: Die\ngenehmigungspflichtige Nutzungsänderung sei nach den Festsetzungen des\nVorhaben- und Erschließungsplans Nr. 2 nicht zulässig, da dieser unwirksam\nsei, weil ihm zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses der erforderliche\nDurchführungsvertrag gefehlt habe. Das Vorhaben sei nach § 34 Abs. 3a BauGB\nnicht genehmigungsfähig, da von ihm schädliche Auswirkungen auf zentrale\nVersorgungsbereiche der Gemeinde zu erwarten seien. Der Senat lehnte im\nBeschwerdeverfahren den Antrag durch Beschluss vom 19.10.2006 - 3 M 63/06\n(veröff. in NordÖR 2007, 80 = BauR 2007, 515 = LKV 2007, 232 = BRS 70 Nr. 150)\nmit folgender Begründung ab: Die Gemeinde könne die Verletzung der materiellen\nPlanungshoheit nicht daraus herleiten, dass sie geltend mache, ihr eigener\nBebauungsplan sei unwirksam, das an sich plankonforme Vorhaben sei daher nach\n§ 34 BauGB zu beurteilen und sie habe das somit erforderliche Einvernehmen\nnach § 36 BauGB zu Recht versagt. Die Planungshoheit der Gemeinde umfasse bei\nerkannter Unwirksamkeit eines eigenen Bebauungsplans nämlich nur die\nMöglichkeit, diesen in einem Verfahren nach § 1 Abs. 8 BauGB aufzuheben oder\nzu ändern und dabei ggf. einen Antrag auf Zurückstellung nach § 15 BauGB zu\nstellen oder eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB zu erlassen.\n\n17\n\n \n\nAm 24.03.2005 fasste die Stadtvertretung der Antragsgegnerin die\nAufstellungsbeschlüsse zur 3. Änderung des Flächennutzungsplans, zum\nBebauungsplan Nr. 18/05 "X. Platz" und zum Bebauungsplan Nr. 19/05\n"Gewerbegebiet V. Straße" sowie zur Aufhebung der Vorhaben- und\nErschließungspläne Nr. 1 "X. Platz" und Nr. 2 „V. Straße“.\n\n18\n\n \n\nDie Gutachter Junker und Kruse ergänzten ihr Gutachten im März 2005 im\nHinblick auf die Entwicklung des X. Platzes, bezogen auf den Entwurf des\nBebauungsplans 18/05 in der Fassung vom 18. März 2005.\n\n19\n\n \n\nAm 22.06.2005 beschloss die Stadtvertretung der Antragsgegnerin, das\nPlangebiet des Bebauungsplans Nr. 19 zu teilen: Der Bebauungsplan Nr. 19/05 A\nsoll das "Gewerbegebiet V. Straße West" und der Bebauungsplan Nr. 19/05 B das\n"Gewerbegebiet V. Straße Ost" umfassen. Mit dem Bebauungsplan Nr. 19/05 A\nsolle das Planverfahren zunächst fortgeführt werden.\n\n20\n\n \n\nAm 22.09.2005 beschloss die Stadtvertretung der Antragsgegnerin den\nBebauungsplan Nr. 18/05 "X. Platz". In ihm ist im Wesentlichen ein SO-Handel\nfestgesetzt. Für die Art der baulichen Nutzung sind hinsichtlich des\nSondergebiets Einzelhandels- und Fachmarktzentrum maximale Verkaufsflächen für\nVerbrauchermarkt, Fachmärkte, Konzessionäre und die gesamte Verkaufsfläche\nfestgesetzt. Einschränkungen hinsichtlich des Warensortiments enthält der\nBebauungsplan nicht. Die Stadtvertretung der Antragsgegnerin beschloss am\n22.06.2006, den Planbereich des Bebauungsplans Nr. 18/05 zur Planung von Zu-\nund Abfahrten zum Einkaufszentrum und zur Tankstelle einschließlich einer\nVerkehrsinsel zu erweitern. Am 26.04.2007 beschloss die Stadtvertretung das\nErgebnis der Abwägung sowie die sich aus den Maßgaben und Hinweisen zur\nGenehmigung vom 11.10.2005 ergebende Satzung über den Bebauungsplan Nr. 18/05.\n\n21\n\n \n\nBereits am 13.09.2006 war Baubeginn am X. Platz.\n\n22\n\n \n\nDas Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 19/05 A verlief wie\nfolgt:\n\n23\n\n \n\nAm 30.11.2006 beschloss die Stadtvertretung der Antragsgegnerin die nördliche\nErweiterung des Plangebiets an der V. Straße, die Billigung des Planentwurfs\nund dessen öffentliche Auslegung. Im nordöstlichen Bereich entlang der V.\nStraße ist danach ein Sondergebiet großflächiger Einzelhandel vorgesehen. Im\nSondergebiet orientieren sich die festgesetzten Baugrenzen am bestehenden\nGebäude. Nach den textlichen Festsetzungen sind in dem „Sondergebiet\ngroßflächiger Einzelhandel“ großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige\ngroßflächige Handelsbetriebe zulässig. Es soll ausschließlich der\nUnterbringung von Handelsbetrieben mit einem Angebot von\nnichtzentrenrelevanten Sortimenten gemäß R.er Liste 2 dienen, die\nnachrichtlich auf die Planurkunde aufgedruckt wurde. In der Begründung wird\nausgeführt: Im Ergebnis des Einzelhandelsgutachtens, das die Stadtvertretung\nam 24.11.2004 beschlossen habe, werde empfohlen, den Bereich V. Straße als\nVorranggebiet für nichtzentrenrelevante Sortimente festzulegen.\nZentrenrelevante Sortimente seien dem Einzelhandelsgebiet in der Innenstadt\nvorbehalten. Durch die Stärkung des Einkaufsgebiets an der V. Straße mit einem\nklar zugeordneten Angebotsspektrum könne langfristig eine verbesserte lokale\nund regionale Ausstrahlung erreicht werden. Um dies zu befördern, sei die\nEntwicklung sonstiger, vor allem peripherer Standorte soweit wie möglich\neinzuschränken bzw. sollten auch bestehende Standorte am Stadtrand außerhalb\nder Vorranggebiete mittel- bis langfristig aufgegeben werden. Insgesamt sei\ndie planungsrechtliche Sicherung des Einzelhandelfachplans durch den\nAusschluss von Einzelhandel und durch zielgerichtete und dezidierte\nSortimentsbeschränkungen im Gewerbegebiet an der V. Straße zu berücksichtigen.\n\n24\n\n \n\nDas Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern\nbestätigte durch Erlass vom 19.12.2006, dass die beabsichtigte Planung den\nZielen der Raumordnung und Landesplanung gemäß Ziff. 4.3.2 (3), (4), (5) und\n(6) des Landesraumentwicklungsprogramms Mecklenburg-Vorpommern vom 03.05.2005\n(Amtsbl. M-V S. 797) entspreche. Um dem Planungsziel "Stärkung der\nZentrenstruktur" auch hinsichtlich der Gewerbegebiete gerecht zu werden,\nsollten auch hier jegliche zentrenrelevanten Sortimente ausgeschlossen werden.\n\n25\n\n \n\nGegen die beabsichtigte Planung erhoben unter anderem die Industrie- und\nHandelskammer und die Antragstellerin Bedenken.\n\n26\n\n \n\nAm 22.02.2007 beschloss die Stadtvertretung der Antragsgegnerin die Ergebnisse\nder Abwägung und fasste den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 19/05\nA.\n\n27\n\n \n\nZu den Einwendungen der Antragstellerin (Nr. 2 der Privateinwendungen) nimmt\ndie Abwägungsdokumentation wie folgt Stellung: Die vorgesehene Festsetzung\nberücksichtigte die Eigentümerbelange der Antragstellerin insoweit, als eine\nEinzelhandelsnutzung auch weiter ausgeübt werden könne. Lediglich die\nzulässigen Sortimente würden eingeschränkt. Dabei stelle das gesamtstädtische\nEinzelhandelskonzept die wesentliche Grundlage für die planerische\nEntscheidung dar. Die Ergebnisse des Einzelhandelskonzepts, welches als\nSelbstbindung durch die Stadtvertretung beschlossen worden sei, seien als\nübergeordnete Belange in die Abwägung einzustellen und hier aufgrund der\nspeziellen Thematik maßgeblich für die vorgesehene Regelung. Eine unzulässige\nEigentumsbeschränkung sei nach gegenwärtigem Kenntnisstand und unter Würdigung\nder vorliegenden Einzelhandelsuntersuchung nicht zu erkennen. Im Gegenteil\nkomme das Einzelhandelsgutachten zu dem Ergebnis, dass der Standort V. Straße\ndurch eine "Schärfung des Angebotsprofils" und die Vermeidung von Konkurrenzen\nmit dem "Hauptgeschäftsbereich Innenstadt" gestärkt werden könne. Auf den\nHinweis, eine Weiterentwicklung des gerade erst 2001 durch Aufhebung der\nSortimentsbeschränkung ermöglichten Einzelhandels mit der R.er Liste 1 sei\nausgeschlossen, wird ausgeführt: Die bereits vorhandenen Nutzungen bzw.\nbereits vor den Festsetzungen des Bebauungsplans genehmigten Um- und Ausbauten\nwürden durch die Neuregelungen nicht berührt; sie genössen Bestandsschutz. Die\nzukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten würden nicht über Gebühr beschränkt.\nDies liege im Rahmen des planerischen Ermessens der Gemeinde. Die langjährig\nausgeübte Nutzung könne nicht dazu führen, dass eine in der Vergangenheit\nunter anderen Rahmenbedingungen getroffene Entscheidung, die sich heute als\nnicht mehr tragfähig erweise, auch für die Zukunft dauerhaft planungsrechtlich\nsanktioniert werde. Maßgeblich sei vielmehr die Erkenntnis zu einer\nerforderlichen Umsteuerung zum Schutz und zur Entwicklung der zentralen\nFunktionen der Innenstadt R.s.\n\n28\n\n \n\nAuf den Vortrag der Antragstellerin, das Einzelhandelskonzept habe ein\nHauptdefizit darin, dass der Bereich der Innenstadt willkürlich über den\nGeschäftsbereich der Altstadt hinaus auf dem Bereich des X. Platzes erweitert\nwerde, der mehrere hundert Meter von der eigentlichen Innenstadt entfernt\nliege und sich dadurch auszeichne, dass dort bereits seit Jahren kein\nEinzelhandel mit Sortimenten der Nahrungs- und Genussmittel sowie Getränke\nmehr vorhanden sei, und durch die Ermöglichung von Einzelhandel an den anderen\nStandorten ein ruinöser Verdrängungswettbewerb zu Lasten des Standortes V.\nStraße ausgelöst werde, wird ausgeführt: Es bestehe keine Veranlassung, die\nMethodik oder die Ergebnisse des Einzelhandelskonzepts in Frage zu stellen.\nDies sei aber ohnehin nicht maßgeblich für die planungsrechtliche Regelung des\nBebauungsplan Nr. 19/05 A. Mit dem Beschluss der Stadtvertretung, das\nEinzelhandelskonzept als Selbstbindung zur Grundlage der weiteren\nEinzelhandelsentwicklung zu machen, sei eine Abwägung aller relevanten Belange\nund Konsequenzen der angestrebten gesamtstädtischen Entwicklung erfolgt. Die\nHandlungsempfehlungen des Einzelhandelskonzepts seien nunmehr in der\nverbindlichen Bauleitplanung planungsrechtlich umzusetzen.\n\n29\n\n \n\nAuf die Einwendung, durch die festgesetzten Baugrenzen würde die\nWeiterentwicklung des Bestandes, auch soweit er nach wie vor ein zulässiges\nWarenangebot unterhalte, behindert, wird ausgeführt: Die vorhandene Bebauung\ngenieße Bestandsschutz. Weitere bauliche Ergänzungen sollten künftig\nausgeschlossen werden, um die aus gesamtstädtischer Sicht erforderliche\nUmstrukturierung des Warenangebots am Standort V. Straße zu gewährleisten und\neine weitere Zunahme der Verkaufsflächen zu beschränken. Der in diesem\nZusammenhang angesprochene vollständige Verzicht auf die Festsetzung von\nBaugrenzen würden den Mindestanforderungen an einen qualifizierten\nBebauungsplan widersprechen.\n\n30\n\n \n\nDer Bebauungsplan wurde in den "R.er Nachrichten" vom 25.08.2007 amtlich\nbekannt gemacht.\n\n31\n\n \n\nAm 29.07.2008 hat die Antragstellerin die vorliegende Normenkontrollklage\nerhoben. Zu ihrer Begründung führt sie aus:\n\n32\n\n \n\nSie sei als Eigentümerin von Grundstücken im Plangebiet antragsbefugt.\n\n33\n\n \n\nDer Bebauungsplan begegne mehreren durchgreifenden rechtlichen Bedenken:\n\n34\n\n \n\nDie Warensortimentsbeschränkung gemäß textlicher Festsetzung Ziff. 1.5 stehe\nim Konflikt mit den textlichen Festsetzungen sowie den ausgeübten und\ngenehmigten Nutzungen. Angesichts der Aufhebung der Beschränkungen\nhinsichtlich des Warensortiments im Jahre 2001 seien wesentlich höhere\nAnforderungen an die städtebauliche Erforderlichkeit der Regelung zu stellen,\nweil sie nach einem nur relativ kurzen Zeitraum geändert würden. Die\nfunktionierenden Einzelhandelsstrukturen in R. würden einem überflüssigen und\nfür R. überdimensionierten Vorhaben am X. Platz geopfert. Es sei auch nicht\nberücksichtigt worden, dass das Objekt V. Straße einen zentralen\nVersorgungsbereich im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO in R. darstelle. Erst das\nVorhaben am X. Platz führe zu einer massiven Störung des Gleichgewichts des\nEinzelhandels, weil nach den Berechnungen des Einzelhandelsgutachtens dieses\nVorhaben ca. 40 % des Einzelhandelsumsatzes auf sich ziehen werde. Die Planung\neiner Warensortimentsbeschränkung am Standort V. Straße zum Schutz des\nInnenstadthandels sei weder geeignet noch eigentlich beabsichtigt. Dies gehe\nauch aus der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer zum\nBebauungsplanverfahren X. Platz vom 15.06.2005 hervor.\n\n35\n\n \n\nHinzu komme, dass die R.er Liste 2, auf die die Festsetzungen Bezug nehmen,\nnur nachrichtlich im Bebauungsplan wiedergegeben werde. Solche\nSortimentslisten seien statisch und verhinderten die notwendige Flexibilität.\nSie sei auch inhaltlich willkürlich. Sie greife nur bestimmte Schwerpunkte\nheraus. Die Planung verletze schließlich die Grundsätze der Plangewährleistung\nund des Vertrauensschutzes.\n\n36\n\n \n\nDie Festsetzung der Baugrenzen begegne ebenfalls rechtlichen Bedenken. Teil\nder Standortkonzeption sei die Fortentwicklung des Baumarkts um ein\nGartencenter. Eine solche Fortentwicklung sei durch eine bestandskräftige, von\nihr letzten Endes aber nicht ausgenutzte Baugenehmigung zugestanden. Es müsse\neine verträgliche bauliche Fortentwicklung des Gebäudes möglich bleiben.\n\n37\n\n \n\nDie Bauleitplanung sei nicht mit den umliegenden Gemeinden gemäß § 2 Abs. 2\nBauGB abgestimmt worden, insbesondere nicht mit der Stadt Torgelow.\n\n38\n\n \n\nIm Übrigen beziehe man sich auf die Einwendungen, die bereits im\nPlanaufstellungsverfahren erhoben worden sind.\n\n39\n\n \n\nDie Antragstellerin beantragt,\n\n40\n\n \n\nden Bebauungsplan Nr. 19/05 A "Gewerbegebiet V. Straße West" gemäß\nSatzungsbeschluss vom 22.02.2007 für unwirksam zu erklären.\n\n41\n\n \n\nDie Antragsgegnerin beantragt,\n\n42\n\n \n\nden Antrag abzuweisen.\n\n43\n\n \n\nSie führt aus: Im Kern kritisiere die Antragstellerin lediglich die\nplanerische Entscheidung. Ziel der Planung sei es, den Einzelhandelsstandort\nan der V. Straße dadurch zu stärken, dass dort ein klar zugeordnetes\nAngebotsspektrum etabliert werde. Dass im Hinblick auf das Ziel der Förderung\nder Innenstadtlage die innenstadtrelevanten Sortimente nur am X. Platz\nzugelassen würden und nicht an der V. Straße, sei den vorher formulierten\nstädtebaulichen Ziele geschuldet. Die V. Straße solle Vorranggebiet für\nnichtzentrenrelevante Sortimente werden. Es obliege der Gemeinde im Rahmen\nihres planerischen Ermessens, frühere Entscheidungen, die sie nachträglich für\nnicht mehr tragfähig erachte, zu ändern, insbesondere ihre Planungskonzeption\nden geänderten Verhältnissen anzupassen und zu ändern. Hierbei sei\ninsbesondere zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die begrenzte\nVersorgungssituation der Städte auf dem Gebiet der neuen Länder bis Mitte der\n90er Jahre nicht die hinreichende Möglichkeit einer planerischen Konzeption\nzur Stärkung der Innenstädte zu entwickeln und vorzunehmen bestand. Vorrangig\nsei das Ziel verfolgt worden, die Versorgungssituation der Bevölkerung\nkurzfristig sicherzustellen. Auf die Festsetzungen des Vorhaben- und\nErschließungsplans Nr. 2 könne die Antragstellerin sich nicht berufen.\nEntgegen der Auffassung des Senats in seinem Beschluss vom 19.10.2006 dürfe\nsie - die Antragsgegnerin - von der Unwirksamkeit des Plans ausgehen. Sie\ndürfe daher auch im Rahmen der Planung berücksichtigen, dass die\nbeabsichtigten Vorhaben nach § 34 BauGB nicht genehmigungsfähig gewesen seien.\nDie bestandskräftigen Genehmigungen seien im Übrigen in der Planung\nberücksichtigt worden. Die interkommunale Abstimmung sei dokumentiert. Sie sei\nim Übrigen nicht notwendig gewesen, weil ausgeschlossen werden könne, dass\ndurch den Bebauungsplan eine Nachbargemeinde beeinträchtigt werde. Für die\nangesprochene Stadt Torgelow sei auf die Vereinbarung in dem Verfahren VG\nC-Stadt - 1 B 934/07 - zu verweisen. Durch die festgesetzte\nSortimentsbeschränkung ergebe sich, dass die seinerzeit von der Stadt Torgelow\nangesprochene Befürchtung jedenfalls für die Zukunft beseitigt sei.\n\n44\n\n \n\nDie Festsetzung hinsichtlich der Sortimentsbeschränkung begegne keinen\nBedenken. Die R.er Liste 2 sei sowohl in der Begründung zum Bebauungsplan als\nauch in dem nachrichtlichen Teil aufgenommen worden. Diese Bezugnahme sei in\nder Rechtsprechung anerkannt.\n\n45\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nGerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und\ndes Landkreises Uecker-Randow ergänzend Bezug genommen; sie sind Gegenstand\nder mündlichen Verhandlung gewesen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n46\n\n \n\nDer Normenkontrollantrag hat Erfolg.\n\n47\n\n \n\nA. Der Antrag ist zulässig.\n\n48\n\n \n\nDie Antragstellerin ist insbesondere im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO\nantragsbefugt. Nach dieser Vorschrift kann den Antrag auf Normenkontrolle jede\nnatürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die\nRechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder\nin absehbarer Zeit verletzt zu werden. Dabei sind an die Geltendmachung einer\nRechtsverletzung keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2\nVwGO. Es genügt, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen\nvorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch\nFestsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird (BVerwG, U. v.\n24.09. 1998 - 4 CN 2.98 -, BRS 60 Nr. 46 = und 10.03. 1998 - 4 CN 6.97 -, BRS\n60 Nr. 44).\n\n49\n\n \n\nDie Antragstellerin ist Eigentümerin von im Plangebiet gelegenen Grundstücken\nund von der Änderungsplanung insoweit nachteilig betroffen. Durch die\nFestsetzung des Sondergebietes großflächiger Einzelhandel und die\nEinschränkungen des zulässigen Warenangebots wird das zulässige\nNutzungsspektrum gegenüber der zuvor geltenden Festsetzung eingeschränkt und\ngenießt die derzeitige Nutzung in ihrer konkreten Ausgestaltung nur noch\nSchutz im Rahmen des _s_ og. passiven Bestandsschutzes.\n\n50\n\n \n\nDer Antrag ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO\ngestellt worden. Der Plan ist am 25.08.2007 bekannt gemacht, der\nNormenkontrollantrag ist am 29.07.2008 gestellt worden.\n\n51\n\n \n\nB. Der Antrag ist begründet.\n\n52\n\n \n\nDer Bebauungsplans Nr. 19/05 A ist unwirksam.\n\n53\n\n \n\nDen Bedenken der Antragstellerin gegen die grundsätzliche Erforderlichkeit des\nBebauungsplans kann nicht gefolgt werden (dazu 2). Den Festsetzungen für den\nEinzelhandel in dem Sondergebiet (dazu 3 a.) und der Baugrenzen um das Gebäude\nder Antragstellerin fehlt jedoch die Erforderlichkeit (dazu 3 b.). Diese\nFehler führen zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans, da diese Festsetzungen mit\ndem Konzept des Bebauungsplans und des Einzelhandelgutachtens (dazu 1.) nicht\nvereinbar sind. Auf die Frage, ob die auch Fehler in der Abwägung zur\nUnwirksamkeit des Bebauungsplans führen, kommt es danach nicht an (4.).\n\n54\n\n \n\n1\\. Die Plankonzeption der Antragsgegnerin wird aus der Begründung zum\nBebauungsplan deutlich: Hier (S. 17) wird ausgeführt, dass im Sondergebiet\ngroßflächiger Einzelhandel [deswegen] nur nicht zentrenrelevante Sortimente\nangeboten werden dürften, weil mit dieser Festsetzung das Ziel realisiert\nwerden solle, Betriebe mit zentrenrelevanten Angebotsstrukturen vorrangig in\nder Innenstadt bzw. in Innenstadtnähe anzusiedeln. Damit bezieht sich die\nBegründung auf das Einzelhandelsgutachten von Junker und Kruse (Fe-bruar\n2005). In der Begründung wird weiter ausgeführt: Für die Stadt R. sei ein\nEinzelhandelskonzept und –fachplan am 25.11.2004 durch die Stadtvertretung als\nSteuerungsgrundlage bei der Ausübung der Planungshoheit beschlossen worden.\nDamit seien die planerischen Inhalte maßgeblich für die zukünftige\nEinzelhandelsentwicklung in R. und im Rahmen der Bauleitplanung entsprechend\numzusetzen. Die Zentrenstruktur solle durch die Konzentration\nzentrenrelevanter Sortimente im Hauptgeschäftsbereich verbessert werden. Diese\nZweckrichtung wird auch aus der Erwägung deutlich, die zu dem Standort „V\nStraße“ in den Abwägungsdokumentation niedergelegt ist. Unter Punkt 2.2. der\nDarlegungen zu den Einwendungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom\n01.02.2007 wird zunächst auch der Gesichtspunkt der Entwicklung der Innenstadt\nangeführt; es sei daher erforderlich, das Angebot zentrenrelevanter Waren in\nden peripheren Standorten zu reduzieren. Es wird weiter ausgeführt: Der\nStandort „V Straße“ könne durch „Schärfung des Angebotsprofils“ und die\nVermeidung von Konkurrenzen mit dem „Hauptgeschäftsbereich Innenstadt“\ngestärkt werden.\n\n55\n\n \n\nDer Senat legt dabei das Papier „Einzelhandelskonzeption und –fachplan für die\nStadt R.“ zu Grunde, das die Stadtvertretung am 25.11.2004 beschlossen hat und\ndas in der Fassung von Februar 2005 ausweislich der Begründung des\nBebauungsplans Nr. 19/05 A maßgebendes Element der Entscheidung über die\nFestsetzungen über den Einzelhandel im Sondergebiet war.\n\n56\n\n \n\nIn der Ausarbeitung Stand Februar 2005 wird ausgeführt:\n\n57\n\n \n\nDie Antragsgegnerin verfüge im Januar 2004 über 125 Einzelhandelsbetriebe mit\neiner Gesamtverkaufsfläche von rund 24.400 qm. Die durchschnittliche\nVerkaufsfläche pro Ladengeschäft liege bei 195 qm. Bei rund 12.600 Einwohnern\nergebe sich eine Verkaufsfläche von 1,94 qm pro Einwohner, die damit über den\nDurchschnitt des Bundesgebiets (etwa 1,4 qm) liege. Mit rund 7.300 qm\nVerkaufsfläche entfalle fast ein Drittel der gesamten Verkaufsfläche auf die\nnahversorgungsrelevante Branche Lebensmittel/Nahrungs- und Genussmittel (S.\n15). Es bestünden 29 zum Teil sehr große Leerstände mit insgesamt knapp 7.000\nqm. Von den rund 24.400 qm Verkaufsfläche im Stadtgebiet entfielen 8.300 qm\nauf integrierte bzw. gewachsene Geschäftslagen (S. 16). Auf den\nHauptgeschäftsbereich der Stadt R. entfielen rund 5.800 qm Verkaufsfläche, d.\nh. lediglich ein Viertel der Einzelhandelsflächen. Die größte Fläche nehme\nhier der Bereich Lebensmittel/Nahrung und Genussmittel mit 1.400 qm ein. Der\nHauptgeschäftsbereich erfülle damit in erster Linie Nahversorgungsfunktion (S.\n19/20).\n\n58\n\n \n\nEs gebe kein zusätzliches absatzwirtschaftlich verträgliches\nVerkaufsflächenpotenzial für R. mehr. Das bedeute, dass die quantitativen\nGrenzen bei den Einkaufsflächen in R. im Prinzip erreicht seien. Dies bedeute\naber nicht, dass keine weiteren Entwicklungen mehr möglich seien oder möglich\nsein sollten (S. 40). Durch ein Vorhaben könne die Funktionalität und Stärke\nder R.er Innenstadt ausgebaut werden. Das Setzen bewusster Konkurrenz,\ninsbesondere zur Handelsagglomeration an der V Straße oder am Rothenburger Weg\nsei aber nur unter Beachtung der Entwicklungsziele (Kapitel 5.1) zu vertreten\nund als "positive Konkurrenz" zu verstehen. Dabei müssten auch weitere\nPlanungen und Entwicklungen in die Überlegungen eingestellt werden. Eng damit\nverbunden sei die Verbesserung der räumlichen Konzentration des Einzelhandels\nauf wenige, klar ablesbare und sich funktional ergänzende Bereiche (S. 41).\n\n59\n\n \n\nDas Gutachten entwickelt sodann Szenarien zur Einzelhandelsentwicklung.\nSzenario 1 geht davon aus, dass der bestehende Einzelhandel konsequent auf dem\ngegenwärtigen Stand festgeschrieben wird (S. 43 ff.). Szenario 2 geht von\neiner räumlichen Konzentration und funktionalen Trennung des örtlichen\nEinzelhandels an zwei bestehenden Handelsschwerpunkten aus. Hier würde F.\nNeukauf seinen Standort an der V Straße aufgeben und in den\nHauptgeschäftsbereich ziehen. Im Gegenzug würden nicht zentrenrelevante\nAngebote an die V Straße umgesiedelt werden, die neben der Innenstadt als\nzweiter attraktiver Angebotspol in R. funktioniere. Szenario 3 besteht in\neiner Reaktivierung des weitgehend aufgegebenen Einkaufsschwerpunktes am X.\nPlatz. Hier würde ein städtebaulich integrierter, zentral gelegener Standort\nentstehen, der jedoch nur bedingt eine funktionale Ergänzung zur Innenstadt\ndarstellen würde. Szenario 4 sieht vor dem Hintergrund der Inwertsetzung eines\nTeilleerstandes den Ausbau des bestehenden Einkaufsschwerpunktes V Straße vor.\nEine Umsetzung dieser Vorstellungen würde nicht zu einer funktionalen\nErgänzung führen, sondern eine direkte Konkurrenz zum bestehenden\nHauptgeschäftsbereich darstellen. An der V Straße entstünde eine attraktive\nautokundenorientierte Einkaufsmeile, die durch die neuen Sortimente eine\nAbrundung ihrer Angebotspalette erführe. Demgegenüber seien städtebauliche\nMissstände der übrigen Standorte die Folge. Szenario 5 betrifft schließlich\neine gemeinsame Entwicklung der Standortbereiche Verbrauchermarkt X. Platz und\nEinkaufszentrum V Straße. Synergieeffekte seien aufgrund der räumlichen\nEntfernung nur eingeschränkt zu erwarten, sodass ein eigenständiger\nHandelspunkt entwickelt werde, der zusätzlich zur V Straße mit dem\nHauptgeschäftsbereich in Konkurrenz trete. Beide Maßnahmen würden zu 3\nEinkaufsschwerpunkten in R. führen. Dieses Ausmaß sei für die Gemeinde nicht\nverträglich. Als Schlussfolgerung wird festgehalten: Die optimale Lösung\nbestehe in einem moderaten Umbau der R.er Handelsstruktur, wobei ein Füllen\nder vorhandenen Leerstände einer Neuflächenentwicklung vorzuziehen sei.\nWährend der Hauptgeschäftsbereich als multifunktionales Zentrum der Stadt\nüberwiegend zentrenrelevante Nutzungen offeriere, liege der Schwerpunkt an der\nV Straße im nicht zentrenrelevanten Bereich. Diese Arbeitsteilung der\nintegrierten und nichtintegrierten Standorte untereinander ergänze sich\noptimal und erleichtere eine klare Ansiedlungspolitik. Die Entwicklung des X.\nPlatzes spiele eine wichtige Rolle. Diese sei möglichen Investitionen in den\nHauptgeschäftsbereichen zwar deutlich nachgeordnet, da bei der Reaktivierung\nder hier vorhandenen Leerstände ein dritter Handelsstandort geschaffen werde,\nder nur eine eingeschränkte Verknüpfung zum Hauptgeschäftsbereich besitze und\ndarüber hinaus Umsatzumverteilungswirkungen nach sich ziehen werde. Dieser\nStandort sei aber trotz der negativen Folgewirkungen zu bevorzugen, da die\nstädtebaulichen Rahmenbedingungen (Aufhebung eines Missstandes) sowie die\nstadtstrukturelle Lage (zur Innenstadt/Übernahme von Nahversorgungsfunktionen)\ndeutlich besser zu bewerten sei als bei klar autokundenorientierten Lagen (S.\n51).\n\n60\n\n \n\nZur zukünftigen Steuerung der Einzelhandels- und Zentrenentwicklung in R. sei\nes erforderlich, die Zentren- bzw. Nichtzentrenrelevanz einzelner Warengruppen\nfür R. detailliert darzustellen (S. 53 ff.)\n\n61\n\n \n\nDas Gutachten untersucht sodann 11 Standorte. Hinsichtlich des Standortes 2\n(F./U.-Markt an der V Straße) wird ausgeführt: Das Grundstück werde aktuell\ndurch einen F.-Markt sowie den U.-Baumarkt genutzt. Der Supermarkt sei mit\n1.850 qm der größte Lebensmittelanbieter innerhalb des R.er Stadtgebiets. Der\nBaumarkt mit rund 3.700 qm bedinge zusammen mit den übrigen Betrieben im\nUmfeld die hohe Verkaufsflächenausstattung des Fachmarktstandortes V Straße.\nDarüber hinausgehende Verknüpfungen zu anderen Handelsstandorten bestünden\nnicht. Veränderungsabsichten lägen in der Weise vor, dass eine Erweiterung des\nBaumarkts um ein Gartencenter und im Zuge der anvisierten Neuansiedlung\neiniger Fachmärkte (Bekleidung, Schuhe, Drogeriebedarf) umfangreiche\nUmbaumaßnahmen geplant seien. Der F.-Markt solle in diesem Rahmen im\nWesentlichen unverändert bleiben. Es werde die Empfehlung ausgesprochen, eine\nErweiterung des Lebensmittelsortiments nicht zu befürworten. Eher sei eine\nVerlagerung in den oder das direkte Umfeld des Hauptgeschäftsbereichs\nanzustreben. Es liege jedoch ein rechtskräftiger Mietvertrag bis 2008/2009\nvor. Die Veränderungsabsicht bezüglich des Baumarktausbaus mit Gartencenter\nsei unter regionaler Perspektive positiv zu bewerten. Es sei empfehlenswert,\nkeinen weiteren zentrenrelevanten Einzelhandel in diesem Bereich zuzulassen.\nVon dem projektierten Fachmarktkonzept sei daher abzuraten. Dies mache eine\nplanungsrechtliche (Teil-)Be-grenzung der entsprechenden Sortimente im Rahmen\neines SO-Gebiets (wenn ohne Regressforderungen möglich) notwendig. Das Füllen\nder Leerstände mit Einzelhandel sei planungsrechtlich allerdings aufgrund der\nallgemeinen Festsetzungen im Flächennutzungsplan möglich. Dabei sei jedoch der\nFokus auf nichtzentrenrelevante Sortimente zu legen. Die Realisierung der oben\ngenannten Vorhaben würde ansonsten eine Einzelhandelskonzeption praktisch\nobsolet machen, da die Innenstadt mit dem Hauptgeschäftsbereich massiv\nbeeinträchtigt würde (S. 59 f.). Zum Standort 5 "X. Platz" wird ausgeführt:\nDieser Platz liege im zentralen Bereich des Stadtgebiets. Er befinde sich\ninnerhalb des Siedlungsbereiches an der X. Chaussee. Eine Schwachstelle liege\ndiesbezüglich jedoch bei den internen Zuwegungen zum Standort. Auf dem\nGrundstück seien aktuell verschiedene Einzelhandelsnutzungen in einem\ngroßformatigen Gebäudekomplex etabliert (Quickschuh, Inform Moden, Armee-\nShop). Ein Großteil der zur Verfügung stehenden Fläche stehe jedoch leer. Das\nUmfeld des Standorts sei als Schnittpunkt zwischen der R.er Innenstadt und dem\nSiedlungsgebiet Ost zu charakterisieren. Es kämen grundsätzlich mehrere\nOptionen in Betracht, unter anderem die Umnutzung ohne Einzelhandel, die neue\nBebauung des Geländes oder der Ausbau als Standort Einzelhandel (z. B.\nVerbrauchermarkt). Die Ansiedlung eines Verbrauchermarkts mit ca. 3.000 qm\nVerkaufsfläche und zusätzlich ca. 2.000 qm Verkaufsfläche für\nFachmarktanbieter/Kon-zessionäre sei in den letzten Monaten zunehmend\nkonkreter geworden. Der Verbrauchermarkt sei eine im Stadtgebiet bisher nicht\nvertretene Angebotsform. Hier würde ein bedeutender Anteil zentrenrelevanter\nSortimente mit dem Schwerpunkt Lebensmittel angeboten. Dadurch seien jedoch\nsignifikante Umsatzverteilungen zu erwarten, die insbesondere den Bereich der\nNahversorgung und Hauptgeschäftsbereich negativ tangieren könnten. Zudem würde\neine Weiterentwicklung des Hauptgeschäftsbereichs deutlich begrenzt. Diese\nzweischneidige Entwicklung sei nur mit flankierenden (planungsrechtlichen)\nMaßnahmen vertretbar (V Straße). Dazu sei die Ausweisung eines genauer\ndefinierten Sondergebiets zu empfehlen. Eine solche Maßnahme würde einen\nstädtebaulichen Missstand beseitigen, schaffe eine neue Angebotsform mit zum\nTeil regionaler Bedeutung und minimiere insbesondere den Spielraum für\nweitere, eventuell schädlichere Planungen an peripheren Standortbereichen. In\nder Gesamtschau sei der Standort somit nicht unproblematisch. Die Vor- und\nNachteile hielten sich insgesamt die Waage mit einem leichten Ausschlag\nzugunsten einer Umsetzung (S. 63 ff.).\n\n62\n\n \n\nDas Hauptgutachten fasst unter der Überschrift "Grundlegende Empfehlungen und\nFazite" unter anderem zusammen: Als grundsätzliches Ziel bleibe festzuhalten,\ndass keine zusätzlichen Einzelhandelsstandorte geschaffen werden und\nErweiterungen im Außenbereich nur unter Beachtung der Prämissen und Ziele\nermöglicht werden sollten. Als einzelhandelsrelevante Vorranggebiete, also\nGebiete, in denen zukünftig eine weitere Einzelhandelsentwicklung anzustreben\nsei, würden die beiden Einzelhandelsschwerpunkte Hauptgeschäftsbereich sowie,\nallerdings nur im Schwerpunkt nichtzentrenrelevanter Warengruppen, an der V\nStraße empfohlen. Als Ergänzungsstandort der Innenstadt für großflächigen,\nauch zentrenrelevanten Einzelhandel komme nur der X. Platz infrage. Insgesamt\nsei die bessere planungsrechtliche Sicherung und die damit verbundene\nnutzungsbezogene Konkretisierung bestehender Standorte als weiteres Ziel\nfestzuhalten. Dies bedeute den planungsrechtlichen Ausschluss von Einzelhandel\nbzw. bestimmten Sortimenten in nicht gewünschten Bereichen und die\nNeuaufstellung von Bebauungsplänen in den Gewerbe- und zum Teil Mischgebieten.\nEine eventuell erhöhte Ausstrahlung nach außen durch einen Verbrauchermarkt\noder ein SB-Warenhaus in nicht integrierter Lage wäre mit der weitgehenden\nAufgabe gewachsener Strukturen verbunden. Dies würde (weitere) städtebauliche\nProbleme schaffen. Mit der möglichen Entwicklung des X. Platzes seien zwar\nRisiken verbunden, insbesondere dann, wenn im Hauptgeschäftsbereich die\nEntwicklung zukünftig stagnieren sollte, allerdings sei in der Gesamtschau\ndieser Standort noch am besten geeignet, großflächige Angebotsformen im\nKontext des Hauptgeschäftsbereichs zu realisieren und Fehlentwicklungen an\nanderer Stelle zu unterbinden.\n\n63\n\n \n\nDiese Darlegungen und der darauf aufbauende Beschluss der Stadtvertretung vom\n25.11. 2004 enthalten jedenfalls insoweit eine Konzeptentscheidung, als eine\nStärkung des Einzelhandels des Innenstadtbereichs angestrebt wird und in jedem\nFall zur Erreichung dieses Ziels ein Ausschluss des Angebots zentrenrelevanter\nWaren außerhalb dieses Bereichs – mit Ausnahme des Standorts „X. Platz“ –\nangestrebt wird. Im Übrigen liegt keine Konzeptentscheidung vor, weil\nlediglich fünf Szenarien vorgestellt werden, ohne dass eine Entscheidung\ngetroffen wird.\n\n64\n\n \n\n2\\. Grundsätzliche Bedenken gegen die Erforderlichkeit des Bebauungsplans\nbestehen unter diesen Voraussetzungen nicht.\n\n65\n\n \n\nGemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen,\nsobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung\nerforderlich ist. Dies gilt für die Planung insgesamt und für jede ihrer\nFestsetzungen. Was im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist,\nbestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Welche\nstädtebaulichen Ziele sich eine Gemeinde hierbei setzt, liegt grundsätzlich in\nihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, diejenige\n"Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen\nOrdnungsvorstellungen entspricht. Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob und\nin welchem Umfang sie Teile ihres Gemeindegebiets zur Unterbringung von\nEinzelhandelsbetrieben zur Verfügung stellt (BVerwG, U. v. 26.03. 2009 - 4 C\n21.07 -, BVerwGE 133, 310 = NVwZ 2009, 1228 – juris Rn. 17).\n\n66\n\n \n\nNicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind in aller Regel\nBauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren, das heißt bei\ngroben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen, etwa bei in sich\nunschlüssiger Plankonzeption oder wenn die Planung von vornherein keine\nAussicht auf Verwirklichung hat beziehungsweise das verfolgte Ziel aus anderen\nGründen offensichtlich verfehlt (vgl. BVerwG, U. v. 17.09.2003 - 4 C 14.01 -,\nBRS 66 Nr. 1 = juris Rn. 14).\n\n67\n\n \n\nDie Änderung einer bestehende Planungslage als solche stellt keine erhöhten\noder andere Anforderungen an die Erforderlichkeit. Dies wird aus § 1 Abs. 8\nBauGB deutlich. Vielmehr sind Belange, die spezifisch mit der Änderung\nverbunden sind, wie Bestandsschutz und Vertrauensschutz, in die Abwägung nach\n§ 1 Abs. 7 BauGB nach Lage der Dinge aufzunehmen.\n\n68\n\n \n\nDie Stärkung der Zentren durch Konzentration von Einzelhandelsnutzungen ist\nein Ziel, das den Ausschluss von Einzelhandelbetrieben in nicht zentralen\nLagen generell oder eine Beschränkung auf nicht zentrenrelevante Waren\nrechtfertigen kann. Bauleitplanung erschöpft sich nicht darin, bereits\neingeleitete Entwicklungen zu steuern. Sie ist auch ein Mittel, um\nstädtebauliche Ziele für die Zukunft zu formulieren und aktiv auf eine\nÄnderung des städtebaulichen Status Quo hinzuwirken (BVerwG, U. v. 26.03. 2009\n- a.a.O.). Hinzu kommen die städtebaulichen Belange des § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB\n„Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche“, Nr. 8 Buchst. a)\n„Belange (…) der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im\nInteresse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung“ sowie Nr. 11:\n„Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen\nEntwicklungskonzeptes“.\n\n69\n\n \n\nDerartige Ziele verfolgt der Bebauungsplan. Die Aufstellung des Bebauungsplans\nNr. 19/05 A soll v.a. dem Ziel des Schutzes der R.er Innenstadt vor\nzentrenschädlichen Kaufkraftabflüssen dienen. Betriebe mit zentrenrelevanten\nAngebotsstrukturen sollen vorrangig in der Innenstadt bzw. in Innenstadtnähe\nangesiedelt werden. Mit dem Einzelhandelskonzept und den zu seiner Umsetzung\nunternommenen Schritten soll ein auf das gesamte Stadtgebiet bezogenes Konzept\nzur Stärkung des Innenstadtzentrums durch Konzentration von\nEinzelhandelsansiedlungen auf die Innenstadt realisiert werden.\n\n70\n\n \n\n3\\. Wird als Ziel die Stärkung des Zentrums verfolgt, so hat dies gleichwohl\nsachliche Rechtfertigungsgrenzen. Planungsbefugnisse weist § 1 Abs. 3 Satz 1\nBauGB den Gemeinden nur zu, "sobald und soweit" die konkretisierte Planung für\ndie städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Festsetzungen, die nicht oder\nnicht vollständig der Realisierung der mit der Planung verfolgten\nstädtebaulichen Zielsetzungen dienen, sind deshalb auch nicht erforderlich.\nDie Gemeinde muss sich daher im Hinblick auf die von ihr selbst formulierten\nstädtebaulichen Zielsetzungen konsistent verhalten. Ein (allein) durch das\nZiel der Stärkung der Zentren durch Konzentration von\nEinzelhandelsansiedlungen auf die Zentren begründeter Einzelhandelsausschluss\nkann deshalb nicht weiter gehen, als eine Ansiedlung von\nEinzelhandelsbetrieben in den Zentren überhaupt in Betracht kommt (vgl.\nBVerwG, U. v. 26.03. 2009 – a.a.O. juris Rn. 20).\n\n71\n\n \n\na) Diesen Anforderung wird die Festsetzung nicht gerecht, wonach im\nSondergebiet nur nicht zentrenrelevante Waren nach Maßgabe der R.er Liste 2\nangeboten werden dürfen.\n\n72\n\n \n\naa) Keinen Bedenken unterliegt allerdings die Art der Festsetzung, die\nlediglich „nachrichtlich“ auf die „R.er Liste 2“ verweist, die auf der\nPlanurkunde abgedruckt ist. Die Begriffsfolge „Angebot von nicht\nzentrenrelevanten Sortimenten gemäß R.er Liste 2“ ist einer bestimmten\nAuslegung zugänglich. Der Begriff des Angebots von nicht zentrenrelevanten\nSortimenten bezieht sich ersichtlich auf die im Bebauungsplan aufgelisteten\nnicht zentrenrelevanten Sortimente; der nachrichtliche Hinweis auf die Liste 2\nenthält zwar keine planungsrechtlichen Festsetzungen und ist daher als solcher\nnicht rechtsverbindlich, bietet aber die maßgeblichen Interpretationshilfen\n(vgl. VGH Mannheim, U. v. 27.10.2010 - 5 S 875/09 – juris Rn.98).\n\n73\n\n \n\nbb) Der hier in Rede stehende Bebauungsplan muss sich an dem in der\nPlanurkunde dokumentierten Wortlaut der Liste 2 als maßgebende\nAuslegungsdirektive messen lassen.\n\n74\n\n \n\nDie Stadtvertretung hat die textlichen Festsetzung der Sortimente, die sie\nallein zulassen will, durch Bezugnahme auf die „R.er Liste 2“ bestimmt. Offen\nist nach dem Wortlaut, ob die Stadtvertretung für sich in Anspruch nimmt,\nspäter die Liste 2 zu ändern und in welchem Verfahren dies geschehen soll.\nGegen ein dynamisches Verständnis der Bezugnahme könnte sprechen, dass die\nListe 2, wenn auch „nachrichtlich“, in die Planurkunde aufgenommen worden ist.\nIn diesem Zusammenhang wird andererseits in dem Konzept (S. 53) ausgeführt,\ndass eine kontinuierliche Überprüfung und ggf. Fortschreibung / Spezifizierung\ndieser Liste notwendig sei. Ob der textlichen Festsetzung entnommen werden\nkann, dass künftige Beschlüsse in der Lage sein sollen, neu zu bestimmen,\nwelche Warensortimente als zentrenrelevant und welche im Sondergebiet\ngroßflächiger Einzelhandel als zulässig anzusehen sind, ist danach offen. Da\nein entsprechender Beschluss den Inhalt der auf Grundlage der\nBebauungsplanfestsetzungen möglichen baulichen Nutzbarkeiten ändern würde, ist\ner mit der ihm zugeordneten Folgewirkung nur dann rechtlich zulässig, wenn er\nauf Grundlage eines entsprechenden, auf Änderung des Bebauungsplans\ngerichteten Verfahrens ergeht. In Betracht käme daher nur ein\nSatzungsbeschluss, der ein solches Bebauungsplanänderungsverfahren abschließt\n(vgl. OVG Münster, U. v. 22.04.2005 - 7 D 11/05.NE - BRS 69 Nr. 30, juris Rn\n44, nachfolgend BVerwG, B. v. 21.11.2005 - 4 BN 36/05, zit. nach juris).\n\n75\n\n \n\ncc) Die Bezugnahme auf die Liste 2 führt zu einer Beschränkung des zulässigen\nAngebots auch für Waren, die in Liste 1, die die zentrenrelevanten Waren\nbenennt, nicht genannt werden. Nach der Festsetzung 1.5 ist nämlich das\nAngebot aller nicht in Liste 2 aufgeführten Waren unzulässig. Der Vergleich\nmit der in gleicher Weise aufgebauten Liste 1 schließt es aus, dass es sich\ninsoweit nur um eine beispielhafte Aufzählung nicht zentrenrelevanter und\ndamit zulässiger Waren handelt. Der abschließende Charakter beider Listen\nführt dazu, dass nicht genannte Warengruppen weder im Innenstadtbereich noch\nim übrigen angeboten werden dürfen. Nicht zulässig im Sondergebiet des\nBebauungsplans Nr. 19/05 A wäre – weil in Liste 2 nicht genannt - etwa der\nVerkauf von Kraftfahrzeugen (in Liste 2 wird nur Zubehör genannt) oder von\nBrennstoffen und Mineralölerzeugnissen. Fraglich ist auch, ob – da\nElektrogroßgeräte in Liste 2 genannt sind – die Nennung von Spielwaren in\nListe 1 den Verkauf von Sportgroßgeräten (etwa Sport- und Freizeitboote und\nZubehör), die in Liste 2 nicht genannt sind, ausschließen soll. Diese\nWarengruppen können in ihren Wirkungen für ein Zentrum unterschiedlich\nbeurteilt werden (vgl. Runderlass Nr. 23/1/2007 des Ministeriums für\nInfrastruktur und Raumordnung Brandenburg vom 10. April 2007\n„Bauplanungsrechtliche Beurteilung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben -\nEinzelhandelserlass –„ Anlage 1). Diese Ausschlüsse auch anderer nicht\nzentrenrelevanter Waren sind mit dem Konzept des Bebauungsplans nicht\nvereinbar, den Standort „V Straße“ durch „Schärfung des Angebotsprofils“ und\ndie Vermeidung von Konkurrenzen mit dem „Hauptgeschäftsbereich Innenstadt“ zu\nstärken.\n\n76\n\n \n\nNach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt,\nmüsste zudem, wenn solche nicht genannten Sortimente auch ausgeschlossen sein\nsollen, dargelegt werden, dass dieser Ausschluss nicht zentrengeeigneter\nEinzelhandelsbetriebe bzw. Sortimente in nicht zentralen Lagen auch dem Ziel\nder Stärkung des Zentrums durch Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben dort\ndient (vgl. BVerwG, U. v. 26.03. 2009 – a.a.O. juris Rn. 20). Hierfür\nenthalten die Gutachten von Junker und Kruse keine Anhaltspunkte.\n\n77\n\n \n\nEs muss daher nicht entschieden werden, ob sich die Ermöglichung des Vorhabens\n„X. Platz““ in ein schlüssiges Konzept einfügt, das die Beschränkungen des\nStandorts „V Straße“ rechtfertigt, oder als jenes Vorhaben mit dem Ziel der\nStärkung der Innenstadt nicht vereinbar ist. Immerhin haben die Gutachten an\ndiesem Vorhaben erheblich Zweifel angemeldet. Ebenso kann offen bleiben, ob es\nmit dem Konzept der Antragsgegnerin vereinbar wäre, zentrumsrelevante\nRandsortimente zuzulassen, um den Interessen der Antragstellerin Rechnung zu\ntragen und um sinnvolle, tragfähige Einzelhandelsbetriebe zu ermöglichen, die\ngrundsätzlich nur nicht zentrenrelevante Waren anbieten (dürfen) (vgl. Ziff.\n4.2.2. des Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern - LEP M-V -,\nBekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Bau und Landesentwicklung vom\n03.05.2005 - Amtsbl. M-V S. 797, das eine Einzelfallprüfung für geboten hält).\n\n78\n\n \n\nb) Der Ausschluss einer baulichen Erweiterung durch die Baugrenzen um den\nvorhandenen Baukörper ist ebenfalls nicht mit den Konzept der Antragsgegnerin\nvereinbar. Dadurch wird jede bauliche Erweiterung ausgeschlossen. Dies ist\nangesichts der Zielsetzung, den Standort „V Straße“ durch „Schärfung des\nAngebotsprofils“, d.h. des Angebots nicht zentrenrelevanter Waren und die\nVermeidung von Konkurrenzen mit dem „Hauptgeschäftsbereich Innenstadt“ zu\nstärken, nicht nachvollziehbar. Ein objektiver Zusammenhang dieser\nBeschränkung mit der wesentlichen Zielsetzung der Entwicklung der Innenstadt,\ndas Angebot zentrenrelevanter Waren in den peripheren Standorten zu\nreduzieren, ist nicht erkennbar. In der Abwägungsdokumentation unter Punkt\n2.3. zu dem Schreiben der Antragstellerin vom 01.02.2007 wird ausgeführt,\nweitere bauliche Ergänzungen sollten zukünftig ausgeschlossen sein, um die aus\ngesamtstädtischer Sicht erforderliche Umstrukturierung des Warenangebots am\nStandort V Straße zu gewährleisten und eine weitere Zunahme der\nVerkaufsflächen zu beschränken. Hieraus wird deutlich, dass die Verhinderung\neiner weiteren Zunahme der Verkaufsflächen die Umstrukturierung des\nWarenangebots am Standort V Straße gewährleisten soll, d.h. die Umstellung auf\nein nicht zentrenrelevantes Angebot. Es ist aber nicht dargelegt, dass eine\ngenerelle Beschränkung von Verkaufsflächen auch für solche Warenangebote Teil\ndes Konzepts ist, die weder in Liste 1 noch in Liste 2 aufgeführt werden. Den\nvorliegenden Gutachten fehlen hierzu belastbare Anhaltspunkte. Zudem besteht\nkein Zusammenhang der Baugrenzen mit der Begrenzung von Verkaufsflächen.\n\n79\n\n \n\nSoweit ausgeführt wird, eine weitere, d.h. zusätzliche Grundstücksnutzung\nerfordere für eine geordnete städtebauliche Entwicklung die Beschränkung durch\nBaugrenzen wegen der dadurch erforderlichen Nebenanlagen wie Wege, Zufahrten,\nStellplätze, Flächen für Anlieferung etc., ist auch diese Erwägung nicht\nnachvollziehbar. Was Stellplätze anbelangt, sind die dafür vorgesehenen\nFlächen vor dem Gebäude anderweitig festgesetzt. Eine seitliche oder hintere\nBegrenzung des Baukörpers erscheint daher nicht schlüssig. Zudem wird ein\nUmbau des Baukörpers bei Überschreiten der jetzigen Baukörpergrenzen\nausgeschlossen, selbst wenn die Verkaufsfläche gleich bleiben sollte.\n\n80\n\n \n\nUnzutreffend ist auch der Hinweis der Antragsgegnerin unter Punkt 2.3 der\nAbwägungsdokumentation darauf, der Verzicht auf die Festsetzung von Baugrenzen\nwürde den Mindestanforderungen an einen qualifizierten Bebauungsplan gemäß §\n30 Abs. 1 BauGB widersprechen. Diese Aussage ist rechtlich unzutreffend. § 30\nAbs. 1 BauGB verlangt lediglich die Bestimmung der überbaubaren Flächen, die\ndurchaus anders als durch Baugrenzen erfolgen kann, wie sich aus § 23 BauNVO\nergibt. Dabei könnte die Gemeinde sich auch damit begnügen, eine vordere\nBaugrenze oder Baulinie festzusetzen (Löhr in Battis/Krautzberger/ Löhr,\nBauGB, 10. Aufl., § 30 Rn. 5).\n\n81\n\n \n\n4\\. Ob der Bebauungsplan Nr. 19/05 A an einem beachtlichen Mangel im\nAbwägungsergebnis leidet, muss offen bleiben.\n\n82\n\n \n\n§ 1 Abs. 7 BauGB verlangt bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die\ngerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegen- und\nuntereinander. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde\nvorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob in die Abwägung an\nBelangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge eingestellt werden\nmusste, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange\nrichtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung\nberührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden\nist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis\nsteht. Hat die Gemeinde diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit\nbeachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der\nAbwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich\ndamit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet\n(BVerwG, U. v. 12. 12.1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 ff. = juris Rn. 29,\nund 05.07. 1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 ff. = juris Rn. 45).\n\n83\n\n \n\na) Nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die\nErgebnisse einer von der Gemeinde beschlossenen sonstigen Planung im Rahmen\nder Abwägung zu berücksichtigen. Zu den sonstigen Planungen im Sinne der\nVorschrift gehören auch Zentrenkonzepte. Da deren Ergebnisse in der\nBauleitplanung der Abwägung unterliegen, kommt ihnen nicht die Funktion von\nbindenden Vorentscheidungen zu. Aus der mangelnden Bindungswirkung von\nZentrenkonzepten folgt, dass ihre Vorgaben im Rahmen der Abwägung aller\nstädtebaulich erheblichen Belange ganz oder teilweise zurückgestellt werden\ndürfen. Der flexible Maßstab des planerischen Abwägungsgebots ermöglicht es,\ndie sich aus den konkreten Verhältnissen ergebenden öffentlichen Interessen\nund die privaten Belange der betroffenen Eigentümer in einen gerechten\nAusgleich zu bringen. In der Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse liegt\nkeine sachwidrige Differenzierung; ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des\nArt. 3 Abs. 1 GG scheidet aus. Im Rahmen der Abwägung ist zu prüfen, ob die\njüngere städtebauliche Entwicklung überhaupt das\nEinzelhandelsentwicklungskonzept in Frage gestellt hat, welches Gewicht dem\nKonzept zukommt, und ob das Abwägungsergebnis zur objektiven Gewichtigkeit der\neinzelnen Belange im Verhältnis steht (BVerwG, U. v. 29.01.2009 - 4 C 16/07 –\njuris Rn. 28). Nach Maßgabe dieser Grundsätze könnte schon fraglich sein, ob\nsich die Antragsgegnerin nicht zu stark an das Konzept gebunden gesehen hat,\nzumal es nur teilweise abschließende Wertungen enthält, wesentliche\nGesichtspunkte aber lediglich als Szenarien erörtert werden.\n\n84\n\n \n\nSoweit das Konzept in die Bauleitplanung übernommen wird, muss es seinerseits\ndem Abwägungsgebot genügen. Dies betrifft die hier wesentliche Funktion, die\ndem Standort V Straße zugewiesen wird, nämlich der Ausschluss\nzentrenrelevanter Sortimente. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur unter\nWürdigung des Zustandekommens und der konkreten Abwägungen beurteilen, die dem\nKonzept zu Grunde liegt. Dies ist abschließend nicht möglich, da dem Senat\nUnterlagen hierzu erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung zugeleitet\nworden sind.\n\n85\n\n \n\nb) Wird ein Bebauungsplan geändert, so ist insbesondere das Interesse der\nPlanbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes\nabwägungserheblich. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf den\nFortbestand eines Bebauungsplans. Änderungen des Bebauungsplans sind nicht\nausgeschlossen.\n\n86\n\n \n\nEin Mangel im Abwägungsergebnis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die\nPlanung derart unausgewogen ist, dass der in ihr vorgenommene Ausgleich\nzwischen den durch die Planung berührten Belangen außer Verhältnis zur\nobjektiven Gewichtung einzelner Belange steht (sog. Disproportionalität). Das\nVerbot der Disproportionalität stellt sich als unmittelbare Ausprägung des\nverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Eine Gemeinde, die\nihm zuwiderhandelt, bedient sich eines untauglichen planerischen Mittels, da\nsie sich außerhalb der äußersten Grenzen stellt, die ihr durch höherrangiges\nRecht gezogen sind (BVerwG, B. v. 25.02.1997 - 4 NB 40.96 -, BRS 59 Nr. 31 =\njuris Rn. 19).\n\n87\n\n \n\nEigentum genießt, soweit es um seine Funktion als Element der Sicherung der\npersönlichen Freiheit des Einzelnen geht, einen besonders ausgeprägten Schutz\n(BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 - 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 -\nBVerfGE 50, 290 <340>). Es macht deshalb einen abwägungsrelevanten\nUnterschied, ob ein Baugrundstück bereits baulich genutzt wird und damit\nGrundlage beruflicher oder privater Lebensgestaltung geworden ist, die im\nGrundsatz aufrecht erhalten, aber an die sich ändernden Marktgegebenheiten\noder Lebensumstände angepasst werden soll, oder ob es lediglich als\nVermögenswert betrachtet wird (BVerwG, U. v. 29.01.2009 - 4 C 16/07 – juris\nRn. 26 ff.)\n\n88\n\n \n\nDie Planbetroffenen besitzen daher regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen\ndarauf, dass die ortsrechtlichen Festsetzungen des Plans nicht ohne\nBerücksichtigung ihrer Belange geändert werden. Nimmt der Plangeber\nVeränderungen bestehender Festsetzungen vor, muss er sich im Klaren darüber\nsein, dass er damit möglicherweise in das ursprüngliche planerische Konzept\neingreift und es bedarf ggf. besonderer Überlegungen, ob diese Änderungen\nsachgerecht sind. Denn der ursprüngliche Bebauungsplan einschließlich\nsämtlicher Festsetzungen war seinerseits Gegenstand einer abgewogenen Planung.\nGreift der Änderungsplan zudem in ein bestehendes Recht zur Bebauung ein,\nbedarf es besonderer Sorgfalt bei der Abwägung. Denn der normativen Entziehung\noder Beschränkung desselben kommt erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen\nder Abwägung auswirken muss. Beim Erlass wie bei der Änderung eines\nBebauungsplans muss im Rahmen der planerischen Abwägung das private Interesse\nam Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse\nan der gewollten städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden.\nDabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen\nNutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-)Enteignung auswirken\nkann (BVerfG, B. v. 19.12. 2002 - 1 BvR 1402/01 -, BRS 65 Nr. 6 = juris Rn.\n18; OVG Münster, U. v. 18.05. 2010 - 10 D 92/08.NE -, juris Rn. 40).\n\n89\n\n \n\nDiese Grundsätze gelten auch, wenn sich der bisher als maßgebend angesehene\nBebauungsplan als unwirksam erweist. Vertrauensschutz kann auch eine solche\nplanerische Grundlage entfalten, jedenfalls solange nicht alle Beteiligten,\ninsbesondere nicht die Gemeinde zu erkennen gibt, dass sie den Plan für\nunwirksam hält. Dies war jedenfalls nicht bis zum Jahre 2001 der Fall, als sie\nselbst das Verfahren zur Änderung des Vorhaben- und Erschließungsplanes Nr. 2\ngerade mit dem Ziel betrieb, dort zentrenrelevante Sortimente zuzulassen.\n\n90\n\n \n\nOb danach das Bestandsschutzinteresse der Antragstellerin im Rahmen der\nAbwägung von der Antragsgegnerin hinreichend berücksichtigt worden, lässt sich\nebenfalls nicht abschließend beurteilen. Dies folgt schon daraus, durch die\nFestsetzungen der Beschränkung auf die Liste 2 die wirtschaftlichen\nMöglichkeiten mehr eingeschränkt werden, als dies die Antragsgegnerin\nmöglicherweise beabsichtigt hat. Sollte diese Folge aber angestrebt werden,\nmüsste sich die Abwägung mit dem Gesichtspunkt auseinandersetzen, dass die\nAntragstellerin bei Verlust des Bestandsschutzes nicht auf den gesamten\nBereich der nicht zentrenrelevanten Sortimente umstellen könnte. Dies wiegt um\nso schwerer, als eine andere (gewerbliche) Nutzung als großflächiger\nEinzelhandel durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes ausgeschlossen ist.\n\n91\n\n \n\nNicht abschließend zu klären ist auch, ob die Möglichkeit der „Schärfung des\nAngebotsprofils“ des Standorts „V Straße“ durch allein zulässiges Angebot\nnicht zentrenrelevanter Waren nicht durch die bereits zuvor planerisch\nermöglichte und erfolgte Errichtung des Einkaufszentrums „X. Platz“\nabwägungserheblich gemindert wird. Denn für den Standort X. Straße bestehen\ndie Beschränkungen auf zentrenrelevante Sortimente nicht. Der Bebauungsplans\nNr. 18/05 enthält keine Beschränkungen des Sondergebiets auf zentrenrelevantes\nSortiment. Das bedeutet, dass auch nicht zentrenrelevante Waren verkauft\nwerden können. Zudem könnten sich die unter Punkt 1.1 der textlichen\nFestsetzungen genannten Verkaufsflächenbegrenzungen als unwirksam erweisen, da\nsie sich auf das Sondergebiet als solches beziehen (BVerwG, B. v. 11.11.2009 -\n4 BN 63/09 - DVBl 2010, 124). Hier wäre zu klären, ob – wie die\nAntragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat – ein\nAngebot nicht zentrenrelevanter Waren wegen der tatsächlichen Gegebenheiten\nausscheidet.\n\n92\n\n \n\nc) Die Frage der Beachtlichkeit dieser möglichen Abwägungsmängel (§§ 214 Abs.\n3 S. 1, 215 BauGB) kann ebenfalls dahinstehen. Allerdings hat die\nAntragstellerin diese Bedenken im Wesentlichen in ihrer Antragsschrift\nvorgetragen, die der Antragsgegnerin am 04.08.2008 zugestellt worden ist; der\nBebauungsplan ist am 25.08.2007 bekannt gemacht worden, so dass die\nJahresfrist eingehalten ist. Ob ein Abwägungsausfall gerügt worden ist und\nggf. nach Ablauf der Jahresfrist zur Unwirksamkeit führen könnte, kann daher\noffen bleiben (vgl. aber BVerwG, B. v. 06.01.2010 - 4 BN 61/09, 4 BN 61/09 (4\nCN 2/10), durch den die Revision zur Klärung der Frage zugelassen worden ist,\nob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das vollständige Fehlen\neiner erforderlichen Abwägung für die Wirksamkeit einer Satzung nach dem\nBaugesetzbuch gemäß § 215 BauGB unbeachtlich werden kann).\n\n93\n\n \n\nC. Die Kostenentscheidung folgt aus den § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung\nzur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §\n708 Nr. 11 ZPO.\n\n94\n\n \n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2\nVwGO nicht gegeben sind.\n\n \n\n
95,428
lagmv-2010-12-01-2-sa-17610
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 176/10
2010-12-01
2018-11-15 20:30:11
2019-02-14 01:57:14
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Die Berufung des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen.\n\n \n\nII. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nHinsichtlich des Sachverhaltes heißt es in dem unstreitigen Teil des\nTatbestandes des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichtes Rostock vom\n23.02.2010 - 3 Ca 1971/09 - wie folgt:\n\n2\n\n \n\nDie Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitig\nausgesprochenen fristgemäßen Kündigung. Dabei ist insbesondere die\nAnwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf das streitgegenständliche\nArbeitsverhältnis im Streit.\n\n3\n\n \n\nDarüber hinaus begehrt der Kläger die Entfernung einer Abmahnung aus seiner\nPersonalakte.\n\n4\n\n \n\nDer am ...1961 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige\nKläger war seit dem 01.01.1995 bei der Beklagten zunächst als\nNiederlassungsleiter, seit November 2008 als Bauleiter tätig. Das monatliche\nEinkommen des Klägers lag zuletzt bei 3.973,52 EUR brutto zzgl. Sachbezügen\n(Firmenwagen) in Höhe von 489,72 EUR.\n\n5\n\n \n\nDie Beklagte betreibt ein Trockenbauunternehmen.\n\n6\n\n \n\nMit Schreiben vom 08.10.2009, dem Kläger am 12.10.2009 übergeben, kündigte die\nBeklagte das Arbeitsverhältnis. Das Kündigungsschreiben, Bl. 12 der Akte, wird\nzum Inhalt des Tatbestandes gemacht.\n\n7\n\n \n\nZum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung beschäftigte die Beklagte sechs\nArbeitnehmer.\n\n8\n\n \n\nIn den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, der erste und der\nzweite Absatz des Kündigungsschutzgesetzes fänden gemäß § 23 KSchG auf das\nArbeitsverhältnis keine Anwendung. Bei der Beklagten seien zum einen am\n31.12.2003 mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Zum\nKündigungszeitpunkt seien aber nicht mehr als fünf Alt-Arbeitnehmer, die\nbereits am 31.12.2003 im Betrieb beschäftigt gewesen waren, beschäftigt\nworden. Die Beklagte bilde auch mit anderen Gesellschaften keinen gemeinsamen\nBetrieb. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Treu und Glauben hinsichtlich\nder Kündigung seien nicht ersichtlich. Ein Entfernungsanspruch hinsichtlich\nder Abmahnung habe der Kläger nicht, da die Abmahnung zutreffe. Im Übrigen\nwird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.\n\n9\n\n \n\nDieses Urteil ist dem Kläger am 12.05.2010 zugestellt worden. Er hat dagegen\nBerufung eingelegt, die an einem Montag, dem 14.06.2010, beim\nLandesarbeitsgericht eingegangen ist.\n\n10\n\n \n\nNachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines fristgerecht\neingegangenen Antrages bis zum 12.08.2010 verlängert worden ist, ist die\nBerufungsbegründung am 12.08.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.\n\n11\n\n \n\nHinsichtlich der Abmahnung trägt der Kläger vor, er habe eine schriftliche\nBehinderungsanzeige verfasst. Hiervon habe die Beklagte auch Kenntnis gehabt.\nDie Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben. Ein betriebsbedingter Grund\nhabe nicht bestanden. Anstelle des Klägers sei kurz nach Ausspruch der\nKündigung ein neuer Bauleiter eingestellt worden. Auch sei das durch\nlangjährige Zusammenarbeit verdiente Vertrauen unberücksichtigt geblieben.\n\n12\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n13\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 23.02.2010, dem Kläger zugestellt\nam 12.05.2010 (3 Ca 1971/09) abzuändern und\n\n14\n\n \n\n1\\. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der\nBeklagten vom 08.10.2009 nicht aufgelöst worden ist und\n\n15\n\n \n\n2\\. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 25.08.2009 aus der\nPersonalakte des Klägers zu entfernen.\n\n16\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n18\n\n \n\nSie habe am 12.10.2009 nicht mehr als fünf sogenannte Alt-Arbeitnehmer\nbeschäftigt. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Neu\nbesetzt worden sei nicht die Position eines Bauleiters, sondern die Position\ndes Betriebsleiters.\n\n19\n\n \n\nHinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze\nnebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n20\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist nicht begründet.\n\n21\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Es\nkann zunächst auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen werden.\n\n22\n\n \n\nZu den Angriffen der Berufung gilt Folgendes:\n\n \n\n1.\n\n23\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat ausführlich begründet, warum der erste und der zweite\nAbschnitt des Kündigungsschutzgesetzes auf das vorliegende Arbeitsverhältnis\nkeine Anwendung fänden. Dies wird mit der Berufungsbegründung nicht\nsubstantiiert beanstandet. Allein die Äußerung, dass die Beklagte auch mit den\nanderen Gesellschaften einen gemeinsamen Betrieb bilde, reicht nicht aus,\nzumal das Urteil sich hierzu ausführlich verhält. Der Kläger ist mit der\nBerufungsbegründung auch nicht seiner Darlegungspflicht hinsichtlich einer\nmöglichen Treuwidrigkeit der Kündigung nachgekommen. Er hat sich hierzu\nlediglich darauf gestützt, dass nach Ausspruch der Kündigung ein neuer\nBauleiter eingestellt worden sei. Die Beklagte hat hierzu unbestritten\nvorgetragen, dass es sich hierbei um die Position des Betriebsleiters\ngehandelt habe, die neu besetzt worden ist (vgl. Schriftsatz vom 15.09.2010,\nBlatt 12 d. A.). Hierzu sind in der mündlichen Verhandlung von Seiten des\nKlägers auch keine Einwendungen erhoben worden. Weitere Gründe, warum ein\nbetriebsbedingter Grund nicht bestanden habe, hat der Kläger nicht\nvorgetragen. Deshalb kann es auch nicht auf die langjährige Zusammenarbeit\nankommen. Diese steht einer betriebsbedingten Kündigung nicht entgegen.\n\n \n\n2.\n\n24\n\n \n\nEs kommt nicht darauf an, ob die angegriffene Abmahnung zu Recht erteilt ist.\nNach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann ein Arbeitnehmer nur dann die\nEntfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte\nverlangen, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung dem\nArbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann\n(vgl. BAG vom 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 -). Hierfür hat der Kläger nichts\nvorgetragen.\n\n \n\n3.\n\n25\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.\n\n26\n\n \n\nZur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein Anlass.\n\n \n\n
95,438
fg-mecklenburg-vorpommern-2010-11-10-1-k-46607
475
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
fg-mecklenburg-vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 466/07
2010-11-10
2018-11-15 20:30:13
2019-02-14 01:58:29
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nAbweichend von den geänderten Bescheiden über Körperschaftsteuer und\nSolidaritätszuschlag für die Jahre 1999, 2000 und 2001 und den geänderten\nGewerbesteuermessbetragsbescheiden für 2000 und 2001 vom 01. Juli 2004,\nteilweise erneut geändert durch die Bescheide vom 07. Oktober 2004 und 01.\nOktober 2007, alle Bescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 01.\nOktober 2007, sind bei der Ermittlung des Steuerbilanzgewinns bzw. Gewinns aus\nGewerbebetrieb im Veranlagungszeitraum 1999 weitere Betriebsausgaben für\nProvisionszahlungen und Ausbildungs- und Förderungsentschädigungen i. H. v.\n... DM, im Veranlagungszeitraum 2000 weitere Betriebsausgaben für\nProvisionszahlungen und Ausbildungs- und Förderungsentschädigungen i. H. v.\n... DM und im Veranlagungszeitraum 2001 weniger Betriebsausgaben für\nProvisionszahlungen und Ausbildungs- und Förderungsentschädigungen i. H. v.\n... DM zu berücksichtigen und die aktivierten Spielerwerte sind zum 30. Juni\n2000 mit ... DM und zum 30. Juni 2001 mit ... DM anzusetzen.\n\n \n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\nDie Kosten des Verfahrens werden zu 7/10 dem Kläger und zu 3/10 dem Beklagten\nauferlegt.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig\nvollstreckbar.\n\n \n\nDer Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder\nHinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn\nnicht der Kläger zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.\n\n \n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n \n\nDer Streitwert beträgt ... €.\n\n \n\nDie Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig\nerklärt.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nZwischen den Beteiligten ist streitig, ob Zahlungen für\nTransferentschädigungen, Provisionen an Spielervermittler und Ausbildungs- und\nFörderungsentschädigungen für Amateurspieler und Vertragsamateure, die beim\naufnehmenden Verein Lizenzspieler wurden, als sofort abziehbare\nBetriebsausgaben zu behandeln sind oder zu aktivieren und über die\nVertragslaufzeit abzuschreiben sind.\n\n \n\n...\n\n2\n\n \n\nDas Geschäftsjahr begann am 01. Juli des Jahres und endete am 30. Juni des\nFolgejahres. Der Kläger unterhielt in den Streitjahren eine\nLizenzspielermannschaft in der Bundesliga. Mit Ausnahme der wirtschaftlichen\nGeschäftsbetriebe Bundesliga-Fußball und Werbung war der Kläger gemäß § 5 Abs.\n1 Nr. 9 KStG wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke ("Förderung des\nSports") grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit.\n\n3\n\n \n\nDer Kläger war in den Streitjahren Mitglied des zuständigen Regionalverbandes,\ndes zuständigen Landesverbandes und Kreisverbandes sowie außerordentliches\nMitglied des Deutschen Fußballbundes (= DFB). Satzung und Ordnungen des DFB\nwaren für den Kläger und seine Mitglieder unmittelbar verbindlich. Hierzu\ngehörten die DFB-Spielordnung (= SpO) in der Fassung vom 30. April 1999 und\ndas DFB-Lizenzspielerstatut (= LSpSt) in der am 01. August 1999 geltenden\nFassung.\n\n4\n\n \n\nDie SpO regelte - auszugsweise - für die hier maßgeblichen Streitfragen u. a.\nFolgendes:\n\n5\n\n \n\n"§ 4 Spielerlaubnis - Spielerpaß\n\n6\n\n \n\n1\\. Spielerlaubnis\n\n7\n\n \n\na) Spielberechtigt ist nur dasjenige Vereinsmitglied, das nach den\nVorschriften seines Mitgliedsverbandes eine Spielerlaubnis für seinen Verein\nerhalten hat ...\n\n8\n\n \n\nb) Die Spielerlaubnis wird erteilt für Pflicht- und Freundschaftsspiele ...\n\n9\n\n \n\nc) Ein Spieler kann in einem Spieljahr nur für einen Verein eine\nSpielerlaubnis erhalten, es sei denn, der abgebende Verein stimmt einem\nVereinswechsel zu ...\n\n10\n\n \n\nd) Die Spielerlaubnis für Lizenzspieler richtet sich nach den Bestimmungen des\nLizenzspielerstatuts. Die Ausstellung eines Spielerpasses ist nicht\nerforderlich.\n\n11\n\n \n\n§ 15 Status der Fußballspieler\n\n \n\n...\n\n12\n\n \n\n3\\. Lizenzspieler ist, wer das Fußballspiel aufgrund eines vom DFB\nlizenzierten Arbeitsvertrages mit einem Verein oder einer Tochtergesellschaft\nder Lizenzligen betreibt. Das Nähere regelt das Lizenzspielerstatut.\n\n13\n\n \n\n§ 25 Einspruch gegen Spielwertung\n\n \n\n...\n\n14\n\n \n\n2\\. Einsprüche gegen die Spielwertung können u. a. mit folgender sachlicher\nBegründung erhoben werden:\n\n15\n\n \n\na) Mitwirkung eines nicht spielberechtigten Spielers bei der gegnerischen\nMannschaft.\n\n \n\n...\n\n16\n\n \n\n4\\. War in einem Spiel ein Spieler nicht spielberechtigt, so ist das Spiel für\ndie Mannschaft als verloren zu werten, die den nicht spielberechtigten Spieler\nschuldhaft eingesetzt hatte.\n\n \n\n...\n\n17\n\n \n\n§ 34 Spielberechtigung der Lizenzspieler\n\n \n\n...\n\n18\n\n \n\n2\\. Zum Nachweis der Spielberechtigung führt der DFB für jeden Lizenzverein\neine Spielberechtigungsliste, die dem Verein zugestellt wird. Aus ihr muss\nerkennbar sein, ab welchem Zeitpunkt der einzelne Spieler für den Verein die\nSpielberechtigung besitzt ... Spieler, die nicht auf der aktuellen\nSpielberechtigungsliste eingetragen sind, besitzen keine Spielberechtigung und\nkönnen nicht eingesetzt werden ..."\n\n19\n\n \n\nDem LSpSt sind für die Streitjahre - auszugsweise - folgende Regelungen zu\nentnehmen:\n\n20\n\n \n\n"§ 1 Einteilung der Spielklassen\n\n21\n\n \n\n1\\. Für den bezahlten Fußballsport führt der DFB zwei Spielklassen als\nLizenzligen:\n\n22\n\n \n\na) die Bundesliga als oberste Spielklasse,\n\n23\n\n \n\nb) die 2. Bundesliga als nachgeordnete Spielklasse ...\n\n24\n\n \n\n3\\. Die Bundesliga und die 2. Bundesliga sind Vereinseinrichtungen des DFB.\n\n25\n\n \n\n4\\. Vereine und Tochtergesellschaften, die Mannschaften der Lizenzligen\nunterhalten und Spieler, die nicht Amateurspieler sind und in diesen\nMannschaften gegen Entgelt spielen, bedürfen einer Lizenz des DFB.\n\n \n\n...\n\n26\n\n \n\n6\\. Spieler, die den Status eines Lizenzspielers besitzen, sind berechtigt,\ndie Vereinseinrichtungen Bundesliga und 2. Bundesliga zu benutzen und\ninsbesondere als Spieler bei einem Verein oder einer Tochtergesellschaft der\nLizenzligen an den Spielveranstaltungen teilzunehmen.\n\n27\n\n \n\n§ 4 Lizenzerteilung\n\n28\n\n \n\n1\\. Die Vereine und Tochtergesellschaften der Lizenzligen erhalten die\nLizenzen durch einen Vertrag mit dem DFB (s. Anhang Nr. 1) ...\n\n29\n\n \n\n§ 10 Vertragsverhältnis\n\n30\n\n \n\nLizenzspieler sind Arbeitnehmer besonderer Art eines vom DFB lizenzierten\nVereins oder einer vom DFB lizenzierten Tochtergesellschaft.\n\n31\n\n \n\n§ 11 Lizenzerteilung\n\n32\n\n \n\n1\\. Der Spieler erhält die Lizenz durch einen Vertrag mit dem DFB (s. Anhang\nNr. 4).\n\n33\n\n \n\nEin Arbeitsverhältnis zwischen DFB und Spieler wird durch den Abschluss des\nLizenzvertrages nicht begründet.\n\n34\n\n \n\n2\\. Die Lizenz wird unbefristet erteilt.\n\n \n\n..."\n\n35\n\n \n\nIn dem als Anhang Nr. 4 des LSpSt angefügten Mustervertrag zwischen Spieler\nund DFB ist in § 1 geregelt, dass der Spieler durch den Vertrag den Status\neines Lizenzspielers und damit die Berechtigung zur Nutzung der\nVereinseinrichtungen erhält. Zur Ausübung der Berechtigung bedurfte es einer\ngesonderten Spielerlaubnis durch den DFB-Ligaausschuss (§ 26 LSpSt).\n\n \n\n"\n\n36\n\n \n\n§ 14 Zuständigkeit des Liga-Ausschusses\n\n \n\n...\n\n37\n\n \n\n5\\. Der Liga-Ausschuss ist auch zuständig\n\n38\n\n \n\na) für die Erteilung - ggf. unter Auflagen und/oder Bedingungen - und\nEntziehung der Lizenzen für Vereine, Gesellschaften und Spieler der\nLizenzligen ...\n\n39\n\n \n\nb) für die Erteilung der Spielerlaubnis an die Lizenzspieler für einen\nbestimmten Verein oder eine bestimmte Tochtergesellschaft der Lizenzligen\n\n \n\n...\n\n40\n\n \n\ne) für die Entscheidung über Anträge und Einsprüche zur Transferliste ...\n\n41\n\n \n\n§ 20 Abschluss von Verträgen\n\n42\n\n \n\n1\\. Verträge zwischen Vereinen und Spielern anderer Vereine, die nicht\nAmateure im Bereich des DFB sind, dürfen grundsätzlich erst dann abgeschlossen\nwerden, nachdem die Aufnahme der Spieler in die Transferliste des DFB\nbekanntgegeben worden ist. Die Voraussetzungen für die Aufnahme in die\nTransferliste ergeben sich aus § 28 Nr. 6 LSpSt ...\n\n43\n\n \n\n2\\. Verträge dürfen zwischen dem 16.1. und 30.6. im Rahmen der Transferperiode\nI eines Spieljahres (§ 27 Nr. 2) nur mit Wirkung vom 1.7 dieses Jahres und für\ndie Mindestlaufzeit von einem Jahr abgeschlossen werden (Transferperiode I)\n...\n\n44\n\n \n\n3\\. Mit Spielern, deren Verträge im beiderseitigen Einvernehmen aufgelöst\nworden sind, können Verträge vom 1.7. bis zum 15.1. mit sofortiger Wirkung\n(Transferperiode II) und außerdem vom 16.1 bis zum 30.6. mit Wirkung vom\ndarauffolgenden 1.7. geschlossen werden ...\n\n45\n\n \n\n§ 21 Form und Inhalt von Verträgen\n\n \n\n...\n\n46\n\n \n\n4\\. Die Daten der Verträge sind an den DFB zum Zwecke der Speicherung und\nVerarbeitung in einer der Spielervermittlung dienenden Spielerdatenbank zu\nübermitteln ...\n\n47\n\n \n\n§ 26 Spielerlaubnis für Lizenzspieler\n\n48\n\n \n\n1\\. Die Erteilung der Spielerlaubnis für einen Lizenzspieler ist von dem\nVerein, der den Spieler verpflichtet hat, beim Liga-Ausschuss schriftlich zu\nbeantragen.\n\n49\n\n \n\n2\\. Dem Antrag ist unverzüglich stattzugeben, wenn\n\n50\n\n \n\na) dem Liga-Ausschuss ein wirksamer Arbeitsvertrag zwischen Verein und Spieler\nvorliegt,\n\n51\n\n \n\nb) die Sporttauglichkeit gemäß § 12 c) nachgewiesen ist,\n\n52\n\n \n\nc) die Aufnahme des Spielers in die Transferliste bekanntgegeben oder der\nSpieler vereinseigen (§ 20 Nr. 9) ist und\n\n53\n\n \n\nd) keine anderweitigen rechtlichen Bindungen als Spieler an einen anderen\nLizenzverein mehr bestehen. Liegen anderweitige rechtliche Bindungen vor, wird\ndie Spielberechtigung zugunsten des Vereins erteilt, der zuerst einen\nwirksamen schriftlichen Arbeitsvertrag beim DFB vorgelegt hat. Maßgebend ist\nder Zugang bei der DFB-Zentralverwaltung.\n\n54\n\n \n\nNimmt der Aufsteiger zur 2. Bundesliga einen vereinseigenen Vertragsamateur\nals Lizenzspieler unter Vertrag und entspricht die Vertragslaufzeit der des\nbisherigen Vertragsamateur-Vertrages, so ist für die Erteilung einer\nSpielerlaubnis gemäß Abs. 1 der Zeitpunkt der Vorlage dieses Vertragsamateur-\nVertrages beim Mitgliedsverband maßgebend.\n\n55\n\n \n\ne) bei Spielern, die nicht Angehöriger eines EU- oder EWR-Staates sind, eine\nAufenthaltserlaubnis für die Dauer der Vertragsbindung beim Lizenzverein\nvorliegt.\n\n \n\n...\n\n56\n\n \n\n5\\. Die Spielerlaubnis des Spielers erlischt mit dem Tag der Beendigung des\nArbeitsvertrages.\n\n57\n\n \n\n6\\. Die Spielerlaubnis kann versagt oder entzogen werden, wenn sich der\nSpieler im Falle einer Vermittlung nicht eines dafür lizenzierten\nSpielervermittlers bedient.\n\n58\n\n \n\nAuf § 7 Nr. 1 d) LSt. und § 5 a) der Rechts- und Verfahrensordnung wird\nverwiesen.\n\n59\n\n \n\n§ 28 Transferliste\n\n60\n\n \n\n1\\. Die Transferliste ist eine Einrichtung des DFB zur Offenlegung des\nVereinswechsels der Lizenzspieler. Die Bestimmungen der Transferliste gelten\nfür Lizenzspieler und ausländische Spieler.\n\n61\n\n \n\nDie Spielerlaubnis für einen Verein der Lizenzligen dürfen nur Spieler\nerhalten, deren Aufnahme in die Transferliste bekanntgegeben worden ist. Die\nFreigabe für einen ausländischen Verein dürfen nur Lizenzspieler erhalten,\nderen Aufnahme in die Transferliste bekanntgegeben worden ist oder deren\nAufnahme keine Einwendungen im Sinne des § 29 Nr. 2 vorliegen.\n\n62\n\n \n\n2\\. Die Transferliste wird vom DFB geführt; sie ist während des gesamten\nSpieljahres geöffnet. In einem Spieljahr gibt es zwei Transferperioden:\n\n63\n\n \n\nTransferperiode I vom 16.1. bis 30.6.\n\n64\n\n \n\nTransferperiode II vom 1.7. bis 15.1. eines Kalenderjahres.\n\n65\n\n \n\nDie Aufnahme in die Transferliste ist schriftlich zu beantragen.\n\n66\n\n \n\nAnträge zur Aufnahme in die Transferliste für einen Wechsel innerhalb der\nTransferperioden I und II (§ 20 Nr. 2 und 3) können jederzeit im Laufe des\nSpieljahres unter Wahrung der Antragsfrist gemäß Nr. 3 gestellt werden.\n\n67\n\n \n\nZur Fristwahrung gehört auch die Erfüllung der Voraussetzung gemäß Nr. 6.\nBezüglich der Fristen gilt § 41 LSt. nicht.\n\n68\n\n \n\n3\\. Aufnahmen und Streichungen von Spielern werden vom DFB wöchentlich\ndienstags (falls ein gesetzlicher Feiertag der darauf folgende Werktag)\nbekanntgegeben. Anträge zur Aufnahme sind bis spätestens 15.00 Uhr am Vortag\nzu stellen. Mit der Bekanntgabe wird mitgeteilt, ab welchem Zeitpunkt der\njeweilige Spieler verpflichtet werden darf.\n\n69\n\n \n\n4\\. Antragsberechtigt sind:\n\n70\n\n \n\na) Lizenzspieler, die zu einem Verein des DFB oder zu einem ausländischen\nVerein wechseln,\n\n71\n\n \n\nb) Spieler aus dem Ausland (auch Amateure), die zu einem Verein des DFB als\nLizenzspieler wechseln,\n\n72\n\n \n\nc) Amateure/Nichtamateure aus dem Ausland, die zu einem Verein der Lizenzligen\nwechseln und eine Spielerlaubnis für die Lizenzspielermannschaft beantragen,\n\n73\n\n \n\nd) Vereine des DFB, die einen Lizenzspieler an einen Verein des DFB oder einen\nausländischen Verein abgeben,\n\n74\n\n \n\ne) Vereine des DFB, die einen Spieler aus dem Ausland (auch Amateure) als\nLizenzspieler unter Vertrag nehmen wollen.\n\n75\n\n \n\n5\\. Die Anträge auf Aufnahme in die Transferliste werden den hierdurch\nBetroffenen zur Kenntnis gebracht. Wird innerhalb einer vom DFB gesetzten\nFrist kein Einspruch erhoben, gilt die Zustimmung zur Aufnahme in die\nTransferliste als erteilt.\n\n76\n\n \n\n6\\. Voraussetzung für die Aufnahme in die Transferliste ist, dass\n\n77\n\n \n\na) bei einem Wechsel innerhalb der Transferperiode I (§ 20 Nr. 2) die\nArbeitsverträge zum Zeitpunkt der Antragstellung fristgerecht gekündigt, in\nbeiderseitigem Einvernehmen aufgelöst worden sind oder durch Zeitablauf am\n30.6. enden,\n\n78\n\n \n\nb) bei einem Wechsel innerhalb der Transferperiode II (§ 20 Nr. 3) die\nArbeitsverträge durch schriftliche Vereinbarung aufgehoben worden sind,\n\n79\n\n \n\nc) der Verein und Spieler den Antrag gestellt oder vorher zugestimmt haben,\n\n80\n\n \n\nd) ein etwaiger Einspruch gegen die Aufnahme eines Spielers in die\nTransferliste zurückgewiesen worden ist,\n\n81\n\n \n\ne) keine anderweitige rechtliche Bindung des Spielers an einen anderen\nLizenzverein besteht. Im Falle der fristlosen Kündigung müssen die\nVoraussetzungen des § 23 Nr. 2, 3 oder 4 vorliegen. In jedem Fall ist der\nNachweis über die fristgemäße Beendigung des Vertrages dem Antrag zur Aufnahme\nin die Transferliste beizufügen.\n\n \n\n...\n\n82\n\n \n\n9\\. Die Vorlage der Arbeitsverträge beim DFB bewirkt die Streichung der\nSpieler von der Transferliste zugunsten des vertragschließenden Vereins.\nMachen ein Spieler, der in die Transferliste aufgenommen worden ist und sein\nbisheriger Verein die Vertragsbeendigung rückgängig, muss dies vom Verein oder\nSpieler dem DFB unverzüglich mitgeteilt werden. Mit Eingang der Mitteilung ist\nder Spieler von der Transferliste zugunsten des bisherigen Vereins gestrichen.\n\n83\n\n \n\n§ 30 Ausbildungs- und Förderungsentschädigung für Amateurspieler und\nVertragsama- teure, die beim aufnehmenden Verein Lizenzspieler werden\n\n84\n\n \n\n1\\. Ein Verein der Lizenzligen, der einen Amateurspieler oder einen\nVertragsamateur als Lizenzspieler unter Vertrag nimmt, ist grundsätzlich zur\nZahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung verpflichtet. Die\nWirksamkeit des Arbeitsvertrages darf nicht von einer bestimmten Höhe der\nAusbildungs- und Förderungsentschädigung abhängig gemacht werden.\n\n85\n\n \n\nDie Ausbildungs- und Förderungsentschädigung beträgt\n\n86\n\n \n\na) für Vereine der Bundesliga DM 100.000,00\n\n87\n\n \n\nb) für Vereine der 2. Bundesliga DM 45.000,00\n\n88\n\n \n\nStichtag ist jeweils der 1.7. eines Jahres. Maßgeblich ist das Datum des\nWirksamwerdens des Vertrages.\n\n89\n\n \n\n10 % der Ausbildungs- und Förderungsentschädigung gemäß a) bzw. b) stehen dem\nersten Verein zu, für den der Spieler nachweisbar drei Jahre ununterbrochen\nspielberechtigt war (Vaterverein).\n\n90\n\n \n\nDer Anspruch für die übrige Ausbildungs- und Förderungsentschädigung steht\njedem Verein, für den der Spieler innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner\nVerpflichtung spielberechtigt war, zu gleichen Anteilen - jeweils 20 % der zu\nzahlenden Ausbildungs- und Förderungsentschädigung - zu. Vorstehende Ansprüche\nkönnen nebeneinander geltend gemacht werden. Lässt sich eine\nAnspruchsberechtigung für den Vaterverein nicht feststellen, wird die gesamte\nAusbildungs- und Förderungsentschädigung verteilt. Bei einem Vertragsabschluss\nmit einem Spieler, der für den vertragschließenden Verein bereits\nspielberechtigt ist, vermindert sich die Ausbildungs- und\nFörderungsentschädigung entsprechend seiner Spielberechtigungszeit bei diesem\nVerein ... Diese Regelung gilt auch für Spieler, die aus dem Ausland\nzurückkehren und erstmals von einem Verein des DFB unter Vertrag genommen\nwerden."\n\n91\n\n \n\nErgänzend wird auf die vom Klägervertreter vorgelegte vollständige SpO und das\nvorgelegte LSpSt Bezug genommen (Ordner Anlagen zum Schreiben des Kläger-\nProzessbevollmächtigten vom 26. November 2009).\n\n92\n\n \n\nAls Anhang Nr. 2 sind dem LSpSt Grundlagen für Wirtschaftsprüfer zur Prüfung\nvon Lizenzvereinen beigefügt. Unter B. I. Bilanz 1. Aktiva a) Anlagevermögen\nbefindet sich folgender Hinweis:\n\n93\n\n \n\n"* Immaterielle Vermögensgegenstände/Spielerwerte\n\n94\n\n \n\nNach dem Urteil des BFH vom 26. August 1992 (I R 24/91) ist die Spielerlaubnis\nals immaterieller Vermögensgegenstand ein abnutzbares Wirtschaftsgut und\nentsprechend zu aktivieren. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bemisst sich\nnach der Dauer des Arbeitsvertrages, da die Spielerlaubnis mit Ablauf des\nselben untergeht. Sollte der Arbeitsvertrag eine Optionsklausel für seine\nVerlängerung enthalten, so ist im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nach\nallgemeinen Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten zu bestimmen, ob von der Option\nvoraussichtlich Gebrauch gemacht werden wird und bei Ermittlung der\nbetriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von der um die Option verlängerten\nVertragsdauer auszugehen. Die Spielerwerte sind detailliert auf den einzelnen\nSpieler bezogen auszuweisen."\n\n95\n\n \n\nDie Gewinn- und Verlustrechnung hatte nach dem Anhang Nr. 2 zum LSpSt im\nAufbau den besonderen Gegebenheiten des Lizenzfußballs zu folgen und sah unter\nAufwand 1. 4. Transferaufwand folgende Darstellung vor:\n\n96\n\n \n\n" 1. 4. 1 Transfer-AfA\n\n97\n\n \n\n1.4.2 Ausleihgebühren\n\n98\n\n \n\n1.4.3 Spielervermittler und -beobachtungen\n\n99\n\n \n\n1.4.4 Sonstiger Transferaufwand\n\n100\n\n \n\nDie Transfer-AfA, Ausleihgebühren sowie Aufwendungen für Spielervermittler und\n-beobachtungen sind unter Angabe der Namen der Spieler/Spielervermittler, der\nVereine und der jeweiligen Beträge detailliert darzustellen."\n\n101\n\n \n\n... beschloss der Vorstand des Klägers am 05. Februar 2001, die Spielerwerte\nin voller Höhe abzuschreiben.\n\n102\n\n \n--- \nDemzufolge wurden im Jahresabschluss zum 30. Juni 2000 \nausgehend von Spielerwerten zum 01. Juli 1999 i. H. v.: | ... DM \nzzgl. Zugängen im Geschäftsjahr 1999/2000 i. H. v.: | ... DM \nund Nachaktivierungen i. H. v.: | ... DM \nvon einer Summe der Spielerwerte i. H. v.: | ... DM \nAbschreibungen i. H. v.: | ... DM \nvorgenommen und | \nAbgänge als Restwertabschreibung i. H. v.: | ... DM \n \n \n\n103\n\n \n\nerfasst, so dass sich zum 30. Juni 2000 ein Stand bei den Spielerwerten von\n0,00 DM ergab (vgl. Bl. 20 Bilanzakte).\n\n104\n\n \n\nAus Transferverträgen mit 8 Spielern (davon ein Amateur) erzielte der Kläger\nim Geschäftsjahr 1999/2000 Umsatzerlöse i. H. v. ... DM (Bl. 20 Erläuterungen\nzu den einzelnen Posten des geänderten Jahresabschlusses zum 30. Juni 2000).\nWährend der Kläger z. B. für den Spieler ... selbst eine Transferentschädigung\ni. H. v. ... DM bezahlt hatte, erzielte er einen Transferertrag von ... DM.\nFür den Spieler ... hatte der Kläger eine Transferentschädigung von ... DM\ngezahlt und einen Transferertrag i. H. v. ... DM erzielt.\n\n105\n\n \n\nAndererseits hatte er für den Spieler ... ... DM gezahlt und einen\nTransferertrag i. H. v. ... DM erzielt.\n\n106\n\n \n\nUnter Transfer wurden im Geschäftsjahr 1999/2000 Aufwendungen (8.4.2.) für\nSpielervermittler und -beobachtungen i. H. v. ... DM ausgewiesen.\n\n107\n\n \n\nIn der Bilanz zum 30. Juni 2001 wies der Kläger bei den Aktiva keine\nSpielerwerte aus. In der GuV-Rechnung 2000/2001 wurden keine Umsatzerlöse aus\nTransfer ausgewiesen.\n\n108\n\n \n\nAls Aufwand für Vertragsauflösung (8.4.1.) wurden ... DM und für\nSpielervermittler und -beobachtungen Aufwendungen i. H. v. ... DM angegeben.\n\n109\n\n \n\nDer Kläger reichte am 17. Oktober 2002 seine Steuererklärungen für das Jahr\n2000 und am 29. August 2002 für das Jahr 2001 ein.\n\n110\n\n \n\nMit den Körperschaftsteuerbescheiden vom 11. Februar 2003 wurde jeweils eine\nKörperschaftsteuer von 0,00 DM/€ festgesetzt. Mit Bescheiden vom selben Tag\nwurde der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2000\nauf ... DM und zum 31.12.2001 auf ... DM festgestellt. Vom steuerlichen\nVerlust 2000 wurden ... DM auf das Einkommen des Jahres 1999 zurückgetragen.\nDie Gewerbesteuermessbeträge für 2000 und 2001 wurden jeweils auf 0,00 DM/€\nfestgesetzt. Der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2000 wurde auf\n... DM und auf den 31.12.2001 auf ... € festgestellt. Alle Bescheide ergingen\nunter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO).\n\n111\n\n \n\nIn der Zeit vom 27. Oktober 2003 bis zum 04. Dezember 2003 führte der Beklagte\nbeim Kläger eine Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 1997 bis 2001 durch.\n\n112\n\n \n\nIn Tz. 13 des Berichts vom 06. April 2004 i. V. m. der Prüfungsfeststellung\nNr. 9 stellten die Prüfer fest, dass aufgrund des BFH-Urteils vom 26. August\n1992 Transferentschädigungen als immaterielle Wirtschaftsgüter des\nAnlagevermögens mit ihren Anschaffungskosten zu aktivieren und auf die\nVertragslaufzeit zu verteilen seien. Aufgrund der vom Kläger selbst zum 30.\nJuni 2000 und 30. Juni 2001 ermittelten Spielerwerte (vgl. Bl. 89 und 90 BP-\nAkten) aktivierte der Beklagte in der Prüferbilanz zum 30. Juni 2000\nSpielerwerte i. H. v. ... DM und zum 30. Juni 2001 i. H. v. ... DM. Daraus\nergaben sich Gewinnauswirkungen von ... DM und ... DM. Es handelte sich\nhierbei um folgende Spieler:\n\n \n\n...\n\n113\n\n \n\nDer Spieler ... befand sich vor seinem Wechsel zum Kläger ohne vertragliche\nBindung beim ... im Amateurstatus. In seinem und im Fall des Spielers ...\nwurden Ausbildungs- und Förderentschädigungen von jeweils ... DM gezahlt. Die\nZahlungen an Spielerberater wurden mit den Zahlungen an den jeweils abgebenden\nVerein (= Transferentschädigungen) aktiviert. Auch die Ausbildungs- und\nFörderungsentschädigungen wurden aktiviert.\n\n114\n\n \n\nMit den Bescheiden vom 01. Juli 2004 hob der Beklagte die Bescheide über die\ngesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur\nKörperschaftsteuer zum 31.12.2000 und 31.12.2001 auf und stellte den\nverbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2000 auf 0,00 DM\nfest. Am 07. Oktober 2004 und 01. Oktober 2007 wurden die Aufhebungsbescheide\nvom 01. Juli 2004 betreffend die Verlustvortragsfeststellung zur\nKörperschaftsteuer zum 31.12.2000 und 31.12.2001 aufgehoben. Am 01. Juli 2004\nerließ der Beklagte geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 1999 mit einer\nFestsetzung i. H. v. ... €, für 2000 mit einer Festsetzung i. H. v. ... € und\nfür 2001 mit einer Festsetzung i. H. v. ... €. Der Bescheid für 2001 wurde\naufgrund eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 2002 durch die Bescheide vom 07.\nOktober 2004 und 01. Oktober 2007 geändert und die\nKörperschaftsteuerfestsetzung auf ... € herabgesetzt. Der\nKörperschaftsteuerbescheid für 2000 wurde durch den Bescheid vom 01. Oktober\n2007 durch Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks geändert. Mit weiteren\nBescheiden vom 01. Juli 2004 wurde der Gewerbesteuermessbetrag für 2000 auf\n... € und der Gewerbesteuermessbetrag für 2001 auf ... € festgesetzt und es\nwurden die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen\nGewerbeverlustes auf den 31.12.2000 und 31.12.2001 aufgehoben. Die\nGewerbesteuermessbetragsbescheide für 2000 und 2001 wurden am 01. Oktober 2007\nohne Auswirkung auf die festgesetzten Beträge erneut geändert.\n\n115\n\n \n\nGegen die vorgenannten Bescheide betreffend die Jahre 2000 und 2001 vom 01.\nJuli 2004 legte der Kläger am 15. Juli 2004 Einspruch ein. Am 02. August 2004\nlegte der Bevollmächtigte des Klägers durch Erklärung zur Niederschrift an\nAmtsstelle Einspruch gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das\nJahr 1999 ein. Die Einsprüche richteten sich gegen die Bewertung der\nSpielerwerte. Mit ihnen wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass zwar nach dem\nsog. Bosman-Urteil des EuGH vom 15. Dezember 1995 (Rs. C-415/93-Bosman, Slg.\n1995 I, 4921, NJW 1996, 505, SpuRt 1996, 59) ein europäischer Profi nach\nAuslaufen des Vertrages ablösefrei zu einem anderen Verein habe wechseln\ndürfen. Jedoch seien Spielertransfers im Rahmen des "Herauskaufens von\nSpielern" aus laufenden Arbeitsverträgen weiterhin gängige Praxis im\nBerufsfußball. Der abgebende Verein beende dazu das Arbeitsverhältnis mit dem\nwechselwilligen Spieler und erhalte eine zwischen den zwei Vereinen in freien\nVerhandlungen vereinbarte Transferentschädigungszahlung. Die in der\nFachliteratur nach Ergehen des BFH-Urteils vom 26. August 1992 (I R 24/91,\nBStBl II 1992, 977) gegen die Aktivierung einer Spielerlaubnis als\nimmateriellem Vermögensgegenstand vorgebrachten Einwände richteten sich auf\ndrei Sachverhalte:\n\n \n\n1.\n\n116\n\n \n\nDie durch den DFB erteilte Spielerlaubnis sei nicht als ein der Konzession\nähnliches Recht bzw. ähnlicher Wert zu qualifizieren, weil es unter Auslegung\nder verbandsrechtlichen Regelungen des DFB am dafür notwendigen\nErlaubnischarakter fehle.\n\n \n\n2.\n\n117\n\n \n\nDie Spielerlaubnis sei nicht verkehrsfähig, weil sie in der wirtschaftlichen\nBetrachtungsweise nicht übertragbar sei.\n\n \n\n3.\n\n118\n\n \n\nEntschädigungszahlungen träten nicht nur wirtschaftlich an die Stelle einer\nGegenleistung für die Übertragung des Handelsobjektes "Spieler". Der\naufnehmende Verein leiste die Zahlung einzig aus dem Grund, weil er sich durch\nden Transfer sportliche und wirtschaftliche Vorteile für die Zukunft erwarte.\n\n119\n\n \n\nFaktisch komme unzulässigerweise das "Recht am Spieler" selbst bzw. an seiner\nArbeitskraft als Vermögensgegenstand zum Bilanzansatz.\n\n120\n\n \n\nDie Spielerlaubnis habe keinen Erlaubnischarakter, sondern sei als Bestätigung\nim Sinne einer Registrierung anzusehen, dass die Erfordernisse für eine\nSpielberechtigung (Arbeitsvertrag, Sporttauglichkeit) erfüllt seien. Nur durch\nden Arbeitsvertrag erwerbe der Verein die Erlaubnis, den Spieler einsetzen zu\ndürfen. Die Spielerlaubnis durch den DFB vermittle den Vereinen nur die Rechte\noder Werte, die ihnen schon aus dem Arbeitsvertrag mit dem Spieler zustünden.\n\n121\n\n \n\nDie Transferzahlungen stellten schon deshalb keine Anschaffungskosten für die\nAnschaffung der Spielerlaubnis dar, da die Spielerlaubnis nach § 26 Nr. 5\nLSpSt mit dem Tag der Beendigung des Arbeitsvertrages erlösche.\n\n122\n\n \n\nDie durch den DFB erteilte Spielerlaubnis sei nicht verkehrsfähig, da sich\nsämtliche Rechte des Vereins - auch die Zustimmung zur vorzeitigen\nVertragsauflösung gegen Entschädigungszahlung - aus dem laufenden\nArbeitsvertrag ergäben. Da verkehrsfähig nur Sachen, Werte oder Rechte seien,\ndie durch Vereinbarung zweier Personen von einer auf die andere übergehen\nkönnen, fehle es hieran, da der Transfer die Zustimmung des Spielers\nvoraussetze.\n\n123\n\n \n\nNach einer Umfrage des DFB im Jahre 2000 hätten ca. 2/3 der Bundesligavereine\ndie Aktivierung der Transferentschädigungen nicht bilanziell umgesetzt.\nAndererseits bilde die Aktivierung von Transferentschädigungen die Grundlage\nder Darstellung von Eigenkapital. Deshalb sei von dem bisher bei der\nBerechnung des zu versteuernden Einkommens im Jahr 2000 berücksichtigten\nSteuerbilanzgewinn von ... DM ein Korrekturbetrag von ... DM abzuziehen und\nsowohl die Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuermessbetrag auf jeweils\n0,00 DM festzusetzen. Im Jahr 2001 sei von dem bisher angesetzten Bilanzgewinn\nvon ... DM ein Korrekturbetrag von ... DM abzuziehen und unter\nBerücksichtigung der Verlustvorträge ebenfalls eine Körperschaftsteuer und ein\nGewerbesteuermessbetrag von jeweils 0,00 DM festzusetzen. Aus dem Jahr 2000\nwerde ein Verlustrücktrag auf das Jahr 1999 i. H. v. ... DM beantragt.\n\n124\n\n \n\nMit seiner Einspruchsentscheidung vom 01. Oktober 2007 wies der Beklagte die\nEinsprüche als unbegründet zurück.\n\n125\n\n \n\nZur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass zu Recht eine Aktivierung\nvorzunehmen gewesen sei. Das BFH-Urteil vom 26. August 1992 bilde nach wie vor\ndie rechtliche Grundlage für die Bilanzierung der sog. Spielerwerte im\ndeutschen Fußball. Im Streitfall seien die strittigen Transferentschädigungen\nfür Spieler gezahlt worden, deren Arbeitsverträge beim abgebenden Verein im\nZeitpunkt des Wechsels noch nicht abgelaufen gewesen seien. Insoweit bestehe\neine Aktivierungspflicht und die vom DFB zu erteilende Spielerlaubnis sei mit\nAnschaffungskosten in Höhe der Transferentschädigungen anzusetzen. Trotz\nkontroverser Diskussion in der Fachliteratur bleibe die BFH-Rechtsprechung\neinschlägig (vgl. H 5.5 EStHB 2005). Ein Verlustrücktrag vom Jahr 2000 auf das\nEinkommen 1999 sei nicht möglich.\n\n126\n\n \n\nDer Kläger hat am 01. November 2007 Klage erhoben.\n\n127\n\n \n\nZur Begründung trägt der Kläger unter Wiederholung seiner Begründung im\naußergerichtlichen Vorverfahren im Wesentlichen vor, dass nach dem Bosmann-\nUrteil das nationale Transfersystem durch die DFB-Gremien abgeschafft worden\nsei. Das BFH-Urteil vom 26. August 1992 berücksichtige nicht die nach dem\nBosmann-Urteil geschaffene Rechtslage und sei weder einschlägig noch seien die\ntragenden Gründe haltbar. Die früher in § 30 LSpSt enthaltene Regelung,\nnachdem beim Wechsel eines Lizenzspielers zu einem anderen Verein der\naufnehmende Verein eine Transferentschädigung an den abgebenden Verein zu\nzahlen hatte, sei aufgehoben worden. Gleichzeitig seien die Richtlinien zur\nFestsetzung von Transferentschädigungen aufgehoben worden. Von diesem\nZeitpunkt an waren nach den Statuten des DFB keine Transferentschädigungen im\ndeutschen Fußball zu zahlen. Zahlungen hätten nur noch auf der Grundlage von\nVereinbarungen zwischen dem abgebenden Verein und dem Spieler bzw. auf der\nGrundlage dreiseitiger Vereinbarungen zwischen abgebendem Verein, Spieler und\naufnehmendem Verein verlangt werden können.\n\n128\n\n \n\nDer BFH sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, da nicht dem\naufnehmenden oder abgebenden Verein, sondern nach dem LSpSt dem Spieler die\nSpielerlaubnis zu erteilen gewesen sei. Dies sei auch in dem streitigen\nZeitraum so gewesen. Statt eines immateriellen Wirtschaftsgutes sei im\nErgebnis lediglich ein nicht bilanzierungsfähiger geschäftswertbildender\nFaktor festzustellen. Mit der Zahlung an den abgebenden Verein werde dort ein\nNachteil kompensiert.\n\n129\n\n \n\nAuf die 19 Seiten umfassende kritische Auseinandersetzung mit der\n"Transferentscheidung" des BFH vom 26. August 1992 in Anlage 8 zum\nklägerischen Schriftsatz vom 20. Dezember 2007 wird verwiesen.\n\n130\n\n \n\nEs gebe keine bewertbare Spielerlaubnis. Spielerlaubnisse seien nicht\nkontingentiert, es gebe keinen formalen Antrag auf Erteilung einer\nSpielerlaubnis und keine Erteilung einer formalen Spielerlaubnis, die deshalb\nals solche ein wertloser Akt sei. Wertvoll sei einzig und allein die\nMöglichkeit, über den Einsatz der Fähigkeiten eines Menschen exklusiv\nbestimmen zu können. Diese Möglichkeit sei aus verfassungsrechtlichen\nErwägungen bilanziell nicht zu erfassen. Die Spielerlaubnis sei nicht\nverkehrsfähig, weil sie jeweils einem Spieler erteilt werde. Indem der BFH den\nwahren Gegenstand der Aktivierung in dem durch das LSpSt gewährleisteten\ngestattungsähnlichen Recht, einen Spieler einsetzen zu können, definiert habe,\nbedeute dies verallgemeinert ausgedrückt, dass das Recht, einen Arbeitnehmer\neinsetzen zu dürfen, ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut sei. Bei der\nSpielerlaubnis handele es sich weder um eine Konzession noch um ein\nkonzessionsähnliches Recht. Ihr fehle das zentrale Element der Konzession, die\nGestattung unternehmerischen Handelns. Zu Unrecht habe der BFH die\nParallelität des entschiedenen Falles zur steuerlichen Beurteilung des Erwerbs\neiner Güterverkehrskonzession herzustellen versucht. Es habe seit dem 01. Juli\n1996 keine Statuten mehr gegeben, die als Basis eines "konzessionsähnlichen\nRechts" hätten gelten können. Die Zahlung der Transferentschädigung gleiche\neiner typischen Vertragsstrafe. Letztere seien immer dann von Bedeutung, wenn\nein Arbeitnehmer aus einem noch bestehenden Vertrag zu einem neuen Arbeitgeber\nwechseln wolle bzw. beim alten Arbeitgeber nicht weiter arbeiten möchte. Die\nParallele zur Transferentschädigung, die gezahlt werde, um die Zustimmung des\nalten Arbeitgebers zur Auflösung des Arbeitsvertrages zu erhalten, liege "auf\nder Hand".\n\n131\n\n \n\nDie Analyse der hier maßgeblichen und als Anlagen 9.1 bis 9.27 zum Schreiben\nvom 20. Dezember 2007 vorgelegten Transferverträge ergebe, dass die\nvereinbarten Transferentschädigungen an die abgebenden Vereine nicht die\nBegleichung der Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes "Spielerlaubnis"\ndarstellten. Die Erteilung der Spielerlaubnis sei nach dem Verständnis der\nVertragsparteien gerade nicht die Gegenleistung des abgebenden Vereins\ngewesen. Der abgebende Verein lasse sich allein die Möglichkeit bezahlen, dass\ner aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Beziehungen zu dem Spieler einer\nVertragsaufhebung zustimmen müsse. Der materielle Vorteil hänge ausschließlich\nvon der arbeitsvertraglichen Position ab. Dieser Vorteil könne nicht auf den\naufnehmenden Verein übergehen. Dieser begründe durch den mit dem Spieler\ngeschlossenen Arbeitsvertrag eine eigenständige neue Rechtsposition.\n\n132\n\n \n\nDie Rechtsprechung des BFH-Urteils vom 26. August 1992 sei nicht mit der\nRechtsprechung des BFH zur Behandlung von Vertragsstrafen als Werbungskosten\n(BFH-Urteil vom 07. Dezember 2005, I R 34/05) und der Entscheidung des BSG vom\n26. Juli 1989 (11 Rar 11/87) vereinbar. Mit dem Wegfall des in den Statuten\ngeregelten Berechnungsmodus für die Höhe der statuarisch festgelegten\nTransferentschädigung sei ein zentrales Glied in der Argumentationskette des\nBFH gebrochen.\n\n133\n\n \n\nDie Verträge der Spieler mit dem jeweils abgebenden Verein seien nicht\nausgehändigt worden. Über die Dauer des Arbeitsvertrages mit dem abgebenden\nVerein sei der seinerzeit zuständige Leiter der Lizenzspielerabteilung\nzunächst über den für den Spieler tätigen Spielerberater informiert worden.\nVor dem Vertragsabschluss mit dem Spieler habe der abgebende Verein die\nAngaben mündlich bestätigt. Abweichungen zwischen den Angaben durch die\nBeteiligten habe es nicht gegeben. Über Ausstiegs- oder\nVertragsstrafenklauseln in den Vorverträgen könnten keine Aussagen gemacht\nwerden. Im skandinavischen Raum sei es nicht unüblich gewesen, bei\nBefristungsabreden mündliche Vereinbarungen über die Höhe eines zu zahlenden\nBetrages für die kurzfristige Vertragsauflösung zu treffen. Die Zahlungen an\ndie abgebenden Vereine seien nicht auf der Grundlage einer Formel berechnet,\nsondern ausgehandelt worden. Dabei hätten aus seiner - des Klägers - Sicht\n\n134\n\n \n--- \n\\- die sportliche Notwendigkeit zum kurzfristigen Einsatz des Spielers, \n\\- sein sportliches Potential, \n\\- die Dauer der Restlaufzeit des Arbeitsvertrages beim abgebenden Verein und \n\\- seine finanzielle Situation \n \n135\n\n \n\neine Rolle gespielt.\n\n136\n\n \n\nWesentliche Faktoren für die Höhe der Forderung des abgebenden Vereins seien\n\n137\n\n \n--- \n\\- der beabsichtigte Einsatz des Spielers, \n\\- vorhandene Spieleralternativen, \n\\- die Restlaufzeit des Arbeitsvertrages und \n\\- die finanzielle Situation \n \n138\n\n \n\ndes Vereins gewesen.\n\n139\n\n \n\nAusbildungsaufwendungen des abgebenden Vereins hätten bei Profispielern bei\nder Festlegung der Transferzahlung in der Regel keine Rolle gespielt.\n\n140\n\n \n\nZu einzelnen Spielern hat der Kläger folgende Faktoren mit Auswirkung auf die\nTransferentschädigung mitgeteilt:\n\n \n\n...\n\n141\n\n \n\nDa die Aufwendungen an Spielerberater (vgl. zum Einzelnachweis Beiakte "B" zum\nSchriftsatz des Klägers vom 08. Februar 2010), sofern sie für die Spieler ...,\n..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., .... und ... gezahlt wurden,\nnicht mit einem Transfer im Zusammenhang gestanden hätten, seien diese nicht\nzu aktivieren gewesen. Dazu hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 08.\nFebruar 2010 als Anlage 2 folgendes berichtigtes Verzeichnis der Spielerwerte\nvorgelegt:\n\n \n\n...\n\n142\n\n \n\nMit dem Schriftsatz vom 19. Mai 2010 hat der Kläger als Anlage 2 folgende den\nspäteren Abschreibungsbeginn bei den Spielern ..., ... und ...\nberücksichtigende Aufstellung vorgelegt:\n\n \n\n...\n\n143\n\n \n\nSchließlich hat der Kläger mit dem Schriftsatz vom 04. November 2010 als\nAnlage 3 folgende ausschließlich die Transferentschädigungen berücksichtigende\nAufstellung der Spielerwerte vorgelegt:\n\n \n\n...\n\n144\n\n \n\nSoweit sich aus der vom Kläger mit dem Schreiben vom 07. Oktober 2010\nvorgelegten Festsetzung des Kontrollausschusses des DFB für den Spieler ... in\nder Summe eine Ausbildungs- und Förderungsentschädigung von ... DM ergibt, hat\nder Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung erklärt,\ndass der ... DM übersteigende Betrag in den Streitjahren nicht als\nBetriebsausgabe geltend gemacht werde.\n\n145\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n146\n\n \n\nabweichend von den angefochtenen Steuerbescheiden\n\n147\n\n \n\n\\- Bescheid für 2000 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag\n\n148\n\n \n\n\\- Bescheid für 2000 über den Gewerbesteuermessbetrag\n\n149\n\n \n\n\\- Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen\nGewerbeverlustes auf den 31.12.2000\n\n150\n\n \n\n\\- Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags\nzur Körperschaftsteuer zum 31.12.2000\n\n151\n\n \n\n\\- Bescheid für 2001 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag\n\n152\n\n \n\n\\- Bescheid für 2001 über den Gewerbesteuermessbetrag\n\n153\n\n \n\n\\- Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags\nzur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001\n\n154\n\n \n\n\\- Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen\nGewerbeverlustes auf den 31.12.2001\n\n155\n\n \n\n\\- Bescheid für 1999 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag\n\n156\n\n \n\nin der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. Oktober 2007 keine\nAktivierung von Spielerwerten inklusive Anschaffungsnebenkosten vorzunehmen,\n\n157\n\n \n\nbezüglich des Bescheides für 1999 über Körperschaftsteuer und\nSolidaritätszuschlag den sich aus dem Veranlagungsjahr 2000 ergebenden Verlust\ni. H. v. ... DM zurückzutragen\n\n158\n\n \n\nund\n\n159\n\n \n\ndie Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu\nerklären.\n\n160\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n161\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n162\n\n \n\nZur Begründung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, dass die Bosman-\nEntscheidung in der Praxis für Lizenzspieler bewirkt habe, dass langlaufende\nArbeitsverträge mit den Spielern abgeschlossen würden, in deren Konsequenz\nweiterhin Aufhebungszahlungen/Transferentschädigungen zu zahlen seien. Die\nErteilung der Spielerlaubnis sei zu jeder Zeit unabhängig von der Einigung\nüber die Transferentschädigungen und ihrer Zahlung gewesen. Trotzdem habe der\nBFH einen so engen Veranlassungszusammenhang zwischen Transferverbindlichkeit\nund Erteilung der Spielerlaubnis gesehen, um die Entschädigung als\nAnschaffungskosten der Spielerlaubnis zu behandeln. Diese Grundsätze seien\nauch in den Streitjahren anzuwenden. Allein die Verwendung des Begriffs\nTransferentschädigung indiziere, dass die Beteiligten darin weder eine\nVertragsstrafe noch vorweggenommene Werbungskosten des Spielers als\nArbeitnehmer sähen. Bestehe ein Arbeitsvertrag und lägen verbandsrechtlich\nkeine Gründe für eine vorzeitige Aufhebung des Spielervertrages vor, so komme\nes auf verbands- und lizenzrechtlicher Ebene zu einer Wechselsperre. Der\nSachverhalt sei mit dem des BFH-Urteils vom 26. August 1992 identisch. § 26\ndes LSpSt sei nach wie vor Gegenstand der Statuten und auf den Wegfall von §\n29 LSpSt a. F. ab 01. Juli 1997 komme es nicht an.\n\n163\n\n \n\nZahlungen an Spielerberater seien in den Fällen, in denen kein Transfervertrag\nabgeschlossen bzw. keine Transferentschädigung gezahlt worden sei als\nAnschaffungsnebenkosten des immateriellen Wirtschaftsgutes Spielerlaubnis bzw.\nSpielerwert zu aktivieren. Die Zahlung an den Spielerberater, der\nVertragsabschluss mit dem Spieler und die Erteilung der Spielererlaubnis an\nden Spieler seien eng miteinander verknüpft, so dass eine innere Verknüpfung\nim Sinne eines gegenseitigen Vertrages zwischen der Übertragung des\nimmateriellen Wirtschaftsgutes "Spielerwert" und der Zahlung an den\nSpielerberater bestehe.\n\n164\n\n \n\nNachdem der Beklagte im Schreiben vom 14. April 2010 die Auffassung vertrat,\ndass die Aktivierung der Spielerlaubnis bei den Spielern ..., ... und ... erst\nmit Vertragsbeginn (jeweils 01. Juli 2010) zu erfolgen habe, mithin auch erst\nab diesem Zeitpunkt die Abschreibungsdauer beginne, hat er in der mündlichen\nVerhandlung erklärt, für die Spieler ..., ... und ... seien zum 30. Juni 2001\n... DM zu aktivieren. Die entsprechenden Transferverpflichtungen seien bereits\nvor dem 30. Juni 2001 als Aufwand gebucht worden.\n\n165\n\n \n\nDem Gericht lagen eine Heftung Einspruchsvorgänge, je ein Band\nKörperschaftsteuerakten, Betriebsprüfungsakten, Bilanz-, Gewinn- und\nVerlustrechnungsakten, Gewerbesteuerakten, ein Band Anlagen zum Schreiben des\nProzessbevollmächtigten des Klägers vom 26. November 2009 sowie die Beiakten\n"A" und "B" vor.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n166\n\n \n\nDie Klage ist zum Teil begründet. Der Beklagte hat grundsätzlich zu Recht für\ndas vom Kläger erworbene Recht, für bestimmte Lizenzspieler die Erteilung\neiner Spielerlaubnis beim Ligaausschuss zu beantragen, ein immaterielles\nWirtschaftsgut (von ihm Spielerwert genannt) in den Steuerbilanzen des Klägers\nzum 30. Juni 2000 und 30. Juni 2001 aktiviert. Er hat die vertraglich\nvereinbarten Transferentschädigungen teilweise zu Recht als Anschaffungskosten\ndes abnutzbaren immateriellen Wirtschaftsgutes "Spielerlaubnis" des\nAnlagevermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz -EStG-) angesetzt\n(1.). Der Beklagte hat zu Unrecht die bei den Spielern ... und ... gezahlten\nAusbildungs- und Förderungsentschädigungen aktiviert und damit nicht zum\nsofortigen vollständigen Betriebsausgabenabzug zugelassen (2.). Ebenso hat er\nzu Unrecht die vom Kläger an Spielervermittler/-berater gezahlten Provisionen\nals Anschaffungskosten des immateriellen Wirtschaftsgutes "Spielerlaubnis"\nangesetzt und nicht zum sofortigen vollständigen Betriebsausgabenabzug\nzugelassen (3.).\n\n167\n\n \n\nSoweit es im Streitfall auf die Anwendbarkeit verbandsinterner Statuten des\nDFB ankommt, sind die vorgelegte DFB-SpO in der Fassung vom 30. April 1999 und\ndas DFB-LSpSt in der am 01. August 1999 geltenden Fassung maßgeblich. Soweit\ndie FIFA aufgrund der Bosman-Entscheidung des EuGH das Reglement am 05. Juli\n2001 mit entsprechenden Auswirkungen auf die nationalen Transfersysteme neu\ngeregelt hat, das am 01. September 2001 in Kraft getreten ist, ergeben sich\nkeine Auswirkungen auf die davor liegenden Streitjahre. Verträge, die vor dem\n05. Juli 2001 geschlossen wurden, unterliegen dem bis dahin gültigen\nTransferrecht (Neuß, RdA 2003, 161). Die vom Kläger vorgelegte Lizenzordnung\nSpieler (LOS - Anlage zum Schriftsatz vom 15. Januar 2008) ist nicht\nanzuwenden.\n\n \n\n1.)\n\n168\n\n \n\nDie "Spielerlaubnis" ist ein immaterieller Vermögensgegenstand i. S. d. § 266\nAbs. 2 Buchst. A I 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) und damit zugleich ein\nimmaterielles Wirtschaftsgut.\n\n \n\na)\n\n169\n\n \n\nDie Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut stimmen inhaltlich überein\n(Beschluss des Großen Senats des BFH vom 07. August 2000 GrS 2/99, BFHE 192,\n339, BStBl II 2000, 632). Zu den Vermögensgegenständen und Wirtschaftsgütern\ngehören neben Gegenständen im Sinne des bürgerlichen Rechts alle\nvermögenswerten Vorteile des Betriebs einschließlich tatsächlicher Zustände\nund konkreter Möglichkeiten, sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein\nselbständiger Wert beigelegt wird und sie - allein oder mit dem Betrieb -\nverkehrsfähig sind (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2006 III R 6/05, BStBl II 2007,\n301; Anzinger in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 5 Rdnr. 1681).\n\n170\n\n \n\nDie "Spielerlaubnis", verstanden als das Recht, für einen Lizenzspieler beim\nzuständigen Fußballverband eine Spielerlaubnis zur Ausübung seiner\nBerechtigung, als Spieler beim antragstellenden Verein der Lizenzligen an den\nSpielveranstaltungen teilnehmen zu dürfen, zu beantragen (§ 26 Nr. 1 LSpSt)\nist ein ähnliches Recht i. S. d. § 266 Abs. 2 Buchst. A I 1 HGB. Ähnliche\nRechte im Sinne dieser Vorschrift sind Positionen, die ihrem Inhaber eine den\nKonzessionen und gewerblichen Schutzrechten vergleichbar geschützte\nRechtsposition einräumen. Dabei kann es sich sowohl um ausschließliche Rechte\nals auch um schuldrechtliche Ansprüche handeln. Die "Spielerlaubnis" ist ein\nschuldrechtlicher Anspruch des aufnehmenden Fußballvereins, der eine faktische\nAusschließlichkeitsstellung begründet (vgl. Anzinger in Herrmann/\nHeuer/Raupach, EStG, § 5 Rdnr. 1683, m. w. N.).\n\n171\n\n \n\nDie "Spielerlaubnis" ist, wie der BFH bereits in seinem Urteil vom 26. August\n1992 (I R 24/91, BStBl II 1992, 977) festgestellt hat, keine Konzession i. S.\nd. § 266 Abs. 2 Buchst. A I 1 HGB, weil es sich nicht um eine behördliche\nGenehmigung zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit handelt. Sie erfüllt aber\nalle übrigen Anforderungen, die an eine Konzession zu stellen sind. Die vom\nKläger als aufnehmendem Verein zu beantragende Spielerlaubnis (§ 26 Nr. 1\nLSpSt) kann nur von ihm und sonst von Niemandem, insbesondere nicht vom\nLizenzspieler selbst beantragt werden. Die "Spielerlaubnis" erlischt mit dem\nTag der Beendigung des Arbeitsvertrages des Spielers mit dem aufnehmenden\nVerein (§ 26 Nr. 5 LSpSt). Ihrem Inhalt nach gestattet sie den Einsatz eines\nbestimmten Lizenzspielers in Spielen der Lizenzspielermannschaft des Klägers,\nweil der Spieler seine Berechtigung zur Nutzung der Vereinseinrichtungen erst\nausüben darf, wenn die Spielerlaubnis erteilt ist (vgl. Anhang Nr. 4 zum LSpSt\nVertrag zwischen dem Spieler und dem DFB). Die Spielerlaubnis wird vom\nLigaausschuss an die Lizenzspieler für einen bestimmten Verein oder eine\nbestimmte Tochtergesellschaft der Lizenzligen erteilt (§ 14 Nr. 2 Buchst. b\nLSpSt). Voraussetzung für die Erteilung der Spielerlaubnis ist u. a., dass\nkeine anderweitigen rechtlichen Bindungen als Spieler an einen anderen\nLizenzverein mehr bestehen. Liegen anderweitige rechtliche Bindungen vor, wird\ndie Spielberechtigung zugunsten des Vereins erteilt, der zuerst einen\nwirksamen schriftlichen Arbeitsvertrag beim DFB vorgelegt hat (§ 26 Nr. 2\nBuchst. d LSpSt). Diese Regelungen sprechen für die faktische\nAusschließlichkeitsstellung des Vereins, der seinerseits die in § 26 LSpSt\nfestgelegten Voraussetzungen für die von ihm zu beantragende Spielerlaubnis\nfür den von ihm unter Vertrag genommenen Spieler erfüllt.\n\n172\n\n \n\nAuf die Erteilung einer formalisierten Spielerlaubnis kommt es nicht an. Die\nSpielberechtigung des Lizenzspielers wird vom DFB auf einer\nSpielberechtigungsliste festgehalten, die dem Verein zugestellt wird und aus\nder der Verein erkennen kann, ab welchem Zeitpunkt der einzelne Spieler für\nden Verein die Spielberechtigung besitzt. Wer dort nicht eingetragen ist,\nbesitzt keine Spielberechtigung und kann nicht eingesetzt werden (§ 34 Nr. 2\nSpO).\n\n173\n\n \n\nDer Einsatz nicht spielberechtigter Spieler ist in § 25 Nr. 2 Buchst. a i. V.\nm. Nr. 4 SpO sanktioniert.\n\n \n\nb)\n\n174\n\n \n\nDie "Spielerlaubnis" ist als immaterieller Vermögensgegenstand und\nWirtschaftsgut verkehrsfähig. Dies gilt unabhängig davon, ob man die\nVerkehrsfähigkeit in einem weiten (= Veräußerbarkeit zusammen mit dem ganzen\nBetrieb) oder in einem engen Sinne (Einzelveräußerbarkeit bzw.\n-verwertbarkeit) interpretiert. Die Spielerlaubnis ist auch in letzterem Sinne\nverkehrsfähig. Insoweit kommt es auf die abstrakte Veräußerbarkeit an. Dies\nbedeutet, dass es auf eine Veräußerbarkeit im Rechtssinne nicht ankommt. Es\ngenügt, dass der Rechtsverkehr Möglichkeiten entwickelt hat, die\n"Spielerlaubnis" wirtschaftlich zu übertragen. Dazu reicht es aus, dass der\nabgebende Verein auf die Spielerlaubnis "verzichtet", um auf diese Weise ihre\nNeuerteilung durch den DFB zugunsten des aufnehmenden Vereins zu ermöglichen\n(vgl. BFH-Urteil vom 26. August 1992 I R 24/91, BStBl II 1992, 977, m. w. N.).\nEine solche Möglichkeit ist auch nach der Änderung des LSpSt aufgrund der\nBosman-Entscheidung des EuGH für die im Streitfall allein betroffene\nFallgruppe des Vereinswechsels eines Lizenzspielers während der Laufzeit\nseines Arbeitsvertrages beim abgebenden Verein festzustellen.\n\n175\n\n \n\nVerbandliche Transferregelungen, die eine Transferentschädigung zum Gegenstand\nhaben, gibt es seit der Umsetzung der Bosman-Entscheidung nicht mehr. Waren\nvor der Bosman-Entscheidung Ein- bis Zweijahresverträge die Regel, sind seit\n1995 langfristige Verträge üblich geworden (vgl. Schamberger, SpuRt 2002, 228,\n230; Kelber NZA, 2001, 11, 12). Diese Praxis bestätigen auch die vom Kläger\nmitgeteilten Restlaufzeiten der Arbeitsverträge bei den abgebenden Vereinen\nvon bis zu 2 Jahren und die Laufzeiten der Arbeitsverträge mit den eigenen\nLizenzspielern in den Streitjahren. Soll der langfristige Arbeitsvertrag\nvorzeitig beendet werden, so bedarf es entweder einer wirksamen\naußerordentlichen Kündigung oder eines Aufhebungsvertrages. Einer Beendigung\ndes Arbeitsvertrages mit einem guten Spieler mit entsprechend hohem Marktwert\nwird der abgebende Verein nur dann zustimmen, wenn er für die Auflösung einen\nadäquaten Anreiz erhält. Dieser Anreiz wurde im Streitfall nicht durch die\nStatuten des DFB geregelt, sondern - wie der Kläger im Schreiben vom 26.\nNovember 2009 bestätigt hat - durch individuelle und einmalige Vereinbarung\nzwischen dem neuen und dem alten Arbeitgeber (vgl. Kelber NZA, 2001, 11, 12).\nDa eine Voraussetzung für die Erteilung der Spielerlaubnis die Bekanntgabe der\nAufnahme des Spielers in die Transferliste - sofern es sich nicht um einen\nvereinseigenen Spieler handelt - ist (vgl. § 26 Nr. 2 Buchst. c LSpSt), und\ndie Aufnahme in die Transferliste u. a. voraussetzt, dass Arbeitsverträge\nfristgerecht gekündigt, in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst oder zum 30.\nJuni enden (vgl. § 28 Nr. 6 Buchst. a und b LSpSt) und dass Verein und Spieler\nden Antrag zur Aufnahme in die Transferliste gestellt oder vorher zugestimmt\nhaben (§ 28 Nr. 6 Buchst. c LSpSt), besteht auch nach Wegfall der\nverbandsrechtlichen Regelungen über eine Transferentschädigung ein eindeutiger\ninnerer Zusammenhang der gezahlten Transferentschädigungen zur Erteilung der\nSpielerlaubnis gemäß § 26 LSpSt (vgl. Wehrheim, BB 2004, 433, 434).\n\n176\n\n \n\nDamit hat der Verein mit einem bestehenden Arbeitsvertrag mit einem Spieler\nfür die Laufzeit dieses Vertrages eine Rechtsposition inne, über die er in dem\nSinne wirtschaftlich frei verfügen kann, dass er die Auflösung des\nArbeitsvertrages und die nachfolgende Erteilung einer Spielerlaubnis durch den\nLigaausschuss, den Spieler in der Lizenzspielermannschaft eines anderen\nVereins einsetzen zu können, von der Zahlung einer Transferentschädigung\nabhängig machen kann. Für die Bejahung der abstrakten Verkehrsfähigkeit reicht\nes aus, wenn der aus dem laufenden Arbeitsvertrag berechtigte Verein für die\nDauer des selben mitbestimmen kann, ob der Spieler den selben erfüllen muss\noder aber, ob er gegen Zahlung einer Transferentschädigung vorzeitig aus dem\nselben entlassen wird (vgl. BFH-Urteil BStBl II 1992, 977, 979).\n\n \n\nc)\n\n177\n\n \n\nDie "Spielerlaubnis" ist als immaterieller Vermögensgegenstand selbständig\nbewertbar. Die Bewertbarkeit ist losgelöst von dem Wert der Arbeitsleistung\ndes Spielers zu sehen, wie sie Gegenstand des Arbeitsvertrages ist. Sie ergibt\nsich aus der Möglichkeit, für die Auflösung des Arbeitsvertrages mit dem\nSpieler eine Transferentschädigung zu erhalten (BFH-Urteil BStBl II 1992, 977,\n979). Diese konkretisiert sich zwar in den Streitjahren nicht mehr nach den\nvom DFB und den betroffenen Vereinen entwickelten Grundsätzen zur Bestimmung\nder Höhe der Transferentschädigung für einen bestimmten Spieler. Hierzu wird\nauf die vom Kläger während der Außenprüfung vorgelegten Richtlinien für die\nFestsetzung von Transferentschädigungen verwiesen (Bl. 122 - 128 BP-Akten).\nDiese Richtlinien wurden nach der Angabe des Klägers nach der Bosman-\nEntscheidung nicht mehr angewandt (Bl. 121 BP-Akten). Eine entsprechende\nKonkretisierung hat der BFH aber nicht zur Voraussetzung für die selbständige\nBewertbarkeit erklärt (vgl. Reiter, SpuRt 2004, 55, 57 unter III. 2. Buchst.\nb). Der nach den früher geltenden Richtlinien ermittelbare Transferwert\nunterstreiche demnach nur die selbständige Bewertbarkeit der "Spielerlaubnis".\nEs genügt nach der Auffassung des Senats die dem freien Spiel der Kräfte\nüberlassene Möglichkeit, eine Transferentschädigung frei auszuhandeln. Diese\nMöglichkeit ist in allen hier streitigen Fällen einer tatsächlich vereinbarten\nund gezahlten Transferentschädigung festzustellen. Der Kläger hat das in\nseinem Schreiben vom 26. November 2009 auch bestätigt und die dabei\nmaßgeblichen Faktoren für die Angebots- und Forderungshöhe zwischen\naufnehmendem und abgebendem Verein benannt. In der Literatur wird dieses\n"Herauskaufen" aus laufenden Arbeitsverträgen soweit ersichtlich einhellig als\nrechtmäßig erachtet, sowohl unter dem Maßstab des Europarechts, als auch des\ndeutschen Arbeits- und Verfassungsrechts (vgl. Kelber, NZA, 2001, 11, 12 unter\nIV. m. w. N.).\n\n \n\nd)\n\n178\n\n \n\nDie "Spielerlaubnis" ist auch entgeltlich erworben worden.\n\n179\n\n \n\nIn den Streitjahren durften immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens\nnur aktiviert werden, wenn sie entgeltlich erworben worden waren (§ 248 Abs. 2\nHGB, § 5 Abs. 2 EStG). Das Entgelt muss sich auf den Vorgang des abgeleiteten\nErwerbs des immateriellen Wirtschaftsgutes als solchen beziehen und nach den\nVorstellungen beider Vertragsteile die Gegenleistung für die erlangten\nVorteile darstellen. Da die Bestimmung des Wertes immaterieller\nWirtschaftsgüter unsicher ist, kann auf eine objektiv feststellbare\nGegenleistung in Gestalt effektiver Anschaffungskosten, durch welche der Wert\nam Markt bestätigt wird, nicht verzichtet werden. § 5 Abs. 2 EStG will\nverhindern, dass Aufwendungen für selbst hergestellte immaterielle\nWirtschaftsgüter als Anlagevermögen ausgewiesen werden.\n\n180\n\n \n\nDie im Streitfall frei ausgehandelten Transferentschädigungen bedeuten eine\nWertbestätigung am Markt. Sie haben wirtschaftlich gesehen die Funktion einer\nGegenleistung.\n\n181\n\n \n\nIm Streitfall ist vom abgeleiteten Erwerb der "Spielerlaubnis" auszugehen. Ein\nsolcher setzt nicht notwendigerweise voraus, dass ein bereits bestehendes\nWirtschaftsgut übertragen wird. Es reicht die Begründung eines neuen\nimmateriellen Wirtschaftsgutes beim aufnehmenden Verein (vgl. BFH-Urteil BStBl\nII 1992, 977, 979 unter 6. a. m. w. N.; BFH-Urteil vom 27. Mai 2009 I R 86/07,\nBFH/NV 2009, 1522 unter II. 1. b. dd.). Die Zahlung der Transferentschädigung\ndurch den Kläger hatte ihren wirtschaftlichen Grund in dem Vereinswechsel und\nder damit verbundenen Möglichkeit, eine Spielerlaubnis zu beantragen und eine\nausschließliche Spielberechtigung des jeweiligen Lizenzspielers für den\neigenen Verein zu erhalten. Auf die o. a. Ausführungen zur Begründung der\n"Spielerlaubnis" als schuldrechtlichem Anspruch des aufnehmenden Vereins, der\neine faktische Ausschließlichkeitsstellung begründet, wird verwiesen.\n\n182\n\n \n\nDie vom Kläger gezahlten Transferentschädigungen sind i. S. v. § 255 Abs. 1\nHGB durch den neu beim Kläger begründeten Anspruch auf Beantragung einer\nSpielerlaubnis veranlasst worden. Zwar setzt die unverzügliche Stattgabe des\nAntrags auf Erteilung der Spielerlaubnis keine Zahlung einer\nTransferentschädigung voraus. Jedoch bleibt nach Maßgabe von § 26 Nr. 2\nBuchst. c LSpSt bei bestehenden Arbeitsverträgen die Notwendigkeit, den\nabgebenden Verein durch die Zusage und Zahlung einer Transferentschädigung zur\nAufhebung des Arbeitsvertrages und Zustimmung zur Aufnahme in die\nTransferliste (§ 28 Nr. 6 Buchst. c LSpSt) zu bewegen. Besteht ein\nArbeitsvertrag und liegen verbandsrechtlich keine Gründe für eine vorzeitige\nAufhebung des Arbeitsvertrages vor, so kommt es auf\nverbands-/lizenzrechtlicher Ebene zu einer Wechselsperre (Wehrheim, BB, 2004,\n433, 434). Da ohne die Aufnahme des jeweiligen Lizenzspielers in die\nTransferliste eine Erteilung einer Spielerlaubnis ausgeschlossen ist, besteht\nzwischen der Entstehung der Transverbindlichkeit und der Erteilung der\nSpielerlaubnis ein so enger Veranlassungszusammenhang, dass es gerechtfertigt\nist, die Transferentschädigung als Anschaffungskosten für die "Spielerlaubnis"\nzu behandeln.\n\n \n\ne)\n\n183\n\n \n\nDie vereinbarten und gezahlten Transferentschädigungen sollten keine sonstigen\nNachteile beim abgebenden Verein abgelten. Dazu hat der Kläger im Schreiben\nvom 26. November 2009 mitgeteilt, dass bei Profispielern geleistete\nAusbildungsaufwendungen o. ä. bei der endgültigen Festlegung der Höhe der zu\nleistenden Zahlungen in der Regel keine Rolle gespielt hätten. Konkrete für\neinen sonstigen Nachteilsausgleich sprechende Vorgänge und Zahlungen hat er\nnicht benannt. Die Transferentschädigungen stehen auch nicht der Übernahme\neiner Vertragsstrafenvereinbarung gleich. Auf die dazu im gerichtlichen\nSchreiben vom 27. Juli 2009 (2.) gestellte Frage, ob die Arbeitsverträge der\nabgebenden Vereine Vertragsstrafenvereinbarungen oder Ausstiegsklauseln\nenthalten hätten und inwieweit sich dieser Umstand bei der Höhe der\nTransferentschädigung ausgewirkt habe, hat der Kläger im Schreiben vom 26.\nNovember 2009 im Wesentlichen mitgeteilt, keine konkreten Angaben machen zu\nkönnen. Insbesondere lägen die früheren Arbeitsverträge nicht vor. Die von ihm\nselbst im vorgenannten Schreiben angegebenen Faktoren für die vorzeitige\nVertragsauflösung gehen auf eine Vertragsstrafenregelung nicht ein. Darüber\nhinaus ist eine Transferforderung des abgebenden Vereins von einer möglichen,\nhier in keinem Fall nachgewiesenen Vertragsstrafe unabhängig. Die\nTransfersumme gibt den Preis wieder, zu dem der bisherige Verein bereit ist,\nauf seine Rechte am Spieler vorzeitig zu verzichten. Die Vertragsstrafe\nhingegen richtet sich direkt an den Spieler und soll die Erfüllung seiner\nvertraglich versprochenen Leistung sichern (Leistungssicherungsfunktion). Da\neine Vertragsstrafe nicht in einem unangemessenen Verhältnis zum Verdienst des\nSpielers bestehen darf, dürfte eine angemessene Vertragsstrafe regelmäßig weit\nunter einer zu erzielenden Transferentschädigung liegen (vgl.\nKlingmüller/Wichert, SpuRt 2001, 1, 3).\n\n184\n\n \n\nTransferentschädigungen sind auch keine Schadensersatzleistungen des\naufnehmenden Vereins an den abgebenden Verein (vgl. Kaiser, DB 2004, 1109,\n1110). Hierzu hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 26. August 1992\nausgeführt, dass gegen den über die laufenden Vergütungen hinausgehenden\nselbständigen Vermögenswert nicht spricht, dass die beteiligten Verkehrskreise\nder Ablösesumme zugleich den Charakter einer "Entschädigung" des abgebenden\nVereins beimessen. Auch beim normalen Austauschgeschäft in der Form des\ngegenseitigen Vertrages werde der Marktpreis nicht allein durch die\nWertschätzung des Käufers, sondern auch durch die des Verkäufers bestimmt.\nLetztere bilde die untere Grenze des möglichen Preises und sei derjenige\nGeldbetrag, der diesen für den Verlust der Sache entschädige. Der Senat\nschließt sich dieser Bewertung an.\n\n185\n\n \n\nDer Umstand, dass nach dem Wegfall verbandsinterner Richtlinien für die\nFestsetzung von Transferentschädigungen die Höhe der Zahlungen allein dem\nfreien Spiel der Kräfte zwischen den beteiligten Vereinen überlassen war,\nspricht gegen eine Entschädigung für sonstige Nachteile. Unverändert gilt die\nFeststellung des BFH im Urteil vom 26. August 1992 (unter 6. c.), dass die\nVereine dem durch das LSpSt rechtlich abgesicherten Vorteil, einen bestimmten\nSpieler in der eigenen Mannschaft einsetzen zu können, einen über die\nlaufenden Vergütungen hinausgehenden selbständigen Vermögenswert beimessen,\ndessen Höhe von einem am Transfermarkt erzielbaren Transferwert abhängt.\n\n186\n\n \n\nEine Unvereinbarkeit der BFH-Rechtsprechung mit dem Urteil des BSG vom 26.\nJuli 1999 (11 Rar 11/87) kann der Senat nicht feststellen.\n\n \n\nf)\n\n187\n\n \n\nDemnach handelt es sich bei den Transferentschädigungen um Anschaffungskosten.\nWirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, sind mit\nden Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden\nWert, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen,\nSonderabschreibungen, Abzüge nach § 6 b und ähnliche Abzüge anzusetzen (§ 6\nAbs. 1 Nr. 1 EStG). Der Begriff der Anschaffungskosten bestimmt sich im\nErtragssteuerrecht nach § 255 HGB (vgl. BFH-Urteil BStBl II 2007, 301, 303).\nGemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die\ngeleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen\nbetriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand\neinzeln zugeordnet werden können. Im Streitfall sind die Aufwendungen des\nKlägers für die Transferentschädigungen durch den Erwerb der "Spielerlaubnis"\nveranlasst. Da die Spielerlaubnis des Spielers mit dem Tag der Beendigung des\nArbeitsvertrages erlischt (§ 26 Nr. 5 LSpSt), bemisst sich ihre\nbetriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG) ausschließlich nach\ndem Arbeitsvertrag, d. h. nach der rechtlichen Nutzungsdauer (BFH-Urteil BStBl\nII 1992, 977, 981). Demnach hat der Beklagte für die genannten Spieler\nfolgende Endbestände zu Recht zu den Stichtagen 30. Juni 2000 und 30. Juni\n2001 aktiviert und sind für diese Spieler in den Veranlagungszeiträumen 2000\nund 2001 folgende AfA-Beträge zu berücksichtigen:\n\n188\n\n \n\nAlle Beträge in DM\n\n \n\n...\n\n189\n\n \n\nFür die Spieler ..., ... und ... waren zum 30. Juni 2001 keine immateriellen\nWirtschaftsgüter in Höhe der vertraglich vereinbarten Transferentschädigungen\nvon insgesamt ... DM zu aktivieren. Bei allen 3 Verträgen war\nWirksamkeitsvoraussetzung des Transfervertrages die Erteilung der\nSpielberechtigung für den Kläger durch den DFB. Die Spielerlaubnis wurde den 3\nSpielern frühestens ab dem 01. Juli 2001 erteilt, da alle 3 bis zum 30. Juni\n2001 in einem laufenden Arbeitsvertragsverhältnis bei ihren abgebenden\nVereinen standen und ihre für den jeweils abgebenden Verein bestehende\nSpielerlaubnis erst mit dem Tag der Beendigung des Arbeitsvertrages erlosch (§\n26 Nr. 5 LSpSt). Am Bilanzstichtag 30. Juni 2001 waren die genannten 3 Spieler\nfür den Kläger "wertlos", da sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht für ihn\nspielberechtigt waren. Die im Mai 2001 abgeschlossenen Transferverträge waren\nbis zur Erteilung der Spielberechtigung ab 01. Juli 2001 noch nicht wirksam.\nInsoweit war kein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten i. S. v. § 5 Abs. 5 Satz\n1 Nr. 1 EStG zum 30. Juni 2001 zu bilden, da vor dem Abschlussstichtag keine\nnachgewiesenen Ausgaben erfolgt sind. Die Transferzahlungen waren bei ... zum\n01. August 2001, bei ... zum 15. Juli 2001 sowie bei ... zum 01. August 2001\nund 01. Oktober 2001 fällig. Zudem handelte es sich nicht um laufende\nBetriebsausgaben.\n\n190\n\n \n\nDie vom Kläger mit dem Schreiben vom 19. Mai 2010 vorgelegten Anlagen 1 und 2\nsowie auch die später vorgelegten Aufstellungen lassen durch den Ansatz von\njeweils 0,00 DM bei den 3 Spielern als Endbestand zum 30. Juni 2001 erkennen,\ndass er an den vom Beklagten behaupteten Aufwandsbuchungen vor dem 30. Juni\n2001 nicht festhält. Der Beklagte hat dazu im Schreiben vom 01. Juli 2010\nmitgeteilt, dass über das vorgelegte Rechenwerk Übereinstimmung bestehe. Eine\nRückstellung für die sich aus den vorgenannten Transferverträgen aus dem Monat\nMai 2001 ergebenden Verbindlichkeiten hat der Kläger weder in seiner Bilanz\nzum 30. Juni 2001 gebildet noch hat sich der Prozessbevollmächtigte hierzu bis\nzum Schluss der mündlichen Verhandlung geäußert. Da insoweit keine\ntatsächlichen Aufwendungen vor dem 30. Juni 2001 vom Beklagten behauptet oder\nvom Gericht festgestellt werden konnten, kommt eine Aktivierung von\nAufwendungen zum Erwerb eines Wirtschaftsgutes, das erst spätere Zeit genutzt\nwerden soll (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 29. Aufl., § 5 Rdnr. 243),\nebenfalls nicht in Betracht.\n\n \n\n2.\n\n191\n\n \n\nFür die Spieler ... und ... sind keine Transferentschädigungen als\nAnschaffungskosten eines immateriellen Wirtschaftsgutes "Spielerlaubnis" zu\naktivieren, weil in beiden Fällen keine Transferentschädigungen gezahlt\nwurden. Die Zahlungen i. H. v. jeweils ... DM erfolgten nach den\nnachgewiesenen Angaben des Klägers als Ausbildungs- und\nFörderungsentschädigung an die abgebenden Vereine. Die Verpflichtung zur\nZahlung einer entsprechenden Entschädigung und ihre Höhe ergeben sich aus § 30\nLSpSt. Da die Höhe der Ausbildungsentschädigung im LSpSt festgelegt ist, ist\nsie nicht das Ergebnis der freien Verhandlung der beteiligten Vereine und wird\nnicht vom aufnehmenden Verein als Gegenleistung zum Erwerb der\n"Spielerlaubnis" gezahlt. Der aufnehmende Verein erfüllt mit der\nAusbildungsentschädigung eine sonstige Verpflichtung (vgl. Reiter, SpuRt 2004,\n55, 58). Die als Ausbildungs- und Förderungsentschädigung gezahlten Beträge\nsind als sofort abziehbare Betriebsausgabe bei ... im Jahr 2000 und bei ...\nmit dem noch nicht abgeschriebenen Restbetrag im Jahr 1999 zu erfassen.\n\n \n\n3.\n\n192\n\n \n\nDie vom Kläger bei 25 Lizenzspielern gezahlten Provisionen an Spielerberater\ni. H. v. insgesamt ... DM sind im Jahr der Zahlung sofort abziehbare\nBetriebsausgaben. Es handelt sich insoweit weder um Anschaffungs- noch\nAnschaffungsnebenkosten für den Erwerb der "Spielerlaubnis".\n\n193\n\n \n\nDie Funktion der Spielerberater hat der Beklagte im Schreiben vom 01. Juli\n2010 damit beschrieben, dass die Spielerberater regelmäßig an die Vereine\nheranträten und anböten, einen Vertrag mit einem Spieler zu vermitteln. Der\nKläger hat dieser Darstellung insoweit nicht widersprochen und in der\nmündlichen Verhandlung ergänzend erklärt, dass der Spieler grundsätzlich\nanstrebe, dass die Kosten für einen Spielerberater vom aufnehmenden Verein\nbezahlt würden. Ergänzend ist auf § 26 Nr. 6 LSpSt zu verweisen, wonach die\nSpielerlaubnis versagt oder entzogen werden kann, wenn sich der Spieler im\nFalle einer Vermittlung nicht eines dafür lizensierten Spielervermittlers\nbedient. Demnach wird der Spielervermittler für den Spieler tätig, er rechnet\nfür seine Beratung und Mitarbeit beim Vereinswechsel, insbesondere in\nVertragsangelegenheiten mit dem neuen Arbeitgeber, ab und vereinbarungsgemäß\nübernimmt - wie die vorgelegten Rechnungen in der Beiakte "B" bestätigen - der\naufnehmende Verein die in Rechnung gestellten Aufwendungen, die ansonsten der\nSpieler zu tragen hätte.\n\n194\n\n \n\nDie Provisionszahlungen sind keine Anschaffungskosten des immateriellen\nWirtschaftsgutes "Spielerlaubnis", weil sie nicht zwischen abgebendem Verein\nund aufnehmendem Verein als Gegenleistung für die Auflösung des\nArbeitsvertrages mit dem Spieler und Zustimmung zur Aufnahme in die\nTransferliste (§ 28 Nr. 6 Buchst. c LSpSt) ausgehandelt und vereinbart sind.\nDie vorgelegten Transferverträge zeigen, dass Vertragsbeteiligte\nausschließlich die jeweiligen Vereine sind und Spieler oder ihre\nSpielerberater an diesen Verträgen weder beteiligt noch vertreten waren. Auch\ndie vom Kläger im Schreiben vom 26. November 2009 mitgeteilten Faktoren für\ndie Höhe der Transferentschädigungen weisen nicht auf Provisionen für\nSpielerberater hin. Da für die Zuordnung von Aufwendungen zu den\nAnschaffungskosten insbesondere der mit ihnen verfolgte Zweck maßgebend ist\n(vgl. BFH-Urteil vom 03. August 1993 VIII R 37/92, BStBl II 1994, 444, 447, m.\nw. N.), genügt es nicht, dass gelegentlich des Erwerbs des immateriellen\nWirtschaftsgutes irgendwelche Aufwendungen entstanden sind. Vielmehr muss sich\ndas Entgelt auf den Vorgang des abgeleiteten Erwerbs des immateriellen\nWirtschaftsgutes als solchen beziehen. Das ist hier nicht der Fall. Die\nProvisionszahlungen sind keine Gegenleistung für das beim Kläger neu\nentstandene immaterielle Wirtschaftsgut "Spielerlaubnis", sondern eine\nTätigkeitsvergütung für einen Dritten, der ausschließlich die Interessen des\njeweiligen Spielers, insbesondere hinsichtlich der Konditionen seines neuen\nArbeitsvertrages, verfolgt hat. Weder wird die Höhe der Provision durch die\nHöhe der Transferentschädigung direkt beeinflusst noch richtet sich die Höhe\nder Transferentschädigung nach Provisionsforderungen von Spielerberatern. Für\nden abgebenden Verein wäre dieser Faktor ohnehin ohne Bedeutung, soweit er\nkeine vertraglichen Pflichten zum Spielerberater zu erfüllen hat.\n\n195\n\n \n\nBei den Spielern ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ...\nkommt eine Aktivierung der Provisionszahlungen an Spielerberater als\nAnschaffungsnebenkosten auch deshalb nicht in Betracht, weil die\n"Spielerlaubnis" für diese Spieler unentgeltlich i. S. v. § 5 Abs. 2 EStG\nerworben wurde. Für diese Spieler wurden keine Transferentschädigungen\ngezahlt. Die Zahlungen für Ausbildungs- und Förderentschädigungen bei den\nSpielern ... und ... bezogen sich - wie unter 2. dargelegt - nicht auf das\nimmaterielle Wirtschaftsgut "Spielerlaubnis" (vgl. Schmidt/Weber-Grellert,\nEStG, 29. Aufl., § 5 Rdnr. 193). Da die Anschaffungsnebenkosten keine\nGegenleistung für das erworbene immaterielle Wirtschaftsgut sind, können sie\nbei unentgeltlichem Erwerb nicht zur Aktivierung eines immateriellen\nWirtschaftsgutes führen (vgl. Schmidt/Glanegger, EStG, 28. Aufl., § 6 Rdnr.\n84; a. A. Schmidt/Kulosa, EStG, 29. Aufl., § 6 Rdnr. 53).\n\n196\n\n \n\nUnter Berücksichtigung der sofort als Betriebsausgaben abziehbaren\nAusbildungs- und Förderungsentschädigungen für die Spieler ... und ... und der\nProvisionen für Spielerberater ergeben sich in den Streitjahren für folgende\nSpieler mehr bzw. weniger zu berücksichtigende Betriebsausgaben:\n\n197\n\n \n\nAlle Beträge in DM\n\n \n\n...\n\n \n\n4.\n\n198\n\n \n\nEin Verlustrücktrag gemäß § 10 d Abs. 1 EStG vom Veranlagungszeitraum 2000 in\nden Veranlagungszeitraum 1999 kommt nicht in Betracht, da aufgrund zu Recht\naktivierter Aufwendungen für den Erwerb des immateriellen Wirtschaftsgutes\n"Spielerlaubnis" i. H. v. 7.449.457,70 DM keine negativen Einkünfte entstehen,\ndie bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen\nwerden.\n\n199\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.\n\n200\n\n \n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155\nFGO i. V. m. der entsprechenden Anwendung von §§ 708 Nr. 10, 711\nZivilprozessordnung (ZPO).\n\n201\n\n \n\nDie Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob\naus Anlass des Wechsels eines Lizenzfußballspielers gezahlte\nTransferentschädigungen Anschaffungskosten eines beim aufnehmenden Verein zu\naktivierenden immateriellen Wirtschaftsgutes sind, ist aus Gründen der\nRechtseinheitlichkeit und Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse. Die\nTransferpraxis hat sich nach dem BFH-Urteil vom 26. August 1992 (I R 24/91)\nund der Bosman-Entscheidung des EuGH (EuGH, Slg. 1995, I - 4923) geändert. Die\nsteuerrechtliche Behandlung von Provisionszahlungen an Spielerberater und\nAusbildungs- und Förderungsentschädigungen im Zusammenhang mit einem\nVereinswechsel ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden worden.\n\n202\n\n \n\nDer Streitwert war nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zu bestimmen.\n\n203\n\n \n\nWegen der Schwierigkeit der in dem Verfahren zu entscheidenden Tat- und\nRechtsfragen hat das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum\nVorverfahren für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).\n\n \n\n
98,833
vg-schwerin-2010-05-19-6-a-74908
490
Verwaltungsgericht Schwerin
vg-schwerin
Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 A 749/08
2010-05-19
2018-11-21 09:30:15
2019-02-14 03:45:33
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Das Verfahren wird eingestellt.\n\n \n\nDie Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur\nHälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.\n\n \n\n2\\. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDer Kläger und der Beklagte haben den Rechtsstreit in der Hauptsache\nübereinstimmend für erledigt erklärt. Somit ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über\ndie Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-\nund Streitstandes zu entscheiden. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des\nVerfahrens dem Kläger und dem Beklagten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen.\n\n2\n\n \n\nDie Frage, ob für die - vom Beklagten verfügte und mit der Klage angefochtene\n- Änderung des Familiennamens der Beigeladenen ein rechtfertigender wichtiger\nGrund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG vorliegt, d.h. ob sie für das Wohl des\nKindes erforderlich ist, kann nur nach Abwägung aller Umstände des\nEinzelfalles beantwortet werden. Zur hinreichenden Beurteilung dieser Frage\nhätte hier seitens des Gerichts ein Sachverständigengutachten eingeholt werden\nmüssen (vgl. auch VGH München, Beschl. v. 04.09.2008, Az. 5 C 08/1502, zitiert\nnach Juris). Dementsprechend war der Ausgang des Verfahrens im Zeitpunkt der\nAbgabe der Erledigungserklärungen offen. Davon ausgehend entspricht es\nbilligem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Kläger, d.h. dem Vater der\nBeigeladenen, und dem Beklagten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen (vgl. auch\nKopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 161, Rdnr. 17). Der Eintritt der Erledigung\ndes Rechtsstreits kann insbesondere nicht der Risikosphäre des Beklagten mit\nder Folge zugerechnet werden, dass dieser - unabhängig von den offenen\nErfolgsaussichten - die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen hätte.\n\n3\n\n \n\nEine Kostentragungspflicht der Beigeladenen besteht demgegenüber nicht. Zwar\nhat die schriftsätzliche Erklärung ihrer gesetzlichen Vertreterin, dass die\nvon ihr beantragte Namensänderung nicht weiterverfolgt werden soll, weil eine\nneuerliche Begutachtung nicht dem Kindeswohl entspreche, und Rücknahme des\nAntrags auf Namensänderung zur Einstellung des behördlichen Verfahrens und\nErledigung des Rechtsstreits geführt. Gleichwohl können den Beigeladenen keine\nKosten auferlegt werden. Eine Kostentragungspflicht nach § 154 Abs. 3 Halbsatz\n1 VwGO scheidet schon deshalb aus, weil die Beigeladenen wegen der\nErledigungserklärungen mit ihrem bislang ohnehin allein angekündigten (vgl. §\n103 Abs. 3 VwGO) Klageabweisungsantrag keinen Einfluss auf den Gang des\nVerfahrens (mehr) nehmen konnten, was insoweit Grundvoraussetzung für die\nAuferlegung von Kosten ist (vgl. Olbertz, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,\nVwGO, Stand: Okt. 2005, § 154, Rdnr. 15, § 160, Rdnr. 6). Den Beigeladenen\nkönnen Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 3 Halbsatz 2, § 155 Abs. 4 VwGO\nauch nicht unter dem Gesichtspunkt des "Verschuldens" auferlegt werden (vgl.\nauch VG Stuttgart, Beschl. v. 04.04.2005, Az. 2 K 4689/04, zitiert nach\nJuris).\n\n4\n\n \n\nEine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 162 Abs. 3\nVwGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht, und zwar auch deshalb, weil sich das\nVerfahren in der Hauptsache erledigt hat, es mithin keine "unterliegende\nPartei" im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO gibt. Die Beigeladenen tragen somit\nihre außergerichtlichen Kosten selbst.\n\n5\n\n \n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG (Nr. 28.1 des\nStreitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327; vgl.\nauch VG Ansbach, Urt. v. 22.10.2008, Az. AN 15 K 08.00545, zitiert nach\nJuris).\n\n
99,763
lg-kiel-2011-11-29-2-o-13611
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
2 O 136/11
2011-11-29
2018-11-21 19:30:17
2019-02-14 04:32:36
Urteil
ECLI:DE:LGKIEL:2011:1129.2O136.11.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDas Versäumnisurteil vom 4. August 2011 bleibt aufrechterhalten.\n\n \n\n \n\nDie Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\n \n\nDas Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung\ndurch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils\nvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung\nSicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollsteckenden Betrages leistet.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Kläger begehrt Unterlassung nach Maßgabe des Unterlassungsklagegesetzes\n(UKlaG).\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist Verbraucherverband und in die beim Bundesjustizamt geführte\nListe gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört\nes u. a., die Interessen der Verbraucher wahrzunehmen und den\nVerbraucherschutz zu fördern.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Beklagte vertreibt am Markt Telekommunikationsdienstleistungen. Hierbei\nverwendet sie unterschiedliche Marken, u. a. auch eine solche mit der\nBezeichnung „…“.\n\n \n\n4\n\n \n\nZu dem Tarif „...“ existiert eine Preisliste mit Tarifbestimmungen (Anlage K\n1). In ihr wird als Paketpreis ein Betrag von 14,95 € pro Monat genannt. Der\nHinweis auf den Paketpreis ist versehen mit einer Fußnote. In dieser Fußnote\nheißt es:\n\n \n\n5\n\n \n\n„Wird in 3 aufeinander folgenden Monaten kein Anruf getätigt bzw. keine SMS\nversendet, wird dem Kunden eine Nichtnutzungsgebühr in Höhe von € 4,95\nmonatlich in Rechnung gestellt.“\n\n \n\n6\n\n \n\nIm Rahmen der Angebote unter der Marke „...“ verwendet die Beklagte ein\ngesondertes Bedingungswerk, wobei wegen der Einzelheiten auf die Anlage K 2\nverwiesen wird. Dort heißt es u. a.:\n\n \n\n7\n\n \n\n„Die zur Verfügung gestellte SIM-Karte bleibt im Eigentum der ... Für die SIM-\nKarte wird eine Pfandgebühr fällig. Die Höhe der Pfandgebühr richtet sich nach\nder jeweils bei Vertragsabschluss gültigen Service- und Preisliste. Sie wird\ndem Kunden nur dann mit der Endabrechnung in Rechnung gestellt, wenn er diese\nnicht innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsende an ... zurücksendet.“\n\n \n\n8\n\n \n\nFerner heißt es in der dazugehörigen Preisliste (Anlage K 3):\n\n \n\n9\n\n \n\n„SIM-Karten-Pfand je Karte 9,97 € \n(für den Verbleib der SIM-Karte beim Kunden)“\n\n \n\n10\n\n \n\nin Verbindung mit folgendem Fußnotentext:\n\n \n\n11\n\n \n\n„Die Pfandgebühr wird fällig, soweit Sie uns die zur Verfügung gestellte SIM-\nKarte nicht innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsende zurücksenden.“\n\n \n\n12\n\n \n\nMit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Unterlassung der Einbeziehung\nder vorstehend genannten Klauseln in Verträge über Mobilfunkleistungen mit\nVerbrauchern, ferner pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 200,00 € für\nvorgerichtliche Abmahntätigkeit.\n\n \n\n13\n\n \n\nAuf Antrag des Klägers ist am 4. August 2011 ein entsprechendes\nVersäumnisurteil ergangen. Gegen dieses am 10. August 2011 zugestellte\nVersäumnisurteil hat die Beklagte mit einem am 12. August 2011 bei Gericht\neingegangen Schriftsatz Einspruch eingelegt.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Kläger macht geltend, die beanstandeten Klauseln würden einer\nInhaltskontrolle nicht standhalten. Die Erhebung der Nichtnutzungsgebühr führe\ndazu, dass der Kunde einer zusätzlichen Zahlungspflicht nachkommen müsse,\nobwohl die Beklagte keine Gegenleistung erbringe. Dies störe in erheblicher\nWeise das Äquivalenzverhältnis. Die Erhebung der Pfandgebühr sei ebenfalls\nnicht zulässig, denn in Wirklichkeit handele es sich um pauschalierten\nSchadensersatz, was gegen die Vorschrift des § 309 Nr. 5 BGB verstoße.\n\n \n\n15\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n \n\n16\n\n \n\ndas Versäumnisurteil vom 4. August 2011 aufrechtzuerhalten.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n \n\n18\n\n \n\ndas Versäumnisurteil von 4. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Beklagte meint, die Klausel, die die Nichtnutzungsgebühr erhebe, sei schon\neiner Inhaltskontrolle nicht zugänglich, weil es sich um eine reine\nPreisabrede handele. Sie sei aber auch inhaltlich nicht zu beanstanden,\ninsbesondere führe sie nicht zu einer Äquivalenzverschiebung. Die weiteren\nKlauseln, die die Erhebung der Pfandgebühr betreffen würden, seien ebenfalls\neiner Inhaltskontrolle entzogen. Sie seien aber auch nicht unwirksam. Die\nKlauseln seien so zu verstehen, dass der Kunde ein Pfand leiste und nicht etwa\nSchadensersatz. Die Beklagte behauptet, dieses Pfand würde dem Kunden auch bei\nÜberschreitung der genannten Frist erstattet werden, sofern er die SIM-Karte\nzurücksenden sollte.\n\n \n\n20\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf\ndie zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug\ngenommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n \n\n21\n\n \n\nDer Einspruch ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden (§ 339\nAbs. 1 ZPO). Dies hat zur Folge, dass der Prozess in die Lage zurückversetzt\nwird, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO).\n\n \n\n22\n\n \n\nDie zulässige Klage ist begründet. Das Versäumnisurteil vom 4. August 2011 ist\ndaher aufrechtzuerhalten (§ 343 Satz 1 ZPO).\n\n \n\n23\n\n \n\nDem Kläger, der als Verbraucherverband gemäß §§ 3, 4 UKlaG klagebefugt ist,\nstehen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (§ 1\nUKlaG) zu.\n\n \n\n24\n\n \n\nNach dieser Vorschrift kann derjenige, der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen\n(AGB) Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs\n(BGB) unwirksam sind, verwendet, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.\nDiese Voraussetzungen sind hier erfüllt.\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n25\n\n \n\nDie Klausel, wonach im Falle der Nichtnutzung von Mobilfunkdiensten während\neines Zeitraumes von drei aufeinander folgenden Monaten eine\nNichtnutzungsgebühr in Höhe von 4,95 € monatlich anfällt, ist gemäß § 307 Abs.\n1 BGB unwirksam, weil sie die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von\nTreu und Glauben unangemessen benachteiligt.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie streitige Klausel ist einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 bis 309 BGB\nzugänglich. Zutreffend ist zwar, dass die Vertragsparteien Leistung und\nGegenleistung grundsätzlich frei bestimmen können. Daher sind Preisklauseln,\ndie die Höhe des Entgelts konkret festlegen, nicht kontrollfähig. In diesem\nBereich fehlen gesetzliche Regelungen, die bei Unwirksamkeit der AGB\nersatzweise herangezogen werden könnten. Außerhalb dieses engen Bereiches der\neigentlichen Preisabrede sind sämtliche Preisklauseln, die die Bemessung des\nEntgelts, die Veränderung oder Erhöhung des Preises, die Zahlungsbedingungen\nu. s. w. regeln, kontrollfähig. Derartige Vereinbarungen beeinflussen den\nfestgesetzten Preis mittelbar, weshalb nach dem Schutzzweck der AGB-Normen die\nAngemessenheitsprüfung erforderlich ist. Maßstab für die Inhaltskontrolle\nbildet das dispositive Recht, insbesondere das Äquivalenzprinzip und vor allem\nauch die nach Gegenstand und Zweck des Vertrages berechtigte Erwartung des\nVertragspartners über den Vertragsinhalt und die Vertragsgestaltung (vgl.\nErman/Roloff, BGB, 13. Aufl. 2011, § 307 Rn. 45).\n\n \n\n27\n\n \n\nGemessen an diesen Grundsätzen ist die fragliche Klausel von einer\nInhaltskontrolle nicht ausgenommen. Eine unmittelbar die Preisgestaltung\nbetreffende Regelung liegt nicht vor. Das wäre nur dann der Fall, wenn der zu\nentrichtenden Gebühr eine konkrete Leistung der Beklagten gegenüberstünde. Das\nist hier aber nicht zu erkennen. Der Kunde soll vielmehr für eine\n„Nichtleistung“, nämlich für die Nichtinanspruchnahme des Mobilfunknetzes ein\nEntgelt erbringen. So spricht auch die Klausel selbst von einer\n„Nichtnutzergebühr“. Zwar macht die Beklagte geltend, diese Gebühr sei ein\nBestandteil ihrer allgemeinen Preiskalkulation. Es gebe einen fixen und einen\nvariablen Teil der Kosten. Das Nichtnutzungsentgelt zähle zu den variablen\nKosten. Das ändert allerdings nichts daran, dass ein Leistungselement, das den\nPreisaufschlag rechtfertigen würde, hier nicht erkennbar ist. Es handelt sich\num eine Preiserhöhung, die in einer Fußnote versteckt ist.\n\n \n\n28\n\n \n\nDaraus folgt zugleich, dass die Klausel auch einer Inhaltskontrolle nicht\nstandhält. Sie legt dem Kunden der Beklagten ein zusätzliches Entgelt für den\nFall auf, dass er die Mobilfunkleistungen nicht in Anspruch nimmt. Damit wird\ndie Regel, dass grundsätzlich nur durch die Inanspruchnahme solcher Leistungen\neine Zahlungsverpflichtung entsteht, ins Gegenteil verkehrt. Die einzige\nLeistung der Beklagten besteht hier allenfalls in der Bereithaltung des\nAnschlusses. Die dafür anfallenden Kosten sind jedoch bereits mit dem\nmonatlichen Paketpreis in Höhe von 14,95 € abgegolten, ebenso etwaige\nAnschaffungskosten für das Telefon. Es wird also eine zusätzliche Zahlung für\neine Leistung verlangt, die die Beklagte ohnehin schon schuldet, was jedoch\nmit den berechtigten Erwartungen der Kunden keinesfalls in Einklang gebracht\nwerden kann. Denn das Bereithalten eines Anschlusses ist grundsätzlich auch\ndann ohne zusätzliche Gebühr zu leisten, wenn dieser über längere Zeit nicht\ngenutzt wird. Folglich verletzt die streitige Klausel das Äquivalenzprinzip\nund benachteiligt die betroffenen Kunden unangemessen, weil sie ein\nzusätzliches Entgelt entrichten müssen, aber hierfür nichts erhalten. Dieses\nzusätzliche Entgelt ist auch nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil der\nBeklagten infolge der Nichtinanspruchnahme ihrer Dienste ein Schaden\nentstünde. Sie räumt selbst ein, dass dies nicht der Fall sei. Vielmehr trägt\nsie vor, Zweck der Regelung sei es, den aktiven Nutzer zu belohnen. Dieses als\nRechtfertigung für die Existenz der Klausel vorgebrachte Argument erschließt\nsich aber nicht. Die Begründung ist schon vom Ansatz her falsch, weil die\nKlausel keine Belohnung für ein aktives, sondern eine Bestrafung für ein\npassives Verhalten enthält. Eine Belohnung für aktives Verhalten wäre\nallenfalls dann gegeben, wenn die Beklagte im Falle der tatsächlichen Nutzung\neinen Nachlass gewähren würde. Das ist hier aber gerade nicht der Fall. Im\nÜbrigen erschließt es sich der Kammer auch nicht, weshalb in den Augen der\nBeklagten ein Kunde, der innerhalb einer Zeitspanne von drei Monaten nur eine\nSMS schreibt oder nur einen Anruf tätigt, ein „aktiver“ Nutzer sein soll. Die\nBeklagte hat allenfalls Interesse an solchen Kunden, die den Vertrag über die\nvereinbarten Inklusivleistungen hinaus nutzen, weil dann weitere Kosten\nanfallen.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n29\n\n \n\nAuch die weiteren Klauseln, die für den Fall des Verbleibs der SIM-Karte beim\nKunden eine „Pfandgebühr“ in Höhe von 9,97 € je Karte vorsehen, sind unwirksam\n(B. 2. und B. 3. im Tenor des Versäumnisurteils). Sie sind einer\nInhaltskontrolle zugänglich, weil sie mit der unmittelbaren Preisgestaltung\nnichts zu tun haben. Sie regeln entweder einen Anspruch auf Pfand- bzw.\nSchadensersatzzahlung und betreffen daher allenfalls mittelbar das Verhältnis\nvon Leistung und Gegenleistung.\n\n \n\n30\n\n \n\nDie Klauseln verstoßen gegen § 309 Nr. 5 BGB, weil sie eine unzulässige\nPauschalierung eines Schadensersatzanspruchs beinhalten. Maßgeblich ist im\nVerbandsprozess bekanntlich die kundenfeindlichste Auslegung einer AGB-\nKlausel, da dies zu einem erhöhten Schutz des Vertragspartners führt (vgl.\nBeck´scher Online-Kommentar/Schmidt, BGB, Stand: 1. März 2011, § 305 c Rn.\n56). Wendet man diese Kriterien auf den vorliegenden Fall an, so ergibt die\nkundenfeindlichste Auslegung, dass der Kunde bei nicht rechtzeitiger Rückgabe\nder SIM-Karte einen pauschalierten Schadensersatz schuldet. Für eine\nPfandzahlung wäre nämlich charakteristisch, wenn das Pfand zu Beginn des\nVertragsverhältnisses erhoben werden würde. Das ist hier aber nicht der Fall,\nweil der Zahlungsanspruch erst mit der Endabrechnung berechnet wird, sofern\nder Kunde die SIM-Karte nicht binnen einer Frist von 14 Tagen nach\nVertragsende zurücksendet. Einen Hinweis darauf, dass der Kunde die\n„Pfandgebühr“ zurückerstattet erhält, falls er seiner Verpflichtung zur\nRücksendung der SIM-Karte zu einem späteren Zeitpunkt nachkommen sollte,\nenthalten die Klauseln ebenfalls nicht. Auch dies spricht gegen die Annahme\neiner „bloßen“ Pfandzahlung, selbst wenn dies in der Praxis von der Beklagten\nanders gehandhabt werden sollte.\n\n \n\n31\n\n \n\nOb die fraglichen Klauseln gegen § 309 Nr. 5 a) BGB verstoßen, kann\ndahinstehen. Dafür mag zwar sprechen, dass die SIM-Karte nach Beendigung des\nVertragsverhältnisses in aller Regel völlig wertlos ist, so dass ein Betrag\nvon 9,97 € den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden\nerheblich übersteigen dürfte. Auch die Gefahr einer missbräuchlichen\nVerwendung der SIM-Karte dürfte es nicht rechtfertigen, den Kunden nach\nVertragsende mit solchen Kosten zu belasten. Denn die Gefahr einer\nmissbräuchlichen Verwendung besteht erst recht während des laufenden\nVertrages, sofern die SIM-Karte in die falschen Hände fällt. Das alles bedarf\njedoch keiner Entscheidung, weil die Klauseln in jedem Fall gegen § 309 Nr. 5\nb) BGB verstoßen, da dem Kunden nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet\nwird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als\ndie geforderte Pauschale.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n32\n\n \n\nDer Anspruch auf Zahlung der mit der Klage geltend gemachten Kostenpauschale\nist nach alledem ebenfalls gerechtfertigt. Die Pauschale ist auch der Höhe\nnach nicht zu beanstanden. Im Wettbewerbsrecht werden Verbänden, die\nWettbewerbsverstöße abmahnen, ähnliche Beträge zuerkannt (vgl.\nKöhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 12 Rn. 1.98). Die Verzinsung folgt aus\n§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.\n\n \n\n \n\n**IV.**\n\n33\n\n \n\nDie Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 ZPO.\n\n \n\n34\n\n \n\nDie Kostenentscheidung findet ihre rechtliche Grundlage in § 91 ZPO.\n\n \n\n35\n\n \n\nDer Ausspruch zur vorläufigen Vollsteckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711\nZPO.\n\n \n\n
99,775
lsgsh-2011-09-29-l-1-r-12011-b-er
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 1 R 120/11 B ER
2011-09-29
2018-11-21 19:30:21
2019-02-14 04:33:39
Beschluss
ECLI:DE:LSGSH:2011:0929.L1R120.11BER.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts\nLübeck vom 30. Mai 2011 abgeändert.\n\n \n\nDer Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der\nKlage vom 5. Mai 2011 wird auch hinsichtlich der Säumniszuschläge abgelehnt.\n\n \n\nDie Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 30. Mai\n2011 wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Antragstellerin trägt die Kosten für beide Instanzen.\n\n \n\nDer Streitwert für beide Instanzen wird auf je 482.713,00 EUR festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um die aufschiebende Wirkung der Klage der\nAntragstellerin gegen eine Beitragsforderung der Antragsgegnerin und darauf\nentfallender Säumniszuschläge.\n\n2\n\n \n\nDie Antragstellerin ist aus einer Fusion der I... Mecklenburg-Vorpommern und\nder I... Schleswig-Holstein zum 1. Januar 2006 hervorgegangen. Ihre\nRechtsvorgängerin hatte vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2004 für die bei\nihr krankenversicherten Bezieher von Arbeitslosenhilfe (Alhi), die\narbeitsunfähig geworden waren und Krankengeld in Höhe des Betrages der zuvor\nbezogenen Alhi erhalten hatten, Beiträge zur Rentenversicherung an die\nAntragsgegnerin entrichtet. Für die Berechnung der Beiträge hatte sie als\nbeitragspflichtige Einnahmen jeweils den Betrag des in Höhe der zuvor\nbezogenen Alhi gezahlten Krankengeldes zugrunde gelegt. Sie unterstellte dabei\nfür diesen Personenkreis eine seit dem 1. Januar 2000 bestehende gesetzliche\nRegelungslücke, die nach ihrer Auffassung in entsprechender Anwendung des §\n166 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung des\nHaushaltssanierungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I, S. 2534) durch\neine Beitragsbemessung auf der Grundlage der tatsächlichen Höhe des im\nAnschluss an den Bezug von Alhi gezahlten Krankengeldes zu beseitigen sei.\n\n3\n\n \n\nIm Mai 2001 erhielt die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin Kenntnis davon,\ndass die Antragsgegnerin hiermit nicht einverstanden war und die Auffassung\nvertrat, dass auch für Bezieher von Krankengeld, die vorher Alhi bezogen\nhatten, die Beiträge nach § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI aus 80 v. H. des der\nKrankengeldzahlung zugrundeliegenden Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens zu\nberechnen seien. Da eine Änderung der Beitragsberechnungsvorschrift für\nBeiträge aus dem Krankengeld vom Gesetzgeber nicht erfolgt sei, habe diese\nVorschrift auch weiterhin Geltung. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. deren\nRechtsvorgängerin (BA) teilte diese Auffassung für die Höhe der Beiträge zur\nArbeitslosenversicherung.\n\n4\n\n \n\nAls Ergebnisniederschrift über die Besprechung der Beitragsreferenten der\nMitglieder des I...-Bundesverbandes wurde im Mai 2001 Folgendes festgehalten:\n\n5\n\n \n\n„Mit dem Gesetz zur Sanierung des Bundeshaushalts ... ist die\nBemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung und\nzur Rentenversicherung für versicherungspflichtige Alhi-Bezieher abgesenkt\nworden. ... Die Absenkung der Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur\nKranken-, Pflege- und Rentenversicherung hat auch Auswirkungen für die\nBeitragsberechnung bei Bezug von Entgeltersatzleistungen, die in Höhe des\nBetrages der Alhi zu zahlen sind. Obwohl eine entsprechende Änderung der\ndiesbezüglichen Berechnungsvorschriften (§ 235 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes\nBuch, § 57 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI bzw.\n§ 145 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch) nicht vorgenommen wurde, sind die\nSpitzenverbände der Krankenkasse der Auffassung, dass auch die\nBemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge aus\nEntgeltersatzleistungen entsprechend abzusenken ist. Die\nRentenversicherungsträger sowie die Bundesanstalt für Arbeit vertreten die\nAuffassung, dass eine Absenkung der Bemessungsgrundlag nicht möglich ist, weil\ndie entsprechenden Rechtsvorschriften nicht geändert wurden.\n\n6\n\n \n\nDie Spitzenverbände der Krankenkassen hatten deshalb bereits im Januar 2000\ndas Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als auch das Bundesministerium für\nArbeit und Sozialordnung (BMA) auf die unklare Rechtslage hingewiesen und\ngebeten, bei sich nächstbietender Gelegenheit eine gesetzliche Klarstellung\nvorzunehmen.“\n\n7\n\n \n\nAm 3. August 2001 teilte der I...-Bundesverband der Rechtsvorgängerin der\nAntragstellerin mit, dass das BMA nicht der Auffassung der Krankenkassen,\nsondern des Verbandes der Rentenversicherungsträger (VDR) und der BA folge. In\ndem Schreiben heißt es u.a.:\n\n8\n\n \n\n„Vor dem Hintergrund, dass bereits die Krankenkassen im Vorgriff auf eine\netwaige Gesetzesänderung entsprechend der Empfehlung der Spitzenverbände der\nKrankenkassen verfahren, jedoch ein Einvernehmen der beiden zuständigen\nMinisterien nicht erkennbar ist, bittet der Verband Deutscher\nRentenversicherungsträger nunmehr darum, die Krankenkassen darauf hinzuweisen,\ndass die entgegen der geltenden Rechtslage erledigten Fälle listenmäßig\nfestgehalten werden, damit die Beitragsberechnung korrigiert werden kann,\nsofern eine Gesetzesänderung mittelfristig nicht umgesetzt wird.\n\n9\n\n \n\nIm Übrigen schlagen wir vor, in der nächsten Besprechung der\nBeitragsreferenten der Mitglieder des I...-Bundesverbandes die Frage zu\nerörtern, ob das I...-System vor dem Hintergrund des – zumindest zum jetzigen\nZeitpunkt – nicht zu erwartenden Einvernehmens der beteiligten Ministerien an\nder bisherigen Empfehlung der Spitzenverbände der Krankenkassen festhalten\nsollte, der Beitragsberechnung in den einschlägigen Fällen lediglich die\ngezahlte Arbeitslosenhilfe zugrunde zu legen.“\n\n10\n\n \n\nAm 14. November 2001 einigten sich die Mitglieder des I...-Bundesverbandes auf\nfolgendes Besprechungsergebnis:\n\n11\n\n \n\n„Die Besprechungsteilnehmer erörtern nochmals die Sach- und Rechtslage unter\nBerücksichtigung der Auffassung des BMA. Die Vertreter der Mitglieder des\nI...-Bundesverbandes halten dabei dennoch an ihrer Auffassung fest, dass bei\nder Beitragsberechnung bei Bezug von Entgeltersatzleistungen, die in Höhe der\nArbeitslosenhilfe gezahlt werden, als Beitragsberechnungsgrundlage auch\nweiterhin lediglich die gezahlte Arbeitslosenhilfe zugrunde gelegt werden\nsollte. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BMA sehen die\nVertreter der Mitglieder des I...-Bundesverbandes keine Notwendigkeit, die\nbisherige Verfahrensweise umzustellen.\n\n12\n\n \n\nDer I...-Bundesverband weist in diesem Zusammenhang abschließend darauf hin,\ndass die einschlägigen Sachverhalte nach der Forderung des Verbandes Deutscher\nRentenversicherungsträger in geeigneter Weise festgehalten werden sollten,\ndamit die Beitragsberechnung ggf. korrigiert werden kann, sofern eine\nGesetzesänderung mittelfristig nicht vorgenommen wird.“\n\n13\n\n \n\nIm Sommer 2002 und 2004 erhielt die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin über\nihren länderübergreifenden Landesverband Nord das Protokoll der Besprechung\nder Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA über Fragen des\ngemeinsamen Beitragseinzugs vom 26. und 27. Juni 2002 und 26. und 27. Mai\n2004.\n\n14\n\n \n\nIn dem Protokoll von 2002 heißt es u.a.:\n\n15\n\n \n\n„Da eine einvernehmliche Lösung nicht zu erreichen ist, soll die strittige\nRechtsfrage im sozialgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Über die\nDurchführung entsprechender Musterstreitverfahren werden sich die Vertreter\nder Kranken- und Rentenversicherung zu gegebener Zeit noch verständigen. Im\nÜbrigen sagen die Vertreter der Krankenversicherung zu, ihren Mitgliedern zu\nempfehlen, die einschlägigen Fälle gesondert festzuhalten. Des Weiteren werden\ndie Vertreter der Krankenversicherung den Krankenkassen für den Fall, dass das\nBundessozialgericht im Sinne der Auffassung der Rentenversicherung\nentscheidet, empfehlen, die gegebenenfalls zu wenig gezahlten\nRentenversicherungsbeiträge von Amts wegen nachzuzahlen.“\n\n16\n\n \n\nIm Protokoll von 2004 vereinbarten die Vertreter der Kranken- und\nRentenversicherung Folgendes:\n\n17\n\n \n\n„Die Vertreter der Kranken- und Rentenversicherung kommen überein, die vor dem\nSG Gotha ... und vor dem SG Hannover ... anhängigen Verfahren als\nMusterstreitverfahren zu führen. Im Übrigen sagen die Vertreter der\nKrankenversicherung zu, ihren Mitgliedern zu empfehlen, im Falle des Obsiegens\nder Rentenversicherungsträger die gegebenenfalls zu wenig gezahlten\nRentenversicherungsbeiträge von Amts wegen nachzuzahlen und die Einrede der\nVerjährung nicht zu erheben. Dabei bringen die Besprechungsteilnehmer die\ngesonderte Erfassung der einschlägigen Fälle durch die Krankenkassen nochmals\nin Erinnerung.“\n\n18\n\n \n\nMit Schriftsatz vom 8. Mai 2006 wiederholte die Antragsgegnerin gegenüber der\nAntragstellerin das Besprechungsergebnis aus der Sitzung vom 26. und 27. Mai\n2004 und teilte der Antragstellerin mit, dass sie bereits jetzt den Anspruch\nauf Säumniszuschlagsforderung gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB\nIV) dem Grunde nach erhebe. Sie bat bis zur gerichtlichen Entscheidung alle\neinschlägigen Fälle gesondert zu erfassen.\n\n19\n\n \n\nIn ihrem Antwortschreiben vom 11. Juli 2006 erklärte die Antragstellerin, dass\neine Liste derzeit erstellt werde. Sie beinhalte sämtliche\nKrankengeldzahlungen, bei denen die Beitragsbemessungsgrundlage zur\nRentenversicherung mit dem Zahlbetrag der Alhi identisch sei.\n\n20\n\n \n\nAm 21. Januar 2009 entschied das Bundessozialgericht (BSG) für die Bemessung\nder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (B 12 AL 2/07 R) und mit Urteilen\nvom 27. Januar 2010 für die Bemessung der Beiträge zur Rentenversicherung (B\n12 R 2/09 R und B 12 R 7/09 R), dass sich für Empfänger von Alhi, denen bei\nArbeitsunfähigkeit Krankengeld in Höhe des Betrages der zuvor bezogenen Alhi\ngezahlt worden sei, die Bemessung der Beiträge zur Arbeitslosen- und\nRentenversicherung auch nach dem 1. Januar 2000 weiterhin nach 80 v. H. des\nder Leistung zugrundeliegenden Arbeitsentgelts bestimme.\n\n21\n\n \n\nHierüber informierte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung\ndie Antragstellerin durch die Übermittlung eines Protokolls einer Besprechung\nder Spitzenverbände der Krankenversicherung, des VDR und der BA vom 13. und\n14. April 2010. In dem Protokoll heißt es u.a.:\n\n22\n\n \n\n„Die umstrittene Rechtsfrage ist mit den vorliegenden höchstrichterlichen\nEntscheidungen als geklärt anzusehen.\n\n23\n\n \n\nDie betreffenden Fälle sind nunmehr von den Krankenkassen aufzugreifen und\nhinsichtlich der Beiträge, die nicht auf der Grundlage in Höhe von 80 v. H.\ndes der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts bemessen wurden, neu zu\nberechnen; zuwenig gezahlte Beiträge sind unter Verzicht auf die Einrede der\nVerjährung nachzuzahlen. ...\n\n24\n\n \n\nÜber die Zahlung von Säumniszuschlägen oder eines Nachteilsausgleichs soll\nEinvernehmen erzielt werden. Dies schließt die Beantwortung der Frage ein, ob\ndiese bzw. dieser entsprechend § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV ganz oder\nteilweise erlassen werden können bzw. kann. Sobald die Beträge gezahlt sind,\nwird hierüber im Einzelfall eine gesonderte Übereinkunft angestrebt.“\n\n25\n\n \n\nMit Schriftsatz vom 28. Februar 2011 hörte die Antragsgegnerin die\nAntragstellerin zu einer Nachforderung von Rentenversicherungsbeiträgen für\ndie bei der Antragstellerin im Zeitraum 2000 bis 2004 krankenversicherten und\narbeitsunfähig gewordenen Bezieher von Alhi in Höhe von 731.417,25 EUR\nzuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 713.723,00 EUR an.\n\n26\n\n \n\nMit Schriftsätzen vom 4. März und 15. März 2011 erhob die Antragstellerin\ndaraufhin die Einrede der Verjährung.\n\n27\n\n \n\nMit Bescheid vom 7. April 2011 forderte die Antragsgegnerin die\nAntragstellerin zur Zahlung von insgesamt 1.448.140,25 EUR\n(Rentenversicherungsbeitrag wie oben zuzüglich Säumniszuschlag in Höhe von\n716.723,00 EUR) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG auf.\n\n28\n\n \n\nMit ihrer dagegen am 5. Mai 2011 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Klage\nhat die Antragstellerin zugleich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes\ndie Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage unter Hinweis auf die\neingetretene Verjährung der Forderung begehrt. Hilfsweise hat sie geltend\ngemacht, dass die Antragsgegnerin ihr die Beitragsforderungen gestundet habe,\nso dass zumindest die Erhebung von Säumniszuschlägen rechtswidrig sei.\n\n29\n\n \n\nDas Sozialgericht hat mit Beschluss vom 30. Mai 2011 dem Antrag teilweise\nstattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5\\. Mai 2011\nhinsichtlich der mit Bescheid vom 7. April 2011 geltend gemachten Forderung\nvon Säumniszuschlägen in Höhe von 716.723,00 EUR angeordnet. Im Übrigen hat es\nden Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass derzeit\nernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschläge\nvorlägen, da nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne,\ndass es eine die Beteiligten bindende Vereinbarung gebe, nach der die\nVerpflichtung zur Zahlung der Säumniszuschläge zumindest vorübergehend\nausgesetzt sei. Hierfür maßgebend sei das Besprechungsprotokoll vom 13. und\n14. April 2010, in dem eine gesonderte Übereinkunft vereinbart worden sei. An\nder Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung bestünden im Übrigen keine\nernsthaften Zweifel, weil diese Beiträge bei Erlass des Bescheides vom 7.\nApril 2011 auf jeden Fall fällig gewesen und noch nicht verjährt seien. Denn\nes gelte die lange Verjährungsfrist von 30 Jahren, weil die Antragstellerin\ndie Beiträge vorsätzlich vorenthalten habe. Sie habe ihre Beitragspflicht für\nmöglich gehalten und damit die Nichtabführung von Beiträgen billigend in Kauf\ngenommen. Davon, dass ein Sozialversicherungsträger hinsichtlich bestimmter\nBeiträge seine Beitragspflicht für möglich hält, sei sicher dann auszugehen,\nwenn ihm bekannt sei, dass bei wörtlicher Auslegung des Gesetzes diese\nBeitragspflicht bestehe und dass die Auffassung, diese Beitragspflicht würde\ngleichwohl nicht bestehen, höchst umstritten sei. Die Antragstellerin bzw.\nihre Rechtsvorgängerin, deren Wissen ihr zuzurechnen sei, habe es spätestens\nnach Zugang der Ergebnisniederschrift über die Besprechung der\nBeitragsreferenten der Mitglieder des I...-Bundesverbandes im Mai 2001\nzumindest für möglich halten müssen, dass sie die Rentenversicherungsbeiträge\nvon Versicherten nach dem zugrundeliegenden Arbeitsentgelt zu bemessen habe.\nDa der Vorsatz der Antragstellerin damit auch spätestens zu einem Zeitpunkt\nbegründet worden sei, in dem auch für den Beitrag, der am frühesten fällig\ngeworden sei, noch die kurze Verjährungsfrist von vier Jahren bestanden habe,\nsei folglich die lange Verjährungsfrist ausnahmslos auch für jeden der hier\ngeltend gemachten Rentenversicherungsbeiträge begründet worden.\n\n30\n\n \n\nGegen diesen den Beteiligten am 1. Juni 2011 zugestellten Beschluss richtet\nsich die am 30. Juni 2011 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht\n(LSG) eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin und die am 16. August 2011\nerhobene Anschlussbeschwerde der Antragstellerin.\n\n31\n\n \n\nDie Antragsgegnerin macht geltend, dass die Aussetzung der\nZahlungsverpflichtung im Hinblick auf die Säumniszuschläge nicht überzeuge.\nDie Zahlung der Säumniszuschläge habe nach dem Besprechungsergebnis vom 13.\nund 14. April 2010 im jeweiligen Einzelfall geklärt werden sollen. Letztlich\nhätten die Besprechungsteilnehmer mit der getroffenen Formulierung zum\nAusdruck bringen wollen, dass sich die jeweiligen Versicherungsträger über die\nErhebung von Säumniszuschlägen verständigen sollten. Die im\nBesprechungsergebnis enthaltene Aussage sei somit als Appell der\nSpitzenorganisationen an ihre Versicherungsträger zu verstehen,\neinvernehmliche Lösungen zu finden, wobei die genaue Ausgestaltung der\nVereinbarungen zwischen den Beteiligten dem jeweiligen Einzelfall vorbehalten\nbleiben sollte. Damit werde aber auch deutlich, dass aus diesem\nBesprechungsergebnis unmittelbar keine Aussetzung der Forderung von\nSäumniszuschlägen entnommen werden könne. Eine solche Rechtsfolge sei nach dem\neindeutigen Wortlaut des Besprechungsergebnisses nur durch eine Vereinbarung\nzwischen den Rentenversicherungsträgern und den jeweils betroffenen\nKrankenkassen herbeizuführen. Im vorliegenden Fall fehle es aber gerade an\neiner solchen Vereinbarung.\n\n32\n\n \n\nDie Antragsgegnerin beantragt,\n\n33\n\n \n\nden Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30. Mai 2011 aufzuheben, soweit\nder Klage der Antragstellerin hinsichtlich der mit Bescheid vom 7. April 2011\ngeltend gemachten Forderung von Säumniszuschlägen in Höhe von 716.723,00 EUR\naufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei und insoweit auch den Antrag auf\nAnordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.\n\n34\n\n \n\nDie Antragstellerin beantragt,\n\n35\n\n \n\nden Antrag zurückzuweisen und den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30.\nMai 2011 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid\nder Antragsgegnerin vom 7. April 2011 auch hinsichtlich der Beitragsforderung\nin Höhe von 731.417,25 EUR anzuordnen.\n\n36\n\n \n\nSie macht geltend, dass sie die Beiträge nicht wissentlich der Antragsgegnerin\nvorenthalten habe. Sie habe die Zahlung der Beiträge wegen des aus ihrer Sicht\nvereinbarten Fälligkeitsaufschubs der streitigen Beitragsnachforderung\nunterlassen. Bis zur Kenntnis des BSG-Urteils vom 27. Januar 2010 und mithin\nüber die kurzen vierjährigen Verjährungsfristen hinaus sei sie gutgläubig\ngewesen, dass die streitigen Beitragsnachforderungen gestundet worden seien.\nDie erst nach Ablauf der kurzen Verjährungsfristen am 31. Dezember 2009\neingetretenen Zweifel an der den Vorsatz ausschließenden Stundung bewirkten\naber nicht mehr den Eintritt der 30-jährigen Verjährungsfrist. Eine\nBösgläubigkeit ihrerseits sei erst mit der Kenntnisnahme des\nBesprechungsprotokolls vom 13. und 14. April 2010 eingetreten. Dass nach\ndiesem Protokoll weiter über die Zahlung von Säumniszuschlägen und deren\nNiederschlagung oder eines Nachteilsausgleichs Einvernehmen habe erzielt\nwerden sollen, habe ihre bisherige Überzeugung von seit langem vereinbarten\nzinslosen Fälligkeitsaufschüben der nun festgestellten Beitragsnachforderungen\nund der daraus resultierenden Hemmung der Verjährung in Frage gestellt. Als\ndie Antragsgegnerin ihr gegenüber im November 2010 selbst auf die\nBeitragsnachforderungen Säumniszuschläge erhoben habe, sei eindeutig gewesen,\ndass sie die Stundungsabreden für hinfällig gehalten habe. Folge man der\nAuffassung des Sozialgerichtes und der Antragsgegnerin, wonach die offenen\nBeitragsforderungen jeweils in der Zeit von Februar 2000 bis Januar 2005 zur\nZahlung fällig gewesen sein sollen und wegen Ausbleibens die darauf\nberechneten Säumniszuschläge, dann verjährten die Beitragsnachforderungen\nungehemmt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden\nseien, also zuletzt am 31. Dezember 2009, und mit ihnen die Säumniszuschläge.\nSie habe die fälligen Beiträge und Säumniszuschläge innerhalb dieser Zeit\nnicht billigend vorenthalten, da sie aufgrund der Mitteilungen des\nI...-Bundesverbandes zum vereinbarten Fälligkeitsaufschub hierfür einen\nRechtfertigungsgrund gehabt habe. Dank dieses Rechtfertigungsgrundes entfalle\naber ihr Vorsatz. Sie habe auch die Einrede der Verjährung im Jahre 2010\nerheben dürfen, weil die Antragsgegnerin mit ihrer Säumniszuschlagsforderung\ngegen die Stundungsabrede verstoßen habe.\n\n37\n\n \n\nDarüber hinaus sei der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck, der die\naufschiebende Wirkung der Klage gegen die Säumniszuschlagsforderung anordne,\nim Ergebnis richtig. Zu berücksichtigen sei aber auch hier die vereinbarte\nStundung der Beiträge. Da gemäß § 24 Abs. 1 SGB IV Säumniszuschläge nur auf\nBeiträge zu berechnen seien, die nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstermins\ngezahlt würden, seien Säumniszuschläge für Beitragsforderungen aus der Zeit\nvon Februar 2000 bis Januar 2005 mindestens bis 14./15. April 2010 mangels\nFälligkeit nicht zu berechnen.\n\n38\n\n \n\nDie den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten der Antragstellerin sowie\ndie Gerichtsakten haben dem Senat vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten\nwird auf ihren Inhalt Bezug genommen.\n\n \n\nII.\n\n39\n\n \n\nDie zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde der\nAntragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30\\. Mai\n2011 ist begründet, die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist dagegen\nunbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag auf Anordnung der\naufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid vom 7. April 2011\nhinsichtlich der Beitragsforderung abgelehnt. Die Voraussetzungen für die\nbegehrte einstweilige Anordnung liegen aber auch hinsichtlich der erhobenen\nSäumniszuschläge nicht vor. Insoweit war der Beschluss des Sozialgerichts\nabzuändern.\n\n40\n\n \n\nGemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der\nHauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder\nAnfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung\nganz oder teilweise anordnen. Die Klage der Antragstellerin vom 5. Mai 2011\nhat keine aufschiebende Wirkung, weil diese bei der Entscheidung über\nVersicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von\nBeiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der\ndarauf entfallenden Nebenkosten gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt.\n\n41\n\n \n\nIm Rahmen der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden gerichtlichen\nEntscheidung ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz von der Regel ausgeht,\ndass bei der Entscheidung über Beitragspflichten keine aufschiebende Wirkung\nvon Widerspruch und Klage besteht. Nur ausnahmsweise kann nach dem\nRechtsgedanken der insoweit entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 86a\nAbs. 3 Satz 2 SGG (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ \nLeitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn. 12 m.w.N.) die aufschiebende Wirkung\nanzuordnen sein, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des\nangegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung eine\nunbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur\nFolge hätte.\n\n42\n\n \n\nBeides ist hier nicht der Fall. Bei der gebotenen lediglich summarischen\nPrüfung bestehen weder ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen\nBescheides vom 7. April 2011 noch hätte die Vollziehung für die\nAntragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche\nInteressen gebotene Härte zur Folge.\n\n43\n\n \n\nErnsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung bestehen\nnur, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg\ndes Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein\nMisserfolg. Das entspricht der gesetzlichen Wertung des § 86a Abs. 2 SGG, nur\nim Ausnahmefall davon abzusehen, Beiträge sofort entrichten zu lassen. Die\nRegelung verfolgt den Zweck, die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zu\nsichern, denen die Beiträge zu dienen bestimmt sind. Im Zweifel sind Beiträge\nzunächst zu erbringen. Das Risiko, im Ergebnis zu Unrecht in Vorleistung\ntreten zu müssen, trifft nach dieser Wertung den Zahlungspflichtigen (vgl. mit\numfangreichen weiteren Nachweisen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.\nApril 2006 – L 16 B 9/06 KR ER -, zitiert nach juris).\n\n44\n\n \n\nBei summarischer Prüfung ist ein Erfolg der Klage der Antragstellerin nicht\nwahrscheinlicher als ein Misserfolg. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:\n\n45\n\n \n\nDie Antragsgegnerin war nach §§ 212, 212a SGB VI für die Prüfung der\nBeitragszahlungen der Antragstellerin für die nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI als\nsonstige Versicherte bei der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin gesetzlich\nRentenversicherten zuständig und in Verbindung mit den für die Einzugsstellen\ngeltenden Vorschriften befugt, die festgestellte und zwischen den Beteiligten\nunstreitige Beitragsdifferenz durch Verwaltungsakt gegenüber der\nAntragstellerin geltend zu machen. Die Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen\nRentenversicherung für Personen, die als Bezieher von Krankengeld in den\nJahren 2000 bis 2004 versicherungspflichtig waren, richtete sich in diesem\nZeitraum nach § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI in der Fassung durch Art. 4 Nr. 20 des\nGesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.\nMärz 1999 (BGBl. I, S. 388). Danach galten als beitragspflichtige Einnahmen 80\nv. H. des dem Krankengeld zugrundeliegenden Arbeitsentgelts oder\nArbeitseinkommens. Tatsächlich hatte die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin\nfür diesen bei ihr versicherten Personenkreis nur beitragspflichtige Einnahmen\nin Höhe des Krankengeldes, das der zuvor bezogenen Alhi entsprach, gezahlt.\nDass diese Praxis rechtswidrig war, ist seit den Entscheidungen des BSG vom\n27. Januar 2010 zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Der Senat geht\nnach den vorliegenden Unterlagen auch davon aus, dass hinsichtlich des\nAnspruchszeitraums und der Anspruchshöhe die Beitragsforderungen von der\nAntragsgegnerin richtig berechnet worden ist. Einwände hiergegen hat die\nAntragstellerin auch nicht erhoben.\n\n46\n\n \n\nStreitig sind zwischen den Beteiligten der Zeitpunkt der Fälligkeit der\neinzelnen Beitragsforderungen einschließlich der darauf entfallenden\nSäumniszuschläge und in diesem Zusammenhang die Frage, ob die\nBeitragsforderungen verjährt sind. Die von der Antragstellerin insoweit gegen\nden Beitragsbescheid erhobene Einrede der Verjährung, mit der sie sich unter\nHinweis auf ihren guten Glauben an eine Stundungsabrede auf eine kurze –\nvierjährige - Verjährungsfrist beruft, begegnet aber Bedenken; die\nAusführungen der Antragstellerin zum Zahlungsaufschub und die Erhebung dieser\nEinrede sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Durchsetzbarkeit der\nBeitragsforderungen einschließlich der geltend gemachten Säumniszuschläge\nbegründen.\n\n47\n\n \n\nNach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren\nnach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die auf den\nZeitraum von 2000 bis 2004 entfallenden Beiträge waren nach § 23 Abs. 2 SGB IV\nin der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung vom 25. September 1996\n(BGBl. I, S. 1461), der die Fälligkeit der Beiträge für eine Sozialleistung im\nSinne des § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (Bezieher von Arbeitslosengeld und Alhi)\nregelte, am achten des auf die Zahlung der Sozialleistung folgenden Monats\nfällig. Damit traten die Fälligkeit der ersten Beitragsforderung im Februar\n2000 und die Fälligkeit der letzten Beitragsforderung im Januar 2005 ein. In\nAnwendung der kurzen Verjährungsfrist wären die mit Bescheid vom 7. April 2010\ngeltend gemachten Beiträge für die Jahre 2000 bis 2004 spätestens Ende 2009\nverjährt.\n\n48\n\n \n\nDer Erhebung der Verjährungseinrede steht aber die 30-jährige Verjährungsfrist\ndes § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entgegen. Im vorliegenden Sachverhalt spricht\nmehr für als dagegen, dass diese Verjährungsfrist und nicht die kurze\nvierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV gilt. Die\n30-jährige Verjährungsfrist ist aber noch nicht abgelaufen.\n\n49\n\n \n\nNach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verjähren Ansprüche auf vorsätzlich\nvorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie\nfällig geworden sind. Da für Vorsatz im Sinne dieser Vorschrift bedingter\nVorsatz ausreicht, kommt es darauf an, ob die Antragstellerin bzw. ihre\nRechtsvorgängerin, deren Wissen sich die Antragstellerin zurechnen lassen\nmuss, die Beitragspflicht zumindest für möglich gehalten (Wissenselement), die\nNichtabführung der Beiträge aber gleichwohl billigend in Kauf genommen hat\n(Willenselement; vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 12 KR 14/99 R - SozR\n3-2400 § 25 Nr. 7; BSG, Urteil vom 17. April 2008 - B 13 R 123/07 R -; LSG\nNordrhein-Westfalen, Urteil vom 28\\. April 2010 – L 8 R 140/09 -, jeweils\nzitiert nach juris).\n\n50\n\n \n\nEs steht außer Streit, dass die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin Beiträge\nentgegen der damals geltenden Rechtslage auf falscher Bemessungsgrundlage\nentrichtet und im Vorgriff auf eine etwaige Gesetzesänderung verfahren war.\nDiese Kenntnisse reichen für den hier notwendigen bedingten Vorsatz aus.\n\n51\n\n \n\nDer Einwand der Antragstellerin, die Beiträge wegen eines gutgläubig\nangenommenen Zahlungsaufschubs (Stundungsabrede) bis zur Kenntnis der Urteile\ndes BSG vom 27. Januar 2010 nicht der Antragsgegnerin vorenthalten, sondern\nvermeintlich berechtigterweise nicht gezahlt zu haben, vermag an diesem\nErgebnis nichts zu ändern. Denn die Antragstellerin hat nicht deutlich\ngemacht, worauf sie als einzelne Krankenkasse, die ihre Informationen von den\nSpitzenverbänden der Krankenkassen erhalten hat, eine Stundungsabrede stützen\nwill, die die Spitzenverbände der Krankenkassen ihrerseits nicht angenommen\nhaben.\n\n52\n\n \n\nNach § 76 Abs. 1 SGB IV hat der Versicherungsträger die Einnahmen rechtzeitig\nund vollständig zu erheben. Er darf Ansprüche nur stunden, wenn die sofortige\nEinziehung mit erheblichen Härten für die Antragsgegner verbunden wäre und der\nAnspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV).\nDie Stundung soll dabei gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur\ngegen Sicherheitsleistung gewährt werden (Abs. 2 Nr. 2 Satz 2).\n\n53\n\n \n\nDie Gesamtumstände und die vorliegenden von der Antragstellerin eingereichten\nProtokolle der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA über\nFragen des gemeinsamen Beitragseinzugs bieten keinen Ansatz dafür, dass die an\nden Gesprächen Beteiligten, die Spitzenverbände der Krankenkassen dabei als\nVertreter für die einzelnen Krankenkassen, eine solche Stundungsabrede\ngetroffen haben. Die Sozialversicherungsträger einschließlich der beteiligten\nMinisterien haben ausweislich der Protokolle zur Vermeidung von zahlreichen\nalle belastenden Verwaltungsverfahren und kostenpflichtigen Gerichtsverfahren\nzunächst versucht, eine außergerichtliche Einigung zu erreichen und, als dies\nnicht gelang, die Durchführung von Musterstreitverfahren vereinbart. Die\nAntragsgegnerin hat ausschließlich vor diesem Hintergrund die sofortige\nErhebung der Beiträge unterlassen. Die Vermeidung von Verwaltungsverfahren bis\nzur höchstrichterlichen Klärung von Rechtsfragen in gemeinschaftlich\nvereinbarten Musterstreitverfahren entspricht ausweislich des Protokolls vom\n13./14. April 2010 einer bewährten Verfahrensweise der Spitzenorganisationen\nder Sozialversicherungsträger zur Erzielung von Rechtssicherheit unter\nVermeidung von Verwaltungsaufwand. Vorausgesetzt wird dabei, dass das Ergebnis\nvon den Parteien, die ein solches Verfahren vereinbaren, auch eingehalten\nwird. Denn nur dann macht eine solche Musterentscheidung Sinn. Diese\nVerfahrensweise wurde – wie im Protokoll festgehalten – auch vom\nBundesrechnungshof akzeptiert, der aufgrund dessen in diesen\nSachverhaltsgestaltungen davon absah, die Rentenversicherungsträger zu\nverpflichten, vor der höchstrichterlichen Klärung die entsprechenden Fälle zu\nermitteln und konkrete Beitragsforderungen zu erheben. Eine – zinslose \\-\nStundungsabrede zu Lasten der Rentenversicherung ist in dieser Verfahrensweise\njedenfalls ohne weitere Hinweise nicht zusehen. Dass auch die Spitzenverbände\nder Krankenkassen keine Stundungsabrede angenommen haben, zeigt, dass es\nansonsten der von ihnen ausgesprochenen Empfehlung an ihre Mitglieder, im\nFalle des Obsiegens der Rentenversicherungsträger die Einrede der Verjährung\nnicht zu erheben (Protokoll vom 26., 27. Mai 2004) nicht bedurft hätte. Denn\nsolange die Leistung gestundet ist, kann Verjährung nicht eintreten (vgl. §\n205 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -).\n\n54\n\n \n\nDass für eine Stundungsabrede auch aus Sicht der Antragstellerin kein Raum\nblieb, bestätigt im Übrigen auch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 8. Mai\n2006 an die Antragstellerin, in dem diese unter Hinweis auf die\nMusterstreitverfahren bereits jetzt den Anspruch auf\nSäumniszuschlagsforderungen dem Grunde nach für die in der Vergangenheit zu\nwenig gezahlten Beiträge dargelegt hat und die Antragstellerin hiergegen in\nihrem Antwortschreiben vom 11. Juli 2006 keinerlei Einwände erhob,\ninsbesondere nicht auf eine bestehende Stundungsabrede verwies. Für die Dauer\nder Stundung hätte die Antragstellerin aber mit der Zahlung gar nicht säumig\nwerden können. Ein Hinweis der Antragstellerin, die ihrerseits behauptet,\ngutgläubig hiervon ausgegangen zu sein, hätte demnach nahegelegen. Dies hat\nsie aber nicht getan.\n\n55\n\n \n\nAuf die Prüfung, ob die Berufung der Antragstellerin auf die Einrede der\nVerjährung wegen der diesbezüglichen Vereinbarungen der Spitzenverbände der\nKrankenkassen des VDR und der BA, insbesondere das vereinbarte Abwarten auf\neine Entscheidung des BSG und der Kenntnis der Antragstellerin hiervon auch\nrechtsmissbräuchlich wäre, kommt es deshalb - jedenfalls nach derzeitigem\nSachstand - nicht an.\n\n56\n\n \n\nErnstliche Zweifel bestehen aber auch nicht gegen die Rechtmäßigkeit der\nerhobenen Säumniszuschläge.\n\n57\n\n \n\nSeit der mit Wirkung vom 1. Januar 1995 eingefügten Neufassung von § 24 Abs. 1\nSGB IV (BGBl. I 1994, S. 1229) sind Säumniszuschläge bei Vorliegen der\ngesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen und ist ihre Erhebung nicht\nmehr – wie noch nach der Vorläufervorschrift – in das Ermessen des\nVersicherungsträgers gestellt. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der\nZahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist\nfür jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des\nrückständigen, auf 50,00 EUR (bis 2002 100,00 DM) nach unten abgerundeten\nBetrages zu zahlen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die Beiträge waren – wie\noben ausgeführt - am achten des auf die Zahlung der Sozialleistung folgenden\nMonats und damit im Zeitraum Februar 2000 bis Januar 2005 fällig. Die\nAntragstellerin hat auf die Beitragsforderungen nicht in vollem Umfang\nZahlungen geleistet und ist damit säumig geworden.\n\n58\n\n \n\nDie Geltendmachung von Säumniszuschlägen auf die fällig gewordenen\nBeitragsforderungen scheitert nicht an einer Vereinbarung, nach der die\nVerpflichtung zur Zahlung der betreffenden Säumniszuschläge derzeit ausgesetzt\nist. Die Vertreter der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung,\nder Deutschen Rentenversicherung und der BA sind übereingekommen, dass über\ndie Säumniszuschläge im Einzelfall eine gesonderte Übereinkunft angestrebt\nwird. Diese Absichtserklärung stellt keine verbindliche Regelung dar, die der\nErhebung von Säumniszuschlägen entgegenstehen könnte. Eine solche Rechtsfolge\nwäre nur dann anzunehmen, wenn die Beteiligten des Verfahrens eine solche\nVereinbarung getroffen hätten. Im vorliegenden Fall fehlt es aber gerade an\neiner solchen Regelung, weil die Antragstellerin und die Antragsgegnerin über\ndie Höhe der Säumniszuschläge keine Einigkeit erzielen konnten. Die von der\nAntragsgegnerin angestrebte Einigung auf 0,5 % hat die Antragstellerin\nabgelehnt.\n\n59\n\n \n\nDer Erhebung von Säumniszuschlägen steht im Übrigen auch keine unverschuldete\nUnkenntnis von der Zahlungspflicht der Beiträge entgegen. Die Antragstellerin\nhat einen Fall unverschuldeter Unkenntnis nicht glaubhaft gemacht. Die\nNichtkenntnis enthebt nur dann von der Zahlung von Säumniszuschlägen, wenn sie\nnicht verschuldet ist. Das bedeutet, dass die Unkenntnis weder auf\nFahrlässigkeit noch auf Vorsatz beruhen darf. Davon ist hier nach derzeitiger\nSachlage nicht auszugehen. Selbst bei zugunsten der Antragstellerin\nunterstellter tatsächlicher Unkenntnis von der Zahlungspflicht wegen guten\nGlaubens an eine zinslose Stundungsabrede wäre diese Unkenntnis von ihr\nverschuldet, weil die Antragstellerin von einer solchen Abrede ohne weitere\nAnhaltspunkte, insbesondere ohne weitere Prüfung und Rückversicherung bei der\nAntragsgegnerin oder ihren eigenen Spitzenverbänden nicht ausgehen durfte.\nAuch ein solches Verhalten wäre als zumindest fahrlässig zu beurteilen (vgl.\nBSG, Urteil vom 1\\. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R – m.w.N., zitiert nach juris).\n\n60\n\n \n\nDie Geltendmachung der Säumniszuschläge widerspricht nach summarischer Prüfung\nschließlich auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB); es\nspricht zum derzeitigen Verfahrenszeitpunkt nicht überwiegend etwas dafür,\ndass hier eine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vorliegt.\n\n61\n\n \n\nDas Institut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und\nGlauben auch im Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die\nNachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten\nanerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, a.a.O., m.w.N.). Die Verwirkung\nsetzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines\nlängeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände\nhinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht\nkommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung des Rechts nach Treu\nund Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen.\nSolche, die Verwirkung auslösenden besonderen Umstände liegen vor, wenn der\nVerpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf\nvertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und\nder Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr\nausgeübt wird und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so\neingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein\nunzumutbarer Nachteil entstehen würde. Grundsätzlich sind dabei strenge\nAnforderungen an das Verwirkungsverhalten zu stellen. Ein bloßes Nichtstun als\nVerwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus, es muss ein konkretes\nVerhalten des Gläubigers hinzukommen, welches bei dem Schuldner die\nberechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder\nnicht geltend gemacht wird (BSGE 92, 150, 154 und 100, 215, jeweils m.w.N.).\n\n62\n\n \n\nEin solches Verwirkungsverhalten der Antragsgegnerin, das bei der\nAntragstellerin das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die\nAntragsgegnerin werde keine Säumniszuschläge erheben, liegt aber nach\nsummarischer Prüfung nicht vor. Die Antragsgegnerin hat es aus\nverfahrensökonomischen Gründen unterlassen, die Beitragsforderungen\numzusetzen. Hintergrund war – wie oben bereits aufgezeigt – in erster Linie\ndie Entlastung der Verwaltungen der Sozialversicherungsträger und der\nGerichte. Ein solches Unterlassen erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben\nweder die Anforderung eines vertrauensbegründenden Verwirkungsverhaltens noch\ndurfte die Antragstellerin dies als bewusst und planmäßig erachten und deshalb\ndarauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden.\n\n63\n\n \n\nSchließlich spricht auch nichts dafür, dass die Vollziehung des\nBeitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeutet. Dies\nwird von ihr auch nicht geltend gemacht.\n\n64\n\n \n\nDer Beschwerde war danach stattzugeben und die Anschlussbeschwerde\nzurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden\nAnwendung des § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 2 der\nVerwaltungsgerichtsordnung folgt.\n\n65\n\n \n\nBei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§§ 197 Abs. 1 Satz\n1 SGG, 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG -) ist der Senat von\nder Gesamtforderung in Höhe von 1.448.140,25 EUR ausgegangen. Der Streitwert\nim Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird in der\nRechtsprechung des LSG Schleswig-Holstein (z. B. Beschluss vom 10. März 2011 –\nL 5 KR 31/11 B ER -, zitiert nach juris) regelmäßig mit einem Drittel des im\nHauptsacheverfahren streitigen Betrages angenommen. Dieser Wert beläuft sich\nauf 482.713,00 EUR. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz\nvon Amts wegen geändert (§ 63 Abs. 3 GKG).\n\n66\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).\n\n \n\n
99,783
larbgsh-2011-09-19-3-sa-7111
1,061
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
larbgsh
Schleswig-Holstein
Arbeitsgerichtsbarkeit
3 Sa 71/11
2011-09-19
2018-11-21 19:30:22
2019-02-14 04:34:19
Urteil
ECLI:DE:LARBGSH:2011:0919.3SA71.11.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom\n14.01.2011 – öD 4 Ca 1801 b/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Kläger begehrt die Erhöhung seiner Arbeitszeit von 5,5 Stunden auf 19,75\nStunden wöchentlich sowie – berufungserweiternd – die Feststellung, dass sich\nder Beklagte mit entsprechender Beschäftigungspflicht seit dem 25.02.2010 in\nVerzug befindet.\n\n2\n\n \n\nDer am ….1947 geborene Kläger nahm am 01.11.2006 bei dem Beklagten eine\nTätigkeit als Verwaltungsangestellter mit einem Stundenumfang von 19,75\nStunden pro Woche auf. Seit dem 01.08.2008 arbeitet er mit einer wöchentlichen\nArbeitszeit von 5,5 Stunden im Rahmen eines geringfügigen\nBeschäftigungsverhältnisses bei dem Beklagten als Schuldnerberater. Der Kläger\nhat 1970 bis 1973 an der HWP in H... einige Semester Soziologie studiert,\nverfügt aber über kein abgeschlossenes Studium. Er war mit Unterbrechungen in\nder Zeit von 1974 bis 1994 als Finanzbuchhalter tätig (Anlage B 2 – 101f\nd.A.).\n\n3\n\n \n\nDer Kläger bat mehrfach um Aufstockung seiner Arbeitszeit. Zuletzt bat er mit\nSchreiben vom 25.02.2010 um Aufstockung auf 50 % der Arbeitszeit eines\nVollzeitbeschäftigten. Der Beklagte lehnte dieses mit Schreiben vom 08.03.2010\nmit dem Hinweis ab, es stehe kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung.\n\n4\n\n \n\nDer Beklagte beschäftigt seit 2009 Frau F... als Praktikantin. Sie verfügt\nüber ein abgeschlossenes Studium der Sozialpädagogik und russische\nSprachkenntnisse. Zum 01.05.2010 stellte der Beklagte sie befristet bis zum\n31.12.2010 als „Sozialarbeiterin in der Schuldnerberatung“ in Vollzeit mit\neiner Wochenstundenzahl von 39 Stunden ein. Das Arbeitsverhältnis wird\nmittlerweile über den 31.12.2010 hinaus befristet fortgesetzt. Gemäß dem\nAnforderungsprofil waren ein abgeschlossenes Studium als Sozialpädagoge sowie\nrussische Sprachkenntnisse für die Besetzung dieses Arbeitsplatzes\nerforderlich. Ziel des Beklagten war es, mit dieser Stelle eine Schnittstelle\nzwischen Migrationsberatung und Schuldnerberatung zu schaffen und so nicht nur\nan den Symptomen, sondern vorrangig an den Ursachen der Verschuldungen\nanzusetzen.\n\n5\n\n \n\nMit dem vorliegenden Verfahren versucht der Kläger durchzusetzen, dass der\nBeklagte im Rahmen der Besetzung der o. g. Stelle seinen geäußerten\nAufstockungswunsch habe vorrangig berücksichtigen müssen. Mit Schriftsatz vom\n12.10.2010 hat der Kläger erstmals erklärt, er sei auch bereit, in Vollzeit zu\narbeiten (Bl. 11 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt war die Stelle schon besetzt.\n\n6\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die Voraussetzungen des §\n9 TzBfG nicht als erfüllt angesehen hat. Hinsichtlich der Einzelheiten wird\nauf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe der Entscheidung vom\n14.01.2011 verwiesen.\n\n7\n\n \n\nGegen dieses dem Kläger am 25.01.2011 zugestellte Urteil hat er form- und\nfristgerecht Berufung eingelegt und diese auch innerhalb der verlängerten\nBerufungsbegründungsfrist begründet.\n\n8\n\n \n\nEr ist nach wie vor der Ansicht, der Beklagte habe bei der Besetzung des\nArbeitsplatzes mit Frau F... seinen Aufstockungswunsch vorrangig\nberücksichtigen müssen. Zwischen ihm und Frau F... bestehe kein\nQualifikationsunterschied, beide seien als Schuldnerberater tätig, russische\nSprachkenntnisse seien für die Tätigkeit von Frau F... nicht erforderlich, der\nBeklagte habe die Vollzeitstelle teilen können und müssen. Der Großteil der zu\nberatenden Personen weise keinen Migrationshintergrund auf; die Existenz einer\nSchnittstelle zur Migration sei nicht ersichtlich. Der Antrag auf\nFeststellung, dass sich der Beklagte seit dem 25.02.2010 in Verzug befinde,\nsei im Hinblick auf noch gesondert zu berechnende Schadensersatzansprüche\ngeboten.\n\n9\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n10\n\n \n\nunter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.01.2011 zum\nAz.: öD 4 Ca 1801b/10 \n1\\. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Schuldnerberater mit einer\nwöchentlichen Arbeitszeit von 19,75 Stunden zu beschäftigen, \n2\\. festzustellen, dass sich die Beklagte mit dieser Beschäftigungspflicht\nseit dem 25.02.2010 in Verzug befindet.\n\n11\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n12\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n13\n\n \n\nEr hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in\nrechtlicher Hinsicht für zutreffend. Es habe kein dem Begehren des Klägers\n„entsprechender“ freier Arbeitsplatz zur Besetzung angestanden. Zudem sei der\nKläger nicht gleich geeignet gewesen. Er erfülle die Anforderungen des\nfestgelegten Anforderungsprofils nicht.\n\n14\n\n \n\nHinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlichen Vortrag der\ngewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n15\n\n \n\nDie Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und\ninnerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. Die Berufung\nist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.\nDem folgt das Berufungsgericht, wie schon im Prozesskostenhilfe verweigernden\nBeschluss vom 01.07.2011 dargelegt.\n\n16\n\n \n\n1\\. Gemäß § 9 TzBfG hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten\nArbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich\nvereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden\nfreien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es\nsei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer\nteilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dem entgegenstehen. Dieser Vorschrift hat\nauch § 9 Abs. 3 KAT inhaltlich vergleichbar Rechnung getragen.\n\n17\n\n \n\n2\\. Der Anspruch aus § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein dem Wunsch des\nArbeitnehmers entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist. Der\nArbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen entsprechenden freien Arbeitsplatz\nzur Erfüllung des Verlängerungsverlangens des Teilzeitbeschäftigten anders\nzuzuschneiden (Annuß/Thüsing, TzBfG, 2\\. Auflage, Rz. 14 zu § 9 m. w. N.). Die\nAusgestaltung und der Zuschnitt des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber\nbilden grundsätzlich den Rahmen für die Berücksichtigung der\nArbeitszeitwünsche der Arbeitnehmer. Der Teilzeitbeschäftigte hat Anspruch auf\nden freien Arbeitsplatz, so wie dieser vom Arbeitgeber angeboten wird\n(Laux/Schlachter, TzBfG, 2. Auflage, Rz. 29 zu § 9 m. w. N.).\n\n18\n\n \n\n3\\. Bereits vor diesem rechtlichen Hintergrund kann das Begehren des Klägers\nkeine Aussicht auf Erfolg haben. Zum 1. Mai 2010 hatte der Beklagte eine\nVollzeitstelle zu besetzen. Der Kläger hatte zuvor stets lediglich den Wunsch\ngeäußert, in Teilzeit bis zu 19,75 Stunden wöchentlich arbeiten zu wollen.\nDamit entspricht sein Teilzeitwunsch nicht dem freien Arbeitsplatz, der ab Mai\n2010 zu besetzen war. Das nachträgliche schriftsätzliche Vorbringen des\nKlägers vom 12.10.2010, er sei auch bereit, in Vollzeit zu arbeiten, ist\ninsoweit unbeachtlich. Zu diesem Zeitpunkt war der freie Arbeitsplatz schon\nbesetzt. Weitergehende Arbeitskapazitäten waren nicht zu vergeben. Abgesehen\ndavon erscheint die geäußerte Bereitschaft zur Arbeit in Vollzeit angesichts\ndes in der Berufungsbegründung erneut angekündigten Beschäftigungsbegehrens\ndes Klägers mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,75 Stunden nicht\nglaubhaft und auch nicht ernst gemeint.\n\n19\n\n \n\n4\\. Es fehlt auch, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, die\ngemäß § 9 TzBfG erforderliche gleiche Eignung. Weil es um die Freiheit der\nunternehmerischen Entscheidung geht, legt zunächst der Arbeitgeber das\nAnforderungsprofil fest. Eine gleiche Eignung liegt vor, wenn der\nTeilzeitbeschäftigte im Vergleich zum Mitbewerber über insgesamt dieselben\npersönlichen und fachlichen Fähigkeiten, theoretischen und praktischen\nKenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfügt und im bisherigen Berufsleben\ndieselben Leistungen erbracht hat (LAG S-H vom 24.09.2008 - 6 Sa 3/08 –\nzitiert nach Juris, Rz. 60 m. w. N.). Auch diese Voraussetzungen erfüllt der\nKläger nicht. Ausweislich des in der Akte befindlichen Lebenslaufes (Anlage B\n2, Bl. 101 f d. A.) verfügt der Kläger weder über ein abgeschlossenes\nHochschulstudium des Faches Sozialpädagogik noch über russische\nSprachkenntnisse. Auch sein gesamter beruflicher Werdegang lässt keinerlei\ngleichwertige zu berücksichtigende Fähigkeiten erkennen.\n\n20\n\n \n\nEs sind auch keinerlei Tatsachen vorgetragen, aus denen auf ein willkürlich\ngestaltetes Anforderungsprofil geschlossen werden könnte. Der Beklagte hat das\nZiel seines Anforderungsprofils dargelegt. Er wollte im Zusammenhang mit der\nStellenbesetzung die Beratung anders konzeptionieren. Sein Ziel war es, mit\ndieser Stelle eine Schnittstelle zwischen Migrationsberatung und\nSchuldnerberatung zu schaffen und so nicht nur an den Symptomen, sondern\nvorrangig an den Ursachen der Verschuldungen anzusetzen. Bei diesem durchaus\nsinnvollen Ansatz handelt es sich um eine freie unternehmerische Entscheidung,\nfür deren Willkür es keinerlei Anhaltspunkte gibt.\n\n21\n\n \n\nAuf Nachfrage hat der Kläger in der Berufungsverhandlung vorgetragen, er könne\nkeine näheren Angaben zur konkreten Tätigkeit der Kollegin F... machen, weil\ner sie praktisch kaum sehe. Dann fehlt aber auch seiner gleichwohl\naufgestellten Behauptung, Frau F... mache das gleiche wie er, jegliche\nSubstanz.\n\n22\n\n \n\n5\\. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kommt es auf das weitere Vorbringen des\nKlägers zur Berechtigung und Existenz der von dem Beklagten erhobenen\nVoraussetzungen für die Besetzung der Stelle nicht mehr an.\n\n23\n\n \n\n6\\. Aus den genannten Gründen ist der Klagantrag zu 1. zu Recht abgewiesen\nworden. Hinsichtlich des Klagantrags zu 2. bestehen schon formelle Bedenken,\nda das erforderliche Feststellungsinteresse nicht ersichtlich ist. Das\nFeststellungsbegehren ist nicht geeignet, etwaige künftige Streitigkeiten über\ndie Höhe eines etwaigen Verzugslohns abschließend mit zu erledigen.\n\n24\n\n \n\n7\\. Aus den genannten Gründen ist der Berufung der Erfolg versagt. Das\nArbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war daher\nzurückzuweisen.\n\n25\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.\n\n26\n\n \n\nDie Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die\nRevision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um\neine Einzelfallentscheidung.\n\n \n\n
99,791
lg-kiel-2011-10-28-8-o-2811
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
8 O 28/11
2011-10-28
2018-11-21 19:30:23
2019-02-14 04:35:13
Urteil
ECLI:DE:LGKIEL:2011:1028.8O28.11.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\nDer Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\nDas Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Kläger macht gegen das beklagte Universitätsklinikum einen\nProvisionsanspruch für die Vermittlung von Patienten aus dem arabischen Raum\ngeltend.\n\n2\n\n \n\nDer Kläger, der seit 2008 Arzt ist, fließend Arabisch spricht und über gute\nKontakte in den arabischen Raum verfügt, schloss unter dem 19.12.2004 mit dem\nbeklagten Universitätsklinikum, vertreten durch den Vorstand, einen Vertrag,\nwonach der Kläger für das Universitätsklinikum ausländische Patienten,\ninsbesondere aus dem Oman und den Vereinigten arabischen Emiraten vermitteln\nsollte. Daneben sollte der Kläger eventuelle Dolmetschertätigkeiten für diese\nPatienten übernehmen und diese während ihres Aufenthaltes im\nUniversitätsklinikum begleiten. Für jede Vermittlung eines Patienten sollte\ndem Kläger eine Vergütung in Höhe von 15 % der Einnahmen des UK einschließlich\nder wahlärztlichen Honorare erhalten. Der Vertrag enthält in § 2 sodann die\nweiteren Regelungen:\n\n3\n\n \n\n„(3) \nEine Vergütung ist nur dann geschuldet, wenn Herr M. über seine Leistungen in\njedem einzelnen Fall gegenüber dem UK … Rechenschaft abgelegt hat.\n\n4\n\n \n\n(4) \nDie Vergütung gemäß Absatz 1 setzt zudem voraus, dass Herr M. dem Dezernat\nPatientenmanagement des UK … die Namen der jeweiligen Patienten vor Aufnahme\nin das UK … schriftlich mitteilt.\n\n5\n\n \n\n(5) \nDen Parteien ist bekannt, dass das UK … die Pauschalen gemäß Abs. 1 bzw. Abs.\n2, die Herrn M. gezahlt werden sollen, gegenüber den Patienten bzw. gegenüber\nden Kostenträgern in Rechnung stellen wird. Die Parteien sind sich darüber\neinig, dass Herr M. die Pauschale gemäß Absatz 1 nur in dem Umfang\nbeanspruchen kann, als die Patienten oder die Kostenträger die Beträge an das\nUK … zahlen.“\n\n6\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird verwiesen auf die Anlage K\n2 (Bl. 20 bis 22 d.A.). Mit Vertrag vom 19.06.2006 wurde der Vertrag unter\nanderem dahin geändert, dass der Vergütungsanspruch voraussetze, dass der\nKläger dem „International Department“ des UK… die Namen der jeweiligen\nPatienten vor Aufnahme in das UK … schriftlich mitteilt. Mit weiterem\nÄnderungsvertrag vom 15.09.2006 wurde vereinbart, dass der Vergütungssatz des\nKlägers 22,5 % der Behandlungskosten betragen sollte, sofern die Botschaft von\nKuwait die Behandlungskosten übernehme.\n\n7\n\n \n\nDas in dem Änderungsvertrag vom 19.06.2006 erwähnte „International Department“\ndes UK …wurde durch einen Herrn B. geleitet. Dieser ließ durch seine Ehefrau\nmit dem Kläger die „Arab Health GbR“ gründen. Die Provisionen, die Herr B. als\nLeiter des „International Department“ an den Kläger auszahlen ließ, leitete\ndieser anschließend auf das Konto der „Arab Health GbR“. Der Gewinn der Arab\nHealth GbR sollte hälftig zwischen dem Angeklagten und Herrn B. geteilt\nwerden. Entgegen den schriftlichen vertraglichen Vereinbarungen teilte der\nKläger zu keinem Zeitpunkt die Namen der jeweiligen Patienten vor Aufnahme in\ndas UK… schriftlich mit. Gleichwohl erfolgten im Zeitraum zwischen Januar 2005\nund August 2007 an den Kläger insgesamt Provisionszahlungen von 258.640,68 €.\n\n8\n\n \n\nNachdem die internen Abreden des Klägers mit Herrn B. über die Teilung des\nErlöses aus den Vermittlungen bekannt wurden, kündigte das beklagte\nUniversitätsklinikum den Vertrag mit dem Kläger fristlos zum 19.09.2007. Durch\nUrteil des Landgerichts Kiel vom 10.09.2010 - 3 Kls 11/09 - wurde der Kläger\nwegen Vorteilsgewährung in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11\nMonaten zur Bewährung verurteilt.\n\n9\n\n \n\nMit der Klage verlangt der Kläger aufgrund einer Rechnung vom 15.09.2010 die\nBe-zahlung der von ihm behaupteten im März bis September 2007 erbrachten\nVermittlungsleistungen für die Vermittlung von Patienten. Es wird insoweit im\nEinzelnen auf die Anlage K 7 - Bl. 30 bis 32 d.A. - verwiesen.\n\n10\n\n \n\n**Der Kläger behauptet,** \ner habe die in dieser Rechnung bezeichneten Patienten dem Universitätsklinikum\nver-mittelt. Ohne seine Vermittlungstätigkeit wäre es zu keiner Behandlung und\nnicht zu entsprechenden Einnahmen des Universitätsklinikums gekommen. Zu\nkeinem Zeitpunkt der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien habe das\nUniversitätsklinikum Nachweise für die Vermittlungstätigkeit des Klägers\nverlangt und gleichwohl die Vermittlungsleistungen des Klägers honoriert.\n\n11\n\n \n\n**Der Kläger beantragt,**\n\n12\n\n \n\ndie Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 262.395,15 € nebst Zinsen in Höhe\nvon 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2010 zu zahlen.\n\n13\n\n \n\n**Das beklagte Klinikum beantragt,**\n\n14\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n15\n\n \n\n**Das Universitätsklinikum meint,** \naufgrund des kollusiven Zusammenwirkens des Klägers mit dem Mitarbeiter B. sei\ndie Klagforderung nicht gerechtfertigt. Die Voraussetzungen der\nZahlungsansprüche seien nicht gegeben, da der Kläger in keinem Fall\nRechenschaft über seine Vermittlungstätigkeiten abgelegt habe und in keinem\nFall vor Aufnahme der jeweiligen Patienten deren Namen dem\nUniversitätsklinikum mitgeteilt habe. Das beklagte Klinikum bestreitet, dass\nder Kläger Vermittlungsleistungen erbracht habe. Auch habe entgegen § 2 Ziffer\n5 des Vertrages in keinem Fall einer der Patienten oder Kostenträger die\nVermittlungsprovision ausgeglichen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n \n\n16\n\n \n\nDie Klage ist nicht begründet.\n\n17\n\n \n\nDer zwischen den Parteien geschlossene Vertrag vom 19.12.2004 mit den\nvertraglichen Änderungen vom 19.06.2006 und vom 15.09.2006, der rechtlich als\nMaklervertrag im Sinne von § 652 BGB zu qualifizieren wäre, ist gemäß § 138\nAbs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Ansprüche kann der Kläger daher aus\ndiesem Vertrag nicht herleiten.\n\n18\n\n \n\nSittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB wird gemeinhin definiert als\nein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.\nMaklerverträge sind vielfach im Wirtschaftsleben üblich und dementsprechend\nauch im Gesetz geregelt und daher noch nicht an sich sittenwidrig. Anders ist\nes allerdings dann, wenn Provisionsvereinbarungen für die Vermittlung von\nAufträgen in Lebensbereichen, in denen die Kommerzialisierung anstößig ist,\ngetroffen werden. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn\nProvisionszahlungen für ärztliche Leistungen vereinbart werden (Palandt-Sprau,\n70. Aufl., § 652 Rn. 9). Ärztliche Tätigkeit soll nach den allgemeinen\nWertanschauungen zwar sachgerecht vergütet werden, ihr Gegenstand betrifft\njedoch - anders als in sonstigen Bereichen, in denen Provisionszahlungen\nüblich sind- Leib, Leben und Gesundheit eines Patienten. Dieses bedingt ein\nbesonderes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, das es gegenüber\nsonstigen Rechtsbeziehungen im Wirtschaftsleben heraushebt. Über eine\nangemessene Vergütung hinaus soll eine Kommerzialisierung weitgehend vermieden\nwerden. In der ärztlichen Berufsordnung kommt das z.B. in § 28 Abs. 1 der\nSchleswig-Holsteinischen Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom\n03.02.1999 zum Ausdruck, wo der Gedanke der Gewährleistung des\nPatientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und die\nVermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden\nKommerzialisierung des Arztberufs hervorgehoben ist. Der Arzt darf zwar für\nseine Leistungen werben, unterliegt zur Vermeidung einer zu weitgehenden\nKommerzialisierung ärztlicher Tätigkeit dabei aber engeren Grenzen, als dieses\nsonst im Wirtschaftsleben der Fall ist. Der Arzt muss nach § 28 Abs. 2\nsachlich informieren und seine Werbung darf nicht anpreisend (§ 28 Abs. 3)\nsein. Dem Zweck, eine weitgehende Kommerzialisierung des\nBehandlungsverhältnisses zwischen Arzt und Patient zu vermeiden, dient auch\ndie Bestimmung des § 32, wonach es dem Arzt nicht gestattet ist, für die\nZuweisung von Patienten ein Entgelt zu versprechen oder zu gewähren. Gegen\ndiese Bestimmung verstößt der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag, in\nwelchem das beklagte Universitätsklinikum für die Vermittlung von Patienten\neine Provision verspricht. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ist\nzwar als Anstalt des öffentlichen Rechts nicht unmittelbar Adressat der\närztlichen Berufsordnung, jedoch bietet es - und dieses ist der\nUnternehmenszweck - medizinische Leistungen durch Ärzte an und insofern ist\nder vom Universitätsklinikum geschlossene Vertrag auch an der ärztlichen\nBerufsordnung zu messen, soweit es um die Frage der Sittenwidrigkeit des\nVertrages geht.\n\n19\n\n \n\nEs ist zwar anerkannt, dass Verstöße gegen Standesregeln noch nicht per se die\nSittenwidrigkeit eines Vertrages begründen. Anders ist es allerdings dann,\nwenn neben den Standespflichten zugleich Werte der Rechts- oder Sittenordnung\nverletzt sind. Das ist bei der vorliegenden Vertragsgestaltung aber ohne\nweiteres der Fall, weil es nicht nur um eine abstrakte Verletzung von\nStandesregeln geht, sondern der Gedanke einer unerwünschten und zu\nweitgehenden Kommerzialisierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses ein Anliegen\nder Allgemeinheit ist. Wenn also die Berufsordnung Entgelte für die\nVermittlung ärztlicher Leistungen untersagt, so ist dieses nicht nur Ausdruck\ndes Selbstbildnisses einer Standesorganisation, sondern zugleich eines\ngesellschaftlichen Leitbildes des Arztberufes. Dieses ist geprägt durch das\neingangs zitierte besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten,\nwelches es in gewisser Weise aus sonstigen Rechtsbeziehungen des Privatrechts\nheraushebt. Ein Wettbewerb zwischen ärztlichen Leistungserbringern durch die\nZahlung von Provisionen an Dritte für die Vermittlung von Patienten ist\ngesellschaftlich nicht erwünscht. Es bringt den Patienten, denen heutzutage\nein breites Informationsangebot über medizinische Leistungen zur Verfügung\nsteht, keinen Vorteil und birgt zumindest tendenziell die Gefahr, die Kosten\ndes Gesundheitssystems ohne Nutzen für die Krankenversorgung zu steigern. Das\nbeklagte Universitätsklinikum verschafft sich auf diese Weise einen unlauteren\nWettbewerbsvorteil gegenüber anderen Krankenhäusern, die potentiell ebenfalls\nPatienten aus dem arabischen Raum behandeln könnten. Unter dem Gesichtspunkt\nder Sittenwidrigkeit ist auch bedenklich, dass gerade Vermittler, die selbst\nnicht Ärzte sind (so war der Kläger zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen\nVermittlungen noch nicht Arzt), durch ihre finanziellen Interessen das\nVertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten stören können (OLG Hamm, NJW\n1985, S. 679 ff.). Hinsichtlich der Bewertung der Sittenwidrigkeit des\nVertrages ist zudem noch von besonderer Bedeutung § 2 Abs. 5 des Vertrages vom\n19.12.2004: Danach gehen beide vertragsschließenden Parteien davon aus, dass\ndas Universitätsklinikum seinerseits den von dem Kläger angeworbenen Patienten\nzusätzlich zu den Vergütungen für Arzt- und Krankenhausleistungen auch noch\ndie Provision in Rechnung stellen wird, welche das Universitätsklinikum an den\nKläger für die Vermittlung des jeweiligen Patienten zu zahlen hat. Die\nberufsordnungswidrige Verhaltensweise des beklagten Klinikums wird also\nzwischen den Parteien geradezu zur Vertragsgrundlage gemacht. Darüber hinaus\ngibt es keinerlei Rechtsgrundlage, wonach das beklagte Universitätsklinikum\nvon den Patienten die Bezahlung der Vermittlungsgebühren verlangen könnte. Für\ndie Berechnung ärztlicher Leistungen und insbesondere von\nKrankenhausleistungen gibt es klare gesetzliche Regelungen, für Krankenhäuser\ninsbesondere das Krankenhausentgeltgesetz. Es ist ebenso nicht mit dem\närztlichen Leitbild zu vereinbaren, dass die Behandlung von Patienten davon\nabhängig gemacht wird, dass diese im Voraus entstandenen Aufwendungen für\neinen Vermittler zahlen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist gerade diese\ngemeinsame Vorstellung der Parteien, dass das Universitätsklinikum den\nPatienten eine Provisionszahlung berechnen soll, ein zusätzlicher gewichtiger\nGesichtspunkt, der für die Sittenwidrigkeit des Vertrages spricht. Der Vorwurf\nder Sittenwidrigkeit trifft auch nicht allein das UK-SH, sondern auch den\nKläger. Zum Zeitpunkt der behaupteten Erbringung der Vermittlungstätigkeit\nbefand er sich in der ärztlichen Ausbildung. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen\nGeltendmachung seiner Ansprüche war er bereits Arzt und damit an die ärztliche\nBerufsordnung gebunden.\n\n20\n\n \n\nFür die Beurteilung der Sittenwidrigkeit spielt es zudem keine Rolle, ob es\nsich um ausländische oder inländische Patienten handelt. Ebenso wenig ist\nweder die im Schriftsatz des Klägers vom 23.09.2011 dargestellte finanzielle\nSituation vieler Kliniken noch die spezielle Situation des\nUniversitätsklinikums … noch das allgemeine gesellschaftliche Interesse daran,\ndass Krankenhäuser zur Erfüllung ihrer Aufgaben angemessen budgetiert werden,\nein Grund, den streitgegenständlichen Vertrag anders zu bewerten. Die dahinter\nstehenden gesundheitspolitischen Probleme lassen den streitgegenständlichen\nVertrag gleichwohl als nicht akzeptabel erscheinen.\n\n21\n\n \n\nDer Kläger kann Ansprüche auch nicht auf § 812 BGB stützen. Die Einnahmen, die\ndas Universitätsklinikum durch die Behandlung ausländischer Patienten erlangt\nhat, hat es nämlich erst aufgrund der eigenen Leistung, nämlich der\nmedizinischen Behandlung erlangt. Allein durch die behauptete\nVermittlungstätigkeit des Klägers ohne die nachfolgende medizinische\nBehandlung hat das Universitätsklinikum nichts erlangt.\n\n22\n\n \n\nSelbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung eine Sittenwidrigkeit\ndes Vertrages zwischen den Parteien nicht annehmen wollte, so hätte der Kläger\nanalog § 645 BGB seinen Provisionsanspruch verwirkt, indem er ohne Wissen des\nUniversitätsklinikum mit Herrn B. eine Honorarteilung vereinbarte. Es wird\ninsoweit auf die Urteilsgründe des Urteils des Landgerichts Kiel vom\n10.09.2010 - 3 Kls 11/09 - (Anlage B 2) verwiesen. Diese Honorarteilung auf\ndem Umweg über die „Arab Health GbR“ war deshalb treuwidrig im Verhältnis zur\nBeklagten, weil Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Klägers gemäß\nÄnderungsvereinbarung vom 19.06.2006 auch war, dass der Kläger dem\nInternational Department des UK S-H, welches Herr B. leitete, zuvor die Namen\nder jeweiligen Patienten vor Aufnahme schriftlich mitzuteilen hatte. Herr B.\nhatte insoweit auch – für den Kläger erkennbar- eine Kontrollfunktion für das\nUK… wahrzunehmen. Unstreitig ist es aber zu derartigen schriftlichen\nMitteilungen niemals gekommen; das unter der Leitung des Herrn B. stehende\nInternational Department veranlasste gleichwohl die Zahlungen an den\nBeklagten. Es besteht hier der deutliche Anschein, dass Herr B. gerade wegen\nseiner Beteiligung an den Einnahmen des Klägers seine Kontrollpflichten aus\nseinem Anstellungsverhältnis mit dem Universitätsklinikum verletzt hat.\n\n23\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.\n\n \n\n
99,806
lg-itzehoe-2011-08-29-11-t-1511
1,063
Landgericht Itzehoe
lg-itzehoe
Itzehoe
Schleswig-Holstein
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
11 T 15/11
2011-08-29
2018-11-21 19:30:26
2019-02-14 04:36:24
Beschluss
ECLI:DE:LGITZEH:2011:0829.11T15.11.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer angefochtene Beschluss wird abgeändert; der Streitwert wird auf 4.450,00\nEuro festgesetzt.\n\n \n\n \n\nDie Beschwerden werden im Übrigen zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDas Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht\nerstattet.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerden sind zulässig, sie erfolgen insbesondere zulässigerweise aus\neigenem Recht des Anwalts (§ 32 II 1 RVG). Sie sind auch teilweise begründet.\n\n \n\n2\n\n \n\nGem. 49 a Abs. 1 GKG ist in Wohnungseigentumssachen der Streitwert auf 50 %\ndes Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung\nfestzusetzen. Er darf jedoch das Interesse des Klägers und der auf seiner\nSeite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache\ndes Wertes ihres Interesses nicht überschreiten; keinesfalls darf der Wert den\nVerkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite\nBeigetretenen übersteigen.\n\n \n\n3\n\n \n\nVorliegend wenden sich die Kläger gegen den Beschluss über die Genehmigung der\nJahresabrechnung 2009, dessen Ungültigkeit in seiner Gesamtheit sie rügen.\nSelbst wenn die gesamte Jahresabrechnung in Streit steht, bestimmt sich das\nInteresse aller Beteiligten an der Entscheidung grundsätzlich nicht nach dem\nNennbetrag der in der Jahresabrechnung eingestellten Kosten. Das Interesse der\nWohnungseigentümer an der gerichtlichen Entscheidung über Jahresabrechnung und\nWirtschaftsplan kann, wenn die Ordnungsmäßigkeit oder sachliche Richtigkeit\nder entsprechenden Eigentümerbeschlüsse voll in Frage gestellt wird, deswegen\nnicht mit deren Gesamtvolumen gleichgesetzt werden, weil auch bei\ndurchgreifenden Beanstandungen stets erhebliche Ausgaben der\nEigentümergemeinschaft für Betriebskosten, Verwaltung, Instandhaltung und\nInstandsetzung bestehen bleiben, so dass die Beanstandung allenfalls zu einer\nVerminderung der Lasten und Kosten, nicht aber zu deren völligem Wegfall\nführen können. Es scheint daher in solchen Fällen angebracht, als\nGeschäftswert einen dem jeweiligen Einzelfall angemessenen Bruchteil des\nGesamtvolumens der Abrechnung und des Wirtschaftsplanes anzusetzen. Etwas\nanderes gilt bei konkreten Einzelbeanstandungen. Diese sind in voller Höhe des\ngeltend gemachten Differenzbetrages zu berücksichtigen. Bei der Bewertung des\nBruchteils des Gesamtvolumens ist in der Vergangenheit überwiegend ein Betrag\nvon 20 % bis 25 % angenommen worden (Jennißen/Suilmann, WEG, § 49 a GKG, Rdnr.\n16 m.w.N.). Der nach § 49 a Abs. 1 S. 1 GKG zu bestimmende Wert entspricht\ndaher etwa 10 % der ausgewiesenen Kosten (Jennißen/Suilmann, a.a.O.; LG\nNürnberg-Fürth ZMR 2008, 737). Vorliegend ist mithin von einem Gesamtinteresse\nin Höhe von 57.200,00 Euro auszugehen.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas nach § 49 Abs. 1 S. 2 GKG zu berücksichtigende Mindestinteresse der Kläger\nan der Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung ist durch\nAuslegung ihrer Klage zu ermitteln. Es ist also zu sehen, ob sich der Angriff\nausschließlich gegen konkret bezeichnete Posten oder die Jahresabrechnung\ninsgesamt richtet. Vorliegend wenden sich die Kläger gegen den Beschluss über\ndie Jahresabrechnung im Ganzen. Gleichwohl umfasst das Einzelinteresse der\nKläger nicht den Gesamtbetrag, der ihnen durch die Jahresabrechnung\nauferlegten Kosten, mithin nicht die Summe von 3.450,00 Euro. Denn auch\nderjenige, der eine Jahresabrechnung insgesamt anficht (nebst den\nentsprechenden Einzelabrechnungen), geht regelmäßig nicht davon aus, dass er\nam Ende ohne jedwede eigene Belastung dastehen wird, sondern dass sich\nlediglich ein wie auch immer gearteter Vorteil für ihn einstellt, der einem\nBruchteil seiner Einzelabrechnung entspricht. Es sind daher auch hier die\nErwägungen anzustellen, die der Rechtsprechung zugrunde liegen, bei einer\nAnfechtung der Jahresabrechnung oder des Wirtschaftsplanes, den Wertansatz bei\n20 % bis 25 % der insgesamt eingestellten Kosten zu treffen. In\nÜbereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg/Fürth (ZMR\n2009, 555 f) geht die Kammer in solchen Fällen zur Bewertung des einfachen\nEinzelinteresses regelmäßig von 20 % des Wertes der Einzelabrechnung aus,\nvorliegend also von 690,00 Euro. Das fünffache Interesse liegt demnach bei\n3.450,00 Euro und darf gem. § 49 a Abs. 1 S. 2 GKG trotz des höheren\nGesamtinteresses nicht überschritten werden.\n\n \n\n5\n\n \n\nHinzu kommt der Streitwert für den weiter angefochtenen Beschluss „Entlastung\ndes Verwalters“. Das Interesse an der Entlastung oder Nichtentlastung des\nVerwalters bestimmt sich nach den möglichen Ansprüchen gegen diesen und nach\ndem Wert, den die mit der Entlastung verbundene Bekräftigung der\nvertrauensvollen Zusammenarbeit der Wohnungseigentümer mit der Verwaltung der\nGemeinschaft hat. Deren Wert ist, wenn besondere Anhaltspunkte für einen\nhöheren Wert fehlen, regelmäßig mit 1.000,00 Euro anzusetzen (BGH NJW-RR 2011,\n1026 f).\n\n \n\n6\n\n \n\nInsgesamt beträgt der Streitwert daher 4.450,00 Euro.\n\n \n\n
100,066
ovgmv-2009-10-21-4-k-1109
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 11/09
2009-10-21
2018-11-21 21:30:15
2019-02-14 04:50:08
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n§ 3 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung zur Änderung der Jagdzeiten, zur Aufhebung von\nSchonzeiten und zum Erlass sachlicher Verbote vom 14. November 2008 (GVOBl.\nM-V 2008, S. 445) wird für unwirksam erklärt.\n\n \n\nDer Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsgegner\nwird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der\nvollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor\nSicherheit in gleicher Höhe leistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Antragsteller wendet sich gegen eine einzelne Bestimmung der Verordnung\nzur Änderung der Jagdzeiten, zur Aufhebung von Schonzeiten und zum Erlass\nsachlicher Verbote vom 14. November 2008 (JagdZVO M-V).\n\n2\n\n \n\nDer Vorspruch der Verordnung lautet:\n\n3\n\n \n\nAufgrund des § 22 Abs. 4 und des § 42 Abs. 1 Nr. 3, 4, 5 und 6 sowie Abs. 2\ndes Landesjagdgesetzes vom 22. März 2000 ... verordnet das Ministerium für\nLandwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz nach Anhörung des Jagdbeirates\nder obersten Jagdbehörde:\n\n4\n\n \n\nIn § 3 der Verordnung heißt es auszugsweise:\n\n5\n\n \n\n§ 3 \nBejagungsverbote\n\n6\n\n \n\n(1) Es ist verboten, die Jagd auszuüben:\n\n \n\n...\n\n7\n\n \n\n7\\. ohne seine Schießfertigkeit auch nach der Jägerprüfung fortbestehend und\nhinreichend zu erhalten. Als Nachweis fortbestehender und hinreichender\nSchießfertigkeit ist der unteren Jagdbehörde eine Bescheinigung über die\nTeilnahme innerhalb des Zeitraumes dreier zurückliegender Jahre an einem\njagdlichen Schießen, dass das Büchsen- und das Flintenschießen nach Maßgabe\nvon § 5 Abs. 3 der Jägerprüfungsverordnung umfasst, vorzulegen.\n\n \n\n(2)...\n\n8\n\n \n\n(3) Die oberste Jagdbehörde kann aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung, der\nLandeskultur, der Wahrung der Interessen der Land-, Forst- und\nFischereiwirtschaft sowie der Belange des Naturschutzes und der\nLandschaftspflege, zu wissenschaftlichen, Lehr- und Forschungszwecken oder bei\nStörungen des biologischen Gleichgewichtes Ausnahmen von den Verboten des Abs.\n1 zulassen.\n\n9\n\n \n\nDer Antragsteller ist seit über 40 Jahren durchgehend Inhaber eines\nJahresjagdscheins. Er ist Eigentümer der in Mecklenburg-Vorpommern im M.-kreis\nin den Gemeinden F., S. und Z. belegenen Eigentumsflächen in einer Größe von\nca. 315 ha. Im Umfang dieser Flächen besteht ein Eigenjagdbezirk, in welchem\nder Antragsteller die Jagd persönlich ausübt.\n\n10\n\n \n\nMit dem am 04. Mai 2009 gestellten Normenkontrollantrag macht der\nAntragsteller geltend, durch § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V in seinen Rechten im\nSinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO verletzt zu sein. Es sei ihm ohne einen\nNachweis fortbestehender und hinreichender Schießfertigkeit durch eine\nentsprechende Bescheinigung über die Teilnahme an einem jagdlichen Schießen\nausdrücklich verboten, die Jagd in seinem Eigenjagdbezirk und darüber hinaus\ninsgesamt in Mecklenburg-Vorpommern auszuüben. An einem jagdlichen Schießen im\nSinne dieser Vorschrift habe er während der letzten drei Jahre nicht\nteilgenommen. Dadurch sei er in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG,\nin seiner grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG\nsowie in seinen Rechten, die sich aus der Erlangung seines Jagdscheins nach §§\n15 ff. BJagdG ergeben würden, verletzt. Der Antrag sei auch begründet. Die\nangegriffene Regelung sei bereits nicht durch ausreichende\nErmächtigungsgrundlagen gedeckt. Dies gelte mit Blick auf die in der\nRechtsverordnung genannten gesetzlichen Grundlagen zunächst für § 42 Abs. 1\nNr. 3, 4, 5 und 6 sowie Abs. 2 LJagdG M-V; diese Vorschriften stellten keine\ntauglichen Ermächtigungsgrundlagen dar, weil es dort um völlig andere\nRegelungsbereiche (Jagd- und Schonzeiten) gehe. Die angegriffene Regelung habe\nauch nicht auf der Grundlage von § 22 Abs. 4 LJagdG M-V in Verbindung mit § 19\nAbs. 2 BJagdG erlassen werden können. Die bundesrechtliche Vorschrift\nermächtige die Länder, die in § 19 Abs. 1 BJagdG enthaltenen Vorschriften -\nmit Ausnahme der Nummer 16 - zu erweitern oder aus besonderen Gründen\neinzuschränken. In § 19 Abs. 1 BJagdG fänden sich allerdings keine\nJagdausübungsverbote, die in irgendeiner Form auf eine bestehende und nach der\nJägerprüfung hinreichend erhaltene Schießfertigkeit des Jagdscheininhabers\nabstellten. Die angegriffene Regelung erweitere folglich keinen im\nVerbotskatalog aufgezählten Verbotstatbestand. Davon gehe der Antragsgegner\nauch nicht aus. Entgegen seiner Rechtsauffassung seien die Länder aber nicht\nbefugt, neue sachliche Verbote aufzustellen. Eine solche Auslegung\nwiderspreche bereits dem Wortlaut der Vorschrift, der nicht vorsehe, dass die\nLänder darüber hinaus sachliche Verbote erlassen könnten, die in den Nummern 1\nbis 18 des § 19 Abs. 1 BJagdG noch gar nicht geregelt seien. Für eine\nenumerative Aufzählung im Verbotskatalog spreche auch der Umstand, dass der\nBundesgesetzgeber in § 19 Abs. 2 BJagdG die Katalognummer 16 von der\nErweiterungs- und Einschränkungsbefugnis der Länder ausdrücklich ausgenommen\nhabe. Selbst wenn die Auffassung des Antragsgegners zuträfe, dass der\nVerbotskatalog des § 19 Abs. 1 BJagdG um neue sachliche Verbote erweitert\nwerden könne, würde die angegriffene Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V\nkein sachliches, sondern ein persönliches Verbot für diejenigen Jäger in\nMecklenburg-Vorpommern darstellen, die ihre Schießfertigkeit nicht\nnachgewiesen hätten. Die in § 19 Abs. 1 BJagdG aufgeführten Verbote regelten\ndie Art und Weise, wie die Jagd im Einzelfall auszuüben sei; keine der 18\nNummern des § 19 Abs. 1 BJagdG sage etwas hinsichtlich der persönlichen\nFertigkeiten des Jagdausübenden aus. Die angegriffene Regelung betreffe ebenso\nwie die Regelungen der §§ 15 bis 18a BJagdG die persönlichen Voraussetzungen,\ndie eine Person erfüllen müsse, um die Jagd ausüben zu dürfen. Ferner verstoße\ndie angegriffene Regelung gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen den\nGrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Soweit als Nachweis fortbestehender und\nhinreichender Schießfertigkeit lediglich eine Bescheinigung über die Teilnahme\nan einem jagdlichen Schießen, das das Büchsen- und Flintenschießen nach\nMaßgabe von § 5 Abs. 3 Jägerprüfungsverordnung umfasse, verlangt werde, sei\ndie Vorschrift bereits völlig ungeeignet, den mit ihr verfolgten Zweck zu\nerreichen, weil eine erfolgreiche Teilnahme an einem solchen Schießen gerade\nnicht gefordert werde. Selbst wenn man einmal annehmen würde, es gebe Jäger,\ndie schlecht schießen könnten, würde die angegriffene Regelung in keiner Weise\ndazu führen, dass deren Schießfertigkeit verbessert würde.\n\n11\n\n \n\nDer Antragsteller beantragt,\n\n12\n\n \n\n§ 3 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung zur Änderung der Jagdzeiten, zur Aufhebung von\nSchonzeiten und zum Erlass sachlicher Verbote vom 14. November 2008 für\nunwirksam zu erklären.\n\n13\n\n \n\nDer Antragsgegner beantragt,\n\n14\n\n \n\nden Antrag abzulehnen.\n\n15\n\n \n\nDer Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet. § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V\nsei entgegen der Ansicht des Antragstellers durch eine ausreichende\nErmächtigungsgrundlage gedeckt. Diese ergebe sich aus § 19 Abs. 2 BJagdG\ni.V.m. § 22 Abs. 4 LJagdG M-V. Das Erweiterungsrecht in § 19 Abs. 2 BJagdG\nberechtige die Länder auch, neue Gebots- und Verbotstatbestände zu schaffen. §\n19 Abs. 2 BJagdG überlasse es den Ländern, in welcher Form sie von den ihnen\neingeräumten Befugnissen Gebrauch machten; diese könnten durch das jeweilige\nLandesjagdgesetz auf den zuständigen Ressortminister übertragen werden.\nDementsprechend stelle § 22 Abs. 4 LJagdG M-V eine ausreichende\nErmächtigungsgrundlage dar, in deren Rahmen sich die angegriffene Vorschrift\nhalte. § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V erweitere als sachliches Verbot den\nVerbotskatalog des § 19 Abs. 1 BJagdG in zulässiger Weise und verstoße nicht\ngegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Grundsatz der\nVerhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sei geeignet und erforderlich, den mit ihr\nverfolgten Zweck zu erreichen. Sie solle sicherstellen, dass die Jägerschaft\nihrem eigenen Anspruch auf weidgerechte Bejagung nachkomme und den\nAnforderungen des Tierschutzes gerecht werde, indem ein schnelles und präzises\nTöten des Wildtieres erfolge. Die Erhaltung der Schießfertigkeit sei dabei ein\nzentrales Element für die weidgerechte Bejagung. Daneben trage die Erhaltung\nder Schießfertigkeit dazu bei, Gefahrensituationen im Rahmen der Jagdausübung\nauszuschließen. Ein geringer belastendes Mittel zur Erreichung dieser Ziele\nals der in der angegriffenen Vorschrift geforderte Nachweis der\nSchießfertigkeit sei nicht ersichtlich. Die durch die Regelung bewirkten\nBeschränkungen seien für die Betroffenen auch zumutbar. Der Nachweis der\nSchießfertigkeit beschränke sich auf die Teilnahme an einem jagdlichen\nSchießen. Nicht verlangt werde die Ablegung einer erneuten Schießprüfung. Die\nGefahr eines "Durchfallens" bestehe also nicht. Der mit der Nachweisführung\nverbundene Aufwand für die Betroffenen, insbesondere der Zeitaufwand für die\nTeilnahme am jagdlichen Schießen, erscheine in Ansehung des mit dem Nachweis\nder Schießfertigkeit verfolgten Zwecks auch unter zeitlichen Gesichtspunkten\nangemessen.\n\n16\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug\ngenommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n17\n\n \n\nGegenstand des Normenkontrollantrags ist - wie der Antragsteller auf\ngerichtlichen Hinweis klargestellt hat - ausschließlich die Regelung über ein\nBejagungsverbot, nicht zugleich die daran geknüpfte\nOrdnungswidrigkeitenvorschrift. Nach dem hier angegriffenen § 3 Abs. 1 Nr. 7\nJagdZVO M-V ist den Jägern in Mecklenburg-Vorpommern die Jagdausübung\nverboten, wenn sie ihre Schießfertigkeit nicht innerhalb von drei Jahren nach\nder (bestandenen) Jägerprüfung durch Teilnahme an einem entsprechenden\njagdlichen Schießen erhalten (im Folgenden: Bejagungsverbot) und dies\nnachweisen.\n\n \n\nI.\n\n18\n\n \n\nDer Antrag auf Normenkontrolle ist zulässig.\n\n19\n\n \n\n1\\. Der auf § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V beschränkte Normenkontrollantrag ist\nstatthaft, soweit er darauf gerichtet ist, das Bejagungsverbot für unwirksam\nzu erklären. Diese Bestimmung unterliegt nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. §\n13 AGGerStrG der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht. Dass die\nBefolgung dieser Vorschrift durch eine Bußgeldbestimmung gesichert werden\nsoll, die ihrerseits der Gerichtsbarkeit durch das Oberverwaltungsgericht\nentzogen ist, ist unschädlich. Entscheidend ist nur, ob § 3 Abs. 1 Nr. 7\nJagdZVO M-V von der Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 7\nJagdZVO M-V abtrennbar ist und selbständig von den Verwaltungsbehörden und\n-gerichten angewendet werden kann. Dies ist bei § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V -\nnicht zuletzt mit Blick auf die gespaltene Inkrafttretensregelung in § 5 Abs.\n1 JagdZVO M-V - der Fall. Nur wenn die zur Normenkontrolle gestellte\nVorschrift nicht mehr als den gesetz-lichen Tatbestand der Bußgeld- oder\nStrafbestimmung enthielte, wäre die Gerichtsbarkeit des\nOberverwaltungsgerichts nicht mehr gegeben (vgl. Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO,\n2. Aufl., § 47 Rn. 44).\n\n20\n\n \n\n2\\. Der Antrag ist innerhalb der in §47 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierten\nEinjahresfrist fristgerecht erhoben worden und erfüllt auch die übrigen\nZulässigkeitsvoraussetzungen.\n\n21\n\n \n\n3\\. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann\ninsbesondere jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch\ndie Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein\noder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, einen Normenkontrollantrag\nstellen. Danach ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der\nAntragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest\nals möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten\nRechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Die Antragsbefugnis\nfehlt danach, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive\nRechte des Antragstellers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n20.11.2007 - 7 BN 4.07 -, zit. nach juris; Urt. v. 17.12.1998 - 1 CN 1.98 -,\nBVerwGE 108, 182, 184; Urt. v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215,\n217; OVG M-V, Urt. v. 19.03.2008 - 4 K 20/05 -, NordÖR 2008, 459 m.w.N.).\n\n22\n\n \n\nIn einem Eigenjagdbezirk ist grundsätzlich der Eigentümer\njagdausübungsberechtigt (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 BJagdG). Dementsprechend kann\nder Antragsteller geltend machen, durch das Bejagungsverbot in seiner durch\nArt. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Position als Jagdausübungsberechtigter\nnach den §§ 1, 3 Abs. 1 und 7 Abs. 4 BJagdG verletzt zu sein bzw. in\nabsehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das\nBejagungsverbot wirkt für ihn unmittelbar und gegenwärtig, denn er hat geltend\ngemacht, während der letzten drei Jahre an einem entsprechenden jagdlichen\nSchießen nicht teilgenommen zu haben.\n\n \n\nII.\n\n23\n\n \n\nDer Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die Unwirksamkeit der Regelung in\n§ 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V ergibt sich aus materiellem Recht.\n\n24\n\n \n\nDieses Bejagungsverbot ist inhaltlich von seiner gesetzlichen\nErmächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Der Verordnungsgeber hat in doppelter\nHinsicht bei Erlass des Bejagungsverbots den Inhalt der hier einzig in\nBetracht kommenden gesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 22 Abs. 4 LJagdG M-V\nverkannt. Entgegen dem Rechtsstandpunkt des Antragsgegners ist die oberste\nJagdbehörde weder ermächtigt worden, neue (sachliche) Verbotstatbestände im\nVerordnungswege zu erlassen (1.), noch stellt die angegriffene Regelung\nüberhaupt ein sachliches Verbot i.S.d. § 19 BJagdG dar (2).\n\n25\n\n \n\n1\\. § 22 Abs. 4 LJagdG M-V ermächtigt die oberste Jagdbehörde (vgl. § 36 Abs.\n1 LJagdG M-V), durch Verordnung nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 BJagdG sachliche\nVerbote zu erlassen oder einzuschränken.\n\n26\n\n \n\n§ 22 Abs. 4 LJagdG M-V selbst ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.\n\n27\n\n \n\na. Eine Verordnungsermächtigung muss sich im Rahmen des vom Gesetzgeber selbst\nin Anspruch genommenen Regelungsbereichs halten. § 22 Abs. 4 LJagdG M-V hält\nsich innerhalb der Grenzen, die die bundesrechtliche Kompetenzverteilung dem\nLand zieht. Die Grenzen der gesetzgeberischen Befugnis, sachliche Verbote zu\nregeln, ergeben sich aus der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten im\nBundesstaat. Der Bund, dem für das "Jagdwesen" die\nRahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG a.F. zustand, hat\nden Ländern für die Vorschriften des § 19 Abs. 1 BJagdG mit Ausnahme der Nr.\n16 in Abs. 2 ein Erweiterungs- und Einschränkungsrecht eingeräumt und ihnen\ndamit eine ergänzende Rechtssetzung vorbehalten; dies schließt sowohl eine\nVollregelung durch Landesgesetz als auch eine landesgesetzliche\nVerordnungsermächtigung ein. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht\nernstlich streitig. Umstritten ist hingegen der Umfang der\nAusfüllungskompetenz der Länder. Der Antragsteller beruft sich auf den\nWortlaut des § 19 Abs. 2 BJagdG, der nach seiner Auffassung nahelege, dass die\nLänder lediglich die vorhandenen Verbotstatbestände in § 19 Abs. 1 BJagdG\nerweitern oder einschränken dürften. Demgegenüber meint der Antragsgegner,\ndass der Bundesgesetzgeber mit § 19 Abs. 1 BJagdG keine punktuell\nbundesrahmengesetzliche Vollregelung geschaffen habe; den Ländern sei insoweit\nein Spielraum für neue Verbotstatbestände belassen worden. Welche der beiden\nRechtsansichten vorzugswürdig ist, muss vom Senat nicht abschließend\nentschieden werden. Dies gilt ebenso für die Frage, unter welchen\nVoraussetzungen mit Blick auf die sog. Föderalismusreform im Jahre 2006 (vgl.\nGesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006, BGBl. I, S. 2034)\ngänzlich neue landesrechtliche Verbote ergehen dürfen und wer sie zu erlassen\nhat. Verhält es sich so, dass diese den bundesrechtlichen Rahmen übersteigen,\nhätte der Antragsgegner von seinem jetzigen Abweichungsrecht Gebrauch machen\nmüssen. Gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GG kann er durch Gesetz abweichende\nRegelungen über das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine) treffen.\n\n28\n\n \n\nIm Zeitpunkt des Erlasses des Bundesjagdgesetzes vom 29.11.1952 (BGBl. I, S.\n780) erforderte die Einhaltung der Rahmenkompetenz für den Bundesgesetzgeber\nnur, dass das Bundesgesetz darauf angelegt sein musste, durch Landesgesetze\nausgefüllt werden zu können, und dass im Hinblick auf das zu regelnde\nSachgebiet den Ländern etwas von substantiellem Gewicht zu regeln übrig\nbleiben musste. Vollregelungen durch den Bundesgesetzgeber waren nur in\nAusnahmefällen zulässig (vgl. Art. 75 Abs. 2 GG a.F., eingefügt durch das\nGesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994, BGBl. I, S. 3146). Nach\neiner älteren, im Schrifttum vertretenen und nicht näher begründeten\nAuffassung (vgl. Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, 4. Aufl.,\n1982, § 19 BJG Rn. 55), auf die der Antragsgegner verweist, kann eine\nErweiterung der Verbote des § 19 Abs. 1 BJagdG auch in der Aufstellung neuer\nGebots- und Verbotstatbestände bestehen.\n\n29\n\n \n\nAn diesem Rechtszustand hat sich auch durch die Föderalismusreform im Jahre\n2006, die das Jagdwesen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des\nBundes überführt hat (jetzt Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG), nichts Grundlegendes\ngeändert. Das Bundesjagdgesetz gilt gemäß Art. 125b Abs. 1 Satz 1 GG als\nBundesrahmenrecht rang-, inhalts- und wirkungsgleich fort (sog.\nFortgeltungsanordnung, vgl. Haratsch, in: Sodan, GG, 2009, Art. 125b Rn.\n2;Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 125b Rn. 3). Nach\nSatz 2 bleiben die Befugnisse und Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung\nbestehen. § 19 Abs. 2 BJagdG begründet folglich unverändert die Befugnis des\nLandes Mecklenburg-Vorpommern, den Rahmen durch Ausnutzung des\nErweiterungsrechts auszufüllen, ohne dass es insoweit einer\nAbweichungsbefugnis nach Art. 125b Abs. 1 Satz 3, 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GG\nbedürfte. Ein "Abweichen" im Sinne der vorgenannten Vorschriften kann immer\nnur dann vorliegen, soweit ein Landesgesetz den bundesrechtlichen Rahmen\nübersteigt (vgl. hierzu Seiler, in: Epping/ Hillgruber, GG, 2009, Art. 125b\nRn. 2.1).\n\n30\n\n \n\nb. Selbst wenn nämlich die vorgenannten Fragen zu Gunsten des Antragsgegners\nzu beantworten wären, kann eine Auslegung der landesgesetzlichen\nErmächtigungsnorm nur ergeben, dass der Verordnungsgeber auf dieser Grundlage\nkeine völlig neuen Verbotstatbestände regeln, sondern nur bestehende erweitern\noder einschränken darf.\n\n31\n\n \n\nDabei hat sich der Senat zunächst von der Erkenntnis leiten lassen, dass der\nLandesgesetzgeber jedenfalls in § 22 Abs. 1 bis 3 LJagdG M-V von seiner\nAusfüllungskompetenz dergestalt Gebrauch gemacht hat, dass er zusätzliche bzw.\nneue (sachliche) Verbotstatbestände geregelt hat ungeachtet der zuvor\naufgeworfenen Frage, inwieweit er hierzu nach den bundesrechtlichen Vorgaben\nüberhaupt berechtigt war. In diesem Kontext muss dann auch § 22 Abs. 4 LJagdG\nM-V gesehen werden. Die offen, quasi als Blanko- bzw. Pauschalermächtigung\n(vgl. hierzu Mann, in: Sachs, GG, 5. Auflage 2009, Art. 80 Rn. 26) formulierte\nErmächtigungsnorm ist im Wege der verfassungskonformen Auslegung einschränkend\nzu konkretisieren (vgl. auch Brun-Otto Bryde, in: v. Münch, GG-Kommentar, 5.\nAuflage 2003, Bd. III, Art. 80 Rn. 22).\n\n32\n\n \n\nSoll die oberste Jagdbehörde über die Vollregelung im Landesjagdgesetz hinaus\nnach § 22 Abs. 4 LJagdG M-V noch zusätzlich ermächtigt werden, durch\nRechtsverordnung "nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 BJagdG" sachliche Verbote zu\nerlassen oder einzuschränken, so verlangt Art. 57 Abs. 1 Satz 2 Verf M-V, dass\ndiese vom Gesetzgeber nach Inhalt, Zweck und Ausmaß selbst bestimmt werden.\nTendenz und Programm der Rechtsverordnung sind gesetzlich so weit zu umreißen,\ndass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger\ngegenüber zulässig sein soll (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.06.1988 - 2 BvL 9/85\nu. 3/86 -, BVerfGE 78, 249, 272 m.w.N. ; Beschl. v. 07.11.1991 - 1 BvR 1469/86\n-, BVerfGE 85, 97, 104 f.; BVerwG, Urt. v. 22.11.2000 - 6 C 8.99 -, BVerwGE\n112, 194, 200; Urt. v. 1.3.1996 - 8 C 29.94 -, BVerwGE 100, 323, 325 f.).\n\n33\n\n \n\nDiesen Anforderungen wird die Vorschrift des § 22 Abs. 4 LJagdG M-V gerecht.\nInhalt und Zweck der Ermächtigung kommen in der Vorschrift hinreichend\ndeutlich zum Ausdruck oder können durch Auslegung bestimmt werden. Wenn die\noberste Jagdbehörde ermächtigt wird, sachliche Verbote zu erlassen oder\neinzuschränken, stellt dies eine ausreichende Inhaltsbestimmung dar. Soweit\nder Verordnungsermächtigung selbst eine Zweckbestimmung nicht zu entnehmen\nist, ist dies unschädlich. Da die oberste Jagdbehörde ermächtigt worden ist,\nnach "Maßgabe des § 19 Abs. 2 des BJagdG" Verbote zu regeln, lässt sich der\nZweck der Verordnungsermächtigung aus der bundesrechtlichen Vorschrift des §\n19 Abs. 1, 2 BJagdG im Wege der Auslegung noch bestimmen. Ihre Bedeutung\nbesteht vor allem in dem Katalog der Jagdausübungsformen, die mit den\nGrundsätzen deutscher Weidgerechtigkeit (§ 1 Abs. 3 BJagdG) nicht in Einklang\nzu bringen sind (hierzu Mitzschke/Schäfer, a.a.O., § 19 BJG Rn. 2). Insoweit\nist nicht entscheidend, ob der Verordnungsgeber - wie der Antragsgegner\nvorträgt - mit der angegriffenen Regelung auch das Ziel verfolgt haben sollte,\nden Anforderungen des Tierschutzes (vgl. § 44 a BJagdG) und des Jagdschutzes\ngerecht zu werden, wobei streitig ist, ob der Jagdschutz überhaupt zu den\nPflichten im Sinne des § 1 Abs. 3 BJagdG zählt (vgl. hierzu Mitzschke/Schäfer,\na.a.O., § 1 BJG Rn. 45). Maßgebend sind nicht die Motive des Gesetz- oder\nVerordnungsgebers, sondern der in der rechtlichen Vorschrift zum Ausdruck\nkommende objektive Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers, so wie er sich\naus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den\ndie Ermächtigung gestellt ist (BVerfG, Beschl. v. 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -,\nBVerfGE 19, 354, 361 f.; BVerwG, Urt. v. 13.12.1984 - 7 C 3.83 u.a. -, BVerwGE\n70, 318, 335).\n\n34\n\n \n\nDie Ermächtigung des § 22 Abs. 4 LJagdG M-V kann auch in ihrem Ausmaß als noch\nhinreichend bestimmt angesehen werden. Indem sie untergesetzliche Regelungen\nan die Maßgaben des Bundesrechts bindet, verpflichtet sie den Verordnungsgeber\nzur Beachtung des in § 19 Abs. 1 BJagdG aufgeführten Verbotskatalogs. Sie\nlässt ihm allerdings nicht die Freiheit, darüber zu bestimmen, ob und welche\ngänzlich neuen (sachlichen) Verbotstatbestände geregelt werden dürfen (vgl.\nzum unbestimmten Ausmaß einer Ermächtigung BVerfG, Beschl. v. 18.01.1966 - 2\nBvL 21/64 -, BVerfGE 19, 370, 376).\n\n35\n\n \n\nArt. 57 Abs. 1 Satz 2 Verf M-V verbietet Auslegungen, die mit dem erkennbaren\nRegelungsprogramm des Gesetzgebers nicht mehr übereinstimmen. Eine so an Art.\n57 Abs. 1 Satz 2 Verf M-V orientierte Auslegung führt hier zu dem Ergebnis,\ndass § 22 Abs. 4 LJagdG M-V nicht zu neuen Verboten ermächtigt, deren Umfang\nweder vom Landesgesetzgeber selbst festgelegt werden dürfte noch für den\nbetroffenen Jäger oder einen unbeteiligten Dritten vorhersehbar wäre.\n\n36\n\n \n\nEtwas anderes könnte nur dann gelten, wenn das Landesjagdgesetz nach seinem\nsonstigen Inhalt und seiner Systematik Rückschlüsse auf ein entsprechendes\nRegelungsprogramm des Gesetzgebers für eine Verbotsverordnung mit solchen\nInhalten zuließe. Dies ist aber nicht der Fall, wie eine Gesamtbetrachtung des\nRegelwerks zeigt.\n\n37\n\n \n\nDie Aufnahme von neuen sachlichen Verboten in das Landesjagdgesetz legt im\nGegenteil gerade den Schluss auf einen gesetzgeberischen Willen nahe, neue\nVerbotstatbestände selbst regeln und nicht auf den Verordnungsgeber übertragen\nzu wollen. Damit läuft die Verordnungsermächtigung keineswegs leer. Denn\nzumindest die weniger bedeutsame Frage, ob vorhandene Verbote gegebenenfalls\nnur zeitlich begrenzt erweitert oder eingeschränkt werden, also die Frage der\nFeinjustierung hat der Gesetzgeber nicht für regelungsnotwendig erachtet und\ninsoweit an den Verordnungsgeber delegiert.\n\n38\n\n \n\n2\\. Die angegriffene Verbotsregelung hält sich auch deshalb nicht innerhalb\nder Verordnungsermächtigung, weil diese ausschließlich zum Erlass sachlicher\nVerbote i.S.d. § 19 BJagdG ermächtigt. Hieran fehlt es. Das streitige\nBejagungsverbot stellt kein sachliches Verbot i.S.d. § 19 BJagdG dar. Es\nknüpft an die subjektiven Voraussetzungen für die Jagdausübung an, die in der\nPerson des Jägers vorliegen müssen, und verbietet diesem bei Nichtvorliegen\ndie Jagdausübung. Damit geht es sowohl vom Tatbestand als auch von den\nAuswirkungen her über ein sachliches Verbot im Sinne des § 19 BJagdG weit\nhinaus.\n\n39\n\n \n\na. Der in § 19 Abs. 1 Nr. 1 bis 18 BJagdG geregelte Verbotskatalog enthält\nVorschriften über die Art und Weise des Jagens und richtet sich vornehmlich an\nden befugt Jagenden. Danach sind eine Vielzahl von Mitteln, Einrichtungen und\nMethoden, die bei der Jagdausübung benutzt werden können, die das Gesetz aber\nals den Grundsätzen deutscher Weidgerechtigkeit (§ 1 Abs. 3 BJagdG)\nwidersprechend oder als der Erhaltung eines gesundes Wildbestandes abträglich\nansieht, verboten (vgl. hierzu Mitzschke/Schäfer, a.a.O., Vorb. zum V.\nAbschnitt u. § 19 BJG Rn. 2, 3; Schan-dau/Drees, Das Jagdrecht in NW,\nKommentar BJG/ LJG NW, Stand: Dez. 2002, § 19 BJG, I. BundesR). § 19 Abs. 1\nBJagdG regelt demzufolge die Jagdmodalitäten. Dem Antragsgegner ist zwar\nzuzugeben, dass die sachlichen Verbote i.S.d. § 19 Abs. 1 BJagdG z.T. auf das\nnicht weidgerechte Verhalten der Jäger abstellen. Davon zu trennen ist jedoch\ndie Frage, ob der Jäger bestimmte persönliche Voraussetzungen erfüllen muss,\nwill er die Jagd berechtigt ausüben. Diese scheiden als Anknüpfungspunkt für\nein sachliches Verbot nach Sinn und Zweck des § 19 BJagdG aus.\n\n40\n\n \n\nb. Entsprechendes gilt - was vom Antragsgegner ebenso übersehen worden ist -\nfür den Umfang des Verbots. Wie sich aus der gesetzlichen Überschrift des 5.\nAbschnitts zweifelsfrei ergibt, ermöglicht § 19 BJagdG eine Beschränkung der\nJagd. Die Jagdausübung wird nicht in in ihrer Gesamtheit verboten, sondern nur\nin bestimmter Hinsicht eingeschränkt. Ein - vollständiges -\nJagdausübungsverbot wäre nach der Konzeption des § 19 BJagdG gar nicht\nzulässig. Ein Verbot der Jagdausübung ist in § 41a BJagdG geregelt. Nach\ndieser Vorschrift kann unter den dort genannten Voraussetzungen entweder als\nNebenstrafe ein strafgerichtliches oder als Nebenfolge einer\nOrdnungswidrigkeit ein verwaltungsbehördliches Jagdausübungsverbot ergehen.\nDas (befristete) Verbot der Jagdausübung lässt den erteilten Jagdschein\nunberührt. Er ist nicht nach § 18 BJagdG einzuziehen.\n\n41\n\n \n\nNach der hier angegriffenen Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V ist die\nJagdausübung im Falle der Nichterhaltung der Schießfertigkeit nach der\nJägerprüfung verboten und nicht nur beschränkt. Der Nachweis der erhaltenen\nSchießfertigkeit kann nur durch eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem\njagdlichen Schießen nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 JägerPVO M-V während der\nletzten drei Jahre erbracht werden. Damit dürfen in Mecklenburg-Vorpommern\nalle unter den Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 7 JagdZVO M-V fallenden\nJäger überhaupt nicht mehr jagen. Die angegriffene Vorschrift regelt damit das\n"Ob" der Jagdausübung und nicht nur ihre Art und Weise, also die Frage des\n"Wie" des Jagens. Das Bejagungsverbot stellt ein untergesetzliches\nJagdausübungsverbot mit der Besonderheit dar, dass es - anders als bei § 41a\nBJagdG - bereits kraft Gesetzes gilt und nicht erst aufgrund einer Gerichts-\noder Verwaltungsentscheidung. Ein solches Verbot ist von der\nVerordnungsermächtigung nicht gedeckt und zwar unabhängig davon, ob die\noberste Jagdbehörde gemäß § 3 Abs. 3 JagdZVO M-V von dem gesetzlichen Verbot\nAusnahmen zulassen kann.\n\n42\n\n \n\nOb ein inhaltsgleiches Bejagungsverbot wenn nicht im Verordnungswege so doch\nals Landesgesetz erlassen werden könnte, erscheint dem Senat nicht frei von\nrechtlichen Bedenken. Die Sachnähe zum Jagdscheinrecht - eine abweichungsfeste\nRegelungsmaterie des Bundes (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 i.V.m. Art. 72 Abs. 3\nSatz 1 Nr. 1 GG) - ist unzweifelhaft vorhanden. Möglicherweise aus diesem\nGrund sind ähnliche landesrechtliche Regelungen als bloße "Soll-Vorschriften"\nausgestaltet ( vgl. § 19 Abs. 3 LJagdG Bln und § 15 Abs. 3 SJG) bzw.\nbeschränken sich auf die Jagdausübung auf der Regiejagdfläche des Landes (vgl.\ndie Festlegung des Landesbetriebs HESSEN-FORST).\n\n43\n\n \n\nIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n44\n\n \n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1\nVwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.\n\n45\n\n \n\nGründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).\n\n
100,089
fg-schleswig-holsteinisches-2011-08-03-5-ko-10111
1,067
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht
fg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Finanzgerichtsbarkeit
5 KO 101/11
2011-08-03
2018-11-21 22:30:07
2019-02-14 04:51:47
Beschluss
ECLI:DE:FGSH:2011:0803.5KO101.11.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Erinnerung wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Mit seiner am 13. Dezember 2010 beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht\neingegangenen Klage (Az: 5 K 265/10) wandte sich der Kläger gegen den\nEinkommensteuerbescheid 2007, den Umsatzsteuerbescheid 2007 und den\nGewerbesteuermessbetragsbescheid für 2007. Nach Abtrennung des Verfahrens\nhinsichtlich der Umsatzsteuer 2007 aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten\nnach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts und einem Wechsel des\nProzessbevollmächtigten nahm der Kläger durch Schriftsatz seines neuen\nProzessbevollmächtigten vom 04. April 2011 hinsichtlich des\nGewerbesteuermessbetrages für das Jahr 2007 die Klage zurück. Zugleich wurde\neine bis dahin nicht vorliegende Klagbegründung für die hinsichtlich des\nEinkommensteuerbescheides 2007 aufrechterhaltene Klage angekündigt. Ferner\nwurde darauf hingewiesen, dass weiterhin Bemühungen bestünden, mit dem\nFinanzamt eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen. Mit Beschluss des\nBerichterstatters vom 06. April 2011 wurde daraufhin das Verfahren betreffend\nden Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2007 von dem Verfahren 5 K 265/10\nabgetrennt und unter dem Az. 5 K 67/11 eingestellt. Nach einer\neinvernehmlichen Regelung zwischen dem Kläger und dem Finanzamt nahm der\nKläger schließlich auch die aufrechterhaltene Klage gegen den\nEinkommensteuerbescheid 2007 in der Sache 5 K 265/10 mit Schriftsatz vom 29.\nJuni 2011 zurück.\n\n \n\n2\n\n \n\nMit Kostenrechnung vom 29. April 2011 wurden dem Kläger - ausgehend von dem\nMindeststreitwert von 1.000 € - in dem abgetrennten Verfahren 5 K 67/11\nGerichtsgebühren in Höhe von 110 € in Rechnung gestellt.\n\n \n\n3\n\n \n\nHiergegen hat der Kläger am 12. Mai 2011 die vorliegende Erinnerung eingelegt.\n\n \n\n4\n\n \n\nEr macht geltend, dass in dem abgetrennten Verfahren keine Gerichtskosten\nerhoben werden könnten. Jedenfalls liege ein Fall der unrichtigen\nSachbehandlung nach § 21 GKG vor. Eine Abtrennung sei nicht zwingend\nerforderlich gewesen. Dies könne nicht in der Weise zu Lasten des Klägers\ngehen, dass diesem durch die Abtrennung Mehrkosten entstünden. Eine\nVerfahrenstrennung dürfe mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht willkürlich\nsein. Eine Willkür sei insbesondere dann nicht gegeben, wenn die\nVerfahrenstrennung dazu diene, den Prozessstoff zu ordnen und übersichtlicher\nzu gestalten. Eine derartige Rechtfertigung sei vorliegend jedoch nicht\ngegeben. Die Klage sei zum Zeitpunkt der Abtrennung noch nicht begründet\ngewesen. Es habe daher noch keinen zu ordnenden Prozessstoff gegeben. Das\nzukünftige Vorbringen hätte sich nur noch auf die streitige Einkommensteuer\n2007 bezogen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sei eine Verfahrenstrennung\nnicht erforderlich gewesen. Im Übrigen sei dem Gericht auch damals bereits\nmitgeteilt worden, dass zwischen den Beteiligten weiterhin Einigungsversuche\nunternommen würden. Ein sachlicher Grund für die Verfahrenstrennung sei daher\nnicht ersichtlich.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n6\n\n \n\nII. Die Erinnerung ist nach § 66 Abs. 1 GKG statthaft. Sie ist jedoch\nunbegründet.\n\n \n\n7\n\n \n\n1\\. Die kostenrechtlich getrennte Behandlung der Verfahren 5 K 67/11 und 5 K\n265/10 ist nicht zu beanstanden. Kommt es zu einer Abtrennung von\nVerfahrensteilen (§ 73 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), ist für jeden\nVerfahrensteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ein\nEinzelstreitwert anzusetzen (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139\nFGO Rz. 234; Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl., § 73 Rz. 29; BFH, Beschluss vom 22.\nSeptember 2008 II E 14/07 zitiert nach juris). Für die Verfahrensgebühr ist in\ndiesem Fall ebenfalls nicht von einem Gesamtstreitwert, sondern jeweils von\nEinzelstreitwerten auszugehen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO-FGO, vor § 135\nFGO Rz. 106; BFH, Beschluss vom 22. September 2008 II E 14/07 zitiert nach\njuris). Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz des - von dem Kläger auch der\nHöhe nach nicht beanstandeten - Mindeststreitwerts von 1.000,00 € nach § 52\nAbs. 1 und Abs. 4 GKG sowie der Ansatz von 2,0 Gerichtsgebühren gemäß KV Nr.\n6111 zum GKG für das abgetrennte Verfahren grundsätzlich nicht zu beanstanden.\n\n \n\n8\n\n \n\n2\\. Entgegen der Auffassung des Klägers kann im Streitfall aber auch nicht von\neiner Erhebung der Kosten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen werden. Nach\ndieser Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht\nentstanden wären, nicht erhoben. Die von dem Erinnerungsführer als\nunberechtigt angesehene Trennung des Verfahrens nach Teilrücknahme, die einen\nselbständigen und abgrenzbaren Teil der Klage, nämlich den\nGewerbesteuermessbetragsbescheid 2007, betraf, begründet keine unrichtige\nSachbehandlung. Die Berufung eines Erinnerungsführers auf § 21 Abs. 1 Satz 1\nGKG kann nicht dazu führen, rechtskräftige Gerichtsentscheidungen, die dem\nKostenansatz zugrunde liegen - hier die Verfahrenstrennung nach § 73 Abs. 1\nSatz 2 FGO -, im Verfahren der Erinnerung nochmals auf ihre Rechtmäßigkeit hin\nzu überprüfen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 03. Juni 1997 VIII E 2/97, BFH/NV\n1997, 891; vom 23. Februar 2006 II E 7/05, BFH/NV 2006, 1311, vom 22.\nSeptember 2008 II E 14/07, zitiert nach juris). Ausnahmen hiervon kommen daher\nnur bei erkennbaren Versehen oder offensichtlichen Verstößen gegen eindeutige\nVorschriften in Betracht (BFH, Beschluss vom 22. September 2008 II E 14/07,\nzit. nach juris; Hartmann in: Kostengesetze, 41. Aufl., § 21 GKG Rn. 8). Ein\nsolcher Verstoß ist im Streitfall allerdings nicht ersichtlich. Die\nEntscheidung über die Trennung mehrerer in einem Verfahren zusammengefasster\nKlaggegenstände nach § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO steht im Ermessen des Gerichts.\nAnhaltspunkte für eine offensichtliche Ermessensfehlerhaftigkeit bestehen hier\nentgegen der Ansicht des Klägers aber nicht. Nimmt ein Kläger - wie im\nStreitfall - die Klage wegen einer von mehreren streitigen Steuerfestsetzungen\noder Steuerarten zurück oder erledigt sich insoweit der Rechtsstreit in der\nHauptsche, hält der Kläger die Klage jedoch wegen anderer Zeiträume oder\nSteuerarten aufrecht, so ist - jedenfalls dann, wenn eine zeitnahe Erledigung\ndes Restverfahrens nicht zu erwarten ist - eine Trennung der unterschiedlichen\nKlaggegenstände auch nach der Kommentarliteratur sachgerecht (vgl. Brandis in\nTipke/Kruse AO/FGO § 73 FGO Rn. 10; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 73\nFGO Rz. 33). Eine Trennung der Verfahren erscheint bei einer derartigen\nKonstellation im Hinblick auf eine aufgrund des unterschiedlichen\nVerfahrenslaufs übersichtlichere Ordnung des Streitgegenstandes - auch wenn im\nStreitfall eine Klagbegründung noch nicht erfolgt war - sowie aufgrund der\neinfacheren Gestaltung bei der Kostenentscheidung sinnvoll. Eine willkürliche\nHandhabung der Trennung, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem\nKammerbeschluss vom 10. Juli 1996 (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Juli\n1996, 2 BvR 65/95 u. a., NJW 1997, 649) angenommen hat, kann dagegen nicht\nangenommen werden. Denn anders als in dem Sachverhalt, der dem oben genannten\nKammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, bestanden im\nStreitfall durchaus die oben genannten sachlichen Gründe für eine\nVerfahrenstrennung; auch in der Kommentarliteratur wird bei der vorliegenden\nGrundkonstellation die hier getroffene Ermessensentscheidung als sachgerecht\neingestuft. Darüber hinaus konnte der Berichterstatter auch nicht davon\nausgehen, dass eine zeitnahe Erledigung des Restverfahrens zum Zeitpunkt der\nTeilrücknahme zu erwarten war. Denn die Angabe des Klägervertreters, dass\nweiterhin Bemühungen mit dem Finanzamt im Hinblick auf eine einvernehmliche\nRegelung unternommen würden, sagte nicht darüber aus, wann diese Bemühungen\nabgeschlossen sein könnten und wie wahrscheinlich eine kurzfristige, das\nRestverfahren erledigende Einigung mit dem Beklagten in diesem Fall ist. Vor\ndiesem Hintergrund kann jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen\neindeutige Vorschriften, der allein eine Nichterhebung von Kosten nach § 21\nAbs. 1 Satz 1 GKG rechtfertigte, angenommen werden.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden\nnicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).\n\n \n\n10\n\n \n\nDer Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).\n\n \n\n
100,719
bverwg-2011-11-29-4-b-811-4-b-811
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
4 B 8/11, 4 B 8/11 (4 C 13/11)
2011-11-29
2018-11-22 05:30:05
2019-01-17 23:32:42
Beschluss
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerde ist begründet. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO\nzuzulassen, weil das Revisionsverfahren zur Klärung der Frage beitragen kann,\nwelche Anforderungen an die städtebauliche Rechtfertigung bauleitplanerischer\nFestsetzungen zur Stärkung von zentralen Versorgungsbereichen zu stellen sind.\n\n2\n\n \n\nDie Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1\nund 3, § 52 Abs. 1 GKG, die vorläufige Streitwertfestsetzung für das\nRevisionsverfahren auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG.\n\n
101,113
bverwg-2011-10-24-9-b-7511-9-b-7511
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
9 B 75/11, 9 B 75/11 (9 C 14/11)
2011-10-24
2018-11-22 09:30:05
2019-01-17 23:37:30
Beschluss
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die Revision ist gemäß\n§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache\nzuzulassen. Sie kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der Rechtsfrage geben,\nob der Käufer eines Grundstücks, zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung\nin das Grundbuch eingetragen ist und der fristgerecht Einwendungen erhoben\nhat, gegen einen Planfeststellungsbeschluss, mit dem Teile des Kaufgrundstücks\nin Anspruch genommen werden, klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist.\n\n2\n\n \n\nDie vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren folgt\naus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.\n\n
101,130
bverwg-2011-10-20-9-b-8211-9-b-8211
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
9 B 82/11, 9 B 82/11 (9 B 48/11)
2011-10-20
2018-11-22 09:30:06
2019-01-17 23:37:49
Beschluss
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDer Senat ist zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen, § 54 Abs. 1\nVwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO. Ein Fall des § 45 Abs. 3 ZPO liegt entgegen der\nAuffassung des Klägers nicht vor.\n\n2\n\n \n\nDer Antrag des Klägers auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am\nBundesverwaltungsgericht Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit ist bereits\nunzulässig, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorsitzender Richter am\nBundesverwaltungsgericht Dr. S. ist mit Erreichen der Altersgrenze aus dem\nGericht ausgeschieden und wird deshalb an der Entscheidung über die\nAnhörungsrüge nicht mehr mitwirken.\n\n3\n\n \n\nSoweit der Antrag sich gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht D.\nrichtet, ist er unbegründet. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO\nsetzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus,\ndass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die\nUnparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es genügt, wenn vom Standpunkt\nder Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei\nvernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit\nzu zweifeln. Eine rein subjektive Besorgnis, für die vernünftigerweise kein\nGrund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (Urteil vom 5. Dezember 1975 -\nBVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>). Hinreichende objektive Gründe,\ndie bei vernünftiger Betrachtungsweise Anlass geben, an der Unparteilichkeit\ndes abgelehnten Richters zu zweifeln, sind hier nicht gegeben.\n\n4\n\n \n\nDer Kläger sieht einen Ablehnungsgrund vor allem darin, dass Richter am\nBundesverwaltungsgericht D. das Urteil des Bayerischen\nVerwaltungsgerichtshofes sowohl materiellrechtlich wie auch\nverfahrensrechtlich anders beurteilt als er selbst. Das gilt insbesondere für\nden Vorwurf, der im Rahmen der Gehörsrüge nach § 152a VwGO zu behandeln sein\nwird, der Richter habe die einschlägigen, vom Kläger angeführten\nEntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie die Entscheidung des\nBayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 12. Januar 2005 - Vf. 3-VII-03 -\nnicht zur Kenntnis genommen oder sich bewusst über sie hinweggesetzt und\ndeshalb nicht darauf abgestellt, dass Bundesverfassungsrecht\nselbstverständlich revisibles Bundesrecht sei, auch wenn hier eine\ngemeindliche Satzung in Rede stehe. Der abgelehnte Richter habe fortgesetzt\nBeweise vereitelt, indem er die Ablehnung aller Beweisanträge trotz Verstoßes\ngegen Bundesverfassungsrecht für rechtmäßig gehalten habe. Die Frage des\nRechts auf Einsicht in Urkunden nach § 99 VwGO sei ebenfalls gesetzeswidrig\nund verfahrensfehlerhaft beurteilt worden. Die vor Erlass der\nAusbaubeitragssatzung durchgeführten Maßnahmen seien "contra legem" der\nBeitragspflicht unterworfen worden.\n\n5\n\n \n\nDer Kläger leitet damit seine Besorgnis der Befangenheit aus einer\nunterschiedlichen - d.h. von der seinigen abweichenden - Beurteilung der\nRechtslage durch den abgelehnten Richter her. Dass ein abgelehnter Richter bei\nder rechtlichen Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein\nBeteiligter, reicht indes regelmäßig nicht aus, um eine Besorgnis der\nBefangenheit zu begründen; das gilt selbst für irrige Ansichten (Beschluss vom\n29. Mai 1991 - BVerwG 4 B 71.91 - NJW 1992, 1186 <1187> stRspr; vgl. auch\nKopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 54 Rn. 11b m.w.N.). Danach erweisen sich\ndie vorstehend wiedergegebenen Ablehnungsgründe als nicht tragfähig. Im\nBeschluss vom 6. September 2011 findet sich - soweit im Verfahren der\nNichtzulassungsbeschwerde veranlasst - eine ausführliche Auseinandersetzung\nmit den Rügen der unzutreffenden Beurteilung der materiellen Rechtslage sowie\nder aufgeworfenen Verfahrensfragen wie der Verletzung des rechtlichen Gehörs\ndurch Ablehnung der Beweisaufnahme und der Anträge auf Beiziehung von\nVerwaltungsvorgängen und der Einsicht in diese nach § 99 VwGO. Dass dies\nRichter am Bundesverwaltungsgericht D. anders beurteilt als der Kläger,\nbegründet keine Befangenheit. Soweit der Kläger rügt, die Anträge auf\nBeiziehung von Urkunden hätten nicht mit Verweis auf § 86 Abs. 2 VwGO\nabgelehnt werden dürfen, weil die Vorschrift auf den Urkundenbeweis nicht\nanwendbar sei, missversteht der Kläger den Inhalt der Entscheidung. Diese\nbefasst sich insoweit mit seiner Rüge, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof\nhabe verfahrensfehlerhaft die "Beweisanträge" des Klägers nicht gemäß § 86\nAbs. 2 VwGO vorab beschieden.\n\n6\n\n \n\nSoweit der Kläger sein Ablehnungsgesuch außerdem darauf stützt, dass im\nBeschluss vom 6. September 2011 (Rn. 15) seine Schriftsätze vom 7., 14. und\n24. Juni 2011 nicht zur Kenntnis genommen worden seien, mit denen er sehr wohl\ndas Problem "Sonnleitnergasse" vor dem Verwaltungsgerichtshof gerügt habe,\nkann ihm gleichfalls nicht gefolgt werden. Diese Schriftsätze sind erst nach\nErlass des Berufungsurteils beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen und\nkonnten deshalb in dem Urteil nicht berücksichtigt werden. Für die Frage, ob\nund inwieweit sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem erwähnten Problem\nbefassen musste, sind sie daher ohne Belang und brauchten folglich unter\ndiesem Aspekt auch nicht in dem Senatsbeschluss vom 6. September 2011\ngewürdigt zu werden.\n\n7\n\n \n\nDie Behauptung, es stehe eine Rechtsbeugung im Raum, ist abwegig, weshalb eine\nAussetzung des Verfahrens gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 149 ZPO nicht in\nBetracht kommt.\n\n
101,287
bverwg-2011-09-22-6-b-1911
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
6 B 19/11
2011-09-22
2018-11-22 13:30:04
2019-01-17 23:38:40
Beschluss
## Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil\ndes Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 31. März 2011 wird\nzurückgewiesen.\n\n \n\nDer Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n \n\nDer Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 €\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der\nRechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der Divergenz nach § 132 Abs.\n2 Nr. 2 VwGO (2.) und des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3\nVwGO (3.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.\n\n2\n\n \n\n1\\. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache\nnach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.\n\n3\n\n \n\nGrundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die\nRevisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im\nInteresse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher\nKlärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO\nverlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die\nRevisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund,\nder ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die\nBeschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung\nzur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten Rechtsfrage\nmit einer über den Einzelfall hinausweisenden Bedeutung führen kann. Den\nDarlegungen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen\nim vorliegenden Fall erfüllt sind.\n\n4\n\n \n\nDer Kläger möchte grundsätzlich geklärt wissen, "ob die Behörde verpflichtet\nist, Willenserklärungen eines Beteiligten ihrem Inhalt und Sinn nach durch\nAuslegung zu ermitteln, dabei das gesamte Verhalten des Erklärenden\nfestzustellen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, sowie\nfestzustellen, ob die Willenserklärung des Beteiligten hinreichend bestimmt\nist, um von einer Antragstellung im Sinne des § 22 Satz 2 LVwVfG BW / § 22\nSatz 2 VwVfG ausgehen zu müssen." Der Kläger stellt diese Frage vor dem\nHintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof den gegenüber der beklagten\nHochschule geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zum Studium im Bachelor-\nStudiengang Medical Engineering im sechsten Fachsemester zwar nicht wegen\neines aus den Vorschriften des § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG BW oder des § 62 Abs. 3\nNr. 2 LHG BW abzuleitenden zwingenden Immatrikulationshindernisses, jedoch\ndeshalb verneint hat, weil der Kläger das nach § 60 Abs. 3 Nr. 2 LHG BW\neinzuhaltende Verfahren für die Zulassung in einem höheren Fachsemester eines\nmit Zulassungsbeschränkungen versehenen Studienganges nicht durchlaufen,\ninsbesondere den gemäß § 14 Abs. 6 der Studienordnung der Beklagten vom 2.\nFebruar 2005 erforderlichen Antrag auf Anerkennung vergleichbarer Studien- und\nPrüfungsleistungen nicht gestellt habe (UA S. 6 ff.).\n\n5\n\n \n\nDer Senat kann offenlassen, ob die Entscheidungserheblichkeit der\naufgeworfenen Frage entfallen ist, nachdem die Beklagte nach Ergehen des\nangefochtenen Urteils durch § 1 Abs. 9 Satz 2 bis 4 ihrer am 8. Juni 2011 neu\nerlassenen Zulassungs- und Immatrikulationsordnung eine Satzungsbestimmung\nüber die Gleichwertigkeit von Studiengängen mit im Wesentlichen gleichem\nInhalt eingeführt hat, deren Fehlen bisher der Annahme eines\nImmatrikulationshindernisses aus der landesrechtlichen Vorschrift des § 60\nAbs. 2 Nr. 2 LHG BW in ihrer Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof\nentgegenstand (vgl. zur Berücksichtigung von Änderungen des irrevisiblen\nRechts in der Revisionsinstanz: Urteil vom 3. November 1994 - BVerwG 3 C 17.92\n- BVerwGE 97, 79 <81 f.> = Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 1 S. 2 f.).\nEbenfalls nicht eingehen muss der Senat auf die allgemeine Problematik der\nRevisibilität von Auslegungsregeln (vgl. dazu etwa: Urteil vom 18. Dezember\n1987 - BVerwG 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <352> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr.\n151 S. 10). Denn der von dem Kläger bezeichneten Fragestellung kommt eine\ngrundsätzliche Bedeutung jedenfalls deshalb nicht zu, weil sie ohne Weiteres\nanhand der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\nbeantwortet werden kann und aus diesem Grund keiner Klärung in einem\nRevisionsverfahren bedarf.\n\n6\n\n \n\nNach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom\n12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302 <307> = Buchholz 310 §\n69 VwGO Nr. 7 S. 6, vom 11. November 2004 - BVerwG 3 C 4.04 - BVerwGE 122, 166\n<170> = Buchholz 428.21 KVG Nr. 2 S. 13, vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06\n- BVerwGE 126, 149 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 52 und vom 11. Januar\n2011 - BVerwG 1 C 1.10 - juris Rn. 15 f.) sind im Bereich des revisiblen\nRechts öffentlich-rechtliche Willenserklärungen und damit auch Anträge\nentsprechend den für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen\ndes bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätzen der §§ 133 und 157 BGB\nauszulegen. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden\nPartei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei\nobjektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist (ebenso für die Auslegung von\nVerwaltungsakten: Urteile vom 14. Februar 2007 - BVerwG 6 C 28.05 - Buchholz\n442.066 § 150 TKG Nr. 3 Rn. 24 und vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 6 C 47.06 -\nBuchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 29).\n\n7\n\n \n\n2\\. Soweit sich der Kläger darauf beruft, der Verwaltungsgerichtshof sei in\neiner den Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ausfüllenden\nWeise von den Grundsätzen der soeben dargestellten Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts - insbesondere dem Urteil vom 12. Dezember 2001 -\nBVerwG 8 C 17.01 - (a.a.O.) - abgewichen, verhilft auch dies der Beschwerde\nnicht zum Erfolg.\n\n8\n\n \n\nDer Zulassungsgrund der Divergenz ist erfüllt, wenn die Vorinstanz in\nAnwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden\nabstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz, der in der Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten\nGerichts aufgestellt worden ist, widersprochen hat. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3\nVwGO ist die Abweichung in der Beschwerdebegründung darzulegen.\n\n9\n\n \n\nAus dem Beschwerdevortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass der\nVerwaltungsgerichtshof abstrakt andere Auslegungsmethoden befürwortet hätte\nals das Bundesverwaltungsgericht. Der Kläger meint vielmehr, das\nBerufungsgericht hätte bei Anwendung dieser Auslegungsmethoden sein Schreiben\nvom 11. Juni 2008 inhaltlich als Antrag auf Anerkennung seiner bisher im\nDiplom-Studiengang Medical Engineering erbrachten Prüfungsleistungen im Sinne\ndes § 14 Abs. 6 der Studienordnung der Beklagten bewerten müssen. In der -\nvorgeblich - fehlerhaften Anwendung eines höchstrichterlich aufgestellten\nRechtssatzes liegt jedoch keine Divergenz im Sinne des\nRevisionszulassungsrechts. Mit Angriffen gegen die berufungsgerichtliche\nTatsachenwürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall kann deshalb eine\nAbweichungsrüge nicht begründet werden (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 10.\nJuli 1995 - BVerwG 9 B 18.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 264 S. 14).\n\n10\n\n \n\n3\\. Schließlich kann der Kläger auch mit seiner Rüge eines Verfahrensmangels\nim Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht durchdringen. Nach dieser\nVorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend\ngemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.\nDies ist hier nicht der Fall.\n\n11\n\n \n\nDer Kläger macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe es unter Verstoß\ngegen §§ 86, 113 Abs. 5 VwGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG unterlassen, die Sache\nim Wege einer Herbeiführung der von ihm vermissten Entscheidung über die\nAnerkennung erbrachter Prüfungsleistungen spruchreif zu machen. Dabei geht er\ndavon aus, dass sein Schreiben vom 11. Juni 2008 entgegen dem Verständnis des\nVerwaltungsgerichtshofs einen hierauf gerichteten Antrag enthielt. Dieser\nVortrag geht ins Leere.\n\n12\n\n \n\nZum Einen entkräftet der Kläger die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs,\nin dem Schreiben vom 11. Juni 2008 sei der besagte Antrag nicht enthalten,\nnicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen. Zum Anderen erkennt er im Ergebnis\nselbst (Beschwerdebegründung S. 6), dass es sich bei dem bislang nicht\ndurchgeführten Anrechnungsverfahren um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren\nhandelt, das nicht Gegenstand des hier streitgegenständlichen\nStudienzulassungsverfahrens und deshalb in dem anhängigen Prozess dem\ngerichtlichen Zugriff entzogen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers kann der\nihm vorschwebende gerichtliche Übergriff in den Bereich der Exekutive auch\nnicht durch Erwägungen des effektiven Rechtsschutzes gerechtfertigt werden.\n\n13\n\n \n\nIm Übrigen könnte eine fehlende vorprozessuale Antragstellung bei der\nzuständigen Behörde selbst in der Konstellation eines einheitlichen\nVerfahrens- bzw. Streitgegenstandes nicht im Wege der Spruchreifmachung\nüberwunden werden. Sie stellt vielmehr wenn nicht eine Klagevoraussetzung, so\ndoch jedenfalls eine Sachurteilsvoraussetzung für eine Verpflichtungsklage dar\n(vgl. dazu m.w.N.: Urteil vom 16. Dezember 2009 - BVerwG 6 C 40.07 - Buchholz\n421.0 Prüfungswesen Nr. 409 Rn. 17 und 24).\n\n14\n\n \n\n4\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des\nStreitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs.\n3, § 52 Abs. 2 GKG.\n\n
101,947
lsgsh-2010-02-22-l-1-r-22408
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 1 R 224/08
2010-02-22
2018-11-22 20:30:24
2019-01-17 11:30:39
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2010:0222.L1R224.08.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lubeck vom 30.\nOktober 2008 wird zuruckgewiesen.\n\n \n\nKosten haben die Beteiligten einander auch fur das Berufungsverfahren nicht zu\nerstatten.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten uber einen fruheren Beginn der Regelaltersrente (RAR)\nder Klagerin.\n\n2\n\n \n\nDie am … 1933 geborene Klagerin legte vom 1. Dezember 1951 bis 5. Juni 1954\nals versicherungspflichtig beschaftigte Naherin in der Bundesrepublik\nDeutschland Rentenversicherungszeiten zuruck. Im Februar 1956 wanderte sie in\ndie USA aus, erwarb deren Staatsburgerschaft und zahlte\nRentenversicherungsbeitrage in die US-amerikanische Sozialversicherung ein.\nAuf ihren Antrag vom 15. Marz 1995 gewahrte der amerikanische\nRentenversicherungstrager (SSA = Social Security Administration) der Klagerin\neine Altersrente. Im Antragsformular beantwortete die Klagerin die Frage, ob\nsie auch bei einem auslandischen Rentenversicherungstrager versichert sei\n(covered under foreign SSA = covered [insur] = versichert), mit „nein".\n\n3\n\n \n\nAuf ihren am 27. April 2006 bei der Beklagten gestellten Rentenantrag gewahrte\ndiese ihr ab 1. April 2006 RAR in Hohe von zunachst 21,85 EUR monatlich\n(Bescheid vom 8. Dezember 2006). Die Beklagte kundigte dabei an, die Rente\nunter Berucksichtigung eines hoheren Zugangsfaktors neu festzustellen, sofern\ndie Klagerin binnen sechs Monaten ein fruheres amerikanisches Antragsdatum\nnachweise. Hierauf reagierte die Klagerin nicht. Mit Bescheid vom 13. Juli\n2007 stellte die Beklagte daraufhin die RAR unter Berucksichtigung eines\nhoheren Zugangsfaktors - er erhohte sich von 1,0 auf 1,475 - wegen\nInanspruchnahme der Rente erst 95 Kalendermonate nach Vollendung des 65.\nLebensjahres in Hohe von 32,40 EUR neu fest.\n\n4\n\n \n\nMit ihrem hiergegen am 28. August 2007 eingelegten Widerspruch begehrte die\nKlagerin einen fruheren Rentenbeginn. Sie machte geltend, dass ihr 1995 in den\nUSA gestellter Rentenantrag auch als Antrag auf eine deutsche Rente zu werten\nsei, weil der amerikanische Rentenversicherungstrager in keiner Weise seiner\nAuskunfts- und Beratungspflicht nachgekommen sei. Sie habe nicht gewusst, dass\nsie auch einen deutschen Rentenanspruch habe. Niemand habe sie darauf\nhingewiesen.\n\n5\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2008 wies die Beklagte den Widerspruch\nmit der Begrundung zuruck, dass aus den ubersandten Unterlagen des\namerikanischen Rentenversicherungstragers nicht hervorgegangen sei, dass sie\nbei Antragstellung in Amerika auch deutsche Zeiten geltend gemacht habe. Zwar\nhatten gemaß Art. 14 des Deutsch-Amerikanischen Sozialversicherungsabkommens\nschriftliche Antrage und andere Urkunden, die dem Rentenversicherungstrager\ndes einen Vertragsstaates vorgelegt wurden, dieselbe Wirkung wie bei Vorlage\nbei einem Trager des anderen Vertragsstaates. Diese Gleichstellung werde\njedoch fur Leistungsantrage durch Art. 7 Abs. 1 der Durchfuhrungsvereinbarung\nzum Deutsch-Amerikanischen Sozialversicherungsabkommens insoweit\neingeschrankt, als dass der Antrag auf Geldleistungen in einem Staat nur dann\nals Antrag nach den Vorschriften des anderen Staates anzusehen sei, wenn auch\nentsprechende Versicherungszeiten geltend gemacht wurden und der Antrag auch\nnicht auf Leistungserbringung nur des einen Staates begrenzt werde. Die\nKlagerin habe bei der Beantragung der amerikanischen Rente die Frage nach\nauslandischen Versicherungszeiten zweifelsfrei verneint. Damit liege ein\ngleichgestellter US-Rentenantrag im Sinne des Art. 14 des Deutsch-\nAmerikanischen Sozialversicherungsabkommens nicht vor.\n\n6\n\n \n\nMit ihrer hiergegen am 15. Juli 2008 beim Sozialgericht Lubeck eingegangenen\nKlage hat die Klagerin im Wesentlichen ausgefuhrt, dass sie im amerikanischen\nRentenantrag nicht nach auslandischen Versicherungszeiten und auch nicht\ndanach gefragt worden sei, ob sie einen Leistungsanspruch in einem anderen\nLand geltend machen werde. Im amerikanischen Antrag sei nur die Frage nach der\nZugehorigkeit zu einem auslandischen Sozialversicherungssystem gestellt\nworden. Dass ein Deutsch-Amerikanisches Sozialversicherungsabkommen bestehe\nund deutsche Versicherungszeiten relevant sein konnten, habe sie daraus nicht\nerkennen konnen und auch nicht gewusst. Deswegen habe sie die Frage verneint.\nHieruber hatte sie der amerikanische Rentenversicherungstrager aufklaren\nmussen. Das habe er nicht getan, so dass der 1995 in den USA gestellte\nRentenantrag auch als deutscher Rentenantrag gelten musse.\n\n7\n\n \n\nDie Klagerin hat beantragt,\n\n8\n\n \n\ndie Beklagte unter Abanderung des Bescheides vom 13. Juli 2007 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2008 zu verurteilen, ihr\nRegelaltersrente bereits ab 1. Mai 1998 zu gewahren.\n\n9\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n10\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n11\n\n \n\nZur Begrundung hat sie sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.\n\n12\n\n \n\nDas Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Oktober 2008 mit der\nBegrundung abgewiesen, dass der von der Klagerin in den USA gestellte\nRentenantrag nicht als Antrag auf Leistung aus der deutschen\nRentenversicherung gelte. Art. 7 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchfuhrung\ndes Deutsch-Amerikanischen Sozialversicherungsabkommens enthalte zwar eine\nGleichstellungsfiktion, die aber nur dann zur Anwendung komme, wenn der Antrag\nerkennen lasse, dass auch Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften des\nanderen Vertragsstaates geltend gemacht wurden. Diese Voraussetzung liege\nnicht vor, weil die Klagerin bei Beantragung der amerikanischen Rentenleistung\nangegeben habe, dass sie keine auslandischen Versicherungszeiten zuruckgelegt\nhabe. Die Klagerin konne auch nicht verlangen, aufgrund des sozialrechtlichen\nHerstellungsanspruches so gestellt zu werden, als hatte sie den Rentenantrag\nbereits 1995 gestellt. Weder der deutsche noch der amerikanische\nRentenversicherungstrager hatte Auskunfts- und Beratungspflichten nach den §§\n14, 15 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I)verletzt oder gegen die Hinweispflicht\ndes § 115 Sechstes Sozialgesetzbuches (SGB VI) verstoßen. Ein Beratungsanlass\nfur den deutschen Sozialversicherungstrager habe schon deswegen nicht\nbestanden, weil bis zur Antragstellung der Klagerin bei der Beklagten am 27.\nApril 2006 ein die Klagerin betreffender Verwaltungsvorgang gar nicht\nexistiert habe. Die Verletzung einer aus § 115 Abs. 6 SGB VI resultierenden\nHinweispflicht scheitere daran, dass dieser Fall fur Hinweispflichten nicht\ngeeignet gewesen sei. Denn die Beklagte habe zur Feststellung eines\nRentenanspruches der Klagerin zunachst ein Kontenklarungsverfahren durchfuhren\nmussen. In Deutschland zuruckgelegte Beitragszeiten der Klagerin habe die\nBeklagte vor April 2006 nicht erkennen konnen, weil solche Zeiten nicht\ngespeichert gewesen seien. Ein Beratungsfehler des amerikanischen\nRentenversicherungstragers sei ungeachtet dessen, ob dieser der Beklagten\nzuzurechnen ware, ebenfalls nicht ersichtlich. Nach dem Inhalt der Protokolle\nder deutsch-amerikanischen Verbindungsstellenbesprechungen vom 31. Mai bis 2.\nJuni 1989 und vom 4. bis 6. Mai 1993 sei regelmaßig davon auszugehen, dass die\nSSA bei Antragstellung, und zwar auch schon vor Einfuhrung der zwingenden\nAbfrage nach auslandischen Versicherungszeiten im Rahmen des\ncomputergeschutzten Antragsverfahrens Anfang der 90er Jahre, regelmaßig\ngeklart habe, ob auch auslandische (deutsche) Versicherungszeiten geltend\ngemacht werden sollten. Dies decke sich mit dem vorgelegten Antragsinhalt.\nDafur, dass die Klagerin falsch oder auf Nachfrage nicht beraten worden sei,\ngebe es keine Hinweise.\n\n13\n\n \n\nGegen dieses ihr am 21. November 2008 zugestellte Urteil wendet sich die\nKlagerin mit ihrer am 18. Dezember 2008 bei dem Schleswig-Holsteinischen\nLandessozialgericht eingegangenen Berufung. Zur Begrundung macht die Klagerin\nim Wesentlichen geltend: Es sei unerheblich, ob sie deutsche Zeiten angegeben\nhabe oder nicht. Das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 8. Dezember\n2005 zum Deutsch-Kanadischen Sozialversicherungsabkommen enthielten allgemein\ngultige Rechtsgrundsatze, die sich auf das rechtliche Wissen des\nAntragstellers und was dieser zum Ausdruck bringen musse, um eine\nGleichstellung des Rentenantragsdatums fur die deutsche Rente mit dem Datum\nder beantragten Rente im Wohnsitzland zu erreichen, bezogen. Danach schließe\nnicht einmal die Verneinung der entsprechenden Fragen im Antrag aus, dass das\nAntragsdatum des US-Rentenantrages zugrunde zu legen sei. Denn wie das BSG zu\nRecht dargelegt habe, bedurfe es nicht einer konkreten Bekundung, dass jemand\ndie deutsche Rente wunsche, und es mussten auch nicht deutsche Beitragszeiten\nangegeben werden, um einen deutschen Rentenanspruch zu begrunden. Der\namerikanische Rentenversicherungstrager habe es im Übrigen aber auch grob\nfahrlassig unterlassen, konkrete und richtige Fragen im Zusammenhang mit ihrer\ndeutschen Rente zu stellen. Diese Unterlassung gehe zu Lasten der Beklagten.\nDas amerikanische Rentenantragsformular enthielte an keiner Stelle eine\nAufklarung uber den Hintergrund der Fragen oder Hinweise auf deutsche\nSozialversicherungsabkommen oder andere wichtige Bestimmungen. Sie habe nicht\nerkennen konnen, dass ein Anspruch auf deutsche Rente mit der Frage „covered\nunder foreign SSA" im Zusammenhang stehe. Sie habe auch gar nicht gewusst, was\nSSA heiße.\n\n14\n\n \n\nDie Klagerin beantragt,\n\n15\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Lubeck vom 30. Oktober 2008 aufzuheben und die\nBeklagte unter Abanderung ihres Bescheides vom 13. Juli 2007 in der Fassung\ndes Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2008 zu verurteilen, ihr\nRegelaltersrente ab dem 15. Marz 1995 zu gewahren.\n\n16\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n18\n\n \n\nSie halt das erstinstanzliche Urteil fur zutreffend und macht geltend, dass\neine Vergleichbarkeit des Deutsch-Kanadischen Sozialversicherungsabkommens mit\ndem Deutsch-Amerikanischen Sozialversicherungsabkommen in Anbetracht des\ninsoweit eindeutigen Wortlautes des DASVA nicht moglich sei. Im Übrigen konne\nab Inkrafttreten des Zusatzabkommens ab 1. Dezember 2003 auch bei kanadischen\nAntragen eine Gleichstellung nur noch erfolgen, wenn Versicherungszeiten des\nanderen Vertragsstaates im Antrag angegeben wurden.\n\n19\n\n \n\nDie den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakte\nhaben dem Senat vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren\nInhalt Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n20\n\n \n\nDie nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung der Klagerin, uber die der Senat im\nEinverstandnis mit den Beteiligten ohne mundliche Verhandlung entscheiden\nkonnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulassig, sie ist jedoch nicht begrundet. Das\nSozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klagerin keinen\nAnspruch auf einen fruheren Rentenbeginn hat. Die Beklagte hat den 1. April\n2006 rechtsfehlerfrei als Beginn der RAR festgesetzt.\n\n21\n\n \n\nAuf den Rechtsstreit sind die Vorschriften des SGB VI anzuwenden, weil der\nRentenanspruch erst nach dem 1. Januar 1992 entstanden ist (§ 300 Abs. 2 SGB\nVI). Gemaß § 35 SGB VI lagen fur die Klagerin ab Mai 1998 die Voraussetzungen\nfur einen Anspruch auf RAR vor. Sie hatte das 65. Lebensjahr vollendet und die\nallgemeine Wartezeit (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) erfullt. Ein\nRentenanspruch ab Antragsstellung in den USA bestand schon deshalb nicht, weil\ndie Klagerin zu diesem Zeitpunkt erst 61 Jahre alt war. Fur den Zeitraum Mai\n1998 bis 31. Marz 2006 brauchte die Beklagte die aus dem Stammrecht\nerwachsenen monatlichen Rentenzahlungsanspruche jedoch nicht zu erfullen. Die\nBeklagte hat fur diesen Zeitraum zutreffend den Antragseinwand des § 99 Abs. 1\nSGB VI erhoben. Nach § 99 Abs. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener\nVersicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die\nAnspruchsvoraussetzungen erfullt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten\nKalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die\nAnspruchsvoraussetzungen erfullt sind. Bei spaterer Antragstellung wird eine\nRente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die\nRente beantragt wird. § 99 Abs. 1 SGB VI regelt den Zahlungsbeginn bei spater\nAntragstellung, also die Frage, welcher Einzelanspruch der erste ist, den der\nRentenversicherungstrager erfullen muss, falls der Berechtigte den Antrag\nnicht vor oder bei Entstehung des Rechts auf Rente, sondern erst nach diesem\nZeitpunkt stellt. Fur diese Falle wird ein materiell-rechtlicher, die falligen\nEinzelanspruche vernichtender Einwand ausgestaltet, der dann Platz greift,\nwenn der Antrag mehr als drei Kalendermonate nach Ablauf des Monats gestellt\nwird, in dem das Recht auf Rente entstanden ist (BSG, Urteil vom 2. August\n2000 - B 4 RA 54/99 R, in juris). Die Anspruchsvoraussetzungen fur die RAR\nnach § 35 SGB VI waren fur die Klagerin fruhestens im Mai 1998 erfullt. Der\ndritte Kalendermonat nach Ablauf dieses Monats war der August 1998 (vgl. § 26\nSGB X i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 1. Alternative und § 192 Burgerliches\nGesetzbuch - BGB -). Bis Ende August 1998 hatte die Klagerin jedoch keine\nLeistungen aus der deutschen Rentenversicherung beantragt. Bei spaterer\nAntragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung erst vom Antragsmonat\nan geleistet (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), hier also ab April 2006.\n\n22\n\n \n\nDer von der Klagerin bereits im Marz 1995 bei der SSA gestellte Rentenantrag\ngilt nicht als Antrag auf Gewahrung von Rentenleistungen nach den deutschen\nRechtsvorschriften. Das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den\nVereinigten Staaten von Amerika am 7. Januar 1976 (BGBl. II 1976, 1358)\ngeschlossene Abkommen uber soziale Sicherheit (DASVA) sieht zwar in Art. 14\nAbs. 1 vor, dass schriftliche Antrage, die der zustandigen Behorde oder einem\nTrager des einen Vertragsstaates vorgelegt werden, dieselbe Wirkung haben wie\nbei Vorlage bei der zustandigen Behorde oder dem Trager des anderen\nVertragsstaates. Art. 7 Abs. 1 der Vereinbarung zur Durchfuhrung des Abkommens\nvom 7. Januar 1976 uber soziale Sicherheit (DV/DASVA) vom 21. Juni 1978 (BGBl.\nII 1979, 567) in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 2. Oktober 1986 (BGBl.\nII 1988, 86) und der zweiten Zusatzvereinbarung vom 6. Marz 1995 (BGBl. II\n1996, 306) zum Abkommen DASVA regelt aber hierzu einschrankend, dass bei einem\nAntrag auf Geldleistungen der Antrag erkennen lassen muss, dass auch\nVersicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates\ngeltend gemacht werden. Nur wenn dies der Fall ist, gilt der Antrag zugleich\nauch als Antrag auf Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften des anderen\nVertragsstaates. Insoweit unterscheidet sich das Deutsch-Amerikanische\nAbkommen wesentlich von dem bis zum 30. November 2003 geltenden Deutsch-\nKanadischen Abkommen (DKSVA), weshalb die Klagerin sich hierauf und auf die\ndazu ergangene Rechtsprechung auch nicht mit Erfolg berufen kann (BSG, Urteil\nvom 12. Februar 2004 - B 13 RJ 58/03 - und vom 8. Dezember 2005 - B 13 RJ\n53/05 R; LSG Hamburg, Urteil vom 24. Februar 2005 - L 6 RJ 122/03, jeweils in\njuris). Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 des DKSVA galt ein in Kanada gestellter\nRentenantrag zugleich auch als Antrag auf Leistungen nach den\nRechtsvorschriften der deutschen Rentenversicherung. Diese Wirkung war im\nGegensatz zum Deutsch-Amerikanischen Abkommen nach dem Wortlaut des Abkommens\nnicht an weitere Voraussetzungen wie z. B. die Angabe von deutschen\nVersicherungszeiten geknupft. Ein „Kenntlich-Machen" einer weiteren\nRentenberechtigung in dem anderen Vertragsstaat wurde nach dem DKSVA gerade\nnicht gefordert. Sollte hier der Antrag nach dem Wunsch des Antragstellers\nnicht zugleich als im anderen Vertragsstaat gestellter Antrag behandelt werden\nsein, musste dies gemaß Art. 19 Abs. 3 Satz 2 DKSVA ausdrucklich erklart\nwerden. Das Deutsch-Amerikanische Abkommen sieht dagegen in Art. 7 der dazu\nergangenen Durchfuhrungsverordnung ausdrucklich vor, dass Versicherungszeiten\nzur Auslosung der Gleichstellungsfiktion ausdrucklich geltend gemacht werden\nmussen (vgl. BSG, a.a.O.; LSG Berlin, a.a.O.).\n\n23\n\n \n\nDie Klagerin hat einen auch fur den deutschen Rentenversicherungstrager\ngeltenden Antrag bei der SSA nicht gestellt. Sie hat in ihrem Antrag keine\ndeutschen Versicherungszeiten angegeben und somit nicht zu erkennen gegeben,\ndass sie auch Versicherungszeiten nach deutschen Rechtsvorschriften geltend\nmachen wollte. Die Frage des amerikanischen Rentenversicherungstragers, ob sie\nbei einem auslandischen Rentenversicherungstrager versichert sei, hat sie\nausdrucklich verneint.\n\n24\n\n \n\nDie Klagerin kann auch nicht verlangen, aufgrund eines sozialrechtlichen\nHerstellungsanspruches so behandelt zu werden, als hatte sie den Antrag auf\neine deutsche Rentenleistung vor April 2006 gestellt. Der von der\nRechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die\nVornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustands gerichtet, der\nbestehen wurde, wenn der Versicherungstrager die ihm aufgrund eines Gesetzes\noder eines konkreten Sozialrechtsverhaltnisses der Versicherten gegenuber\nerwachsenen Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und\nBeratung, ordnungsgemaß wahrgenommen hatte (standige Rechtsprechung, vgl. BSG\nin SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m.w.N., in juris). Voraussetzung eines solchen\nAnspruches ist eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung. Vorliegend\nhat die Beklagte weder ihre Beratungs- und Auskunftspflicht nach §§ 14, 15 SGB\nI noch ihre Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt. Der Senat halt\ndie diesbezuglichen Ausfuhrungen des Sozialgerichts fur uberzeugend und nimmt\nauf sie Bezug. Es existierte vor April 2006 weder ein die Klagerin\nbetreffender Verwaltungsvorgang bei der Beklagten mit gespeicherten Daten noch\nKontakte zwischen ihr und der Beklagten, die Anlass fur Auskunfts-, Beratungs-\noder Hinweispflichten sein konnten.\n\n25\n\n \n\nEin der Beklagten zuzurechnender Beratungsfehler des amerikanischen\nRentenversicherungstragers - SSA - ist nicht ersichtlich. Es bestand kein\nAnlass zur Beratung. Die Klagerin ist in dem Antragsformular der SSA\nausdrucklich gefragt worden, ob sie durch einen auslandischen\nRentenversicherungstrager versichert ist (covered under foreign SSA) und ob\nAnspruche gegen den auslandischen Rentenversicherungstrager geltend gemacht\nwerden sollen (filing for foreign SSA). Diese Frage hat die Klagerin verneint\nbzw. unbeantwortet gelassen, so dass die SSA uberhaupt keine Kenntnis von\ndeutschen Versicherungszeiten der Klagerin haben konnte. In Anbetracht des\nnoch jungen Lebensalters der Klagerin bei Auswanderung in die USA musste sich\nder SSA auch nicht aufdrangen, die Klagerin auf die Moglichkeit eines\nRentenantrages uber die im Antragsformular gestellten Fragen hinaus gesondert\nhinzuweisen.\n\n26\n\n \n\nDer SSA kann auch keine unterlassene oder fehlerhafte Spontanberatung\nangelastet werden. Die Klagerin hat nicht vorgetragen, dass sie bei dem\namerikanischen Rentenversicherungstrager uberhaupt um eine Auskunft oder\nBeratung nachgesucht hat. Angesichts ihrer Behauptung, dass sie nicht\nverstanden habe, was SSA bedeute, ware dies jedoch von ihr zu erwarten\ngewesen, bevor sie den Antrag ausfullt. Die Benutzung von Behordenabkurzungen,\ndie im Übrigen auch in Deutschland ublich ist und die Unkenntnis Einzelner\nhieruber, erfullt jedenfalls nicht die Voraussetzungen eines\nBeratungsverschuldens durch die Beklagte. Dass die Klagerin in den 50er Jahren\nversicherungspflichtig zur deutschen Rentenversicherung tatig gewesen ist,\nwusste sie, so dass sie bei einfacher Nachfrage nach der Begrifflichkeit SSA\nohne Weiteres in der Lage gewesen ware, die Frage in dem Antragsformular\nkorrekt zu beantworten. Rechtliches Hintergrundwissen wie etwa die Erfullung\nder erforderlichen Wartezeit als Voraussetzung fur einen Rentenanspruch nach\ndeutschem Recht waren dafur nicht erforderlich. Die Prufung, ob aufgrund der\nzuruckgelegten deutschen Versicherungszeit Rentenanspruche bestanden oder\nnicht, oblag im Übrigen nicht ihr und ein Irrtum hieruber ware unter keinerlei\nGesichtspunkten dem deutschen oder amerikanischen Rentenversicherungstrager\nanzulasten.\n\n27\n\n \n\nDie Berufung war nach alledem zuruckzuweisen.\n\n28\n\n \n\nDie Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\n29\n\n \n\nDie Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgrunde im Sinne von § 160\nAbs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.\n\n \n\n
102,003
lg-kiel-2009-10-02-11-o-8009
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
11 O 80/09
2009-10-02
2018-11-22 21:30:13
2019-01-17 11:30:41
Urteil
ECLI:DE:LGKIEL:2009:1002.11O80.09.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 1.149,37 Euro nebst Zinsen p. a.\nin Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz auf 10.135,30\nEuro fur die Zeit vom 27.02.2009 bis 04.06.2009, auf 4.149,37 Euro fur die\nZeit vom 05.06.2009 bis 02.08.2009 und auf 1.149,37 Euro seit dem 03.08.2009\nzu zahlen.\n\n \n\n \n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Klagerin tragt 15 %, die Beklagte 85 % der Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\n \n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hohe von 110 %\ndes aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht\nvorher Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages\ngeleistet wird.\n\n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klagerin nimmt die Beklagte auf restlichen Werklohn in Anspruch.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Beklagte beauftragte die Klagerin am 19.08.2008 unter Vereinbarung der\nVOB/B mit der Lieferung und Montage einer Ölbrennwertheizung und einer\nSolaranlage. Die Anlage wurde zum 07.02.2009 fertiggestellt. Die Beklagte\nverweigerte zu diesem Zeitpunkt die Abnahme, weil die Solaranlage wegen der\nWetterlage nicht habe uberpruft werden konnen.\n\n \n\n3\n\n \n\nUnter dem 07.02.2009 erstellte die Klagerin ihre Schlussrechnung mit einer\nBruttogesamtsumme in Hohe von 26.852,77 Euro, von der noch eine\nRestbruttosumme in Hohe von 11.852,77 Euro offen gewesen sein sollte. Mit\nSchreiben vom 17.02.2009 mahnte die Klagerin die Zahlung dieses Betrages mit\nFristsetzung bis zum 26.02.2009 an.\n\n \n\n4\n\n \n\nDie Klagerin hat zunachst eine Verurteilung der Beklagten in Hohe des Betrages\nvon 11.852,77 Euro begehrt. Mit Schriftsatz vom 01.07.2009, beim Gericht am\n02.07.2009 eingegangen, begehrt sie eine Verurteilung der Beklagten zu einer\nZahlung in Hohe von 5.866,84 Euro, nachdem die Beklagte eine weitere Zahlung\nin Hohe von 5.985,93 Euro erbracht hatte. Schließlich begehrt sie mit\nSchriftsatz vom 10.09.2009, beim Gericht eingegangen am 11.09.2009, eine\nVerurteilung der Beklagten nach Zahlung eines weiteren Betrages in Hohe von\n3.000,00 Euro nur noch in Hohe von 2.866,84 Euro.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Parteien haben in Hohe der wahrend des Rechtsstreits gezahlten Betrage die\nHauptsache ubereinstimmend fur erledigt erklart.\n\n \n\n6\n\n \n\n**Die Kl agerin beantragt,**\n\n7\n\n \n\ndie Beklagte zu verurteilen, an die Klagerin 2.866,84 Euro nebst Zinsen in\nHohe von 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz auf 11.852,77 Euro fur die\nZeit vom 15.02.2009 bis 04.06.2009, auf 5.866,84 Euro fur die Zeit vom\n05.06.2009 bis 02.08.2009 und auf 2.866,84 Euro seit dem 03.08.2009 zu zahlen.\n\n \n\n8\n\n \n\n**Die Beklagte beantragt,**\n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n10\n\n \n\nDie Beklagte ist der Meinung, zur Abnahme der Arbeiten am 07.02.2009 und\nBegleichung der Schlussrechnung nicht verpflichtet gewesen zu sein, weil die\nAnlage infolge der Witterungsverhaltnisse nicht auf Mangelfreiheit habe\nuberpruft werden konnen. Es seien auch Mangel aufgetaucht, die die Klagerin\ndann nachfolgend behoben habe, so dass sie, die Beklagte, zu den vorgenommenen\nEinbehaltungen berechtigt gewesen sei.\n\n \n\n11\n\n \n\nIn Hohe des nicht gezahlten Betrages sei die Klage unberechtigt. Zunachst sei\n- unstreitig - die Schlussrechnungssumme infolge eines gewahrten Nachlasses um\n1.625,84 Euro brutto zu kurzen. Die Position 4.1 in Hohe von 91,63 Euro brutto\nsowie 5.1 in Hohe von 40,88 Euro brutto seien unberechtigt in Rechnung\ngestellt worden. Daruber hinaus habe sich die Klagerin geweigert, eine defekte\nSicherheitsgruppe des Kamins auszuwechseln.\n\n \n\n12\n\n \n\nDas Gericht hat nach der mundlichen Verhandlung vom 21.07.2009 das\nschriftliche Verfahren angeordnet. Auf die Niederschrift des\nVerhandlungsprotokolls vom 21.07.2009 sowie auf die gewechselten Schriftsatze\nnebst Anlagen wird erganzend Bezug genommen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n13\n\n \n\nDie Klage ist zum Teil begrundet.\n\n \n\n14\n\n \n\nDie Klagforderung ist zunachst um den gewahrten Nachlass in Hohe von brutto\n1.625,84 Euro zu reduzieren. Dass dieser Nachlass eingeraumt worden ist, ist\nunstreitig. Dennoch wurde der Nachlass bei der Hohe der Klagforderung nicht\nberucksichtigt.\n\n \n\n15\n\n \n\nDes Weiteren ist die Position 4.1 mit einem Betrag in Hohe von 91,63 Euro\nbrutto zu Unrecht in Rechnung gestellt worden. Es ist ebenfalls zwischen den\nParteien unstreitig, dass diese Arbeiten nicht ausgefuhrt worden sind. Der von\nder Klagerin behaupteten Absprache, dass wegen der Schließung eines Loches in\nder Wand diese Position dennoch abgerechnet werden sollte, brauchte nicht\nweiter nachgegangen zu werden. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die\nKlagerin uberhaupt Anspruch auf Vergutung dieser Leistungen hatte, weil sie\nals Nebenleistung Teil der bereits beauftragten Arbeiten waren.\n\n \n\n16\n\n \n\nDagegen ist der Einwand der Beklagten gegen die Position 5.1 unberechtigt. Es\nwurde danach ein Kupferrohr in Rechnung gestellt. Etwaiger Verschnitt ist von\nder Beklagten mit zu bezahlen.\n\n \n\n17\n\n \n\nAufgrund der Weigerung der Klagerin, die Sicherheitsgruppe des Kamins\nauszuwechseln, kann die Beklagte ebenfalls keine Rechte herleiten. Nach § 1\nAbs. 4 Satz 2 VOB/B konnen Leistungen, die zur Ausfuhrung der vertraglichen\nLeistungen nicht erforderlich sind, dem Auftragnehmer nur mit seiner\nZustimmung ubertragen werden. Um solche Leistungen handelt es sich hier, weil\ndie Sicherheitsgruppe bereits zuvor vorhanden war und kein Gegenstand der\nBeauftragung der Klagerin war. Die Klagerin war daher berechtigt, die Annahme\ndes Auftrages zu verweigern. Der Beklagten stand es frei, eine Auswechselung\noder Reparatur durch eine andere Firma zu veranlassen.\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Zinsforderung ist gemaß den §§ 286, 288 BGB begrundet. Der Verzugseintritt\nwurde von der Klagerin jedoch fehlerhaft berechnet. Die Beklagte wurde\nausweislich des Mahnschreibens vom 17.02.2009 erst zum 26.02.2009 in Verzug\ngesetzt. Dabei wird der letzte Tag der gesetzten Frist - trotz der von der\nKlagerin genannten Uhrzeit 12.00 Uhr - nicht mitberechnet, so dass Zinsen erst\nab 27.02.2009 gefordert werden konnen.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1 ZPO, 91 a ZPO.\n\n \n\n20\n\n \n\nIm Rahmen des § 91 a ZPO ist eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen\nnach dem derzeitigen Stand der Sach- und Rechtslage zu treffen. Das Gericht\nist danach zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte nicht berechtigt war,\ndie begrundete Werklohnforderung in Hohe von insgesamt 10.135,30 Euro\nzuruckzuhalten. Sie war bereits am 07.02.2009 zur Abnahme der Leistungen gemaß\n§ 12 VOB/B verpflichtet. Zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeiten\nfertiggestellt. Fehler waren nicht ersichtlich. Unerheblich ist, dass die\nBeklagte meint, aufgrund der Witterungsverhaltnisse die Anlage nicht habe\nprufen zu konnen. Die Abnahme hangt nicht von den jeweiligen\nWitterungsverhaltnissen ab, sondern entscheidend ist, dass die Arbeiten\nfertiggestellt worden sind. Hatte man einen anderen Abnahmezeitpunkt wahlen\nwollen, hatte man dies vertraglich vereinbaren mussen.\n\n \n\n21\n\n \n\nAufgrund der danach unberechtigten und grundlosen Abnahmeverweigerung ist es\nder Beklagten auch verwehrt, sich nachtraglich auf einen Einbehalt wegen\nangeblicher Mangel zu berufen. Die Moglichkeit, diese Einbehaltungen\nvorzunehmen, hat sie sich nur durch ihre vertragswidrige Abnahmeverweigerung\nverschafft. Sie handelt damit treuwidrig, wenn sie dann spater wegen\nbehaupteter Mangel ein Zuruckbehaltungsrecht geltend macht, zumal im\nvorliegenden Fall angebliche Fehlfunktionen der Anlage durch die Klagerin\nunstreitig abgestellt wurden.\n\n \n\n22\n\n \n\nDie weitere Nebenentscheidung beruht auf den §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.\n\n \n\n
102,114
olgrost-2009-07-02-3-u-14608
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
3 U 146/08
2009-07-02
2018-11-23 00:30:07
2019-02-11 05:55:50
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Unter Zuruckweisung der Anschlussberufung des Klagers und der Berufung des\nBeklagten im Übrigen wird das Urteil des Landgerichts Stralsund abgeandert und\nder Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Klager\n5.951,70 € nebst Zinsen in Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem jeweiligen\nBasiszinssatz auf 1.795,35 € fur die Zeit vom 06.10.2006 bis 21.05.2007, auf\n1.795,35 € fur die Zeit vom 05.11.2006 bis 21.05.2007, auf weitere 1.210,69 €\nfur die Zeit vom 05.12.2006 bis 21.05.2007, auf weitere 584,66 € seit dem\n05.12.2006, auf weitere 1.795,35 € jeweils ab dem 05.01.2007, 04.02.2007,\n04.03.2007 sowie auf weitere 1.980,99 € seit dem 25.01.2008 zu zahlen.\n\n \n\n2\\. Von den Kosten des Nachverfahrens erster Instanz tragen der Klager 83 %\nund der Beklagte 17 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der\nKlager 90 % und der Beklagte 10 %.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des ausgeurteilten\nBetrages abwenden, wenn nicht zuvor der Klager Sicherheit in Hohe von 110 %\ndes jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Klager seinerseits kann\ndie Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in\nHohe von 110 % abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher\nHohe leistet.\n\n \n\n4\\. Streitwert des Berufungsverfahrens: 60.326,70 €\n\n \n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDer Klager macht gegen den Beklagten nach Beendigung eines Mietverhaltnisses\nNutzungsausfallschaden sowie Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen\ngeltend.\n\n2\n\n \n\nDie Parteien schlossen 1996 einen Mietvertrag uber eine Gewerbeeinheit in\neinem Einkaufszentrum in B., die aus zwei Teilen besteht; im EG befindet sich\nein Backshop, im ersten OG ein Cafe. Das Cafe baute der Beklagte im Zeitraum\n2001/2002 zu einer Ferienwohnung um, wobei der genaue Zeitraum zwischen den\nParteien streitig ist. Ob dies mit oder ohne Zustimmung des Klagers erfolgte,\nist ebenfalls streitig.\n\n3\n\n \n\nDas Mietverhaltnis wurde auf 12 Jahre mit Optionsmoglichkeit fur den beklagten\nMieter geschlossen und sollte mit Übergabe der Mietraume beginnen. Diese war\nfur den 01.07.1997 vorgesehen.\n\n4\n\n \n\nWeiterhin heißt es im Mietvertrag:\n\n \n\n5\n\n \n--- \n"§ 2 Mietzweck/Betriebspflicht \n1\\. Die Vermietung erfolgt zum Betreiben eines Backshops und eines Cafes,\ninkl. Nebenraume. \n2\\. Jede Änderung der Art des Betriebes bedarf der schriftlichen Genehmigung\ndes Vermieters. \n3\\. Der Mieter ist ohne schriftliche Erlaubnis des Vermieters nicht\nberechtigt, das Geschaftslokal zu schließen oder den Geschaftsbetrieb\neinzustellen... \n§ 5 Wertsicherungsklausel \nIst seit der letzten Vereinbarung der Miete \na) ein Zeitraum von mehr als drei Jahren verstrichen und \nb) der vom statistischen Bundesamt festgestellte Lebenshaltungskostenindex fur\n4 Personen-Arbeitnehmerhaushalte mit mittlerem Einkommen in den neuen\nBundeslandern (Basis 1985 = 100) um mehr als 5 % gestiegen oder gesunken, so\nandert sich der in § 3 vereinbarte Mietzins prozentual entsprechend. Jeder der\nVertragspartner kann eine Änderung des Mietzinses fordern. Der neue Mietzins\nist vom Beginn des dem Änderungsverlangen folgenden Monats zu entrichten..." \n \n \n\n6\n\n \n\nAb November 2005 leistete der Beklagte zunachst verringerte und dann keine\nZahlungen mehr. Fur die Zeit bis September 2006 wurde er mittels Urteils im\nUrkundsprozess verurteilt und glich den austenorierten Betrag aus.\n\n7\n\n \n\nAm 22.09.2006 kundigte der Klager das Mietverhaltnis wegen Zahlungsverzuges\nfristlos. Der Beklagte gab die Raume Ende September 2006 an den Klager heraus.\nDieser beauftragte noch im September 2006 einen Makler mit der Vermietung des\nBackshops. Die Ferienwohnung gab er erst im Mai 2007 zur Vermietung in\nAuftrag.\n\n8\n\n \n\nErstinstanzlich hat der Klager fur die Zeit von Oktober 2006 bis Januar 2008\nmonatlich einen Mietausfallschaden in Hohe der vertraglich bestimmten\nNettomiete zzgl. Betriebskostenvorauszahlung begehrt.\n\n9\n\n \n\nDer Klager hat behauptet, aus der Betriebskostenabrechnung 2006 ergebe sich\neine Nachzahlung von 4.444,01 € brutto. Hiervon seien die Guthabenbetrage fur\n2004 und 2005 in Hohe von 1.119,36 € und 384,99 € in Abzug zu bringen, so dass\neine noch offene Nebenkostenforderung von 2.939,66 € verbleibe. Fur die Monate\nOktober bis Dezember 2006 stehe dem Klager eine Nutzungsentschadigung von\nmonatlich 2.145,50 € zu und ab Januar 2007 bis einschließlich Januar 2008\naufgrund der Mietanpassung gem. Indexmietvereinbarung monatlich 2.292,35 €.\nHierauf habe der Beklagte lediglich am 21.05.2007 einen Betrag von insgesamt\n4.801,39 € geleistet. Fur den Zeitraum Oktober bis Dezember 2007 konne der\nKlager einen fur Vermittlungsbemuhungen der Ferienwohnung aufgewandten Betrag\nvon 257,04 € geltend machen.\n\n10\n\n \n\nDer Klager hat behauptet, bei der Ferienwohnung handele es sich um eine\nbaurechtswidrige Nutzung. Es fehle insbesondere eine notwendige\nBrandschutztrennung zwischen Gewerbebetrieb und Wohnung. Eine\nNutzungsgenehmigung als Ferienwohnung liege nicht vor. Dies habe der Klager\nfestgestellt, als er auf Anregung des Landgerichts die Betriebskosten zwischen\nFerienwohnung und Backshop habe aufteilen wollen.\n\n11\n\n \n\nDer Beklagte hat geltend gemacht, er konne jedenfalls mit seiner unstreitigen\nverzinsten Kautionsforderung von 4.801,39 € aufrechnen. Zudem sei der Klager\ngehalten gewesen, den Mietausfallschaden durch Weitervermietung der Objekte zu\nminimieren. Er gehe davon aus, dass die Ferienwohnung in der Zeit von Oktober\n2006 bis Mai 2007 an wenigstens 125 Tagen zu einem Mietpreis von wenigstens\n60,00 € hatte vermietet werden konnen. Der Klager habe sich um die Vermietung\nnicht gekummert und Angebote der Fa. Feriendomizil R. unbeantwortet gelassen.\nAuch der Beklagte habe dem Klager angeboten, die Wohnung zu vermieten, der\nKlager habe sich dies uberlegen wollen, dann aber die Schlussel vom Beklagten\nherausverlangt. Auch um die Neuvermietung des Backshops habe er sich nicht\nausreichend gekummert, jedenfalls habe er nicht regional inseriert.\n\n12\n\n \n\nAuch hatten die Parteien im Jahre 2002 vereinbart, dass der Beklagte das Cafe\nzu einer Ferienwohnung mit separatem Zugang umbauen durfe. Dass die\nVoraussetzungen fur die Erhohung der Grundmiete um 7,7 % vorgelegen hatten,\nhat er ebenfalls bestritten.\n\n13\n\n \n\nBetreffend die Betriebskostenabrechnung 2006 hat der Beklagte gerugt, dass die\nHausmeisterkosten durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen seien, da\nWartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen nicht umlagefahig zur anteiligen\nArbeitszeit seien.\n\n14\n\n \n\nDas Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 2.939,66 € nebst Zinsen\nhierauf in Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem\n01.10.2007 und weiterer 32.768,81 € nebst gestaffelter Zinsen verurteilt und\ndie weitergehende Klage abgewiesen. Dem Klager stehe Entschadigung wegen\nverspateter Ruckgabe der Mietsache aus § 546a BGB zu. Dabei hat das Gericht\ndem Klager die Miete einschließlich Umsatzsteuer zugestanden. Allerdings hat\nes sich auf den Standpunkt gestellt, dass der Klager jedenfalls die mit\nSchreiben vom 21.05.2007 verlangte Mieterhohung nicht ruckwirkend habe geltend\nmachen konnen. Dass der Klager den Anforderungen des § 557b BGB genugt habe,\nsei nicht ersichtlich. Der Klager habe sich jedoch im Rahmen seiner\nSchadensminderungspflicht erzielte Vermietungserlose anrechnen zu lassen. Dass\nder Klager im Übrigen seine Schadensminderungspflicht verletzt habe, hat das\nLandgericht verneint. Zwar seien die Bemuhungen des Klagers zur\nWeitervermietung nicht besonders intensiv gewesen. Es sei aber fraglich, ob\nbei verstarkten regionalen und uberregionalen Angeboten ein deutlicheres\nErgebnis problemlos zu erwarten gewesen ware.\n\n15\n\n \n\nDer Saldo aus der Betriebskostenabrechnung 2006 stehe dem Klager abzuglich der\nGuthaben der Abrechnungen fur die Jahre 2004 und 2005 zu. Dem Einwand\nbetreffend die Hausmeisterkosten habe der Klager mit der Vorlage des\nHausmeisterservicevertrages genugt. Aus dem Vertrag ergebe sich eine\nAufsplittung in Tatigkeiten fur gewerbliche Stellplatze und fur das\nGewerbeobjekt im Übrigen. Soweit Verwaltungs- und Instandhaltungskosten\nmoglicherweise in dem Aufgabenbereich des Hausmeisters enthalten seien, seien\ndiese preislich kaum messbar, so dass sie eine nennenswerte preisliche\nDifferenzierung nicht erforderlich machten.\n\n16\n\n \n\nWegen der weiteren Begrundung sowie der erstinstanzlichen\nTatsachenfeststellungen im Übrigen nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil\nBezug.\n\n17\n\n \n\nMit der Berufung greift der Beklagte das Urteil in vollem Umfang an. Das\nGericht habe der Klage nicht stattgeben durfen. Die Sache sei nicht\nentscheidungsreif gewesen und das Gericht habe Beweisantritte des Beklagten\nnegiert. Das Gericht habe in erheblichem Maße streitigen Sachvortrag mittels\nvermeintlich eigener Sachkunde entschieden, ohne die Tatsachen im\nerforderlichen Maße festgestellt zu haben. Das Urteil sei auch grob\nrechtsfehlerhaft.\n\n18\n\n \n\nStreitentscheidend sei die Frage, ob der Klager hinreichend durch\nWeitervermietungsbemuhungen seiner Schadensminderungspflicht nachgekommen sei.\nDie dahingehenden Ausfuhrungen des Landgerichts seien fehlerhaft. Der Klager\nhabe ausreichende Bemuhungen auch erstinstanzlich nicht vorgetragen. Die vom\nLandgericht ohne Erhebung angebotener Beweise zur Vermietbarkeit der\nFerienwohnung gezogene Schlussfolgerung, dass diese nicht vermietbar gewesen\nsei, sei grob fehlerhaft, sogar unzulassig. Auch Gewerbeflachen seien in B.\nsehr begehrt, so dass eine regionale Anzeige genugt hatte, um das Objekt\nweitervermieten zu konnen. Im weiteren wiederholt der Beklagte zur Begrundung\nseinen erstinstanzlichen Vortrag.\n\n19\n\n \n\nAuf Hinweis des Gerichtes, dass wegen einer Änderung des Vertragszweckes das\nSchriftformerfordernis des § 550 BGB nicht gewahrt sein konnte, tragt er\nerganzend vor, der Zeuge R. habe auf seine Bitte hin im Jahr 2002 vor Umbau\ndes Cafes den Klager angerufen und ihn uber die Umbau- und Umnutzungsplane\nunterrichtet. Der Klager habe sich hiermit einverstanden erklart.\n\n20\n\n \n\nEr beantragt,\n\n21\n\n \n\ndas angefochtene Urteil des Landgerichts Stralsund abzuandern und die Klage\nabweisen.\n\n22\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n23\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n24\n\n \n\nIm Wege der Anschlussberufung beantragt er klagerweiternd,\n\n25\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, an den Klager weitere 11.461,75 € nebst Zinsen\nin Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils\n2.292,35 € seit 05.02.2008, 05.03.2008, 04.04.2008, 05.05.2008 und 05.06.2008\nzu zahlen.\n\n26\n\n \n\nDer Klager tragt vor, er habe hinreichende Vermietungsbemuhungen unternommen.\nHierzu habe er in und an der Immobilie Vermietungshinweise angebracht. In der\nortlichen Lokalpresse habe er Inserate geschaltet. Ebenso habe er\nVermietungsinserate im Internet aufgegeben. Im Übrigen wiederholt er seinen\nerstinstanzlichen Vortrag.\n\n27\n\n \n\nSoweit er die Klage erweitert, macht er mit dieser weiteren\nNutzungsausfallschaden fur die Zeit von Februar bis Juni 2008 geltend.\n\n28\n\n \n\nDie weitergehende klagerweiternde Anschlussberufung aus dem Schriftsatz vom\n25.11.2008 hat der Klager im Termin vom 04.06.2009 zuruckgenommen.\n\n29\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n30\n\n \n\ndie Anschlussberufung zuruckzuweisen.\n\n \n\n**II.**\n\n31\n\n \n\nDie form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat teilweise Erfolg. Die\nAnschlussberufung hingegen muss ohne Erfolg bleiben.\n\n32\n\n \n\n1\\. Nutzungsentschadigung gem. § 546a BGB, wie sie das Landgericht dem Klager\nzuerkannt hat, kann dieser nicht vom Beklagten beanspruchen. Ein solcher\nAnspruch setzt voraus, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhaltnisses\ndem Vermieter die Mietsache vorenthalt. Hieran fehlt es bereits, da der\nBeklagte die Mietsache noch im September 2006 zuruckgegeben hat.\n\n33\n\n \n\n2\\. Der Klager kann vom Beklagten gem. §§ 535, 280 BGB in Verbindung mit den\nBestimmungen des Mietvertrages jedoch den Ersatz des Mietausfallschadens fur\ndie Monate Oktober 2006 bis Marz 2007 verlangen.\n\n34\n\n \n\na. Wird ein Mietverhaltnis aufgrund einer Vertragsverletzung des Mieters durch\neine Kundigung des Vermieters vorzeitig beendet, kann der Vermieter vom Mieter\nden ihm hierdurch entstandenen Mietausfall versetzt verlangen\n(Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts,\n10. Aufl., Rn. 1143). Vom Schadensersatzanspruch nicht umfasst wird die auf\ndie Miete vom Mieter vereinbarungsgemaß zu leistende Umsatzsteuer (BGH, Urt.\nv. 23.04.2008, XII ZR 136/05, ZMR 2008, 867; Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rn.\n1180 m.w.N.).\n\n35\n\n \n\nHaben die Vertragsparteien einen befristeten Mietvertrag geschlossen, erfasst\nder Anspruch auf Ersatz eines Mietausfallschadens, weil der Vermieter die\nMietsache nicht oder nicht zu der zwischen den Parteien vereinbarten Miete hat\nvermieten konnen, grundsatzlich die gesamte noch verbleibende\nVertragslaufzeit. Kann hingegen der Mieter seinerseits das Mietverhaltnis\nmangels einer wirksamen Befristung des Vertrages oder eines wirksam\nvereinbarten Kundigungsausschlusses gem. § 542 BGB durch eine ordentliche\nKundigung beenden, kann der Vermieter einen Nutzungsausfallschaden nur bis zum\nAblauf der nachstmoglichen Kundigungsfrist ab Zugang seiner eigenen Kundigung\nverlangen (Schmidt/Futterer, MietR, 9. Aufl., § 542 Rn. 107; Lindner-\nFigura/Opree/Stellmann, Geschaftsraummiete, 2. Aufl., Kap. 15 Rn. 67 ff.).\nLetzteres ist hier der Fall.\n\n36\n\n \n\nb. Zwar haben die Parteien gem. § 6 Ziff. 1 des Mietvertrages diesen auf eine\nDauer von 12 Jahren fest abgeschlossen, so dass eine ordentliche Kundigung\ndurch den Beklagten als Mieter gem. § 542 Abs. 2 BGB ausscheiden wurde. Gem. §\n550 Satz 1 BGB gilt ein Mietvertrag, der fur langer als ein Jahr abgeschlossen\nwird, als auf unbestimmte Zeit geschlossen, wenn er nicht in schriftlicher\nForm abgeschlossen wird. Gem. § 542 Abs. 1 BGB ist ein solcher Vertrag\nordentlich kundbar, jedoch gem. § 550 Satz 2 BGB fruhestens nach Ablauf eines\nJahres nach Überlassung der Mietraume. Das Schriftformerfordernis des § 550\nBGB beschrankt sich dabei nicht auf den Vertragsschluss, sondern erfasst auch\nÄnderungen und Erganzungen des Vertrages (Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl.,\n§ 550 Rn. 15).\n\n37\n\n \n\nOb das Schriftformerfordernis des § 550 BGB gewahrt ist oder aber eine der\nParteien das Vertragsverhaltnis ordentlich kundigen kann, hat das Gericht,\nkommt es hierauf an, von Amts wegen zu prufen.\n\n38\n\n \n\n1) Die Schriftform des § 550 BGB ist gewahrt, wenn alle wesentlichen\nVereinbarungen der Parteien hinreichend bestimmbar in eine Urkunde im Sinne\ndes § 126 BGB aufgenommen worden sind (BGH, Urt. v. 30.06.19999, XII ZR 55/97,\nNJW 1999, 2591; BGH, Urt. v. 02.11.2005, XII ZR 233/03, NZM 2006, 104; BGH,\nUrt. v. 09.04.2008, XII ZR 89/06, NJW 2008, 2181; Senat, Urt. v. 10.07.2008, 3\nU 108/07, NJW 2009, 445 = NZM 2008, 646). Unwesentlich sind nur solche\nAbreden, denen keine oder nur eine ganz untergeordnete Bedeutung beizumessen\nist. Bestehen insoweit Zweifel, ist zur Wahrung der Schriftform jede Absprache\nin die Urkunde aufzunehmen (Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rn. 97).\n\n39\n\n \n\nZweck des § 550 BGB ist vorrangig, den Erwerber des Grundstucks, der gem. §\n566 BGB in die bestehenden Mietverhaltnisse eintritt, umfassend zu\nunterrichten. Er soll sich anhand des Mietvertrages moglichst vollstandig uber\ndie damit verbundenen Rechte und Pflichten informieren konnen (BGH, Urt. v.\n07.05.2008, XII ZR 69/06, NZM 2008, 482; Moller, ZfIR 2008, 87; Timme/Hulk,\nNJW 2007, 3313). Daneben hat das Schriftformerfordernis fur langfristige\nMietvertrage aber auch die Funktion der Beweisbarkeit langfristiger Abreden\nund eine Warnfunktion vor unbedachten langfristigen Bindungen (BGH, Urt. v.\n07.05.2008, a.a.O.).\n\n40\n\n \n\n2) Haben die Parteien im Vertrag einen bestimmten Zweck der Vermietung\nvereinbart, handelt es sich um einen wesentlichen Vertragsbestandteil, der dem\nSchriftformerfordernis unterliegt. Die Vereinbarung bestimmt den Umfang des\nvom Vermieter gem. § 535 Abs. 1 BGB zu gewahrenden vertragsgemaßen Gebrauchs\nebenso wie den Umfang der Nutzungsbefugnis des Mieters.\n\n41\n\n \n\nOb und in welchem Umfang der Vermieter beispielsweise Nutzungsabweichungen\nhinnehmen muss, wird insbesondere davon bestimmt, wie konkret die Parteien den\nvertragsgemaßen Gebrauch im Vertrag beschrieben haben. Ist dieser klar\nabgegrenzt, kann der Mieter diesen nicht einseitig andern und der Vermieter,\nbeachtet der Mieter dies nicht, nach entsprechender Abmahnung gem. § 541 BGB\nUnterlassungsklage erheben (Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 3. Aufl., § 541\nRn. 14). Nutzt der Mieter die Mietsache uber den vertraglich vorgesehenen\nZweck hinaus oder ganzlich von diesem abweichend, berechtigt dies den\nVermieter, liegen die Voraussetzungen im Übrigen vor, auch zu einer fristlosen\nKundigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Gewahrt hingegen der Vermieter dem\nMieter nicht die Nutzung zum vertraglich bestimmten Zweck, kann der Mieter\nseinerseits das Vertragsverhaltnis gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB fristlos\nkundigen. Bestimmend ist der uber den Vertragszweck definierte vertragsgemaße\nGebrauch auch fur die Beurteilung, ob gem. § 536 BGB die Miete gemindert ist,\nweil dieser nicht nur unerheblich beeintrachtigt ist.\n\n42\n\n \n\nEbenso kommt einer konkreten Bestimmung eines Vertragszweckes dann fur den\nVermieter besondere Bedeutung zu, wenn er die Nutzung durch den Mieter\nhierdurch klar umreißen und steuern will, um so etwa seiner\nKonkurrenzschutzverpflichtung anderen Mietern gegenuber genugen zu konnen.\nGleichermaßen bestimmt ein konkret vereinbarter Vertragszweck aber auch, in\nwelchem Umfang der Mieter selbst gegenuber dem Vermieter einen\nvertragsimmanenten Konkurrenzschutz geltend machen kann.\n\n43\n\n \n\nVorliegend haben die Vertragsparteien eine klare Bestimmung des\nVertragszwecks, namlich Vermietung zum Betrieb eines Backshops und eines\nCafes, in § 2 Ziff. 1 des Mietvertrages vorgenommen. Dass sie dem besondere\nBedeutung beigemessen haben, findet bereits in § 2 Ziff. 2 des Mietvertrages\nseinen Niederschlag. Hiernach ist eine abweichende Nutzung der Mietraume nur\nmit Zustimmung des Vermieters zulassig.\n\n44\n\n \n\n3) Zur Überzeugung des Senates steht es im Ergebnis der Beweisaufnahme durch\nVernehmung des Zeugen R. fest, dass die Parteien des streitgegenstandlichen\nMietvertrages den in § 2 Ziff. 1 bestimmten Vertragszweck betreffend die Raume\nim 1. OG dahin abgeandert haben, dass dem Beklagten dort die Vermietung als\nFerienwohnung gestattet worden ist.\n\n45\n\n \n\nDer Beklagte hat hierzu vorgetragen, der Zeuge R. habe den Klager im Jahre\n2002 von der Absicht des Umbaus und der Nutzung als Ferienwohnung\nunterrichtet. Dieser sei hiermit einverstanden gewesen. Der Zeuge R. hat ein\nTelefonat diesen Inhalts bestatigt. Der Senat ist von der Glaubwurdigkeit des\nZeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage uberzeugt.\n\n46\n\n \n\nDer Zeuge hat angegeben, er habe den Klager daruber unterrichtet, dass das\nCafe zu einer Ferienwohnung umgebaut und sodann als solche vermietet werden\nsolle. Er habe ihm den Umbau erlautert und Einzelheiten, wie etwa das\nVerkleiden des Lastenaufzugs, mit ihm besprochen. Gleichzeitig habe er sich\nals Untermieter fur diese Raumlichkeiten gegenuber dem Klager geriert, der\ndiese vom Beklagten anmieten wolle. Der Klager sei mit alldem einverstanden\ngewesen, wenn nur seine steuerlichen Belange berucksichtigt wurden. An den\ndetaillierten Wortlaut des Telefonates, weitergehenden Gesprachsinhalt und die\nNummer, unter der er den Klager angerufen hat, hatte der Zeuge keine konkreten\nund vertieften Erinnerungen.\n\n47\n\n \n\nDass der Zeuge sich an samtliche Details des Telefongespraches und die von ihm\ngewahlte Telefonnummer nicht mehr im Einzelnen erinnern konnte, ist dem Senat\nschon wegen des langen zwischen Telefonat und Vernehmung des Zeugen liegenden\nZeitraumes nachvollziehbar. Ebenso nachvollziehbar ist es dem Senat aber auch,\ndass sich der Zeuge an den auch fur ihn wesentlichen Gesprachsinhalt seinem\nschwerpunktmaßigen Inhalt nach erinnern konnte. Nach seinen Angaben namlich\nhatte er selbst ein besonderes Interesse an den von ihm geschilderten\nAbsprachen. Da sich das vom Beklagten betriebene Cafe nicht rentierte, hatte\nder Zeuge R. diesem zum Umbau zur Ferienwohnung und zur anschließenden\nVermietung geraten. Da aber der Beklagte die fur den Umbau notigen Mittel\nnicht zur Verfugung hatte, wollte der Zeuge R. den Umbau finanzieren und\nsodann die Wohnung vermieten, um so die Umbaukosten gegenuber dem Beklagten\nauszugleichen. Dass der Zeuge derartige Investitionen nicht ohne Zustimmung\nund vorherige Klarung mit dem Vermieter tatigt, zumal er nicht einmal Mieter\nder Raume gewesen ist und gegenuber dem Vermieter auch sonst kein\nGebrauchsrecht hat geltend machen konnen, ist fur den Senat in hochstem Maße\nplausibel. Dass sich der Zeuge zumindest an den wesentlichen Inhalt hierzu\ngetroffener Absprachen mit dem Klager als Hauptvermieter auch nach Ablauf\neines langeren Zeitraumes und ohne eine Telefonnotiz als Erinnerungsstutze\nerinnern kann, zieht der Senat ob der Bedeutung der Absprachen fur die Plane\ndes Zeugen, die dieser im Anschluss an die Absprachen mit dem Klager auch so\numgesetzt hat, nicht in Zweifel.\n\n48\n\n \n\nDer Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen steht es auch nicht entgegen, dass\ndieser auf Frage des Klagervertreters nicht den vollstandigen Inhalt eines\nzwischen ihm und dem Klager vor ca. 6 Wochen gefuhrten Telefonates von sich\naus wiedergegeben hat. Auf dieses Telefonat angesprochen hat der Zeuge\nzunachst den auf das Mietobjekt bezogenen Gesprachsinhalt wiedergegeben. Auf\nden Vorhalt des Klagervertreters hin, dass auch uber die vom Klager erhobene\nAnfechtungsklage betreffend den Erwerb eines Grundstucks der Ehefrau des\nZeugen vom Beklagten gesprochen worden sei, konnte der Zeuge auch hierzu\nkonkrete Angaben machen. Dabei hat der Zeuge deutlich erkennen lassen, dass er\ndem Bekunden des Klagers, es tue ihm leid, nun gegen die Ehefrau des Zeugen\nklagen zu mussen, keine besondere Bedeutung beigemessen habe. Da diese\nBekundung des Klagers an der Tatsache der Klagerhebung und der\nBeklagtenposition der Ehefrau des Zeugen nichts andert, ist dies fur den Senat\ngut nachvollziehbar.\n\n49\n\n \n\nAnhaltspunkte dafur, dass der Zeuge zugunsten der einen oder anderen Partei\ndes Rechtsstreits seine Aussage getatigt hat, sind fur den Senat nicht\nersichtlich. Zwar steht der Zeuge offenbar in einem engeren personlichen\nKontakt zum Beklagten und hat diesem auch eine Anstellung in einem von ihm\nbetriebenen Parkhaus gegeben. Ebenso aber verbinden den Zeugen geschaftliche\nKontakte mit dem Klager sowie eine Teileigentumerstellung an dem gleichen\nObjekt.\n\n50\n\n \n\nSchließlich gibt auch der Umstand, dass der Zeuge mit dem\nProzessbevollmachtigten des Beklagten zum Termin angereist ist und auf der\nFahrt auch uber diesen Fall gesprochen worden ist, dem Senat keinen Anlass,\ndie Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen in Zweifel zu ziehen. Zwar\nburgt ein solches Gesprach unmittelbar vor Durchfuhrung der Beweisaufnahme die\nMoglichkeit in sich, dass der Zeuge seine Angaben nicht aus seiner eigenen\nErinnerung heraus, sondern aus dem Gesprachsinhalt ableitet. Gleichwohl\nschließt ein Gesprach in der Sache zwischen einem Zeugen und einer der\nParteien oder ihrem Prozessbevollmachtigten uber die Sache die Verwertung des\nBeweisergebnisses nicht grundsatzlich aus. Maßgeblich ist vielmehr, dass der\nSenat in Wurdigung des Verlaufs der Beweisaufnahme und ihres Inhaltes zu der\nÜberzeugung gelangt ist, dass der Zeuge seine Bekundungen aus seiner eigenen\nErinnerung wiedergegeben hat. Insbesondere der Umstand, dass seine Angaben\nweit uber den Parteivortrag des Beklagten hinausgehen, stutzt diesen Eindruck.\nSo hat der Zeuge erstmals in das Verfahren eingefuhrt, dass er das\nstreitgegenstandliche Telefongesprach gleichzeitig nutzen wollte, um sich als\npotenziellen Untermieter einzubringen. Ebenso war es nicht Gegenstand des\nParteivortrages, dass der Zeuge auf seine Kosten selbst den Umbau der\nFerienwohnung vorgenommen und die Kosten spaterhin durch erzielte\nMieteinnahmen ausgeglichen hat.\n\n51\n\n \n\nSchließlich spricht fur eine Unterrichtung des Klagers und die Einholung\nseiner Zustimmung zum unstreitig durchgefuhrten Umbau des Cafes ein hoher Grad\nan Plausibilitat. Der Beklagte hat fur den Umbau der Zustimmung des Klagers\nals seines Vermieters bedurft. Ohne seine Zustimmung ware er Gefahr gelaufen,\ndass der Klager einen Ruckbau verlangt und der Beklagte alle Kosten des Um-\nund Ruckbaus tragen muss, ohne einen entsprechenden Vorteil zu erlangen.\n\n52\n\n \n\nIm Ergebnis der Beweisaufnahme steht es daher zur Überzeugung des Senates\nfest, dass der Zeuge R. auf Bitte des Beklagten dem Klager die kunftig\nabweichende Nutzung der Mietraume im 1. OG angetragen und der Klager dieser\nzugestimmt hat. Dass der Zeuge dabei auf Bitten des Beklagten tatig geworden\nist, versteht der Senat als Bevollmachtigung. Eines weitergehenden\nVertragsverhaltnisses zum Beklagten bedurfte es daher nicht. Auch der Klager\nmusste das Ansinnen des Zeugen dahin verstehen, dass er wegen der kunftigen\nvom schriftlichen Vertrag abweichenden Nutzung der Raume fur den Beklagten\ntatig geworden ist, denn dem Klager war bekannt, dass nicht der Zeuge R.,\nsondern der Beklagte durch einen Mietvertrag mit ihm verbunden war.\n\n53\n\n \n\nSelbst aber wenn der Klager die Mitteilungen des Zeugen R. nicht als Angebot\nzur Änderung des Mietvertrages betreffend den dort festgeschriebenen\nVertragszweck verstanden haben will, andert dies hieran nichts. Zumindest war\nes dem Klager bekannt, dass der Beklagte in der Folge eine abweichende Nutzung\nvornehmen wollte und wurde. Dies hat er uber Jahre unwidersprochen\nhingenommen. Der Beklagte durfte dieses Stillschweigen als Zustimmung zu\nseiner Vorgehensweise verstehen, so dass jedenfalls eine die zunachst gewahrte\nSchriftform des Vertrages vernichtende konkludente Vertragsanderung zu bejahen\nist (vgl. Herrlein/Kandelhard, a.a.O., § 541 Rn. 7).\n\n54\n\n \n\n4) Da die Änderung des Vertragszwecks im Jahr 2002 - oder spater\nmoglicherweise auch durch konkludentes Handeln - die Schriftform des Vertrages\nverletzt hat, war dieser im Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kundigung vom\n22.09.2006 fur den Beklagten mit der Frist des § 580a BGB ordentlich kundbar.\nBei Ausspruch einer entsprechenden Kundigung des Beklagten ware das\nMietverhaltnis zum 31.03.2007 beendet worden, so dass der Klager einen\nMietausfallschaden auch nur beschrankt auf den Zeitraum Oktober 2006 bis Marz\n2007 verlangen kann.\n\n55\n\n \n\nc. Als ersatzfahiger Mietausfall ist ein monatlicher Betrag von 1.795,35 €\nberucksichtigungsfahig, so dass sich fur 6 Monate ein Betrag von 10.772,10 €\nergibt, der sich wegen des Mitverschuldens des Klagers um einen Betrag von\n2.000,00 € auf 8.772,10 € reduziert.\n\n56\n\n \n\n1) Als Mietausfallschaden verlangen kann der Vermieter jenes, was er bei\nFortbestand des Mietverhaltnisses aufgrund der vertraglichen Einigung vom\nMieter hatte verlangen konnen. Das ist die im Vertrag vereinbarte Nettomiete\nin der Gestalt der im Dezember 2001 gem. § 5 des Mietvertrages i.V.m. § 4 der\nPreisangaben- und Preisklauselverordnung (PAPKV) vorgenommenen Mietanpassung.\nDie Mietanpassung des Klagers zum 01.01.2007 hingegen konnte keine Wirkung\nentfalten, da zu diesem Zeitpunkt eine genehmigungsfreie Preisgleitklausel\nnicht mehr vorlag. Diese setzt gem. § 4 PAPKV voraus, dass das Mietverhaltnis\nauf mindestens 10 Jahre fest abgeschlossen ist. Wahrend dies zum Zeitpunkt der\nMietanpassung im Dezember 2001 noch der Fall war, ist diese Voraussetzung mit\nder Verletzung der Schriftform des Vertrages entfallen. Eine Genehmigung der\nWertsicherungsklausel ist nicht ersichtlich.\n\n57\n\n \n\n2) Die im Mietvertrag ausgewiesene Umsatzsteuer kann der Klager im Wege des\nSchadensersatzes - wie bereits ausgefuhrt - nicht verlangen.\n\n58\n\n \n\n3) Ebenso kann er fur den zu berucksichtigenden Zeitraum\nBetriebskostenvorauszahlungen nicht ersetzt verlangen. Fur das Jahr 2006 hat\nder Klager bereits uber die Betriebskosten abgerechnet, so dass\nVorauszahlungen nicht mehr verlangt werden konnen. Fur die Vorauszahlungen der\nMonate Januar bis Marz 2007 ware ungeachtet des Umstandes, dass auch uber\ndiese bereits abgerechnet worden ist, ohnehin Abrechnungsreife eingetreten.\n\n59\n\n \n\nDie Betriebskostenabrechnung fur das Abrechnungsjahr 2007 kann nicht, auch\nnicht anteilig, statt der Betriebskostenvorauszahlungen bei der Bemessung des\nMietausfallschadens Berucksichtigung finden. Der Klager hat diese erst mit\nseinem Schriftsatz vom 25.11.2008 klagerweiternd eingefuhrt und im Termin vom\n04.06.2009 die diesbezugliche Anschlussberufung wieder zuruckgenommen. Auch im\nRahmen des § 264 Nr. 3 ZPO kann die Betriebskostenabrechnung nicht\nberucksichtigt werden. Zwar ist allgemein anerkannt, dass der Vermieter im\nlaufenden Zivilprozess eine zunachst auf Zahlung von\nBetriebskostenvorauszahlungen gerichtete Klage bei Eintritt der\nAbrechnungsreife auf ein Saldo aus einer Betriebskostenabrechnung umstellen\nkann. Allerdings hat das Landgericht dem Klager die\nBetriebskostenvorauszahlungen fur die Zeit von Januar bis Marz 2007 nicht\nzugesprochen. Der Klager hat hiergegen Berufung nicht eingelegt. Der Angriff\ndes Beklagten erfasst das Urteil insoweit nicht, so dass die\nBetriebskostenvorauszahlungen nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sind\nund die Betriebskostenabrechnung nur hatte im Wege der Klagerweiterung\neingefuhrt werden konnen.\n\n60\n\n \n\nd. Da der Klager als Vermieter Schadensersatz verlangt, ist er gem. § 254 Abs.\n2 BGB verpflichtet, sich um die anderweitige Vermietung zu bemuhen. Die das\nMitverschulden des Vermieters begrundenden Umstande hat der Mieter darzulegen\nund zu beweisen. (BGH Urt. v. 16.02.2005, XII ZR 162/01, NZM 2005, 340). Der\nVermieter hingegen muss lediglich seine Bemuhungen darlegen (Wolf/Eckert/Ball,\na.a.O., Rn. 1183).\n\n61\n\n \n\n1) Betreffend die zum Betrieb des Backshops vermieteten Raume hat der Klager\nvorgetragen, diese durch Inserate in Presse und Internet sowie Beauftragung\neiner Vermittlungsfirma sowie Vermietungsanzeigen im Objekt selbst angeboten\nzu haben. Dem Beklagten hatte es somit oblegen, vorzutragen und zu beweisen,\nwelche weitergehenden konkreten und dem Vermieter daruber hinaus\nabzuverlangenden Bemuhungen aufgrund welcher Umstande zu einer\nschadensmindernden Vermietung gefuhrt hatten. Hieran fehlt es jedoch. Der\nBeklagte behauptet eine solche Weitervermietungsmoglichkeit zwar pauschal,\ntragt hierzu aber nicht substanziiert vor. Eine vom Beklagten insoweit\nangebotene Beweiserhebung stellte daher einen unzulassigen Ausforschungsbeweis\ndar. Zudem merkt der Senat an, dass es ihm aus einer Vielzahl von\nRechtsstreitigkeiten bekannt ist, dass sich Gewerbeeinheiten in einem\nweitgehend leer stehenden Einkaufszentrum ohne ein als Zugpferd bezeichenbaren\nAnziehungsmagnet nur schwerlich auch zu einem geringen Mietzins vermietbar\nsind. Insoweit der Klager zur Vermietung deshalb bereits bundesweit agierende\nprofessionelle Hilfe in Anspruch genommen hat, hat er seiner\nSchadensminderungspflicht genugt.\n\n62\n\n \n\n2) Anders beurteilt der Senat dies fur die Moglichkeit der Weitervermietung\nder Ferienwohnung. Obgleich der Klager die Ferienwohnung in diesem\nRechtsstreit als nicht vermietbar darstellt, hat er erst im Mai 2007 die Fa.\nFeriendomizil R. mit der Vermietung derselben beauftragt. Diese hat fur den\nZeitraum Mai bis Oktober 2007 fur den Klager Erlose von 735,76 € (06.08.2008)\nund 3.426,00 € (01.10.2008) mithin 4.161,76 € erwirtschaftet. Dass die Fa.\nFeriendomizil bei unmittelbarer Beauftragung nach Ruckgabe der Mietraume durch\nden Beklagten in der Zeit von Oktober 2006 bis Marz 2007 keinerlei Erlos hatte\nerzielen konnen, ist weder substanziiert vorgetragen noch fur den Senat sonst\nnachvollziehbar. Im Ergebnis der mundlichen Verhandlung geht der Senat davon\naus, dass der Zeuge R. in der unmittelbaren Nachbarschaft der\nstreitgegenstandlichen Ferienwohnung selbst mindestens zwei Ferienwohnungen\nseit langerer Zeit vermietet, denn die dortigen Mieter musste er nach seinen\nAngaben bei dem Umbau der Raume des Klagers schon im Jahre 2002\nberucksichtigen.\n\n63\n\n \n\nDer Senat verkennt dabei nicht, dass der Erlos von 4.161,76 € in funf Monaten\nder Hauptsaison erwirtschaftet worden ist und die Nachfrage nach\nFerienwohnungen auch auf der Insel Rugen in der Nebensaison rucklaufig ist.\nGleichwohl steht zur Beurteilung ein Zeitraum von immerhin sechs Monaten an,\nin welchen als touristisch eintragliche Zeitraume die Herbst- und Winterferien\nsowie die Weihnachtsfeiertage fallen. Der Senat schatzt daher im Vergleich die\nim Wege der Schadensminderungspflicht anzurechnenden erzielbaren Einnahmen\ngem. § 287 ZPO auf 2.000,00 €. Somit verbleibt ein Anspruch des Klagers auf\nMietausfallschaden in Hohe von 8.772,10 €.\n\n64\n\n \n\n3\\. Aus der Betriebskostenabrechnung 2006 kann der Klager einen\nNachzahlungsbetrag in Hohe von 1.980,99 € verlangen.\n\n65\n\n \n\nDie Betriebskostenabrechnung, die der Beklagte im Wesentlichen wegen der\nPosition Hausmeisterkosten angreift, endet mit einem Nachzahlungsanspruch\nzugunsten des Klagers von 4.444,01 € brutto. Hiervon sind noch nicht\nausgeglichene Guthabenbetrage aus den Betriebskostenabrechnungen fur die Jahre\n2004 und 2005 in Hohe von 1.119,36 € und 384,99 € in Abzug zu bringen, so dass\neine noch offene Nebenkostenforderung von 2.939,66 € verbleibt. Hiervon weiter\nin Abzug zu bringen ist der zu Lasten des Beklagten ausgewiesene anteilige\nBetrag fur die Position Hausmeisterkosten von 826,44 € zzgl. 132,23 €\nUmsatzsteuer.\n\n66\n\n \n\nDer Abrechnung der Hausmeisterkosten liegt ein Hausmeisterservicevertrag\nzugrunde, der Hausmeisterleistungen fur die gewerblich genutzte Immobilie und\nfur gesonderte Leistungen betreffend die Parkplatze erfasst. Der Klager nun\nhat nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien von der Gesamtrechnung fur\ndie Hausmeisterleistungen zunachst einen anteiligen Betrag fur die Leistungen\nbetreffend die Parkplatze heraus gerechnet. Den dann verbleibenden Betrag hat\ner im Wege der Betriebskostenabrechnung auf die Mieter verteilt. Nimmt der\nVermieter jedoch einen sog. Vorwegabzug vor, muss er dies in der\nBetriebskostenabrechnung ausweisen. Unterlasst er dies und stellt den nach\nVorwegabzug verbleibenden Kostenanteil in die Betriebskostenabrechnung als\nGesamtkosten ein, ist die Betriebskostenabrechnung in dieser Position als\nformell unwirksam zu behandeln und der entsprechenden Kostenanteil heraus\nzurechnen (BGH, Urt. v. 14.02.2007, VIII ZR 1/06, NJW 2007, 1059 = WuM 2007,\n196).\n\n67\n\n \n\n4\\. Da das Mietverhaltnis beendet und der Sicherungszweck entfallen ist, ist\nuber die vom Beklagten geleistete Kaution nebst Zinsen abzurechnen. Daher ist\nvon der Forderung des Klagers ein Betrag von 4.801,39 € in Abzug zu bringen.\nZugunsten des Klagers verbleibt somit ein Zahlbetrag von 3.970,71 € zzgl.\n1.980,99 € Betriebskostennachzahlung 2006 - mithin 5.951,70 €.\n\n68\n\n \n\n5\\. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB. Dabei wird der\nMietausfallschaden jeweils zum Zeitpunkt fallig, zu dem die Miete, an deren\nStelle er getreten ist, fallig geworden ware (BGH, Urt. v. 28.10.1981, VIII ZR\n302/80, NJW 1982, 870). Zu berucksichtigen ist jedoch, dass der Klager mit\nSchriftsatz vom 21.05.2007 uber die Kaution abgerechnet und den\nRuckzahlungsbetrag ohne nahere Bestimmung mit seiner Schadensersatzforderung\nverrechnet hat. Dementsprechend war die Kaution mit Tilgungswirkung auf die\naltesten Schadensersatzforderungen anzurechnen.\n\n69\n\n \n\nDer Saldo der Betriebskostenabrechnung war ab dem Zeitpunkt seiner\nRechtshangigkeit durch Antragstellung in der Sitzung vom 25.01.2008 zu\nverzinsen. Zwar wurde es bereits mit Schriftsatz vom 28.08.2007\nschriftsatzlich geltend gemacht. Der Schriftsatz ist dem Beklagten jedoch\nnicht formlich zugestellt worden.\n\n \n\n**III.**\n\n70\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 516 ZPO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.\n\n71\n\n \n\nAnlass, die Revision zuzulassen, sieht der Senat nicht.\n\n
102,603
fg-schleswig-holsteinisches-2009-04-29-3-k-22406
1,067
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht
fg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Finanzgerichtsbarkeit
3 K 224/06
2009-04-29
2018-11-23 04:30:12
2019-01-17 11:30:55
Urteil
ECLI:DE:FGSH:2009:0429.3K224.06.0A
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten uber die Verfassungsmaßigkeit einer Hinzurechnung des\nGewerbeertrages nach § 8a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klagerin wurde im Jahr 1992 in der Rechtsform einer Gesellschaft mit\nbeschrankter Haftung (GmbH) mit Sitz in A gegrundet. Gegenstand des\nUnternehmens sind … . Die Klagerin hat 1998 ihren Sitz und ihre gesamte\nGeschaftstatigkeit nach Norderfriedrichskoog verlegt. Norderfriedrichskoog\nerhob im Streitjahr 2003 einen Gewerbesteuerhebesatz von Null %. An der\nKlagerin waren im gesamten Streitjahr die … GmbH (X) und die ... GmbH (Y) zu\nje 50 % beteiligt.\n\n \n\n3\n\n \n\nMit Bescheid vom 11. Mai 2004 wurde die Klagerin vom Beklagten erklarungsgemaß\nzur Gewerbesteuer veranlagt. Es wurde ein Gewerbesteuermessbetrag fur 2003 von\n9.990 € festgesetzt, wobei von einem Gewerbeertrag von 199.800 € ausgegangen\nwurde. Der Bescheid wurde nach Rucknahme eines zunachst erhobenen Einspruchs\nbestandskraftig.\n\n \n\n4\n\n \n\nMit Bescheid vom 13. Mai 2004 uber die gesonderte und einheitliche\nFeststellung des Hinzurechnungsbetrages nach § 8a GewStG bei niedriger\nGewerbesteuerbelastung fur den Erhebungszeitraum (das Kalenderjahr) 2003 wurde\nder Hinzurechnungsbetrag ausgehend vom erklarungsgemaß angesetzten\nGewerbeertrag auf 199.800 € festgestellt.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Klagerin erhob am 16. Juni 2004 Einspruch gegen den Feststellungsbescheid,\nden sie im Wesentlichen damit begrundete, dass der Bescheid auf einer\nverfassungswidrigen gesetzlichen Grundlage beruhe und daher rechtswidrig sei.\n§ 8a GewStG verstoße gegen das Demokratieprinzip in Gestalt des\nParlamentsvorbehalts, weil die Einfugung der Regelung in das\nGewerbesteuergesetz auf einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses\nzuruckzufuhren sei, der die Grenzen uberschritten habe, die den\nBeschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und\nBundesrat gesetzt seien. Zudem verstoße die Vorschrift materiell gegen das\nÜbermaßverbot als Unterprinzip des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 des\nGrundgesetzes (GG), weil die Norm die steuerpflichtigen Gewerbetreibenden in\nunverhaltnismaßiger Weise belaste.\n\n \n\n6\n\n \n\nMit Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2006 wies der Beklagte den\nEinspruch als unbegrundet zuruck.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Klagerin hat am 27. Oktober 2006 Klage erhoben. Zur Begrundung tragt sie\nim Wesentlichen vor, dass § 8a GewStG in formeller und materieller Hinsicht\nverfassungswidrig sei. Formell verstoße diese Norm gegen das Demokratieprinzip\nin Gestalt des Parlamentsvorbehalts im Sinne von Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs.\n1 GG. Die Einfugung der Regelung in das Gewerbesteuergesetz sei auf einen\nVorschlag des Vermittlungsausschusses zuruckzufuhren, der die Grenzen\nuberschritten habe, die den Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses\nzwischen Bundestag und Bundesrat gesetzt seien. Der Vermittlungsausschuss\ndurfe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Änderung,\nErganzung oder Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften nur\nvorschlagen, wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im Rahmen des\nAnrufungsbegehrens und des ihm zu Grunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens\nverbleibe.\n\n \n\n8\n\n \n\nDies sei hier nicht der Fall. § 8a GewStG sei durch Art. 4 Nr. 3 des\nSteuervergunstigungsabbaugesetzes vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660) mit\nWirkung vom 01. Januar 2003 in das Gewerbesteuergesetz eingefugt worden. Diese\nVorschrift sei im Regierungsentwurf des Steuervergunstigungsabbaugesetzes vom\n28. November 2002 noch nicht enthalten gewesen. Die Beschlussempfehlung des\nFinanzausschusses des Bundestages vom 19. Februar 2003 habe in § 1 GewStG-\nEntwurf vorgesehen, die Gemeinden zu verpflichten, Gewerbesteuer zu erheben.\nDie Lander hatten gemaß § 16 Abs. 5 GewStG-Entwurf das Recht erhalten, einen\nMindesthebesatz gesetzlich festzusetzen. Zur Begrundung sei im Bericht des\nFinanzausschusses vom 20. Februar 2003 insoweit ausgefuhrt worden, dass durch\ndie Verpflichtung der Gemeinden zur Erhebung einer Gewerbesteuer zusammen mit\nder Einraumung der Moglichkeit fur den Landesgesetzgeber, Mindesthebesatze\nfestzulegen, ein effektives Instrumentarium geschaffen werde, mit dessen Hilfe\nkunftig verhindert werden konne, dass einzelne Gemeinden sich auf Kosten\nanderer Gemeinden ubermaßige Standortvorteile verschafften. Nachdem der\nBundesrat dem Gesetzesbeschluss des Bundestages die Zustimmung verweigert\ngehabt habe, habe der Vermittlungsausschuss am 10. April 2003 die Regelung des\n§ 8a GewStG vorgeschlagen. Der Bundestag habe sodann am 11. April 2003 die\nRegelung des § 8a GewStG in der vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagenen\nFassung angenommen. Am selben Tag habe der Bundesrat seine Zustimmung erteilt.\n\n \n\n9\n\n \n\nÜber § 8a GewStG hatten somit weder Bundestag noch Bundesrat je diskutiert.\nEine Behandlung eines vergleichbaren Gesetzesvorschlags im Finanzausschuss des\nBundesrates reiche nicht aus. Auch lediglich die faktische Festsetzung eines\nGewerbesteuerhebesatzes auf mindestens 200 % sei nie thematisiert worden.\nLediglich die Intension der Gesetzesanderungen, namlich die Verhinderung von\nSteueroasen, sei an dieser Stelle bereits deutlich gewesen.\n\n \n\n10\n\n \n\nZwischen den ursprunglichen vom Bundestag erorterten Regelungen der §§ 1, 16\nGewStG-Entwurf und der schließlich mit § 8a GewStG ins Gesetz eingefugten\nHinzurechnungsbesteuerung habe auch keine inhaltliche Ähnlichkeit bestanden.\nLediglich der Zweck der Regelungen, Steueroasen verhindern zu wollen, ziele in\ndie gleiche Richtung. Der Regelungsinhalt weiche jedoch entscheidend\nvoneinander ab. Die ursprungliche Vorschrift habe einen Zwang der Gemeinden\nzur Erhebung der Gewerbesteuer vorgesehen und damit allein die Gemeinden\nselbst betroffen. Auch eine bestimmte Hohe des Hebesatzes sei nicht festgelegt\ngewesen, sondern habe von den Landern selbststandig bestimmt werden sollen.\nAdressat des § 8a GewStG sei hingegen der steuerpflichtige Unternehmer. Der\nVermittlungsausschuss sei nach den zuvor geschilderten Ablaufen somit autonom\ntatig gewesen. An entsprechenden parlamentarischen Vorgaben habe es gefehlt.\nIn diesem Zusammenhang sei auch unbeachtlich, dass Bundestag und Bundesrat das\nBeratungsergebnis des Vermittlungsausschusses am 11. April 2003 angenommen\nhatten.\n\n \n\n11\n\n \n\n§ 8a GewStG verstoße materiell gegen das Übermaßverbot, weil die Norm die\nsteuerpflichtigen Gewerbetreibenden in unverhaltnismaßiger Weise belaste. Habe\nein gewerbliches Unternehmen eine Tochtergesellschaft mit Sitz und\nGeschaftsleistung in einer niedrig besteuerten inlandischen Gemeinde -\nHebesatz unter 200 % -, so sei ihm gemaß § 8a Abs. 1 GewStG der Gewerbeertrag\nder Tochter-Kapitalgesellschaft zur Besteuerung zuzurechnen. Die\nTochtergesellschaft bleibe damit selbst steuerpflichtig in der niedrig\nbesteuernden Gemeinde. Durch die Erfassung desselben Gewerbeertrages bei der\nTochtergesellschaft und dem Mutterunternehmen komme es in diesen Fallen nach\nherrschender Auffassung im Schrifttum zu einer gewerbesteuerlichen\nDoppelbelastung.\n\n \n\n12\n\n \n\nDer Zweck des § 8a GewStG liege in der Verhinderung von so genannten\nGewerbesteueroasen und der Aushebelung des damit verbundenen unlauteren\nSteuerwettbewerbs zwischen den Gemeinden. Hierbei handele es sich um ein nach\nder Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts legitimes gesetzgeberisches\nZiel. Die Norm sei zur Erreichung dieses Ziels auch grundsatzlich geeignet.\nDie Gewerbetreibenden wurden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung faktisch\ngezwungen, die Geschaftstatigkeit und den Sitz ihrer Tochter-\nKapitalgesellschaften aus den Gewerbesteueroasen in andere Gemeinden zu\nverlagern, die einen Hebesatz von 200 % oder mehr hatten. Allerdings sei § 8a\nGewStG nicht erforderlich. Es existierten mildere, ebenso effiziente Mittel\nzur Verhinderung der Gewerbesteueroasen, ohne die Steuerpflichtigen mit einer\nubermaßigen Doppelbesteuerung zu belasten. Denkbar sei eine\nAnrechnungsregelung in § 8a GewStG, durch die die bereits in der Gemeinde des\nTochterunternehmens gezahlte Gewerbesteuer auf die in der Gemeinde des\nMutterunternehmens zu zahlende Gewerbesteuer angerechnet werde. Hierdurch\nwurde der Gewerbeertrag des Tochterunternehmens allein mit dem hoheren\nHebesatz der Gemeinde des Mutterunternehmens belastet. Alternativ konne auch -\nwie ab dem Jahre 2004 geschehen - ein Mindesthebesatz von 200 % eingefuhrt\nwerden. Der Effekt einer Doppelbelastung bleibe in beiden Fallen aus. § 8a\nGewStG sei zudem unzumutbar, denn die darin geschaffene Belastung des\nSteuerpflichtigen stehe außer Verhaltnis zur Bedeutung des gesetzgeberischen\nZiels. Durch die Neuregelung versuche der Gesetzgeber, alle Gemeinden, deren\nHebesatz unter 200 % liege, mittelbar zu einer Anhebung auf mindestens 200 %\nzu zwingen. Hierdurch wurden jedoch nicht die Verursacher des\nSteuerwettbewerbs, die Gemeinden, belastet, sondern die Steuerpflichtigen, die\nihre Tatigkeit in rechtmaßiger Weise nach dem GewStG ausgerichtet hatten und\nim Folgenden doppelt zur Gewerbesteuer herangezogen wurden. Diese\nverfassungsrechtliche Problematik habe der Gesetzgeber bereits ein halbes Jahr\nnach Einfuhrung des § 8a GewStG selbst erkannt und mit Wirkung vom\nVeranlagungszeitraum 2004 durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des\nGewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 2003 (BStBl I 2003,\n2922) wieder aufgehoben. Stattdessen seien - wie ursprunglich angedacht - die\nGemeinden in § 1 GewStG verpflichtet worden, Gewerbesteuer zu erheben.\nZugleich sei ein Mindesthebesatz gemaß § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG in Hohe von\n200 % eingefuhrt worden.\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Klagerin beantragt, den Bescheid betreffend die gesonderte und\neinheitliche Feststellung des Hinzurechnungsbetrages nach § 8a GewStG fur 2003\nvom 13. Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2006\naufzuheben.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n \n\n15\n\n \n\nZur Begrundung tragt er im Wesentlichen vor, dass das Land Schleswig-Holstein\nbereits zu Tagesordnungspunkt 15 der 767. Sitzung des Finanzausschusses des\nBundesrates am 05. Dezember 2002 einen Antrag (als Prufbitte) gestellt habe,\neinen neuen § 8a „Hinzurechnung des Gewerbeertrages bei niedriger\nGewerbesteuerbelastung" in das GewStG einzufugen. Durch diesen Antrag im\nFinanzausschuss sei der Bundesrat also schon vor dem Vermittlungsverfahren mit\nder Angelegenheit befasst worden. Der Bundesrat habe dem\nSteuervergunstigungsabbaugesetz in seiner Sitzung am 14. Marz 2003 nicht\nzugestimmt. Die Bundesregierung habe daraufhin die Einberufung des\nVermittlungsausschusses beschlossen. Der Vermittlungsausschuss habe sich in\nseiner Sitzung am 20. Marz 2003 vertagt und die Ministerprasidenten Steinbruck\n(Nordrhein-Westfalen) und Koch (Hessen) gebeten, Einigungsmoglichkeiten zu\nsondieren. Der gemeinsame Vorschlag der beiden Ministerprasidenten vom 04.\nApril 2003 habe unter anderem als Maßnahme die Hinzurechnung des\nGewerbeertrags aus Gewerbesteueroasen mit dem Zusatz „N-Falle - Vorschlag\nSchleswig-Holstein im Bundesrat" enthalten. Der Vermittlungsausschuss habe\ndamit diese Maßnahme, die auf dem Vorschlag Schleswig-Holsteins im\nFinanzausschuss des Bundesrates beruhe, aufgegriffen. § 8a GewStG sei\nschließlich durch Art. 4 Nr. 3 des Steuervergunstigungsabbaugesetzes in das\nGesetz eingefugt worden. Die Vorschrift sei bei diesem Gesetzgebungsverlauf in\nformeller Hinsicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.\n\n \n\n16\n\n \n\nAuch materiell bestunden gegen die Norm keine durchgreifenden\nverfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Doppelbesteuerung des Gewerbeertrags der\nKlagerin liege nicht vor. Es sei auch fraglich, ob § 8a Abs. 1 GewStG eine\ndoppelte Erfassung des Gewerbeertrages uberhaupt vorschreibe.\n\n \n\n17\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Gewerbesteuerakten des\nBeklagten Bezug genommen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n18\n\n \n\nDie Klage ist zulassig, aber unbegrundet.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Klagerin ist gemaß § 8a Abs. 4 Satz 3 GewStG klagebefugt. Danach ist die\nTochtergesellschaft, deren Gewerbeertrag nur einer niedrigen\nGewerbesteuerbelastung unterliegt, erklarungspflichtig,\nEmpfangsbevollmachtigte fur alle Beteiligten und Einspruchsberechtigte. Mit\ndieser Bestimmung wird somit fur die von der Hinzurechnung nach § 8a Abs. 1\nGewStG selbst nicht betroffene Tochtergesellschaft eine gesetzliche\nRechtsbehelfs- und Prozessstandschaft begrundet, innerhalb derer sie die\nRechte der an ihr beteiligten Unternehmer geltend machen kann.\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Bescheid vom 13. Mai 2004 uber die gesonderte und einheitliche\nFeststellung des Hinzurechnungsbetrages nach § 8a GewStG bei niedriger\nGewerbesteuerbelastung fur den Erhebungszeitraum (das Kalenderjahr) 2003 in\nder Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2006 ist rechtmaßig.\n\n \n\n21\n\n \n\nNach § 8a Abs. 1 GewStG ist der Gewerbeertrag einer Tochter-\nKapitalgesellschaft mit Geschaftsleitung und Sitz innerhalb des\nGeltungsbereiches des Gewerbesteuergesetzes, an dem der Unternehmer seit\nBeginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel\nbeteiligt ist, dem Gewerbeertrag des Unternehmers entsprechend der Beteiligung\nam Nennkapital hinzuzurechnen, wenn der Gewerbeertrag der Tochtergesellschaft\nnur einer niedrigen Gewerbesteuerbelastung unterliegt. Der Gewerbeertrag der\nTochtergesellschaft unterliegt nur einer niedrigen Gewerbesteuerbelastung,\nwenn der von der hebeberechtigten Gemeinde bestimmte Hebesatz 200 vom Hundert\nunterschreitet (§ 8a Abs. 2 GewStG). Der Hinzurechnungsbetrag ist gegenuber\nder Tochtergesellschaft und allen Unternehmen im Sinne von § 8a Abs. 1 GewStG\ngesondert und einheitlich festzustellen. Zustandig fur die gesonderte\nFeststellung ist das fur die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags der\nTochtergesellschaft zustandige Finanzamt (§ 8a Abs. 4 Satz 1 und 2 GewStG).\n\n \n\n22\n\n \n\nDiese Voraussetzungen liegen hier unstreitig vor. An der Klagerin waren im\ngesamten Streitjahr 2003 die X und die Y zu je 50 % beteiligt. Diese\nGesellschaften sind kraft Rechtsform Unternehmer im Sinne des\nGewerbesteuergesetzes (§ 2 Abs. 2 GewStG). Der Gewerbeertrag der Klagerin\n(Tochtergesellschaft) unterlag im Streitjahr 2003 nur einer niedrigen\nGewerbesteuerbelastung, weil sie ihren Sitz und ihre Geschaftsleitung im\nBereich der Gemeinde Norderfriedrichskoog hatte, die im Streitjahr einen\nGewerbesteuerhebesatz von Null % erhob. Der Gewerbeertrag des Jahres 2003 der\nKlagerin von 199.800 € war deshalb gemaß § 8a Abs. 1 GewStG zu je 50 % der X\nund der Y hinzuzurechnen. Dies ist mit dem angefochtenen Feststellungsbescheid\nvom 13. Mai 2004 durch den dafur zustandigen Beklagten erfolgt.\n\n \n\n23\n\n \n\nEntgegen der Auffassung der Klagerin ist § 8a Abs. 1 GewStG sowohl formell (1)\nals auch materiell (2) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.\n\n \n\n24\n\n \n\n(1) § 8a GewStG ist durch Art. 4 Nr. 3 des Steuervergunstigungsabbaugesetzes\nvom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660) mit Wirkung vom 21. Mai 2003 in das\nGewerbesteuergesetz eingefugt worden. Diese Vorschrift ist in einer mit dem\nGrundgesetz zu vereinbarenden Weise zu Stande gekommen. Sie geht auf eine\nBeschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 10. April 2003 zuruck\n(vgl. BT-Drucks. 15/841), der Bundestag und Bundesrat am 11. April 2003\nzugestimmt haben (vgl. BT-Plenarprotokoll 15/41 S. 3374C; BR-Drucks. 253/03).\nDer Vermittlungsausschuss hat dabei seine Befugnisse nicht uberschritten, so\ndass Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76\nAbs. 1 GG nicht verletzt wurden und es deshalb nicht darauf ankommt, ob ein\nVerfassungsverstoß evident ware (vgl. BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 15.\nJanuar 2008 - 2 BvL 12/01 -, BVerfGE 120, 56 [73 f]).\n\n \n\n25\n\n \n\nDie Kompetenzen des Vermittlungsausschusses und ihre Grenzen sind in der\nVerfassung nicht ausdrucklich geregelt. Sie ergeben sich aber aus der Funktion\nund Stellung dieses Gremiums im Gesetzgebungsverfahren. Die Einrichtung des\nVermittlungsausschusses beruht auf der bundesstaatlichen Ausgestaltung des\nGesetzgebungsverfahrens. Bundesgesetze werden zwar gemaß Art. 77 Abs. 1 Satz 1\nGG vom Bundestag beschlossen. Dem Bundesrat kommen im Gesetzgebungsverfahren\naber Mitwirkungsrechte zu, so dass er durch einen Einspruch oder die\nVerweigerung einer erforderlichen Zustimmung Einfluss auf die Gesetzgebung\nnehmen kann. In diesem System hat der Vermittlungsausschuss die Aufgabe, im\nFalle unterschiedlicher Auffassungen zwischen Bundestag und Bundesrat einen\nEinigungsvorschlag zu erarbeiten, uber den der Bundestag sodann erneut zu\nbeschließen hat (Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG). Der Vermittlungsausschuss hat\ndemgemaß im Gesetzgebungsverfahren zwar keine Entscheidungskompetenz, wohl\naber eine den Kompromiss vorbereitende, ihn aushandelnde und faktisch\ngestaltende Kompetenz. Diese jeder Vermittlungstatigkeit innewohnende\nfaktische Gestaltungsmacht ist durch die verfassungsrechtliche Ausgestaltung\ndes Gesetzgebungsverfahrens beschrankt (vgl. BVerfG, Beschluss des 2. Senats\nvom 15. Januar 2008 - 2 BvL 12/01 - a.a.O.).\n\n \n\n26\n\n \n\nSo verfugt der Vermittlungsausschuss uber kein eigenes Gesetzesinitiativrecht,\nsondern wird nur tatig, sofern er nach der Zustimmung des Bundestages zu einem\nGesetzentwurf (Art. 77 Abs. 1 GG) von einem der in Art. 76 Abs. 1 GG genannten\nInitiativberechtigten angerufen wird. Ihm kommt daher lediglich die Aufgabe\nzu, auf der Grundlage dieses Gesetzesbeschlusses und des vorherigen\nGesetzgebungsverfahrens Änderungsvorschlage zu erarbeiten, die sich sowohl im\nRahmen der parlamentarischen Zielsetzung des Gesetzgebungsvorhabens bewegen\nals auch die jedenfalls im Ansatz sichtbar gewordenen politischen\nMeinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat ausgleichen. Zur\nWahrung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, der Rechte der\nAbgeordneten, der Öffentlichkeit, der parlamentarischen Debatte und damit der\ndemokratischen Kontrolle der Gesetzgebung darf der Vermittlungsausschuss daher\nlediglich solche Änderungen, Erganzungen oder Streichungen des\nGesetzesbeschlusses vorschlagen, die sich im Rahmen des Anrufungsbegehrens und\ndes Gesetzgebungsverfahrens bewegen. Der Vermittlungsvorschlag darf weder zu\neiner Verlagerung der Entscheidung in den Ausschuss und damit zu einer\nEntparlamentisierung fuhren noch dazu, dass der Bundesrat ohne Beteiligung des\nBundestages Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen kann. Das zum\nAnrufungsbegehren fuhrende Gesetzgebungsverfahren wird durch die zuvor dort\neingefuhrten Antrage und Stellungnahmen der Abgeordneten, aber auch des\nBundesrates sowie im Fall einer Regierungsvorlage gegebenenfalls der\nBundesregierung bestimmt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welcher\nForm der Bundestag die Antrage und Stellungnahmen in seinem Gesetzesbeschluss\nberucksichtigt hat. Entscheidend ist allein, dass sie im\nGesetzgebungsverfahren vor dem Gesetzesbeschluss bekannt geworden sind und die\nAbgeordneten in Wahrnehmung ihrer ihnen aufgrund ihres freien Mandats\nobliegenden Verantwortung die Moglichkeit hatten, diese zu erortern, Meinungen\nzu vertreten, Regelungsalternativen vorzustellen und hierfur eine Mehrheit im\nParlament zu suchen. Diese Moglichkeit wird verschlossen, wenn\nRegelungsgegenstande erst nach der letzten Lesung des Bundestages in das\nGesetzgebungsverfahren eingefuhrt werden. Die Abgeordneten werden stattdessen\nmit einem fertigen Gesetzentwurf konfrontiert, dessen einzelne Bestandteile\nsie in diesem Verfahrensabschnitt nicht mehr in das ubliche Beratungsverfahren\naufnehmen konnen. Dies ist nur vertretbar, wenn es sich samtlich um\nRegelungsgegenstande handelt, die jedenfalls dem Grunde nach im\nGesetzgebungsverfahren erkennbar geworden sind. Anderenfalls konnen auch keine\nMeinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat bestehen, auf deren\nAusgleich das Vermittlungsverfahren zielt, da das Parlament mit dem\nRegelungsgegenstand noch nicht befasst war. Die Kompetenz des\nVermittlungsausschusses beschrankt sich danach darauf, mit dem\nBeschlussvorschlag eine Brucke zwischen Regelungsalternativen zu schlagen, die\nbereits zuvor in den Gesetzgebungsorganen erortert worden oder jedenfalls\nerkennbar geworden sind (vgl. BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 15. Januar\n2008 - 2 BvL 12/01 - a.a.O.).\n\n \n\n27\n\n \n\nAn diesen verfassungsrechtlichen Maßstaben gemessen, hat der\nVermittlungsausschuss seine Kompetenzen nicht uberschritten. Er hat mit Art. 4\nNr. 3 des Steuervergunstigungsabbaugesetzes vom 16. Mai 2003 eine Bestimmung\nin seinen Einigungsvorschlag aufgenommen, die bereits zuvor in den\nGesetzgebungsorganen erortert worden oder jedenfalls erkennbar geworden und\nGegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat war.\n\n \n\n28\n\n \n\nDer Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Steuervergunstigungsabbaugesetz vom\n28. November 2002 (BT-Drucks. 15/287, 15/312) sah weder § 8a GewStG noch\nvergleichbare Vorschriften vor. Nachdem die Regierungsvorlage dem Bundesrat\nzur Stellungnahme zugeleitet worden war (vgl. Art. 76 Abs. 2 Satz 1 GG), war\nsie Gegenstand der 767. Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates (vgl.\nBR-Drucks. 866-02). In der Finanzausschusssitzung gab das Land Schleswig-\nHolstein einen Antrag zu Protokoll, wonach der Bundesrat die Bundesregierung\nbitte, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prufen, ob durch eine\nentsprechende Erganzung des Gewerbesteuergesetzes und des Grundsteuergesetzes\nsichergestellt werden konne, dass keine „Steueroasen" bei diesen Steuerarten\nentstunden. Nach gegenwartiger Rechtslage bestehe weder bei der Gewerbesteuer\nnoch bei der Grundsteuer eine Pflicht der Gemeinde zur Erhebung der Steuern\nbzw. fehle es an Vorgaben, bei der Festsetzung dieser Steuern bestimmte\nMindesthebesatze vorzusehen. Das habe zu Fallkonstellationen gefuhrt, in denen\nGemeinden, die aus besonderen Grunden auf diese Gemeindesteuern nicht\nangewiesen seien, Anlass fur Gewerbebetriebe boten, sich unter Nutzung\nsteuerrechtlicher Gestaltungsspielraume im Gemeindegebiet anzusiedeln. Den\nUnternehmen wurden erhebliche Steuervorteile eingeraumt, wahrend fur die\nGemeinde bzw. ihre Einwohner andere Vorteile aus der Ansiedlung erwuchsen\n(Beispiel Mieteinnahmen). Das fuhre zu erheblichen Realsteuerausfallen bei den\nGemeinden bzw. Stadten, aus deren Gebiet die Unternehmen ihren Sitz verlegten.\nDiese schadlichen Konsequenzen fur diese Gemeinden sowie fur die Lander und\nden Bund seien - auch angesichts der angespannten finanziellen Situation der\noffentlichen Haushalte - nicht mehr hinnehmbar (vgl. Niederschrift der 767.\nBR-Finanzausschusssitzung vom 05. Dezember 2002, S. 54).\n\n \n\n29\n\n \n\nDementsprechend schlug das Land Schleswig-Holstein vor, den Gesetzentwurf der\nBundesregierung dahingehend zu andern, nach § 8 GewStG einen § 8a mit\nauszugsweise folgendem Wortlaut einzufugen:\n\n \n\n30\n\n \n--- \n„§ 8a \nHinzurechnungen des Gewerbeertrags bei niedriger Gewerbesteuerbelastung \n(1) Ist der Unternehmer am Nennkapital einer Kapitalgesellschaft mit\nGeschaftsleitung und Sitz innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes seit\nBeginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel\nbeteiligt (Tochtergesellschaft), ist der Gewerbeertrag der Tochtergesellschaft\ndem Gewerbeertrag entsprechend der Beteiligung am Nennkapital hinzuzurechnen,\nwenn der Gewerbeertrag der Tochtergesellschaft nur einer niedrigen\nGewerbesteuerbelastung unterliegt. \n(2) Der Gewerbeertrag der Tochtergesellschaft unterliegt einer nur niedrigen\nGewerbesteuerbelastung, wenn der von der hebeberechtigten Gemeinde bestimmte\nHebesatz 150 vom Hundert nicht ubersteigt. \n(3) Die Hinzurechnung unterbleibt, wenn die Tochtergesellschaft ihre\nBruttoertrage ausschließlich oder fast ausschließlich aus Tatigkeiten erzielt,\ndie nicht stammen aus: \n… \n(4) Ist die Tochtergesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt\nund wird ihr ein Gewerbeertrag nach Abs. 1 hinzugerechnet, erhoht sich der\nHinzurechnungsbetrag nach Abs. 1 entsprechend. \n(5) Der Hinzurechnungsbetrag ist gesondert festzustellen. Zustandig fur die\ngesonderte Feststellung ist das fur die Festsetzung des Gewerbesteuer-\nMessbetrags der Tochtergesellschaft zustandige Finanzamt." \n \n \n\n \n\n31\n\n \n\nFerner schlug das Land Schleswig-Holstein vor, § 22 Abs. 1 GewStG (Anrechnung)\ndergestalt zu fassen, dass sich die festzusetzende Gewerbesteuer in den Fallen\ndes § 8a um die fur den Hinzurechnungsbetrag von der Tochtergesellschaft\ntatsachlich entrichtete Gewerbesteuer mindert (vgl. Niederschrift der 767.\nSitzung des BR-Finanzausschusses vom 05. Dezember 2002, S. 49 - 52).\n\n \n\n32\n\n \n\nIn der Plenardebatte des Bundesrates uber den Regierungsentwurf zum\nSteuerbegunstigungsabbaugesetz am 20. Dezember 2002 verwies der Schleswig-\nHolsteinische Minister Moller auf die Vorschlage Schleswig-Holsteins im\nFinanzausschuss und auf die Alternative, einen Mindesthebesatz gesetzlich\nfestzulegen (vgl. BR-Plenarprotokoll 784, S. 593A).\n\n \n\n33\n\n \n\nDer Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat den Gesetzentwurf der\nBundesregierung zum Steuervergunstigungsabbaugesetz (vgl. BT-Drucks. 15/287,\n15/312) am 19. Februar 2003 abschließend beraten und in seiner\nBeschlussempfehlung vom 19. Februar 2003 (BT-Drucks. 15/480, S. 5)\nvorgeschlagen, den Gesetzentwurf dergestalt zu andern, dass in § 1 GewStG-\nEntwurf vorgesehen war, Gemeinden zu verpflichten, Gewerbesteuer zu einem\nMindesthebesatz zu erheben und in § 16 Abs. 5 GewStG-Entwurf gesetzlich zu\nermoglichen, dass die Lander einen jeweiligen Mindesthebesatz festlegen.\n\n \n\n34\n\n \n\nIn dem Bericht des Finanzausschusses zu dieser Beschlussempfehlung (vgl. BT-\nDrucks. 15/481, S. 16) wird dazu ausgefuhrt, dass die vorgeschlagene\nEinfuhrung eines Mindesthebesatzes bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer\n„Steueroasen" bei den Gemeindesteuern verhindere. Nach gegenwartiger\nRechtslage bestehe weder bei der Gewerbesteuer noch bei der Grundsteuer eine\nPflicht der Gemeinde zur Erhebung dieser Steuern. Es fehle auch die Vorgabe\nbestimmter Mindesthebesatze. Dies habe dazu gefuhrt, dass einzelne Gemeinden\nkeine Hebesatze festsetzten und so auf die Steuererhebung verzichteten. Dies\ngeschehe in Einzelfallen nicht immer aus Grunden des interkommunalen\nWettbewerbs. Durch das so geschaffene krasse Steuergefalle im Verhaltnis zur\nweit uberwiegenden Mehrzahl der anderen Gemeinden, die diese Realsteuern\nerhoben, werde ein uberregionaler Anreiz fur Unternehmen geschaffen, die sich\nbietenden steuerlichen Vorteile zu nutzen und insbesondere den Ort der\nGeschaftsleitung fur bestimmte Geschaftsbereiche in das Gemeindegebiet der\nbetreffenden Gemeinde zu verlagern - unter Inkaufnahme von Gegenleistungen,\nwie z. B. hohen Buromieten, die auf und teilweise uber dem Niveau von\nGroßstadtmonopolen lagen. Durch die Verpflichtung der Gemeinden zur Erhebung\neiner Gewerbesteuer werde zusammen mit der Einraumung der Moglichkeit fur den\nLandesgesetzgeber, Mindesthebesatze festzulegen, ein effektives\nInstrumentarium geschaffen, mit dessen Hilfe kunftig verhindert werden konne,\ndass einzelne Gemeinden sich auf Kosten anderer Gemeinden ubermaßige\nStandortvorteile verschafften, die zu absurden und rein steuermotivierten\nWanderungsbewegungen der Unternehmenssitze und Verlagerungen von\nGeschaftsbereichen fuhrten. Die damit verbundenen erheblichen\nRealsteuerausfalle bei den Gemeinden bzw. Stadten, aus deren Gebieten die\nUnternehmen ihren Sitz wegverlegten, und die schadigenden Konsequenzen fur\nbetroffene Gemeinden, Lander und Bund seien - angesichts des erreichten\nAusmaßes sowie der angespannten finanziellen Situation der offentlichen\nHaushalte - insbesondere vor dem Hintergrund der Wahrung einheitlicher\nLebensverhaltnisse nicht mehr hinnehmbar.\n\n \n\n35\n\n \n\nNachdem der Bundestag am 21. Februar 2003 den aufgrund der\nBeschlussempfehlungen des Berichts des Finanzausschusses geanderten Entwurf\ndes Steuervergunstigungsabbaugesetzes angenommen hatte, beschloss der\nBundesrat am 14. Marz 2003, diesem Gesetz gemaß Art. 105 Abs. 3 und Art. 108\nAbs. 3 GG nicht zuzustimmen (vgl. BR-Drucks. 120/03). In der Plenardebatte des\nBundesrates am 14. Marz hatte der Schleswig-Holsteinische Finanzminister\nStegner die Einfuhrung eines Mindesthebesatzes zur Gewerbesteuer durch den\nGesetzentwurf begrußt, aber auch auf die Hinzurechnungslosung Schleswig-\nHolsteins hingewiesen (vgl. BR-Plenarprotokoll 786, S. 48A - 49B).\n\n \n\n36\n\n \n\nDie Bundesregierung beschloss daraufhin die Anrufung des\nVermittlungsausschusses und dieser schlug in seinem Einigungsvorschlag die\nEinfuhrung von § 8a GewStG vor, wobei ausdrucklich auf den Vorschlag\nSchleswig-Holsteins im Bundesrat verwiesen wurde. Diese Vorschrift wurde\nschließlich durch Art. 4 Nr. 3 des Steuervergunstigungsabbaugesetzes vom 15.\nMai 2003 ins Gesetz eingefugt.\n\n \n\n37\n\n \n\nMit dem oben dargestellten Vorschlag Schleswig-Holsteins im Finanzausschuss\ndes Bundesrates im Rahmen der Beratungen uber die Regierungsvorlage des\nSteuervergunstigungsabbaugesetzes ist im Gesetzgebungsverfahren eine\nRegelungsalternative mit der Bitte an die Bundesregierung ins Spiel gebracht\nworden, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prufen, ob durch eine\nentsprechende Erganzung des Gewerbesteuergesetzes sichergestellt werden kann,\ndass keine „Steueroasen" bei dieser Steuerart entstehen. Auch wenn der\nDeutsche Bundestag in seinem Gesetzesbeschluss diesen Vorschlag nicht\naufgegriffen, sondern sich fur die Verpflichtung der Gemeinden zur Erhebung\neines Mindestsatzes bei der Gewerbesteuer entschieden hat, lag die von\nSchleswig-Holstein vorgeschlagene Regelungsalternative im\nGesetzgebungsverfahren fur die Bundestagsabgeordneten gleichsam auf dem Tisch\n(Einbringung in den Finanzausschuss des Bundesrates und mehrfache Bezugnahme\nin den BR-Plenumsdebatten) und hatte vom Deutschen Bundestag in seinen\nGesetzesbeschluss ubernommen werden konnen.\n\n38\n\n \n\nDiese Regelungsalternative ist dann vom Vermittlungsausschuss aufgegriffen und\nvorgeschlagen worden. Dass dabei von dem Vorschlag Schleswig-Holsteins\ninsoweit abgewichen wurde, dass der Prozentsatz der niedrigen\nGewerbesteuerbelastung von 150 auf 200 erhoht wurde, Ausnahmen der\nHinzurechnung fur bestimmte Tatigkeiten und eine Anrechnung der fur den\nHinzurechnungsbetrag von der Tochtergesellschaft tatsachlich entrichteten\nGewerbesteuer entfielen, liegt im Bereich der Kompetenzen des\nVermittlungsausschusses. Er soll mit seinem Beschlussvorschlag gerade eine\nBrucke zwischen Regelungsalternativen schlagen, die zuvor im\nGesetzgebungsverfahren erortert worden sind. Dies ist hier der Fall, weil der\nKern des Vorschlages Schleswig-Holsteins - die Hinzurechnung des\nGewerbeertrags der Tochtergesellschaft zum beteiligten Unternehmer -\nbeibehalten wurde.\n\n \n\n39\n\n \n\n(2) Auch materiell ist § 8a Abs. 1 GewStG verfassungsrechtlich nicht zu\nbeanstanden.\n\n \n\n40\n\n \n\nSoweit die Klagerin geltend macht, dass durch diese Regelung die Gemeinden\nfaktisch gezwungen gewesen seien, einen Gewerbesteuerhebesatz von mindestens\n200 % festzusetzen, macht sie der Sache nach einen Eingriff in das\ngemeindliche Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 GG in Form des\nHebesatzrechtes (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 GG) geltend. Durch eine\nmogliche Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts ware aber nur\ndie Gemeinde Norderfriedrichskoog beschwert und nicht die Klagerin oder die an\nihr beteiligten Unternehmen. Die Klagerin ist insoweit nicht klagebefugt im\nSinne von § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil sie insoweit nicht\nin eigenen Rechten betroffen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 18. August 2004 I B\n87/04, BFHE 206, 453, BStBl II 2005, 143).\n\n \n\n41\n\n \n\nEine Verletzung der Grundrechte der an der Klagerin beteiligten Unternehmen\naus Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG ist hier nicht erkennbar. Zwar\nfallt die Gewerbesteuerbelastung in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts\n(vgl. BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 -\nBVerfGE 115, 97), der Eingriff ist jedoch nach dem Maßstab des Art. 14 Abs. 1\nSatz 2, Abs. 2 GG als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums\ngerechtfertigt. Insbesondere liegt keine unverhaltnismaßige Beeintrachtigung\nder an der Klagerin beteiligten Unternehmen durch eine gewerbesteuerliche\nDoppelbelastung vor. Durch § 8a Abs. 1 GewStG wird der Gewerbeertrag der\nKlagerin den an ihr beteiligten Unternehmen hinzugerechnet. Aufgrund des\nGewerbesteuerhebesatzes von Null % der Gemeinde N war die Klagerin selbst im\nStreitjahr nicht mit Gewerbesteuer belastet. Eine gewerbesteuerliche\nDoppelbelastung ist somit unabhangig von der Frage nicht eingetreten, ob § 8a\nAbs. 1 i.V.m. § 7 GewStG neben der Hinzurechnung noch die Berucksichtigung des\nGewerbeertrages der Tochtergesellschaft bei der Festsetzung ihres\nGewerbesteuer-Messbetrages vorschreibt und damit eine gewerbesteuerliche\nDoppelbelastung begrundet (vgl. insoweit zweifelnd Walz/Suß, DStR 2003, S.\n1637 <1638>). Ob es in anderen Fallkonstellationen zu einer Doppelbelastung\nkommt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil die Klagerin und die an ihr\nbeteiligten Unternehmen dadurch nicht beschwert waren.\n\n \n\n42\n\n \n\nAuch im Übrigen ist vorliegend keine gegen das Übermaßverbot verstoßende\nGewerbebesteuerung der an der Klagerin beteiligten Unternehmen zu erkennen,\ninsbesondere ist weder vorgetragen worden noch ansonsten ersichtlich, dass\nderen wirtschaftlicher Erfolg durch die Hinzurechnung grundlegend\nbeeintrachtigt wird und damit nicht mehr zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfG,\nBeschluss des 2. Senats vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 - a.a.O.).\n\n \n\n43\n\n \n\nDurch die Hinzurechnung des Gewerbeertrages der Klagerin werden die an ihr\nbeteiligten Gesellschaften auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG\ni.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt. Durch die Hinzurechnung des Gewerbeertrages\nerfolgt zwar eine Ungleichbehandlung gegenuber Gesellschaften, die mit der\nBeteiligungsquote des § 8a Abs. 1 GewStG an Tochtergesellschaften beteiligt\nsind, die nicht einer niedrigen Gewerbesteuerbelastung unterliegen. Diese\nUngleichbehandlung ist aber im Regelfall schon dadurch sachlich\ngerechtfertigt, dass eine Muttergesellschaft, deren Tochter einer niedrigen\nGewerbesteuerbelastung ausgesetzt ist, mit hoheren Ertragen in Form von\nAusschuttungen oder Dividenden rechnen kann. Der Gewinn der\nTochtergesellschaft ist dann nicht oder nur unterdurchschnittlich durch\nGewerbesteuerruckstellungen gemindert. Aber selbst in den Fallen, in denen ein\nErtrag aus der Beteiligung mangels Ausschuttung oder Dividende nicht zu\nerwarten und deshalb das Gebot gleicher Besteuerung nach der finanziellen\nLeistungsfahigkeit als Auspragung des Art. 3 Abs. 1 GG im Steuerrecht beruhrt\nist (vgl. BVerfG, Beschluss des 1. Senats vom 15. Januar 2008 - 1 BvL 2/04 -\nBVerfGE 120, 1), liegt ein besonderer sachlicher Grund fur die\nUngleichbehandlung in Form der Hinzurechnung des Gewerbeertrages der\nTochtergesellschaft vor. Dieser Grund besteht in dem legitimen\ngesetzgeberischen Ziel „Steueroasen" zu verhindern und damit die Streuung der\nNiederlassung von Gewerbetreibenden zu fordern (vgl. BVerfG, Beschluss des 2.\nSenats vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 352). Zudem soll mit der\nRegelung des § 8a Abs. 1 GewStG ausweislich der gesetzgeberischen Zielsetzung\nbundesweit gesehen das Gewerbesteueraufkommen geschutzt werden, welches durch\nUnternehmensansiedlungen in „Steueroasen" in erheblichem Umfang gefahrdet war.\nAuch hierin liegt ein legitimer Gesetzeszweck (vgl. BVerfG, Beschluss des 1.\nSenats vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, a.a.O.), der die Ungleichbehandlung\nsachlich rechtfertigt.\n\n \n\n44\n\n \n\nEine Verfassungsverletzung ergibt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen Art.\n2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG. Zwar ist die\nNeuregelung des § 8a Abs. 1 GewStG i.V.m. § 36 Abs. 1 GewStG (2003) erst am\n16. Mai 2003 ruckwirkend fur das gesamte Kalenderjahr 2003 eingefuhrt worden.\nDem Gesetzgeber ist es nach gefestigter Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts, der der Senat folgt, aber grundsatzlich unbenommen,\nim Laufe einer Besteuerungsperiode bis zum Entstehen des Steueranspruchs die\ngesetzlichen Grundlagen zu verandern. Das betrifft auch die Gewerbesteuer, die\ngemaß § 18 GewStG erst mit Ablauf des Erhebungszeitraums entsteht, fur den sie\nfestgesetzt wird. Der Steuerpflichtige kann wahrend des laufenden\nErhebungszeitraums grundsatzlich nicht darauf vertrauen, dass es\nuneingeschrankt bei den bisherigen steuerlichen Rahmenbedingungen,\ninsbesondere bei den bisherigen kommunalen Hebesatzen verbleiben wird (vgl.\nBFH-Beschluss vom 18. August 2004 I B 87/04, a.a.O.).\n\n \n\n45\n\n \n\n§ 8a Abs. 1 GewStG erfasst allerdings auch Gewinne der Klagerin, die vor dem\nGesetzesbeschluss verwirklicht worden sind und sich auf den hinzuzurechnenden\nGewerbeertrag ausgewirkt haben konnen. Angesichts dessen mag es zweifelhaft\nsein, ob in solchen Fallen fur den Steuerpflichtigen nachteilige\nGesetzesanderungen nach den Maßstaben der „echten" oder der „unechten"\nRuckwirkung zu beurteilen sind. In diese Richtung geht auch die jungere\nSpruchpraxis verschiedener Senate des Bundesfinanzhofes, die ausgehend von der\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Dispositionsschutz im Bereich\nsteuerlicher Lenkungsnormen und unter Berucksichtigung der im Schrifttum\ngeaußerten Kritik an der bisherigen Rechtsprechung in ihren Vorlagebeschlussen\nzu der Auffassung gelangt sind, dass der bislang vom Bundesverfassungsgericht\nnur fur (Verschonungs-)Subventionen und Steuervergunstigungen gewahrte\nverstarkte Schutz von Dispositionen auf alle Steuerrechtsnormen zu erstrecken\nsei. Auch bei einer tatbestandlichen Ruckanknupfung musse in jedem Einzelfall\ngepruft werden, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen des\nSteuerpflichtigen in die bestehende (gunstige) Rechtslage schutzenswert sei\nund ob offentliche Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigten,\ndieses Vertrauen uberwogen (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 2008 I R 77/07,\nZSteu 2009, 261).\n\n \n\n46\n\n \n\nOb dieser Auffassung zu folgen ist, kann im Streitfall dahingestellt bleiben.\nDie Einfugung des § 8a GewStG (2003) ist jedenfalls deshalb zulassig, weil sie\nauch einer einzelfallbezogenen Abwagung der wechselseitigen Interessen\nstandhalt. Denn auch wenn die Klagerin im Vertrauen auf die Gesetzeslage ihren\nSitz in Norderfriedrichskoog beibehalten haben sollte und die an ihr\nbeteiligten Gesellschaften im Hinblick auf dieses Vertrauen die Beteiligung\neingegangen bzw. beibehalten haben sollten, so waren diese Erwartungen doch\nnicht schutzenswerter als das Änderungsinteresse des Gesetzgebers.\n\n \n\n47\n\n \n\nDieses Änderungsinteresse soll - wie oben dargestellt - missbrauchliche\nGestaltungen in Form von Steueroasen und den dadurch verursachten\nWettbewerbsvorteil bestimmter Gemeinden sowie die damit korrespondierenden\nGewerbesteuerausfalle anderer Gemeinden verhindern. Im Jahr 2003 setzten vier\nGemeinden in der Bundesrepublik Deutschland den Gewerbesteuerhebesatz mit Null\n%, 14 weitere Gemeinden setzten Hebesatze von unter 200 % fest; uber die Jahre\nwaren Gewerbesteuerausfalle in dreistelliger Millionenhohe entstanden (vgl.\nBVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 2185/04 - BVerfGE\n112, 216). Dieses Interesse wiegt starker, als das etwaige Interesse der\nKlagerin und der an ihr beteiligten Gesellschaften an der Beibehaltung der\nRechtslage, die zudem damit rechnen mussten, dass der Gesetzgeber auf diesen\njedenfalls seit Oktober 2002 als Missstand in der offentlichen\nBerichterstattung und der politischen Meinungsaußerung dargestellten Befund\n(vgl. dazu Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 14. April\n2004, 1 V 412/03, juris m.w.N.) reagieren wurde.\n\n \n\n48\n\n \n\nNach alledem war die Klage abzuweisen.\n\n \n\n49\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.\n\n \n\n50\n\n \n\nDie Revision war wegen grundsatzlicher Bedeutung gemaß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO\nzuzulassen.\n\n \n\n
102,640
lsgsh-2009-03-17-l-11-as-1608
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 AS 16/08
2009-03-17
2018-11-23 04:30:18
2019-01-17 11:30:57
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2009:0317.L11AS16.08.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Klager wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom\n15. Januar 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 24. August 2005 in der\nFassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2005 aufgehoben und die\nBeklagte verpflichtet, den Klagern fur die Zeit vom 6. Juli 2005 bis zum 31.\nJanuar 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als\nBeihilfe zu gewahren.\n\n \n\nDie Beklagte tragt die außergerichtlichen Kosten der Klager im gesamten\nVerfahren.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klager begehren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB\nII), fur den Zeitraum vom 6. Juli 2005 bis zum 31. Januar 2006 als Beihilfe.\n\n2\n\n \n\nDie Klager zu 1) und 2) sind Eigentumer eines bebauten Hausgrundstucks in B.\nO.. Die Wohnflache des Hauses betragt 98 qm. Das Grundstuck ist insgesamt 925\nqm groß.\n\n3\n\n \n\nDie Klager bezogen bis 31. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhaltes nach dem SGB II. Am 6. Juli 2005 stellten sie einen\nFolgeantrag auf Weitergewahrung dieser Leistungen.\n\n4\n\n \n\nMit Bescheid vom 24. August 2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit der\nBegrundung ab, dass die Klager in Form des Hausgrundstucks uber Vermogen\nverfugten, welches von ihnen vor Bezug von Sozialleistungen einzusetzen sei.\nDagegen legten die Klager am 5. September 2005 Widerspruch ein. Mit Schreiben\nvom 6. September 2005 teilte die Beklagte den Klagern mit, dass das Grundstuck\nmit einer Große von 925 qm die angemessene Große fur ein geschontes Grundstuck\nubertreffe, so dass es sich insoweit nicht um berucksichtigungsfreies Vermogen\nhandele. Daher konnten allenfalls darlehensweise Leistungen gegen Eintragung\neiner Sicherungshypothek gewahrt werden. Das lehnten die Klager ab. Daraufhin\nwurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2005 wegen\nvorhandenen Vermogens zuruckgewiesen.\n\n5\n\n \n\nDie Klager haben am 18. November 2005 Klage erhoben. Sie haben gemeint, ihr\nHausgrundstuck sei als Schonvermogen anzusehen und daher nicht einzusetzen.\nFur sechs Personen sei die Wohnflache von 98 qm sehr gering. Daher musse die\nzu geringe Wohnflache mit der zu großen Grundstucksflache verrechnet werden,\nso dass bei einer Gesamtschau insgesamt ein noch angemessenes Hausgrundstuck\nvorliege. Im Übrigen konne der hintere Grundstucksteil nicht abgetrennt\nwerden, denn die Zuwegung sei nicht gesichert und dort konne auch nur ein sehr\nkleines Haus gebaut werden. Leistungen wurden nur bis Januar 2006 begehrt\nwerden, denn der Klager zu 1) habe im Februar 2006 eine Arbeit aufgenommen.\n\n6\n\n \n\nDie Klager haben beantragt,\n\n7\n\n \n\ndie Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. August 2005 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 18. Oktober 2005 zu verurteilen, ihnen - den\nKlagern - ab dem 6. Juli 2005 bis zum 31. Januar 2006 Leistungen zur Sicherung\ndes Lebensunterhalts nach dem SGB II als Beihilfe zu gewahren.\n\n8\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n10\n\n \n\nSie hat gemeint, dass eine Verrechnung einer geringeren Wohnflache mit der die\nangemessene Grundstucksgroße ubersteigenden Quadratmeterzahl nicht moglich\nsei. Es sei unerheblich, ob das abtrennbare Grundstuck bebaubar oder nur\nBauerwartungsland sei. Gegebenenfalls konne auch eine Verpachtung des\nuberschussigen Grundstucks z. B. fur Tierhaltung in Betracht kommen.\n\n11\n\n \n\nDas Sozialgericht hat uber die Beklagte eine Stellungnahme des\nGutachterausschusses fur Grundstuckswerte im Kreis S. eingeholt. In der\nStellungnahme vom 6. Juni 2007 ist ausgefuhrt, dass die Abtrennung eines\nhinteren Grundstuckteiles, unabhangig von der Frage der Bebaubarkeit,\njederzeit moglich sei. Dabei sei jedoch zu beachten, dass beim bebauten\nVordergrundstuck so viel Flache verbleibe, dass das Maß der uberbauten\nGrundstucksflache im Verhaltnis zur verbleibenden Restflache den Gegebenheiten\nder naheren Umgebung entspreche (§ 34 Baugesetzbuch). Da ein hinteres\nGrundstucksteil nur uber das vordere Grundstuck erreichbar sei, mussten mit\ndem Eigentumer des letzteren Grundstucks zwecks Zugangs Vereinbarungen\ngetroffen werden, die rechtlich abzusichern seien. Bei einer Bebauung des\nhinteren Grundstucksteils sei zu berucksichtigen, dass eine hintere Baugrenze\nmit einem Abstand von ca. 37 m von der Straße nicht uberschritten werden\ndurfe, außerdem seien die baurechtlichen Vorschriften (z. B. Abstandsflachen\nnach Landesbauordnung, uberbaubare Grundstucksflachen nach Baugesetzbuch)\neinzuhalten. Da die Zufahrt uber das vordere Grundstuck nur ca. 2,50 m breit\nsei und die Bauaufsicht fur eine Zufahrt 3 m fordere, mussten mit dem\nangrenzenden Grundstucksnachbarn Vereinbarungen getroffen werden, um die\nZuwegung zu sichern. Bei einem hinteren abtrennbaren Grundstucksteil von 590\nqm ergebe sich ein Wert von ca. 39.000,00 EUR.\n\n12\n\n \n\nIn einer fruheren Stellungnahme vom 5. April 2007 hatte der Gutachterausschuss\nfur Grundstuckswerte im Kreis S. der Beklagten mitgeteilt, dass fur das\nbetreffende Grundstuck kein Bebauungsplan vorliege. Ein Bauvorhaben sei nach §\n34 Baugesetzbuch zulassig, sofern es sich nach Art und Maß der baulichen\nNutzung, der Bauweise und der Grundstucksflache, die uberbaut werden solle, in\ndie Eigenart der naheren Umgebung einfuge. Ein weiteres Nachbargrundstuck\n(Flurstuck 22/10, Haus Nr. 198) sei bereits in zweiter Reihe bebaut worden. In\neinem Vermerk des Bauaufsichtsamtes der Stadt B. O. hierzu sind Zweifel an der\nBebaubarkeit des hinteren Grundstucksteils geaußert worden (Bl. 557, 558 GA).\n\n13\n\n \n\nDas Sozialgericht hat mit Urteil vom 15. Januar 2008 die Klage abgewiesen und\nausgefuhrt, dass die Klager keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II\nhatten, denn die Klager zu 1) und 2) verfugten uber einzusetzendes Vermogen.\nDas von ihnen bewohnte Hausgrundstuck sei nicht geschont im Sinne von § 12\nAbs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, denn die Grundstucksgroße sei mit 925 qm zu groß.\nGrundsatzlich kame eine Bebauung des hinteren Grundstucksteiles in Betracht,\nso dass allenfalls Anspruch auf darlehensweise Gewahrung bis zur Verwertung\ndes hinteren Grundstucksteiles bestunde. Da die Klager das jedoch ablehnten,\nseien Leistungen gar nicht zu gewahren.\n\n14\n\n \n\nDas Urteil ist dem Prozessbevollmachtigten der Klager am 24. Januar 2008\nzugestellt worden.\n\n15\n\n \n\nDie Klager haben am 24. Februar 2008 Berufung eingelegt. Sie meinen, das\nGrundstuck sei bei einer Gesamtbetrachtung von Wohnflache und Grundstucksgroße\nangemessen. Die Grundstucksgroße musse bei sechs Personen ebenso erweitert\nwerden wie die Wohnflache. Im Übrigen sei das hintere Grundstuck nicht\nbebaubar, denn es sei nur uber den vorderen Grundstucksteil zu erreichen.\nZusatzlich seien dann Zugestandnisse der Nachbarn erforderlich. Durch diese\nungunstigen Abhangigkeiten sei die Erschließung des hinteren Grundstucksteiles\nnicht gesichert. Bei einem eventuellen Verkauf ware auch die Zustimmung der\nBank erforderlich, denn das Grundstuck sei erheblich mit einer Grundschuld\nbelastet, so dass auch der Verkaufserlos hochstwahrscheinlich an die Bank\nfließen wurde.\n\n16\n\n \n\nDie Klager beantragen,\n\n17\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 15. Januar 2008 sowie den Bescheid\nder Beklagten vom 24. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides\nvom 18. Oktober 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen - den\nKlagern - ab dem 6. Juli 2005 bis zum 31. Januar 2006 Leistungen zur Sicherung\ndes Lebensunterhalts nach dem SGB II als Beihilfe zu gewahren.\n\n18\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n19\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n20\n\n \n\nSie bezieht sich auf die Grunde des angegriffenen Urteils.\n\n21\n\n \n\nHinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts-\nund Beiakten Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n22\n\n \n\nDie Berufung ist zulassig und begrundet. Das angegriffene Urteil des\nSozialgerichts Schleswig vom 15. Januar 2008 und der Bescheid der Beklagten\nvom 24. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober\n2005 sind fehlerhaft und daher aufzuheben. Die Beklagte hat den Klagern fur\nden hier maßgeblichen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II als Beihilfe zu\ngewahren.\n\n23\n\n \n\nDie Klager haben in dem streitigen Zeitraum Anspruch auf Arbeitslosengeld II\nnach § 19 SGB II bzw. auf Sozialgeld nach § 28 SGB II. Sie waren in dem\nstreitigen Zeitraum insbesondere bedurftig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB\nII. Gemaß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedurftig, wer seinen Lebensunterhalt,\nseine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer\nBedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen\nKraften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit\nbzw. aus dem zu berucksichtigenden Einkommen oder Vermogen sichern kann und\ndie erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere nicht von Angehorigen\noder von Tragern anderer Sozialleistungen erhalt. Insbesondere konnten die\nKlager nicht darauf verwiesen werden, dass im Eigentum der Klager zu 1) und 2)\nstehende Hausgrundstuck als Vermogen zu verwerten. Zwar sind gemaß § 12 Abs. 1\nSGB II alle verwertbaren Vermogensgegenstande als Vermogen zu berucksichtigen.\nDas gilt gemaß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II aber nicht fur ein selbst\ngenutztes Hausgrundstuck von angemessener Große. Dabei sind maßgeblich die\nWohnflache und die Grundstucksgroße (Zeidler/Dauber in Merkler/Zink, Kommentar\nzum SGB II, Stand: April 2008, § 12 Rdn. 44 ff., Rdn. 48 f).\n\n24\n\n \n\nBei der Bestimmung der Wohnflache orientiert sich das Bundessozialgericht zum\nZwecke der bundeseinheitlichen Regelung an den Vorgaben des außer Kraft\ngetretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes (2. WoBauG) vom 19. August 1994 (BGBl.\nI S. 2137), wobei eine Differenzierung nach Bewohnerzahl angebracht ist. Bei\neinem Einfamilienhaus wird eine Wohnflache von 130 qm fur einen\nVierpersonenhaushalt als angemessene Große angesehen (BSG, Urt. v. 16. Mai\n2007 - B 11b AS 37/06 R, SozR 4-4200 § 12 Nr. 4). Hier betragt die Wohnflache\ndes Hauses 98 qm bei einem Sechspersonenhaushalt und ist somit angemessen.\nEine Erweiterung des Hauses auf 122,82 qm ist tatsachlich nicht erfolgt.\nSelbst dann ware es aber noch angemessen.\n\n25\n\n \n\nWelche Grundstucksgroße angemessen ist, ist bisher nicht eindeutig geklart.\nAusgehend von den Handlungsanweisungen der Bundesagentur fur Arbeit wird\nvielfach ein Grundstuck im stadtischen Bereich von 500 qm und im landlichen\nBereich von 800 qm als angemessen angesehen (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz,\nKomm. zum SGB II, § 12 Rdn. 212a; Zeidler/Dauber in Merkler/Zink, a. a. O., §\n12 Rdn. 48). Es spricht nichts dagegen, von dieser Differenzierung und von\ndiesen Grundstucksgroßen auszugehen. Dabei ist zu berucksichtigen, dass es\nsich bei dem Tatbestandsmerkmal „angemessene Große" um einen unbestimmten\nRechtsbegriff handelt, wobei allerdings Entscheidungsspielraum fur\naußergewohnliche Bedarfslagen im Einzelfall besteht, sodass von dem\nDurchschnittsfall je nach den besonderen Umstanden des Einzelfalles eine\nAnpassung nach oben oder nach unten erfolgen kann (BSG, Urt. v. 19. September\n2008 - B 14 AS 54/07 R, zitiert nach juris, Rdn. 16). Allerdings besteht bei\neiner erheblich großeren Grundstucksgroße (z. B. 1003 qm: BSG, Urt. v. 15.\nApril 2008 - B 14/7b AS 34/06 R) regelmaßig Anlass zu uberprufen, ob nach den\ntatsachlichen und rechtlichen ortlichen Gegebenheiten die Grundstucksflache\nals angemessen anzusehen ist. Soweit dies verneint wird, ist zu prufen, ob\neine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit ubersteigenden\nGrundstucksteiles in Betracht kommt. Dabei kann die Verwertung durch Verkauf\neines abtrennbaren Grundstuckteils oder auch eine Verpachtung in Betracht\nkommen.\n\n26\n\n \n\nHier ist das Grundstuck in einer Große von 925 qm nicht mehr angemessen. Der\nSenat ist jedoch der Auffassung, dass bei realistischer Betrachtung eine\nVerwertung eines hinteren Grundstuckteils nicht in Betracht kommt. Zwar geht\nder Gutachterausschuss fur Grundstuckswerte im Kreis S. in seinen\nStellungnahmen vom 5. April und 6. Juni 2007 davon aus, dass der hintere\nGrundstuckteil grundsatzlich abtrennbar und bebaubar sei, zumal es auf einem\nNachbargrundstuck bereits eine Hinterlandbebauung gebe. Allerdings weist er\nauch zutreffend darauf hin, dass die Erschließung eines hinteren abtrennbaren\nGrundstuckteiles und eine Bebauung Probleme bereiten konnten, wenn die\nbaurechtlichen Vorschriften eingehalten werden sollen. Demzufolge weist das\nBauaufsichtsamt der Stadt B. O. sinngemaß darauf hin, dass eine Bebauung eines\nhinteren Grundstuckteiles unrealistisch („Wer baut so ein Haus und wie sieht\ndas aus?!"[Bl. 558 GA]) und ungewiss sei. Eine realistische Bebaubarkeit des\nhinteren Grundstucksteiles sieht auch der Senat nicht. Unter Berucksichtigung\nder besonderen Situation des Grundstucks und der Erschließung kommt eine\nBebaubarkeit des hinteren Grundstuckteils auf absehbare Zeit nicht in\nBetracht.\n\n27\n\n \n\nDie Erschließung eines solchen abgetrennten hinteren Grundstucks ware nicht\ngesichert. Eine Zufahrt ware nur entlang des Hauses der Klager moglich. Die\nBreite zum Nachbargrundstuck betragt jedoch lediglich 2,50 m, wobei fur eine\nordnungsgemaße Zuwegung mindestens 3 m Breite erforderlich ist. Es ist vollig\nungewiss, ob der/die Eigentumer des Nachbargrundstucks eine Zustimmung fur\neine notwendige Baulast erteilen wurden oder bereit waren, eine\nGrundstucksflache abzutreten, um eine ordnungsgemaße Zufahrt erstellen zu\nkonnen.\n\n28\n\n \n\nEine Bebaubarkeit des Grundstuckes widersprache § 34 Baugesetzbuch (BauGB).\nGemaß § 34 Abs. 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile\nein Vorhaben zulassig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung,\nder Bauweise und der Grundstucksflache, die uberbaut werden soll, in die\nEigenart der naheren Umgebung einfugt und die Erschließung gesichert ist. Hier\nware bei einer Bebauung eines ruckwartigen Grundstuckteils eine Bebauung nicht\nzulassig, da sie nach Art und Maß der baulichen Nutzung und der uberbauten\nGrundstucksflache im Vergleich zu der pragenden Bebauung nicht zulassig ware.\nEine so genannte Hinterlandbebauung auf dem ruckwartigen Grundstuckteil findet\nsich lediglich auf dem Grundstuck mit der Flurbezeichnung 22/10. Dieses ist\naber doppelt so groß wie die ubrigen Grundstucke und die Hinterlandbebauung\nschließt unmittelbar an die Vorderbebauung an, so dass sie nicht wesentlich in\ndas hintere Grundstucksteil hineinreicht. Auf allen ubrigen Grundstucken\nfindet sich keine Hinterlandbebauung. Wurde auf dem Grundstuck der Klager zu\n1) und 2) ein weiteres Wohngebaude im ruckwartigen Teil errichtet werden,\nwurde auf diesem Grundstuck die bauliche Nutzung und die bebaute\nGrundstucksflache wesentlich hoher als auf den vergleichbaren Grundstucken\nausfallen, der Baukorper wurde wesentlich weiter in das hintere Grundstuck\nhineinreichen als auf dem Flurstuck 22/10 und sich damit nicht mehr in die\nEigenart der naheren Umgebung einfugen. Unabhangig von bauordnungsrechtlichen\nVorgaben kame bereits aufgrund der bauplanungsrechtlichen Bestimmungen eine\nHinterlandbebauung nicht in Betracht.\n\n29\n\n \n\nAuch die Nutzung des hinteren Grundstuckteiles fur Tierhaltung und eine dafur\nerforderliche Verpachtung ist unrealistisch. Selbst wenn sich an die hintere\nGrundstucksgrenze Weideland anschließen wurde, ware eine maßgebliche\nPachteinnahme nicht zu erzielen. Dass eine anderweitige Nutzung in Betracht\nkame, ist nicht ersichtlich.\n\n30\n\n \n\nIst somit das Grundstuck der Klager zu 1) und 2) als angemessenes\nHausgrundstuck anzusehen, konnte dieses in der streitigen Zeit nicht verwertet\nwerden mit der Folge, dass die Beklagte verpflichtet ist, Leistungen nach dem\nSGB II als Beihilfe zu gewahren.\n\n31\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.\n\n32\n\n \n\nGrunde, die Revision gemaß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht\nersichtlich.\n\n \n\n \n\n
102,892
bverwg-2011-06-15-9-c-410
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
9 C 4/10
2011-06-15
2018-11-23 08:30:04
2019-01-17 23:51:54
Urteil
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin macht Ersatzansprüche gegen das beklagte Land wegen entfallener\nGewerbesteuer infolge fehlerhafter Festsetzung des Steuermessbetrages durch\ndas Finanzamt geltend.\n\n2\n\n \n\nDem Gewerbesteuerausfall lag zu Grunde, dass die auf dem Gebiet der klagenden\nGemeinde ansässige H. KG durch notariell beurkundeten Umwandlungsbeschluss vom\n18. Dezember 1998 rückwirkend zum 1. Dezember 1998 formwechselnd in eine GmbH\numgewandelt worden war. Das zuständige Finanzamt Rastatt erhielt hiervon im\nDezember 1998 Kenntnis.\n\n3\n\n \n\nAm 1. September 2004 änderte das Finanzamt für die Jahre 1996 bis 1998 die\nbereits 1999 und 2001 erlassenen Gewerbesteuermessbescheide und adressierte\nsie nicht an die H. GmbH, sondern an die H. KG. Auf Grundlage dieser\nGewerbesteuermessbescheide erließ die Klägerin am 24. September 2004 einen die\nH. KG als Steuerpflichtigen ausweisenden Bescheid, mit welchem sie die\nGewerbesteuer einschließlich Zinsen für die Erhebungszeiträume 1996, 1997 und\n1998 auf insgesamt 352 837,98 € festsetzte.\n\n4\n\n \n\nAuf Anregung des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Rechtsstreit über den\nEinspruch der H. GmbH gegen die Gewerbesteuermessbescheide vom 1. September\n2004 stellte das Finanzamt die Nichtigkeit dieser Bescheide wegen fehlerhafter\nAdressierung fest. Infolge der Nichtigerklärung der Gewerbesteuermessbescheide\nsetzte die Klägerin mit einem an die H. GmbH adressierten Bescheid die\nGewerbesteuer für die einschlägigen Erhebungszeiträume auf 0 € fest.\n\n5\n\n \n\nDie Klägerin wandte sich gegenüber dem Finanzamt erfolglos gegen die\nFeststellung der Nichtigkeit der Gewerbesteuermessbescheide und verlangte die\nErstattung der ausgefallenen Gewerbesteuer auf der Grundlage des allgemeinen\nFolgenbeseitigungsanspruchs. Den Antrag lehnte die Oberfinanzdirektion\nKarlsruhe ab; der Widerspruch dagegen wurde als unzulässig verworfen.\n\n6\n\n \n\nMit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, das fehlerhafte Verhalten der\nLandesfinanzbehörde, das den Gewerbesteuerausfall verursacht habe, sei ein\nEingriff in ihre nach Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Finanzhoheit und in die\ngemäß Art. 106 Abs. 6 GG geschützte Ertragshoheit. Sie sei klagebefugt, denn\nihr stehe ein Erstattungsanspruch in Gestalt des allgemeinen\nFolgenbeseitigungsanspruchs zu. § 40 Abs. 3 FGO schließe ihre Klagebefugnis\nnicht aus, weil er nur Primäransprüche betreffe.\n\n7\n\n \n\nMit Urteil vom 21. Februar 2008 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage\nabgewiesen. Weder sei ein hoheitlicher Eingriff erfolgt noch seien subjektive\nRechte der Klägerin verletzt worden.\n\n8\n\n \n\nDie gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof mit\nUrteil vom 29. März 2010 (KStZ 2011, 33 = VBlBW 2010, 437) zurückgewiesen.\nZwar sei ein Anknüpfungspunkt für einen allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch\ndarin zu sehen, dass das Finanzamt in der irrigen Annahme des Erlöschens der\nH. KG infolge der Umwandlung in eine GmbH die Nichtigkeit der\nGewerbesteuermessbescheide festgestellt habe, wodurch die Klägerin sich\nveranlasst gesehen habe, die von ihr erlassenen Gewerbesteuerbescheide\naufzuheben. Die für nichtig erklärten Gewerbesteuermessbescheide seien\nwirksam, weil die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zur Nichtigkeit\nfehlerhaft adressierter Steuerbescheide nicht bei der formwechselnden\nUmwandlung von Gesellschaften gelte. Ein Folgenbeseitigungsanspruch liege aber\nnicht vor, weil kein subjektives Recht verletzt worden sei. Die Übertragung\nvon Verwaltungsaufgaben auf verschiedene Hoheitsträger begründe für sich\nallein keine Rechte dieser Hoheitsträger im Hinblick auf die Erfüllung der\nVerwaltungsaufgaben durch den jeweils anderen. Die nach Art. 28 Abs. 2 GG\ngeschützte Finanzhoheit als Ausformung der gemeindlichen Selbstverwaltung\ngewährleiste die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung, jedoch keine\nbestimmte Ausgestaltung des kommunalen Einnahmesystems. Auch die Ertragshoheit\naus Art. 106 Abs. 6 GG sei nicht verletzt, weil diese die Gemeinden nur davor\nschütze, dass das Gewerbesteueraufkommen durch einfaches Gesetz entzogen\nwerde. Den Gemeinden sei weder eine bestimmte Höhe des Steueraufkommens noch\ndie Gewerbesteuer als solche verfassungsrechtlich garantiert. Auf einen\nAnspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis könne sich die\nKlägerin ebenfalls nicht stützen. Zwischen der Klägerin und dem Finanzamt\nbestehe keine einem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare\nBeziehung.\n\n9\n\n \n\nZur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision stützt\nsich die Klägerin im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen und verweist\ndarauf, dass § 40 Abs. 3 FGO nur Primäransprüche betreffe.\n\n10\n\n \n\nSie beantragt,\n\n \n\n1\\. den Beklagten unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichtshofs\nBaden-Württemberg vom 29. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom\n21. Februar 2008 sowie unter Aufhebung der Bescheide der Oberfinanzdirektion\nKarlsruhe vom 24. Januar und 23. Februar 2007 und des Widerspruchsbescheides\nvom 5. Juli 2007 zu verurteilen, der Klägerin den Ausfall der Gewerbesteuer\neinschließlich Veranlagungszinsen für 1996, 1997 und 1998 in Höhe von 352\n837,98 € auszugleichen,\n\n \n\n2\\. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu\nerklären.\n\n11\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n \n\ndie Revision zurückzuweisen.\n\n12\n\n \n\nEr verweist auf sein bisheriges Vorbringen und ist der Auffassung, § 40 Abs. 3\nFGO schließe jede Klage der Gemeinde aus. Ein Folgenbeseitigungsanspruch stehe\nder Klägerin nicht zu. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes sei\nwegen zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr\nmöglich. Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis bestünden\nnicht, weil die gesetzliche Aufgabenverteilung zwischen der Klägerin und dem\nBeklagten keine gegenseitige gesteigerte Sorgfalts- und Verhaltenspflicht\nbegründe.\n\n13\n\n \n\nDer Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt\nsich am Verfahren und verneint einen Folgenbeseitigungsanspruch ebenso wie\neinen Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis.\n\n## Entscheidungsgründe\n\n14\n\n \n\nDie Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis mit\nBundesrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat die\nKlage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen\nGesichtspunkt ein Ersatzanspruch gegen den Beklagten wegen Verletzung ihrer\nRechte zu.\n\n15\n\n \n\n1\\. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig.\n\n16\n\n \n\nAufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe steht bindend\nfest, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Die\nKlagebefugnis ist gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zu Recht\noffengelassen, ob § 40 Abs. 3 FGO die Klagebefugnis von Gemeinden auch dann\nausschließt, wenn es - wie hier - um einen sekundärrechtlichen Anspruch auf\nErsatz ausgefallener Steuererträge wegen fehlerhaften Handelns einer\nFinanzbehörde geht. Denn diese Vorschrift ist im verwaltungsgerichtlichen\nVerfahren nicht anwendbar. Nach § 173 VwGO sind das Gerichtsverfassungsgesetz\nund die Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit die\nVerwaltungsgerichtsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren enthält und\nwenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht\nausschließen. Ein Rückgriff auf Vorschriften der Finanzgerichtsordnung kommt\ndemnach nicht in Betracht. Zudem enthält die Verwaltungsgerichtsordnung mit §\n42 Abs. 2 VwGO eine eigenständige Regelung zur Klagebefugnis. Hinsichtlich der\nallgemeinen Leistungsklage ist in der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass § 42 Abs. 2 VwGO analog anzuwenden\nist (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1970 - BVerwG 6 C 48.68 - BVerwGE 36, 192\n<199>). Danach kann sich die Klägerin auf eine Klagebefugnis berufen. Sie\nmacht eine Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28\nAbs. 2 GG) und ihrer verfassungsrechtlich garantierten Ertragshoheit (Art. 106\nAbs. 6 Satz 1 GG) geltend. Die Verletzung dieser Rechte ist nicht von\nvornherein ausgeschlossen.\n\n17\n\n \n\n2\\. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die\nKlägerin weder gestützt auf den allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch noch\nnach den Grundsätzen über die sinngemäße Anwendung des vertraglichen\nSchuldrechts auf öffentlich-rechtliche Sonderbeziehungen Ersatz für den\nGewerbesteuerausfall verlangen kann, der ihr infolge eines dem Finanzamt im\nGewerbesteuermessverfahren unterlaufenen Fehlers entstanden ist.\n\n18\n\n \n\na) Der Folgenbeseitigungsanspruch entsteht, wenn durch einen hoheitlichen\nEingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand\ngeschaffen worden ist; er ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen\nrechtmäßigen Zustandes gerichtet (Urteile vom 23. Mai 1989 - BVerwG 7 C 2.87 -\nBVerwGE 82, 76 <95> und vom 26. August 1993 - BVerwG 4 C 24.91 - BVerwGE 94,\n100 <104>). Der Verwaltungsgerichtshof hat offengelassen, ob es mit Blick\ndarauf, dass Finanzämter und Gemeinden im Gewerbesteuermessverfahren nicht im\nÜber- und Unterordnungsverhältnis, sondern als gleichgeordnete Rechtsträger\ntätig werden, bereits an einem hoheitlichen Handeln fehlt. Ein\nFolgenbeseitigungsanspruch sei im Anschluss an die Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofes jedenfalls deshalb zu verneinen, weil die hebeberechtigten\nGemeinden durch zu niedrig festgesetzte Steuermessbescheide nicht in ihren\nRechten verletzt seien. Diese Auffassung ist mit Bundesrecht vereinbar (§ 137\nAbs. 1 VwGO). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der hier der Sache nach\ngeltend gemachte "Folgenentschädigungsanspruch" als Surrogat für einen nicht\n(mehr) zu realisierenden Herstellungsanspruch in der vorliegenden\nKonstellation überhaupt in Betracht kommt (vgl. Urteile vom 14. April 1989 -\nBVerwG 4 C 34.88 - BVerwGE 82, 24 <28> und vom 26. August 1993 a.a.O. S. 117).\n\n19\n\n \n\naa) Die Klägerin geht davon aus, dass ihr durch fehlerhaftes Handeln des\nFinanzamtes die Möglichkeit genommen wurde, auf der Grundlage entsprechender\nSteuermessbescheide die ihr zustehende Gewerbesteuer in Höhe von mehr als 350\n000 € gegenüber der GmbH festzusetzen. Darin läge nur dann ein Eingriff in\neine Rechtsposition der Klägerin, wenn die Gemeinden einen Anspruch auf Erlass\nrichtiger Gewerbesteuermessbescheide hätten. Das ist nicht der Fall.\n\n20\n\n \n\nNach Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG steht die Verwaltung der Realsteuern, zu denen\nauch die Gewerbesteuer gehört, grundsätzlich den Landesfinanzbehörden zu; sie\nkann durch die Länder ganz oder teilweise den Gemeinden übertragen werden. Aus\ndieser Kompetenzaufteilung folgt zugleich, dass die Gemeinden nicht mehr\nRechte haben können, als ihnen durch Landesgesetz übertragen wurde (vgl. BFH,\nUrteil vom 30. Januar 1976 - III R 60/74 - BFHE 118, 285 <287>). Das Land\nBaden-Württemberg hat den Gemeinden gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG die\nFestsetzung und die Erhebung der Gewerbesteuer übertragen. Die\nLandesfinanzbehörden sind hingegen für die Ermittlung der\nBesteuerungsgrundlagen und für die Festsetzung des Steuermessbetrages (§ 14\nGewStG) zuständig. Bei dieser landesrechtlichen Aufteilung der Verwaltung der\nGewerbesteuer kommt den Gemeinden kein Recht auf Erlass bestimmter\nSteuermessbescheide zu. Sie sind vielmehr gemäß § 184 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. §\n182 Abs. 1 Satz 1 AO bei der Festsetzung der Gewerbesteuer an den\nvorausgehenden Steuermessbescheid des Finanzamtes gebunden. Darüber hinaus\nschließt § 40 Abs. 3 FGO ein Klagerecht der Gemeinden gegen\nSteuermessbescheide der Finanzämter grundsätzlich aus (vgl. BFH, Urteil vom\n30. Januar 1976 a.a.O. S. 286 f.). Die Gemeinden können folglich Einnahmen aus\nder Gewerbesteuer nur nach Maßgabe der vom Finanzamt erlassenen\nSteuermessbescheide erzielen. Es fehlt daher an einem auf ein ordnungsgemäßes\nSteuermessbetragsverfahren gerichteten Herstellungsanspruch der Gemeinden, als\ndessen Surrogat etwa nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ein gegen das\nLand gerichteter "Folgenentschädigungsanspruch" auf Ersatz ausgefallener\nSteuererträge zum Tragen kommen könnte. Mangels gesetzlicher Vorschriften kann\nder Folgenbeseitigungsanspruch auch keine vom Herstellungsanspruch losgelöste\nHaftung für Schäden begründen, die durch rechtswidriges Verwaltungshandeln\nentstanden sind (vgl. Urteil vom 15. November 1984 - BVerwG 2 C 56.81 -\nBuchholz 310 § 113 VwGO Nr. 145 S. 47 f.).\n\n21\n\n \n\nbb) Etwas anderes könnte gelten, wenn eine unwirksame oder zu niedrige\nFestsetzung der Steuermessbeträge und der damit verbundene Steuerausfall zur\nFolge hat, dass die nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG garantierte Finanzhoheit der\nbetroffenen Gemeinde verletzt wird. Ob in solchen Fällen ein Anspruch der\nGemeinde auf Festsetzung bestimmter Steuermessbescheide oder auf Ausgleich des\nSteuerausfalls verfassungsrechtlich geboten ist, kann hier indes dahinstehen.\nDenn die Klägerin wurde durch den vorliegend eingetretenen Ausfall von\nGewerbesteuer nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt.\n\n22\n\n \n\nArt. 28 Abs. 2 Satz 3 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht zur\neigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines\ngesetzlich geordneten Haushaltswesens. Der Schutzbereich dieser Gewährleistung\numfasst nicht einzelne Vermögenspositionen; eine Gemeinde kann sich daher\nnicht unmittelbar unter Berufung auf den verfassungsrechtlichen Schutz der\nFinanzhoheit dagegen wenden, dass ihr einzelne Einnahmen entzogen oder\nverwehrt werden. Zu den Grundlagen der verfassungsrechtlich garantierten\nfinanziellen Eigenverantwortung gehört jedoch eine aufgabenadäquate\nFinanzausstattung der Gemeinden. Diese setzt voraus, dass die gemeindlichen\nFinanzmittel ausreichen, um den Gemeinden die Erfüllung aller zugewiesenen und\nim Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung auch die Erfüllung selbst gewählter\nAufgaben zu ermöglichen. Ausgehend davon kann sich eine Gemeinde dann gegen\nfinanzielle Belastungen durch staatliches Handeln wenden, wenn sie eine\nnachhaltige, von ihr nicht mehr zu bewältigende und hinzunehmende Einengung\nihrer Finanzspielräume darlegt und nachweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.\nJanuar 1999 - 2 BvR 929/97 - NVwZ 1999, 520 <521> m.w.N.; BVerwG, Urteile vom\n25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> und vom 5. Dezember\n2000 - BVerwG 11 C 6.00 - BVerwGE 112, 253 <258>). Vorliegend verweist die\nKlägerin nur darauf, dass der Gewerbesteuerausfall einen wesentlichen Teil\nihres gesamten Gewerbesteueraufkommens darstellt. Sie macht jedoch nicht\ngeltend, dass sie deshalb nachhaltig an einer ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer\nAufgaben gehindert ist.\n\n23\n\n \n\nDer oben genannte Maßstab für eine Verletzung der gemeindlichen Finanzhoheit\ngilt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur gegenüber normativen\nRegelungen, sondern auch bei Einzelmaßnahmen der Verwaltung. Nach Art. 28 Abs.\n2 Satz 3 GG kommt es entscheidend darauf an, ob die "Grundlagen der\nfinanziellen Eigenverantwortung" einer Gemeinde (aufgabenadäquate\nFinanzausstattung) noch gewahrt sind. Die Beantwortung dieser Frage hängt von\nder Intensität und Nachhaltigkeit der finanziellen Belastungen der Gemeinde ab\nund nicht davon, ob diese Belastungen auf normativen Vorgaben oder auf\nEinzelakten der Verwaltung beruhen. Aus der von der Klägerin in Bezug\ngenommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verletzung der\nPlanungshoheit einer Gemeinde infolge eines Einzelakts der Verwaltung (Urteil\nvom 12. Dezember 1991 - BVerwG 4 C 31.89 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 46\nS. 12 f.) folgt nichts Gegenteiliges. Davon abgesehen, dass es sich bei der\nPlanungs- und der Finanzhoheit der Gemeinden um verschiedene Ausprägungen der\ngemeindlichen Selbstverwaltung mit unterschiedlichen Schutzbereichen handelt,\ngeht es in der angeführten Entscheidung um die Verletzung einer Regelung, die\nder Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit dient (§ 36 Abs. 1 BauGB).\nVorliegend ist jedoch nicht erkennbar, dass eine spezifisch auf den Schutz der\ngemeindlichen Finanzhoheit ausgerichtete Norm verletzt sein könnte.\n\n24\n\n \n\ncc) Die Klägerin kann sich für den von ihr geltend gemachten Anspruch auf\nAusgleich des Gewerbesteuerausfalls auch nicht auf die den Gemeinden nach Art.\n106 Abs. 6 GG garantierte Ertragshoheit berufen. Danach steht den Gemeinden\ndas Aufkommen der Gewerbesteuer zu (Satz 1) und ist ihnen das Recht\neinzuräumen, die Hebesätze der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze\nfestzusetzen (Satz 2). Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof darauf\nabgestellt, dass damit den Gemeinden weder eine bestimmte Höhe des\nSteueraufkommens noch die Gewerbesteuer als solche von Verfassungs wegen\ngarantiert ist (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 -\nBVerfGE 125, 141 <167>). Art. 106 Abs. 6 GG schützt daher nicht etwaige\nSteueransprüche der Gemeinden, sondern garantiert ihnen lediglich die\nZuweisung des tatsächlich angefallenen Ertrages. Demzufolge kann aus Art. 106\nAbs. 6 GG auch kein Recht der Gemeinden auf Erlass bestimmter\nSteuermessbescheide (BFH, Urteil vom 30. Januar 1976 a.a.O.) oder - wie hier\ngeltend gemacht - auf Ausgleich des durch Fehler im Steuermessbetragsverfahren\nverursachten Steuerausfalls hergeleitet werden.\n\n25\n\n \n\nb) Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit Bundesrecht\neinen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen über die sinngemäße\nAnwendung des vertraglichen Schuldrechts auf öffentlich-rechtliche\nSonderbeziehungen verneint.\n\n26\n\n \n\nZwar kommt grundsätzlich die sinngemäße Anwendung des vertraglichen\nSchuldrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken auch auf öffentlich-\nrechtliche Verhältnisse in Betracht, wenn eine besonders enge, mit einem\nprivatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Beziehung begründet worden\nist und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine\nangemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts\nvorliegt (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 294/05 - NJW-RR 2007,457\nm.w.N.). Das ist bisher anerkannt worden etwa für die öffentlich-rechtliche\nVerwahrung (BGH, Urteil vom 12. April 1951 - III ZR 87/50 - BGHZ 1, 369), für\ndie öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag (Urteil vom 22.\nNovember 1985 - BVerwG 4 A 1.83 - Buchholz 451.22 AbfG Nr. 19) oder für das\nVerhältnis zwischen den Trägern der Baulast sich kreuzender Straßen und\nEisenbahnen (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 a.a.O. S. 458). Eine solche\nvertragsähnliche Sonderverbindung besteht zwischen einer\nertragsteuerberechtigten Gemeinde und den staatlichen Finanzbehörden nicht.\nDas Verhältnis zwischen beiden wird nicht durch Abreden, sondern\nausschließlich durch gesetzliche Kompetenzzuweisung bestimmt (vgl. dazu schon\nUrteil vom 25. Mai 1961 - BVerwG 1 A 10.59 - BVerwGE 12, 253 <254>). Beide\nhaben die ihnen zugewiesenen Aufgaben jeweils eigenständig zu erfüllen, wobei\ndie Gemeinden an die Vorgaben der Finanzämter im Gewerbesteuermessbescheid\ngebunden sind. Die Finanzämter haben gegenüber den Gemeinden wie gegenüber\nallen anderen Steuerberechtigten in gleicher Weise die Verpflichtung, Recht\nund Gesetz zu beachten (vgl. § 85 AO) und deshalb die in ihre Zuständigkeit\nfallende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und der Festsetzung des\nSteuermessbetrags nach Maßgabe der Gesetze durchzuführen. Im Rahmen dieser\nBindung an Recht und Gesetz haben die Landesfinanzbehörden auch die\nfinanziellen Interessen der Gemeinden zu wahren, wie der\nVerwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen hat. Es gibt jedoch kein über die\nGesetzesbindung hinausreichendes Geflecht wechselseitiger Pflichten, die eine\nschuldrechtliche Sonderbeziehung zwischen Landesfinanzbehörden und Gemeinden\nbei der Verwaltung der Gewerbesteuer begründen könnten (vgl. BGH, Urteil vom\n11. Januar 2007 a.a.O.).\n\n
104,425
bverwg-2011-03-31-4-bn-1810
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
4 BN 18/10
2011-03-31
2018-11-24 01:30:04
2019-01-18 00:05:38
Beschluss
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde\nbleibt ohne Erfolg.\n\n2\n\n \n\n1\\. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)\nzeigt die Beschwerde nicht auf.\n\n3\n\n \n\na) Die Beschwerde meint, die Revision hätte bereits deshalb zugelassen werden\nmüssen, weil sich im vorliegenden Fall nach der eigenen Einschätzung des\nVerwaltungsgerichtshofs "grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Fach- und\nLandesentwicklungsplanung stellen"; mit dieser Begründung habe der\nVerwaltungsgerichtshof die Revision gegen sein Urteil vom 21. August 2009 in\nden Musterklageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten\nzugelassen (Beschwerdebegründung S. 2). Diese Einschätzung mache sie sich zu\neigen.\n\n4\n\n \n\nEine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist damit nicht dargetan. Der\nZulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)\nsetzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten\nund für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen\nRechts voraus (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz\n310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Allein mit dem Hinweis auf\n"grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Fach- und Landesentwicklungsplanung"\ngenügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht.\n\n5\n\n \n\nb) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,\n\n \n\nob bei der Festlegung von Vorranggebieten auch die vorrangige Nutzung ein Ziel\nder Raumordnung und damit eine verbindliche Vorgabe für nachgeordnete\nPlanungsträger ist oder ob es sich insoweit nur um einen Grundsatz der\nRaumordnung handelt (I.; Beschwerdebegründung S. 2 ff.).\n\n6\n\n \n\nDiese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie lässt sich auf\nder Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln\nsachgerechter Auslegung ohne Weiteres im Sinne des Verwaltungsgerichtshofs\nbeantworten.\n\n7\n\n \n\nDer Verwaltungsgerichtshof hat Nr. III.1 der LEP-Änderung 2007 dahin\nausgelegt, dass die Erweiterungsflächen für den Flughafen Frankfurt Main als\nVorranggebiete zielförmig festgelegt worden seien (BA S. 23). Mit einer\nFestlegung dieses Inhalts - so der Verwaltungsgerichtshof weiter - werde die\nVorrangnutzung nicht selbst in den Rang eines Ziels der Raumnutzung erhoben\nmit der Folge, dass nur innerhalb des Vorranggebiets eine Erweiterung des\nFlughafens erfolgen dürfe. Eine in diesem Sinne abschließende\nlandesplanerische Standortentscheidung könne der Vorranggebietsfestlegung\nnicht entnommen werden. Eine derartige zielförmige Festlegung enthalte die\nLEP-Änderung auch im Übrigen nicht (BA S. 23 f.). In seinem Urteil vom 21.\nAugust 2009 über die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für den\nAusbau des Flughafens Frankfurt Main (- 11 C 227/08.T u.a. -) hat der\nVerwaltungsgerichtshof angenommen, dass in der LEP-Änderung 2007 deutlich der\nlandesplanerische Wille zum Ausdruck komme, "den Flughafen Frankfurt Main\nräumlich zu erweitern und zwar durch den Bau einer Landebahn auf der\nVorrangfläche im Nordwesten des Flughafens. Hierbei handelt es sich um einen\nGrundsatz der Raumordnung". Der Verwaltungsgerichtshof hat die LEP-Änderung\n2007 also dahin ausgelegt, dass die Erweiterungsflächen für den Flughafen\nFrankfurt Main zwar durch die zielförmige Festlegung von Vorrangflächen\ngesichert seien, dass die Standortentscheidung für die Erweiterung auf der\nEbene der Landesplanung aber noch nicht zielförmig und deshalb mit bindender\nWirkung für die Planfeststellungsbehörde gefallen sei. Was die\nStandortfestlegung betrifft, geht er lediglich von einem Grundsatz aus.\nDagegen wendet sich die Beschwerde. Sie sieht bei der Festlegung von\nVorranggebieten den Ausschluss konkurrierender Nutzungen und die\n(abschließende) Standortfestlegung als zwei Seiten derselben Medaille und hält\nes für zweifelhaft, die eine Seite als letztverbindliche Entscheidung, die\nandere hingegen als bloßen Grundsatz anzusehen (Beschwerdebegründung S. 7).\n\n8\n\n \n\nDie LEP-Änderung 2007 ist Teil des nicht revisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1\nVwGO). An das Ergebnis der Auslegung dieser Rechtsnorm durch den\nVerwaltungsgerichtshof wäre der Senat deshalb in einem Revisionsverfahren\ngrundsätzlich gebunden (§ 560 ZPO i.V.m. § 173 VwGO). Das Revisionsgericht\ndarf nur überprüfen, ob die Vorinstanz bei der Auslegung nicht revisibler\nVorschriften des Landesrechts Bundesrecht verletzt hat, sei es, weil das\nErgebnis der Auslegung gegen Bundesrecht verstößt (Urteil vom 26. Januar 1993\n- BVerwG 1 C 33.89 - BVerwGE 92, 24 <25 f.>) oder weil die Vorinstanz die\nAuslegung der Norm wesentlich von einem unzutreffenden Verständnis\nbundesrechtlicher Vorschriften abhängig gemacht hat (Urteil vom 6. September\n1984 - BVerwG 3 C 16.84 - BVerwGE 70, 64 <65>). Beides trifft hier nicht zu.\nUm dies festzustellen, bedarf es nicht der Durchführung eines\nRevisionsverfahrens.\n\n9\n\n \n\nDer Senat hat im Parallelverfahren - BVerwG 4 BN 19.10 - mit Beschluss vom\nselben Tag bestätigt, dass der Träger der Landesplanung nicht kraft\nBundesrechts verpflichtet ist, den Standort für die Erweiterung eines\nGroßflughafens wie des Flughafens Frankfurt Main mit bindender Wirkung für die\nFachplanung zielförmig festzulegen und dass sich die Festlegung von\nVorranggebieten im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ROG (vom 18. August 1997,\nBGBl I S. 2081, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl I S.\n2833; im Folgenden: ROG a.F.) eignet, um Standorte für Verkehrsinfrastruktur\nder Aufgabe von Raumordnungsplänen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a ROG a.F.\nentsprechend zu sichern.\n\n10\n\n \n\nDie Auffassung der Beschwerde, dass der Rechtsbegriff des Vorranggebiets über\ndie Standortsicherung hinaus gleichsam zwangsläufig eine abschließende, die\nnachfolgenden Planungsebenen bindende landesplanerische Standortfestlegung zur\nFolge hat, findet auch im Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 4 ROG a.F. keine\nStütze. Nach dieser Vorschrift können die Festlegungen nach § 7 Abs. 2 ROG\na.F. auch Vorranggebiete bezeichnen, die für bestimmte raumbedeutsame\nFunktionen und Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Nutzungen\nin diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen,\nNutzungen oder Zielen der Raumordnung nicht vereinbar sind. Klar zum Ausdruck\nkommt hierdurch der verbindliche Ausschluss von mit der Vorrangnutzung\nkonkurrierenden Nutzungen. Für einen Ausschluss der Vorrangnutzung an anderen\nStandorten lässt sich der bundesrahmenrechtlichen Definition des\nVorranggebiets indes nichts entnehmen. Hiergegen spricht auch die in § 7 Abs.\n4 Satz 2 ROG a.F. vorgesehene Möglichkeit, Vorranggebiete mit Eignungsgebieten\nim Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ROG a.F. zu kombinieren, deren\nSteuerungswirkung gerade darin besteht, die betreffenden Maßnahmen an anderer\nStelle im Planungsraum auszuschließen. Mit dem Rechtsbegriff des\nVorranggebiets im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ROG a.F. notwendigerweise\nverbunden ist also nur die Sicherung des Gebiets für bestimmte raumbedeutsame\nFunktionen oder Nutzungen, die den Ausschluss konkurrierender Nutzungen\nrechtfertigt (vgl. z.B. auch Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky,\nRaumordnungs- und Landesplanungsrecht, Stand X/2005, K § 7 Rn. 103). Das\nschließt selbstverständlich nicht aus, dass der Träger der Landesplanung\nweitergehende Regelungsziele verfolgt und in landesplanerischen Festlegungen\numsetzt.\n\n11\n\n \n\nGegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 16. März\n2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116). In diesem Urteil hat der Senat\nzwar angenommen, dass die Entscheidung zugunsten des Flughafenstandorts\nBerlin-Schönefeld bereits auf der Ebene der Landesentwicklungsplanung gefallen\nist (a.a.O. Rn. 54). Abgesehen davon, dass in diesem Urteil von einem\nVorranggebiet nicht die Rede ist, hat er dies - in erstinstanzlicher\nZuständigkeit - mit landesrechtlichen Erwägungen begründet (a.a.O. Rn. 59).\nRückschlüsse auf den bundesrechtlichen Begriff des Vorranggebiets lassen sich\ndaraus nicht ziehen. Aus eben diesem Grunde eignen sich auch die von der\nBeschwerde in Bezug genommenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs\nMünchen (Beschwerdebegründung S. 5 ff.) nicht als Beleg für ihre Auffassung.\n\n12\n\n \n\nDie Entscheidung zugunsten eines Flughafenstandorts kann also - wie im Fall\ndes Flughafens Berlin-Schönefeld - bereits auf der Ebene der\nLandesentwicklungsplanung abschließend und mit bindender Wirkung für die\nFachplanung fallen. Den bundesrechtlichen Vorgaben ist aber auch dann Genüge\ngetan, wenn die Landesplanung einen Standort für Verkehrsinfrastruktur - wie\nvom Verwaltungsgerichtshof für die Erweiterung des Flughafens Frankfurt Main\nangenommen (BA S. 23 f.) - lediglich durch Festlegung von Vorranggebieten\nsichert und die endgültige Standortentscheidung der Fachplanung überlässt;\ndass der Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung der LEP-Änderung 2007\nbundesrechtswidrige Auslegungsmaßstäbe zugrunde gelegt hätte, ist nicht\nersichtlich.\n\n13\n\n \n\nc) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde ferner die\nFrage,\n\n \n\nob eine landesplanerische Standortentscheidung für die Erweiterung eines\nVerkehrsflughafens im Sinne der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.\nMärz 2006 zum Flughafen Berlin-Schönefeld auch in Gestalt der Festlegung von\nVorranggebieten erfolgen kann (II.; Beschwerdebegründung S. 8 ff.).\n\n14\n\n \n\nDiese Frage würde sich in einem durchzuführenden Revisionsverfahren nicht\nstellen. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen, ob eine\nabschließende landesplanerische Standortentscheidung, von der der Senat im\nFalle des Flughafens Berlin-Schönefeld ausgegangen ist (a.a.O. Rn. 53 ff.),\nfür die Erweiterung eines Verkehrsflughafens auch in Gestalt der Festlegung\nvon Vorranggebieten erfolgen kann. Von einer abschließenden landesplanerischen\nStandortentscheidung ist der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Flughafens\nFrankfurt Main - wie ausgeführt - aber gerade nicht ausgegangen (BA S. 23 f.).\nDass der Träger der Landesplanung die Vorrangnutzung in den Rang eines Ziels\nder Raumordnung hätte erheben können, hat er nicht in Abrede gestellt.\n\n15\n\n \n\nd) Im Zusammenhang mit der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass die LEP-\nÄnderung 2007 nicht wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 5 Satz 4 ROG a.F. unwirksam\nsei, wirft die Beschwerde die Fragen auf (III.),\n\n \n\nob die in § 7 Abs. 5 Satz 4 ROG a.F. (jetzt § 9 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ROG\nn.F.) enthaltene Vorschrift, wonach die öffentlichen Stellen, deren umwelt-\nund gesundheitsbezogener Aufgabenbereich von den Umweltauswirkungen eines\nRaumordnungsplans berührt werden kann, bei der Festlegung des\nUntersuchungsrahmens der Umweltprüfung einschließlich des erforderlichen\nUmfangs und Detaillierungsgrads des Umweltberichts (sog. Scoping) zu\nbeteiligen sind, einer "am Gesetzeszweck orientierten einschränkenden\nInterpretation" in dem Sinne bedarf, dass Gemeinden nicht zu beteiligen sind\n(Beschwerdebegründung S. 12),\n\n \n\nund weiter,\n\n \n\nob die Planerhaltungsvorschriften des § 12 Abs. 1 bis 4 ROG n.F. gemäß § 28\nAbs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ROG n.F. ohne Weiteres auf Raumordnungspläne\nentsprechend anwendbar seien, die vor dem 30. Juni 2009 auf der Grundlage der\nRaumordnungsgesetze der Länder in Kraft getreten sind (Beschwerdebegründung S.\n14).\n\n16\n\n \n\nDiese Fragen rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.\n\n17\n\n \n\nDer Verwaltungsgerichtshof hat seine Annahme, dass die LEP-Änderung 2007 nicht\nwegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 5 Satz 4 ROG a.F. unwirksam sei (BA S. 13), auf\ndrei jeweils selbständig tragende Gründe gestützt: Zum einen hat er sich auf\nden Standpunkt gestellt, dass die unterbliebene Beteiligung der Kommunen nach\nden Planerhaltungsvorschriften des § 12 Abs. 1 bis 4 ROG n.F., die gemäß § 28\nAbs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ROG n.F. entsprechend anzuwenden seien, nicht zu\neinem beachtlichen Verfahrensfehler führe, weil weder vorgetragen noch\nersichtlich sei, dass der Umweltbericht durch die Nichtbeteiligung der\nGemeinden in wesentlichen Punkten unvollständig geblieben sei (BA S. 14).\n"Unabhängig davon" bedürfe § 7 Abs. 5 Satz 4 ROG a.F., wonach öffentliche\nStellen, deren Aufgabenbereich von den Umweltauswirkungen der Planung berührt\nwerden, bei der Festlegung des Umfangs und Detaillierungsgrades des\nUmweltberichts zu beteiligen sind, einer am Gesetzeszweck orientierten\neinschränkenden Interpretation; die Kommunen seien keine öffentlichen Stellen,\ndie die Umweltauswirkungen der Planung zu beurteilen hätten; ihre Beteiligung\nsei daher im Stadium der Öffentlichkeitsbeteiligung verortet und nicht im\nScoping (BA S. 15 f.). "Im Übrigen" bestünden in dem Verfahrensstadium des\nScoping keine Verfahrensrechte Planungsbetroffener, deren Verletzung zu einem\nVerfahrensfehler führen könne; dies folge zwangsläufig aus der Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A\n2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 26), wonach dem Scoping keine\nRechtsschutzfunktion zukomme, sondern die im Scoping erfolgende Festlegung von\nInhalt und Umfang der Unterlagen für die Durchführung der\nUmweltverträglichkeitsprüfung ausschließlich der Information des\nVorhabenträgers diene (BA S. 16).\n\n18\n\n \n\nIst eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende\nBegründungen gestützt, kann die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 132 VwGO nur\nErfolg haben, wenn für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund\nordnungsgemäß dargelegt und gegeben ist (Beschluss vom 19. August 1997 -\nBVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Daran fehlt es hier. Hinsichtlich\ndes dritten Begründungselements - fehlende Verfahrensrechte Planbetroffener,\ndie zu einem Verfahrensfehler führen könnten - ist ein Zulassungsgrund nicht\ndargelegt worden. Die anderen beiden Begründungselemente können deshalb\nhinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.\n\n19\n\n \n\ne) Klären lassen möchte die Beschwerde ferner (IV.),\n\n \n\nwelche Anforderungen die Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung\nnach § 1 Abs. 2 ROG (zu ergänzen: a.F.) an die landesplanerische Abwägung über\nZielfestlegungen zur Erweiterung eines internationalen Verkehrsflughafens\nstellt (Beschwerdebegründung S. 16).\n\n20\n\n \n\nDiese Frage ist einer fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich. Welche\nAnforderungen die Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung an die\nlandesplanerische Abwägung über Zielfestlegungen zur Erweiterung eines\ninternationalen Verkehrsflughafens stellt, insbesondere, welche Belange mit\nwelchem Gewicht aufgrund dieses Leitbildes in die Abwägung einzustellen sind,\nlässt sich nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall\nklären.\n\n21\n\n \n\nf) Schließlich möchte die Beschwerde rechtsgrundsätzlich geklärt wissen (V.),\n\n \n\nob es nach dem Inkrafttreten des neuen Fluglärmgesetzes noch zulässig ist, ein\nüber die auf dessen Grundlage festzusetzenden Lärmschutzbereiche räumlich\ndeutlich hinausgehendes Siedlungsbeschränkungsgebiet für einen Flughafen\nzielförmig festzulegen, oder ob hierin nunmehr ein unverhältnismäßiger\nEingriff in die kommunale Planungshoheit liegt (Beschwerdebegründung S. 18).\n\n22\n\n \n\nDiese Frage würde sich in einem durchzuführenden Revisionsverfahren nicht\nstellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die LEP-Änderung 2007 dahin ausgelegt,\ndass sie selbst keine Siedlungsbeschränkungsgebiete festlegt, sondern dies der\nRegionalplanung überlässt (BA S. 61). An diese Auslegung des Landesrechts wäre\nder Senat in einem Revisionsverfahren gebunden. Dass es zu einer Festlegung\neines Siedlungsbeschränkungsgebiets kommen wird, das deutlich über den nach\ndem Fluglärmschutzgesetz festzusetzenden Lärmschutzbereich hinausgeht, steht\nmithin nicht fest. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich\nauch nicht entnehmen, dass der Beklagte dem zuständigen Träger der\nRegionalplanung inhaltliche Vorgaben für die Festlegung des\nSiedlungsbeschränkungsgebiets gemacht hätte. Das gilt insbesondere auch für\ndie Methode, anhand derer der Fluglärm zu berechnen ist. Insoweit hat es der\nVerwaltungsgerichtshof lediglich gebilligt, im Rahmen der LEP-Änderung die\nAuswirkungen einer Landebahn Nordwest auf die Siedlungsflächenpotentiale der\nGemeinde methodisch in gleicher Weise zu ermitteln wie bei der Aufstellung des\nRPS 2000 (BA S. 60 f.).\n\n23\n\n \n\n2\\. Den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat die\nBeschwerde ebenfalls nicht dargetan.\n\n24\n\n \n\nEine die Revision eröffnende Divergenz liegt vor, wenn die Vorinstanz in\nAnwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden\nRechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz (u.a.) des Bundesverwaltungsgerichts\noder des Bundesverfassungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20.\nDezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). § 133 Abs. 3\nSatz 3 VwGO verlangt in diesem Fall, dass der Tatbestand der Divergenz nicht\nnur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen\nsein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren\nRechtssätze dargelegt wird; eine bloß fehlerhafte Anwendung eines\nhöchstrichterlichen Rechtssatzes kann eine Divergenz nicht begründen\n(Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.; stRspr).\n\n25\n\n \n\nDie Beschwerde führt aus, das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil\nvom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04 - (Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 145, mit\ndem Verweis "im Folgenden identisch mit Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A\n1075.04 -" a.a.O., dort Rn. 53) die Rechtssätze aufgestellt, dass eine\nlandesplanerische Standortentscheidung für einen internationalen\nVerkehrsflughafen auch durch Festlegung eines Vorranggebiets getroffen werden\nkann und dass die Fachplanungsbehörde nicht befugt ist, die vorangegangene\nraumordnerische Alternativenprüfung durch eine eigene zu ersetzen, zu\nbestätigen oder zu korrigieren. Demgegenüber habe der Verwaltungsgerichtshof\nden Rechtssatz aufgestellt, dass die bloße Festlegung von Vorranggebieten\nkeine (abschließende) Standortentscheidung sei, weil sie eine\nFlughafenerweiterung an anderen Standorten nicht ausschließe, weshalb er die\nPlanfeststellungsbehörde entgegen der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts für berechtigt und sogar für verpflichtet halte,\neine eigenständige Alternativenprüfung vorzunehmen (Beschwerdebegründung S.\n22).\n\n26\n\n \n\nAbgesehen davon, dass sich die von der Beschwerde formulierten Aussagen mit\ndiesem Wortlaut weder in der zitierten Entscheidung des Senats zum Flughafen\nBerlin-Schönefeld noch im angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs\nfinden, zeigt sie damit eine die Zulassung der Revision rechtfertigende\nDivergenz nicht auf. Das gilt bereits deshalb, weil die Beschwerde nicht\nRechtssätze, sondern Ergebnisse der Rechtsanwendung gegenüber stellt. Im\nÜbrigen liegt die behauptete Divergenz auch der Sache nach nicht vor. Denn -\nwie ausgeführt - gehen die beiden Entscheidungen von unterschiedlichen\nSachverhalten aus: Im Verfahren Flughafen Berlin-Schönefeld hat der Senat die\nAnnahme, dass die Entscheidung zugunsten des Flughafens bereits auf der Ebene\nder Landesentwicklungsplanung gefallen ist, in erstinstanzlicher Zuständigkeit\nmit landesrechtlichen Erwägungen begründet (a.a.O. Rn. 59). Demgegenüber hat\nder Verwaltungsgerichtshof - wie ebenfalls ausgeführt - angenommen, dass der\nVorranggebietsfestlegung im Falle des Frankfurter Flughafens eine\nabschließende landesplanerische Standortentscheidung gerade nicht entnommen\nwerden könne (BA S. 23 f.). Rückschlüsse auf einen bundesrechtlichen\nRechtssatzwiderspruch lassen sich hieraus nicht ziehen.\n\n27\n\n \n\n3\\. Ohne Erfolg bleiben schließlich die von der Beschwerde erhobenen\nVerfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).\n\n28\n\n \n\na) Soweit die Beschwerde einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 138 Nr.\n3 und 6 VwGO geltend macht, weil der Verwaltungsgerichtshof ohne Angabe von\nGründen durch Beschluss gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO entschieden habe, ist\nein entsprechender Verfahrensmangel nicht dargetan.\n\n29\n\n \n\nGemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch\nUrteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält,\ndurch Beschluss. Die Entscheidungsform des Beschlusses soll es dem\nNormenkontrollgericht ermöglichen, in dafür geeigneten Fällen in vereinfachter\nund beschleunigter Weise ohne mündliche Verhandlung über die Gültigkeit der\nRechtsvorschrift zu befinden (Beschluss vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 7 NB\n3.88 - BVerwGE 81, 139 <142> m.w.N.). Darüber, ob eine mündliche Verhandlung\nentbehrlich ist, entscheidet das Normenkontrollgericht nach richterlichem\nErmessen, das im Grundsatz an keine gesetzlich normierten Voraussetzungen\ngeknüpft ist (Beschluss vom 2. Januar 2001 - BVerwG 4 BN 13.00 - juris). § 47\nAbs. 5 Satz 1 VwGO macht eine Entscheidung durch Beschluss auch nicht davon\nabhängig, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall handelt. Unerheblich\nist ferner, ob die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Beschluss\neinverstanden waren (Beschluss vom 2. Januar 2001 a.a.O.). Es kommt vielmehr\ndarauf an, ob der Entscheidung ein unstreitiger oder umfassend aufgeklärter\nSachverhalt zugrunde liegt und ob die entscheidungserheblichen Rechtsfragen in\nden Schriftsätzen der Beteiligten eingehend und ausreichend erörtert worden\nsind (zutreffend J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 47 Rn. 87).\nAußerdem darf das Normenkontrollgericht dann nicht durch Beschluss\nentscheiden, wenn zwingende rechtliche Vorschriften wie insbesondere Art. 6\nAbs. 1 Satz 1 EMRK (dazu Urteil vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 CN 9.98 -\nBVerwGE 110, 203) entgegen stehen. Dass entsprechende, die\nEntscheidungsmöglichkeit durch Beschluss einschränkende Gründe vorgelegen\nhätten, macht die Beschwerde selbst nicht geltend; sie sind auch nicht\nersichtlich.\n\n30\n\n \n\nEin Verstoß gegen Verfahrensrecht ist auch nicht darin zu sehen, dass der\nVerwaltungsgerichtshof - wie die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 31)\nbehauptet - im angefochtenen Beschluss keinerlei Gründe angegeben, sondern\nlediglich apodiktisch festgestellt habe, dass eine mündliche Verhandlung nicht\nerforderlich sei. Im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen ist\neine Entscheidung nicht schon dann, wenn die Begründung falsch, unzulänglich\noder oberflächlich ist, sondern erst dann, wenn die Begründung überhaupt oder\nzu wesentlichen Punkten unterblieben oder unverständlich und verworren ist\n(Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 4 B 22.10 - ZfBR 2010, 787 <789>;\nstRspr). Das ist hier weder generell noch in Bezug auf die Ausführungen des\nVerwaltungsgerichtshofs zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung (BA S. 7\nf.) der Fall. Eine darüber hinausgehende, speziell auf § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO\nbezogene, etwa - wie die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 32) meint - aus\neinem in der Vorschrift angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis herzuleitende\nBegründungspflicht existiert nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.\n103 Abs. 1 GG) gebietet nicht, die Beteiligten zu der Absicht des Gerichts,\nohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, anzuhören\n(Beschluss vom 8. September 1988 - BVerwG 4 NB 15.88 - Buchholz 406.11 § 1\nBBauG/BauGB Nr. 34 S. 11); aus dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann\ndeshalb auch nicht eine Verpflichtung des Normenkontrollgerichts abgeleitet\nwerden, diese Absicht näher zu begründen.\n\n31\n\n \n\nb) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde schließlich, dass der\nVerwaltungsgerichtshof das rechtliche Gehör der Antragstellerin sowie ihr\nRecht auf ein faires Verfahren verletzt habe, indem er die Antragstellerin mit\nVerfügung vom 12. Oktober 2009 pauschal zu einer Stellungnahme zu seinem\nUrteil vom 21. August 2009 im Verfahren 11 C 318/08.T aufgefordert habe, ohne\nihrer Bitte nachzukommen, die Passagen in diesem Urteil zu bezeichnen, die für\ndas Normenkontrollverfahren von Bedeutung seien (Beschwerdebegründung S. 32\nf.).\n\n32\n\n \n\nEin Gehörsverstoß ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3\nSatz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Zur schlüssigen Darlegung einer\nGehörsrüge gehört es, dass innerhalb der Beschwerdefrist substantiiert\nvorgetragen wird, welche - zur Klärung des geltend gemachten prozessualen\nAnspruchs geeigneten - Ausführungen der Kläger bei ausreichender Gewährung des\nrechtlichen Gehörs noch gemacht oder welche weitere Beweiserhebung er\nbeantragt hätte (Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 2 B 178.96 - juris\nL. 3). Daran fehlt es. Entsprechender Darlegungen bedarf es nur dann nicht,\nwenn die Gehörsrüge den gesamten Streitstoff erfasst (Beschluss vom 18. Juni\n2001 - BVerwG 8 B 38.01 - juris Rn. 10). Entsprechendes macht die Beschwerde\nnicht geltend. Sie beanstandet vielmehr, dass sie an weiterem Vortrag\ngehindert gewesen sei, weil sie wegen des fehlenden Hinweises des Gerichts\nnicht habe einschätzen können, zu welchen Punkten weiterer Vortrag\nerforderlich gewesen sei.\n\n33\n\n \n\nDer ebenfalls geltend gemachte Verstoß gegen ein faires Verfahren liegt nicht\nvor. Dieses aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende allgemeine\nProzessgrundrecht erfasst nur diejenigen Beschränkungen Verfahrensbeteiligter,\ndie nicht von spezielleren Verfahrensgarantien erfasst werden (BVerfG,\nBeschluss vom 5. November 2003 - 2 BvR 1243/03 - BVerfGE 109, 13 <34>). Ein\nVerstoß scheidet demnach aus, wenn - wie hier - das Grundrecht auf rechtliches\nGehör (Art. 103 Abs. 1 GG) einschlägig ist.\n\n34\n\n \n\nVon einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2\nHalbsatz 2 VwGO ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der\nVoraussetzungen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, beizutragen.\n\n
105,170
bverwg-2010-12-22-2-b-1810
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 B 18/10
2010-12-22
2018-11-24 09:30:08
2019-01-18 00:14:52
Beschluss
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 67 Satz 1 LDG NRW\ngestützte Beschwerde ist unbegründet.\n\n2\n\n \n\n1\\. Der Beklagte, ein im Dienst des klagenden Landes stehender Oberstudienrat,\nist wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 StGB) zu\neiner Geldstrafe von 90 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Der\nBeklagte hatte im Zeitraum vom 21. Mai 2005 bis zur Hausdurchsuchung am 23.\nNovember 2006 gegen eine Monatsgebühr von 89 US-Dollar Zugang zu einer\nInternetseite, auf der kinderpornographische Bilddateien angeboten wurden. Im\nMärz und im Mai 2006 gelangte der Beklagte gegen eine Gebühr von 79 US-Dollar\nin den Mitgliederbereich einer weiteren Internetseite mit\nkinderpornographischen Bilddateien und Videosequenzen. Im sachgleichen\nDisziplinarverfahren ist auf Entfernung aus dem Dienst erkannt worden.\n\n3\n\n \n\n2\\. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§\n132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 67 Satz 1 LDG NRW) zuzulassen.\n\n4\n\n \n\nEine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs.\n2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 67 Satz 1 LDG NRW, wenn sie eine konkrete, in dem zu\nentscheidenden Fall erhebliche, noch ungeklärte Frage des revisiblen Rechts\nmit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft,\ndie im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der\nRechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133\nAbs. 3 Satz 3 VwGO i.V.m. § 67 Satz 1 LDG NRW obliegt es dem Beschwerdeführer,\ndiese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B\n78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). Diese\nVoraussetzungen sind hinsichtlich der vom Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen\nnicht erfüllt.\n\n5\n\n \n\na) Der Sache nach sieht es die Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig\nan, ob die gesetzlichen Bestimmungen, die bei einem außerdienstlichen\nDienstvergehen wie dem privaten Besitz kinderpornographischer Bilddateien und\nVideosequenzen für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis maßgeblich sind,\nin ihrer Gesamtheit dem rechtsstaatlichen Gebot der Vorhersehbarkeit genügen.\nDiese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie ohne\nDurchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage der Rechtsprechung\ndes Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet\nwerden kann.\n\n6\n\n \n\nDas Rechtsstaatsprinzip gebietet, grundrechtsrelevante Vorschriften in ihren\nVoraussetzungen und ihrem Inhalt so klar zu formulieren, dass die Rechtslage\nfür den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten kann\n(BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1967 - 1 BvR 169/63 - BVerfGE 21, 73 <79>).\nDie Anforderungen des Bestimmtheitsgebots sind umso strenger, je intensiver\nder Grundrechtseingriff ist (Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR\n78/89 - BVerfGE 86, 288 <311>, unter Hinweis auf Beschluss vom 24. November\n1981 - 2 BvL 4/80 - BVerfGE 59, 104 <114>), wobei der verfassungsrechtlich\ngebotene Grad der Bestimmtheit von der Besonderheit des jeweiligen Tatbestands\nund von den Umständen abhängt, die zu der gesetzlichen Regelung führen\n(BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - a.a.O.).\nDie Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Vorschrift noch nicht die gebotene\nBestimmtheit. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung verbleibende Unklarheiten über\nden Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im\nWege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot).\nBesondere Bedeutung hat diese Pflicht bei solchen Tatbeständen, die der\nGesetzgeber im Rahmen des Zulässigen durch Verwendung von Generalklauseln\nverhältnismäßig weit und unscharf gefasst hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7.\nJuli 1971 - 1 BvR 775/66 - BVerfGE 31, 255 <264> zum Urheberrecht und vom 23.\nJuni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - NJW 2010, 3209, Rn. 74 und 80 m.w.N. zum\nBestimmtheitsgebot im Strafrecht nach Art. 103 Abs. 2 GG).\n\n7\n\n \n\nHieran gemessen genügen die Vorschriften der § 57 Satz 3 und § 83 Abs. 1 Satz\n2 LBG NRW a.F den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das\nBestimmtheitsgebot. Danach ist ein außerdienstliches Verhalten eines Beamten\nein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem\nMaße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das\nAnsehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Mit\ndiesen besonderen Anforderungen an die Disziplinarwürdigkeit sollte der\ngeänderten Stellung der Beamten in der Gesellschaft, von denen außerdienstlich\nkein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird,\nRechnung getragen werden (vgl. Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99\n- BVerwGE 112, 19 <23 und 26 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23 S. 22\nund 25 und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - zur Veröffentlichung in den\nEntscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen - juris Rn. 15).\n\n8\n\n \n\nDie Bedeutung dieser Tatbestandsmerkmale ist in der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt: Das Merkmal "in besonderem\nMaße" bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und\nVertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten\nin quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung\nvorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung\nhinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung\ngegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam\nwäre. Das Merkmal "in bedeutsamer Weise" bezieht sich auf den "Erfolg" der\nmöglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung\nin besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn\nsie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden\naußerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher\nRelevanz deutlich überschreitet (Urteile vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 -\nBVerwGE 114, 212 <219 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 29 S. 40 und vom\n19. August 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - a.a.O. Rn. 13). Die Beeinträchtigung der\nAchtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im\nkonkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d.h. auf die Erfüllung der dem\nBeamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das Ansehen des\nBerufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung\nbeziehen (Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - a.a.O. S. 25, vom\n12. Dezember 2001 - BVerwG 1 D 4.01 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 32 S.\n53 f., vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - a.a.O. Rn. 52 und vom 19.\nAugust 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - a.a.O. Rn. 14).\n\n9\n\n \n\nAuch § 13 Abs. 2 LDG NRW genügt dem Bestimmtheitsgebot. Nach dieser Vorschrift\nist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens\nzu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu\nberücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang das\nVertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist.\n\n10\n\n \n\nAls maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß\n§ 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW richtungsweisend für die Bestimmung der\nerforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte\nDienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG\nNRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die vom\nDisziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen\nherausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt\nes für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum\nPersönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im\nEinzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die\nSchwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl.\nzuletzt Urteile vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG\nNr. 4 Rn. 17 - 19, - BVerwG 2 C 28.06 - Juris Rn. 19-22, vom 3. Mai 2007 -\nBVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20-23, - BVerwG 2 C 30.05\n- Buchholz 310 § 108 Abs 1 VwGO Nr. 50 Rn. 29-36, und vom 29. Mai 2008 -\nBVerwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 20-23).\n\n11\n\n \n\nDie vom Disziplinarsenat für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten\nRegeleinstufungen betreffen innerdienstliches Verhalten. Für strafbares\naußerdienstliches Verhalten hat der Senat in seinen Urteilen vom 19. August\n2010 (a.a.O.) die Bedeutung der gesetzlichen Strafdrohung als\nOrientierungsrahmen für die Maßnahmebemessung hervorgehoben. Die Anlehnung an\nden Strafrahmen beruht auf den gesetzgeberischen Wertungen der Begehung einer\nStraftat zum Nachteil des Staates in § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW a.F., §\n24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG (für Bundesbeamte: § 48 Satz 1 Nr. 2 BBG a.F.,\n§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG) oder der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe\nwegen einer vorsätzlich begangenen schwerwiegenden Straftat in § 51 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 1 LBG NRW a.F., § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG (für\nBundesbeamte: § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG a.F., § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG; vgl.\nzum Ganzen: Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 13.10 - Rn. 16 m.w.N.).\n\n12\n\n \n\nDeshalb sieht der Senat als maßgeblich für die Maßnahmebemessung die jeweilige\nStrafandrohung unter Berücksichtigung des Dienstbezugs der Pflichtverletzung\ndes Beamten an. Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet auch eine\nnachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von\nDienstvergehen. Die Verwaltungsgerichte dürfen ihre eigene Einschätzung des\nUnwertgehalts eines Delikts nicht an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers\nsetzen, wenn sie den Strafrahmen für unangemessen niedrig halten. Ebenso wie\nbei einer Regeleinstufung sind die Verwaltungsgerichte auch bei der Bestimmung\neines Orientierungsrahmens gehalten, über die erforderliche\nDisziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter\nBerücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden\nGesichtspunkte zu entscheiden (vgl. Urteile vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C\n5.10 - Rn. 22 und - BVerwG 2 C 13.10 - Rn. 25).\n\n13\n\n \n\nb) Der Beklagte sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sinngemäß\nauch in der Frage, ob es bei der disziplinarrechtlichen Würdigung des von\neinem Lehrer außerdienstlich begangenen Dienstvergehens des Besitzes\nkinderpornographischer Schriften darauf ankommt, ob von diesem Lehrer die\nGefahr von körperlichen Übergriffen oder sonstigen Eingriffen in das sexuelle\nSelbstbestimmungsrecht der von ihm unterrichteten Kinder ausgeht. Auch diese,\nauf den konkreten Dienstbezug abzielende Frage ist bereits in der\nRechtsprechung des Senats geklärt.\n\n14\n\n \n\nDer Senat hat in seinen Urteilen vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - und -\nBVerwG 2 C 13.10 - (jeweils Juris, zur Veröffentlichung in der Fachpresse\nvorgesehen) die Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens näher\nbestimmt und ausgeführt, dass sich die Beeinträchtigung der Achtung und des\nVertrauens entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne\n(Dienstposten), d.h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden\nDienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter\neiner stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen muss (Urteile vom 19.\nAugust 2010 a.a.O., jeweils Rn. 14 m.w.N.). Ein Bezug eines außerdienstlichen\nDienstvergehens zu dem Dienstposten des Beamten ist gegeben, wenn das\naußerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im\nkonkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung\nbeeinträchtigt (Urteile vom 19. August 2010 a.a.O., jeweils Rn. 15).\n\n15\n\n \n\nBeim außerdienstlichen Besitz kinderpornografischer Schriften hat der Senat im\nFall eines Zollinspektors einen solchen Dienstbezug verneint (Urteil vom 19.\nAugust 2010 - BVerwG 2 C 13.10 - Rn. 15). Demgegenüber hat der Senat den\nDienstbezug im Fall eines Lehrers bejaht, weil ein Lehrer nach Bekanntwerden\neines derartigen Fehlverhaltens bei der Aufgabenwahrnehmung zumindest stark\nbeeinträchtigt ist. Er hat elementare Rechte gerade derjenigen Personengruppe\nverletzt, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegt und\nanvertraut sind. Insoweit genügt die bloße Eignung, zu einem konkreten\nAnsehensschaden oder konkreten Übergriffen muss es nicht gekommen sein (Urteil\nvom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - Rn. 15 und 17).\n\n16\n\n \n\n3\\. Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO\ni.V.m. § 67 Satz 1 LDG NRW) liegt nicht vor.\n\n17\n\n \n\nDie Beschwerde macht geltend, nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts seien bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch\nMilderungsgründe, wie etwa die Durchführung einer Psychotherapie oder\nüberdurchschnittliche dienstliche Leistungen, zu berücksichtigen. Demgegenüber\nhabe das Berufungsgericht im Fall des Beklagten unter Verstoß gegen den\nGrundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme\nmildernde Umstände unbeachtet gelassen. Das Berufungsgericht habe u.a. nicht\neinbezogen, dass der Beklagte kinderpornographische Darstellungen lediglich\naußerdienstlich betrachtet habe, er nach Aufdecken seines Verhaltens eine lang\nangelegte psychotherapeutische Behandlung begonnen und durchgeführt habe, er\nkeine pädophilen Neigungen habe und es während seiner langjährigen\nBerufstätigkeit nie zu Übergriffen oder auch nur zu obszönen Annäherungen an\nSchulkinder gekommen sei.\n\n18\n\n \n\nMit diesen Ausführungen wird eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2\nVwGO i.V.m. § 67 Satz 1 LDG NRW nicht dargelegt. Das Berufungsgericht hat\nnicht etwa den entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt, bei der Bemessung der\nDisziplinarmaßnahme nach § 13 LDG NRW seien entlastende Umstände nicht zu\nberücksichtigen. Vielmehr hat es ersichtlich die für den Beklagten sprechenden\nAspekte in die ihm obliegende Ermessensentscheidung mit einbezogen (UA S. 16).\nLetztlich greift die Beschwerde die einzelfallbezogene Würdigung des\nBerufungsgerichts an, zeigt aber keinen entgegenstehenden Rechtssatz auf. In\nDisziplinarverfahren kann eine Divergenz aber grundsätzlich nicht damit\nbegründet werden, das Tatsachengericht habe die be- und entlastenden Umstände\nim Rahmen der Gesamtwürdigung fehlerhaft gewichtet (Beschluss vom 3. Juli 2007\n- BVerwG 2 B 18.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1).\n\n19\n\n \n\nIm Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die in der Beschwerde herangezogene\ngenannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. Februar\n2003 - 2 WD 35.02 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 39) zu § 38 WDO ergangen ist,\nwährend der Bemessungsentscheidung des Berufungsgerichts § 13 LDG NRW zugrunde\nliegt. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr.2 VwGO i.V.m. § 67 Satz 1 LDG\nNRW setzt aber voraus, dass dieselbe Vorschrift betroffen ist.\n\n20\n\n \n\n4\\. Auch die vom Beklagten erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO\ni.V.m. § 67 Satz 1 LDG NRW) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.\n\n21\n\n \n\nFür die Verfahrensrüge der unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86\nAbs. 1 VwGO) ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts maßgeblich. Für\ndas Oberverwaltungsgericht war die Frage, ob beim Beklagten pädophile\nNeigungen vorhanden waren oder sind, nicht entscheidungserheblich (UA S. 17).\nDas Berufungsgericht hat vielmehr ausgehend von § 13 LDG NRW und der\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bemessung der\nDisziplinarmaßnahme geprüft, ob der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn\noder der Allgemeinheit endgültig verloren hat.\n\n22\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ergibt sich aus § 74 Abs. 1 LDG NRW n.F. in Verbindung\nmit § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht. Für\ndas erst im Januar 2010 eingeleitete Verfahren werden Gebühren nach dem\nGebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW n.F erhoben (§ 82 Abs. 11 Satz\n2 LDG NRW n.F.).\n\n
105,297
bfh-2011-08-10-x-b-710
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
X B 7/10
2011-08-10
2018-11-24 10:30:07
2019-01-18 00:15:56
Beschluss
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern und Beschwerdeführern\n(Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2\nNr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind nicht gegeben.\n\n \n\n2\n\n \n\n1\\. Die von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfragen bedürfen weder der\ngrundsätzlichen Klärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die\nFortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO eine\nEntscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH).\n\n \n\n3\n\n \n\na) Ob einer der genannten Zulassungsgründe besteht, beurteilt sich nach den\nVerhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde\n(Senatsbeschluss vom 12. Oktober 1993 X B 122/93, BFH/NV 1994, 712, und\nGräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 61). Eine\nNichtzulassungsbeschwerde hat daher keinen Erfolg, wenn die aufgeworfene\nRechtsfrage nach Einlegung der Beschwerde durch eine Entscheidung des BFH\ngeklärt worden ist, die mit der Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG)\nübereinstimmt.\n\n \n\n4\n\n \n\nb) So ist es im Streitfall. Der beschließende Senat hat entschieden, dass im\nzeitlichen Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) geleistete\nRenten der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit\nebenso wie von dieser Versicherung geleistete Altersrenten mit dem\nBesteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des\nEinkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung zu unterwerfen sind. Nach der\nab dem Jahr 2005 geltenden Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das\nAltEinkG ist nicht maßgeblich, ob Rentenzahlungen lebenslänglich oder als\nabgekürzte Leibrente nur zeitlich befristet zu erbringen sind. Entscheidend\nist allein, dass es sich um Renten im Bereich der sog. Basisversorgung des\ngesetzlichen Drei-Schichten-Modells handelt (Senatsurteile jeweils vom 13.\nApril 2011 X R 19/09, BFH/NV 2011, 1489, X R 33/09, BFH/NV 2011, 1496 und X R\n54/09, DStR 2011, 144, www.bundesfinanzhof.de).\n\n \n\n5\n\n \n\nIn diesen Urteilen hat der beschließende Senat auch erkannt, dass diese\nBesteuerung der Erwerbsminderungsrenten nicht verfassungswidrig ist. Die\nBesteuerung der Basisversorgung im Rahmen des AltEinkG beruht auf dem Konzept\nder nachgelagerten Besteuerung. Altersvorsorgeaufwendungen können danach im\nRahmen von § 10 Abs. 3 EStG steuermindernd geltend gemacht werden. Umgekehrt\nwerden Rentenzuflüsse aus der Basisversorgung ab 2005 mit dem gesetzlichen\nBesteuerungsanteil der Besteuerung unterworfen.\n\n \n\n6\n\n \n\nNicht entscheidend ist, ob die Erwerbsminderungsrente im konkreten Einzelfall\nauf im Geltungsbereich des AltEinkG geleisteten und damit in erhöhtem Umfang\nabziehbaren Altersvorsorgeaufwendungen beruht. Allerdings muss gewährleistet\nsein, dass das Verbot der doppelten Besteuerung beachtet ist. Die Besteuerung\nder Erwerbsminderungsrente ist aus diesem Grund nur insoweit\nverfassungsrechtlich zulässig, als die Rente auf nicht der Besteuerung\nunterworfenen Beitragszahlungen beruht. Dies ist insoweit der Fall, als die\nBeitragszahlungen nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei waren oder sie\nsteuermindernd geltend gemacht werden konnten. Das FG hat die Kläger in diesem\nZusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Arbeitgeber des\nKlägers zu tragenden hälftigen Rentenversicherungsbeiträge gemäß § 3 Nr. 62\nSatz 1 EStG nicht der Besteuerung unterworfen worden sind. Der im Streitfall\nangesetzte Besteuerungsanteil von 50 % verletzt das Verbot der doppelten\nBesteuerung daher nicht.\n\n \n\n7\n\n \n\nDass sich durch die Umstellung der Besteuerung der Erwerbsminderungsrente von\nder bis einschließlich 2004 geltenden Ertragsanteilsbesteuerung zum ab dem\nVeranlagungszeitraum 2005 anzusetzenden Besteuerungsanteil im Einzelfall eine\nerhebliche steuerliche Mehrbelastung ergeben kann, begründet keinen\nVerfassungsverstoß, insbesondere ist der rechtsstaatliche Grundsatz des\nVertrauensschutzes nicht verletzt (Senatsurteil vom 13. April 2011 X R 19/09,\nwww.bundesfinanzhof.de).\n\n
105,544
bfh-2011-06-30-v-r-1810
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
V R 18/10
2011-06-30
2018-11-24 12:30:05
2019-01-18 00:18:17
Urteil
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Streitig ist, ob die Umsätze des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus\ndem Betrieb eines Imbissstandes dem Regelsteuersatz unterliegen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger verkaufte in einem vor seinem Ladengeschäft (Fleischerei)\naufgebauten Imbissstand Bratwürste, Pommes Frites und täglich wechselnde\nGerichte in verzehrfertigem Zustand. Der Stand hatte eine Größe von ca. 3,5 m\nx 3,8 m und war mit einem über die Außenwände hinausragenden Dach versehen.\nUmlaufend war in einer Höhe von ca. 1,10 m ein ca. 0,5 m breites Brett\nangebracht, auf dem Ketchup und Senfbehälter aufgestellt waren. Der Verkauf\nwar nach allen vier Seiten möglich, tatsächlich wurde jedoch maximal zu zwei\nSeiten hin verkauft. Die jeweils nicht zum Verkauf genutzten Seiten waren\ndurch herabgelassene Fensterläden geschlossen.\n\n \n\n3\n\n \n\nUnmittelbar vor dem Stand befand sich eine fest installierte, allgemein\nzugängliche städtische Sitzbank. Ab dem 1. August 2003 stellte der Kläger eine\naus zwei Bänken und einem Tisch bestehende "Bierzeltgarnitur" vor seinem Stand\nauf.\n\n \n\n4\n\n \n\nIn den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2000 bis 2003) hatte der\nKläger die auf den Imbissstand entfallenden Umsätze dem ermäßigten Steuersatz\nunterworfen. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und\nRevisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass diese Umsätze --mit\nAusnahme eines geschätzten Anteils von Außer-Haus-Verkäufen (10 %)-- dem\nRegelsteuersatz unterlägen und setzte die Umsatzsteuer der Streitjahre durch\ndie Änderungsbescheide vom 24. August 2006 entsprechend höher fest. Den\ndagegen eingelegten Einsprüchen half das FA mit geänderten\nUmsatzsteuerbescheiden vom 9. Januar 2007 aus anderen Gründen teilweise ab, im\nÜbrigen wies es die Einsprüche mit der Einspruchsentscheidung vom 9. Januar\n2007 als unbegründet zurück.\n\n \n\n5\n\n \n\nDas Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und begründete sein in\n"Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1837 veröffentlichtes Urteil damit,\ndass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle nach §\n3 Abs. 9 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) eine sonstige Leistung\ngewesen sei. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Vorrichtungen\nin Form eines umlaufenden Brettes am Imbissstand in der angebrachten Höhe und\nBreite den Kunden typischerweise die Möglichkeit eröffnen sollten, die\nerworbenen Speisen an Ort und Stelle zu verzehren und von ihnen tatsächlich\nauch in diesem Sinne genutzt würden. Dem stehe nicht entgegen, dass ein Teil\ndes Tresens dem Verkauf der Waren gedient habe, da der weit überwiegende Teil\ndes Tresens zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle zur Verfügung gestanden\nhabe. Dem Ergebnis entspreche das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.\nOktober 2006 V R 58, 59/04 (BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487), wonach die\nAbgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen als\nDienstleistung dem Regelsteuersatz unterliege, wenn Kunden eines Imbisswagens\nihre Speisen unter Benutzung von Tischen, Stühlen und Bänken der Standnachbarn\nverzehren könnten.\n\n \n\n6\n\n \n\nAuch unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben habe der Kläger\nnicht lediglich Lebensmittel geliefert, sondern verzehrfertig zubereitete\nSpeisen verkauft, bei denen in erheblichem Umfang über eine Lieferung\nhinausgehende Leistungselemente vorlägen: Der Kläger habe alle von ihm\nverkauften Waren durch Erhitzen in einen verzehrfähigen Zustand gebracht und\nVorrichtungen zu deren Verzehr an Ort und Stelle sowie Zutaten wie Ketchup und\nSenf zur Selbstbedienung zur Verfügung gestellt.\n\n \n\n7\n\n \n\nMit Beschluss vom 20. Dezember 2010 hat der erkennende Senat das Ruhen des\nVerfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)\nin den zum gemeinsamen Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbundenen\nRechtssachen C-497/09 und C-501/09 angeordnet. Der EuGH hat mit Urteil vom 10.\nMärz 2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09, C-502/09 Bog u.a. (Umsatzsteuer-\nRundschau --UR-- 2011, 272) die ihm vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet:\n\n \n\n8\n\n \n\n"1. Die Art. 5 und 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai\n1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die\nUmsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige\nBemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14.\nDezember 1992 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Abgabe frisch\nzubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an\nImbissständen oder -wagen (...) eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des\ngenannten Art. 5 ist, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes\nergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel\nvoraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen; (...).\n\n \n\n9\n\n \n\n2\\. Bei Lieferung von Gegenständen ist der Begriff "Nahrungsmittel" in Anhang\nH Kategorie 1 der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Sechsten Richtlinie\n77/388 dahin auszulegen, dass er auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die\ndurch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr\nzubereitet worden sind."\n\n \n\n10\n\n \n\nHierauf hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen:\n\n \n\n11\n\n \n\nDer EuGH habe in Randziffer 69 dieses Urteils die charakteristischen\nDienstleistungsmerkmale eines typischen Restaurationsumsatzes aufgeführt.\nEbenso wie in den Verfahren C-497/09 und C-501/09 biete der Kläger an seinem\nImbissstand kein einziges der aufgeführten Dienstleistungsbestandteile an.\n\n \n\n12\n\n \n\nDa auf die qualitative Prüfung der Dienstleistungselemente des gesamten\nUmsatzes abgestellt werde, könne die seit 1. August 2003 aufgestellte und\nnicht überdachte Bierzeltgarnitur nicht für alle Umsätze prägend sein. Aus\nRandziffer 73 des EuGH-Urteils Bog u.a. in UR 2011, 272 ergebe sich, dass\nselbst umfangreicheres und eigenes Mobiliar nicht ausschließlich dazu bestimmt\ngewesen sei, den Verzehr solcher Lebensmittel möglicherweise zu erleichtern.\nDies müsse erst recht für "Fremdmobiliar" --wie die vom FG berücksichtigte\nstädtische Sitzbank-- gelten, auf deren Vorhandensein der Kläger keinen\nEinfluss habe.\n\n \n\n13\n\n \n\nIm Übrigen habe das FG nicht --wie erforderlich-- jeden einzelnen Umsatz für\nsich betrachtet. Bei den schätzungsweise mit 10 % angesetzten Umsätzen zum\nermäßigten Steuersatz handele es sich um "verpackte Ware", also um solche\nNahrungsmittel, die ohnehin nicht zum "Verzehr an Ort und Stelle" geliefert\nworden seien. Derartige Umsätze seien nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n \n\n \n\ndas Urteil des FG vom 4. Juni 2006 16 K 10040/07 aufzuheben und die\nUmsatzsteuer 2000 bis 2003 gemäß Klageantrag auf 8.744,42 € (2000), 9.488,43 €\n(2001), 8.056 € (2002) und 5.758,04 € (2003) herabzusetzen.\n\n \n\n15\n\n \n\nDas FA beantragt,\n\n \n\n \n\ndie Revision als unbegründet zurückzuweisen.\n\n \n\n16\n\n \n\nNachdem es zunächst die Vorentscheidung verteidigt hatte, trägt es im\nAnschluss an das EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 vor:\n\n \n\n17\n\n \n\nDer dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt entspreche im Wesentlichen\nden Rechtssachen C-497/09 und C-501/09. Nach den darin aufgestellten\nGrundsätzen lägen auch im Streitfall Lieferungen vor. Sollte der BFH über die\nVerfahren XI R 37/08 und V R 35/08 ohne Berücksichtigung anderer Kriterien in\ndiesem Sinne entscheiden, erkenne das FA den ermäßigten Steuersatz für den\nUmsatz von Nahrungsmitteln des Imbissstandes bis zum 31. Juli 2003 an.\n\n \n\n18\n\n \n\nSeit dem 1. August 2003 ständen den Kunden des Imbissstandes jedoch eine\nBierzeltgarnitur und ein Stehtisch zur Verfügung. Aus der EuGH-Entscheidung\ngehe nicht eindeutig hervor, ob Bierzeltgarnitur und Stehtisch bereits als\nbesondere Dienstleistungselemente ausreichten und qualitativ überwiegen. Das\nFA sei an die derzeitige Verwaltungsauffassung im Schreiben des\nBundesministeriums der Finanzen vom 16. Oktober 2008 in BStBl I 2008, 949\n(Beispiel 2) gebunden. Danach reichten das Vorhandensein von Stehtisch und\nBierzeltgarnitur zur Anwendung des Regelsteuersatzes aus.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 27. April 2011 (Kläger) und\nvom 28. April 2011 (FA) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung\nverzichtet.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n20\n\n \n\nII. Die Revision des Klägers ist begründet.\n\n \n\n21\n\n \n\nSie führt für die Streitjahre 2000 bis 2002 zur Aufhebung der Vorentscheidung\nund zur antragsgemäßen Herabsetzung der Umsatzsteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der\nFinanzgerichtsordnung --FGO--), für das Streitjahr 2003 zur Aufhebung der\nVorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).\nEntgegen dem Urteil des FG unterliegen die Umsätze des Klägers in den\nStreitjahren 2000 bis 2002 in vollem Umfang und im Streitjahr 2003 zum Teil\ndem ermäßigten Steuersatz.\n\n \n\n22\n\n \n\n1\\. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 in der in den Streitjahren geltenden\nFassung ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die "Lieferung" der in der\nAnlage bezeichneten Gegenstände. Dazu gehören u.a. "Zubereitungen von Fleisch\n..." (Nr. 28), "Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch" (Nr. 31)\nund "verschiedene Lebensmittelzubereitungen" (Nr. 33). Damit hat der nationale\nGesetzgeber von dem ihm in Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3, Anhang H Nr.\n1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der\nRechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG\n(Richtlinie 77/388/EWG) eingeräumten Ermessen hinsichtlich der Anwendung eines\nermäßigten Steuersatzes Gebrauch gemacht. Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a\nUnterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten einen oder\nzwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Diese ermäßigten Steuersätze "... sind\nnur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H\ngenannten Kategorien anwendbar". In Anhang H Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG\nsind genannt: "Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke,\nalkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen\nund üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln\nverwendete Zutaten, üblicherweise als Zusatz oder Ersatz für Nahrungs- und\nFuttermittel verwendete Erzeugnisse."\n\n \n\n23\n\n \n\na) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer\nden Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen\n(Verschaffung der Verfügungsmacht). Nicht begünstigt sind sonstige Leistungen.\nEine sonstige Leistung ist nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG die Abgabe von Speisen\nund Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle. Speisen und Getränke werden zum\nVerzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe\ndazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in\neinem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den\nVerzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden (§ 3 Abs. 9 Satz 5 UStG).\n\n \n\n24\n\n \n\nb) Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes Frites und ähnlichen standardisiert\nzubereiteten Speisen an einem mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen\nausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung (vgl. EuGH-Urteil\nBog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 56; BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 V R\n55/06, BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673; vom 1. April 2009 XI R 3/08, BFH/NV\n2009, 1469), die eine Lieferung darstellt und die gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG\nin Verbindung mit Nr. 28, 31 und 33 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem\nermäßigten Steuersatz unterliegt.\n\n \n\n25\n\n \n\naa) Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung ist auf die Sicht\ndes Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine\nGesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen\ndieser Gesamtbetrachtung ist "die qualitative und nicht nur quantitative\nBedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer\nLieferung von Gegenständen zu bestimmen" (EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272\nRdnr. 62; BFH-Urteile vom 18. Februar 2009 V R 90/07, BFHE 225, 210, BFH/NV\n2009, 1551; in BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487, m.w.N., und vom 10. August\n2006 V R 55/04, BFHE 214, 474, BStBl II 2007, 480, m.w.N.).\n\n \n\n26\n\n \n\nbb) Zu der Frage, ob die einheitliche Leistung bei der Abgabe standardisiert\nzubereiteter, verzehrfertiger Speisen an mit behelfsmäßigen\nVerzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissständen als Lieferung oder als\nDienstleistung einzustufen ist, hat der EuGH im Urteil Bog u.a. in UR 2011,\n272 entschieden, dass die Lieferung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen\nVerzehr das überwiegende Element der betreffenden Umsätze darstellt, da die\nDienstleistungselemente nur in der Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen\nbestehen, d.h. "ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer\nbeschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien zu\nermöglichen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen\ngeringfügigen personellen Einsatz. Unter diesen Umständen stellen diese\nElemente nur geringfügige Nebenleistungen dar und können am dominierenden\nCharakter der Hauptleistung, d.h. dem einer Lieferung von Gegenständen, nichts\nändern" (Rdnr. 70). "Ob die Kunden die genannten behelfsmäßigen Vorrichtungen\nbenutzen, ist ohne Bedeutung, da der sofortige Verzehr an Ort und Stelle, der\nkein wesentliches Merkmal des betreffenden Umsatzes darstellt, nicht für\ndessen Natur bestimmend sein kann" (Rdnr. 74).\n\n \n\n27\n\n \n\nSoweit für den Verzehr Mobiliar (Stehtische, Hocker, Stühle und Bänke) zur\nVerfügung steht, ist zu berücksichtigen, dass "das bloße Vorhandensein dieses\nMobiliars, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr solcher\nLebensmittel möglicherweise zu erleichtern, nicht als Dienstleistungselement\nangesehen werden [kann], das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die\nEigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen" (Rdnr. 73).\n\n \n\n28\n\n \n\ncc) Der Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall steht die Regelung in § 3\nAbs. 9 Sätze 4 und 5 UStG nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung hat\ndas innerstaatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die\nBestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, für die volle Wirksamkeit\ndieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede\nentgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener\nEntscheidungsbefugnis unangewandt lässt (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 19.\nNovember 2009 C-314/08 Filipiak, Slg. 2009, I-11049, BFH/NV 2010, 136 Rdnrn.\n81, 82, m.w.N.; BFH-Urteile vom 17. Juli 2008 X R 62/04, BFHE 222, 428, BStBl\nII 2008, 976, unter II.2.a; vom 22. Juli 2008 VIII R 101/02, BFHE 222, 453,\nBStBl II 2010, 265, unter IV.1.). Für die Anwendung des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und\n5 UStG bedeutet dies, dass soweit die Vorschrift nicht richtlinienkonform ist,\ndie unionsrechtlichen Grundsätze zur Abgrenzung Lieferung und sonstige\nLeistung maßgebend sind (BFH-Urteil in BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673, unter\nII.4.a, m.w.N.) und dabei die vorstehende EuGH-Rechtsprechung zu beachten ist.\n\n \n\n29\n\n \n\n2\\. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei den mit dem\nImbissstand erzielten Umsätzen des Klägers in den Streitjahren 2000 bis 2002\num Lieferungen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.\n\n \n\n30\n\n \n\na) Nach den das Gericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG\nverkaufte der Kläger Bratwürste, Pommes Frites und täglich wechselnde\nGerichte. Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich um verzehrfertige\nSpeisen handelte, die keine über die einfache, standardisierte Zubereitung von\nLebensmitteln hinausgehenden Leistungen des Klägers erforderten.\n\n \n\n31\n\n \n\nb) Entgegen dem Urteil des FG führen das Vorhandensein und die Nutzung der vor\ndem Imbissstand installierten städtischen Bank zum Verzehr der zubereiteten\nSpeisen nicht zur Beurteilung als sonstige Leistung.\n\n \n\n32\n\n \n\naa) Verzehrvorrichtungen sind bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und\nDienstleistung nur zu berücksichtigen, wenn sie vom Leistenden ausschließlich\ndazu bestimmt wurden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu\nerleichtern (EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 73). Das FG hat sich\ninsoweit auf die Rechtsprechung des Senats gestützt, wonach\nVerzehrvorrichtungen eines Dritten berücksichtigt werden können, wenn diese\nauch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt waren\n(vgl. zuletzt Urteil in BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487; BFH-Urteil vom 10.\nAugust 2006 V R 38/05, BFHE 214, 480, BStBl II 2007, 482). Im Hinblick auf das\nEuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 hält der Senat daran nicht mehr fest\n(Änderung der Rechtsprechung).\n\n \n\n33\n\n \n\nbb) Im Streitfall ist daher die Berücksichtigung der Bank ausgeschlossen, weil\nsie nicht vom Kläger als Verzehrvorrichtung zur Verfügung gestellt, sondern\nvon der Stadt im Rahmen des Gemeingebrauchs der Allgemeinheit überlassen\nwurde.\n\n \n\n34\n\n \n\ncc) Die streitigen Umsätze des Klägers unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1\nUStG dem ermäßigten Steuersatz, weil die von ihm gelieferten Lebensmittel in\nder Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG bezeichnet sind (Zubereitungen von\nFleisch usw. --Nr. 28--, aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie Backwaren\n--Nr. 31--, Zubereitungen von Gemüse, Früchten usw. --Nr. 32-- oder\nverschiedene Lebensmittelzubereitungen --Nr. 33--). Aus der Antwort zu 2 des\nEuGH-Urteils Bog u.a. in UR 2011, 272 ergibt sich, dass dies im Einklang mit\nAnhang H der Richtlinie 77/388/EWG steht, weil Anhang H auch Speisen oder\nMahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise\nzum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.\n\n \n\n35\n\n \n\n3\\. Die im Streitjahr 2003 erzielten Umsätze des Klägers aus dem Betrieb des\nImbissstands unterliegen nach den vorstehenden Grundsätzen bis zum 31. Juli\n2003 in voller Höhe als Lieferungen dem ermäßigten Steuersatz. Seit dem 1.\nAugust 2003 erzielte der Kläger daneben aber auch Umsätze, die als\nDienstleistungen anzusehen sind und daher dem Regelsteuersatz unterliegen.\n\n \n\n36\n\n \n\na) Wie das FG festgestellt hat, hatte der Kläger ab dem 1. August 2003 vor\nseinem Imbiss eine Bierzeltgarnitur aufgestellt, die aus einem Tisch und zwei\nBänken bestand. Bei den hierauf entfallenden Umsätzen handelt es sich nicht um\ndie Lieferungen von Lebensmitteln, sondern um Dienstleistungen.\n\n \n\n37\n\n \n\nAls für Restaurationsleistungen charakteristische Dienstleistungsbestandteile\nerwähnt der EuGH im Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 69 zwar\nKellnerservice, Beratung und Bedienung der Kunden im eigentlichen Sinne sowie\ndas Vorhandensein geschlossener, temperierter Räume speziell für den Verzehr\nder abgegebenen Speisen, Garderobe und Toiletten und die Bereitstellung von\nGeschirr, Mobiliar und Gedeck. Während die Bereitstellung "behelfsmäßiger\nVorrichtungen, d.h. ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit" nur als\ngeringfügige Nebenleistung anzusehen sind und am dominierenden Charakter einer\nLieferung von Gegenständen nichts ändern (Rdnr. 70 des EuGH-Urteils Bog u.a.\nin UR 2011, 272), verlangen dem Verzehr dienliche Elemente, wie die\nBereitstellung von Geschirr, Besteck oder Mobiliar --im Unterschied zur bloßen\nBereitstellung einer behelfsmäßigen Infrastruktur im Fall von Imbissständen,\nImbisswagen oder Kinos-- einen gewissen personellen Einsatz, um das gestellte\nMaterial herbeizuschaffen, zurückzunehmen und gegebenenfalls zu reinigen\n(EuGH-Urteil Bog u.a in UR 2011, 272 Rdnr. 79).\n\n \n\n38\n\n \n\nIm Unterschied zur lediglich "behelfsmäßigen Infrastruktur" von Imbissständen\nstellte der Kläger seinen Kunden seit dem 1. August 2003 zusätzlich "Mobiliar"\n(Tisch mit Sitzgelegenheit) zur Verfügung, das ausschließlich dazu bestimmt\nwar, den Verzehr der Speisen zu erleichtern. Unter Berücksichtigung des\nUmstands, dass der Auf- und Abbau sowie die Reinigung der Bierzeltgarnitur\neinen "gewissen personellen Einsatz" erfordern, wird im Streitfall die\nSchwelle zum Restaurationsumsatz überschritten.\n\n \n\n39\n\n \n\nb) Das FG-Urteil entspricht insoweit nicht den Grundsätzen der EuGH-\nRechtsprechung, als es die gesamten Imbissstand-Umsätze in 2003 dem\nRegelsteuersatz unterworfen hat. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache\nan das FG zurückzuverweisen. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus\nzutreffend-- noch keine Feststellungen zum Umfang der auf die Bierzeltgarnitur\nentfallenden Restaurationsumsätze getroffen.\n\n \n\n40\n\n \n\nc) Im zweiten Rechtsgang wird das FG eine Aufteilung der Umsätze des\nStreitjahres 2003 vorzunehmen haben. Sofern der Kläger im Rahmen seiner\nMitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 der Abgabenordnung) hierzu keine\naussagekräftigen Aufzeichnungen vorlegt, kann die Aufteilung im Wege einer\nSchätzung erfolgen. Bestehen keine Zweifel daran, dass die Bierzeltgarnitur\nauch im November und Dezember 2003 aufgestellt wurde, ist es nicht zu\nbeanstanden, wenn das FG bei der Aufteilung des um 10 % (Außer-Haus-Verkäufe)\ngeminderten Umsatzes vom 1. August bis 31. Dezember 2003 auch das Verhältnis\nder (möglichen) Stehplätze am Imbissstand zu den (möglichen) Sitzplätzen auf\nden beiden Bänken der Bierzeltgarnitur berücksichtigt.\n\n
105,551
bfh-2011-06-29-ix-r-3810
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
IX R 38/10
2011-06-29
2018-11-24 12:30:06
2019-01-18 00:18:32
Urteil
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Die Beteiligten streiten über die gesonderte Feststellung des verbleibenden\nVerlustvortrags auf jeweils den 31. Dezember der Jahre 1997 bis 1999\n(Streitjahre).\n\n \n\n2\n\n \n\nDem Kläger und Revisionskläger (Kläger) entstanden in den Streitjahren im\nZusammenhang mit seiner Ausbildung zum Piloten Aufwendungen in Höhe von\n107.011 DM (1997), 44.217 DM (1998) und 16.668 DM (1999). Diese Aufwendungen\nerklärte er erstmals mit den am 8. Mai 2006 eingereichten Erklärungen zur\nFeststellung des verbleibenden Verlustabzugs jeweils zum 31. Dezember der\nStreitjahre. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen --8. Mai 2006-- waren\ndie Einkommensteuern für die Jahre 1999 bis 2002 bereits bestandskräftig\nfestgesetzt worden, und zwar die Einkommensteuer 1999 mit einem Gesamtbetrag\nder Einkünfte von 10.776 DM, die Einkommensteuer 2000 mit einem Gesamtbetrag\nder Einkünfte von 62.826 DM, die Einkommensteuer 2001 mit einem Gesamtbetrag\nder Einkünfte von 63.880 DM und die Einkommensteuer 2002 mit einem\nGesamtbetrag der Einkünfte von 51.994 DM.\n\n \n\n3\n\n \n\nDer Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab,\nVerlustfeststellungen für die Streitjahre zu erlassen, weil die\nFeststellungsfristen für die Streitjahre 1997 und 1998 abgelaufen seien und\ndie Einkommensteuer des Streitjahres 1999 bestandskräftig festgesetzt worden\nsei. Der Ablehnungsbescheid erging am 14. Januar 2008, nachdem die Bearbeitung\nwegen anhängiger Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zunächst (bis zum\nklägerischen Antrag am 26. April 2007) zurückgestellt worden waren. Zum\nZeitpunkt des Ablehnungsbescheids war in Bezug auf die\nEinkommensteuerbescheide der Jahre 2000 bis 2002 Festsetzungsverjährung\neingetreten.\n\n \n\n4\n\n \n\nDie Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führt zur Begründung seines\nin Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1889 veröffentlichten Urteils aus:\nDie reguläre Feststellungsfrist sei für alle drei Streitjahre\n(Verlustentstehungsjahre) abgelaufen. Der Ablauf sei auch nicht gehemmt\ngewesen, weder gemäß § 171 Abs. 3, Abs. 3a der Abgabenordnung (AO) noch aus\nTreu und Glauben. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO sei im Streitfall zwar anwendbar,\nliege aber nicht vor. Denn die Verlustfeststellung habe Bedeutung lediglich\nfür die Jahre bis 2002, für die aber bereits Festsetzungsverjährung\neingetreten sei.\n\n \n\n5\n\n \n\nHiergegen richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte\nRevision des Klägers. Der Ablauf der Feststellungsfristen sei gehemmt gewesen.\nDer festzustellende verbleibende Verlustabzug habe Bedeutung für die\nFeststellung des verbleibenden Verlustabzugs künftiger Veranlagungszeiträume.\nAuch lägen die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO vor. Dessen Wortlaut ergebe\nausdrücklich, dass Verluste festzustellen seien, soweit sie noch eine\n(mittelbare) Bedeutung hätten. Der Verlust werde nicht durch lediglich\nhypothetische Schattenberechnungen längst verjährter Zeiträume verbraucht.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n \n\n \n\ndas angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 11. August 2008 sowie\nden Bescheid vom 14. Januar 2008 aufzuheben und die verbleibenden\nVerlustvorträge zum 31. Dezember 1997 in Höhe von 54.714 €, zum 31. Dezember\n1998 auf 22.608 € und zum 31. Dezember 1999 auf 8.522 € festzustellen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDas FA beantragt,\n\n \n\n \n\ndie Revision als unbegründet zurückzuweisen.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n8\n\n \n\nII. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der\nFinanzgerichtsordnung zurückzuweisen. Zutreffend hat es das FG abgelehnt,\nverbleibende Verlustabzüge jeweils zum 31. Dezember der Streitjahre wegen\nAblaufs der Feststellungsfrist gesondert festzustellen. Der Ablehnungsbescheid\ndes FA vom 14. Januar 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in\nseinen Rechten.\n\n \n\n9\n\n \n\n1\\. Da der Kläger für die Streitjahre zunächst keine Steuererklärungen\nabgegeben hatte, endeten die Feststellungsfristen nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr.\n2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 AO für das Streitjahr 1997 mit\nAblauf des 31. Dezember 2004 und für das Streitjahr 1998 mit Ablauf des 31.\nDezember 2005. Die Feststellungsfrist für das Streitjahr 1999 endete mit\nAblauf des 31. Dezember 2006.\n\n \n\n10\n\n \n\n2\\. Eine Ablaufhemmung kommt (für das Streitjahr 1999) nicht in Betracht.\n\n \n\n11\n\n \n\na) Dies gilt --insoweit folgt der Senat den Gründen des FG-Urteils-- zunächst\nhinsichtlich § 171 Abs. 3a i.V.m. § 181 Abs. 1 AO. Wird ein\nFeststellungsbescheid angefochten, läuft die Feststellungsfrist nicht ab,\nbevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Das setzt aber\nvoraus, dass der angefochtene Bescheid vor Ablauf der Feststellungsfrist\nergangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 2008 IX R 90/07, BFHE 222, 32,\nBStBl II 2009, 816, unter II.2.a bb). Im Streitfall ist der angefochtene\nAblehnungsbescheid am 14. Januar 2008 und damit nach dem Ablauf der\nFeststellungsfrist erlassen worden (s. oben unter II.1.).\n\n \n\n12\n\n \n\nb) Es liegen aber auch die Voraussetzungen des § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO\nnicht vor.\n\n \n\n13\n\n \n\naa) Wird vor dem Ablauf der Feststellungsfrist außerhalb eines Einspruchs-\noder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfeststellung gestellt, so läuft die\nFeststellungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar\nentschieden ist. Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung\nist indes nach einhelliger Auffassung kein Antrag i.S. von § 171 Abs. 3, § 181\nAbs. 1 AO (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 222, 32, BStBl II\n2009, 816, und vom 17. Februar 1998 VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356). Muss der\nSteuerpflichtige eine Feststellungserklärung abgeben, sieht das Gesetz keine\nAblaufhemmung, wohl aber eine Anlaufhemmung vor (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, §\n181 Abs. 1 Satz 2 AO).\n\n \n\n14\n\n \n\nbb) Für die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 des\nEinkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre 1997 und 1998 --EStG--\n(entspricht § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. ab 1999) besteht gemäß § 181 Abs. 2 Satz\n1 AO eine Erklärungspflicht (BFH-Urteil in BFHE 222, 32, BStBl II 2009, 816).\nIst die Abgabe einer eigenständigen Erklärung nicht notwendig, weil sich die\nGrundlagen des Feststellungsbescheides (§ 10d Abs. 1 EStG) aus anderen Steuer-\noder Feststellungsbescheiden ergeben, genügen entsprechende Angaben in der\nEinkommensteuererklärung (vgl. auch § 56 Satz 2 der Einkommensteuer-\nDurchführungsverordnung i.d.F. der Streitjahre; Blümich/Schlenker, § 10d EStG\nRz 235).\n\n \n\n15\n\n \n\n3\\. Die jeweils am Schluss der Streitjahre verbleibenden Verlustvorträge sind\nauch nicht nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfristen gemäß § 181\nAbs. 5 AO gesondert festzustellen. Die Voraussetzungen dieser Norm sind im\nStreitfall nicht erfüllt.\n\n \n\n16\n\n \n\na) § 181 Abs. 5 AO ist für die Streitjahre 1997 und 1998 uneingeschränkt\nanwendbar. Die den Normbereich einschränkende Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 6\nEStG ist gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 --JStG\n2007-- (BGBl I 2006, 2878) für alle bei Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes\n2007 am 19. Dezember 2006 (vgl. Art. 20 Abs. 1 JStG 2007) noch nicht\nabgelaufenen Feststellungsfristen anwendbar. Deshalb gilt sie hier nicht für\ndie Jahre 1997 und 1998, wohl aber für 1999.\n\n \n\n17\n\n \n\nb) Nach § 181 Abs. 5 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der\nfür sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte\nFeststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die\nFestsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht\nabgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. "Von\nBedeutung" i.S. des § 181 Abs. 5 AO sind Feststellungsbescheide nicht nur für\ndie Steuerfestsetzung oder Feststellungsbescheide desselben oder des sich\nunmittelbar anschließenden Veranlagungszeitraums. Auch eine nur mittelbare\nBedeutung dieser Bescheide für spätere Veranlagungen und Feststellungen ist\nausreichend (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R\n48/09, BFH/NV 2010, 1788, unter II.2., m.w.N.).\n\n \n\n18\n\n \n\naa) Dabei richtet es sich zunächst und vor allen Dingen --unbeschadet der für\ndie Auslegung des Begriffs "Bedeutung" unverzichtbaren verfahrensrechtlichen\nBindungswirkung (BFH-Urteil in BFHE 222, 32, BStBl II 2009, 816, unter II.2.b;\ns. dazu auch z.B. Klein/Ratschow, AO, 10. Aufl., § 181 Rz 25; Söhn in\nHübschmann/Hepp/Spitaler, § 181 AO Rz 117; Brandis in Tipke/Kruse,\nAbgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 181 AO Rz 19)-- nach dem materiellen\nRecht, für welche Steuerfestsetzungen die gesonderte Feststellung von\nBedeutung ist. § 181 Abs. 5 AO ist Ausdruck der dienenden Funktion des\nFeststellungsverfahrens (BTDrucks VI/1982, S. 157) und will verhindern, dass\ndie rechtliche Verselbständigung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen\nzu materiell unrichtigen Steuerfestsetzungen führt, obschon die entsprechenden\nSteuern noch nicht verjährt sind (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1999 IV R\n56/98, BFHE 189, 351).\n\n \n\n19\n\n \n\nbb) § 10d Abs. 2 EStG bestimmt die Art und Weise, wie der Verlust vorgetragen\nwerden muss. Gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG sind nicht ausgeglichene negative\nEinkünfte, die nicht nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogen worden sind, in den\nfolgenden Veranlagungszeiträumen in bestimmten --hier nicht maßgebenden--\nGrenzen vom Gesamtbetrag der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben,\naußergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen\n(Verlustvortrag). Der Abzug ist nach § 10d Abs. 2 Satz 5 EStG 2002 (entspricht\n§ 10d Abs. 2 Satz 2 EStG, entspricht wiederum § 10d Abs. 2 Satz 3 EStG i.d.F.\nab 2004) nur insoweit zulässig, als die Verluste nicht nach § 10d Abs. 1 EStG\nabgezogen worden sind und in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht\nnach § 10d Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG abgezogen werden konnten. § 10d Abs.\n2 Satz 5 EStG 2002 (entspricht § 10d Abs. 2 Satz 2 EStG, entspricht wiederum §\n10d Abs. 2 Satz 3 EStG i.d.F. ab 2004) legt damit das Verhältnis zum\nVerlustrücktrag und zum Verlustvortrag früherer Veranlagungszeiträume fest.\nDabei ist der Ausdruck "konnten" materiell-rechtlich und nicht\nverfahrensrechtlich zu verstehen: Verluste konnten in vorangegangenen\nVeranlagungszeiträumen insoweit nicht abgezogen werden, als in diesen Jahren\nkein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte gebildet wurde oder die (positiven)\nGesamtbeträge der Einkünfte zur Verlustkompensation nicht ausreichten. Dies\nergibt sich daraus, dass § 10d Abs. 2 Satz 5 EStG 2002 (entspricht § 10d Abs.\n2 Satz 2 EStG, entspricht wiederum § 10d Abs. 2 Satz 3 EStG i.d.F. ab 2004)\nu.a. explizit auf § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG Bezug nimmt. Damit bezieht sich\nauch das Wort "konnten" auf diese Regelung, so dass der Verlustabzug nur\ninsoweit zulässig ist, als in früheren Veranlagungszeiträumen keine\nausreichenden Gesamtbeträge der Einkünfte zum Abzug zur Verfügung standen.\n\n \n\n20\n\n \n\nDagegen ist unerheblich, ob es verfahrensrechtlich möglich war, die Verluste\nzu berücksichtigen. Auch wenn für diesen Veranlagungszeitraum bereits die\nFestsetzungsfrist abgelaufen, eine Änderung des Einkommensteuerbescheides\nverfahrensrechtlich (jedenfalls nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) mithin\nnicht (mehr) möglich war, ändert dies nichts daran, dass die Verluste dort\nabgezogen werden konnten und nach § 10d Abs. 2 Satz 5 EStG 2002 (entspricht §\n10d Abs. 2 Satz 2 EStG, entspricht wiederum § 10d Abs. 2 Satz 3 EStG i.d.F. ab\n2004) auch mussten. Das Verlustabzugspotential verschiebt sich also entgegen\nder Auffassung der Revision nicht in den verfahrensrechtlich noch "offenen"\nnächsten Veranlagungszeitraum. Wollte man so entscheiden, hätte das Verfahren\nder gesonderten Feststellung des Verlustvortrags keine dienende Funktion,\nsondern schüfe abweichend von § 10d Abs. 2 EStG zusätzliche\nAbzugsmöglichkeiten.\n\n \n\n21\n\n \n\nc) Nach diesen Maßstäben erweist sich der Ablehnungsbescheid als rechtmäßig.\nEine gesonderte Feststellung des Verlustvortrags durfte nach § 181 Abs. 5 Satz\n1 AO zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erfolgen.\n\n \n\n22\n\n \n\naa) Der Verlust konnte nach § 10d Abs. 2 Satz 1 und Satz 5 EStG 2002\n(entspricht § 10d Abs. 2 Satz 2 EStG, entspricht wiederum § 10d Abs. 2 Satz 3\nEStG i.d.F. ab 2004) nur in die Jahre bis einschließlich 2002 vorgetragen\nwerden. In diesen Jahren stand nach den Feststellungen des FG soviel\nGesamtbetrag der Einkünfte zur Verfügung, um den Verlust insgesamt zu\nkompensieren. Deshalb sind die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2002\ndiejenigen, für die eine gesonderte Feststellung des verbleibenden\nVerlustvortrags allein von Bedeutung ist.\n\n \n\n23\n\n \n\nbb) Für die Festsetzungen dieser Jahre --also der Veranlagungszeiträume 2000\nbis 2002-- war aber jeweils bereits die Festsetzungsfrist abgelaufen, als das\nFA den Ablehnungsbescheid erließ. Deshalb ist dieser Ablehnungsbescheid\nrechtmäßig. Denn es kommt nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO darauf an, ob die\nFestsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht\nabgelaufen war. § 171 Abs. 10 AO ist unanwendbar. Da § 169 Abs. 1 Satz 3 AO\nsinngemäß gilt, ist die Frist nur gewahrt, wenn vor Ablauf der\nFestsetzungsfrist der Feststellungsbescheid den Bereich des FA verlassen hat.\n\n \n\n24\n\n \n\ncc) Liegen deshalb die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO nicht vor,\nhat das FA zutreffend eine gesonderte Feststellung abgelehnt. Diese Ablehnung\nverstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, weil es dem FA noch zeitlich\nmöglich gewesen wäre, einen Feststellungsbescheid zu erlassen (vgl. hierzu\nBFH-Urteil vom 19. August 1999 III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II 2000,\n330). Zwar mag es sein, dass die Festsetzungsfrist zumindest der Veranlagung\nfür das Jahr 2002 noch nicht abgelaufen war, als der Kläger seinen Antrag\nstellte. Indes wurde die Bearbeitung dieses Antrags zunächst im Einvernehmen\nbeider Beteiligter zurückgestellt. Wenn der Kläger aber im April 2007 die\nAufnahme des Verfahrens begehrte, hätte er einen Untätigkeitseinspruch nach §\n347 Abs. 1 Satz 2 AO einlegen müssen, um die Wirkungen des § 171 Abs. 3a AO\ndoch noch zu erreichen. Tut er dies nicht, kann er sich nicht auf Treu und\nGlauben berufen, um dann so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er\nEinspruch eingelegt hätte. Das Schreiben vom 26. April 2007 enthält keinen\nderartigen Einspruch.\n\n \n\n25\n\n \n\ndd) Wenn für das Streitjahr 1999 § 181 Abs. 5 AO nur unter den einschränkenden\nVoraussetzungen des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG (s. oben II.3.a) gilt und diese\nRegelung eine zeitnahe Entscheidung über die Höhe des verbleibenden\nVerlustabzugs in dem Sinne bezweckt, dass § 181 Abs. 5 AO nur anzuwenden ist,\nwenn das FA keinen Verlustfeststellungsbescheid erlassen hat, obwohl ihm dies\nmöglich gewesen wäre, weil ihm die Verluste aus einer Steuererklärung bekannt\nwaren (vgl. zum Normzweck BTDrucks 16/2712, S. 44; Ettlich, Der Betrieb 2009,\n18, 24, m.w.N.), so muss der Senat auf diese zusätzlichen Voraussetzungen\nnicht eingehen. Da § 181 Abs. 5 AO im Streitfall unbeschadet der\neinschränkenden Voraussetzungen per se nicht anwendbar ist, kommt es auf § 10d\nAbs. 4 Satz 6 EStG nicht an.\n\n
106,545
bfh-2011-04-14-iv-r-4609
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
IV R 46/09
2011-04-14
2018-11-24 23:30:05
2019-01-18 00:27:42
Urteil
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine sog.\nFondsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, die einen Windpark\nbestehend aus vier Windkraftanlagen (WKA) betreibt. Der Windpark wurde Ende\n2001 in Betrieb genommen. Von den bis 2001 angefallenen Herstellungskosten der\nGesamtanlage in Höhe von 12.468.135,15 DM entfielen 171.017,14 DM auf die\nZuwegung und ein Betrag von 452.813,74 DM auf die Verkabelung. Im Jahr 2002\nentstanden weitere nachträgliche Herstellungskosten. Die Klägerin buchte\nsämtliche Kosten für die Erstellung des Windparks auf einem Konto "technische\nAnlage" und schrieb die Anlage auf 16 Jahre degressiv ab.\n\n \n\n2\n\n \n\nNach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das\nFinanzamt --FA--) die Auffassung, dass der Windpark aus mehreren selbständigen\nWirtschaftsgütern mit teilweise unterschiedlicher Nutzungsdauer bestehe. Es\nsei von folgenden Wirtschaftsgütern auszugehen:\n\n \n\n3\n\n \n\n | Art | Nutzungsdauer \n---|---|--- \nZuwegung | unbeweglich | 19 Jahre \nWindparkverkabelung | beweglich | 25 Jahre \nWKA mit Fundament | beweglich | 16 Jahre \nKompakttrafostation | beweglich | 16 Jahre \nUmspannwerk (Übergabestation) | beweglich | 16 Jahre \n \n \n\n4\n\n \n\nDavon ausgehend erließ das FA geänderte Bescheide über die gesonderte und\neinheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2001\nbis 2004 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen\nGewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2001 bis 31. Dezember 2004.\n\n \n\n5\n\n \n\nMit ihrer dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichteten Klage\nwendete sich die Klägerin gegen die Herabsetzung der Absetzungen für Abnutzung\n(AfA) für die Verkabelung sowie für die Zuwegung, jeweils bedingt durch den\nAnsatz einer von der WKA abweichenden Nutzungsdauer von 25 bzw. 19 Jahren.\nAuch diese Wirtschaftsgüter stellten zusammen mit der WKA ein einheitliches\nWirtschaftsgut dar und seien deshalb einheitlich auf 16 Jahre abzuschreiben.\nDer daran anknüpfende bezifferte Klageantrag, der auf der von der Klägerin\neingereichten Berechnung vom 29. September 2009 beruht, basiert auf dem Ansatz\neiner linearen AfA für die Zuwegung und einer degressiven AfA für die\nVerkabelung jeweils ausgehend von einer 16jährigen Nutzungsdauer. Mit diesem\nBegehren hatte die Klage Erfolg.\n\n \n\n6\n\n \n\nIm Wesentlichen führte das Finanzgericht (FG) aus: Zwar bildeten die\nVerkabelung und die Zuwegung mit der WKA kein einheitliches Wirtschaftsgut.\nJedoch sei die Nutzungsdauer der Zuwegung und der Verkabelung der\nNutzungsdauer der WKA anzupassen, da die Zuwegung und die Verkabelung mit\nAblauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 16 Jahren für die WKA\nwirtschaftlich verbraucht seien.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Verkabelung und die Zuwegung seien eigenständige Wirtschaftsgüter, da sie\nunabhängig voneinander weder unvollständig erschienen noch einander ein\nnegatives Gepräge gäben. Die einzelnen Anlagen seien auch in dem Kaufvertrag\ngesondert ausgewiesen worden und daher individualisierbar. Ihnen komme deshalb\nein eigener wirtschaftlicher Wert zu. Der selbständigen Bewertbarkeit stehe\nnicht entgegen, dass die Wirtschaftsgüter miteinander verbunden und nicht\neigenständig nutzbar seien. Darüber hinaus habe gerade die Verkabelung eine\nübergeordnete Sonderfunktion, da sie mehrere WKA untereinander verbinde und\ndaher nicht auf die einzelne WKA bezogen werden könne.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Nutzungsdauer der Zuwegung und der Verkabelung sei jedoch der\nNutzungsdauer der WKA anzupassen. Beide Wirtschaftsgüter seien mit Ablauf der\nbetriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer für die WKA von 16 Jahren zwar nicht\ntechnisch, aber wirtschaftlich verbraucht. Sie seien nämlich auf die\nderzeitige besondere Anlage zugeschnitten. Ausgehend von der schnell\nfortschreitenden technischen Entwicklung sei die Verkabelung für eine\nnachfolgende WKA-Generation (sog. "repowering") nicht mehr nutzbar. Es sei\ndavon auszugehen, dass zukünftige WKA deutlich leistungsstärker seien und eine\nwirtschaftlich sinnvolle anderweitige Nutzung oder Verwertung der Verkabelung\ndaher ausscheide. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Verkabelung sei\nmithin der Nutzungsdauer der WKA anzupassen.\n\n \n\n9\n\n \n\nGleiches gelte für die Zuwegung. Auch diese sei anlagenspezifisch erstellt\nworden. Sie sei ebenfalls bei einem "repowering" zurückzubauen, da die neue\nAnlage auf Grund der zu erwartenden technischen Änderungen nicht an derselben\nStelle errichtet werden könnte.\n\n \n\n10\n\n \n\nMit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Mit der\nAnpassung der Nutzungsdauer der Verkabelung und der Zuwegung an die\nNutzungsdauer der WKA werde im Ergebnis die zuvor festgestellte\nSelbständigkeit der Wirtschaftsgüter wieder zurückgenommen. Das FG\ndifferenziere nicht genügend zwischen wirtschaftlicher und technischer\nNutzungsdauer. Vielmehr mache es die wirtschaftliche Nutzungsdauer abhängig\nvon der technischen Nutzungsdauer eines anderen im Funktions- und\nNutzungszusammenhang stehenden Wirtschaftsguts. Die betriebsgewöhnliche\nNutzungsdauer eines Wirtschaftsguts werde aber im Ausgangspunkt durch die\ntechnische Nutzungsdauer bestimmt. Eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer\nbilde die Ausnahme. Eine solche sei nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer\nwirtschaftlich sinnvollen Nutzung oder Verwertung des Wirtschaftsguts\nendgültig entfallen sei. Für eine solche Annahme reiche der prognostizierte\nAblauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer eines anderen Wirtschaftsguts,\nhier der WKA, nicht. Die von dem FG herangezogenen Umstände seien gegenwärtig\nnoch nicht greifbar. Das Betriebskonzept der Klägerin sehe zudem eine über die\nAbschreibungsdauer der WKA hinausgehende Betriebslaufzeit von 20 Jahren vor.\nAuch seien die Wegerechte für 25 Jahre vereinbart worden. Eine Verkürzung der\nbetriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer komme daher erst in dem Zeitpunkt in\nBetracht, in dem feststehe, dass die Verkabelung und die Zuwegung für eine\ngeplante neue Anlage nicht verwendet werden können. Diesem Umstand sei jedoch\nüber eine Teilwertabschreibung oder eine Absetzung für außergewöhnliche\nAbnutzung Rechnung zu tragen.\n\n \n\n11\n\n \n\nDer Senat hat das Verfahren betreffend die gesonderte und einheitliche\nFeststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2001 abgetrennt. Es\nwird unter dem Aktenzeichen IV R 52/10 geführt.\n\n \n\n12\n\n \n\nDas FA beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung wegen gesonderter und\neinheitlicher Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2002\nbis 2004 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen\nGewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2001 bis 31. Dezember 2004 aufzuheben\nund die Klage abzuweisen.\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Klägerin beantragt (sinngemäß), die Revision als unbegründet\nzurückzuweisen.\n\n \n\n14\n\n \n\nSie nimmt Bezug auf die Vorentscheidung und hebt ergänzend hervor, dass die\nZuwegung und die Verkabelung auf die vorhandene WKA zugeschnitten seien und\nbeide angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung keiner weiteren\nVerwendung bei einer WKA der kommenden Generation zugeführt werden könnten.\nZutreffend habe das FG daher die Nutzungsdauer der Zuwegung und der\nVerkabelung in Anlehnung an die in den amtlichen AfA-Tabellen angegebene\nNutzungsdauer einer WKA auf 16 Jahre geschätzt.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n15\n\n \n\nII. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2\nund Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).\n\n \n\n16\n\n \n\nIm Ergebnis zutreffend hat das FG den Windpark nicht als einheitliches\nWirtschaftsgut beurteilt und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der\nVerkabelung und der Zuwegung auf 16 Jahre geschätzt.\n\n \n\n17\n\n \n\n1\\. Die WKA mit Fundament und dem Kompakttransformator einschließlich der\n(Niederspannungs-)Verkabelung zwischen der Gondel und dem Steuerschrank und\nvon dort bis zum Kompakttransformator (interne Verkabelung) einerseits und die\n(Mittelspannungs-)Verkabelung zwischen den Kompakttransformatoren bis zum\nStromnetz des Energieversorgers (externe Verkabelung) zusammen mit der\nÜbergabestation andererseits stellen jeweils (zusammengesetzte) eigenständige\nWirtschaftsgüter dar. Daneben ist die Zuwegung als weiteres eigenständiges\nWirtschaftsgut zu sehen.\n\n \n\n18\n\n \n\na) Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung in § 252 Abs. 1 Nr. 3 des\nHandelsgesetzbuchs, der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes\n(EStG) auch in der Steuerbilanz zu beachten ist, sind die Wirtschaftsgüter\n(Vermögensgegenstände) einzeln anzusetzen und zu bewerten (Urteil des\nBundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322,\nBStBl II 1989, 359). Wirtschaftsgut ist nach ständiger Rechtsprechung jeder\ngreifbare betriebliche Vorteil, für den der Erwerber eines Betriebs etwas\naufwenden würde (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. August 2000 GrS\n2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632, unter C.II. der Gründe, m.w.N.). Es\nmuss sich um einen Gegenstand handeln, der nach der Verkehrsanschauung einer\nbesonderen Bewertung zugänglich ist. Des Weiteren muss das Wirtschaftsgut in\neinem eigenen, selbständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen und\nentsprechend in Erscheinung treten (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 5. Juni 2008 IV R\n67/05, BFHE 222, 265, BStBl 2008, 960, unter II.1.c der Gründe, zum\nBaumbestand als Wirtschaftsgut).\n\n \n\n19\n\n \n\nWird eine bewegliche Sache mit einer oder mehreren anderen beweglichen Sachen\nverbunden oder --wie im Streitfall-- zu einer Anlage zusammengestellt, so ist\nzu entscheiden, ob es sich bei den einzelnen Gegenständen jeweils noch um\nselbständige Wirtschaftsgüter handelt oder nur um unselbständige Teile des\nanderen (verbundenen) Wirtschaftsguts. Ausschlaggebend dabei ist, ob die\neingefügten oder die zusammengestellten Gegenstände weiterhin ihre\nselbständige Bewertbarkeit behalten. Entscheidend für dieses Kriterium\nwiederum sind neben dem gemeinsamen Zweck insbesondere der Grad der Festigkeit\neiner vorgenommenen Verbindung, der Zeitraum, auf den eine Verbindung oder die\ngemeinsame Nutzung mehrerer beweglicher Sachen angelegt ist, sowie das äußere\nErscheinungsbild. Ist Letzteres dadurch bestimmt, dass die Gegenstände für\nsich allein betrachtet unvollständig erscheinen oder gar ein Gegenstand ohne\nden/die anderen ein negatives Gepräge hat, ist regelmäßig von einem\neinheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen (BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R\n30/00, BFHE 196, 442, BStBl II 2001, 842, m.w.N.).\n\n \n\n20\n\n \n\nEine Verbindung, die eine fortbestehende selbständige Bewertbarkeit\nausschließt, ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn Wirtschaftsgüter über die\neinheitliche Zweckbestimmung durch den Steuerpflichtigen in seinem Betrieb\nhinaus durch eine technische Verbindung oder "Verzahnung" in der Weise\nverflochten sind, dass durch die Abtrennung eines der Teile entweder für den\nzu beurteilenden einzelnen Gegenstand oder für das Wirtschaftsgut, aus dem er\nherausgetrennt wurde, die Nutzbarkeit für den Betrieb verloren geht (BFH-\nUrteil vom 21. Juli 1998 III R 110/95, BFHE 186, 572, BStBl II 1998, 789,\nm.w.N.). In einen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügte\nWirtschaftsgüter sind demnach als technisch aufeinander abgestimmt anzusehen,\nwenn zusätzlich zu einem wirtschaftlichen (betrieblichen) Zusammenhang ihre\nnaturwissenschaftlichen oder technischen Eigenschaften auf einen gemeinsamen\nEinsatz angelegt sind. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn einem\nGegenstand ohne einen anderen bzw. ohne andere Gegenstände schon aus rein\ntechnischen Gründen allein keine Nutzbarkeit zukommt (BFH-Urteil vom 25. Mai\n2000 III R 20/97, BFHE 192, 191, BStBl II 2001, 365). Eine bloße\nAbgestimmtheit aufgrund bestimmter, branchentypischer Fertigungsnormen genügt\nfür eine technische Abgestimmtheit nicht (BFH-Urteil vom 7. September 2000 III\nR 71/97, BFHE 193, 192, BStBl II 2001, 41). Ebenso wenig genügt für die\nAnnahme eines einheitlichen Wirtschaftsguts, dass mehrere Gegenstände einem\neinheitlichen Zweck dienen. Diese "Zweckeinheit" ist lediglich ein Indiz\ndafür, dass eine Zusammenfassung der betreffenden Gegenstände in Betracht\nkommen kann.\n\n \n\n21\n\n \n\nb) Bei Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei dem Windpark nicht um\nein Wirtschaftsgut im Sinne einer nicht teilbaren Einheit, sondern um mehrere\nselbständige Wirtschaftsgüter (ebenso Blümich/Buciek, § 5 EStG Rz 310;\nSchmidt/ Kulosa, EStG, 30. Aufl., § 7 Rz 107; Abele, Betriebs-Berater --BB--\n2009, 2420, Wischott/Krohn/Nogens, Deutsches Steuerrecht 2009, 1737; Urbahns,\nSteuern und Bilanzen --StuB-- 2009, 869). Als selbständige Wirtschaftsgüter\nsind die vier WKA mit Fundament sowie interner Verkabelung einschließlich des\njeweiligen Kompakttransformators, die externe Verkabelung einschließlich der\nÜbergabestation und die Zuwegung anzusehen (ebenso Urteil des FG Rheinland-\nPfalz vom 6. Mai 2010 1 K 2037/07, BB 2011, 946, unter Bezugnahme auf die\nRechtsansicht der Finanzverwaltung).\n\n \n\n22\n\n \n\naa) Die einzelnen WKA mit Fundament einschließlich des Kompakttransformators\nsowie interner Verkabelung sind zwar aus verschiedenen Gegenständen\nzusammengesetzt. Diese sind aber technisch aufeinander abgestimmt und können\nnach der Montage nur zusammen genutzt werden, so dass es an einer\nselbständigen Nutzungsfähigkeit der einzelnen Teile fehlt. Die einzelnen\nBauteile sind auch hinreichend fest und auf Dauer verbunden. Sie können nur in\nihrer technischen Verbundenheit ihren bestimmungsgemäßen betrieblichen\nEinsatz, die Einspeisung des mit Hilfe der Windenergie erzeugten Stroms in das\nöffentliche Stromnetz, erfüllen und stehen daher in einem einheitlichen\nselbständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Der von den Rotorblättern\nangetriebene Generator erzeugt Niederspannungsstrom, der mittels\nNiederspannungsverkabelung über den entsprechenden Steuerschrank\n(Niederspannungsverteiler) zu den jeweiligen Kompakttransformatoren geleitet\nwird. Um den Niederspannungsstrom in das Stromnetz eines Energieversorgers\n(Stromnetz) einspeisen zu können, bedarf es der Transformation des\nNiederspannungsstroms in Hochspannungsstrom. Diese technisch notwendige\nTransformation erfüllt der den einzelnen WKA jeweils zugeordnete\nKompakttransformator. Darüber hinaus dient der Transformator der\nbetriebsnotwendigen Stromversorgung der elektronischen Bauteile der WKA (z.B.\nAusrichtung der Rotorblätter per Fernsteuerung, u.a.). Mit dem Anschluss (der\nVerkabelung) des Kompakttransformators an die WKA verliert dieser daher nach\nder Verkehrsanschauung als technisch notwendiger Bestandteil der\nStromerzeugungsanlage seine Selbständigkeit und wird unselbständiger Teil des\nerweiterten einheitlichen Wirtschaftsguts WKA. Daraus folgt zugleich, dass\nauch das Niederspannungskabel, das den Kompakttransformator mit der WKA\nverbindet, dem Wirtschaftsgut WKA zuzuordnen ist. Auch nach dem äußeren\nErscheinungsbild erscheinen die verbundenen Teile unvollständig und erhalten\nohne die anderen Teile eine negative Eigenart. Insoweit sind die einzelnen WKA\neinschließlich des Kompakttransformators sowie interner Verkabelung\nvergleichbar mit einer Satellitenempfangsanlage, deren einzelne Komponenten\n(Satelliten-Empfänger [Antennen], Verstärker- und Verteileranlagen sowie\nVerbindungskabel und einzelne Abnahmedosen je Wohnung) der BFH nach deren\nZusammenfügung ebenfalls als einheitliches Wirtschaftsgut beurteilt hat (BFH-\nUrteil in BFHE 192, 191, BStBl II 2001, 365).\n\n \n\n23\n\n \n\nDer vorliegenden Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Erstellung der\nVerkabelung zwischen dem Steuerschrank am Fußturm und den\nKompakttransformatoren sowie die Errichtung der einzelnen\nKompakttransformatoren und des Fundaments nicht zusammen mit der Herstellung\nder WKA in Auftrag gegeben worden sind. Aus den verschiedenen\nAnschaffungs-/Herstellungsvorgängen folgt lediglich, dass die einzelnen\nBauteile zunächst im Rahmen der jeweiligen Aufträge selbständige\nWirtschaftsgüter waren. Dieser Umstand hat für die hier zu beurteilende Frage,\nob die Selbständigkeit der Wirtschaftsgüter auch nach der Zusammenfügung mit\nanderen Wirtschaftsgütern erhalten bleibt, keinerlei Relevanz.\n\n \n\n24\n\n \n\nEine darüber hinausgehende Aufteilung der WKA in weitere Komponenten, wie dies\nwohl nach dem Komponentenansatz nach den International Accounting Standards\nbzw. International Financial Reporting Standards möglich wäre (Verlautbarung\ndes Instituts der Wirtschaftsprüfer vom 29. Mai 2009 IDW RH HFA 1.016, IDW-\nFachnachrichten 2009, 362, dazu Willeke, StuB 2009, 679), ist nicht geboten.\nDiese Standards haben für die steuerliche Gewinnermittlung keine Bedeutung\n(vgl. Blümich/Buciek, § 5 EStG Rz 105, m.w.N) und sind deshalb nicht geeignet,\nden für den steuerlichen Wirtschaftsgutbegriff maßgeblichen Nutzungs- und\nFunktionszusammenhang durch einen Komponentenansatz zu ersetzen.\n\n \n\n25\n\n \n\nbb) Daneben stellt die externe Verkabelung in Verbindung mit der\nÜbergabestation ein weiteres selbständiges Wirtschaftsgut dar. Die externe\nVerkabelung unterscheidet sich deutlich von der internen Verkabelung. Bei\nLetzterer handelt es sich, wie dargelegt, um eine Niederspannungsleitung,\nwährend die externe Verkabelung aus einer Mittelspannungsleitung besteht. Die\nexterne Verkabelung verbindet im Wege einer Ringschaltung die einzelnen\nKompakttransformatoren nebst angeschlossener WKA und leitet den umgewandelten\nStarkstrom über die Übergabestation an das Stromnetz weiter. Die externe\nVerkabelung steht damit im Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit allen vier\nWKA, die --wie ebenfalls dargelegt-- jeweils selbständige Wirtschaftsgüter\nsind. Sie stellt zwar eine technische Verbindung zwischen den einzelnen\nWirtschaftsgütern WKA dar, ohne diese aber nach dem äußeren Erscheinungsbild\nzu einem einheitlichen Wirtschaftsgut Windpark zu verbinden. Ebenso wenig\nlässt sich die externe Verkabelung nebst Übergabestation nur einer der vier\nWKA zuordnen. Die externe Verkabelung nebst Übergabestation tritt damit auch\näußerlich erkennbar als selbständiges Wirtschaftsgut in Erscheinung; externe\nVerkabelung und Übergabestation bilden ein einheitliches selbständiges\nWirtschaftsgut. Nur über die Übergabestation ist es möglich, den\ntransformierten Starkstrom in das Stromnetz einzuspeisen. Angesichts dieser\nengen technischen Verknüpfung gelten für die Beurteilung als einheitliches\nWirtschaftsgut dieselben Grundsätze wie für das einheitliche Wirtschaftsgut\nWKA und Kompakttransformator.\n\n \n\n26\n\n \n\ncc) Schließlich ist auch die Zuwegung als selbständiges Wirtschaftsgut zu\nbeurteilen. Die Zuwegung ist nach der Verkehrsanschauung einer besonderen\nBewertung zugänglich. Zudem steht sie in einem eigenen, selbständigen\nNutzungs- und Funktionszusammenhang und tritt auch entsprechend in\nErscheinung.\n\n \n\n27\n\n \n\n2\\. Abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind mit den Anschaffungs-\noder Herstellungskosten, vermindert um die AfA nach § 7 EStG, anzusetzen (§ 6\nAbs. 1 Nr. 1 EStG). Die AfA bemisst sich nach der betriebsgewöhnlichen\nNutzungsdauer (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG).\n\n \n\n28\n\n \n\na) Aus dem Grundsatz der Einzelbewertung für das selbständige Wirtschaftsgut\nfolgt, dass es nur eine einheitliche Nutzungsdauer haben kann (BFH-Urteil vom\n25. März 1988 III R 96/85, BFHE 153, 119, BStBl II 1988, 655, unter 1.c;\nBeschluss des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111,\n242, BStBl II 1974, 132, unter II.2.c). Dies gilt unabhängig davon, ob\neinzelne unselbständige Teile des Wirtschaftsguts eine kürzere oder längere\nNutzungsdauer haben. Maßgebend ist die Nutzungsdauer des Teils, welches dem\nWirtschaftsgut das Gepräge gibt (ebenso Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 7 Rz 103,\n"Hauptteil").\n\n \n\n29\n\n \n\nb) Unter Nutzungsdauer ist der Zeitraum zu verstehen, in dem das\nWirtschaftsgut erfahrungsgemäß verwendet oder genutzt werden kann.\n"Betriebsgewöhnliche" Nutzungsdauer bedeutet, dass die besonderen\nbetrieblichen Verhältnisse zu beachten sind, unter denen das Wirtschaftsgut\neingesetzt wird. Maßgebend für die Bestimmung der Nutzungsdauer ist nicht die\nDauer der betrieblichen Nutzung durch den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern\ndie objektive Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts unter Berücksichtigung der\nbesonderen betriebstypischen Beanspruchung (BFH-Urteile vom 26. Juli 1991 VI R\n82/89, BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000, und vom 19. November 1997 X R\n78/94, BFHE 184, 522, BStBl II 1998, 59, jeweils m.w.N.).\n\n \n\n30\n\n \n\nc) Die Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die\nwirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die\nNutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Die technische Nutzungsdauer\numfasst den Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch verbraucht. Die\nwirtschaftliche Nutzungsdauer umfasst den Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut\nrentabel genutzt werden kann. Ist ein Wirtschaftsgut zwar nicht mehr\nentsprechend der ursprünglichen Zweckbestimmung nutzbar, hat es aber wegen\nseiner Nutzbarkeit für andere noch einen erheblichen Verkaufswert, ist es auch\nfür den Unternehmer wirtschaftlich noch nicht verbraucht (BFH-Urteil in BFHE\n184, 522, BStBl II 1998, 59). Entsprechen sich die wirtschaftliche und\ntechnische Nutzungsdauer nicht, können sich die Steuerpflichtigen auf die für\nsie günstigere Alternative berufen (BFH-Urteile vom 2. Dezember 1977 III R\n58/75, BFHE 124, 172, BStBl II 1978, 164, und in BFHE 165, 378, BStBl II 1992,\n1000, jeweils m.w.N.).\n\n \n\n31\n\n \n\nd) Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bzw. die Gesamtnutzungsdauer des\nWirtschaftsguts ist nach den Gegebenheiten des konkreten Betriebs bzw. nach\nden tatsächlichen Verhältnissen beim einzelnen Steuerpflichtigen unter\nAbwägung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen (BFH-Urteile in BFHE 165,\n378, BStBl II 1992, 1000, und in BFHE 184, 522, BStBl II 1998, 59).\n\n \n\n32\n\n \n\ne) Als Hilfsmittel für die Schätzung der Nutzungsdauer hat das\nBundesministerium der Finanzen (BMF) unter Beteiligung der Fachverbände der\nWirtschaft AfA-Tabellen für allgemein verwendbare Anlagegüter und für\nverschiedene Wirtschaftszweige herausgegeben. Sie berücksichtigen sowohl die\ntechnische als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Sie haben zunächst die\nVermutung der Richtigkeit für sich, sind aber für die Gerichte nicht bindend\n(BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IV B 44/02, BFH/NV 2002, 1559, und BFH-Urteil\nin BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000). Gleichwohl sind die AfA-Tabellen von\nden Steuergerichten unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung\nund im Hinblick auf das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu\nbeachten. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Anwendung der AfA-Tabelle\nim Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde\n(BFH-Urteil in BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000).\n\n \n\n33\n\n \n\nf) Nach der im ersten Streitjahr 2001 geltenden AfA-Tabelle beträgt die\nbetriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für WKA 16 Jahre (AfA-Tabelle für die\nallgemein verwendbaren Anlagegüter, BMF-Schreiben vom 15. Dezember 2000, BStBl\nI 2000, 1532, Ziffer 3.1.5) und für die Hofbefestigungen mit Packlage 19 Jahre\n(Ziffer 2.1.1). Nach der vorrangig anzuwendenden branchengebundenen AfA-\nTabelle für den Wirtschaftszweig "Energie- und Wasserversorgung" (BMF-\nSchreiben vom 24. Januar 1995, BStBl I 1995, 144) beträgt die\nbetriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für Transformatoren, Transformatorenhäuser,\nUmformeranlagen jeweils 20 Jahre (Ziffern 1.2.16 bis 1.2.18) und für die\nHochspannungskabel bis 20 kV (Ziffer 1.2.8.3) sowie Niederspannungskabel\n(Ziffer 1.2.9.2) jeweils 25 Jahre.\n\n \n\n34\n\n \n\n3\\. Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen hat das FG im Ergebnis zu\nRecht die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Verkabelung und der Zuwegung\nauf 16 Jahre geschätzt.\n\n \n\n35\n\n \n\na) Nach den Feststellungen des FG ist nicht eindeutig erkennbar, ob es dem\nWirtschaftsgut "Verkabelung" nur die externe oder auch die interne Verkabelung\noder Teile von Letzterer zugeordnet hat. Das Fehlen ausreichender\nFeststellungen stellt regelmäßig einen materiell-rechtlichen Mangel dar, der\ngrundsätzlich --auch ohne Rüge-- zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (BFH-\nUrteil vom 27. April 1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670,\nm.w.N.). Eine Aufhebung kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, da sich die\nEntscheidung des FG aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4\nFGO).\n\n \n\n36\n\n \n\nb) Ausgehend von den AfA-Tabellen beträgt die betriebsgewöhnliche\nNutzungsdauer für die WKA mit Fundament einschließlich des\nKompakttransformators sowie interner Verkabelung 16 Jahre, da das einheitliche\nWirtschaftsgut maßgeblich von der WKA geprägt wird. Zwischen den Beteiligten\nsteht die 16jährige Nutzungsdauer für die WKA nebst Fundament auch nicht in\nStreit. Gleiches gilt für den Kompakttransformator, der zwar zu Unrecht als\nselbständiges Wirtschaftsgut eingestuft worden ist, dessen Nutzungsdauer die\nBeteiligten aber übereinstimmend mit 16 Jahren geschätzt haben. Jedenfalls im\nErgebnis zutreffend hat das FG daher die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der\ninternen Verkabelung auf 16 Jahre geschätzt.\n\n \n\n37\n\n \n\nc) Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für die externe Verkabelung in\nVerbindung mit der Übergabestation beträgt nach der AfA-Tabelle für den\nWirtschaftszweig "Energie- und Wasserversorgung" (BStBl I 1995, 144) 20 Jahre\n(Ziffer 1.2.18, Umformeranlagen). Denn dieses zusammengesetzte Wirtschaftsgut\nwird nach außen erkennbar maßgeblich von der Übergabestation geprägt. Das FA\nhat die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Übergabestation (Umspannwerk) in\nÜbereinstimmung mit der Klägerin auf 16 Jahre geschätzt. Der Senat hat keine\nAnhaltspunkte dafür, dass diese übereinstimmende Schätzung, obwohl sie von der\namtlichen AfA-Tabelle abweicht, auf fehlerhaften Annahmen beruht und deshalb\nzu einer unzutreffenden Besteuerung führt. Bereits davon ausgehend hat das FG\ndie betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der externen Verkabelung zutreffend auf\n16 Jahre geschätzt.\n\n \n\n38\n\n \n\nd) Darüber hinaus ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG\ndie betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der externen Verkabelung (nebst\nÜbergabestation) und der Zuwegung in Abweichung von den amtlichen AfA-Tabellen\nunter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertverzehrs auf 16 Jahre\ngeschätzt hat.\n\n \n\n39\n\n \n\nIm Rahmen der ihm obliegenden Schätzungsbefugnis hat das FG zunächst\nberücksichtigt, dass sowohl die Zuwegung, was die Tragfähigkeit und die\nräumliche Lage angeht, als auch die externe Verkabelung, Letztere insbesondere\nim Hinblick auf den Leitungsquerschnitt, ausschließlich auf die\nstreitgegenständlichen WKA zugeschnitten sind. Diese Feststellung ist für den\nSenat mangels substantiierter Verfahrensrügen bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).\nSodann hat das FG prognostiziert, dass künftige WKA-Generationen, die der\nstreitgegenständlichen WKA nachfolgen werden, angesichts der rasant\nfortschreitenden technischen Entwicklung gänzlich andere technische und\nbauliche Spezifikationen aufweisen werden. Ausgehend von diesen Prämissen hat\ndas FG sodann unterstellt, dass die derzeitige Verkabelung und auch die\nZuwegung im Fall einer Neuerrichtung des Windparks (sog. "repowering") nach\nAblauf der 16jährigen Nutzungsdauer der WKA nicht mehr weiter genutzt werden\nkönnen und damit wirtschaftlich mit dem Ablauf der Nutzungsdauer der WKA\nebenfalls verbraucht sein werden.\n\n \n\n40\n\n \n\nDiese Ausführungen bewegen sich im Rahmen der dem FG obliegenden\nSchätzungsbefugnis und sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.\n\n \n\n41\n\n \n\nEs ist insbesondere nicht zu beanstanden, wenn sich das FG an der in den AfA-\nTabellen ausgewiesenen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer eines anderen\nWirtschaftsguts, hier der WKA, orientiert. Darin liegt keine unzulässige\nVermengung der nach der AfA-Tabelle ermittelten Nutzungsdauer des einen\nWirtschaftsguts (WKA) mit der wirtschaftlichen Nutzungsdauer eines anderen\nWirtschaftsguts (Verkabelung und Zuwegung). Die Schätzung berücksichtigt\nlediglich, dass die Wirtschaftsgüter einem gemeinsamen Zweck dienen. Sie steht\nauch nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass es sich bei der externen\nVerkabelung und der Zuwegung um eigenständige Wirtschaftsgüter handelt. Denn\nungeachtet der Eigenständigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter kann nicht\naußer Betracht bleiben, dass sie nach der nicht zu beanstandenden Prognose des\nFG im Falle eines zukünftigen "repowering" jedenfalls an diesem Standort\nkeiner Verwendung mehr zugeführt werden können.\n\n \n\n42\n\n \n\nDem FA ist zuzugeben, dass die technische Nutzungsdauer der externen\nVerkabelung und der Zuwegung ausgehend von den AfA-Tabellen nach 16 Jahren\nnoch nicht abgelaufen ist. Darauf kommt es indes nicht an, wenn, wie\nvorliegend, die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer ist. Die Umstände, die zu\neiner kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer führen, sind auch greifbar im\nSinne der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 184, 522, BStBl II 1998,\n59). Es ist nicht ersichtlich und vom FA auch nicht vorgetragen worden, dass\ndie Verkabelung oder die Zuwegung nach Ablauf der Nutzungsdauer der WKA\nmöglicherweise für Dritte anderweitig nutzbar sein könnten und insoweit ein\nerheblicher Verkaufswert zu erwarten ist.\n\n \n\n43\n\n \n\nFür den wirtschaftlichen Verbrauch der externen Verkabelung und der Zuwegung\nzum Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der WKA sprechen zudem auch\ndie genehmigungsrechtlichen Besonderheiten. Die WKA bedurften bis zum 30. Juni\n2005 einer Baugenehmigung gemäß §§ 29 ff. des Baugesetzbuchs und ab dem 1.\nJuli 2005 einer Betriebsgenehmigung gemäß §§ 4 ff. des Bundes-\nImmissionsschutzgesetzes. Beide Genehmigungen sind anlagenbezogen und\nerlöschen grundsätzlich mit der Entfernung der Anlage. Ob unter\nBerücksichtigung der zukünftigen bau- und immissionsrechtlichen Vorschriften\neine Genehmigung zur Errichtung bzw. zum Betrieb einer WKA an demselben\nStandort ("repowering") erneut erteilt werden wird, kann in dem maßgeblichen\nZeitpunkt, in dem die Nutzungsdauer der externen Verkabelung und der Zuwegung\nzu schätzen ist (Bilanzstichtag im Jahr der Anschaffung/Herstellung) nicht\nbeurteilt werden. Kann eine hinreichend sichere Prognose für ein "repowering"\nam Standort der WKA nicht getroffen werden, hält es der Senat daher für\ngeboten, die Nutzungsdauer für die externe Verkabelung und die Zuwegung\nungeachtet der Frage, ob beide den technischen Anforderungen einer zukünftigen\nWKA-Generation überhaupt genügen könnten, in Anlehnung an die Nutzungsdauer\nder WKA zu bestimmen.\n\n \n\n44\n\n \n\nDas FA setzt sich zudem in Widerspruch zu seiner eigenen Auffassung, wenn es\nzur Beurteilung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Verkabelung und der\nZuwegung in Anlehnung an das Betriebskonzept der Klägerin, welches eine\n20jährige Nutzung der WKA vorsieht, und/oder an das vereinbarte Wegerecht von\n25 Jahren auf eine tatsächlich längere Laufzeit der WKA abstellen will. Das FA\nhat die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der WKA ausschließlich unter\nHeranziehung der AfA-Tabelle mit 16 Jahren angesetzt. Zu Recht hat es bei der\nBemessung der Nutzungsdauer weder auf das Betriebskonzept der Klägerin noch\nauf die Dauer der Vereinbarung des Wegerechts abgestellt. Es ist nicht\nersichtlich und von dem FA auch nicht vorgetragen worden, welche objektiv\nnachprüfbaren Umstände dem Betriebskonzept oder dem Nutzungsvertrag zu Grunde\nliegen, die eine Abweichung von den AfA-Tabellen rechtfertigen könnten.\nInsoweit muss es bei dem Grundsatz verbleiben, dass derjenige, der eine von\nden AfA-Tabellen abweichende Nutzungsdauer geltend macht, entsprechende Gründe\nsubstantiiert vorzutragen hat (BFH-Urteile vom 8. November 1996 VI R 29/96,\nBFH/NV 1997, 288, und vom 15. Februar 2001 III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041;\nUrteile des FG Köln vom 27. November 2007 8 K 3037/06, Entscheidungen der\nFinanzgerichte 2008, 836, und des Niedersächsischen FG vom 29. Januar 2009 10\nK 333/07, juris). Der danach zutreffende Ansatz einer 16jährigen\nbetriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der WKA muss dann aber gleichermaßen\ngelten, soweit es darauf für die Bestimmung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer\nder Verkabelung und der Zuwegung ankommt.\n\n \n\n45\n\n \n\nEbenso wenig ist dem FA dahin zu folgen, dass eine von der AfA-Tabelle\nabweichende kürzere Nutzungsdauer erst in dem Zeitpunkt in Betracht kommt, in\ndem die Betriebseinstellung der WKA bevorsteht. Insoweit verkennt das FA, dass\ndie Festlegung der Nutzungsdauer auf einer Schätzung und damit einer\nPrognoseentscheidung beruht, die auf den im Zeitpunkt des AfA-Beginns\nbekannten Tatsachen beruht. Es ist jeder Schätzung immanent, dass sie von den\nspäter eintretenden tatsächlichen Verhältnissen abweichen kann.\n\n \n\n46\n\n \n\n4\\. Die Sache ist spruchreif. Über die Abschreibungsmethode besteht zwischen\nden Beteiligten kein Streit. Ausgehend von ihrem Klagebegehren hat die\nKlägerin für die Zuwegung AfA in gleichen Jahresbeträgen (lineare\nAbschreibung) geltend gemacht. Angesichts dessen bedarf es keiner\nEntscheidung, ob die Zuwegung im Streitfall eine Betriebsvorrichtung i.S. des\n§ 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes darstellt (vgl. dazu BFH-\nUrteile vom 2. Juni 1971 III R 18/70, BFHE 102, 560, BStBl II 1971, 673, und\nvom 19. Februar 1974 VIII R 20/73, BFHE 113, 397, BStBl II 1975, 20), für die\nauch eine AfA in fallenden Jahresbeträgen (degressive Abschreibung)\nvorgenommen werden könnte.\n\n
106,561
bfh-2011-04-14-vi-b-12010
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
VI B 120/10
2011-04-14
2018-11-24 23:30:06
2019-01-18 00:27:55
Beschluss
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ledig und wohnt in H, wo ihm\nim Dachgeschoss des elterlichen Hauses seit 1986 eigener Wohnraum (45 qm)\nunentgeltlich zur Verfügung steht. Daneben hat der Kläger seit November 2000\nin K eine 3-Zimmer-Wohnung (90 qm) angemietet. Der Arbeitgeber des Klägers hat\nseinen Sitz in K. Im Streitjahr (2005) war der Kläger in den Monaten Januar\nbis September überwiegend im Ausland für seinen Arbeitgeber tätig. Der Kläger\nhielt sich während seines Aufenthalts im Ausland im März, Juni und August 2005\njeweils für 12 bis 14 Tage in H auf. Von Oktober bis Dezember 2005 war er im\nInland tätig. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er\nerstmals Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend und gab an, seinen\nHaupthausstand am Wohnsitz seiner Eltern in H zu unterhalten und daneben einen\neigenen Hausstand in K am Beschäftigungsort.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die\nAufwendungen nicht, da ein eigener Hausstand in H nicht nachgewiesen worden\nsei. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) konnte\nnicht feststellen, dass sich der Lebensmittelpunkt des Klägers im Streitjahr\nin H befunden hat. Zudem stand zur Überzeugung des FG nicht fest, dass der\nKläger in H einen eigenen Hausstand geführt hat. Das FG ließ die Revision\nnicht zu.\n\n \n\n3\n\n \n\nMit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger neben verschiedenen\nVerfahrensfehlern eine Abweichung von der Rechtsprechung des Senats geltend.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n4\n\n \n\nII. Die Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die geltend\ngemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Weder greifen die von der\nBeschwerde gerügten Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der\nFinanzgerichtsordnung (FGO) durch noch ist eine Entscheidung des\nBundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung\nerforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).\n\n \n\n5\n\n \n\n1\\. Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2\nFGO) nicht dadurch verletzt, dass es einen Schriftsatznachlass abgelehnt hat.\nDie Nichtgewährung einer in der mündlichen Verhandlung beantragten\nSchriftsatzfrist verletzt nur dann den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn\nsich ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des\nanderen Beteiligten nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem\nTermin mitgeteilt worden ist. Nur für diesen Fall sehen § 283 der\nZivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO das Nachbringen schriftsätzlicher\nErklärungen vor (BFH-Beschluss vom 18. März 2008 XI S 30/07 (PKH), BFH/NV\n2008, 1184, m.w.N.). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Streitpunkt, zu dem sich der Kläger noch schriftsätzlich im Anschluss an\ndie mündliche Verhandlung äußern wollte, betraf die Frage, ob die mit dem\nSchriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2010 eingereichten Belege geeignet sind,\nden Nachweis dafür zu erbringen, dass der Lebensmittelpunkt des Klägers sich\nin H befunden und er dort einen eigenen Hausstand geführt hat. Dies wurde vom\nFA mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010, der dem Kläger erst in der mündlichen\nVerhandlung am 22. Juni 2010 überreicht wurde, bestritten. Der Kläger trägt in\nder Beschwerde hierzu vor, dass durch Vorlage der Originalbelege sowie durch\ndie persönliche Vernehmung des Klägers die Geeignetheit der im Schreiben vom\n14. Mai 2010 eingereichten Beweismittel hätte nachgewiesen werden können. Es\nist dem Senat jedoch kein Grund ersichtlich und in der Beschwerde auch nicht\nvorgetragen, warum der fachkundig vertretene Kläger in der mündlichen\nVerhandlung vor dem FG nicht "ohne vorhergehende Erkundigung" i.S. des § 282\nZPO auf den Schriftsatz des FA mit dem in der Beschwerde angeführten\nVorbringen hätte erwidern können. Im Streitfall lagen somit die\nVoraussetzungen für das Nachreichen eines Schriftsatzes gemäß § 283 ZPO i.V.m.\n§ 155 FGO nicht vor.\n\n \n\n7\n\n \n\n2\\. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich --entgegen der Auffassung\ndes Klägers-- auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer\nÜberraschungsentscheidung. Eine solche liegt vor, wenn das FG seine\nEntscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder\ntatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung\ngibt, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf\ndes Verfahrens nicht rechnen musste (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2008 X\nB 179/06, BFH/NV 2008, 608). Wie das FA zutreffend darauf hinweist, konnte aus\ndem Hinweis des Berichterstatters auf die Vorschrift des § 3c des\nEinkommensteuergesetzes (EStG) im Zusammenhang mit dem Auslandsaufenthalt des\nKlägers im Ausland nicht geschlossen werden, dass die doppelte\nHaushaltsführung dem Grunde nach anerkannt werde. Die Beteiligten haben\nvielmehr zuletzt in der mündlichen Verhandlung die Frage erörtert, ob eine\ndoppelte Haushaltsführung im Streitfall anzunehmen sei. Hierzu wurden auch\nZeugen vernommen. Die Abweisung der Klage als unbegründet, weil die\nVoraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht festgestellt werden\nkonnten, erfolgte daher für den Kläger nicht überraschend. Im Übrigen ist\ndarauf hinzuweisen, dass bei einer Rechtsäußerung nur eines Mitglieds des zur\nEntscheidung berufenen Spruchkörpers --hier des Senats-- regelmäßig nicht\ngefolgert werden kann, dass die Rechtsfrage eindeutig geklärt ist und der\nSenat von der Rechtsauffassung nicht abweichen bzw. sie anders beurteilen\nkönnte. Dies musste sich dem Kläger im Übrigen auch aufgrund des Verlaufs der\nmündlichen Verhandlung am 22. Juni 2010 aufdrängen. Ausweislich des\nSitzungsprotokolls wurde zwar auch die Frage der Anwendung des § 3c EStG\nerörtert, im Übrigen wurden jedoch ausschließlich Fragen zur doppelten\nHaushaltsführung behandelt.\n\n \n\n8\n\n \n\n3\\. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr.\n2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der\nvermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender,\nabstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus\nden behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung\nerkennbar zu machen. Für eine schlüssige Divergenzrüge ist überdies weiterhin\nauszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt\nund um eine identische Rechtsfrage handelt (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006\nVIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, unter 2. a und b, m.w.N.). Der Kläger\nbehauptet zwar, dass eine Abweichung zur Entscheidung VI R 26/09 (Senats-\nUrteil vom 21. April 2010, BFHE 230, 5) vorliegt, und nennt Abweichungen im\nUrteil der Vorinstanz. Der Senat vermag dem jedoch nicht zu folgen.\n\n \n\n9\n\n \n\nNach der Rechtsprechung des Senats ist die finanzielle Beteiligung bei der\nUnterhaltung des Haupthausstandes keine unabdingbare Voraussetzung im Sinne\neines Tatbestandsmerkmals (conditio sine qua non), sondern lediglich ein\ngewichtiges Indiz bei der Würdigung der gesamten Umstände des Falles (BFH-\nUrteil vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890). Das\nFG ist aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung aller Umstände des\nEinzelfalls zu der Entscheidung gelangt, dass der Kläger in den Haushalt\nseiner Eltern eingegliedert war und nicht über einen eigenen Hausstand verfügt\nbzw. auch nicht einen Haushalt gemeinsam mit seinen Eltern geführt hat. So hat\ndas FG neben der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung, der fehlenden Übernahme\nvon Nebenkosten sowie der fehlenden Beteiligung an Renovierungskosten u.a.\nmaßgeblich darauf abgestellt, dass die Wohnung zeitweise durch andere Personen\ngenutzt wurde, dass die Aussagen der beiden Zeugen keine weiteren Aufenthalte\nin H ergaben sowie, dass angesichts der Dauer der Auswärtstätigkeit des\nledigen Klägers keine Umstände dargelegt wurden, die belegt hätten, dass der\nLebensmittelpunkt des Klägers in H verblieben war. Diese Würdigung des FG ist\nrevisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das FG nicht den\neinzelnen Umstand der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung allein als\nunabdingbare Voraussetzung im Sinne eines Tatbestandsmerkmals angesehen.\n\n \n\n10\n\n \n\nb) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2\nAlternative 2 FGO) ist eine Entscheidung des BFH --außer in Fällen der\nDivergenz-- dann geboten, wenn ein allgemeines Interesse an einer\nkorrigierenden Entscheidung besteht, weil das FG revisibles Recht fehlerhaft\nausgelegt hat, der insoweit unterlaufene Fehler von Gewicht und geeignet ist,\ndas Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen. Das ist insbesondere der\nFall, wenn die Auslegung und Anwendung des revisiblen Rechts durch das FG\nobjektiv willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig ist (z.B. BFH-Beschluss vom\n5. Juli 2005 VI B 150/04, BFH/NV 2005, 2025; vgl. auch Lange in Hübschmann/\nHepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 200 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,\nFinanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 63 ff. und 75 ff.; jeweils m.w.N.). Dies\nist im Streitfall aus den oben dargelegten Gründen nicht gegeben.\n\n \n\n11\n\n \n\n4\\. Die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO\nverletzt, weil es weitere Aufenthalte des Klägers in H nicht durch Einvernahme\ndes Klägers, weiterer Zeugen und der Einsicht von Kaufbelegen im Original\naufgeklärt habe, lässt einen Verfahrensfehler des FG nicht erkennen. Der\nKläger hat nicht dargelegt, weshalb sich auf der Grundlage des materiell-\nrechtlichen Standpunktes des FG (vgl. dazu BFH-Urteile vom 31. August 1992 V R\n47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046, 1047, und vom 15. Dezember 1992\nVIII R 9/90, BFH/NV 1993, 656, 657 zur Beweiserhebung bezüglich der\nVeräußerungsabsicht) eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes hätte\naufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. April 1992 II B 174/91, juris;\nvom 19. September 1994 VIII B 110/93, BFH/NV 1995, 243).\n\n \n\n12\n\n \n\nSo hat das FG die Feststellung, dass sich der Lebensmittelpunkt des Klägers\nnicht in H befunden habe, nicht von der Anzahl der Aufenthalte in H abhängig\ngemacht, sondern maßgeblich darauf gestützt, dass angesichts der Dauer der\nAuswärtstätigkeit des ledigen Klägers keine Umstände dargelegt wurden, die\nbelegt hätten, dass der Lebensmittelpunkt des Klägers in H verblieben war. Die\nAussagen der beiden Zeugen stützen diese Feststellung des FG. Im Übrigen ist\ndarauf hinzuweisen, dass die Anzahl der Wochenendheimfahrten des Klägers\nletztlich auch keine Aussage darüber erlaubt, ob der Kläger in H einen eigenen\nHausstand unterhalten hat. Ein möglicher Verfahrensfehler hinsichtlich der\nFrage, ob der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in H hatte, lässt damit die\nFeststellungen des FG zum eigenen Hausstand des Klägers unberührt.\n\n \n\n13\n\n \n\nZudem war das FG von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus nicht\nverpflichtet, auch ohne Beweisangebot von Amts wegen die entsprechende weitere\nSachverhaltsermittlung zur Anzahl der Aufenthalte in H anzustellen. Denn\nletztlich hat das FG das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung im\nStreitfall auch deswegen verneint, weil der Kläger in den Haushalt seiner\nEltern eingegliedert war und nicht über einen eigenen Hausstand verfügt bzw.\nauch nicht einen Haushalt gemeinsam mit seinen Eltern geführt hat. Eine\nweitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen hätte sich daher nach Lage der\nAkten nicht aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 23. April 1992 II B 174/91,\njuris).\n\n